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2020-11_RegioBusiness

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November 2020 I Jahrgang 19 I Nr. 219

Blickpunkt 07

Teil-Lockdown trifft auch die Händler

Geschlossene Restaurants, abgesagte Weihnachtsmärkte und Verkaufsevents lassen die Attraktivität der Innenstädte sinken und damit

auch die Kundenfrequenz und die Umsätze der Händler einbrechen. VON KERSTIN DORN

Die gute Nachricht Anfang

November hieß: Die Einzelhandelsgeschäfte

müssen

nicht schließen. Die Schlechte:

Ein Einkaufsbummel unter

Coronabedingungen macht keinen

Spaß. Die abgesagten Weihnachtsmärkte

und verkaufsoffenen

Sonntage trüben die Stimmung

beim stationären Einzelhandel,

insbesondere beim

Bekleidungshandel, zusätzlich.

Dabei steht den Geschäften in der

Adventszeit normalerweise die

umsatzstärkste Zeit bevor. REGIO

BUSINESS hat einige Händler gefragt,

was die coronabedingten

Absagen innerstädtischer Events

und die Einschränkungen für sie

konkret bedeuten. Auch die Reaktionen

darauf entsprechen der

gegenwärtigen Stimmung: abwartend,

verhalten, ablehnend.

Doch es gibt auch Händler, die

es als echte Herausforderung sehen

und entschlossen sind, dieser

Krise zu trotzen. Zu denen gehört

Ingo Hänel, Inhaber von Schuh-

Beck Markenschuhe mit Geschäften

in Crailsheim, Satteldorf und

Schwäbisch Hall. Obwohl seine

Umsätze weniger von Weihnachten,

als vielmehr von der Mode

und dem Wetter bestimmt werden,

ist er skeptisch: Der neue

Teil-Lockdown lasse die Frequenzen

schlagartig sinken.

Ein Schlag ins Kontor seien auch

die abgesagten Einkaufssonntage.

„Wir haben aktuell 13 Filialen

und konnten in der Vergangenheit

mit zwei verkaufsoffenen Sonntagen

pro Filiale pro Jahr kalkulieren.

Da in diesem Jahr auf diesem

Sektor – zum einen wegen Corona,

zum anderen aber auch wegen

der Gewerkschaft „ver.di“ –

»Ein Algorithmus

erfasst dein

Profil, ein Händler

deine Persönlichkeit.«

keinerlei verkaufsoffene Sonntage

stattfinden, fehlen uns 26 starke

Umsatztage (eigentlich ein ganzer

Monat). Hänel weißt auf die

ungleichen Voraussetzungen hin,

weil Onlinehändler „in jeder Sekunde

eines jeden Sonntags des

Jahres riesige Mengen an Ware

verkaufen“ dürfen. Trotzdem ist

er zuversichtlich: „Ich hoffe, dass

wir mit unserem Sortiment weiterhin

als stationärer Anbieter

mit einem tollen Service und einem

Riesenangebot voll überzeugen

können – und dass man bei

uns eben einfach den passenden

Schuh findet und sich nicht über

zig-faches Hin- und Zurücksenden

an den richtigen Schuh, den

richtigen Leisten, die richtige Farbe,

die richtige Passform herantasten

muss“. Den eigenen Online-Handel

will er nicht ausbauen:

Das Produkt Schuh eigne sich

einfach nicht dafür. Man müsse

mit Retourenquoten von bis zu

70 Prozent leben – von zehn versendeten

Paaren würden nur drei

verkauft und sieben zurückkommen.

Das sei viel Arbeit für wenig

Umsatz. „Wir sind Vollblut-Schuhhändler

vor Ort! Wir werden unser

Angebot ausbauen anstatt zu

kürzen und unseren Service auf

höchstmöglichem Niveau halten.

Wir kriegen in unseren Läden

viel Lob und Zuspruch und werden

weiterempfohlen – das soll

auch in Zukunft so bleiben. Wir

stellen schon fest, dass sich die

Verbraucher online informieren.

Dem tragen wir mit einer stark

digitalisierten Werbung über die

Homepage oder Facebook Rechnung,

wo wir regelmäßig eigene

Produktvideos einstellen, die

dann Freundinnen zum stationären

Shoppen animieren.“

Das sieht Monika Seliger, die Inhaberin

von „Monis Modestudio“

in Rot am See genauso. Auch sie

nutzt die digitalen Kanäle seit dem

Lockdown im Frühjahr intensiver,

um die Kunden neugierig zu machen

und für einen Einkaufsbummel,

gern auch in Gruppen nach

der regulären Öffnungszeit, zu gewinnen.

Paralleler Ausbau

der Online-Aktivitäten

Anders dagegen die Verantwortlichen

im Modepark Röther. Das

mittelständische Unternehmen,

das 1972 von Martin und Margit

Röther als Jeansladen in der Innenstadt

von Schwäbisch Hall gegründet

wurde und mittlerweile

44 Filialen betreibt, will den Online-Shop

(www.modepark.de)

parallel zum stationären Handel

kontinuierlich weiter ausbauen.

Einfluss auf das stationäre

Geschäft habe die Strategie keine,

wie das Unternehmen mitteilt.

Auch bei Röther spürt man

den Teil-Lockdown: Die Kundenfrequenzen

und somit auch die

Umsatzzahlen sinken. Dabei hofft

man, dass es nicht noch zu einem

kompletten Lockdown kommt.

Dann nämlich sei die Sicherung

der Liquidität und der Arbeitsplätze

das Gebot der Stunde.

Lokal: Probieren geht über Studieren und eine Anprobe im Geschäft

(hier im Schuhaus Freitag in Crailsheim) erspart das lästige Hin- und

Herschicken von online-gekaufter Ware, weil sie entweder nicht passt

oder nicht gefällt. Foto: Kerstin Dorn, Zitat. Oliver W. Schwarzmann

Innenstädte sollen zu Erlebnisräumen werden

Die Leerstände in den Stadtzentren in Heilbronn-Franken halten sich noch in Grenzen. Trotzdem versuchen die Verantwortlichen die Attraktivität der

Einkaufsmeilen zu steigern – zum Beispiel mit individuellen Förderungen und Neubauten. VON EILEEN SCHEINER

Alles muss raus!“ – In kaum

einer Innenstadt gibt es nicht

mindestens ein Schaufenster,

in dem dieser Satz nicht zu lesen

ist. Oft ergänzen Hinweise wie

„Räumungsverkauf“ oder „Wir

schließen unsere Filiale“ die Absicht

der Betreiber. Zu sehen sind

diese Sätze unter anderem gerade

in den Filialen von Depot und Bonita

in Crailsheim. Die Unternehmen

haben angekündigt, die Filialen

zum Ende des Jahres schließen

zu wollen.

SITUATION Die Stadtverwaltung

Crailsheim bedauert den Verlust.

Wie die Immobilien weitergenutzt

werden, steht noch nicht endgültig

fest. Wünschenswert wären

ähnliche Filialisten, die aber oftmals

„einen strengen und umfangreichen

Anforderungskatalog

haben, den es zu erfüllen gilt“,

erklärt Horst Herold vom Ressort

Wirtschaft & Bildung. „In diesen

Checklisten ist zum Beispiel vorgeschrieben,

wie groß Verkaufsflächen,

Außenbereiche und

Schaufensterflächen sein müssen.

Akzeptiert werden oft nur 1A-Lagen

in reinen Fußgängerzonen

oder Einkaufszentren“, führt er

aus. Die Gebäudestruktur sei in

Crailsheim leider oftmals nicht so,

dass diese Vorgaben erfüllt werden

könnten.

In der Innenstadt von Künzelsau

im Hohenlohekreis stehen derzeit

drei Geschäfte leer. Diese seien

altersbedingt entstanden oder

die bisherigen Geschäfte haben

sich vergrößert, teilt Christoph

Bobrich, Wirtschaftsförderer der

Stadt mit. Durch Corona kamen

erfreulicherweise keine Betriebsschließungen

hinzu. Im Gegenteil:

„Was wir in den letzten Wochen

verstärkt beobachten konnten,

sind Anfragen von Existenzgründern,

die sich selbstständig machen

wollen. Auch mehrere Neueröffnungen

fanden in den letzten

Monaten statt“, erläutert Bobrich.

Auch in Bad Mergentheim sind

Leerstände zu verzeichnen, „vor

allem jenseits der so genannten

A-Lage“, sagt Oberbürgermeister

Udo Glatthaar. Als A-Lage

werden die Fußgängerzone und

der Marktplatz bezeichnet. Aktuell

seien es zehn freie Ladenflächen,

die sich für den Einzelhandel

eignen würden. Ähnlich wie

in Künzelsau konnte auch Bad

Mergentheim während der Corona-Krise

einige Neueröffnungen

verbuchen. So haben unter anderem

die Unternehmen Deichmann

und Intersport ein Geschäft in der

Stadt eröffnet. „Neben dem Sortiment

Sport ist auch der Bereich

Brautmoden und Geschenkartikel/Haushalt

durch zwei inhabergeführte

Neuansiedlungen in der

Innenstadt nochmals im Krisenjahr

ergänzt worden“, freut sich

der Oberbürgermeister.

Anreiz: In den vergangenen Monaten hat die Stadt Bad Mergentheim unter dem Motto „Bunter shoppen“

auch eine temporäre „Umbrella Street“ für den Einzelhandel vermarktet.

Foto: Holger Schmitt

ANFORDERUNGEN Das Angebot

in Bad Mergentheim hat sich

in den vergangenen Jahren – wie

nahezu in jeder Stadt – gewandelt.

Hier kann Glatthaar einige

Tendenzen beobachten: „Von

Seiten der Interessenten werden

vor allem ebenerdige Ladenlokale

nachgefragt“, sagt er. Zudem

sei die Nachfrage beim inhabergeführten

Einzelhandel in Summe

rückläufig, ebenso wie die Anfragen

der Filialisten für die Innenstadt.

„Jedoch konzentrieren sich

die vorliegenden Anfragen deutlich

stärker auf konkrete Bereiche,

vor allem die klassische Fußgängerzone“,

erläutert er weiter.

Die allgemeine Situation in Bad

Mergentheim ist dennoch erfreulich.

Die Stadt nimmt in Baden-

Württemberg einen Spitzenplatz

ein: Über 50 Prozent des Einzelhandels

befinden sich in der Innenstadt.

„So eine Konzentration

haben nicht viele Städte unserer

Größenordnung“, sagt Glatthaar.

Diese Dichte an Attraktivität gelte

es zu halten. Deshalb müsse die

Stadt der Zukunft gleich mehrere

Funktionen erfüllen. „Ein gesunder

Mix aus Einzelhandel, Gastronomie,

attraktivem Stadtbild, Erholungsflächen

und Events schafft

eine besondere Atmosphäre und

steigert die Aufenthaltsqualität sowohl

für Einheimische als auch

für Gäste“, erläutert der Oberbürgermeister.

Das möchte man

in Bad Mergentheim in Zusammenarbeit

mit der Wirtschaftsförderung,

den Einzelhändlern, Gastronomen

und der „City-Gemeinschaft“

erreichen.

Auch in Künzelsau arbeitet man

bereits an Konzepten, um die Innenstadt

zukunftsfähig zu machen.

Eines davon nennt sich

„Verwirkliche deinen Traum in

Künzelsau“. Mit diesem Angebot

bietet die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit

mit vielen weiteren

Akteuren vor Ort bereits seit 2017

Unterstützung für Existenzgründer

an. Bewerber erhalten unter

anderem Hilfe bei der Flächensuche,

bei der Erstellung eines

Businessplans und werden, wenn

sie das möchten, in die Werbegemeinschaft

aufgenommen. Für

das Programm wurde die Stadt

Künzelsau kürzlich erneut als

„Gründungsfreundliche Kommune“

ausgezeichnet. Daneben will

Wirtschaftsförderer Christoph Bobrich

auch den bestehenden Einzelhändlern

unter die Arme greifen.

Die Stadt setzt unter anderem

auf zusätzliche Verkaufstage.

Denn der größte Mitbewerber,

das Internet, habe 24 Stunden täglich

geöffnet, resümiert Bobrich.

KONZEPT Mit der Sanierung der

östlichen Innenstadt – das Gebiet

rund um den Volksfestplatz – will

die Stadt Crailsheim eine Steigerung

der Attraktivität bewirken.

„Hier werden neue Handelsflächen

entstehen, die insbesondere

auch für Filialisten geeignet sind“,

ist sich Horst Herold vom Ressort

Wirtschaft & Bildung sicher.

Zudem ist die Stadt bestrebt, den

aktuellen Bestand an Geschäften

zu halten. „Wie das gelingen

kann, zeigte die Ansiedlung von

C&A. Damals konnten mehrere

Bestandsgebäude durch einen Investor

aufgekauft werden und es

wurde ein zukunftsfähiges Gebäude

für die Einzelhandelsnutzung

errichtet“, sagt Herold.

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