24.11.2020 Aufrufe

Programmheft des Deutschen Literaturarchivs Marbach, 2. Halbjahr 2020

Mit Texten über Hölderlin, Celan, Rühmkorf, Schiller und das Lesenlernen sowie das Forschungs- und Ausstellungsprojekt "Narrating Africa", von Nico Bleutge, Susanne Fischer, Hannelore Schlaffer, Farhad Showgi, Oladipo Agboluaje, Julia Augart, Jennifer Nansubuga Makumbi, Nelson Mlambo, Rémy Ngamije, Sylvia Schlettwein, Annette Bühler-Dietrich, Ildevert Méda, Sami Tchak und Nuruddin Farah.

Mit Texten über Hölderlin, Celan, Rühmkorf, Schiller und das Lesenlernen sowie das Forschungs- und Ausstellungsprojekt "Narrating Africa", von Nico Bleutge, Susanne Fischer, Hannelore Schlaffer, Farhad Showgi, Oladipo Agboluaje, Julia Augart, Jennifer Nansubuga Makumbi, Nelson Mlambo, Rémy Ngamije, Sylvia Schlettwein, Annette Bühler-Dietrich, Ildevert Méda, Sami Tchak und Nuruddin Farah.

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Was ist<br />

Literatur<br />

?<br />

Programm 2/<strong>2020</strong>


Was ist Literatur? Zum<br />

Beispiel: ein Wortspiel,<br />

das himmlische Mächte<br />

provoziert.<br />

Peter Rühmkorf, aus<br />

<strong>des</strong>sen Nachlass diese<br />

Lakritzdose stammt, hat<br />

mit der Mehrdeutigkeit<br />

eines von ihm erfundenen<br />

Kürzels gespielt – TABU:<br />

wie das Tagebuch, das<br />

er schrieb, aber eben<br />

auch wie das Adjektiv und<br />

Substantiv, mit dem wir<br />

etwas bezeichnen, das<br />

aus gesellschaftlichen<br />

Gründen verboten ist.<br />

Das Wort kommt aus dem<br />

polynesischen Sprachraum.<br />

Unaussprechliche,<br />

heilige, unberührbare<br />

Dinge – so die ursprünglich<br />

religiöse Vorstellung<br />

– müssen streng<br />

gemieden werden, da<br />

sie gefährliche Kräfte<br />

besitzen. In ihnen wohnen<br />

Götter. Rühmkorf personifizierte<br />

seine Auswahl<br />

aus den über 15.000 in<br />

<strong>Marbach</strong> archivierten<br />

Seiten TABU-Text, indem<br />

er ihr ein Zitat von Walt<br />

Whitman voranstellte:<br />

„Camerado, dies ist kein<br />

Buch. Wer dies berührt,<br />

berührt einen Mann.“


Editorial<br />

2_3<br />

Die vergleichsweise abstrakte<br />

Um solche Möglichkeitshorizonte<br />

und reduzierte Form der Literatur<br />

eröffnen und überhaupt weiterhin<br />

erweist sich dabei als Vorteil.<br />

arbeiten zu können, hat das Deutsche<br />

Als Sprachkunst lässt sich Literatur<br />

Literaturarchiv in den vergangenen<br />

allein oder in einer kleinen Gruppe<br />

Monaten einen großen Schritt ins<br />

lesen – laut oder leise, mit oder<br />

Digitale gewagt. Wir arbeiten online<br />

ohne spielerische Elemente, je nach<br />

miteinander, treiben die Digitali-<br />

Bedarf. Solches Lesen, Erzählen<br />

sierung unserer Bestände und<br />

oder Spielen in Seuchenzeiten hat<br />

die digitale Arbeit damit voran.<br />

Tradition, man denke an Boccaccios<br />

Lesungen, Führungen, Gespräche<br />

Decamerone. Im 14. Jahrhundert<br />

und Diskussionen finden, solange<br />

flüchteten sieben Frauen und drei<br />

die Kontaktbeschränkungen gelten,<br />

Männer vor der Pest in die Berge um<br />

hauptsächlich digital in unseren<br />

Florenz. Sie berichten erschreckend<br />

Social-Media-Kanälen und in<br />

realistisch von der Pest. Mit ihren<br />

unserem neuen Blog statt. Unter<br />

Geschichten eröffnen sie mögliche<br />

#closedbutopen präsentiert das<br />

Welten, die sich weit über das<br />

Museumsteam virtuelle Rundgänge<br />

Erlebte hinaus spannen und auf<br />

durch die Ausstellungen und<br />

Fallen Körper und Seele <strong>des</strong><br />

eine hoffentlich glücklichere und<br />

vieles mehr. Seit Ende Mai sind<br />

Menschen auseinander, entstehen<br />

gesundere Zukunft verweisen.<br />

die Museen wieder zugänglich, und<br />

monströse Charaktere, meinte<br />

Nutzer*innen können nach Voran-<br />

Schiller. Als angehender Arzt<br />

meldung wieder im Archiv arbeiten.<br />

befasste er sich vor allem mit<br />

psychosomatischen Krankheiten,<br />

Wir hoffen, dass wir der sinnlichen<br />

u.a. mit Melancholie. Seine Be-<br />

und unmittelbaren Seite der Literatur<br />

obachtungen vereinte er in seiner<br />

bald wieder mehr Geltung verschaffen<br />

Dissertation Versuch über den<br />

und auch Sie von Angesicht zu<br />

Zusammenhang der tierischen Natur<br />

Angesicht treffen können, ohne die<br />

<strong>des</strong> Menschen mit seiner geistigen<br />

Vorzüge <strong>des</strong> Digitalen aufzugeben.<br />

(1780).<br />

Denn auch die Literatur hat einen –<br />

oder vielmehr: viele Körper, ohne<br />

Gegenwärtig bereitet uns unsere<br />

die sie ihrerseits eine seelenlose<br />

Natur Schwierigkeiten. Aufgrund<br />

Kunst wäre.<br />

der Covid-19-Pandemie müssen<br />

wir unser kulturelles Miteinander<br />

einschränken und uns in einer Weise<br />

verhalten, wie sie für Menschen<br />

untypisch, um nicht zu sagen: unnatürlich<br />

ist. Doch aus der Einsicht<br />

Sandra Richter<br />

in das Notwendige halten wir uns<br />

daran und versuchen zugleich, das<br />

Miteinander auf Abstand zu pflegen.


Inhalt<br />

4_5<br />

8 16<br />

24 22<br />

Narrating Africa<br />

28<br />

SateLIT 1: Planet<br />

34<br />

step by step<br />

Hölderlin, Celan<br />

und die Sprachen<br />

der Poesie<br />

Ausstellungen<br />

Laß leuchten!<br />

Peter Rühmkorf –<br />

selbstredend und<br />

selbstreimend<br />

Schiller, Hölderlin,<br />

Kerner, Mörike<br />

Die Seele<br />

Motzstraße. Else<br />

Lasker-Schülers<br />

Lebenszeichen aus<br />

Berlin<br />

5040<br />

62 52 84<br />

94 8872<br />

Celans späte Sterne<br />

Themen und Dialoge<br />

Wie erzählen wir heute<br />

von Afrika? Welche<br />

Geschichten und Mythen<br />

betreffen uns heute?<br />

Schiller lesen<br />

ratzepatz.<br />

Rühmkorfs<br />

Nachlasspoesie<br />

Lesen! Deep, skim, distant,<br />

close, micro, macro, wide,<br />

scalable, slow, fast?<br />

#LiteraturBewegt<br />

Lesen lernen /<br />

Hannelore Schlaffer<br />

Rühmkorfs letzter Brief<br />

Hölderlin lesen.<br />

Laut und draußen /<br />

Nico Bleutge<br />

Von Winnetou zu<br />

Mohn und Gedächtnis /<br />

Farhad Showghi


Ausstellungen<br />

Hölderlins zehn häufigste Substantive


8_9<br />

Wechselausstellung im Literaturmuseum der Moderne bis 1. August 2021


„Hölderlin ist eine dem <strong>Deutschen</strong><br />

verwandte Sprache“, schrieb Oskar<br />

Pastior 1995. Mit über 150 Objekten<br />

und Stationen zieht sich die Ausstellung<br />

Hölderlin, Celan und die<br />

Sprachen der Poesie durch beinahe<br />

alle Räume <strong>des</strong> Literaturmuseums<br />

der Moderne, um die unterschiedlichen<br />

Dimensionen dieser Sprache<br />

auszuloten. Im Mittelpunkt stehen<br />

Hölderlins Gedichte und ihre<br />

Wirkungen aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven: Was geschieht<br />

beim Lesen eines Hölderlin-Gedichts<br />

mit uns? Wie wirkt ein Hölderlin-<br />

Gedicht, wenn wir es in der Handschrift<br />

lesen?<br />

Was verändert sich, wenn wir es<br />

im Raum lesen? Welche Hölderlin-<br />

Erfahrungen sind in Archiv und<br />

Bibliothek überliefert und welcher Text<br />

und was daran ‚wirkte‘ jeweils wie?<br />

Auf dem Hölderlin-Leser Paul Celan,<br />

<strong>des</strong>sen umfangreicher Nachlass<br />

sich im <strong>Deutschen</strong> Literaturarchiv<br />

befindet, liegt dabei ein besonderer<br />

Schwerpunkt: Er wäre im Jahr <strong>2020</strong><br />

100 Jahre alt geworden, zugleich<br />

jährt sich sein To<strong>des</strong>tag zum 50. Mal.<br />

10_11<br />

Gefördert von der Baden-Württemberg<br />

Stiftung. Die Stationen zur Leseforschung<br />

werten wir zusammen mit<br />

dem Leibniz-Institut für Wissensmedien<br />

und dem Institut für Psychologie der<br />

Universität Tübingen aus.


_15


Hölderlin,<br />

Celan und<br />

die Sprachen<br />

der Poesie.<br />

Impressionen<br />

von der<br />

Eröffnung am<br />

23. Mai<br />

mit Staatssekretärin<br />

Petra<br />

Olschowski.<br />

14_15


16_17<br />

Schiller,<br />

Eine Interimsausstellung im Literaturmuseum der Moderne bis Winter 2022<br />

Hölderlin,<br />

Kerner,<br />

Mörike


Für das Schiller-Nationalmuseum<br />

erarbeiten wir zur Zeit ein neues<br />

Ausstellungskonzept. Daher sind<br />

vier Schriftsteller – Schwaben von<br />

Geburt und Autoren von Weltrang –<br />

vorläufig ins Literaturmuseum der<br />

Moderne umgezogen. Wir haben<br />

Dinge eingepackt, die ihre poetisch<br />

besonderen Seiten zeigen: Friedrich<br />

Schillers unterschiedliche Spiele,<br />

Justinus Kerners Tintenklecksbilder<br />

und die eigenwilligen Aufschreibesysteme<br />

von Friedrich Hölderlin und<br />

Eduard Mörike. Alle vier Schriftsteller<br />

stammen aus der Umgebung<br />

<strong>des</strong> Museums: Schiller wurde 1759 in<br />

<strong>Marbach</strong> geboren, Hölderlin 1770<br />

in Lauffen, Kerner 1786 und Mörike<br />

1804 in Ludwigsburg.<br />

18_19<br />

Ein zweiter Raum mit Scherenschnitten<br />

von Luise Duttenhofer und<br />

wechselnden Leselaborstationen<br />

ergänzt diese Interimsausstellung.<br />

Blick auf<br />

Schiller,<br />

der vorübergehend<br />

ins<br />

Literaturmuseum<br />

der<br />

Moderne<br />

umgezogen<br />

ist.


20_21<br />

Exponattableaus<br />

sowie Bildund<br />

Tonplatten<br />

zu<br />

Schiller,<br />

Hölderlin,<br />

Mörike und<br />

Kerner im<br />

Literaturmuseum<br />

der<br />

Moderne.


Für Hölderlin,<br />

Celan und die<br />

Sprachen der<br />

Poesie haben<br />

wir mit Objektkarten<br />

und<br />

Originalen in<br />

der Dauerausstellung<br />

im Literaturmuseum<br />

der<br />

Moderne ein<br />

ganzes Ausstellungskapitel<br />

verortet:<br />

„Zitieren.<br />

Hölderlin mit<br />

anderen lesen“.<br />

ie<br />

eele<br />

Die Dauerausstellung zum<br />

20. Jahrhundert im<br />

Die über 280 Exponate, die wir aus<br />

den mehr als 1.400 Schriftsteller- und<br />

Gelehrtennachlässen mit rund<br />

50 Millionen Einzelblättern, Büchern<br />

und Gegenständen <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

<strong>Literaturarchivs</strong> ausgewählt<br />

haben, zeigen eine besondere<br />

Literaturgeschichte <strong>des</strong> Schreibens<br />

und Lesens. Von 1899 bis 2001,<br />

von Hermann Hesse zu W.G. Sebald,<br />

unter anderem mit Exponaten von<br />

Rilke, Kafka, Benn, Döblin, Walter<br />

Benjamin, Joseph Roth, Stefan<br />

Zweig, Else Lasker-Schüler, Mascha<br />

Kaléko, Hannah Arendt, Hilde<br />

Domin, Siegfried Lenz, Sarah Kirsch,<br />

Martin Walser, Thomas Bernhard<br />

und Hans Magnus Enzensberger.<br />

Literaturmuseum der Moderne<br />

22_23


Narrating<br />

Africa<br />

step by<br />

step<br />

Eine Open-Space-Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne<br />

bis 1. August 2021


26_27<br />

Wie erzählen wir von Afrika: von<br />

einem Kontinent und seiner Vielfalt?<br />

Welche Bilder und Stereotype,<br />

welche kolonialen und nationalen<br />

Ideologien bestimmen die Literatur<br />

über Afrika und werden von ihr<br />

geprägt, verbreitet oder zerlegt?<br />

In einer Open-Space-Ausstellung<br />

diskutieren wir das mit Texten,<br />

Archivfunden, Lecture Performances<br />

und Gesprächen u.a. mit Partnern<br />

aus Namibia und zahlreichen Schriftstellerinnen<br />

und Schriftstellern<br />

aus Afrika. Da wir das für den Juni<br />

zusammen mit Annette Bühler-<br />

Dietrich (Universität Stuttgart) und<br />

der University of Namibia geplante<br />

Autorenfestival in den Mai 2021<br />

verschieben mussten, werden wir die<br />

Ausstellung vorerst auf digitalen<br />

Wegen ergänzen, umschreiben und<br />

neu fügen.<br />

Gefördert vom Ministerium für<br />

Wissenschaft, Forschung und Kunst<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Baden-Württemberg.<br />

Screenshots<br />

aus den<br />

#closedbutopen-Videos<br />

zu Narrating<br />

Africa.<br />

Videoeinblicke und -beiträge<br />

zur Ausstellung, u.a. von Oladipo<br />

Agboluaje, Penda Diouf, Jennifer<br />

Nansubuga Makumbi, Ildevert<br />

Méda, Rémy Ngamije, Sami Tschak<br />

und Sylvia Schlettwein finden<br />

Sie auf dem YouTube-Kanal der<br />

Literaturmuseen <strong>Marbach</strong>.


28_29<br />

ateLIT 1: Planet<br />

otzstraße. Else<br />

asker-Schülers<br />

ebenszeichen aus<br />

erlin<br />

Eine Ausstellungsreihe der Stiftung<br />

Brandenburger Tor und <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

<strong>Literaturarchivs</strong> <strong>Marbach</strong>, von Mitte Oktober<br />

an im Literaturmuseum der Moderne<br />

SateLIT konfrontiert das Publikum<br />

anhand eines überraschenden<br />

literarischen Kerns mit anderen<br />

Sichtweisen und letztlich mit sich<br />

selbst. Denn Literatur verändert unser<br />

Leben: Sie schult den Umgang mit<br />

Mehrdeutigkeit, Mehrsprachigkeit, mit<br />

historischem Zufall und dem Wechsel<br />

von Rollen. Literatur vervielfältigt<br />

die Perspektiven. Ausgehend von<br />

<strong>Marbach</strong>er Fundstücken erkunden wir,<br />

wie sich diese Wirkmächtigkeit der<br />

Literatur vermitteln lässt und welche<br />

Rolle Literaturarchive dabei spielen.


30_31<br />

Postkarte<br />

von Else<br />

Lasker-<br />

Schüler an<br />

Nicolaas<br />

Johannes<br />

Beversen<br />

mit„Profilmarke“.<br />

Den Umschlag<br />

auf der<br />

vorhergehenden<br />

Seite<br />

mit einem<br />

Bild statt<br />

einer<br />

Absenderangabe<br />

schickte<br />

sie 1913 an<br />

Franz Marc.<br />

Gegenstand <strong>des</strong> ersten SateLIT sind<br />

die 64 erhaltenen, bislang unveröffentlichten<br />

Briefe und Postkarten,<br />

die Else Lasker-Schüler von 1905<br />

bis 1931 an den Literaturkritiker,<br />

Übersetzer und Mäzen Nicolaas<br />

Johannes Beversen meist aus<br />

dem „Hôtel“ Koschel in der Berliner<br />

Motzstraße, dem heutigen Hotel<br />

Sachsenhof, geschrieben hat.<br />

In der anderthalb Kilometer langen<br />

Motzstraße haben Vladimir Nabokov<br />

gelebt, Rudolf Steiner, Billy Wilder<br />

und Erich Kästner. Alfred Döblin traf<br />

hier Ernst Bloch, Bertolt Brecht und<br />

Johannes R. Becher. Oskar Kokoschka<br />

war der Hotelmitbewohner von Else<br />

Lasker-Schüler. Die Korrespondenz<br />

mit Beversen konnte in diesem<br />

Januar mit Hilfe der Kulturstiftung<br />

der Länder erworben werden.<br />

In der Stiftung BrandenburgerTor<br />

wird die erste, mit Shermin Langhoff<br />

und Judith Kuckart entwickelte und<br />

vom Hauptstadtkulturfonds geförderte<br />

Ausgabe von SateLIT vom 25. August<br />

bis zum 7. Oktober gezeigt werden,<br />

im Anschluss geht sie ins Literaturmuseum<br />

der Moderne (18. Oktober<br />

<strong>2020</strong> bis 10. Januar 2021). Mehr:<br />

www.stiftungbrandenburgertor.de<br />

„Ich bin in Theben<br />

(Ägypten) geboren, wenn<br />

ich auch in Elberfeld<br />

zur Welt kam im Rheinland.<br />

Ich ging bis elf Jahre<br />

zur Schule, wurde Robinson,<br />

lebte fünf Jahre im Morgenlande,<br />

und seitdem<br />

vegetiere ich“ (1919 an<br />

Karl Kraus).<br />

Auf der Online-Platform Poetic<br />

Textures – Else Lasker-Schüler<br />

Archives, einer Initiative <strong>des</strong><br />

<strong>Deutschen</strong> <strong>Literaturarchivs</strong> mit<br />

der National Library of Israel<br />

(NLI) in Jerusalem, werden virtuell<br />

und exemplarisch Objekte aus<br />

beiden Institutionen miteinander<br />

verbunden, die im Zuge <strong>des</strong> Exils<br />

Lasker-Schülers zerstreut überliefert<br />

wurden: Besucher*innen können so<br />

in einzigartigen Materialien recherchieren<br />

und die Sammlungen zweier<br />

Länder und Sammelorte gemeinsam<br />

und in ihren Verbindungen kennenlernen.<br />

Gedichtmanuskripte, Briefe,<br />

Zeichnungen und Collagen sowie<br />

Kommentare von ausgewiesenen Else<br />

Lasker-Schüler-Expert*innen sowie<br />

ein Gespräch von Sandra Richter,<br />

Stefan Litt und Anna Kinder in<br />

Kooperation mit dem Projekt Bridge<br />

to Europe an der NLI finden Sie hier:<br />

www.laskerschuelerarchives.org.


Vorhergehende<br />

Seite:<br />

Peter<br />

Rühmkorf.<br />

34_35<br />

aß leuchten!<br />

eter<br />

ühmkorf –<br />

Eine Wechselausstellung der<br />

Arno Schmidt Stiftung<br />

im Schiller-Nationalmuseum,<br />

voraussichtlich vom<br />

25. Oktober <strong>2020</strong> bis<br />

1. August 2021<br />

elbstredend und<br />

elbstreimend


Der vielfach preisgekrönte Lyriker<br />

36_37<br />

Er sammelte Kinder- und Spottverse,<br />

Zusammen mit Hölderlin, Celan und<br />

Peter Rühmkorf (1929 – 2008) war<br />

studierte und rezensierte Kollegen,<br />

die Sprachen der Poesie verwandelt die<br />

lange Jahre in Hamburg an der Elbe<br />

bewunderte Dichter vergangener<br />

Ausstellung die <strong>Marbach</strong>er Literatur-<br />

zu Hause, doch seine Manuskripte<br />

Jahrhunderte, schrieb Theaterstücke<br />

museen in einen Ort, an dem die<br />

‚wohnen‘ bereits seit 1981 als<br />

und erreichte mit seinem Erinnerungs-<br />

kleine literarische Form <strong>des</strong> Gedichts<br />

sogenannter Vorlass im <strong>Deutschen</strong><br />

buch Die Jahre die Ihr kennt ein großes<br />

die Hauptrolle spielt und Besucher<br />

Literaturarchiv <strong>Marbach</strong>, wo nun<br />

Publikum. Rühmkorf arbeitete als<br />

auf Poesie in unterschiedlichsten<br />

die Arno Schmidt Stiftung<br />

Redakteur der Zeitschrift konkret,<br />

Erscheinungsweisen treffen – gereimt<br />

Rühmkorfs Leben und Werk mit<br />

als Lektor <strong>des</strong> Rowohlt Verlags und<br />

und gezählt, bewegt und still,<br />

einer umfangreichen Ausstellung<br />

engagierte sich in der Studenten-<br />

laut und zart, dunkel und leuchtend.<br />

präsentiert.<br />

und Friedensbewegung.<br />

Geplant ist, dass der Literatur-<br />

Rühmkorf publizierte seine Gedichte<br />

Die Ausstellung zeigt Rühmkorfs<br />

wissenschaftler, Essayist und Mäzen<br />

nicht nur in Büchern, sondern<br />

Werk und sein Leben als Künstler<br />

Jan Philipp Reemtsma und der Lyriker<br />

entdeckte neue Orte für die Lyrik.<br />

und streitbarer Intellektueller in<br />

Nico Bleutge zur Eröffnung sprechen.<br />

Gemeinsam mit befreundeten<br />

allen Facetten. Zentrales Element<br />

Da wir zum Zeitpunkt der Drucklegung<br />

Musikern trug er sie auch als ‚Jazz<br />

der Ausstellung ist der ‚Raum der<br />

dieses <strong>Programmheft</strong>s noch keine<br />

und Lyrik‘ in Kellerclubs, Kirchen<br />

Gedichte‘, in dem zehn Gedichte<br />

sicheren Angaben zur Durchführung<br />

und auf öffentlichen Plätzen vor.<br />

Rühmkorfs in Großprojektionen<br />

von Veranstaltungen in diesem<br />

inszeniert werden. Eine Auswahl<br />

Herbst machen können, achten Sie<br />

weitgehend unbekannter Film-<br />

bitte auf die Informationen auf unserer<br />

aufnahmen seiner Jazz-und-Lyrik-<br />

Homepage und in der Presse.<br />

Programme aus mehreren<br />

Jahrzehnten ergänzt die Gedichtprojektionen.<br />

Themenstationen<br />

widmen sich wichtigen Aspekten<br />

in Schaffen und Leben <strong>des</strong> Dichters,<br />

stellen einzelne Werkphasen vor<br />

und erläutern sein poetisches<br />

Konzept. Eine fünfzig Quadratmeter<br />

große Wandinstallation verdeut-<br />

licht am Beispiel <strong>des</strong> Gedichts<br />

Selbst lll/88 Rühmkorfs aufwändigen<br />

Arbeitsprozess.<br />

Eines von<br />

Rühmkorfs<br />

Selbstporträts<br />

im<br />

Manuskript<br />

von Selbst<br />

III/88.


Celans zehn häufigste Substantive im Band Lichtzwang<br />

Themen und Dialoge


„Wer bloß an meiner Pflanze riecht,<br />

40_41<br />

der kennt sie nicht, und wer sie<br />

pflückt, bloß, um daran zu lernen,<br />

kennt sie auch nicht“, schreibt<br />

Hölderlin im Vorwort seines Romans<br />

Hyperion. Wir wollten daher im<br />

Rahmen <strong>des</strong> Literatursommers <strong>2020</strong><br />

im Mai und Juni Hölderlin gemeinsam<br />

laut lesen, blind hören oder taub<br />

sehen und mit seinen Texten Räume<br />

abstecken und erfahren. Statt<strong>des</strong>sen<br />

haben wir alle eingeladenen Künstler<br />

um Video-Beiträge gebeten. Nico<br />

Bleutge haben wir darüber hinaus<br />

eine Reihe von Fragen geschickt.<br />

ölderlin<br />

esen.<br />

Haben Sie ein Lieblingsgedicht von<br />

Hölderlin?<br />

An die Parzen mag ich sehr, Hölderlin-<br />

Evergreen, ein Gedicht ohne<br />

Pflanzen, dafür mit Odenform, Göttern<br />

und der Vorstellung vom Gedicht<br />

als dem „Heil’gen“. Aber auch späte,<br />

längere, verzweigtere Gedichte<br />

wie In lieblicher Bläue lese ich immer<br />

wieder gerne (nicht nur wegen der<br />

Rosen darin), schöne Variationen:<br />

„Im Winde aber oben stille krähet die<br />

Fahne“.<br />

aut und<br />

raußen


Das lyrische Ich, so haben Sie es<br />

„Wer ist das Ich im Gedicht? Je<strong>des</strong><br />

42_43<br />

Wie und wo und auch wann lesen<br />

einmal gesagt, sei in Ihren Gedichten<br />

Ich, das es spricht“, lautet eine These<br />

Sie selbst Hölderlin?<br />

kein Ich, das sichtbar nach draußen<br />

von Heinz Schlaffer, „Ich kann jeder<br />

Ganz ehrlich? Zu Gelegenheiten<br />

tritt, sondern eine Wahrnehmungs-<br />

sagen“ ein Adorno-Satz. In Hölderlins<br />

wie dieser. Wenn ich also eingeladen<br />

instanz, „die nur als ein Häutchen<br />

späten Gedichten fehlt das Wort ‚ich‘.<br />

Erst Leserstimmen zu meinen<br />

werde, mich mit Hölderlin zu<br />

auf die Sprache aufgesetzt ist“.<br />

Ist dieses Schreiben ohne Ich ein<br />

Gedichten haben mich auf das zurück-<br />

beschäftigen. Es gab bis jetzt fast<br />

Auch in den Gedichten, die Hölderlin<br />

Kniff, dem Leser das Gedicht zu ent-<br />

gefahrene Ich in meinen Texten<br />

immer einen Impuls von außen,<br />

im Tübinger Turm schrieb, taucht<br />

ziehen, es ganz zur Sprache, zum<br />

aufmerksam werden lassen, das bei<br />

sei es im Studium, sei es im eigenen<br />

das Wort ‚Ich‘ nicht mehr auf. Wie<br />

Zeichen- und Klangkörper zu machen?<br />

mir anfangs nie ‚Methode‘ war.<br />

Schreiben. Wenn dieser Impuls<br />

verändert dieses ichlose lyrische<br />

In Hölderlins spätesten Gedichten<br />

Je länger ich schreibe, <strong>des</strong>to mehr<br />

aber einmal da ist, ist es eine umso<br />

Sprechen die Poesie?<br />

(den Jahreszeitengedichten) ist<br />

wird mir die Dialektik auch dieser<br />

intensivere Beschäftigung, manchmal<br />

Bei mir hat sich das aus dem<br />

„der Mensch“, „die Menschheit“ oder<br />

Bewegung klar. So wie ich die<br />

fast rauschhaft, wie ein Sich-Hinein-<br />

Schreibvollzug heraus entwickelt:<br />

ein „Wir“ an die Stelle <strong>des</strong> „Ich“<br />

Erfahrung gemacht habe, dass der<br />

stürzen und zugleich Angesaugt-<br />

In den intensiven Schreibmomenten<br />

getreten. Es entsteht ein entpersön-<br />

Versuch, etwas ganz genau und<br />

werden, bei – paradoxerweise –<br />

(die leider die seltensten sind)<br />

lichtes, manchmal weisheits-<br />

detailreich zu fassen, in sein Gegen-<br />

aufmerksamer kritischer Distanz.<br />

lässt sich gar kein zentrieren<strong>des</strong> Ich<br />

buchartiges Sprechen. Zugleich<br />

teil umschlagen kann – also der Baum<br />

Bei Trakl zum Beispiel oder Lasker-<br />

mehr ausmachen. Eher ist es<br />

scheint mir gerade so eine bestimmte<br />

vor lauter Verästelungen nicht mehr<br />

Schüler geht es mir ähnlich.<br />

eine Art von Selbstvergessenheit,<br />

Charakteristik – gleichsam die<br />

in den Blick kommt –, so hat mir auch<br />

als würde man in der Sprache<br />

Signatur einer geistigen Verfasstheit<br />

der Versuch, das Ich zurückzunehmen,<br />

und in den Vorstellungen aufgehen.<br />

– umso deutlicher spürbar zu werden.<br />

gezeigt, wie man plötzlich auf das<br />

Und doch kann man reflektierend<br />

Deutlicher vielleicht als durch ein<br />

Ich und vor allem: auf die Sprache<br />

immer wieder auf das Geschriebene<br />

Ich-Sagen.<br />

und ihr Eigenleben zurückgeworfen<br />

zugreifen.<br />

werden kann. Von daher arbeite ich<br />

inzwischen immer öfter ganz bewusst<br />

Gleichzeitig ist mir damals aufge-<br />

mit dem ,Ich‘, es ist eine Möglichkeit<br />

fallen, dass die Ich-Perspektive –<br />

der Perspektive, also vereinfacht:<br />

das scheinbar Subjektivste – durch<br />

Wer schaut im Gedicht (Sprecher<br />

den Akt und Gestus <strong>des</strong> Setzens<br />

wie Leser) von wo nach wo?<br />

das Ich plötzlich sehr groß werden<br />

Ich verstehe es als Sprechhülse,<br />

lassen kann. Es hat dann den<br />

durch die ich ganz verschiedene<br />

Anschein <strong>des</strong> Maßgeblichen und<br />

Stimmen ins Gedicht schleusen<br />

einen viel stärkeren Autoritäts-,<br />

kann, ohne dass sie dann noch klar<br />

Geltungs- und Herrschaftsanspruch<br />

unterscheidbar wären – bewusst<br />

als jede ‚objektiv‘ auftretende,<br />

gesetzte Mehr- und Vielstimmigkeiten<br />

‚versachlichte‘ Redeweise. So hat<br />

bzw. Überlagerungen im Gedicht.<br />

sich ein Schreiben ohne Ich ergeben,<br />

im Sinne einer Offenheit, eines<br />

Freiseins für die Phänomene: etwas<br />

sehen, hören, betrachten können.


Screenshots<br />

aus Nico<br />

Bleutges<br />

Video-Clip,<br />

in dem<br />

er über<br />

Hölderlins<br />

Naturvorstellung<br />

spricht.<br />

44_45


Was machen Hölderlins Gedichte mit<br />

selbst mit dem großen Maß. Das<br />

46_47<br />

Noch einmal zum Lesen: Hölderlin ist<br />

Ihnen – und was Sie mit diesen?<br />

ist sein Anspruch, den ich ganz und<br />

ein Wanderer, später ein Spazier-<br />

Sie versetzen mich in eine, wörtlich,<br />

gar verstehen kann. Aber das Große,<br />

gänger - haben Sie seine Texte schon<br />

Hoch-Stimmung. Die sehr intensiv ist,<br />

glaube ich, kann auf Dauer nicht<br />

einmal draußen gelesen?<br />

mich die Welt tatsächlich für den<br />

wirken, wenn es immerzu absolut<br />

Nein, aber wenn ich ihn am Schreib-<br />

Moment anders erleben lässt, in<br />

gesetzt wird, wenn es ohne Kontrast<br />

tisch lese, setzt die umgekehrte Be-<br />

der ich mich aber auch nur für eine<br />

und in diesem Sinne ungebrochen<br />

wegung ein: Ich fange an zu wandern,<br />

begrenzte Zeit bewegen möchte.<br />

bleibt. Ab und an würde ich mir in<br />

ganz körperlich, die wechselnden<br />

Sie bringen mich dazu, mir einzelne<br />

den Gedichten auch etwas mit der<br />

Rhythmen versetzen mich in<br />

Formulierungen und gedanklich-<br />

Spanne Gemessenes wünschen oder<br />

Spannung, der Körper reagiert ganz<br />

rhythmische Bögen immer wieder<br />

jedenfalls den „Kindersinn“, von<br />

eigen auf die Gedichte, und ich<br />

sehr genau anzusehen. Sie fordern<br />

dem Hölderlin in einem anderen<br />

gehe in dieser Sprache durch eine<br />

dauernde Aufmerksamkeit für die<br />

Gedicht spricht.<br />

Landschaft, folge unterschiedlichen<br />

Umstellungen im Satzbau (als würde<br />

Tonhöhen, Bildern, einem Denken<br />

man laufen und dabei immer auf<br />

und ganzkörperlichen Wahrnehmen in<br />

den Rhythmus seiner Schritte hinge-<br />

einem.<br />

wiesen – und zugleich über diese<br />

Struktur nachdenken).<br />

Schiebt sich Hölderlins Stimme ab<br />

Dabei gelingt es mir nicht immer,<br />

Sie haben in Tübingen studiert<br />

und zu zwischen die Natur und Ihre<br />

die Wirkungs- und Rezeptionsge-<br />

und schon vorher, mit 15, Gedichte<br />

Wahrnehmung von ihr? „Hinunter<br />

schichte dieses Tones auszuschalten,<br />

geschrieben. War Tübingen als<br />

sinket der Wald“ ...<br />

das ganze „weltanschauliche<br />

Studienort auch eine poetische Wahl,<br />

Das Dazwischenschieben findet<br />

Gegrabsche“, wie es Karl-Heinz Ott<br />

eine Annäherung an Hölderlin,<br />

eher auf einer anderen Ebene statt.<br />

jüngst genannt hat. Dafür haben<br />

oder Zufall?<br />

In den Phasen, in denen ich Hölderlin<br />

Hölderlins Gedichte in den verschie-<br />

Tübingen hatte ich mir wegen Walter<br />

lese, nehme ich seine Bilder und<br />

denen Zeiträumen einfach zu<br />

Jens und der Rhetorik ausgesucht,<br />

seinen Rhythmus mit in andere Texte.<br />

viele Beulen abbekommen. Und,<br />

ohne zu wissen, daß Jens 1993 schon<br />

D. h., wenn ich sie lese, vergleiche<br />

etwas persönlicher: In einem<br />

gar nicht mehr unterrichtete. Aber es<br />

ich unwillkürlich den Satzbau mit<br />

Geistert Hölderlins Stimme durch Ihre<br />

Hölderlin-Gedicht heißt es über die<br />

gab vorher, während <strong>des</strong> Zivildienstes,<br />

Hölderlins Satzbau, seine Art, Bilder<br />

eigenen Texte – so wie man in seinen<br />

Götter „Groß ist ihr Maß, doch<br />

einige Wochen, in denen ich den<br />

anzulegen oder größere Denkbögen<br />

die von Schiller aufstöbern kann?<br />

es mißt gern mit der Spanne der<br />

Hyperion gelesen (und kaum etwas<br />

in die Gedichte einzuziehen, mit den<br />

Nein, jedenfalls nicht als etwas im<br />

Mensch.“ Hölderlin versucht es immer<br />

verstanden) habe. Vielleicht war das<br />

Bewegungen in diesen Gedichten.<br />

Schreiben bewusst Gesetztes oder<br />

der Impuls, gleich in meinem ersten<br />

Auch so entsteht dann beim Lesen<br />

als etwas, das mir bei entsprechend<br />

Semester im Tübinger Brechtbau<br />

eine andere Art von Aufmerksamkeit.<br />

fokussierter Selbstlektüre auffallen<br />

ein Hölderlin-Seminar zu besuchen.<br />

würde. Aber vielleicht kommt das<br />

Das war sehr kompakt, wie ein<br />

noch.<br />

Hölderlin-Brühwürfel. Damals haben<br />

mich vor allem seine theoretischen<br />

Schriften begeistert, meine erste<br />

Seminararbeit war über Urteil und<br />

Sein und den Wechsel der Töne.


Blumen lässt Hölderlin 78-mal blühen<br />

behaupte ich, nicht unbedingt zu<br />

48_49<br />

<strong>des</strong> Schönen geht, und dem Sprecher<br />

„Mülltonnenstellplatz oder Kompakt-<br />

– in Blumengängen, auf einem<br />

seinen Stärken zählt. Es ist bei ihm<br />

„blühn“ die Wangen, wenn er der<br />

hecke oder Miniterrassen-Anlage,<br />

Blumenhügel und einem Blumenfeld.<br />

eigentlich immer ein Sprechen, also<br />

Natur begegnet.)<br />

Geißblattlaube, Rosenhag“ (Barbara<br />

Blüten leuchten 47-mal, viermal<br />

etwas reflektierend und ,geistig‘<br />

Köhler), „Die letzte Novemberrose<br />

erscheinen Knospen. Präziser wird<br />

Umfasstes, immer schon mit einem<br />

37-mal blühen, glühen, stechen,<br />

baumelt überm Ascheneimer“<br />

Hölderlin bei diesen blühenden<br />

(zwar nicht ausgestellten, aber<br />

kränzen, umwehen bei Hölderlin<br />

(Jürgen Becker), „übern jordan der<br />

Blumen und Kräutern: Krokus und<br />

doch spürbaren) Wissen um die<br />

Rosen: wild und still, herrlich und<br />

rotkohl / der rosen!“ (nochmal Kling),<br />

Thymian, Mohn, Hyazinthe, Tulpe,<br />

,Sprachigkeit‘ <strong>des</strong> ganzen Vorgangs.<br />

jung, süß und dornig, als Frühlings-<br />

„Scourge them with roses only“<br />

Sauerklee, Kleeblatt und Ampfer<br />

,Instanz‘ klingt mir auch zu zentrie-<br />

rosen, Moosrosen, Rosenstrauch,<br />

(Elizabeth Bishop), „im Zenit Rosen<br />

(je 1), Disteln und Maienblumen bzw.<br />

rend, zu sehr nach Autoritäts-<br />

Rosenhecke und Rosenpfad. Zweimal<br />

Mimosen“ (Ilma Rakusa), „und die<br />

Maienblümchen (je 5), Lilien (7) und<br />

und Machtanspruch. Für mich ist<br />

färben sie als Wangenrose das<br />

bodenlosen rosen / haben sich in<br />

Rosen (37). Nektar wird aus diesen<br />

es bei Hölderlin eher ein Anbieten<br />

Gesicht, zweimal tauchen sie die Welt<br />

mooren versteckt“ (Inger Christensen<br />

Blumen fünfmal gewonnen, Honig<br />

oder sehenlassen<strong>des</strong> Zusammen-<br />

in mil<strong>des</strong> bzw. hol<strong>des</strong> Rosenlicht.<br />

in alphabet – Rosen dürften dort<br />

dreimal. Sechsmal duftet etwas,<br />

bringen der Momente.<br />

Zehnmal gibt es Dornen, sie bilden<br />

eigentlich nicht vorkommen, denn das<br />

16-mal ist es duftend, einmal sogar<br />

Ich würde einfach vom ,Sprecher‘ oder<br />

Dornengänge, Dornenpfade, eine<br />

Buch endet beim Buchstaben „n“).<br />

düftereichst. Zehnmal ist vom Duft,<br />

vom ,Sprechen‘ <strong>des</strong> Gedichts reden.<br />

Dornenbahn und ein Dornenbett.<br />

Nachtrag. Selbstkorrektur: Es gibt<br />

von Düften und Gedüft die Rede,<br />

Und Hölderlins Sprecher, scheint mir,<br />

– Die Rose ist sicher die in Gedichten<br />

doch Rosen bei mir, in meinem ersten<br />

einmal von den Paradiesdüften.<br />

ist einer, der nicht nur gerne spricht<br />

am häufigsten genannte, abge-<br />

Band klare konturen: „... langsam /<br />

Nelken und Veilchen wachsen an zwei<br />

bzw. singt, sondern sich auch gerne<br />

nutzteste Blume. Gertrude Stein<br />

kriechen die finger den stein entlang<br />

Gedicht-Stellen: „Zwar gehn die<br />

selbst beobachtet, sich ins Verhältnis<br />

spielt 1913 mit der Doppeldeutigkeit<br />

schleifen / und kränze rosen aus<br />

Treppen unter den Reben hoch /<br />

zu sich setzt. Er besingt sich selbst,<br />

von Frauen- und Blumennamen:<br />

grobem vergilbtem / stoff ...“<br />

Herunter, wo der Obstbaum blühend<br />

als „Jüngling“ oder „(blinder)<br />

„Rose is a rose ...“ Wie haben Sie, wie<br />

darüber steht / Und Duft an wilden<br />

Sänger“. Er lässt sich von seiner<br />

würden Sie mit Ihrem „Handschuh<br />

Hecken weilet, / Wo die verborgenen<br />

eigenen Rede „antreiben“, „noch<br />

aus Sprache“ (so Hans Jürgen<br />

Veilchen sprossen“ und „Im Veilchen-<br />

andres zu suchen“. Und er entdeckt<br />

Balmes in seiner Laudatio, als Sie<br />

tal, vom dämmernden Hain umbraust, /<br />

immer wieder eigentümliche<br />

2017 mit dem Kranichsteiner<br />

Entschlummert er“. Als Viole taucht<br />

Korrespondenzen zwischen innen und<br />

Literaturpreis ausgezeichnet worden<br />

das Veilchen noch einmal zusammen<br />

außen, zwischen der Euphorie <strong>des</strong><br />

sind) eine Rose anfassen?<br />

mit Hyazinthe, Tulpe und Nelke auf:<br />

Inneren und dem Strahlen der Natur:<br />

An die Rose habe ich mich bis jetzt<br />

„Die klaren Gänge, niedres Gesträuch<br />

„es leuchteten / Die Blumen, wie die<br />

noch nicht gewagt. Es ist, Sie sagen<br />

und Sand, / Auf dem wir traten,<br />

eigenen Augen, mir“.<br />

es, ein poetisch sehr oft verwendetes<br />

machten erfreulicher, / Und lieblicher<br />

Etwas gedreht: Das „Blühen“, das<br />

Wort, darin der ,Seele‘ verwandt<br />

Wenn Sie Hölderlin fragen könnten<br />

die Hyazinthe / Oder die Tulpe, Viole,<br />

so oft erwähnt wird, kommt mir wie<br />

oder dem ,Herz‘. Wie ein Versuch<br />

– was würden Sie ihn fragen?<br />

Nelke.“ Ein weiteres Mal kombiniert<br />

das Pendant der Natur zur Euphorie<br />

aussehen könnte? Da würde ich nun<br />

Holder, mein Lieber, wie hältst Du es<br />

Hölderlin die Nelke ungewöhnlich:<br />

und zur Emphase <strong>des</strong> Sprechers<br />

meinerseits mit einer kleinen Liste<br />

mit der Ironie?<br />

„Da füttert ich mein Hühnchen, da<br />

vor. Oder, noch einmal anders:<br />

antworten, Formen, an die ich<br />

pflanzt ich Kohl / Und Nelken“. – Wie<br />

Die „blühende“ Natur ist die ihrer-<br />

vielleicht anschließen würde: „eine<br />

würden Sie die Wahrnehmungsinstanz<br />

seits euphorisierte Natur, die der<br />

rose ist natürlich: rosen“ (Thomas<br />

beschreiben, die hinter dieser Natur<br />

euphorischen Gestimmtheit <strong>des</strong><br />

Kling), „ein blütenfleisch aus rosen-<br />

steht?<br />

Sprechers wie von selbst entgegen-<br />

silicon“ (auch Kling), „Frau Anna<br />

Von Wahrnehmung allein würde ich<br />

kommt, entgegenstrebt. („Blühen“,<br />

Rothe aus Altenburg / das sächsische<br />

bei Hölderlin tatsächlich nicht reden.<br />

fällt mir auf, ist auch das bevorzugte<br />

Blumenmedium / holt Rosen,<br />

Nicht nur, weil Anschaulichkeit,<br />

Verb, wenn es um das Erscheinen<br />

Scharlachtulpen“ (Marcel Beyer),


elans<br />

päte<br />

terne<br />

50_51<br />

Am 21. März 1970 las Paul Celan<br />

zur Feier von Friedrich Hölderlins<br />

200. Geburtstag im Silchersaal<br />

der Stuttgarter Liederhalle aus<br />

seinem noch unveröffentlichten<br />

Gedichtband Lichtzwang. Vier Wochen<br />

später nahm er sich in Paris das<br />

Leben. Der Auftritt in Stuttgart war<br />

seine letzte große Lesung. Die<br />

Gedichte aus dem kurz nach Celans<br />

Tod veröffentlichten Band Lichtzwang<br />

gelten seitdem als schwer zugänglich.<br />

Können wir Celans späte Verse<br />

heute – ein halbes Jahrhundert<br />

nach seiner Stuttgarter Lesung –<br />

besser verstehen? Wir haben sechs<br />

Leserinnen und Leser eingeladen,<br />

die sieben Verse <strong>des</strong> Gedichts<br />

„Was es an Sternen bedarf“ in jeweils<br />

sieben Sätzen zu kommentieren:<br />

Carolin Callies, Ann Cotten,<br />

Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert<br />

Hummelt und Rainer René Mueller.<br />

Das Video, das daraus entstanden<br />

ist, ist Teil der Reihe #closedbutopen<br />

auf dem YouTube-Kanal der Literaturmuseen<br />

<strong>Marbach</strong>.<br />

Was es an Sternen bedarf,<br />

schüttet sich aus,<br />

Paul Celan<br />

bei seiner<br />

letzten<br />

Lesung in<br />

Stuttgart.<br />

Fotos: Agnes<br />

Handwerk,<br />

mit der wir<br />

für unsere<br />

#closedbutopen<br />

Reihe auch<br />

ein Interview<br />

geführt<br />

haben.<br />

deiner Hände laubgrüner Schatten<br />

sammelt es ein,<br />

freudig zerbeiß ich<br />

das münzenkernige<br />

Schicksal.


on<br />

innetou<br />

52_53<br />

Der Schriftsteller und Arzt<br />

Farhad Showghi lebt in Hamburg.<br />

Aufgewachsen ist er in Bayern und<br />

in Teheran. Seit 1987 veröffentlicht<br />

er Gedichte und übersetzt aus dem<br />

Persischen. Für sein Werk wurde er<br />

vielfach ausgezeichnet, u.a. 2003 mit<br />

dem 3sat-Preis beim Klagenfurter<br />

Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb<br />

und 2018 mit dem Peter-Huchel-Preis.<br />

Fragensteller: Jan Bürger.<br />

u<br />

ohn und<br />

edächtnis.<br />

Ein Gespräch mit<br />

Farhad Showghi, der seit 40 Jahren immer wieder Paul Celan liest


Erinnern Sie sich, wann und wie<br />

54_55<br />

oder Aus dunklem Tann. Ja, diese<br />

Sie das erste Mal ein Gedicht von<br />

ganz anderen Karl-May-Bücher waren<br />

Paul Celan gelesen haben?<br />

für mich noch viel interessanter, weil<br />

Da war ich noch Schüler im ober-<br />

sie beispielsweise im Erzgebirge,<br />

bayrischen Bad Aibling, es muss in<br />

dieser typisch deutschen Landschaft<br />

der 11. oder 1<strong>2.</strong> Klasse gewesen sein,<br />

spielen. Sie setzten auf wohltuende,<br />

in jener Zeit, als ich selbst anfing,<br />

besänftigende Art die Fiktion der<br />

Gedichte zu schreiben. Ich glaube,<br />

Getrenntheit. – Als ich nach Deutsch-<br />

das erste Celan-Gedicht, das ich<br />

land zurückkam, gehörten zu<br />

las, war die To<strong>des</strong>fuge. Vermutlich im<br />

meinen ersten Lyrik-Lektüren Brecht<br />

Rahmen <strong>des</strong> Schulunterrichts.<br />

geführt von einer älteren, sehr<br />

und Heine. Dann Rilke, Rimbaud,<br />

Und mein erstes Buch von ihm war<br />

freundlichen Dame. Ihr stiller Laden<br />

und schließlich Celan, und bei seinen<br />

Mohn und Gedächtnis. Mein alter<br />

bestand aus einem einzigen Raum<br />

Gedichten hatte ich plötzlich das<br />

Band ist leider bei meinen vielen<br />

im Souterrain, einige Regale voller<br />

Gefühl, mich an etwas nicht ganz zur<br />

Umzügen verloren gegangen.<br />

Bücher, andere mit großen Lücken.<br />

Sprache Durchdringen<strong>des</strong> erinnern zu<br />

Dort kaufte mir mein Vater auf<br />

können: Ich berührte, spürte in und<br />

Hatten Sie damals schon, bei der<br />

ihre Empfehlung hin die ersten zwei<br />

zwischen den Wörtern das, wonach<br />

ersten Lektüre, das Gefühl, etwas<br />

Winnetou-Bücher.<br />

ich mich als lesen<strong>des</strong> Kind in Persien<br />

Besonderes zu lesen? Oder war Paul<br />

über den Karl-May-Büchern, im<br />

Celan für Sie erst einmal nur ein<br />

Von Karl May zu Paul Celan?<br />

lange nachwirkenden Papiergeruch in<br />

Dichter unter vielen – so wie Ingeborg<br />

Ich erzähle das aus einem ganz<br />

der trockenen Luft, gesehnt hatte.<br />

Bachmann oder Günter Eich?<br />

bestimmten Grund. Mit neun Jahren<br />

So etwas ist nicht leicht beschreibbar.<br />

Nein, da las ich in der Tat etwas<br />

war mein Deutsch noch etwas porös<br />

Anderes. In den folgenden Jahren<br />

und brüchig, es musste sich erst neu<br />

Versuchen Sie es bitte trotzdem.<br />

hat mich Celan dann immer mehr<br />

konsolidieren, und dies geschah mit<br />

Plötzlich schien in dieser Sprache<br />

beschäftigt. Um das zu erklären,<br />

Hilfe von Winnetou I – indem ich mich<br />

der Sehnsuchtsort auf, der mich<br />

muss ich etwas weiter ausholen.<br />

durch die ersten Seiten <strong>des</strong> dicken,<br />

letztlich zum Schreiben brachte<br />

Das wird Sie vielleicht wundern, aber<br />

grünen Buchs kämpfte. Ich hatte<br />

und auf eigentümliche Weise<br />

ich glaube, es hat viel mit meiner<br />

damals eine große Sehnsucht nach<br />

inspirierte und beruhigte, auch<br />

Folgeseite:<br />

Umschlagmotiv<br />

Karl<br />

May, Der<br />

Schatz im<br />

Silbersee,<br />

Band 36,<br />

Karl-May-<br />

Verlag,<br />

Bamberg<br />

195<strong>2.</strong><br />

eigenen Geschichte und meiner Zeit<br />

in Teheran zu tun: Geboren wurde ich<br />

in Prag, aber die ersten Jahre<br />

verbrachte ich in Deutschland.<br />

Zwischen meinem vierten und dem<br />

16. Lebensjahr habe ich im Iran gelebt.<br />

Bis zur 10. Klasse ging ich in Teheran<br />

auf eine deutsche Schule. Eines<br />

Tages, ich war neun Jahre alt, sagte<br />

der deutschen Sprache: Sehnsucht<br />

nach der Muttersprache, also nach<br />

der Mutter und ihrer Sprache, denn<br />

meine Eltern hatten sich getrennt.<br />

Diese Sehnsucht schürten und<br />

linderten die Karl-May-Bücher,<br />

insbesondere solche wie Wurzelsepp<br />

die Angst vorm Sprechen und<br />

Formulieren nahm. Denn ich habe<br />

mich damals im <strong>Deutschen</strong> nicht<br />

wie selbstverständlich bewegt –<br />

und ich würde fast sagen, bis heute<br />

gibt es Momente, in welchen das<br />

Verbindungsgefühl zum deutschen<br />

Sprachraum abzureißen scheint.<br />

Plötzlich ist etwas ganz und gar nicht<br />

mein Vater: „Komm, wir besuchen<br />

selbstverständlich in dieser Sprache<br />

jetzt einen besonderen Ort, und ich<br />

verankert. Trotz hoher Intensität<br />

werde dir dort Bücher kaufen.“<br />

und Verkopplung mit Gedächtnis,<br />

Er fuhr mit mir zu einer deutschen<br />

Intuition und Affekten, auch jetzt,<br />

Buchhandlung im Herzen von Teheran,<br />

wenn ich mit Ihnen spreche.


_26


Glauben Sie, dass das Celan ähnlich<br />

Was hat Sie verschreckt?<br />

58_59<br />

Diese Zittrigkeit, diese subtile, latente<br />

Wenn ich seine Gedichte lese, dann<br />

ergangen ist? Er wuchs ja auch mit<br />

Ihre Sprache schien mir fern,<br />

Anwesenheit <strong>des</strong> Erlebten, <strong>des</strong><br />

spüre ich dieses drohende Hinter-<br />

mehreren Sprachen auf.<br />

manchmal zu monolithisch aufragend,<br />

Gebrochenen, ich würde sagen, das<br />

grundrauschen sehr stark. Und ich<br />

Ja – bei ihm spüre ich immer diese<br />

am Ende unerreichbar. Es fehlte mir<br />

war etwas, das für mich persönlich ein<br />

spüre auf der anderen Seite auch<br />

Beunruhigung und dieses Sprechen<br />

ein sicheres Gefühl von Zugehörigkeit<br />

Berührungsmoment geschaffen hat<br />

eine existenzielle Notwendigkeit, ein<br />

ins Offene hinein, gerade das hat<br />

oder möglicher Identifikation, wenn<br />

mit Celans Sprache.<br />

immenses Vertrauen in Sprache per<br />

mir damals irgendwie Mut gemacht,<br />

ich sie las. Das fiel mir bei Celan<br />

se, das diese Gedichte trägt. Den Sog<br />

selbst zu dichten und zu schreiben<br />

wesentlich leichter. Bei ihm verwob<br />

Die meisten, die Celans erstes Buch<br />

einer Berufung.<br />

– aber nicht im epigonalen Sinn, nicht<br />

sich Ferne mit zunehmender Nähe.<br />

Mohn und Gedächtnis lesen, das<br />

dass ich versucht hätte, Celans<br />

auch die berühmte To<strong>des</strong>fuge enthält,<br />

Glauben Sie, dass Sie Celans<br />

Ton nachzuahmen. Er hat mir eher<br />

Hat für Sie dabei auch das Politische<br />

achten auf das Politische, dann auf<br />

Gedichte heute grundsätzlich anders<br />

Zutrauen gegeben: das Gefühl,<br />

eine Rolle gespielt? Also der Bezug<br />

den besonderen Klang, den Sound<br />

lesen als vor 30 oder 40 Jahren?<br />

etwas wagen zu können.<br />

auf Auschwitz, der für Celans<br />

dieser Verse, dann auch auf die<br />

Interessieren Sie heute andere Dinge<br />

Dichtung essenziell ist. Oder war dies<br />

Liebesgedichte, die legendäre Affäre<br />

an ihnen?<br />

War das für Sie auch ein Aufbruch<br />

für Sie anfangs gar nicht so wichtig?<br />

mit Ingeborg Bachmann im Hinter-<br />

Nicht unbedingt. Wie die meisten<br />

ins Mehrdeutige, in das, was nicht<br />

Die Shoah im engeren Sinn stand für<br />

kopf – doch viel präsenter ist in dem<br />

habe ich manchmal gedacht, Celans<br />

eindimensional zu verstehen ist?<br />

mich damals nicht im Vordergrund.<br />

Buch, wenn man genauer schaut,<br />

frühe Gedichte, gerade jene aus<br />

Ist es das, was Sie mit Sprechen ins<br />

Es war eher das Moment <strong>des</strong> Verlustes<br />

der Verlust der Mutter. Dieser Verlust<br />

Mohn und Gedächtnis, gehörten zu<br />

Offene meinen?<br />

– und <strong>des</strong> Erinnerns an die Mutter.<br />

ist sozusagen grundlegend. Wahr-<br />

seinen verständlicheren. Doch das<br />

Einerseits ins Mehrdeutige. Andrer-<br />

Das hat wiederum viel mit meiner<br />

scheinlich haben Sie dies viel stärker<br />

ist auch nur eine vermeintliche<br />

seits dreht es sich darum, ein Ich erst<br />

eigenen Mutter zu tun. Meine Mutter<br />

gespürt als die meisten Leser.<br />

Verständlichkeit, und auf Verständlich-<br />

im Prozess <strong>des</strong> Schreibens entstehen,<br />

war in gewisser Hinsicht ein Opfer<br />

Vermutlich war das wirklich so.<br />

keit kommt es mir nicht unbedingt an,<br />

Form annehmen oder erahnbar werden<br />

<strong>des</strong> Stalinismus: Als junge Frau war<br />

Wenn man das psychoanalytisch<br />

wenn ich Celan lese. Mich interessiert<br />

zu lassen – so ähnlich hat es Celan<br />

sie einige Jahre im Prager Militär-<br />

ausdrücken wollte: auch der Verlust<br />

eher das Wurzelwerk, der Subtext,<br />

einmal beschrieben. Das ist für mich<br />

gefängnis inhaftiert, und letztlich ist<br />

der Umgebungs-Mutter, die Erfah-<br />

der in sie hineingewoben ist. Auf<br />

bis heute ein wichtiges Moment.<br />

sie als schwer gezeichneter Mensch<br />

rung, im deutschen Sprachraum<br />

diese Weise war Celan für mich nie<br />

Oder anders gesagt: Ich hatte das<br />

aus dieser Haft entlassen worden.<br />

nicht endgültig ankommen zu können.<br />

hermetisch, auch nicht in seinen<br />

Gefühl, dass es mir mit Hilfe von<br />

Sie konnte sich zunächst nicht einmal<br />

Ich denke dabei an den Psycho-<br />

späten Gedichten. Ich empfinde ihn<br />

Celan weitaus leichter fiel, in der<br />

an ihren eigenen Namen erinnern.<br />

analytiker Donald Winnicott: dass die<br />

nicht als hermetisch. Es gibt bei ihm<br />

deutschen Sprache zu sein, als mit<br />

Diese brüchige Lebenskraft kam trotz<br />

Einheit nicht das Individuum ist,<br />

dieses Herantasten an den Saum<br />

anderen Autoren, die mich eher<br />

hoher sinnlicher Wärme in ihrer<br />

also der Schwerpunkt <strong>des</strong> Seins nicht<br />

<strong>des</strong> Verstehens, dieses Ausloten von<br />

verschreckt haben.<br />

Sprache zum Ausdruck. So habe ich<br />

im Individuum liegt. Celan wurde<br />

Rändern, wieder und wieder, diese<br />

von ihr als erstes dieses sich immer<br />

angefeindet, aber er hatte auch<br />

Bewegungen an jener dünnen Linie,<br />

wieder leicht entrückte, eher weiche<br />

etwas Paranoi<strong>des</strong>, sein Leben lang.<br />

an der das Verstehen gerade beginnen<br />

Deutsch gelernt. – Und dann kam<br />

Vielleicht als abgewehrte Angst<br />

könnte. Und das ist etwas, was ich<br />

die Entfernung zu ihr. Ich bin ja mit<br />

vor dem Zusammenbruch.<br />

schon bei meiner ersten Lektüre<br />

meinem Vater nach Persien gezogen<br />

gespürt habe. Ich lese diese Gedichte<br />

– gleichzeitig blieb ich meiner Mutter<br />

immer wieder, und oft ist es wie eine<br />

verbunden, auch dem besonderen,<br />

Art Heimkehr, ein Heimkehr-Moment.<br />

selbstvergessenen Klang ihres<br />

Für mich habe ich das einmal als<br />

Sprechens, mit einem leichten<br />

Ausschauhalten nach mir selbst be-<br />

tschechischen Akzent und einem<br />

schrieben: Ich halte Ausschau nach<br />

gewissen Zittern in der Stimme.<br />

mir, und sehe, bis wohin ich mich


sozusagen vorausschicken kann.<br />

Und irgendwo dort, ganz am Rand,<br />

erlebe ich etwas wie Heimkehr.<br />

Am Saum. Und das berührt völlig<br />

unsentimental auch die Kindheit und<br />

Karl May, diese Winnetou- und<br />

Wurzelsepp-Geschichten, die ich in<br />

Teheran gelesen habe, in dieser<br />

dauerdröhnenden Millionenmetropole.<br />

Die dünnen Seiten der Karl-May-<br />

Bücher in der staubigen Luft, das<br />

Knisterrascheln <strong>des</strong> rasch vergilbten<br />

Papiers in der betäubenden Nachmittagshitze<br />

– das sind diese Linien,<br />

die sich fortsetzen bis zu den offenen<br />

Enden im Freien, weit draußen.<br />

Das ist eine der scheinbar leisen<br />

Maßlosigkeiten, die mich beim<br />

Schreiben immer wieder antreiben.<br />

Und wenn ich Celan lese, erlebe ich<br />

tatsächlich etwas Ähnliches.<br />

Gibt es andere Dichter, mit denen es<br />

Ihnen genauso geht, die Sie so<br />

ähnlich erwischt oder abgeholt haben?<br />

Hölderlin auf jeden Fall, wobei ich<br />

zugeben muss, dass ich nicht genau<br />

weiß, warum. Ich könnte versuchen,<br />

es zu verstehen, werde aber wohl<br />

wissend nie an wesentliche Punkte<br />

kommen. So wie auch bei Celan.<br />

Glücklicherweise nähert und entzieht<br />

es sich wie asymptotisch. Man kann<br />

nichts festklopfen und raunen: Das ist<br />

es jetzt. Es ist eher eine Form <strong>des</strong><br />

existenziellen, retardierten Erwischt-<br />

Werdens, auf verschiedenen Ebenen,<br />

das reicht von der fiktionalen Selbstdeutung<br />

bis ins Implizite. Es gibt für<br />

mich nur wenige Dichter, die so etwas<br />

bewirken können. Trakl würde ich<br />

noch nennen wollen. Etwas Ähnliches<br />

habe ich beispielsweise auch bei<br />

Paul Éluard erlebt, bei Basho oder bei<br />

Andrea Zanzotto.<br />

60_61<br />

Und Peter Huchel? 2018 wurden Sie<br />

für Ihren Band Wolkenflug spielt<br />

Zerreißprobe mit dem Peter-Huchel-<br />

Preis ausgezeichnet, der vom SWR<br />

und dem Land Baden-Württemberg<br />

verliehen wird.<br />

Nun, zwischen Huchel und Celan<br />

liegen für mich Welten. Von Huchel<br />

gibt es einige Gedichte, die ich<br />

sehr mag und die ich für mich<br />

wiederentdeckt habe, als ich mich<br />

durch den Preis neu mit ihm<br />

beschäftigte. Aber bei Huchel – ich<br />

muss jetzt aufpassen, dass das<br />

nicht missverständlich klingt, denn<br />

ich meine das in keinster Weise<br />

abwertend oder stigmatisierend –,<br />

bei Huchel begegne ich doch<br />

immer wieder einer sehr deutschen<br />

Dichtung. Vielleicht berührt sie<br />

Punkte, zu denen ich mich nicht auf<br />

Distanz halten sollte.<br />

Gibt es eine Frage, die Sie Paul Celan<br />

gern gestellt hätten, wenn Sie ihn<br />

hätten treffen können?<br />

Ein gemeinsames, mit vielen Fragen<br />

verknüpftes Thema hätte vielleicht der<br />

Prozess <strong>des</strong> Denkens und Dichtens<br />

im Zwischen sein können, dort,<br />

wo ein Ich stets aufs Neue sich zu<br />

konstituieren und zu erscheinen<br />

versucht, intra- und interkulturell,<br />

mit mehrschichtigem Ineinandergreifen<br />

von Eigenwelt- und Fremdheitserfahrung,<br />

auch Anerkennung<br />

und Ablehnung.


ie erzählen<br />

ir heute<br />

on Afrika?<br />

elche<br />

eschichten<br />

nd Mythen<br />

etreffen<br />

62_63<br />

Antworten von Oladipo Agboluaje,<br />

Folgeseiten:<br />

Der Soziologe<br />

Norbert<br />

Elias Anfang<br />

der 1960er-<br />

Jahre in<br />

Ghana.<br />

Julia Augart, Jennifer Nansubuga Makumbi,<br />

Nelson Mlambo, Rémy Ngamije,<br />

Sylvia Schlettwein, Annette Bühler-Dietrich,<br />

Ildevert Méda, Sami Tchak, Nuruddin Farah


Oladipo Agboluaje: Wer bin ich? Was<br />

66_67<br />

Klischees reduziert. Aus meiner Sicht<br />

(Literatur, die sich mit dem Klima-<br />

ist für mich ‚Afrika‘? Diese Fragen<br />

bietet je<strong>des</strong> afrikanische Land seine<br />

wandel auseinandersetzt) in der<br />

verlangen, dass ich ein Narrativ aus<br />

eigene, einzigartige multikulturelle<br />

afrikanischen Literatur.<br />

Fragmenten erstelle, die sich zeitlich<br />

und mehrsprachige Landschaft,<br />

und räumlich immer wieder neu<br />

die ich unter anderem durch seine<br />

Rémy Ngamije: Ich bin ein in Ruanda<br />

zusammensetzen. Ich weiß, dass ich<br />

vielfältige Literatur erforsche.<br />

geborener namibischer Schriftsteller<br />

Oladipo Agboluaje bin, ein Dramatiker<br />

und Fotograf. Mein Debütroman<br />

und Universitätstutor. Ich habe in<br />

Jennifer Nansubuga Makumbi: Ich<br />

The Eternal Audience Of One erscheint<br />

Nigeria und im Vereinigten Königreich<br />

bin eine Schriftstellerin aus Uganda.<br />

demnächst bei Scout Press. Ich<br />

gelebt. Ich bezeichne mich selbst als<br />

Mein erstes Buch, Kintu, ist ein<br />

schreibe Texte für brainwavez.org,<br />

„British-Nigerian“. Ich wurde einmal<br />

historischer Roman. Das zweite ist<br />

eine Schriftstellervereinigung in<br />

von Kollegen aus Sierra Leone<br />

eine Sammlung von Kurzgeschichten<br />

Südafrika, und ich bin der Chef-<br />

gefragt, warum ich einen Bin<strong>des</strong>trich<br />

aus der Zeit der Diaspora, Manchester<br />

redakteur von Doek!, Namibias erster<br />

verwende, um meine Identität zu<br />

Happened. Mein drittes, The First<br />

Literaturzeitschrift. Meine Kurz-<br />

beschreiben. Als Antwort zitierte ich<br />

Woman, ist ein feministischer Roman<br />

geschichten sind in verschiedenen<br />

Tennyson: „Ich bin ein Teil von allen,<br />

und erscheint dieses Jahr. Afrika ist<br />

Journalen veröffentlicht worden, unter<br />

denen ich begegnet bin.“ Ich verstehe<br />

Zuhause. Es ist ein Ort der Liebe, der<br />

anderem in Litro Magazine, AFREADA,<br />

mich selbst als Afrikaner, aber ich<br />

Schönheit, <strong>des</strong> Essens, der Musik, <strong>des</strong><br />

The Johannesburg Review of Books,<br />

bin nigerianischer Staatsangehöriger<br />

Tanzes, der Fantasie und der großen<br />

The Amistad, The Kalahari Review,<br />

und gehöre dem Volk der Yoruba an.<br />

Familien. Aber es ist auch ein Ort<br />

American Chordata, Doek!, Azure,<br />

Meine Heimatstadt ist Oyo im<br />

<strong>des</strong> Schmerzes, der Absurditäten, der<br />

Sultan’s Seal, Columbia Journal und<br />

Westen Nigerias. Ich glaube an den<br />

Verschwendung und der schieren<br />

New Contrast. <strong>2020</strong> war ich Longlist-<br />

Panafrikanismus und daran, dass<br />

Frustration. Afrika wurde von Nicht-<br />

Kandidat für den Afritondo Short<br />

Afrikanerinnen und Afrikaner sich<br />

Afrikanern falsch beschrieben, falsch<br />

Story Prize; 2019 wurde ich für den<br />

vereinen müssen, um ein Afrika frei<br />

dargestellt und falsch verstanden.<br />

Best Original Fiction Preis von Stack<br />

von seiner kolonialen Vergangenheit<br />

Magazines nominiert. Weitere<br />

und der Geschichte der Sklaverei zu<br />

Nelson Mlambo: Ich bin Dozent im<br />

Informationen zu meinem Werk finden<br />

erschaffen. Dieses Afrika, das ich mir<br />

Fachbereich ‚Sprache und Literatur-<br />

Sie auf meiner Webseite: remythequill.<br />

wünsche, ist keine Utopie, sondern<br />

wissenschaft‘ in der Abteilung<br />

com. Was Afrika für mich bedeutet?<br />

eine Notwendigkeit. Daher verstehe<br />

‚Englisch‘ an der University<br />

Es gibt keine einfache Antwort<br />

ich Afrika als Entstehungsprozess.<br />

of Namibia, wo ich mit Freude Vor-<br />

auf diese Frage, weil sich diese<br />

lesungen zu afrikanischer, süd-<br />

Bedeutung von Tag zu Tag, manchmal<br />

Julia Augart: Ich bin Lektorin an<br />

afrikanischer und namibischer<br />

von Stunde zu Stunde verändert.<br />

der University of Namibia und lehre<br />

Literatur halte. Afrika steht für mich<br />

Für mich persönlich, und ganz einfach<br />

dort deutsche Sprache und Literatur.<br />

für die Vitalität der Bevölkerung, die<br />

gedacht, bedeutet es zunächst nur:<br />

Afrika ist einer der vielfältigsten<br />

kulturelle Vielfalt und Kontraste, für<br />

Zuhause. Aber selbst das ist eine<br />

und aufregendsten Kontinente für<br />

den Regenbogenkontinent, auf dem<br />

umstrittene Bezeichnung. Trotzdem<br />

mich, der leider häufig auf Afrika<br />

verschiedene Völker zusammen leben,<br />

ist es das für mich: Zuhause – ein Ort,<br />

reduziert wird. Seine Vielfältigkeit und<br />

für Ubuntu-Philosophie und vor<br />

an dem ich geschützt und sicher bin.<br />

Komplexität werden meistens<br />

allem für die Widerstandsfähigkeit<br />

Der Ort, an dem ich geboren wurde,<br />

ignoriert und in den Medien auf Bilder<br />

der Bevölkerung. Mich faszinieren<br />

von dem ich stamme und an<br />

von Armut und Kriminalität und in<br />

auch Darstellungen und Kritik<br />

den ich zurückkehre. Dies alles sind<br />

Romanen und Filmen auf romantische<br />

an Afro-Euphorie und Afro-cli-fi<br />

offensichtlich nebulöse und sich


verändernde Konzepte, aber wenn sie<br />

2010 zum ersten Mal für einen Lehr-<br />

68_69<br />

werden. Leider beobachte ich, dass<br />

ähneln. Afrika ist mein Kontinent,<br />

sich einer eindeutigen Erklärung<br />

aufenthalt hinreiste, wollte ich für<br />

Afrika sich seines eigenen Wertes<br />

aber erst in den Büchern, viele davon<br />

und Kategorisierung entziehen, dann<br />

mich eine Beziehung zwischen<br />

nicht immer bewusst ist; es scheint<br />

von Europäern verfasst, habe ich<br />

nur, weil sie dem Konzept gleichen,<br />

der postkolonialen Theorie und dem<br />

ständig den Positionen der anderen<br />

gelernt, es ein bisschen kennen-<br />

das sie zu erklären versuchen – Afrika<br />

Leben vor Ort herstellen, einem<br />

Kontinente hinterherzulaufen, ohne<br />

zulernen. Meine zahlreichen Reisen in<br />

ist mehr als eine Landmasse, mehr<br />

Leben, dem ich ohne vorgefasste<br />

darüber nachzudenken, welchen Preis<br />

min<strong>des</strong>tens 20 afrikanische Länder<br />

als seine Bevölkerung. Es befindet<br />

Bilder zu begegnen versuchte.<br />

es dafür zahlt: den Verlust seiner<br />

haben mir weitere Eindrücke<br />

sich ständig in Bewegung und im<br />

In Ouagadougou traf ich auf eine<br />

Menschlichkeit. Deshalb glaube ich,<br />

geschenkt. Afrika ist der Kontinent,<br />

Fortschritt. Eben das ist es, was für<br />

pulsierende Theaterszene und auf<br />

dass ich und andere Künstler und<br />

von dem ich komme, aber bis zum<br />

mich ‚Zuhause‘ bedeutet, und auch,<br />

Studierende der Germanistik, die<br />

Künstlerinnen durch unsere Kunst<br />

Ende meines Lebens wird es für mich<br />

was Afrika für mich bedeutet.<br />

den Wissensaustausch suchten.<br />

dazu beitragen können, dass Afrika<br />

eine Realität sein, die ich nur in<br />

,Afrika‘ ist für mich ein fortdauernder<br />

sich mancher seiner eigenen Werte<br />

Bruchstücken kennen werde. Folglich<br />

Sylvia Schlettwein: Ich bin eine<br />

Lernprozess, in dem ich Traditionen,<br />

bewusst wird.<br />

werde ich nicht sagen „bei uns in<br />

namibische Schriftstellerin<br />

Rituale, Sprachen und Co<strong>des</strong> zu<br />

Afrika“. Selbst mein kleines Dorf ist<br />

und Übersetzerin, die derzeit ihren<br />

verstehen suche und Wissensformen<br />

Sami Tchak: Sami Tchak ist ein<br />

von einer großen Komplexität, und ich<br />

Unterhalt als Deutsch- und<br />

und Werte mit Freunden, Künstlern,<br />

Pseudonym für Sadamba Tcha-Koura.<br />

bräuchte ein ganzes Leben, um zu<br />

Französischlehrerin verdient. Meine<br />

Kollegen und Studierenden verhandle.<br />

Ich wurde 1960 in Togo geboren,<br />

versuchen, sie zu verstehen.<br />

Muttersprache ist Deutsch, und<br />

Burkina Faso ist für mich auch ein<br />

erwarb dort meine Licence in Philo-<br />

ich schreibe auf Englisch, Deutsch<br />

Zuhause.<br />

sophie und verteidigte 1993 meine<br />

Nuruddin Farah: Ich wurde in Baidoa,<br />

und Afrikaans. Namibia, das sich<br />

Dissertation in Soziologie an<br />

Somalia, geboren und bin in Äthiopien<br />

auf dem afrikanischen Kontinent be-<br />

Ildevert Méda: Ich bin Künstler,<br />

der Universität Sorbonne-Paris V.<br />

und danach in Somalia zur Schule<br />

findet, ist das Land, in dem ich<br />

Dramatiker, Bühnenregisseur und<br />

Seit einigen Jahren widme ich<br />

gegangen, habe in Indien und England<br />

geboren wurde und aufgewachsen<br />

Schauspieler. Ich bin der Direktor<br />

mich dem Schreiben. Zu meinen<br />

studiert. Ich bin der Verfasser<br />

bin, in dem ich den größten Teil<br />

einer kleinen Theatergruppe namens<br />

Veröffentlichungen gehören Place <strong>des</strong><br />

mehrerer Theaterstücke und Romane,<br />

meines Lebens verbracht habe und<br />

théatr’Evasion, die ich 1996 gegründet<br />

Fêtes (2001; dt. Scheiß Leben, 2004)<br />

lebe in Kapstadt und lehre im Herbst-<br />

in dem ich schreibe. Namibia/Afrika<br />

habe. Heutzutage biete ich vor allem<br />

Hermina (2003), La fête <strong>des</strong> masques<br />

semester am Bard College in Upstate<br />

ist Zuhause, Familie, Inspiration und<br />

Bezugspunkt. Ich schreibe vielleicht<br />

nicht immer über Afrika, aber ich<br />

schreibe immer in und aus Afrika.<br />

Annette Bühler-Dietrich: Ich bin<br />

außerplanmäßige Professorin für<br />

Neuere deutsche Literatur an der<br />

Universität Stuttgart und unterrichte<br />

unter anderem Seminare zu<br />

Kolonialliteratur, Migration und<br />

dekolonialer Theorie. Seit 2010 lehre<br />

Workshops an, in denen ich Dramatik,<br />

Schauspiel und Bühneninszenierung<br />

lehre. Die Regierung von Burkina Faso<br />

bittet mich oft darum, an Projekten<br />

zur Lehre von Kunst und Kultur an<br />

Schulen mitzuwirken. Afrika steht für<br />

mich für die Zukunft der Menschheit.<br />

Deswegen habe ich mich dafür<br />

entschieden, hier in Afrika zu leben<br />

und meine Arbeit weiter zu entwickeln.<br />

Wenn ich beobachte, was in<br />

der Welt vor sich geht, fällt mir auf,<br />

(2004), Le paradis <strong>des</strong> Chiots (2006),<br />

Filles de Mexico (2008). Al Capone le<br />

Malien (2011), La couleur de l’écrivain<br />

(2014), Ainsi parlait mon père (2018),<br />

Les fables du moineau (<strong>2020</strong>). Seit 1986<br />

lebe ich in Frankreich. Afrika, dieser<br />

Kontinent, auf dem sich mein Land,<br />

Togo, befindet, ist für mich eine<br />

Selbstverständlichkeit, aber auch der<br />

Ort meiner vielfachen Unkenntnis.<br />

Eine Selbstverständlichkeit, weil ich<br />

Afrikaner bin, weil ich von diesem<br />

New York. Mein ganzes Leben<br />

lang habe ich in Afrika gelebt, weil<br />

ich die Geräusche, die Gerüche, die<br />

Menschen, alles an Afrika tröstlich<br />

finde und ich mich inspiriert fühle<br />

und besser schreibe als auf jedem<br />

anderen Kontinent.<br />

Folgeseiten:<br />

Noch nicht<br />

Covid-19<br />

geschuldet,<br />

sondern<br />

Alexander<br />

Kluges<br />

Reisevorsicht:<br />

unsere<br />

allererste<br />

Videokonferenzveranstaltung<br />

Anfang<br />

Februar<br />

<strong>2020</strong>.<br />

ich auch an der Université Ouaga I<br />

dass die ständige Suche nach der<br />

Kontinent herstamme. Ort meiner<br />

Joseph Ki-Zerbo, Burkina Faso, und<br />

Anhäufung von materiellen Werten<br />

vielfachen Unkenntnis, weil es ein<br />

übersetze Theaterstücke aus dem<br />

und nach Selbstermächtigung<br />

riesiger Kontinent mit 56 Staaten und<br />

Französischen. Von 2012 bis 2018 habe<br />

dazu führt, dass menschliche Werte<br />

Hunderten von Völkern ist, deren<br />

ich in Burkina Faso gelebt. Als ich<br />

verloren gehen oder vergessen<br />

Kulturen sich nicht in allen Punkten


_40


esen! Deep,<br />

kim, disant,<br />

close,<br />

icro, macro,<br />

ide, scalale,<br />

slow,<br />

ast?<br />

72_73<br />

Im Juni hätte in <strong>Marbach</strong> auch<br />

die Jahreskonferenz der American<br />

Friends of <strong>Marbach</strong> (AFM) stattfinden<br />

sollen. Das Thema: Lesen<br />

und Leseforschung. Wir haben<br />

statt<strong>des</strong>sen allen Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmern unseren Lektüre-<br />

Fragebogen zugeschickt, mit<br />

dem wir in Kooperation mit dem<br />

Leibniz-Institut für Wissensmedien<br />

Tübingen im Rahmen <strong>des</strong> Netz-<br />

werks ,Literarische Erfahrung‘<br />

das Leseverhalten in der digitalen<br />

Welt besser verstehen möchten.


74_75<br />

Welcher<br />

Lesertyp<br />

sind Sie?<br />

Wie würden<br />

Sie Ihre<br />

Art zu<br />

lesen beschreiben?<br />

Gail Finney (University of California,<br />

Davis): Ich lese (aus Vergnügen)<br />

hauptsächlich auf dem feststehenden<br />

Fahrrad im Fitness-Club und vor<br />

dem Schlafengehen.<br />

Kathrin Seidl (Brandeis University):<br />

Zweckorientiert. Wenn es mir keinen<br />

Genuss bereitet und auch keine für<br />

mich relevanten Informationen<br />

enthält, betrachte ich das Lesen als<br />

einen Raub meiner mir kostbaren Zeit.<br />

Sebastian Wogenstein (University<br />

of Connecticut): Ich lese sowohl aus<br />

professionellen Gründen als auch<br />

sehr gern zum Vergnügen.<br />

Sarah McGaughey (Dickinson<br />

College): Bei der Arbeit lese ich<br />

hauptsächlich deutsche und englische<br />

Romane aus dem frühen 20.<br />

Jahrhundert und seit den 1990ern.<br />

Zur Unterhaltung lese ich meistens<br />

Romane, die meine Mutter auf ihren<br />

Kindle lädt. Gedichte lese ich ab und<br />

zu und dann meistens im Internet.<br />

Hal H. Rennert (University of Florida):<br />

Allgemein würde ich meine Art<br />

zu lesen als verbindlich (wissenschaftlich)<br />

im Gegensatz zu unverbindlich<br />

(zum Vergnügen) bezeichnen.<br />

Ich redigiere, exzerpiere, kopiere,<br />

übersetze, mache also meist etwas<br />

aus dem Text, den ich lese.<br />

Meike Werner (Vanderbilt University):<br />

Gewohnheitsleser schon aus<br />

professionellen Gründen, Genussleser<br />

und gelegentlich Stressleser,<br />

um abzuschalten, auf andere<br />

Gedanken zu kommen.<br />

Rainer Rumold (Northwestern<br />

University): Professioneller<br />

Leser von zeitkritischen Texten.<br />

John McCarthy (Vanderbilt<br />

University): Ich bin ein eklektischer<br />

Leser. Hauptsächlich Erzählliteratur<br />

und Essayistisches. Ich lese genau<br />

und langsam, auf Inhalt, Stil und<br />

Bedeutungsnuancen achtend.<br />

Z.B. literarisch bedeutsame Werke<br />

wie Madame Bovary, Anna Karenina,<br />

Die Blechtrommel, A Room of<br />

One’s Own, Agathon und Don Sylvio.<br />

Diese Art von Lektüreverhalten<br />

wurde an Wieland früh geschult.<br />

Patrizia C. McBride (Director,<br />

Institute for German Cultural<br />

Studies, Cornell University, Ithaca):<br />

Im Allgemeinen neige ich zum<br />

langsamen Lesen, vor allem bei<br />

gedruckten Texten. Meine Lesegewohnheiten<br />

sind auch durch die<br />

Materialität <strong>des</strong> Mediums bedingt.<br />

Eine E-Mail etwa will ich nicht lange<br />

lesen und werde schnell ungeduldig.<br />

Lesen ist Teil der Sozialisation, und<br />

mein Leseverhalten wurde von meinen<br />

Erfahrungen und Erwartungen mit<br />

Büchern tief geprägt. Es ist nicht so,<br />

als wäre das Bildschirmlesen<br />

umständlicher an sich, sondern für<br />

mich hat es nicht den Charakter <strong>des</strong><br />

richtigen, genussvollen Lesens.<br />

Rachel Halverson (College of Letters,<br />

Arts and Social Sciences, Moscow):<br />

Ich sehe mich als eine ,Meditationsleserin‘,<br />

die sich in Texte aller Art<br />

vertieft und sich auf das Lesen<br />

so konzentriert, dass die Welt um<br />

sie herum verschwindet.<br />

Stephen Dowden (Brandeis<br />

University): Ich lese von morgens<br />

früh bis mittags, wenn es möglich ist.<br />

Selten abends.<br />

Judith Ryan (Harvard University):<br />

Seit frühester Kindheit bin ich<br />

eine unersättliche Leserin. Ich habe<br />

mir mit drei Jahren das Lesen<br />

beigebracht. Ich lese viel und schnell<br />

und mag viele Gattungen und Themen.<br />

Wann versinken<br />

Sie<br />

in einem<br />

Buch?<br />

Gail Finney: Wenn es spannend wird.<br />

Kathrin Seidl: Wenn ich es nicht<br />

lesen muss! D.h. wenn ich keine<br />

Informationen extrahieren muss,<br />

sondern einfach das Lesen seiner<br />

selbst wegen GENIESSEN darf.


Sebastian Wogenstein:<br />

Rachel Halverson: Am Abend, bevor<br />

76_77<br />

gerne Krimis. Aber da werden die<br />

Wenn es gut geschrieben ist.<br />

ich einschlafe.<br />

Gewalttätigen meistens zur<br />

Sarah McGaughey: Wenn<br />

Stephen Dowden: Das geschieht<br />

Rechenschaft gezogen. Reiche<br />

es unterhaltsam ist. Krimis,<br />

fast nie mehr. Das Versinken ist eher<br />

Figuren mit viel Selbstmitleid kann<br />

Jugendbücher wie Tschick, Harry<br />

eine Kindheitserinnerung.<br />

ich nicht leiden. So à la Bret Easton<br />

Potter, Hunger Games zählen<br />

Judith Ryan: Das hat viel mit dem<br />

Elli’s Rules of Attraction. Und<br />

meiner Meinung nach zu solchen<br />

Stil zu tun. Ein unbeholfener Stil<br />

alles, was sprachlich und inhaltlich<br />

Romanen, die zum Versinken sind.<br />

macht es mir unmöglich, in das Buch<br />

schlecht geschrieben ist.<br />

Rainer Rumold: Wenn es sprachlich<br />

zu versinken.<br />

Rainer Rumold: Nach einem Zuviel<br />

packend ist.<br />

an Eigenanalyse.<br />

Hal H. Rennert: Ich habe drei Stellen<br />

Hal H. Rennert: Ich habe eine<br />

im Haus, wo ich buchstäblich in einem<br />

Korbsessel versinke. Ich lese nie<br />

im Bett, weil ich mir verboten habe,<br />

beim Lesen einzuschlafen. Ein Buch<br />

ist doch kein Schlafmittel! Und beim<br />

Notizenmachen setze ich mich immer<br />

an einen Tisch. Bin ich überhaupt<br />

schon mal beim Lesen versunken?<br />

Vielleicht als Elfjähriger bei Karl Mays<br />

Winnetou.<br />

Meike Werner: Packen<strong>des</strong> Problem<br />

oder packende Story, gut geschrieben,<br />

zum Nachdenken, Weiterdenken<br />

anregend.<br />

John McCarthy: Selten. Wenn die<br />

Handlung spannend und verwickelt<br />

ist, dann schon. Goethes Werther,<br />

Schillers Die Räuber und Wielands<br />

Don Sylvio von Rosalva haben mich<br />

jeweils auf andere Art und Weise<br />

gefesselt.<br />

Patricia McBride: So richtig in einem<br />

Buch versinken, das passiert leider<br />

nicht oft genug. Selbst bei meinem<br />

Beruf – oder vielleicht <strong>des</strong>wegen. Bei<br />

mir heißt, in ein Buch zu versinken das<br />

Gleiche, wie nicht auf die Zeit achten<br />

zu müssen. Spätabends passiert<br />

es mir manchmal. Eine wichtige<br />

Auf den<br />

Folgeseiten:<br />

Scherenschnitte<br />

von Luise<br />

Duttenhofer<br />

mit Lesetypen<br />

und<br />

Leseszenen<br />

um 1800.<br />

Wann<br />

legen<br />

Sie ein<br />

Buch aus<br />

anderen<br />

Gründen<br />

als Müdigkeit<br />

und Zeitmangel<br />

beiseite?<br />

Gail Finney: Wenn es trocken wird.<br />

Sebastian Wogenstein: Wenn ich es<br />

nicht interessant oder ergiebig finde.<br />

Sarah McGaughey: Fast nie. Aber<br />

meistens, wenn eine Hauptfigur<br />

Sammlung von etwa 300 kleinen<br />

Reclam-Heften, die ich für wenig Geld<br />

beim Ausverkauf eines Buchladens<br />

vor etwa 30 Jahren gekauft habe.<br />

Da ist deutsche Literatur dabei, die<br />

nie auf meinen Literaturleselisten<br />

der Uni stand: Hans Sachs z.B. und<br />

noch ältere Texte aus dem Mittelalter.<br />

Wenn ich so ein Büchlein entdecke,<br />

lege ich es gern beiseite.<br />

Meike Werner: Wenn mir die Zeit zum<br />

Weiterlesen fehlt.<br />

John A. McCarthy: Wenn es zu oft zu<br />

Wiederholungen kommt und ich das<br />

Gefühl habe, das Argument wird<br />

nicht vorangetrieben und die gleichen<br />

Empfindungen werden immer wieder<br />

durchgewühlt, wenn neue Horizonte<br />

nur langsam geöffnet werden.<br />

Stephen Dowden: Mit Vorliebe lese<br />

ich viele Bücher kurz – etwa je eine<br />

halbe Stunde, alle nacheinander.<br />

Judith Ryan: Fast nie: Meistens mache<br />

ich einen ernsthaften Versuch, das<br />

Buch zu Ende zu lesen, auch wenn es<br />

mir nicht gefällt.<br />

Bedingung ist dabei, dass das Lesen<br />

nicht nur unsympathisch, sondern<br />

um <strong>des</strong> Lesens willen geschieht.<br />

willkürlich und gewalttätig ist. Was ja<br />

nicht ganz stimmt, denn ich lese so


78_79


edruckt<br />

der<br />

-Book –<br />

elchen<br />

nterchied<br />

ehen Sie?<br />

Gail Finney: Ich lese so weit wie<br />

möglich nur gedruckte Bücher.<br />

Bei E-Books fällt es mir schwer,<br />

mich zu konzentrieren.<br />

Kathrin Seidl: Gedruckt ist schöner:<br />

ein taktiles Erlebnis, Lesen mit<br />

allen Sinnen.<br />

Sebastian Wogenstein: Ich kann<br />

mich in gedruckten Büchern besser<br />

orientieren, sehe aber v.a. in der<br />

globalen und sofortigen Verfügbarkeit<br />

von E-Büchern große Vorteile.<br />

Sarah McGaughey: Ich bevorzuge<br />

gedruckt, aber E-Books sind praktisch,<br />

wenn 1) man eine Mutter hat, die<br />

viele Kindle-Bücher kauft und 2)<br />

wenn ich unterwegs bin.<br />

Meike Werner: E-Books lese ich nur<br />

zu Forschungszwecken, sprich,<br />

wenn Texte nicht oder nur schwer<br />

gedruckt verfügbar sind.<br />

John A. McCarthy: Im gedruckten<br />

Buch kann man jederzeit nachschlagen<br />

und hin und her blättern,<br />

Stellen mit den Fingern zum<br />

Vergleichen festhalten. Das Tastgefühl<br />

fehlt im digitalen Raum.<br />

Patrizia McBride: Bücher sind<br />

für mich gedruckt. E-Books fehlt<br />

die materielle Eingrenzung, die<br />

„boundedness“, aber auch das<br />

materielle Gewicht und der<br />

immaterielle Wert. Mir scheinen<br />

sie weniger Substanz zu haben.<br />

Aber ich schätze an ihnen, dass<br />

sie ‚portable‘ sind und man mit<br />

dem Inhalt anders umgehen kann,<br />

z.B. durch gezieltes Suchen.<br />

Stephen Dowden: E-Books besitzt<br />

man nicht, man leiht sie gegen Geld.<br />

Judith Ryan: Wenn es sein muss<br />

(z.B. wenn ich das gedruckte Buch<br />

nicht bekommen kann oder wenn es<br />

eher um Information und nicht so<br />

sehr um literarische Qualität geht),<br />

lese ich auch E-Books.<br />

Möchten auch Sie auf<br />

unsere Fragen antworten?<br />

Wir freuen uns darüber<br />

und sammeln sie unter<br />

dieser Adresse:<br />

presse@dla-marbach.de<br />

80_81<br />

habe ich doppelt so viele Romane<br />

gelesen, wie ich es normalerweise<br />

im Semester tue.<br />

Hal H. Rennert: Das letzte Treffen<br />

der Deutschstundeteilnehmer bei mir<br />

zu Hause war Anfang März. Seitdem<br />

machen wir leidlich online weiter. Mir<br />

fehlt regelrecht der Lektüre-Rahmen.<br />

Meike Werner: Erstaunlicherweise<br />

nicht wirklich.<br />

John A. McCarthy: Klar. Ich habe mehr<br />

Zeit zum Lesen und Nachdenken.<br />

Patrizia McBride: Nein, leider, weil ich<br />

von zu Hause arbeite. Ich habe sogar<br />

weniger Freizeit zum Lesen als sonst.<br />

Rachel Halverson: Ich vermeide<br />

Bücher, die bestimmte Themen<br />

(Arbeitslosigkeit, Tod, Weltende)<br />

behandeln. Durch das Lesen möchte<br />

ich eine Pause vom ,Pandemiestress‘.<br />

Judith Ryan: Um überhaupt noch<br />

verändert?<br />

forschen zu können, musste ich mehr<br />

auf E-Books zurückgreifen und auch<br />

mehr gebrauchte Bücher kaufen.<br />

Hat sich<br />

durch die<br />

Maßnahmen<br />

zur<br />

Eindämmung<br />

von<br />

Covid-19<br />

Ihr Leseverhalten<br />

Gail Finney: Ja, weil man nicht mehr<br />

zum Fitness-Club gehen kann.<br />

Kathrin Seidl: Ich verbringe insgesamt<br />

mehr Zeit vor dem Computer, daher<br />

lese ich auch mehr online.<br />

Sebastian Wogenstein: Ja, sehr,<br />

aus Zeitgründen. Ich habe ein Kind<br />

im Kindergartenalter und eine<br />

Zweitklässlerin rund um die Uhr zu<br />

Hause und komme kaum noch<br />

zum Arbeiten – geschweige denn<br />

zum Lesen.<br />

Sarah McGaughey: Ich lese viel mehr!<br />

Ich habe wenig Platz, wo ich wohne,<br />

ein Kind und viel am Computer zu tun.<br />

Aber wenn ich abends Zeit habe, lese<br />

ich: Seit dem Beginn <strong>des</strong> Lockdowns<br />

Nachfolgende<br />

Seiten:<br />

Momentaufnahme<br />

bei den 1:1<br />

Konzerten im<br />

Juni <strong>2020</strong><br />

auf dem Balkon<br />

<strong>des</strong> Schiller-<br />

Nationalmuseums<br />

mit<br />

Susanne Wichmann<br />

(Horn),<br />

Kathrin Wipfler<br />

(Violine)<br />

und Christian<br />

Teiber (Klarinette).


chiller<br />

esen<br />

Nachfolgende Seiten:<br />

Besuchermitspielkärtchen<br />

aus unserer Ausstellung<br />

„Hegel und seine Freunde“,<br />

die im September <strong>2020</strong><br />

ins Goethe-Institut<br />

Ljubljana weiterwandert<br />

und dort von Hegels<br />

slowenischen Freunden<br />

ergänzt wird. In <strong>Marbach</strong><br />

haben 133 Besucher*innen<br />

den Satz „Denken ist<br />

für mich …“ ergänzt,<br />

neun davon mit „Freiheit“,<br />

fünf mit „anstrengend“,<br />

vier mit „unabstellbar“.<br />

Weitere Definitionen waren<br />

u.a.: „Probehandeln“,<br />

„leider viel zu selten“,<br />

„eine sprudelnde Kettenreaktion<br />

kleiner Männlein<br />

in meinem Kopf“,<br />

„Denken ist nicht links<br />

und rechts, schwarz<br />

oder weiß / Denken ist<br />

mutig sein“, „Luxus“,<br />

„nicht für Dich“.<br />

84_85<br />

Ergänzend zur Schillerrede <strong>2020</strong><br />

am 8. November (auch hier geben<br />

wir den Redner sowie Uhrzeit<br />

und Ort rechtzeitig über unsere<br />

Homepage und die Presse bekannt)<br />

möchten wir Sie alle einladen,<br />

zu Friedrich Schillers Geburtstag<br />

am 10. November Ihre Gedanken<br />

zu einem der berühmtesten<br />

Schiller-Zitate mit dem Hashtag<br />

#SchillerFreiSpiel online zu stellen:<br />

„Um es endlich auf einmal herauszusagen,<br />

der Mensch spielt nur,<br />

wo er in voller Bedeutung <strong>des</strong> Worts<br />

Mensch ist, und er ist nur da ganz<br />

Mensch, wo er spielt.“ Schiller<br />

schreibt das in seinen fünf Jahre<br />

nach Ausbruch der Französischen<br />

Revolution 1794 veröffentlichten<br />

Briefen Über die ästhetische<br />

Erziehung <strong>des</strong> Menschen. Aus seiner<br />

Sicht macht uns die Kunst frei,<br />

weil sie uns bewegt und verändert,<br />

ohne dass wir die Balance verlieren.<br />

Sie lehrt uns Geist, Seele und<br />

Körper in Einklang zu bringen. Viele<br />

der Objekte in Schillers Nachlass<br />

thematisieren solche Bewegungsund<br />

Gleichgewichtsübungen.<br />

Aber: Wie sehen wir heute die<br />

Zusammenhänge zwischen Spielen<br />

und Freiheit, Individuum und<br />

Demokratie?


Literatur<br />

ewegt<br />

esen<br />

ernen<br />

Auch die für Dezember <strong>2020</strong><br />

geplante Fortsetzung unseres<br />

Ausstellungsprojekts<br />

#LiteraturBewegt (gefördert<br />

von der Kulturstiftung <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong> und dem Ministerium<br />

für Wissenschaft, Forschung<br />

und Kunst Baden-Württemberg),<br />

in dem die Medienwechsel<br />

der Literatur im Mittelpunkt<br />

stehen , haben wir in den<br />

Herbst 2021 verschoben. Daher<br />

noch einmal zurück zum Lesen:<br />

Was geschieht mit unserem<br />

Körper, wenn wir Lesen lernen?<br />

Das haben wir die Essayistin<br />

und Literaturwissenschaftlerin<br />

Hannelore Schlaffer gefragt:<br />

Folgeseiten:<br />

Psyche und<br />

Pegasus.<br />

Testaufbau<br />

für Luise<br />

Duttenhofers<br />

Leseszenen<br />

im Literaturmuseum<br />

der Moderne.<br />

88_89<br />

Es muss etwas passieren! Etwas<br />

Unglaubliches! Übertreibung bis zur<br />

Unwahrscheinlichkeit ist ein erprobtes<br />

Mittel, das Furchtbare zu bannen,<br />

damit es das Schöne werde. Das<br />

Schreckliche ins Schöne zu übersetzen,<br />

dazu reicht schon ein<br />

bequemer Sessel. In Gemütlichkeit<br />

versunken, wird alles Ungeheuerliche,<br />

von dem man gerade erfährt, harmlos.<br />

Noch besser als der Sessel ist, falls<br />

man ein Kind ist, die Hand <strong>des</strong> Vaters<br />

oder der Mutter. So war denn auch<br />

das erste Buch, das mir vorgelesen<br />

wurde und <strong>des</strong>sen ich mich erinnere,<br />

ein schönes. Und doch erschien es<br />

mir, als ich es vierzig Jahre später aus<br />

kritischer Distanz noch einmal selbst<br />

las, als das erdenklich Bösartigste,<br />

was man einem Kind vorsetzen kann:<br />

Der Struwwelpeter. Sadismus in jedem<br />

Wort – doch die Hand <strong>des</strong> Vaters<br />

auf der Schulter war warm, und die<br />

spöttische Stimme, mit der er las,<br />

verkehrte den Barbarismus der<br />

Geschichtchen in spaßige Wunder, in<br />

Zauber, in Phantasie. So ließ sich<br />

über all das, was Erziehungswut sich<br />

an Grausamkeiten ausgedacht<br />

hatte, lachen, schadenfroh, über die<br />

brennenden Katzen wie über den<br />

fliegenden Robert, der hieß wie mein<br />

Bruder.<br />

Die ästhetische Erziehung ist keine<br />

moralische, wie Schiller meint. Sie<br />

beginnt beim Kind, gar beim Kleinkind,<br />

und von da an ist die Bedingung allen<br />

ästhetischen Genusses Körperwärme.<br />

Der Körper, der liest, muss sich seiner<br />

sicher sein. Er muss wissen, dass er<br />

das Auge nicht braucht, das wachsam


die Umwelt kontrolliert, weil er nicht<br />

Diese Schwerelosigkeit, die süchtig<br />

92_93<br />

das nicht – ein Asyl, das nicht riecht,<br />

andere Verbindung von Fiktion und<br />

in Gefahr ist. Die Augen sind die<br />

macht, beginnt mit dem gehörten Text,<br />

nicht blendet, nicht dröhnt, nicht juckt,<br />

Wirklichkeit fand, wie sie notwendig<br />

einzig Gequälten beim Lesen. Je<br />

mit der Erzählung <strong>des</strong> Vaters etwa,<br />

nicht schmerzt. Wer an diese Welt<br />

ist, damit Lesen Glaubenssache<br />

monotoner die Welt, die vor ihnen liegt<br />

zu dem das Kind am Morgen ins Bett<br />

glaubt und in sie entflieht, nimmt an<br />

bleibe und Glück bereitet. Die<br />

– und was ist schon eine Buchseite<br />

kriecht und auf fränkisch radebrecht:<br />

Wundern so viel wie möglich in die<br />

Wirklichkeit, in die das Gelesene nun<br />

anderes als ein Gefängnis für das<br />

„Rodkäbbchen sach!“ Hier genießt es<br />

sinnliche Wirklichkeit mit, in die er<br />

einging, war das Theater, ein realer<br />

Auge –, <strong>des</strong>to freudiger arbeitet der<br />

in der Morgenstunde die Sicherheit,<br />

zurück-kehren muss. Bei<strong>des</strong>, Flucht<br />

Ort, an dem ich mein einsames<br />

Geist, sich seine eigenen Welten,<br />

die zum Lesen gehört. Nicht um etwas<br />

und Rückkehr, wurden mir von diesen<br />

Lesen in die Gesellschaft integrieren<br />

auserlesene, zu erfinden. Schwer<br />

zu lernen, sondern damit die Welt<br />

Brüdern leicht gemacht. Der Tag war<br />

konnte. Ich las Schiller, lernte Rollen<br />

Büchersüchtige, die lebenslänglich<br />

nicht ganz verloren gehe dabei – was<br />

still und gut zum Lesen geeignet,<br />

auswendig, war Karl Moor, Max<br />

hinter diesen Buchstabengittern<br />

ein wirklicher Schreck wäre – müssen<br />

denn sie gingen zur Arbeit. An den<br />

Piccolomini, Lady Milford – Frau oder<br />

sitzen, kokettieren gern mit ihrer<br />

Kinderbücher Bilder haben und der<br />

Abenden und am Sonntag zelebrierte<br />

Mann spielt in der Poesie keine<br />

Begeisterung für die Schönheit <strong>des</strong><br />

Text eine Stimme, die <strong>des</strong> Erzählers<br />

dann einer, der schöne Lieblings-<br />

Rolle –, ging ins Theater und sah,<br />

Buches, mit der Sensibilität, die die<br />

oder Vorlesers. Zum Gefühl der<br />

bruder, zusammen mit meinem Vater<br />

dass es das, was ich einstudiert hatte,<br />

Haptik <strong>des</strong> Einban<strong>des</strong> erregt, mit<br />

Sicherheit, die Lesen erst ermöglicht,<br />

und mit mir die Rückkehr aus der<br />

wirklich gab. Mit dem Besuch im<br />

der Schönheit <strong>des</strong> Papiers – ich vor<br />

gehört das Vertrauen, dass Welt<br />

Bücherwelt in unser Wohnzimmer.<br />

Theater war das Lesen zur sozialen<br />

allem erinnere mich am liebsten an<br />

und Körper trotz der entfliegenden<br />

Ich las alle Bände von Karl May, derer<br />

Erfahrung geworden, die mir die<br />

das sogenannte Bibeldruckpapier,<br />

Phantasie miteinander freundlich<br />

ich habhaft werden konnte, der Bruder<br />

Teilhabe an der Gesellschaft<br />

das damals, eine kirchliche Tradition,<br />

verbunden sind. Dies Gefühl<br />

und mein Vater lasen mit, und so<br />

garantierte. Über das Theater kann<br />

das Buch kostbar machte. Das<br />

verschafft im Erwachsenenalter die<br />

war das Wohnzimmer ein Lager in<br />

man reden, die Lektüre hingegen<br />

Material ist jedoch nur eine Auf-<br />

Tasse Kaffee, die die Lektüre irdisch<br />

den Great Plains, wir waren Old<br />

macht stumm, während man liest,<br />

forderung, mit dem Phantasieren zu<br />

bleiben lässt, oder die Zigarette.<br />

Shatterhand, Winnetou, Nscho-tschi.<br />

und meist auch danach. Zugleich<br />

beginnen.<br />

Nicht aus Geistes- und Gedanken-<br />

Ich sprang vom Pferd, legte das Ohr<br />

wird in Schillers Theaterstücken der<br />

schwäche hebt man immer einmal<br />

auf die Erde, um das Nahen feindlicher<br />

Leser zum Spieler, der frei ist vom<br />

Die ersten Bücher, die ein Kind<br />

wieder den Blick vom Buch, steht auf<br />

Stämme auszukundschaften, und<br />

Alltag. Seine Bühne ist ein anderer,<br />

kennenlernt, sind nichts als<br />

und tut einige Schritte durch den<br />

verbeugte mich mit dem roten Bruder<br />

‚höherer‘ Ort.<br />

Schachteln, in denen etwas versteckt<br />

Raum, sondern aus dem Bedürfnis<br />

vor unserem weißen Freund Old<br />

ist, was die Stimme eines anderen<br />

heraus nach Rückkehr in die Welt,<br />

Shatterhand, dem Vater. Lesen nennt<br />

zum Klingen bringt. Beim Vorlesen<br />

die über der Unglaublichkeit der<br />

man Bildung und fördert es bei<br />

schon beginnt die Entlassung <strong>des</strong><br />

Erzählung doch nie oder nur von Irren<br />

Jugendlichen, aber keine Spur war mir<br />

Körpers, die Lesen erst eigentlich<br />

ganz vergessen wird.<br />

bewusst von dieser Pflicht, und von<br />

zum Glück macht. Lesen ist ein Glück,<br />

den wirklichen Verhältnissen in jenem<br />

weil man, sobald man sich in ein Buch<br />

Nun also aus dem Bett <strong>des</strong> Vaters in<br />

Amerika, mit dem ich mich gerade<br />

vertieft, ein Mensch ist ohne Leib.<br />

den Sessel im Wohnzimmer, an<br />

beschäftigte, hatte ich keine Ahnung,<br />

Man unterliegt weder der Schwerkraft<br />

dem von Zeit zu Zeit die vier Brüder<br />

wusste nichts von der Verdrängung<br />

noch den Gebrechen <strong>des</strong> Körpers.<br />

vorbeikommen und sagen: „Ah! Die<br />

der Indianer aus ihren Revieren, auf<br />

Lesen ist eine Kraftentäußerung.<br />

höhere Tochter liest schon wieder!“<br />

die Karl May anspielt. Bildung ist ein<br />

Nur wenn es zu lange währt, hat<br />

Vier Brüder fördern das Lesen<br />

emotionales und intellektuelles<br />

einen die Erde wieder: Der Rücken<br />

einer kleinen Schwester sehr. Man<br />

Training, keine Wissensvermittlung.<br />

schmerzt, die Schultern knarzen,<br />

entkommt ihnen gottlob ins Buch<br />

Begleitet vom Achselzucken der<br />

die Augen brennen.<br />

und dort in eine Welt, in die sie nicht<br />

anderen drei Brüder, lief dieses<br />

mitlaufen können – oder doch?<br />

Spiel so vor sich hin und einige Zeit<br />

Bücher sind – wer, der liest, wüsste<br />

lang weiter, so lange, bis ich eine


schreibbmaschinengewehrchen<br />

Pfauenaugenblick<br />

antroposophenlila<br />

Jubidubi<br />

Nonstopcharakter<br />

Versagersagen<br />

Sonnenspelzen<br />

Phantomliebe<br />

Seniorenkrippe<br />

Birkinnen<br />

tomeihoda<br />

pusteblumengrau<br />

Unendlichkeitskino<br />

verschwindibus<br />

Silberseiberfaden<br />

gedankenkrank<br />

Karfreitagslaken<br />

Freiheitsglucken<br />

Kontaktanzeigentypen<br />

Vielerleilieb<br />

Frühstücksbacke<br />

Abendschrieb<br />

Kaltebauernfrühstücke<br />

Nachmittagstigall<br />

Erdenklumpatsch<br />

sternengesalzen<br />

Rosengrannen<br />

Trickesoteriker<br />

Wehmutsgequatsche<br />

sorgengetrüffelt<br />

Blechhorizont<br />

Wimpernwäldchen<br />

Monomanentreck<br />

Quendelbarrikaden<br />

Übersommer<br />

Di-Da-Durchschnittskopp<br />

Wunderhose<br />

Bleistiftgesicht<br />

Stratosphärensperma<br />

Blütenrouladen<br />

Einsiedlerfleisch<br />

Sangsemal<br />

Bewußtseinsboom<br />

Unendlichkeitsfimmel<br />

verjuchheeht<br />

Nymphenfett<br />

Aktienfladen<br />

Feuerstreu<br />

Konstantinopolitanischer.......dudelsackpfeifenmachergesellenrisikozulage<br />

Fernsehkanalisation<br />

Patentveilchen<br />

Abendbold<br />

ver-tam-dadam<br />

Kripskraps<br />

Wünschelnas<br />

Sonnenmaische<br />

Achillesvers<br />

Tirilyrileier<br />

Drehkipphimmel<br />

Feenkot<br />

Sommertinten<br />

Tintentoga<br />

Nichtikus<br />

Herzhämorrhoid<br />

Nervenwisch<br />

Leidenssirup<br />

Jambenbrot<br />

Mistmelodie<br />

Bewußtseinsblähung<br />

düdelüdüt<br />

Tagebuchhalter<br />

Kunstlachsröten<br />

Rüben-Nymphe<br />

1.-Klasse-Einsamkeit<br />

Nervenplankton<br />

Schmierseifenhansel<br />

Déjawuppdich<br />

Schieschie<br />

Höllenhefe<br />

Gleichmachemaschine<br />

Aufklappsterne<br />

Maiengalle<br />

Gelegenheitsschwein<br />

Wohltäterätäter<br />

Paradiesvogelschiß<br />

Fundefeuer<br />

Etruskerspitzmaus<br />

Mondensud<br />

ratze<br />

patz<br />

Rühmkorfs Nachlasspoesie<br />

Peter<br />

Rühmkorf<br />

in seiner<br />

Hamburger<br />

Studentenbude,<br />

um 1955.<br />

Foto: Dieter<br />

Heggemann<br />

94_95


Der Nachlass von Peter Rühmkorf<br />

beispielsweise mit der Lyrik von<br />

96_97<br />

Gibt es Dinge, die Sie heute noch<br />

Erschließung kann man dort nun tat-<br />

ist der größte Einzelnachlass im<br />

Klopstock, Brockes und Claudius<br />

ratlos machen oder staunen lassen<br />

sächlich die Arbeit an den einzelnen<br />

<strong>Deutschen</strong> Literaturarchiv. Über<br />

auseinander. Die umfangreiche<br />

oder ... ?<br />

Strophen, die Verwandlung <strong>des</strong><br />

600 grüne Kästen mit Handschriften<br />

Mediendokumentation belegt<br />

Ratlos bin ich angesichts <strong>des</strong> immens<br />

Textes verfolgen. Das ist einmalig. –<br />

und Typoskripten gehören dazu<br />

schließlich, dass Rühmkorf ein<br />

umfangreichen (und gesperrten)<br />

Rühmkorf war darüber hinaus ein<br />

sowie seine Bibliothek mit 6.600<br />

Dichter in der Öffentlichkeit war, mit<br />

Tagebuchnachlasses – 30.000 hand-<br />

großer Sammler, auch das muss<br />

Bänden und 193 Tonkassetten in der<br />

zahlreichen Auftritten auf Bühnen,<br />

schriftliche Seiten! Nicht nur die<br />

gezeigt werden, weil es mit seiner Art<br />

Mediendokumentation. Wir haben<br />

im Rundfunk und im Fernsehen –<br />

manische Mitschrift <strong>des</strong> eigenen<br />

zu schreiben zu tun hat. Hier haben<br />

mit Susanne Fischer über diesen<br />

,Jazz und Lyrik‘ war sein Metier;<br />

Lebens erstaunt mich, auch die Idee<br />

wir ebenfalls viele Nachlass-Objekte,<br />

Nachlass und die Ausstellung<br />

er brauchte sein Publikum. Und er<br />

einer jahrzehntelangen Sperrung, die<br />

die für sich allein ausstrahlen, ,nichts<br />

Laß leuchten! – Peter Rühmkorf,<br />

engagierte sich politisch, auch<br />

aus den Notizen eine Art Flaschen-<br />

Besonderes‘ zu sein, nur ein Stück<br />

selbstredend und selbstreimend<br />

das geht nur in der Öffentlichkeit.<br />

post in die Zukunft werden lässt.<br />

von vielen – und erst in einem Kontext<br />

gesprochen. Susanne Fischer hat<br />

Für wen? Oder hat sich Rühmkorf<br />

zum Leuchten gebracht werden<br />

die Ausstellung mitkuratiert und<br />

Wie ist es, in diesem Riesen-<br />

diese Frage gar nicht gestellt, sondern<br />

können.<br />

ist seit 2018 Geschäftsführender<br />

nachlass und seinen rhizomartigen<br />

nur gedacht: Für euch nicht, ihr<br />

Vorstand der Arno Schmidt Stiftung,<br />

Geflechten zu recherchieren?<br />

sensationsgierigen Zeitgenossen?<br />

Friedrich Forssman, der die Aus-<br />

Bargfeld, deren langjährige Mit-<br />

Wenn wir schon zu Pflanzen-<br />

– Was mich immer noch rührt, sind<br />

stellung mitkuratiert und gestaltet<br />

arbeiterin und Geschäftsführerin<br />

metaphern greifen, müsste es das<br />

die Dokumente aus dem Nachlass<br />

hat, wollte ,utopische Räume‘<br />

sie zuvor war.<br />

von Rühmkorf favorisierte Bild<br />

der Mutter. Peter Rühmkorf wurde<br />

entwerfen – Räume, die es real<br />

<strong>des</strong> Schachtelhalms sein – so<br />

unehelich geboren, seine Mutter<br />

nicht gibt, imaginäre Räume.<br />

Warum haben die Literatur und<br />

empfand er selbst seine Arbeit,<br />

war Dorfschullehrerin, sein Vater ein<br />

Was sind Rühmkorfs Utopien?<br />

ihre Überlieferung bei Rühmkorf<br />

organisch, aber zielgerichtet<br />

reisender Puppenspieler, den er<br />

Die Ausstellung ist ein utopischer<br />

solche Ausmaße angenommen?<br />

wachsend, mit Verzweigungen an<br />

nie kennenlernte: Das war für Mutter<br />

Raum, ein Ort jenseits unserer<br />

Peter Rühmkorf beachtete im<br />

definierten Punkten. Aber zur<br />

und Sohn kein einfaches Leben.<br />

Alltagswirklichkeit mit geheimnis-<br />

Umgang mit seinem Material keine<br />

Nachlass-Recherche: Man wird<br />

vollem Licht, in dem den Besuchern<br />

Hierarchien; es erschien ihm<br />

wahnsinnig dabei – es gibt alles<br />

Jeder Schriftsteller stellt einen vor<br />

Gedichte entgegentreten und man<br />

alles gleich wichtig – auch in der<br />

und von allem zu viel. Zur Hierar-<br />

eigene Herausforderungen, wenn man<br />

sich durch eine Art bunte Ladenstraße<br />

Aufbewahrung. Das beginnt<br />

chisierung, die Rühmkorf selbst<br />

ihn ausstellt. Bei Autoren wie W.G.<br />

voller Themen aus Rühmkorfs Leben<br />

bei den noch ungeformten Einfällen,<br />

nicht vorgenommen hat, waren wir<br />

Sebald, Thomas Mann, Hermann<br />

und Schreiben bewegen kann. Literatur<br />

die er als glücklich empfangene<br />

Kuratoren gezwungen.<br />

Hesse oder Arno Schmidt lässt sich<br />

kann als utopischer Ort verstanden<br />

Sternschnuppen, als Lyriden,<br />

eindrücklich zeigen, wie sie geschrie-<br />

werden, das wird mit der expressiven<br />

empfand. Betont hat er, dass die<br />

Haben Sie etwas gefunden, womit<br />

ben haben, bei anderen ist das bloß<br />

Ausstellungsgestaltung betont.<br />

Arbeit an Gedichten mit diesen<br />

Sie überhaupt nicht gerechnet haben?<br />

langweilig. Wie ist das bei Rühmkorf?<br />

Bei der Frage nach den Utopien <strong>des</strong><br />

Lyriden nur anfängt, ehe in einem<br />

Mehrere Gläser mit getrocknetem,<br />

Was lag nahe, was war schwierig?<br />

Autors zögere ich – sicherlich hat<br />

aufwändigen Prozess von Umformu-<br />

selbstgezogenem Marihuana.<br />

Es lag nahe und war schwierig,<br />

Rühmkorf sich für eine friedlichere<br />

lierungen und Überarbeitungen<br />

Dass mich das überraschte, liegt<br />

Rühmkorfs exzessive Arbeitsweise<br />

und gerechtere Welt eingesetzt,<br />

ein Gedicht dann seine Form findet.<br />

aber nur daran, dass ich Rühmkorf<br />

vorzuführen – er hat es selbst mit<br />

glaubte aber dabei nicht an die großen<br />

Es gibt oft hunderte von Seiten,<br />

zu seinen Lebzeiten nicht gut genug<br />

den von ihm publizierten Vorstufen<br />

Würfe oder Revolutionen, sondern<br />

die zur Arbeit an einem einzigen<br />

kannte; jeder seiner Freunde hätte<br />

zum Gedicht Selbst III/88 getan:<br />

an die schrittweise Verbesserung<br />

Gedicht gehören. Die Kenntnis seiner<br />

das gewusst.<br />

693 Manuskript- und Typoskriptseiten<br />

der Gesellschaft. Vielleicht darf<br />

Vorgänger gehörte für ihn unmittel-<br />

für ein einziges Gedicht! Sie füllen<br />

man auch das schon zu den Utopien<br />

bar zur schriftstellerischen Arbeit,<br />

in der Ausstellung eine riesige Wand;<br />

rechnen; er hat jedenfalls nicht<br />

seine Gedichte setzen sich<br />

mit Hilfe einer elektronischen<br />

aufgegeben.


ühmkorfs<br />

etzter<br />

rief<br />

Jan Bürger, stellvertretender Leiter<br />

der Abteilung Archiv und Leiter <strong>des</strong><br />

Siegfried-Unseld-Archivs, über einen<br />

Brief von Peter Rühmkorf, den er im<br />

März dieses Jahres beim Sortieren<br />

<strong>des</strong> Nachlasses von Jürgen Manthey<br />

gefunden hat, der am 13. Dezember<br />

2018 in Lübeck mit 86 Jahren starb:<br />

Roseburg, Kap[itulations]-Tag 2008<br />

Liebe Freunde, hab noch den Tatter inne<br />

Finger, aber irgendwann muß doch endlich<br />

ein dicker Dank auch schön zu Papier.<br />

– Weil Ihr doch meinem Büchlein einen<br />

Durchgang in die Außenwelt gebahnt hab[t]<br />

– nachhallend das Freundschafts=Lübeck<br />

immer noch + 6000.- Auflage bereits verkauft.<br />

Ist das alles nichts? Und Günter<br />

wieder mal als große Anstoßmaschine,<br />

ohne sich selbst nach vorn zu drängen.<br />

Dies wenigstens wollte gesagt sein.<br />

Nein, geschrieben. Weil Bloß-Gesagt-Was<br />

holt sich der Wind weg, und da kannste<br />

hinterher alles mögliche flüstern.<br />

Lebt wohl. Habe eben geschissen.<br />

Paradiesvogelhaft + nach Wochen ein<br />

Segen! 20 Tabletten kämpfen in mir<br />

um die Vorherrschaft.<br />

Ich küsse Euch - -<br />

Euer Peter<br />

98_99<br />

Bücher haben bekanntlich ein<br />

Schicksal, und Briefe haben es<br />

auch. Vier Wochen vor seinem<br />

Tod am 8. Juni 2008 schreibt Peter<br />

Rühmkorf noch einmal an seine in<br />

Lübeck lebenden Freunde: an den<br />

Literaturwissenschaftler Jürgen<br />

Manthey, der schon in den fünfziger<br />

Jahren bei der Zeitschrift konkret<br />

mit Rühmkorf zusammengearbeitet<br />

hat, und an Günter Grass, den<br />

Weggefährten aus der legendären<br />

Gruppe 47.<br />

Rühmkorfs Kraft reicht nur noch für<br />

eine kurze Botschaft mit zitternder<br />

Hand. Zeichnen kann er noch ganz<br />

gut, das bewährte Selbstporträt.<br />

Einige Buchstaben verwackeln ihm<br />

hingegen und überschreiten die<br />

Grenze der Lesbarkeit. Die Krankheit<br />

lässt nicht mehr zu. Deshalb kann<br />

er seinen Brief auch nicht mehr selbst<br />

auf den Weg bringen.<br />

Abgeschickt werden Rühmkorfs späte<br />

Zeilen erst fast zwei Jahre nach<br />

seinem Tod, als seine Witwe Eva<br />

die Papiere von seinem letzten<br />

Schreibtisch in ihrem Haus im<br />

Holsteinischen Roseburg aufräumt.<br />

In Rühmkorfs letztem Lebensjahr<br />

hatten ihm Jürgen Manthey und<br />

Günter Grass zusammen mit seinem<br />

Mitarbeiter Helmut Schenkel und<br />

Andrea Kugel vom Rowohlt Verlag<br />

dabei geholfen, den schmalen Band<br />

Paradiesvogelschiß herauszubringen.<br />

Er kam Anfang April 2008 in die<br />

Buchläden, wurde von der Kritik<br />

gefeiert und verkaufte sich für<br />

Lyrik erstaunlich gut. Die meisten<br />

der Gedichte waren noch vor der<br />

Krebsdiagnose entstanden, aber auf<br />

dem Krankenlager hatte Rühmkorf<br />

ihnen den letzten Schliff gegeben.<br />

An guten Tagen las er gelegentlichen<br />

Besuchern aus ihnen vor – mit<br />

gebrochener Stimme, eine Zigarette<br />

zwischen den langen, geschwächten<br />

Fingern, doch nach wie vor mit<br />

sicherem Gespür für den Klang und<br />

die Wirkung seiner Worte. Rühmkorf<br />

glaubte, die Arbeit an seinem letzten<br />

Buch habe sein Leben verlängert.<br />

Paradiesvogelschiß wurde sein<br />

eigentliches Testament.


102_103<br />

Zur Sammelvitrine<br />

umgewandeltes<br />

Fenster<br />

im Hamburger<br />

Arbeitszimmer<br />

von Peter<br />

Rühmkorf,<br />

fotografiert<br />

am <strong>2.</strong>/3.<br />

April 2013<br />

kurz vor der<br />

Wohnungsauflösung.<br />

Übrigens kann man die<br />

seit 1929 und damit dem<br />

Geburtsjahr von Rühmkorf<br />

hergestellte italienische<br />

Lakritze namens Tabù mit<br />

dem Slogan „Tabù ...<br />

e vivrai di più“ (‚Tabu<br />

... und Du hast mehr<br />

vom Leben‘) noch heute<br />

kaufen.


Das Literaturmuseum der Moderne<br />

und die seiner Leser vor, Hans Ulrich<br />

Deutsches Literaturarchiv <strong>Marbach</strong><br />

Impressum<br />

und voraussichtlich vom 25. Oktober<br />

Gumbrecht erläutert die Faszination,<br />

Schiller-Nationalmuseum und<br />

an auch das Schiller-Nationalmuseum<br />

die Hölderlins späte Gedichte für<br />

Literaturmuseum der Moderne<br />

© <strong>2020</strong> Deutsche Schillergesellschaft,<br />

sind vorerst mit Einschränkungen<br />

ihn besitzen, Ottmar Ette entdeckt in<br />

<strong>Marbach</strong> am Neckar<br />

geöffnet: Es gelten Besucherzahlen-<br />

Hölderlins Hyperion „alle Töne <strong>des</strong><br />

Schillerhöhe 8 – 10,<br />

Herausgeber:<br />

beschränkungen, Mund-Nase-Schutz-<br />

Lebens“, Nico Bleutge sucht Hölder-<br />

71672 <strong>Marbach</strong> am Neckar<br />

Deutsches Literaturarchiv <strong>Marbach</strong><br />

und Handschuhpflicht. Darüber hinaus<br />

lins Ironie, Samuel Kramer, Sara<br />

Tel. 0 71 44/848-0, Fax 0 71 44/848-299<br />

Redaktion:<br />

kann es durch Sanierungsarbeiten<br />

Sommerfeldt, Wolfgang Georgsdorf,<br />

info@dla-marbach.de<br />

Heike Gfrereis, Vera Hildenbrandt<br />

am Literaturmuseum der Moderne und<br />

Katharina Meves und Louise Wagner<br />

und Dietmar Jaegle<br />

durch den Ausstellungsumbau im<br />

zeigen, wie Hölderlins Texte unsere<br />

Gestaltung:<br />

Schiller-Nationalmuseum zu Störun-<br />

Stimme und den Körper und damit<br />

Diethard Keppler und Andreas Jung<br />

gen und zu Sperrungen <strong>des</strong> Parkplat-<br />

auch unsere Wahrnehmung verwan-<br />

Gesamtherstellung:<br />

zes kommen. Bitte beachten Sie die<br />

deln, Clément Fradin, Julia Maas und<br />

Offizin Scheufele, Druck & Medien<br />

aktuellen Hinweise vor den Museen<br />

Michael Woll führen in die Bibliothek<br />

Öffnungszeiten<br />

GmbH & Co. KG, Stuttgart<br />

und auf unserer Homepage.<br />

von Paul Celan ein, Agnes Hand-<br />

werk erinnert sich an Celans letzte<br />

Schiller-Nationalmuseum und<br />

Die Deutsche Schillergesellschaft<br />

Wir haben seit März <strong>2020</strong> unser<br />

Stuttgarter Lesung und Cornelia<br />

Literaturmuseum der Moderne:<br />

wird gefördert durch die<br />

digitales Angebot erweitert. Die<br />

Funke beantwortet die Fragen von<br />

Dienstag bis Sonntag, 10 – 18 Uhr,<br />

Bun<strong>des</strong>republik Deutschland,<br />

App der Literaturmuseen macht die<br />

Schulklassen. Weil wir unser Festival<br />

ab Oktober 10 – 17 Uhr,<br />

das Land Baden-Württemberg,<br />

Dauerausstellungen auch digital,<br />

zu Narrating Africa auf 2021 verscho-<br />

montags geschlossen (außer an<br />

den Landkreis Ludwigsburg<br />

zu Hause, im Unterricht und in der<br />

ben haben, stellen jetzt schon einige<br />

Feiertagen).<br />

und die Städte Ludwigsburg und<br />

Lehre, zugänglich. Über 130 #closed-<br />

Schriftstellerinnen und Schriftsteller<br />

<strong>Marbach</strong> am Neckar.<br />

butopen-Video-Clips geben auf<br />

ihre Texte online vor.<br />

Bitte beachten Sie, dass unsere<br />

dem YouTube-Kanal der Literatur-<br />

Ausstellungen und Veranstaltungen<br />

Fotos und Illustration:<br />

museen <strong>Marbach</strong> Einblick in unter-<br />

Zusammen mit dem Forschungs-<br />

fotografisch und filmisch dokumentiert<br />

Arno Schmidt Stiftung, Jan Bürger,<br />

schiedliche Ausstellungen, Themen<br />

verbund MWW ist für alle Ange-<br />

werden und die Aufnahmen bei der<br />

Heike Gfrereis, Dieter Hegemann,<br />

und Archivbestände für Erwachsene,<br />

hörigen der germanistischen Fachge-<br />

Berichterstattung in Print- und digitalen<br />

Agnes Handwerk, Andreas Jung<br />

aber auch für Kinder. U.a. liest<br />

meinschaft, die nach Anregungen<br />

Medien veröffentlicht werden können.<br />

und Diethard Keppler, Chris Korner,<br />

Hanns Zischler Hölderlins Gedichte<br />

und Hilfestellungen für die Praxis<br />

Martin Kuhn, Jens Tremmel<br />

der digitalen Hochschullehre suchen,<br />

Wortlisten:<br />

im virtuellen Forschungsraum <strong>des</strong><br />

Susanne Fischer (Rühmkorf),<br />

Verbunds eine Anlaufstelle ent-<br />

Vera Hildenbrandt (Hölderlin) und<br />

standen: https://vfr.mww-forschung.<br />

Peer Trilcke (Celan)<br />

de/web/digitale-lehre-germanistik/.


Social Media<br />

twitter.com/DLA<strong>Marbach</strong><br />

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www.youtube.com/user/LiMo606<br />

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