Hölderlins "Hälfte des Lebens" Wort für Wort lesen
Sammeln. Hölderlin Wort für Wort lesen Im Dezember 1803 stellt der 33-jährige Hölderlin neun Gedichte zu einem Zyklus zusammen, den er Nachtgesänge nennt und der im September 1804 veröffentlicht wird. Darunter ist auch Hälfte des Lebens – das Gedicht, das bis Anfang des 20. Jahrhunderts in die „Zeit des Irrsinns“ eingeordnet wurde und inzwischen Hölderlins meist interpretiertes und übersetztes Gedicht ist. Mit Titel besteht es aus 61 Wörtern, 289 Zeichen, 277 Buchstaben, davon 31 Großbuchstaben, 11 Satzzeichen, 46 Leerzeichen, 14 Zeilenumbrüchen, 88 Silben. 36 dieser Gedicht-Wörter können Sie samt einer kleinen Hölderlin’schen Wortgeschichte* in der Ausstellung "Hölderlin, Celan und die Sprachen der Poesie" einsammeln und mitnehmen. Da die Museen zur Eindämmung von Covid-19 zur Zeit geschlossen sind, stellen wir die Kärtchen online. *Wir haben für diese Wortgeschichten alle in der Stuttgarter Ausgabe von Friedrich Beißner erfassten 424 Gedichte inklusive Plänen, Bruch- stücken, Stammbuchblättern und zweifelhaften Zuschreibungen mit dem Computer durchsucht. Die Ergebnisse sind Näherungen und keine absoluten Zahlenwerte: Viele Gedichte, die Hölderlin nach 1805 schrieb, sind nicht erhalten; Beißners Edition verzeichnet weniger Gedichte als die von Sattler; bei der Texterfassung kann es wie bei der Texterkennung zu Fehlern kommen; bei der Suche nach Wortstämmen erkennt man Wörter nicht, die zur Wortfamilie gehören, aber den Stamm verwenden (z.B. sprechen – gesprochen, gold – gülden), und man findet Wörter, die gleich lauten, aber inhaltlich unterschiedlich sind (z.B. die Farbe Gold und das Edelmetall Gold), wobei in der poetischen Sprache oft gerade die Assoziationen zwischen diesen Wörtern unsere Vorstellung prägen (Ovids nach dem Edelmetall bezeichnetes „Goldenes Zeitalter“ wird z.B. mit „goldenem Licht“ assoziiert) und der Reiz der Metaphern in der Doppeldeutigkeit liegt (wird z.B. der „Schwan“ als Bild für den Dichter verwendet, so ist er in unserer Phantasie dennoch auch ein Schwan). #closedbutopen #Hölderlin2020 Konzept und Text: Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt, Gestaltung. Andreas Jung und Diethard Keppler
Sammeln. Hölderlin Wort für Wort lesen
Im Dezember 1803 stellt der 33-jährige Hölderlin neun Gedichte zu einem Zyklus zusammen, den er Nachtgesänge nennt
und der im September 1804 veröffentlicht wird. Darunter ist auch Hälfte des Lebens – das Gedicht, das bis Anfang des 20. Jahrhunderts in die „Zeit des Irrsinns“ eingeordnet wurde und inzwischen Hölderlins meist interpretiertes und übersetztes Gedicht ist. Mit Titel besteht es aus 61 Wörtern, 289 Zeichen, 277 Buchstaben, davon 31 Großbuchstaben, 11 Satzzeichen, 46 Leerzeichen, 14 Zeilenumbrüchen, 88 Silben. 36 dieser Gedicht-Wörter können Sie samt einer kleinen Hölderlin’schen Wortgeschichte* in der Ausstellung "Hölderlin, Celan und die Sprachen der Poesie" einsammeln und mitnehmen. Da die Museen zur Eindämmung von Covid-19 zur Zeit geschlossen sind, stellen wir die Kärtchen online.
*Wir haben für diese Wortgeschichten alle in der Stuttgarter Ausgabe von Friedrich Beißner erfassten 424 Gedichte inklusive Plänen, Bruch- stücken, Stammbuchblättern und zweifelhaften Zuschreibungen mit dem Computer durchsucht. Die Ergebnisse sind Näherungen und keine absoluten Zahlenwerte: Viele Gedichte, die Hölderlin nach 1805 schrieb, sind nicht erhalten; Beißners Edition verzeichnet weniger Gedichte als die von Sattler; bei der Texterfassung kann es wie bei der Texterkennung zu Fehlern kommen; bei der Suche nach Wortstämmen erkennt man Wörter nicht, die zur Wortfamilie gehören, aber den Stamm verwenden (z.B. sprechen – gesprochen, gold – gülden), und man findet Wörter, die gleich lauten, aber inhaltlich unterschiedlich sind (z.B. die Farbe Gold und das Edelmetall Gold), wobei in der poetischen Sprache oft gerade die Assoziationen zwischen diesen Wörtern unsere Vorstellung prägen (Ovids nach dem Edelmetall bezeichnetes „Goldenes Zeitalter“ wird z.B. mit „goldenem Licht“ assoziiert) und der Reiz der Metaphern in der Doppeldeutigkeit liegt (wird z.B. der „Schwan“ als Bild für den Dichter verwendet, so ist er in unserer Phantasie dennoch auch ein Schwan).
#closedbutopen #Hölderlin2020
Konzept und Text: Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt, Gestaltung. Andreas Jung und Diethard Keppler
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weiß rot rötlich braun grau purpur blau silber schwarz grün gold
gelb
gelb Die Farbe gelb erscheint bei Hölderlin nur in
vier Gedichten. Andere Farben (das Wort Farbe gibt es
dreimal, farbig einmal, bunt fünfmal):
weiß (fünfmal als Adjektiv, davon einmal in weißblühend
und einmal in schneeweiß, zweimal substantiviert)
rot (4) und rötlich (9, davon zweimal morgenrötlich
und dreimal abendrötlich)
braun (6)
grau (18, davon dreimal in silbergrau)
purpur (zwölfmal als Adjektiv, zweimal substantiviert
und je einmal in Purpurmund, Purpurwange, Purpurschein)
blau (siebzehnmal als Adjektiv, siebenmal substantiviert,
zweimal als Verb blauen, einmal in blaugewürgt)
silber (neunzehnmal als Adjektiv, einmal in silbergrau,
fünfmal als Zeichen des Alters in Komposita wie
Silberlocken, Silberhaare, Silbergreise,
je einmal Silberton, Silbergefäß, Silberquell,
Silberblüten, Silberwelle, Silberwolken, Silberpappeln)
schwarz (28)
grün (32-mal als Adjektiv, zweimal in immergrün,
36-mal als Verb grünen, davon je einmal umgrünen und
frischaufgrünend und zweimal übergrünen, 22-mal als
Substantiv: das Grün)
gold (89-mal als Adjektiv, einmal substantiviert,
zweimal vergoldet als Farbe, je einmal goldgelockt,
Goldgewölk, goldglänzend, goldenklingend, Goldrot)
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
irnen
Birnen Birnen gibt es bei
Hölderlin nur in diesem Gedicht.
Ebenso nur einmal gibt es:
Apfel und Äpfel, Feige, Limonenwald,
Birnbaumblätter, Nußbaum,
Erdbeerhain, Pomeranze und
Pomeranzenwälder. Zweimal:
Granatbaum, Holunderbaum und
Erdbeerstrauß. Dreimal: Obstbaum
und Pfirsich. Viermal: Kirschbaum
und Feigenbaum. Fünfmal: Beere
und Obst. Elfmal: Weinstock.
15-mal: Traube. 26-mal: Wein.
38-mal: Frucht und Früchte.
110-mal ist etwas süß, zweimal
süßlich und nur ein einziges
Mal sauer (der Sauerklee).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
osen
Rosen 37-mal blühen, glühen, stechen,
kränzen, umwehen bei Hölderlin Rosen:
wild und still, herrlich und jung,
süß und dornig, als Frühlingsrosen,
Moosrosen, Rosenstrauch, Rosenhecke
und Rosenpfad. Zweimal färben sie als
Wangenrose das Gesicht, zweimal tauchen
sie die Welt in mildes bzw. holdes
Rosenlicht. Zehnmal gibt es Dornen,
sie bilden Dornengänge, Dornenpfade,
eine Dornenbahn und ein Dornenbett.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
lumen
Blumen Blumen lässt Hölderlin 78-mal blühen – in Blumengängen,
auf einem Blumenhügel und einem Blumenfeld. Blüten
leuchten 47-mal, viermal erscheinen Knospen. Präziser
wird Hölderlin bei diesen blühenden Blumen und Kräutern:
Krokus und Thymian, Mohn, Hyazinthe, Tulpe, Sauerklee,
Kleeblatt und Ampfer (je 1), Disteln und Maienblumen bzw.
Maienblümchen (je 5), Lilien (7) und Rosen (37). Nektar
wird aus diesen Blumen fünfmal gewonnen, Honig dreimal.
Sechsmal duftet etwas, 16-mal ist es duftend, einmal
sogar düftereichst. Zehnmal ist vom Duft, von Düften und
Gedüft die Rede, einmal von den Paradiesdüften.
Nelken und Veilchen wachsen an zwei Gedicht-Stellen: „Zwar
gehn die Treppen unter den Reben hoch / Herunter, wo der
Obstbaum blühend darüber steht / Und Duft an wilden Hecken
weilet, / Wo die verborgenen Veilchen sprossen“ und „Im
Veilchental, vom dämmernden Hain umbraust, / Entschlummert
er“. Als Viole taucht das Veilchen noch einmal zusammen
mit Hyazinthe, Tulpe und Nelke auf: „Die klaren Gänge,
niedres Gesträuch und Sand, / Auf dem wir traten, machten
erfreulicher, / Und lieblicher die Hyazinthe / Oder die
Tulpe, Viole, Nelke.“ Ein weiteres Mal kombiniert Hölderlin
die Nelke ungewöhnlich: „Da füttert ich mein Hühnchen,
da pflanzt ich Kohl / Und Nelken“.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
asser
Wasser Wasser fließt, steht, spiegelt,
glänzt, rauscht, strömt, rieselt und
plätschert bei Hölderlin 41-mal, unter
anderem als klarer oder blauer Wasserspiegel,
schweigende Wassertiefen,
alte Wasserquellen, kaltes Meereswasser,
reinstes, heimatliches, unschuldiges,
heilignüchternes, geistiges, altes oder
blütenloses Wasser: „Von seines Ufers
duftender Wiese muß / Ins blütenlose
Wasser hinaus der Mensch“.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
old
hold 54-mal haben bei Hölderlin Menschen und Dinge
diese Eigenschaft, sind hold, Holdes, Holde, Holdin
oder Holder. Es liegt nahe, darin eine Anspielung
auf ,Hölderlin‘ zu lesen. Ein Zweig Holder, der alte
Name für Holunder, schmückt das Wappen der Hölderlins,
der ,kleine Holunder‘.
Der Holunder selbst kommt dreimal explizit in
Hölderlins Gedichten vor, zum Beispiel hier:
„Aber drüben am See, wo die Ulme das alternde Hoftor /
Übergrünt und den Zaun wilder Holunder umblüht, /
Da empfängt mich das Haus und des Gartens heimliches
Dunkel, / Wo mit den Pflanzen mich einst liebend
mein Vater erzog, / Wo ich froh, wie das Eichhorn,
spielt auf den lispelnden Ästen, / Oder ins
duftende Heu träumend die Stirne verbarg.“ Implizit
beschreibt Hölderlin in dem 1811 entstandenen Gedicht
Der Kirchhof einen Holunderbaum: „Wie still ist‘s
nicht an jener grauen Mauer, / Wo drüber her ein Baum
mit Früchten hängt; / Mit schwarzen thauigen, und
Laub voll Trauer, / Die Früchte aber sind sehr schön
gedrängt.“
Sonstige Pflanzen, Gewächse, Büsche, Bäume und ihre
Teile bei Hölderlin: Mastix, Ahorn, Birke, Weide
und Hasel (je 1), Heu, Wurzeln und Platane (je 2),
Ulme (3), Stamm, Pappel und Zeder (je 4), Myrte,
Linde, Buche, Olive und Ölbaum (je 5), Palme und
Wipfel (je 6), Äste und (Ge)Büsch (je 7), Tanne (8),
Efeu, Strauch und (Ge)Blätter (je 9), Moos (11),
Gras (12), Pflanze, Lorbeer und (Ge)Zweig (je 18),
Laub (24), Eiche (31) und Baum (38).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
eilignüchtern
heilignüchtern Das zusammengesetzte
Wort heilignüchtern ist eines von
Hölderlins einmaligen Wörtern. Eine
Variante nutzt er im Fragment Deutscher
Gesang: „Wenn über dem Haupt die Ulme
säuselt, / Am kühlatmenden Bache der
deutsche Dichter / Und singt, wenn
er des heiligen nüchternen Wassers /
Genug getrunken, fernhin lauschend
in die Stille, / Den Seelengesang.“
Nüchtern setzt Hölderlin ansonsten nur
zweimal ein (als nüchternes Lied und
allzu nüchternes Reich), heilig dagegen
207-mal, auch in Kombination: heiligjugendlich,
heiligliebend, heiligvermählt,
heiligkühn, heiligtrunken,
heiliggesetzt, Unheiliges, Heiligschönes,
Heiligtrauerndes und Heiligfreies.
Heilig sind unter anderem
die Dichter, die Nacht, das Mondlicht,
das Grün, die Alpen, die Wolken,
der Schlaf, die Bäume, die Erde, der
Schatten, das Chaos, der Frieden,
das Wort, Namen und Zahlen.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Schwäne
Schwäne Hölderlin lässt die Schwäne sparsam auftauchen
und meist nur als Metapher: des Liebchens
Schwanenarm und Schwanenlied. Einmal gleitet ein
Schwan übers Wasser: „Der Stern der Liebe schien, /
Wenn alle Lüfte schliefen, / Und, sanft bewegt
vom Schwan“. Im Plural tauchen die Schwäne neben
Hälfte des Lebens noch dreimal auf: „wie Schwanen
der Schiffe Gang und das Leiden irrend“, „zufrieden
gesellt, wie die liebenden Schwäne“, „Aber wir,
unschädlich gesellt, wie die friedlichen Schwäne, /
Wenn sie ruhen am See, oder, auf Wellen gewiegt, /
Niedersehn in die Wasser, wo silberne Wolken
sich spiegeln, / Und das himmlische Blau unter den
Schiffenden wallt, / So auf Erden wandelten wir.“
Weitere Vögel, Insekten, Fische, Tiere und Fabelwesen
bei Hölderlin: Uhu, Kauz, Huhn, Wolf, Käferlein,
Skorpion, Eichhorn und Schmetterling (je 1), Eule,
Geier, Delphin, Stier, Forelle und Pferd (je 2), Rabe,
Falke, Affe, Reh, Hahn mit Hahnenschrei und Drache
mit Drachenzähnen (je 3), Lerche, Wurm und Tiger
(je 4, davon einmal Tigergrimm), Lämmer und Biene
(je 5), Hirsch (7, davon ein Hirschheer), Schwalbe
(9, „Frei sei’n, wie Schwalben, die Dichter“), Löwe
(10, davon 6-mal im übertragen Sinn: Löwengebrüll,
löwenstolz, Löwenkraft, Löwenhaut, löwenkühn, Löwengrimm),
Aar (10) und Adler (31, davon je einmal
Adlerschwung, Adlersblick, Adlerflug), Nachtigall (11),
Schlange (12, darunter je einmal Schlangengift und
Schlangen-gezisch und je zweimal Schlangenhöhle und
Schlangenzunge), Roß (21), sowie allgemein Tier (12,
davon je einmal Tierskampf, tiergleich und Tiergeist),
Fische (2), Vogel (14) und Vögel (15).
Dreimal findet sich ein Tier sogar im Gedichttitel:
An die Nachtigall (1786), Der Adler (1803) und
Die Schlange (1803).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
unken
trunken Trunken sind Menschen und Sachen bei
Hölderlin 36-mal, einmal sogar erwähnt er
den Trunkenbold, ansonsten ist es poetischer:
„trunken dämmert die Seele mir“, „Trunken
purpurner Trauben voll“, „am heißen Gestad die
gewittertrunkenen Wälder“, das Heiligtrunkene.
Man ist zorntrunken, siegestrunken, lichttrunken,
trunkenübermütig. Getrunken wird
Vergessenheit, Begeisterung, Morgenlüfte, Othem,
„Muth und Kraft, und Lieb‘ und Freude“: „Am
Gesträuche lullt in Liebesträume / Süße Trunkenheit
das Mädchen ein, / Haucht der Frühling
durch die Blütenbäume, / Summen Abendsang die
Käferlein; / Helden springen von der Schlummerstätte,
/ Grüßt sie brüderlich der Nachtorkan; /
Hinzuschmettern die Tyrannenkette, / Wallen
sie die traute Schreckenbahn.“
Ähnliche und andere Hölderlin’sche Bewusstseinszustände:
Trank und trinken (36), Liebe und
lieben (480), Hass und hassen (24), Glück und
glücklich, aber auch Unglück und unglücklich
(101), Freude und freuen (292), Traum und träumen
(69), Schlaf und schlafen (73), Schlummer
und schlummern (60).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Küsse
Küsse Fünfmal wird bei Hölderlin
mehr als ein Kuss geschenkt,
zweimal davon sind es Götterküsse.
17-mal ist der Kuss einmalig,
z.B. als Mutterkuss, mütterlicher
Kuss, Bruderkuss, Stellas Kuss,
Engelskuss, erster Kuss, schöpferischer
Kuss und auch wieder als
Götterkuss.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
nd
Und Das so selbstverständlich
scheinende kleine Kombinationswort
findet sich allein in Hälfte
des Lebens fünfmal, in allen
Hölderlin-Gedichten samt Entwürfen
3731-mal. Womit es sein
Gegenstück, das oder (119),
bei weitem übertrifft. Sehr oft
wird Und von Hölderlin am
Anfang einer Zeile verwendet:
1199-mal. Gefolgt von den bei
ihm beliebtesten Wörtern in
dieser Startposition: Die (556),
Der (498), In (236), Das (232),
Wenn (227), Wie (215), Wo (211),
Denn (179), So (171), Aber (164)
und O (162).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Hälfte
Hälfte Halbe Sachen mag Hölderlin
offenbar nicht. Hälfte taucht bei
ihm außer im Titel von Hälfte des
Lebens nur ein weiteres Mal auf:
„Nämlich meistens ist rein / Zu
sein ein Geschick, ein Leben, das
ein Herz hat, / Vor solchem Angesicht,
und dauert über die Hälfte /
Zu meiden aber ist viel.“
Siebzehnmal taucht das Wort halb
bei ihm auf (davon vierzehnmal als
Teil des Kompositums Halbgott) und
36-mal ganz: „Doch besser ists, die
Schönheit auch zu kennen, / Einrichtung,
die Erhabenheit des ganzen
Lebens, / Wenn Freude kommt aus
Mühe des Bestrebens, / Und wie
die Güter all in dieser Zeit sich
nennen.“
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
ns
Ins Das verkürzte, meist besser
ins Versmaß passende ins bzw.
in’s verwendet Hölderlin 108-mal
(davon 22-mal in’s), zum Beispiel
ins treue Blau, ins Offene,
ins Land, ins Meer, ins Lied,
ins Dunkel, ins Leben, ins Innere,
ins Herz, ins Labyrinth, ins
Ungebundene, in’s Leben, in’s
Innerste, in’s Tal. Das ausgeschriebene
in das setzt er nur
10-mal ein, z.B. in das Herz, in
das Auge, in das Abendrot, in
das bunte Weltgewirr ...
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
wild
wild 53-mal sind bei Hölderlin
Menschen und Sachen wild:
wilde Ströme, wilde Ozeane, wilde
Berge, wilde Ordnung, wilde
Kraft, wilde Lust, wilde Rosen,
wilder Holunder. Still lässt
er sie 200-mal sein, ruhig 42-mal,
zahm 4-mal.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
and
Land 15-mal verwendet Hölderlin
dieses Wort: neues Land, Morgenland,
Land der Seligen, fernes
Land, trauerndes Land, aber auch
49-mal in der Kombination, die
in der deutschen Geschichte so
verhängnisvoll ideologisch missbraucht
worden ist: Vaterland.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
ee
See Im doppelten Sinn (der See und die
See, das Meer) gibt es dieses Wort
bei Hölderlin insgesamt 25-mal, davon
13-mal wie in Hälfte des Lebens am Ende
einer Verszeile: „Am weithindämmernden
See“, „Und gibt Gedächtnis die See“,
„Am Feigenbaum ist mein / Achilles mir
gestorben, / Und Ajax liegt / An den
Grotten, nahe der See, / An Bächen, benachbart
dem Skamandros.“
Sonstige Gewässer, Wasser- und Wettererscheinungen
bei Hölderlin: Wolke (82),
Strom (66) und Ströme (28), Meer (65),
Donner (64), Tränen und Quell (je 60),
Wellen (32), Ozean (29), Bach (23),
Blitz (21), Regen (19), Gewitter (17),
Schnee (15), Tau (12), Eis (6), Nebel (4)
und Nebelnächte (1), Fluß (2).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
unkt
Tunkt Tunkt gehört zu den Wörtern, die
bei Hölderlin nur einmal vorkommen.
Häufiger ist dafür die damit verbundene
Anrede ihr (246): „Dort im schweigenden
Tal, an Tempes hangenden Felsen, /
Will ich wohnen mit euch, dort oft, ihr
herrlichen Namen! / Her euch rufen bei
Nacht, und wenn ihr zürnend erscheinet,
/ Weil der Pflug die Gräber entweiht,
mit der Stimme des Herzens / Will ich,
mit frommem Gesang euch sühnen, heilige
Schatten! / Bis zu leben mit euch,
sich ganz die Seele gewöhnet. / Fragen
wird der Geweihtere dann euch manches,
ihr Toten! / Euch, ihr Lebenden auch,
ihr hohen Kräfte des Himmels, / Wenn ihr
über dem Schutt mit euren Jahren vorbeigeht,
/ Ihr in der sicheren Bahn!“
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Haupt
Haupt Die vornehmere Variante von ,Kopf‘
(1) verwendet Hölderlin 64-mal. Der
sonstige Körper (3) erscheint bei ihm mit
diesen Elementen in dieser Zahl: Herz
(306), Auge (146), Arm (77), Brust (60),
Hand (57) und Hände (37), Blut (57), Mund
(19), Lippe (18), Fuß (12) und Füße (7),
Zunge und Ohr (je 11), Schulter und Knie
(je 7), Haar (5), Finger und Ader (je 4),
Zahn (2) und Zähne (4), Hals (3), Bauch,
Nase und Bein (je 1).
Bewegt wird dieser Körper samt seinen
abstrakten Dimensionen (wie zum Beispiel:
Wünsche) vor allem durch Wandern (mit
Wanderer; 51). Die Grundform Gehen taucht
175-mal auf, Schwimmen und Schwimmer
fünfmal. Bei den Sinnen überwiegt der
Augensinn: sehen (173) im Unterschied zu
hören (88), fühlen (49), berühren (10)
und tasten (5). Das Riechen und die Nase
werden nur stillschweigend vorausgesetzt:
Duft und duften (27), Othem (21), Atem
und atmen (43).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
eh
Weh 27-mal setzt Hölderlin
das Weh und Wehe noch als Ausruf
ein („Weh!“ „Aber weh dir!“
„Doch weh mir!“ „Weh mir!“ „Aber
weh!“), viermal als Substantiv
(„Weh‘ über dich, du Menschenfeind“,
„Das ungebetne Weh“,
„daß ich von allem Weh genese“,
„und scheuen mußt ich mich, /
Mein Weh ihn sehn zu lassen;
lieber ging / Ich dann hinaus
zum Hügel und das Herz / Gewöhnte
mir zum freien Himmel sich.“).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Sonnenschein
Sonnenschein Der Sonnenschein
wärmt oder wirft seine Schatten
bei Hölderlin insgesamt siebenmal:
„Wie aber Liebes? Sonnenschein /
Am Boden sehen wir und trockenen
Staub / Und heimatlich die
Schatten der Wälder und es blühet /
An Dächern der Rauch, bei alter
Krone / Der Türme, friedsam;
gut sind nämlich / Hat gegenredend
die Seele / Ein Himmlisches
verwundet, die Tageszeichen.“
Die Himmelskörper und ihre Auswirkungen
allgemein: Sonne (113),
Stern und Sterne (67), Gestirn (21),
Mond (18) sowie Tag (310), Licht
(148), Nacht (134), hell (65),
trüb (37), Dunkel und dunkel (34),
Dämmerung (12), düster (5).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Schatten
Schatten Einen Schatten sieht man bei
Hölderlin 111-mal (mitsamt Adjektiven
und Verben wie schattig und umschatten).
Das schattige Plätzchen ist in der Literatur
traditionell ein Locus Amoenus,
ein lieblicher Ort. Häufig werfen bei
Hölderlin Gebirge, Wälder und Bäume
einen Schatten („O wohl dir! wohl dir,
Guter! du schläfst so sanft / Im stillen
Schatten deines Holunderbaums.“), die
Nacht („Seid gegrüßt, ihr zufluchtsvolle
Schatten, / Ihr Fluren, die ihr einsam
um mich ruht“) oder im übertragenen
Sinn auch die Toten. Unangenehm sind die
schattenlosen Stellen („schattenlos,
die Pfade zweifeln und die Bäume“) und
sonstige Schattenstörungen („Da schreckten
im Gefilde grause / Zackigte Blitze
die stille Schatten“).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Erde
Erde Hölderlin erwähnt die Erde
184-mal, wesentlich mehr als
die anderen Elemente: Luft (52),
Feuer (47) und Wasser (41).
Von Welt spricht er 119-mal.
Das Pendant zur Erde, der Himmel,
erscheint 233-mal.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Haupt
Mauern Insgesamt stehen bei Hölderlin
siebenmal Mauern: „Um Wänd und Mauern
grünte der Efeu, grünt’ / Ein selig
Dunkel hoher Alleen. Oft / Des Abends,
Morgens waren dort wir, / Redeten manches
und sahn uns froh an.“
Gefängniswände erwähnt Hölderlin einmal:
„Feiern möcht ich; aber wofür? und
singen mit Andern, / Aber so einsam fehlt
jegliches Göttliche mir. / Dies ists,
dies mein Gebrechen, ich weiß, es lähmet
ein Fluch mir / Darum die Sehnen, und
wirft, wo ich beginne, mich hin, / Daß
ich fühllos sitze den Tag, und stumm
wie die Kinder, / Nur vom Auge mir kalt
öfters die Träne noch schleicht, /
Und die Pflanze des Felds, und der Vögel
Singen mich trüb macht, / Weil mit
Freuden auch sie Boten des Himmlischen
sind, / Aber mir in schaudernder
Brust die beseelende Sonne, / Kühl und
fruchtlos mir dämmert, wie Strahlen
der Nacht, / Ach! und nichtig und leer,
wie Gefängniswände, der Himmel / Eine
beugende Last über dem Haupte mir hängt!“
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
los
Sprach-
Sprachlos Keine Worte findet jemand oder
etwas bei Hölderlin nur noch an einer weiteren
Stelle: „Und er, der sprachlos waltet, und
unbekannt / Zukünftiges bereitet, der Gott,
der Geist / Im Menschenwort, am schönen Tage /
Wieder mit Namen, wie einst, sich nennet.“
Einmal kommt es zur Sprachverwirrung. Dreimal
ist etwas unaussprechlich. 61-mal schweigen
Menschen oder Dinge.
Dagegen: singen mit sang und gesungen (108),
Gesang (105) und Sang (12, mit Titanensang,
Abendsang, Schlummersang, Jubelsang), Lied
(82), sagen (74), sprechen mit gesprochen,
sprach, unaussprechlich und versprechen (72),
tönen (38) mit Töne (24, darunter Friedenstöne,
Jubeltöne, Zephirstöne, Himmelstöne,
Schmeicheltöne), Ton (11, darunter Sirenenton,
Mutterton, Silberton, Flötenton) und Getöne
(3), Laut (30, davon siebenmal Wohllaut und
einmal wohllauten), Zeichen (27), schreiben
und geschrieben (25), Sprache (21), hauchen
mit Hauch (19, darunter Liebeshauch, Lebenshauch,
Nachthauch, Pesthauch), säuseln (18)
und Maigesäusel (1), Rede (18) und reden (22),
Schrift (12), flüstern mit Geflüster (9, Mitternachtsgeflüster,
Haingeflüster) und lispeln (7),
schreien (6) und stammeln (5).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
kalt
kalt Kalt erscheint die Welt bei
Hölderlin 21-mal, sechsmal gibt
es Frost, 19-mal Winter, kühl ist
es 51-mal. Dagegen: heiß (33),
warm (32), glühend (26), trocken
(5), Hitze (4), feucht (3),
lau (2), nie nass.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Wind
Wind Der Wind weht bei Hölderlin
nur 16-mal – u.a. als Giftwind,
Abendwind und Sturmwind. Im Unterschied
zu Sturm, Stürme, stürmen,
stürmisch (76), Lüfte (68) und
Orkan (6). 70-mal rauscht, 53-mal
weht, neunmal braust und dreimal
flattert etwas.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Klirren
Klirren gibt es nur dieses
eine Mal bei Hölderlin. Die
lautmalerischen Einzelteile
kommen häufiger vor: kl (316),
i (33229), rr (337) und en
(13852, am Wortende: 8582).
Andere klingende Verben sind
zum Beispiel schmettern (13),
jammern (8), zischen (4),
krächzen (2) und gurgeln (1).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Fahnen
Fahnen Vier weitere Male wehen
oder flattern bei Hölderlin
Fahnen: als Fahnen eines Kreuzzugs,
als stolze Fahnen der
Tugend und als Fahnen der
Freiheit. Segel gibt es viermal.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
mir
ch
mir / ich 1095 verwendet
Hölderlin das Wort ich
in seinen Gedichten, dazu
kommen mir (540) und
mich (349). Ein du wird
726-mal angeredet, mit dir
(313) und dich (254).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Winter
Winter Häufiger als den Winter
(19) gibt es bei Hölderlin die
anderen Jahreszeiten: Frühling
(77), Sommer (31) und Herbst
(27). Sie gehören wie der Zeitgeist
und die Aussicht zu den
elementaren Themen seiner späten
Gedichte.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
Leben
Leben Das einfache Leben und
leben finden sich bei Hölderlin
398-mal. Zum Vergleich: Tod (56)
und tot (15), sterben, stirbt
und gestorben (59), Geburt (3)
und geboren (25).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
st
ist 703-mal steht dieses Drei-Buchstaben-
Wort bei Hölderlin, war gibt es 141-mal,
wird 74-mal. Das Stichwort Zeit fällt
181-mal. Hölderlins Maßeinheiten für die
Zeit: Tag (300), oft (133), Stunde (103),
nie (74), Jahr (69), Abend (68), Morgen
(63), einmal (35), Mittag (23), täglich
(18), Augenblick und Mitternacht (je 16),
gegenwärtig (14) und Gegenwart (6), vergangen
(12) und Vergangenheit (8), Zukunft (11)
und Zukünftiges (4), selten (9), Sekunde
(1), kein einziges Mal Monat und Woche.
Hölderlins Maßeinheiten für den Raum: tief
(53) und Tiefe (32), hoch (50) und Höhe
(51), Maß (12) und messen (5), niedrig (4).
Seine Ort- und Wegbezeichnungen: Land (145),
Berge (110), Tal (94, darunter grünende,
kühle, blühende, heilige, schweigende Täler,
Veilchental, Todestal, Schattental, Gräbertal,
Schlachttal), Hain (78), Fels (72),
Wald (68, inklusive waldig) und Wälder (34),
Pfad (62), Gebirg(e) (56), Feld (55), Insel
(37), Weg (35), Garten (30) und Gärten (32),
Stadt (25) und Städte (31), Ort (26), Gefilde
(25), Gestade (23), Wüste (19), Straße (15),
Weide (11), Dorf (9), Raum (8), Gegend und
Platz (je 4).
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
ehm’
stehn
nehm’ / stehn 38-mal verkürzt
Hölderlin stehen zu stehn,
zweimal nehmen zu nehm‘.
Mit Apostrophen markiert er
Wortverkürzungen insgesamt
1158-mal.
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
wenn
wenn 476-mal verwendet Hölderlin
das Wörtchen wenn, meist allerdings
nicht als einschränkende
Bedingung (nur dann, wenn),
sondern als Angabe eines Zeitpunkts:
„Aber schön ist der Ort,
wenn in Feiertagen des Frühlings /
Aufgegangen das Tal, wenn mit
dem Neckar herab / Weiden grünend
und Wald und all die grünenden
Bäume / Zahllos, blühend weiß,
wallen in wiegender Luft, / Aber
mit Wölkchen bedeckt an Bergen
herunter der Weinstock / Dämmert
und wächst und erwarmt unter dem
sonnigen Duft.“
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.
wo
wo 459-mal verwendet Hölderlin
wo – auch, um damit wie in
Hälfte des Lebens Verse anzufangen
(211-mal), Sätze ins
Irgendwo zu richten und parallel
aufzubauen: „Wo ist der Liebe
Zeichen am Tag? wo spricht /
Sich aus das Herz? wo ruhet es
endlich? wo / Wirds wahr, was
uns, bei Nacht und Tag, zu /
Lange der glühende Traum verkündet?“
1, 2, 3 … gezählt von Heike Gfrereis und Vera Hildenbrandt.