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Paracelsus Today

Dezember 2020

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kurz SNS. Begrifflicher Hintergrund:<br />

Die Synergetik ist die Theorie und Lehre<br />

vom Zusammenwirken von Elementen<br />

innerhalb eines komplexen dynamischen<br />

Systems und wurde ursprünglich<br />

vom deutschen Physiker Hermann Haken<br />

aus der Lasertheorie entwickelt.<br />

Die Begegnung mit Haken hatte auch<br />

den jungen Schiepek nachhaltig geprägt:<br />

Er überträgt die Synergetik-Erkenntnisse<br />

aus der Physik auf bio-psycho-soziale<br />

Systeme und auf Prozesse<br />

in Psychotherapie und Psychologie.<br />

Personalisierter Datenffluss. Was theoretisch<br />

klingt, hat gut zwei Jahrzehnte<br />

später längst Auswirkungen auf die<br />

therapeutische Praxis. „Ich habe erstmals<br />

das Gefühl, dass ich damit und<br />

überhaupt den Weg gefunden habe,<br />

meinem Ziel näher zu kommen. Und die<br />

Zwänge in den Griff zu kriegen und so<br />

mein Leben zu verändern und wieder<br />

lebenswerter zu machen.“ Dieser Eintrag<br />

einer Patientin direkt im SNS macht neugierig.<br />

Und zeigt gleichzeitig, wie das Synergetische<br />

Navigationssystem „gefüttert“<br />

wird: nämlich mit Selbsteinschätzungen<br />

entlang einer ganz individuellen Systemmodellierung.<br />

Konkret werden auf den<br />

jeweiligen Fall abgestimmte Fragen (beispielsweise:<br />

„Heute wurde ich von der<br />

Depression mitgerissen“) formuliert, die<br />

dann tagesaktuell von den Patienten via<br />

Smartphone-App in ihrer Intensität bewertet<br />

werden. Das Resultat ist ein kontinuierlicher<br />

Strom personalisierter Daten,<br />

die vom SNS anschaulich visualisiert<br />

werden können. Schiepek: „Mit<br />

den generierten Daten können wir Therapien<br />

dokumentieren und monitoren,<br />

aber auch optimieren.“ Und weiter: „Der<br />

Therapeut hat gar nicht viel Arbeit damit,<br />

die Daten werden ihm praktisch<br />

vor die Füße gespült.“<br />

Vielfältig einsetzbares Tool. „Alle!“,<br />

antwortet der Autor zahlreicher Fachbücher<br />

auf die Frage, welche Formen<br />

der Therapie als Anwendung infrage<br />

kommen. Und zwar unabhängig von<br />

der Diagnose und der konkreten therapeutischen<br />

Vorgehensweise, wie er sagt.<br />

Auch jenseits von Depressionen oder<br />

Angststörungen sei nahezu jede Psychotherapie-Indikation<br />

„ein Fall für das<br />

Prozessmonitoring“. Das Prinzip ist immer<br />

ähnlich: Durch Musterwechsel<br />

sichtbar gemachte Übergänge – meist<br />

das Resultat wichtiger Erfahrungen<br />

oder Entscheidungen der Patienten –<br />

dienen entweder als Frühwarn-Indikatoren<br />

oder zeugen umgekehrt von Fortschritten.<br />

Angewendet wird das SNS –<br />

es wird von Schiepeks CCSYS GmbH<br />

vertrieben, die Jahreslizenz kostet 1500<br />

Euro – bereits in Deutschland, Dänemark,<br />

den Niederlanden – und natürlich<br />

am Universitätsklinikum in Salzburg.<br />

Hier an der Christian-Doppler-Klinik<br />

sind die Universitätsklinik<br />

für Psychiatrie, Psychotherapie und<br />

Psychosomatik und ihr Vorstand Wolfgang<br />

Aichhorn der wichtigste klinische<br />

und wissenschaftliche Partner. Ein<br />

Partner, der zudem die Mitarbeiter von<br />

Schiepeks Institut finanziert und Infrastruktur<br />

zur Verfügung stellt.<br />

Bildgebung für Psyche und Hirn. In der<br />

Digitalisierung und Personalisierung<br />

der Psychotherapie liegt für den Leiter<br />

„Mit den generierten Daten<br />

können wir Therapien dokumentieren<br />

und monitoren,<br />

aber auch optimieren.“<br />

Univ.-Prof. DDr. Günter Schiepek, Leiter<br />

des Instituts für Synergetik und Psychotherapieforschung<br />

der <strong>Paracelsus</strong><br />

Medizinischen Privatuniversität<br />

des Instituts für Synergetik und Psychotherapieforschung<br />

ausdrücklich eine<br />

Chance. O-Ton Schiepek: „Manche Therapeuten<br />

meinen, dass dadurch die echte<br />

menschliche Beziehung irgendwie<br />

verloren geht. Aber das Gegenteil ist der<br />

Fall.“ Erfahrungen würden zeigen, dass<br />

sich Patienten dank der modernen Methoden<br />

sogar besonders wahrgenommen<br />

fühlen. Apropos Wahrnehmung: Dem<br />

Deutschen, der einst selbst in Salzburg<br />

studiert hat, ist es wichtig, dass auch das<br />

zweite zentrale Arbeitsfeld seines Instituts<br />

gesehen wird: die Neurowissenschaft,<br />

speziell die Neurobiologie der<br />

Psychotherapie. Die Fragestellung: Wie<br />

funktioniert das Gehirn im Lauf einer<br />

Psychotherapie, wie verändert es sich<br />

dabei? „Das ist ein großes Thema“, sagt<br />

der Universitätsprofessor. Und während<br />

er das SNS als eine Art „bildgebendes Verfahren<br />

für die Psyche“ preist, kann er in<br />

diesem Fall auf handfeste Hirnbildgebung<br />

setzen. Sprich: Gehirnscans mit Hilfe<br />

der funktionellen Magnetresonanztomographie<br />

(fMRT) im Therapieverlauf.<br />

Mit SNS gegen Corona. „Psyche, soziale<br />

Interaktionen, Neurodynamik – alles,<br />

was mit Psychotherapie zu tun hat.“<br />

Während Schiepek am Ende des Gesprächs<br />

die breite Aufstellung seines Instituts<br />

auf einen kurzen Nenner bringt,<br />

rückt auch noch die Corona-Krise in<br />

den Fokus. „Wenn es nicht anders möglich<br />

ist, kann das Synergetische Navigationssystem<br />

eine Therapie auf Distanz<br />

unterstützen“, erklärt Schiepek. Und<br />

das sei jenseits von Corona auch für<br />

Länder mit schlechter Psychotherapie-Infrastruktur<br />

interessant. Nachsatz:<br />

„Das SNS hat selbst einen therapeutischen<br />

Effekt und ist auch selbst ein Therapieinstrument.<br />

Das passt sehr gut zu<br />

dieser Corona-Krise.“ Und die Zukunft?<br />

Für die hat der Institutsleiter auch noch<br />

ein großes Ziel: einen Psychotherapie-Studiengang<br />

als „viertes Standbein“<br />

der <strong>Paracelsus</strong> Universität. Ω<br />

paracelsus today 3 | 20<br />

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