ST/A/R s
Zeitung für Hochkultur, Mittelmaß und Schund
Nr. 19/ Herbst 2008
Wiener Kulturzeitung
jetzt auch in Berlin!*
* in der G.A.S-station, Tempelherrenstr.22
Jetzt auch im Haus der Architektur in Graz erhältlich!
Peter Falk will meet
S.Widl at Cafe Korb and
van Gogh at Albertina.
04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. 19/08
ARCHITEKTUR:
BORIS PODRECCA
WIENER WOHNBAU
MINISTER FAYMANN
KUNST
Irene Andessner
HannaH Feigl
Sue Sellinger
LITERATUR
Elisabeth von Samsonow
Manfred Stangl – Ganzheitliche
Kunst/Ästhetik
AUTO-ST/A/R
David Staretz
w/w/w : widl / weibel / wien
Städteplanung / Architektur / Religion
DU
3,– Euro
Foto: Gabriela Brandenstein
2 ST/A/R
Buch I Nr. 19/2008
EDITORIAL :
Heidulf Gerngross
Ernest erfährt die Welt aus der
Archiquantenwiegenperspektive
Österreichs Biennale Komissärin
Prof.Bettina Götz am 12.09.08
(ARTEC-Architekten) vor dem
Hoffmann-Pavillon in Venedig.
Bericht im nächsten ST/A/R
Bettina
28 Mai 2008 – A STAR is born. Ernest Denker-Bercoff,
Sohn von Dr. lit. Brigitte und Dr. art. Christian werden
nach der Geburt ihres ST/A/R-Sohnes ST/A/R-Ehren
Professorin und ST/A/R-Ehren Professor.
Chou
Choupi
Choupa?
Chais pas
Choupichou
Choupicha
Chaipucha
Chaipachi
Choupachu
Choupichu
Chouchouchoupichou
Weiss nich
Ob die Halbmondgondeln,
die Streifschaum
schlagenden,
die Zeit umgeben
oder
ob
Du
mich kennst,
Du, meine Sonnengeburt,
verliebter Natur.
Für *ST/A/R*
Von Brigitte und Christian
WIR TRAUERN UM WALTER OBHOLZER
The Making of
Architecture
Ausstellungseröffnung
15.10.2008, 19 Uhr
Az W
Architektur
beginnt im Kopf
im Architekturzentrum Wien
Museumsplatz 1 im 1070 Wien
T++43 -1- 522 31 15, www.azw.at
a-kopf_star-274x205.indd 1
12.09.2008 14:18:58 Uhr
Buch I
Nr. 19/2008 ST/A/R 3
Inhaltsangabe
Buch I - Seite 1–8 Buch II - Seite 9–16 Buch III - Seite 17–24 Buch IV - Seite 25–32 Buch V - Seite 33–36 Buch VI - Seite 37–40 Buch VII - Seite 41–48
Wiener Wohnbau Podrecca
Werner Faymann NAPOLEON
IRENE
LITERATUR
Buch VIII-Seite 49–52
AUTO-ST/A/R
Buch IX - Seite 53–56
WARAN
Buch X - Seite 57–64
GOTTLOB
Impressum
ST/A/R Printmedium Wien-Berlin
Europäische Zeitung für den direkten kulturellen Diskurs
Erscheint 4 x jährlich, Nr. 19/2008,
Erscheinungsort Wien-Berlin
Erscheinungsdatum: 25. September 2008
Medieninhaber:
ST/A/R, Verein für Städteplanung/Architektur/Religion
A–1060 Wien, Capistrangasse 2/8
Herausgeber: Heidulf Gerngross
Redaktionelle Mitarbeit: Heidulf Gerngross (Tutti), Wladimir
Jaremenko-Tolstoj (Frutti), Boris Podrecca (Architektur), Elisabeth
von Samsonow (Kunst und Philosophie), Georg Gottlob (Informatik),
Susanne Widl (Gesellschaft), Sue Sellinger (Kunst), Manfred Stangl
(Ganzheitliche Ästhetik),
Hannah Feigl (Kunst), Irene Andessner (Kunst), Rudolf Gerngroß
(Waran), David Staretz (Auto),
Dr. Christian Denker und Brigitte Bercoff (Paris-Brüssel-Wien),
Oxana Filippova (Theater), Valie Airport (Russland), Angelo Roventa
(Rumänien), Christian Schreibmüller (Literatur), Philipp Konzett
(Galerie), Andreas Lindermayr (Gesellschaftsphilosoph)
Organisation: ST/A/R-Team
Artdirektion & Produktion: Mathias Hentz
Druckproduktion: Michael Rosenkranz
Druck: Herold Druck und Verlags AG, Wien
Vertrieb: ST/A/R, Morawa GmbH.
Aboservice: starabo@morawa.com
oder: starabo@morawa.com
Bezugspreis: 3,- Euro (inkl. Mwst.)
Kontakt: grafik@star-wien.at” grafik@star-wien.at
Redaktion: editors@star-wien.at” editors@star-wien.at
Adresse: Capistrangasse 2/8, 1060 Wien
0043-1-89-024-56, 0043-664-521-3307 Österreich
Cover: Susanne Widl und Peter Weibl
ST/A/R wird gefördert von: Bundeskanzleramt und Stadt Wien.
ST/A/R ist ein Gesamtkunstwerk und unterliegt dem Urheberrecht.
ST/A/R dankt allen BeitragslieferantInnen, MitarbeiterInnen,
KünstlerInnen,
Kunst + Politik
Aus der Sammlung der Stadt Wien
noch bis 10. Oktober 2008
Florentina Pakosta, »Faust«, 1982
Carlos Scliar, »Uniao pela Paz«, 1951
Kann Kunst ein wirksames Mittel zur Veränderung der Verhältnisse, auch der Politik sein?
MUSA – MUSEUM AUF ABRUF
Felderstraße 6-8, Wien 1
Neben dem Rathaus
Eintritt frei
Di–Fr 11.00–18.00, Do 11.00–20.00
Sa 11.00–16.00
www.musa.at
Inserat_274x100.indd 1
Feldenkrais und wir – Selbstverständlich!
26.08.2008 17:26:02 Uhr
wenn nicht irgendwas anderes dazwischen kommt, bin ich sonntags immer bei Fips und Helga,
neuerdings in der Stiegengasse, feldenkraisen. Dieses eminent sinnvolle Ritual besteht für
mich schon seit mehr als drei Jahren. Angefangen hat es 2005, damals noch im Sitzungssaal der
Agentur Goldfish am Stubenring. Wo üblicherweise werktags Köpfe rauchen, um irgendwelche
Werbestrategien auszuhecken, fing ich endlich an, nach Möglichkeit Sonntag abends immer, den
Anweisungen von Fips (Philipp Ruthner) zufolge, am Boden liegend, in schöner Regelmäßigkeit
mein Körperschema durchzugehen. Der Mensch ist schließlich nicht nur Hirn!
Meist augenzwinkernd mit dabei, mein Freund und Gegenspieler M. Du Schu, dem ich diesen
wertvollen Tip verdanke.
Damals bei Goldfish, erinnere ich mich, saß Fips in der Regel immer auf einem an die Wand gerückten
Sitzungstisch, wo der junge Skater, Füsse baumelnd, seine Anleitungen gab.
Man nahm sich eine von den übereinander getürmten Decken in einem Eck des Sitzungszimmers,
so man nicht, stets gut gerüstet wie ManfreDu, im Besitz einer eigenen Matte war, breitete diese
über das Parkett und legte sich flach auf den Rücken. Man schloss die Augen und machte sich
zunächst bewusst, wie man da liegt, wie die linke Körperhälfte, die rechte Körperhälfte organisiert
ist, ortete die Punkte wo und wie die Wirbelsäule aufliegt usw.
Ab dem das Körperschema durchgegangen und in psychomentaler Hinsicht eine gewisse Ruhe
eingetreten war, konnte die eigentliche Stunde beginnen, die sich in der Regel auf eine reduzierte
Wechselbeziehung von Muskel-an und -entspannung, Körperhaltung, Atmung und Vorstellung
dessen, was man tut, beziehungsweise zu tun beabsichtigt, belief.
So versetzten wir uns eines Tages in das Säuglingsstadium und nuckelten in der Imagination an
Mutters Brust, ganz auf taktile Empfindungen gerichtet, wie sie diesem frühen Stadium entsprechen
und eigentlich noch immer irgendwie wirksam sind. Und seltsam, was plötzlich für Erinnerungen
dämmerten! Ein anderes mal machten wir uns erst im Uhrzeigersinn, dann gegenläufig,
den Bereich um das Steißbein herum bewusst, beziehungsweise viel bewusster, als das normalerweise
der Fall ist. Fips machte mich gerade am Beginn meines regelmäßigen Feldenkraisens
immer wieder darauf aufmerksam, dass weniger mehr ist, dass es darum geht, quasi mühelos das
Beabsichtigte auszuführen. Dass es darum geht, Qualität in alle Bewegungen hineinzubringen,
indem man sich diese bewusst macht. Und immer wieder: “meide parasitäre Bewegungen!”
Das ist in etwa das diametral Entgegengesetzte zu dem, was mir in meiner Kindheit durch Lehrer
und Erzieher eingetrichtert und oft eingebläut wurde. Als zu beaufsichtigendes Individuum hatte
man vor allen Dingen einmal zu gehorchen und dann, sich gefälligst anzustrengen. Man sollte
unter Furcht und Zittern in Schweiß ausbrechen: nur so war es gut. So wurden brave, willfährige
Untertanen herangezogen. Ein solcher war ich durchaus. Wäre nicht ein schwerer Unfall, in dessen
Folge viel Zeit zur Muße und eine zur Gewohnheit gewordene Beschäftigung mit philosophischen
Gegenständen dazwischen gekommen, ich würde noch immer diesen fragwürdigen Grundsätzen
folgen und darauf schwören, wie auf das in Aussicht gestellte Strafgericht Gottes. Typisch für diesen
Untertanen-Kontext war, dass man uns bei jeder Gelegenheit einschärfte: “Brust heraus, Bauch
hinein!”
Moshe Feldenkrais lehrte kurioser Weise genau das Gegenteil. Es sollte der Bauch herauskommen!
Der junge Physiker, der in den Dreißigerjahren in Paris lebte, machte zu dieser Zeit Bekanntschaft
mit dem japanischen Judo-Meister Kano und popularisierte dessen Kampfkunst in Frankreich. Wer
sich je mit Judo befasste, weiß, wie wichtig die Fallschule ist. Wie bei allen fernöstlichen Kampfkünsten,
die dem Taoismus, Chan- oder Zen-Buddhismus
entspringen, geht es vor allem darum, seine Bewegungen
aus der Körpermitte, aus Hara, steuern zu lernen - man verbündet
sich gleichsam mit der Schwerkraft. Das wurde zu
einem soliden Ansatz für eine originelle Physio-Therapie.
Wichtige Anregungen verdankte Feldenkrais weiters dem
amerikanischen Hypnotherapeuthen Milton Erikson und
dem griechisch-armenischen Philosophen Georg I. Gurdjieff,
der in den Dreißigerjahren in Fontainebleau, nähe
Paris, sein Institut und so manchen gut zahlenden Erben
begüterteter Bourgois, an der Nase herum führte. Denn mit
irgendeinem Mode-Trend hatte Gurdjieff partout nichts am
Hut. Unter seiner Leitung galt es zunächst einmal den Verfänglichkeiten
persönlicher Eitelkeit den Kampf anzusagen,
den Staub von den Schuhen zu schütteln und zu erkennen,
welcher Kategorie von Idiotie man zugehört. “Was für ein Idiot bist du? Ein rechteckiger, quadratischer,
runder oder gar zick-zackiger?” Denn man sollte sich nicht zu wichtig nehmen. Grudjieff
ließ seine Schüler die verrücktesten Bewegungen durchführen, da der Panzer fragwürdiger Verhaltensmuster
schwer aufzubrechen und der Weg für ein spielerisches Lernen meist verschlossen ist.
Feldenkrais kehrte diesen etwas gewalttätigen therapeutischen Ansatz um. Seit mittlerweile drei
Jahren profitiere ich davon. Seit Fips und Helga in die Stiegengasse gezogen sind, halte ich dort,
nach Möglichkeit jeden Sonntag, das Feldenkrais-Ritual ab.
Man trifft sich erst in der geräumigen Küche, trinkt Tee, begrüßt die Neuankommenden, stellt fest,
dass der eine oder die andere nach längerem Aussetzen doch wieder dabei ist, bemerkt ein neues
Gesicht und widmet sich wieder dem kleinen Skelett, einer eindeutig zweideutigen Anatomie-Lernhilfe
für Fips.
Nach einer Viertelstunde entspannter Plauderei, ab in den Therapie-Raum!, der durch Helga’s
Schwangerschaft eingeweiht wurde. - Das Ergebnis dieses organischen Prozesses, klein Kolo,
bringt sich seit einem Jährchen mitunter durch Lallen und Schreien im Nebenraum in Erinnerung,
analog zu den Bewegungen, die wir, meist auf dem Rücken liegend, aber auch stehend, manchmal
kniend, manchmal dicht an dicht, dann wieder, wegen geringerer Teilnehmerzahl als aufgelockertes
Grüppchen, aber immer im Bewusstsein dessen, was man tut, durchexerzieren. Was wir da so
tun, erinnert mich an einen Begriff von Lacan. Um auf sein verborgenes Wesen zu kommen, reicht
es nicht hin, dass man es analysiert, es erfordert, dass es aus dem Unbewußten evoziert werde,
manchmal in langen Prozessen, manchmal ad hoc. Es bleibt einem jedoch nicht erspart, sich
darum zeitlebens auf adäquate Weise zu bemühen, wie Feldenkrais es nahelegt. Derartige Bemühungen
sind in etwa das, was die vorsokratischen Philosophen Ethos nannten. Das Ziel all dieser
Bemühungen ist es, die Wahrheit ans Licht zu bringen, jene Wahrheit, die im Spannungsfeld von
Physis und Logos gleichsam geboren wird: Unschuld des Werdens, Alitheia. Aristoteles nannte die
sogenannten Vorsokratiker, Physiologoi. Genau das, denke ich, trifft auch auf Feldenkrais zu.“-
Hegel - um einen Philosophen der neueren Zeit zu nennen - bezeichnet die Philosophie als die
verkehrte Welt “, sagt Heidegger in seiner berühmten Metaphysik-Einführung. Wir sind zwar noch
nie in unseren sonntäglichen Therapie-Stunden so weit gekommen, dass wir auf den Kopf standen,
es scheint aber alles darauf hinaus zu drängen. Und jedes mal nach so einer Therapie-Stunde stelle
ich erstaunt wieder an mir fest, dass ich mich wie neugeboren fühle.
Städteplanung / Architektur / Religion Buch I ST/A/R 5
WIDL’S
CAFE KORB
AKTIVE KULTURSZENE –
BESTE WIENER KÜCHE –
WIENER CAFE
Cafe Korb, 1010 Wien, Brandtstätte. 9
Tel.: 533 72 15 – www.cafekorb.at – suewidl@aon.at
Das Cafe Korb ist
meine Heimat und mein
Exil, meine Lust und
meine Last.
Fotos: Heidorf Gerngross
Widl
Weibel
Ralph schilcher
Skulptur Gundi Dietz
Ein Wurf ein Lebenswurf
Peter Sloterdijk sagt:
Nie konnte ich die glänzenden Bilder von
Susanne Widl aus ihren heroischen Tagen sehen,
ohne an die Zeile aus Charles Baudelaires Gedicht
„An eine, die vorüberging“
zu denken:
„enteilende Schönheit, die mich mit einem Schlage
wieder zum Leben erweckte.“
Weibel
Widl
Elfriede Jelinek sagt:
Über die Seele des Café Korb, Susanne
Widl, Model und Performancekünstlerin,
schrieb Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek:
„Ein Fels auf Schlittschuhen, eine
dämonische Schönheit, so etwas habe
ich noch nicht gesehen.“ Was kann man
mehr einem Kaffeehaus preisen.
Susanne Widl:
Gelebter Eigensinn
ist wichtiger
als Eigentum.
G.Jonke
Buchpräsentation im Cafe Korb
von ZENITA KOMAD
Korb News:
Ω Die Artlounge wird zur neuen Broadwaybar.
Ω Im Herbst 2009 gibt es einen Film der heißt:
“Cafe Korb – die klassischen Wiener Ober mit der
kunstsinnigen extravaganten Susanne Widl”
Ω Im Residenzverlag erscheint eine Autobiographie:
“Susanne Widl - Ein Wurf ein Lebenswurf
markus
mittringer
Franz Graf
Peter Sloterdijk
Widl
6 ST/A/R
Buch I Nr. 19/2008
Kunsthalle Wien
immer aktiv
Spencer
Tunick
Matt
Nr. 19/2008 Buch I
ST/A/R 7
Für das Leben in der Stadt ...
ist die Wohnung „Ihr Kulturgut“.
Dieser Philosophie setzen wir seit Jahrzehnten mit
unseren Wohnhausanlagen in ganz Wien Denkmäler;
als Mittelpunkt pulsierenden Lebens, entspannter
Erholung und des Wohlfühlens.
Überzeugen Sie sich:
www.gesiba.at, Telefon: 53477-0
Fair living
Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft,
A-1013 Wien, Eßlinggasse 8-10, e-mail: office@gesiba.at
Leistbarer,
qualitätsvoller
Wohnraum.
EGW
Erste gemeinnützige
Wohnungsgesellschaft
Heimstätte Gesellschaft m.b.H.
Emil-Kralik-Gasse 3, 1050 Wien
Telefon +43 / 1 / 545 15 67 - 0
Telefax +43 / 1 / 545 15 67 - 40
www.egw.at
GEMEINNÜTZIG · QUALITÄTSBEWUSST · MENSCHLICH · INNOVATIV
8 ST/A/R
Buch I Nr. 19/2008
Galerie Konzett | Contemporary Art
DU
Galerie Konzett | Spiegelgasse 21 | A-1010 Wien
T +43 1 513 01 03 | F +43 1 513 01 04 | gallery@artkonzett.com | www.artkonzett.com
Öffnungszeiten: Di – Fr 11-18 Uhr, Sa 11-17 Uhr
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch II - Wiener Wohnbau ST/A/R 9
GEFÖRDERTES WOHNEN IN WIEN
DR. MICHAEL LUDWIG
DR. MICHAEL LUDWIG
WIENER WOHNBAUSTADTRAT
10 ST/A/R
Buch II - Wiener Wohnbau Nr. 19/2008
STADTRAT LUDWIG
„INNOVATION UND SOZIALE VERANTWORTUNG BESTIMMEN DEN WOHNBAU DES 21. JAHRHUNDERTS“
Wiener Wohnbaustadtrat unterstreicht bei
den Architekturgesprächen im Rahmen des
Forum Alpbach die Bedeutung des geförderten
Wohnbaus
„Neue Familienformen, höhere Lebenserwartung, verstärkte
Mobilität und Flexibilität in der Arbeitswelt stellen zunehmend
neue Herausforderungen für den geförderten Wohnbau
dar. Es geht heute – mehr denn je – um maßgeschneiderte
Wohnlösungen, die den soziodemographischen
Veränderungen und den unterschiedlichen Bedürfnissen
der Menschen in allen Lebenslagen entsprechen, und es
geht vor allem darum, weiterhin leistbares Wohnen für
alle Menschen sicher zu stellen. Die laufende Entwicklung
innovativer Konzepte für Bau- und Wohnkulturen ist das
Gebot der Stunde“, erklärte der Wiener Wohnbaustadtrat
Dr. Michael Ludwig im Rahmen der Architekturgespräche
beim Forum Alpbach im August 2008. „Neue Grundrisse,
flexible Innenraumgestaltung, Multifunktionalität und
Mehrfachnutzung von Wohnflächen, neuartige Übergänge
vom privaten in den öffentlichen Raum sowie soziale
Grünraumgestaltung sind dabei nur einige der wesentlichen
Aspekte, die im geförderten Wohnbau in Wien bereits
heute eine zentrale Rolle spielen. Durch viel Kreativität
und Innovationskraft wird Wien auch im 21. Jahrhundert
seiner sozialen Verantwortung und seiner jahrzehntelangen
internationalen Vorreiterrolle im geförderten Wohnbau
gerecht werden.“****
Soziale Verantwortung und leistbares Wohnen
Kaum eine andere Großstadt kann, was insbesondere den
geförderten Wohnbau betrifft, mit mehr Recht von einer
vorbildlichen Baukultur sprechen, als Wien. Der soziale
Wohnbau in Wien mit seiner jahrzehntelangen Tradition
und seiner Modernität gilt weltweit als Musterbeispiel. In der
aktuellen Mercer-Studie, die international die Lebensqualität
in 215 Städten vergleicht, nimmt Wien weltweit den 2. Rang,
und innerhalb der EU sogar den 1. Platz ein – wobei gerade
der Bereich Wohnen, der mit 10 von 10 möglichen Punkten
bewertet wird, einen ganz wesentlichen Anteil daran hat.
Der geförderte Wohnbau in Wien ist Instrument und
Ergebnis einer jahrzehntelangen Politik des sozialen
Ausgleichs und der sozialen Durchmischung in der
Stadt. Sensible Wohnbau- und Sanierungspolitik und
der erfolgreiche Weg der Sanften Stadterneuerungen
zeichnen dafür verantwortlich. Leistbares Wohnen für alle
Bevölkerungsschichten steht dabei im Mittelpunkt. 60% der
WienerInnen leben in geförderten Wohnungen.
Wohnen im 21. Jahrhundert – neue Innovation in Planung
und Architektur
Schon die Anfänge des geförderten Wohnbaus in Wien waren
von höchster architektonischer Qualität gekennzeichnet,
und diese Tradition setzt sich bis heute fort. „Namhafte
ArchitektInnen zeichneten für geförderte Wohnbauten
in Wien verantwortlich. Architektonische Qualität und
Innovation ist – neben Ökonomie und Ökologie – eine der
drei Säulen des geförderten Wiener Wohnbaus“, betonte
Wohnbaustadtrat Dr. Michael Ludwig.
Neue Familienformen, höhere Lebenserwartung, verstärkte
Mobilität und Flexibilität in der Arbeitswelt stellen neue
Herausforderungen für den geförderten Wohnbau dar.
Es gehe heute um maßgeschneiderte Wohnlösungen,
die den soziodemographischen Veränderungen und
den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen in
allen Lebenslagen entsprechen, und weiterhin leistbares
Wohnen für alle Wienerinnen und Wiener sicherstellen.
„Neue Grundrisse, flexible Innenraumgestaltung,
Multifunktionalität und Mehrfachnutzung von
Wohnflächen, neuartige Übergänge vom privaten in den
öffentlichen Raum, soziale Grünraumgestaltung sind
dabei nur einige Aspekte, die im geförderten Wohnbau in
Wien bereits heute eine zentrale Rolle spielen. Darüber
hinaus setzen wir ab 2009 über das Instrument der
Bauträgerwettbewerbe einen besonderen Schwerpunkt
für die Entwicklung und Realisierung neuer Wohnformen
setzen, die noch stärker Innovation mit hohem
Kostenbewusstsein verbinden“, erklärte Stadtrat Ludwig.
„Zudem werde ich auch den Meinungsaustausch und die
gemeinsame Ideenfindung über Diskussionsplattformen
forcieren. Neben ArchitektInnen und VertreterInnen von
Bauträgern und der Bauwirtschaft lade ich dazu auch
ExpertInnen, die nicht aus der Wohnbaubranche kommen,
ein.“ Damit werde nicht nur interdisziplinäres Wissen
zusammengeführt, sondern sollten auch ganz bewusst
neue Zugänge eröffnet werden.
„Die laufende Entwicklung innovativer Konzepte für
Bau- und Wohnkulturen ist das Gebot der Stunde“,
so Ludwig. „So arbeiten wir in Wien – in Fortführung
der erfolgreichen Wohnbaupolitik – bereits heute an
den Lösungen für morgen. Durch viel Kreativität und
Innovationskraft wird Wien auch im 21. Jahrhundert seiner
sozialen Verantwortung und seiner jahrzehntelangen
internationalen Vorreiterrolle im geförderten Wohnbau
gerecht werden.“
csi
KABELWERK – EIN STÜCK STADT
ARCHITEKTUR: WERKSTATT WIEN
Nr. 19/2008 Buch II - Wiener Wohnbau
ST/A/R 11
Das Wohnen als kulturelle
Ausdrucksform unseres Lebens
du
Zur Zeit der letzten Jahrhundertwende war die Wohnsituation in den europäischen Städten fürchterlich.
Ein Ergebnis der industriellen Revolution, die Millionen von Arbeitern in die Städte trieb. Wien,
Reichshauptstadt der österreichisch-ungarischen Monarchie hatte gerade die Gründerzeit bewältigt, die
Schleifung der mittelalterlichen Basteien öffnete die alte Stadt zu den Vororten, und die alte kleinteilig
barocke Struktur der Stadt wurde von rationalen Zinskasernen verdrängt. Eine Struktur der Stadt, die bis heute
besteht.
Dagegen etablierte sich der soziale Wohnbau in ganz Europa und in Wien ganz besonders, um die miserablen
Wohnverhältnisse zu bekämpfen. Sozialer Wohnbau bedeutet, dass der Staat eine öffentliche Verantwortung und
Kontrolle über die Höhe der Mieten und die Qualität des Wohnbaus übernimmt. Der Wohnbau ist damit dem freien
Markt entzogen, dafür ermöglichen niedrige Mieten auch niedrige Löhne und folglich eine höhere Produktivität
der Wirtschaft. Der Wohnbau als System wird als wesentliches Steuerungsinstrument verstanden, das innerhalb der
Stadt einen sozialen Ausgleich ermöglicht, das Gentrification und Verslumung verhindert. Zudem ermöglicht die
öffentliche Kontrolle des Wohnbaus auch die Sicherung einer architektonischen Qualität.
Weltweite Aufmerksamkeit erlangt das “Rote Wien” mit seinen “Superblocks”, deren Architekten zum großen
Teil von Otto Wagner ausgebildet waren. Folgten diese noch einer traditionellen Architektursprache, so wurde die
Moderne in neuen Siedlungen realisiert.
Nach der Nazizeit und dem Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg wurde in den achtziger Jahren das System des
Wiener Wohnbaus verfeinert, den heutigen Bedürfnissen angepasst. Mit hoher architektonischer Qualität wird auf
die verschiedenen städtebaulichen Situationen reagiert. Beispielhafte Lösungen wurden realisiert. Die öffentlichen
Förderungen, die politische Verantwortung, die engagierten Bauträger und hervorragenden Architekten - sie
garantieren auch heute leistbare Wohnungen für alle Bevölkerungsgruppen mit einer architektonischen Haltung,
die den Wohnbau als wesentlichen kulturellen Ausdruck des Lebens proklamiert.
Vorwort von Dietmar Steiner, Direktor Architekturzentrum Wien,
aus dem Ausstellungskatalog „Wiener Wohnbau – Innovativ. Sozial. Ökologisch“
FRAUEN-WERK-STADT UND KULTURPALAIS
EINGANG OSWALDGASSE
Städteplanung / Architektur / Religion Buch II - Wiener Wohnbau ST/A/R 13
02., VORGARTENSTRASSE
21., ORASTEIG Grünes Wohnen, umweltfreundliches Bauen
22., RENNBAHNWEG 52 – Bauteil B und C
Bauträger:
- Wien Süd Gemn. Bau- und Wohnungsgenossenschaft
- Gesiba Gemn. Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft
- EGW Heimstätte Gesellschaft m.b.H.
- Bauträger Heimat Österreich gemn. Wohnungsund
Siedlungsgesellschaft
,
ORAGSTEIG, ARCHITEKTEN: PPAG
VORGARTENSTRASSE, ARCHITEKTEN: PPAG
Paul (4 1/2 ), Constantin (8), Vinzenz (4)
RENNBAHNWEG, ARCH. WERNER KRAKORA – ARCH. FRANZ WAFLER
Bauen wir für unsere Kinder?
14 ST/A/R
Buch II - Wiener Wohnbau Nr. 19/2008
WIENER WOHNBAU INTERNATIONAL GEFRAGT
Auf der diesjährigen Architektur-Biennale in
Venedig steht eine bemerkenswerte Ausstellung
im Programm: „Housing in Vienna – Wiener
Wohnbau. Innovativ. Sozial. Ökologisch“. Diese
Ausstellung, konzipiert von der Stadt Wien und dem
Architekturzentrum Wien, und gestaltet vom Wiener
Team SPAN-Architekten wurde am 12.9.2008 durch
Wohnbaustadtrat Dr. Michael Ludwig eröffnet und wird
bis 3.10.2008 im Palazzo der Fakultät für Raumplanung
und Abteilung für Planung (Facoltà di Pianificazione
del territorio and Dipartimento di Pianificazione) der
Universität Venedig (Università di Venezia, IUAV) zu
sehen sein und internationalem Publikum einen Überblick
über die Geschichte des sozialen Wohnbaus Wiens von
den Anfängen in den 1920er Jahren bis hinauf in die
Gegenwart bieten.
Während für Wiener und Wienerinnen die hohen
Standards des Wohnen zu den selbstverständlichen
Merkmalen ihrer Stadt gehören, pilgern seit Jahrzehnten
Jahr für Jahr zahlreiche ausländische Wohnbauexperten
in unsere Stadt um vor Ort die Errungenschaften des
geförderten Wohnbaus zu bewundern, die weltweit
einzigartig sind.
Allein schon die Zahlen liefern ein eindrucksvolles
Bild. Fast 60 Prozent aller Wiener Haushalte befinden
sich in geförderten Wohnungen, 220.000 davon in
Gemeindebauten. Jährlich investiert die Stadt in den Bau
weiterer 7.000 geförderter Wohnungen, das sind rund 80
– 90 Prozent des gesamten Neubauvolumens. Rund 600
Mio. Euro Wohnbauförderungsmittel fließen jährlich in
den Neubau, in großzügige Sanierungsvorhaben und in die
Wohnbeihilfe. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern
verwendet Wien die gesamte Wohnbauförderung des
Bundes tatsächlich für Wohnen, und legt als Stadt noch
beträchtliche Mittel drauf. Das Ergebnis kann sich sehen
lassen. Der Spitzenplatz, den Wien im Mercer-Survey,
einem weltweiten Vergleich der Lebensqualität in Städten,
regelmäßig einnimmt, ist nicht nur der Kultur, der hohen
sozialen Sicherheit und dem engagierten Umweltschutz
Wiens geschuldet, sondern vor allem der Wiener
Wohnpolitik, die dort stets 10 von 10 möglichen Punkten
erreicht.
Doch nicht nur die Zahlen beeindrucken. Seit seinen
Anfängen zeichnet sich der soziale Wohnbau auch
durch hervorragende Architektur aus. Namhafte
Architekten unterstützten im Auftrag der Stadt bereits die
Siedlerbewegung, die Anfang der 1920er Jahre, als in Wien
höchste Wohnungsnot herrschte, zur Selbsthilfe schritt um
sich vor den Toren der Stadt mittels Eigenbau Wohnraum
zu schaffen. An den eindrucksvollen Bauten des Roten
Wien der 1920er und Beginn 1930er Jahre waren führende
Architekten wie z.B. Peter Behrens, Josef Frank, Hubert
Gessner, Clemens Holzmeister und Adolf Loos beteiligt.
Die Tradition hochwertiger Architektur setzt sich im
geförderten Wohnbau Wiens bis heute fort.
1923 führte die sozialdemokratische Wiener Stadtregierung
Wiens die Wohnbausteuer ein und baute mit den
Mitteln dieser Abgabe bis 1934 61.175 Wohnungen in
348 Wohnhausanlagen. Um soziale Durchmischung
zu sicher zu stellen, wurden die Gemeindebauten die
ganze Stadt verstreut errichtet, auch in den so genannten
„Nobelbezirken“. Zum Symbol des Roten Wien wurde
der Karl-Marx-Hof mit seinen – für die damalige Zeit
fast luxuriös ausgestatteten – 1.200 Wohnungen,
zahlreichen Gemeinschaftseinrichtungen und großzügig
begrünten Innenhöfen. Der Errichtung dieser Bauten
und ihrer Architektur lag ein sozialdemokratisches
Gesellschaftskonzept zugrunde, das auf die Emanzipation
der arbeitenden Menschen und insbesondere der Frauen
zielte.
Während des Ständestaats und des nationalsozialistischen
Regimes wurden Tausende Sozialisten, Gewerkschafter
und Juden aus den Gemeindebauten vertrieben. Der
Weltkrieg führte schließlich zur Zerstörung von 87.000
Wohnungen, mehr als im Roten Wien gebaut worden
waren.
Nach 1945 wurde mit dem Wiederaufbau begonnen.
Das erste große Bauprojekt der Gemeinde war die Per-
Albin-Hansson-Siedlung, deren Realisierung durch ein
Hilfsprogramm der schwedischen Regierung möglich
wurde. Die wohnpolitischen Schwerpunkte der Stadt
umfassten damals die Auflockerung des dicht bebauten
Stadtgebiets, eine Verdichtung der Randgebiete
durch Gartensiedlungen und die Durchführung von
Architekturwettbewerben.
Ab den 1960er Jahren begann die großflächige
Stadterweiterung mit jährlich mehr als 10.000
geförderten Neubauwohnungen. In den 1970er Jahren
standen großzügige Grünraumgestaltung, Schutz vor
Umweltbelastungen, ausreichende Nahversorgung und
Infrastruktur im Mittelpunkt der Bauvorhaben, zu denen
die Terrassensiedlung Alt Erlaa zählte, die eine besonders
aufwändige Ausstattung, u.a. Dachschwimmbäder,
aufwies. Auch die Errichtung der Siedlung Am Schöpfwerk
fällt in diese Zeit. Dort haben unter der Federführung von
Architekt Viktor Hufnagl eine Reihe junger ArchitektInnen
ihre Visionen umgesetzt.
In den 1980er Jahren wurde neben dem Neubau
die „sanfte“ Stadterneuerung zum wichtigsten
wohnbaupolitischen Aktionsfeld. Bei diesem international
viel beachteten Modell, das bis heute praktiziert wird,
bezuschusst die Stadt großzügig die Sanierung und sorgt
gleichzeitig dafür, dass die Mieten erschwinglich bleiben.
Die BewohnerInnen werden nach der Aufwertung ihres
Viertels nicht in billigere Gegenden abgedrängt, sondern
können in ihren Häusern wohnen bleiben. Auf diese
fast_LIVINGUNIT
designed and copyright© 2008 by: Angelo Roventa,
Carmen Hernandez-Arcas
BEWOHNE DEINE ZEIT
Full function house
with modular mobile furniture (bathroom, bedroom,
living room, study room, kitchen, all including their
necessary storage spaces), for a complete housing unit.
content:
The mobile furniture within the housing unit, with its
multiple spatial arrangements, provides all the function and
comfort of a regular house. The mobile furniture within
the housing unit can be activated simultaneously, fig. 1.01,
or in sequence, fig.1.02-bathroom, 1.03-bedroom,1.04-living
room/study, 1.05-kitchen. Thanks to the mobility of these
elements, those rooms/modules that are not in use at a
specific time can be closed, providing more space for the
rooms/modules that are actually in use. This is a way to
multiply up to 4 times the net usable area of the housing
element.
VORSCHLÄGE FÜR EINEN WIRKLICH SOZIALEN WOHNBAU • VORSCHLÄGE FÜR EINEN WIRKLICH SO
Nr. 19/2008 Buch II - Wiener Wohnbau
ST/A/R 15
Weise bleibt die soziale Durchmischung bestehen, und der
Ghettobildung wird wirkungsvoll vorgebeugt.
Seit Anfang des 21. Jahrhunderts errichtet die Stadt Wien
die geförderten Wohnanlagen nicht mehr selbst. Die
Abwicklung der Neubauvorhaben findet vielmehr durch
gemeinnützige Wohnbauunternehmen statt, und die
Entscheidungen werden im Grundstücksbeirat bzw. im
Rahmen von Bauträgerwettbewerben getroffen – eine
Vorgangsweise, die dem fairen Wettbewerb verpflichtet
und im Vergleich kostenneutral ist. Inhaltlich steht der
geförderte Wohnbau auf den drei Säulen Ökonomie –
Ökologie – Architektur. Ziel der Wettbewerbe ist somit, für
eine ausreichende Anzahl bedarfsgerechter Wohnungen
zu sorgen, innovative architektonische Lösungen zu
fördern und den Klimaschutz zu forcieren. Seit gut einem
Jahrzehnt ist die Niedrigenergiebauweise Standard. Einen
noch geringeren Energieverbrauch weisen die Passivhäuser
auf. Auf den Aspanggründen entsteht gerade Eurogate, die
größte Passivhaussiedlung Europas.
Den aktuellen gesellschaftspolitischen und
soziodemographischen Herausforderungen begegnet
der geförderte Wohnbau in Wien mit Bauprojekten,
die speziell auf die Lebensbedürfnisse bestimmter
Bevölkerungsgruppen zugeschnitten sind.
Angesichts weltweit gestiegener Bau- und Energiekosten
wird die Stadt in naher Zukunft ihr Hauptaugenmerk auf
die Schaffung leistbaren Wohnraums legen, und für die
Entwicklung neuer Wohnkonzepte verstärkt auf junge,
innovative ArchitektInnen setzen.
Obwohl Wien zunehmend zu einer Metropole
heranwächst, gibt es keine „Hot Spots“ sozialer Konflikte
und auch keine „No Go Areas“ wie in vielen anderen
Städten. Dies ist keineswegs Zufall. Es ist vielmehr
das Ergebnis einer langen Tradition umsichtiger
sozialdemokratischer Wohnungspolitik.
Die Ausstellung „Wiener Wohnbau“ wird ab Jänner 2009
im Ringturm gezeigt und danach auch in mehreren
Bezirken zu sehen sein.
Liebe Leserinnen und Leser,
Wien, die Bundeshauptstadt Österreichs, ist auf der ganzen Welt für ihre Kultur und
Gastfreundlichkeit, aber auch für ihren engagierten Umweltschutz, ihre hohe soziale Sicherheit
und ihre herausragende Lebensqualität bekannt. So belegt unsere Stadt bei renommierten
internationalen Untersuchungen über die Lebensqualität in Metropolen regelmäßig Spitzenplätze.
In der Mercer-Studie 2007 rangiert Wien weltweit an dritter und in der Europäischen Union
an erster Stelle. Zu diesen ausgezeichneten Ergebnissen hat auch die Wiener Wohnpolitik
maßgeblich beigetragen, denn Wohnzufriedenheit und Lebensqualität sind eng miteinander
verknüpft.
In unserer Stadt hat nicht nur der soziale Wohnbau eine lange und erfolgreiche Tradition. Auch
die Stadterneuerung wird auf sozial verträgliche Weise durchgeführt. Mit den Mitteln der Wiener
Wohnbauförderung werden Jahr für Jahr tausende erschwingliche und qualitätsvolle Wohnungen
errichtet, die den Wienerinnen und Wienern zur Verfügung stehen. Die Errichtung geförderter
Neubauten ist an strenge ökonomische, ökologische und architektonische Kriterien gebunden.
Damit stellt die Stadt sicher, dass leistbare Wohnungen gebaut werden, die jedoch hohen Klimaund
Umweltschutzstandards entsprechen und viel Wohnqualität und Komfort bieten. Durch
den international anerkannten Weg der „sanften Stadterneuerung“ bleiben die Mieten auch
nach umfassenden Sanierungen moderat, und die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner
werden nicht in andere Stadtgebiete verdrängt. Daher gibt es in Wien keine Ghettos, und die
österreichische Bundeshauptstadt zählt zu den sichersten und sozialsten Metropolen der Welt.
Dieser einzigartige Weg, den die Wiener Wohnpolitik eingeschlagen hat, und der international
als vorbildlich gilt, wird in der Ausstellung „Wiener Wohnbau. Innovativ, sozial und ökologisch“
dokumentiert.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen dieses Ausstellungskatalogs und hoffe, dass
Sie daraus viele interessante und spannende Informationen über die Wiener Wohnpolitik
gewinnen. Es würde mich sehr freuen, wenn diese Publikation Ihr Interesse weckt, nicht nur die
Wohnbauausstellung zu besuchen, sondern vielleicht auch den einen oder anderen der zahlreichen
bedeutsamen historischen und zeitgenössischen Wohnbauten in unserer Stadt persönlich zu
besichtigen.
Vorwort von Dr. Michael Ludwig aus dem Ausstellungskatalog
„Wiener Wohnbau – Innovativ. Sozial. Ökologisch“
Wiener Wohnbau – innovativ. sozial. ökologisch
13.09.2008 – 3.10.2008
Vernissage: Freitag, 12.09.2008, 14.30 Uhr
Öffnungszeiten: Mo – Fr 9.00 – 19.00 Uhr
Finissage: Freitag, 03.10.2008, 19.00 Uhr
Facoltà di Pianificazione del territorio and Dipartimento di Pianificazione
(Fakultät für Raumplanung und Abteilung für Planung)
Università di Venezia, IUAV
Ca’ Tron
S. Croce 1957
30135 Venedig
Wiens Fertigkeit, funktionale und lebenswerte Wohnbauten zu errichten,
geht auf das “rote Wien” in den 1920er und 1930er Jahren zurück, als die
Sozialdemokratische Partei erstmals damit begann, sozialen Wohnbau im
großem Maßstab zu realisieren. Seither entwickelte die Stadt stufenweise
eine Wohnbaupolitik, die wesentlich zur Steigerung der Lebensqualität
beiträgt.
Die Ausstellung
„Wiener Wohnbau – Innovativ. Sozial. Ökologisch“ gibt einen
umfassenden Einblick in den Wohnbau Wiens – von den Anfängen
bis in die Gegenwart. Präsentiert werden realisierte Anlagen des
öffentlich geförderten Wohnbau und deren Einbettung in aktuelle
Stadtentwicklungsprojekte unter besonderer Berücksichtigung sozialer
und ökologischer Aspekte.
Kuratiert vom Architekturzentrum Wien
Eröffnung und Finissage: Dr. Michael Ludwig, Amtsführender Stadtrat für
Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung; Prof. Liliana Padovani. IUAV
Ausstellungskonzept: Wolfgang Förster, Gabriele Kaiser, Dietmar Steiner,
Alexandra Viehhauser
Ausstellungsgestaltung: SPAN-architects (Matias del Campo, Sandra
Manninger)
Die Ausstellung wurde durch die freundliche Unterstützung der Stadt Wien -
Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung - ermöglicht.
PROTOTYPEN FÜR KARL/MARX/HOF 2
NIEDERENERGIEHÄUSER
EIGENENERGIEHÄUSER
KARL/MARX/HOF 2
ROVENTA/GERNGROSS/WERKSTATT WIEN
ZIALEN WOHNBAU • VORSCHLÄGE FÜR EINEN WIRKLICH SOZIALEN WOHNBAU • VORSCHLÄGE FÜR
16 ST/A/R
Buch II - Wiener Wohnbau
Nr. 19/2008
21., DONAUFELDER STRASSE 91
Eckdaten
π Neubau
π 269 geförderte Mietwohnungen (§12 WWFSG89-Neu >10.000m2)
π Bauträger: FAMILIENHILFE Gemn. Bau- und Siedlungsges.m.b.H.
π Planung: ARGE Architekten CUUBUUS architects ZT GesmbH,
Arch. Prof. Schempp
π Baubeginn: Herbst 2007
π Bezugstermin: voraussichtlich Sommer 2009
Innovative und ökologische Wohnanlage
Der Bauträger Familienhilfe errichtet auf dem ehemaligen Areal der
Porsche KG 269 geförderte Mietwohnungen. Die neue Wohnhausanlage
in Wien-Floridsdorf erfüllt den Niedrigenergie- Standard, erreicht die
Wärmeschutzklasse A und gilt als ökologisches Musterprojekt.
So wird ein optimierter Anteil des Energiebedarfs durch die Nutzung
von Sonneneinstrahlung erreicht.
22., SAIKOGASSE/
ULLREICHGASSE
Eckdaten
π Neubau
π 113 geförderte Mietwohnungen (§12 WWFSG89-Neu
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch III - Podrecca ST/A/R 17
CONGRATULAZIONI
ST/A/R-ARCHITEKT international
SPRICHT SIEBEN SPRACHEN
BORIS
MANTUA:
BORIS PODRECCA ERHÄLT
ZUSAMMEN MIT DAVID
CHIPPERFIELD DEN
GROSSEN ITALIENISCHEN
ARCHITEKTURPREIS
“VERGILIUS
D’ORO 2008”
BORIS PODRECCA
18 ST/A/R
VIENNA BIO CENTER 1
Buch III - Podrecca Nr. 19/2008
Wien, Österreich, 2003-05; Fotos: Gerald Zugmann, Pez Hejduk, Robert Herbst
IMBA – Institut für Molekulare
Biotechnologie GmbH
GMI – Gregor-Mendel-Institut für
Molekulare Pflanzenbiologie GmbH
VIENNA BIO CENTER 2
Wien, Österreich, 2001-03; Fotos: Gerald Zugmann
Nr. 19/2008 Buch III - Podrecca
ST/A/R 19
LINZ DONAUPARK URFAHR
Donaupark Urfahr
Sarnierung eines Terrain Vague
Linz, Österreich, 2003-
Wettbewerb, 1. Preis
Gutachterverfahren, 2003
zur Realisierung empfohlen
Auslober: Stadt Linz
Künstlerin Kathryn Miller, Los Angeles
Von der zentralen Linzer Donaubrücke abwärts erstreckt sich auf der Urfahraner Seite gegenüber der Innenstadt entlang des Flussufers ein ausgedehntes, undefi niertes, aber
in bester innenstädtischer Lage befi ndliches Roh-Gelände. Hier fi ndet alljährlich der Urfahraner Markt statt und große Teile des nicht merkantilisierten Schwemmlandes werden
auch sonst als Parkplatz genutzt. Die wiederkehrenden Nutzungen Parkplatz, Markt und Zirkus bilden den Anlass der Gestaltungsmaßnahmen. Das Parkplatzgelände für ca. 1000
Autos wird mit einer unregelmäßigen Kleinvegetation überzogen, die sich in Entwässerungsrinnen nach und nach festsetzt. Sonst wird am Gelände ein Oberboden mit einem
Kalk-Schotter-Gemisch aufgetragen, das von der Künstlerin Katryn Miller mit „seedbombs“ (Samenbomben) gestaltet wird: Das Ausstreuen der Samen bewirkt eine regellose
Hintergrundvegetation. An dem der Brücke und der Innenstadt nächst gelegenen Westende dieses „terrain vague“ entsteht eine kleinteiligere Struktur: Holzpritschen, saisonal
wechselnde Bepfl anzungen und eine Wassersäule bilden hier die gestalterischen Akzente. Lichtstelen mit eingebauter Beschallung sorgen für Beleuchtung des Gesamtgeländes.
Hölzerne Sitzstufen, zusätzlich am Flussufer anlegende schwimmende Hotels und andere Interventionen verleihen dem Gebiet neues Leben, das seinen hier traditionell
regellosen Charakter beibehalten soll.
Städteplanung / Architektur / Religion Buch III - Podrecca ST/A/R 21
SPLIT
SPLIT
CORMONS
PIAZZA XXIV MAGGIO, Cormons,
Italien, 1989-1990
Platzgestaltung im historischen Zentrum
Zwischen Udine und Görz gelegen, repräsentiert Cormons als
Hauptstadt des Collio-Gebiets den charakteristischen Typ einer
friaulisch- venezianischen Kleinstadt. Der Hauptplatz mit dem
Rathaus war stets auch Verkehrsknotenpunkt, welcher der Klärung,
Organisation und Neugestaltung bedurfte. Ein wesentliches Element
dabei ist die Entfl echtung von Versammlungs- und Verkehrsfl ächen,
sowie di räumliche Akzentuierung mittels einer Brunnenanlage und
einer Reihe von Beleuchtungsmasten. Der Steinbelag greift die
Silhouetten mehrerer Bauten am Platz auf, die Texturen zeichnen
die Volumina nach. Glasplatten über den beim Aushub gefundenen
römischen Stadtmauerresten weisen auf die frühere Geschichte
des Orts hin. Das Brunnenobjekt dient auch als Sockel für die Figur
eines steinwerfenden Knaben des In Wien ausgebildeten Bildhauers
Anfonso Canciani. Implantate aus Rosso-Verona-Stein transportieren
sanguinische Stimmungen, eine monolithische Pergola bildet einen
Auftakt des monumentalen Campanile.
DU
RATHAUSPLATZ, St. Pölten,
Östereich, 1994-1996
Fotos: Damjan Gale
St. Pölten hat durch die Entscheidung im Jahre 1987, Landtag
und Regierung des größten Österreichischen Bundeslandes,
Niederösterreich, aus Wien hierher zu verlegen, einen großen
baulichen Entwicklungsschub erlebt. Parallel zu den Neubauten
der Landesregierung am Rande der Altstadt wurde die Kernstadt
revitalisiert. St. Pölten zeigte die typischen Probleme österreichischer
Kleinstädte am Ende des 20. Jahrhunderts: Strukturwandel,
Suburbanisierung, Abwertung des historischen Bestandes im
Kerngebiet und Gebrauch der Stadtplätze vorwiegend als Parkfl ächen.
Typisch ist aber auch die hohe Qualität der Barockarchitektur:
hier lebten und wirkten bedeutende Baumeister wie Jakob
Prandtauer und Joseph Munggenast sowie der Maler Bartolomeo
Altomonte. 1785 wurde St. Pölten Bischofs- und Garnisonsstadt.
Die Rückführung des Hauptplatzes zu einem öffentlich genutzten
Veranstaltungsraum griff die gegebene Gliederung mit der barocken
Pestsäule und den gegenüberliegenden Hauptgebäuden von Rathaus
und Franziskanerkirche auf. Steinerne Teppiche verbinden diese
traditionellen Zentren des bürgerlichen und religiösen Lebens. Der
Platz selbst ist „dreischiffi g“ strukturiert, mit einer freien Mitte
und zwei seitlichen Funktionsbereichen. Hier wurden Stadtmöbel,
Brunnenanlage, Garagenabgänge und Beleuchtungsmasten
positioniert. Die Lichtregie des Platzes akzentuiert nicht nur
verschiedene Stimmungen, sondern gibt dem Freiraum auch eine
quasi-bauliche Gliederung verschiedener Höhenzonen.
STROSSMAYER PARK, Split, Kroatien
Baubeginn: 2000
Fertigstellung: 2002
Bauherr: Stadt Split
ST.PÖLTEN
Der Palast des römischen Kaisers Diokletian ist eines der bekanntesten
Schulbeispiele für Adaption und Transformierung einer historischen Struktur
durch spätere Nutzergenerationen. So wurde aus dem Palast ein Stadtteil,
aus den Räumen Häuser. Entlang der Nordmauer wurde im 19. Jahrhundert
ein Stadtpark angelegt, der zunehmend verkam und von Randgruppen
okkupiert wurde. Ein steinernes Passpartout rahmt ihn neu. Darin ist
ein großes Kiesfeld angelegt, in dem Grüninseln den erhaltenswerten
Baumbestand säumen. Diese Inseln „restituieren“ die von den Venezianern
gefällten Wälder des damaltinischen Archipels. Die Terrassierung kann auch
als Zuschauertribüne für Festivals genutzt werden, neue Angebote wie die
steinernen Bänke sowie verbesserte und neugestaltete Funktionen wie
Brunnen und Lichtmasten werten den Platz zusätzlich auf.
Fotos: Damir Fabijani
Strossmayer Park
Split, Kroatien, 1998-2002
Fotos: Margherita Spiluttini
22 ST/A/R
Buch III - Podrecca Nr. 19/2008
NEAPEL
NEAPEL
Peter Kogler, Seitenwände Michelangelo Pistoletto, 1. Ebene Boris Podrecca Platztextur
LINIE6STATIONSANPASQUALE,KINO,SHOPPING –UNTERWASSERARCHITEKTUR
Nr. 19/2008 Buch III - Podrecca
ST/A/R 23
PRIMORJE CONSTRUCTION COMPANY, HEADQUARTERS, AJDOVSCINA, SLOVENIA
Fotos: Miran Kambi
Ville urbane
Ljubljana,
Slowenien, 2004-2008
Wettbewerb, 1. Preis
24 ST/A/R
Buch III - Podrecca Nr. 19/2008
PRATERSTERN, BAHNHOF WIEN NORD
2002-mit B. Edelmüller
Buch IV - Werner Faymann ST/A/R / /R 25
Städteplanung / Architektur / Religion Buch IV - Werner Faymann ST/
DAS BUNDES-
MINISTERIUM
FÜR VERKEHR
INNOVATION UND
TECHNOLOGIE
ARBEITET AN DER
EUROPÄISCHEN
VERNETZUNG
26 ST/A/R
Buch IV - Werner Faymann Nr. 19/2008
LAINZER TUNNEL
Durch den Lainzer Tunnel – die Verbindungsstrecke zwischen West-,
Süd- und Donauländebahn in Wien – werden Güter- und Personenzüge Wien
schneller und umweltschonender als bisher durchqueren beziehungsweise
an ihre innerstädtischen Ziele, die Güterterminals und Bahnhöfe, gelangen.
Freiwerdende Kapazitäten auf der West- und Südbahn können dann für die
Verbesserung des lokalen Personenverkehrs genutzt werden.
Der Lainzer Tunnel liegt auf der Achse Paris-Bratislava (TEN Korridor 17) und
bildet den wesentlichen Bestandteil bei der Durchbindung durch Wien von West
nach Ost.
Projektlänge: ca. 12,8 km
davon Länge des Verbindungstunnels: ca. 6,6 km
Gesamtlänge der Gleisum- und -neubauten: ca. 25,3 km
Entwurfsgeschwindigkeit:
120 km/h für den Güterverkehr
160 km/h für den Personenverkehr
Baubeginn: 1999
Gesamtfertigstellung: Ende 2012
Gesamtinvestitionen: rd. 1,289 Mrd Euro (gem. Rahmenplan 2008-2013)
Euro 730 Mio. bisher verbaut (Stand: 12/2007)
Mit der Inbetriebnahme des Lainzer Tunnels wird
folgendes erreicht:
π Zeitgemäße und leistungsfähige Verbindung der Westbahn mit der Süd- und
Donauländebahn
π Entlastung der Verbindungsbahn von schweren Güterzügen
π Nutzung der an der Oberfläche frei werdenden Streckenkapazitäten für einen
verdichteten Personennahverkehr - S-Bahn
π Verbindung der Westbahn mit dem neuen Hauptbahnhof Wien
π Eine Entlastung der Verbindungsbahn vom Güter- und Personenfernverkehr
im 12. und 13. Bezirk und damit eine wesentliche Verbesserung der Lärmsituation
für die Anrainer
π Eine Entlastung der Westbahn vom Güterverkehr im 14. Bezirk und damit eine
wesentliche Verbesserung der Lärmsituation für die Anrainer
Modernisierung der Haltestellen
π Wien Hadersdorf
π Wien Weidlingau
π Purkersdorf Sanatorium
Neubau der Haltestelle Wien – Wolf in der Au
Durch die Verbreiterung des sogenannten Meidlinger Einschnitts von vier auf
acht bzw. neun Gleise ist die niveaufreie Einbindung der S-Bahn in die Südbahn
möglich und somit eine erhebliche Leistungssteigerung im Bahnhof Wien
Meidling - dem am stärksten frequentierten Bahnhof Österreichs - gegeben
Nr. 19/2008 Buch IV - Werner Faymann
ST/A/R 27
Verbesserungen für Anrainer
π Bessere Nahverkehrsanbindung
π wesentliche Reduktion des Zuglärms
π Steigerung des Kundenkomforts durch Haltestellenmodernisierung
π Mögliche Verkürzung der Schrankenschließzeiten durch den verdichteten S-
Bahnverkehr entlang der Verbindungsbahn
Die Errichtung des Lainzer Tunnels erfolgt in vier
Teilabschnitten:
1. Teilabschnitt „Verknüpfung Westbahn“
Der Teilabschnitt im Westen, die „Verknüpfung Westbahn“, verbindet die
beiden bestehenden Fernverkehrsgleise der Westbahn mit der bereits im Bau
befindlichen Neubaustrecke zwischen Wien und St. Pölten (Bestandteil der
Baumaßnahmen zur viergleisigen Westbahn).
Die Rohbauarbeiten in diesem Teilabschnitt wurden 2007 abgeschlossen.
Der nächste große Meilenstein auf dem Weg zur Fertigstellung des gesamten
Projekts 2012 erfolgt im Dezember 2008 mit der Teilinbetriebnahme der so
genannten „Weichenhalle“ in diesem Projektabschnitt. Erstmals seit dem Jahr
2000 steht dann die Westbahn im Bereich zwischen Bahnhof Hütteldorf und
dem Bahnhof Unterpurkersdorf wieder viergleisig zur Verfügung.
2. Teilabschnitt „Verbindungstunnel“
Der Kernbereich des Projekts Lainzer Tunnel ist der Teilabschnitt
„Verbindungstunnel“, welcher zweigleisig auf einer Länge von ca. 6,6 km
ausgeführt wird. Er verbindet den Teilabschnitt „Verknüpfung Westbahn“ mit
den Abschnitten „Anbindung Donauländebahn“ und „Einbindung Südbahn“.
3. Teilabschnitt „Einbindung Südbahn“
Der rund 1.550 m lange Teilabschnitt „Einbindung Südbahn“ beinhaltet die
Einbindung der Gleise des Lainzer Tunnels in die Südbahnstrecke zwischen
dem Bahnhof Wien-Meidling und der Haltestelle Hetzendorf. Mit der
niveaufreien Einbindung der S-Bahn in den Bahnhof Wien Meidling wird die
Einfahrtssituation des Schnellbahnverkehrs aus dem Süden nach Meidling
verbessert.
4. Teilabschnitt „Anbindung Donauländebahn“
Der etwa 2.250 m lange Teilabschnitt „Anbindung Donauländebahn“ beinhaltet
die Verbindung des Lainzer Tunnels mit der Donauländebahn, die Strecke zum
Zentralverschiebebahnhof Wien Kledering und zur Ostbahn.
Stand 16.09.2008
Städteplanung / Architektur / Religion Buch IV - Werner Faymann ST/A/R 29
HAUPTBAHNHOF WIENStation
Gesamtprojekt Hauptbahnhof Wien:
Die Bauarbeiten beginnen
Häupl, Faymann und Huber starten Jahrhundertprojekt – Neuer
Verkehrsknoten für 145.000 Kunden pro Tag – Auftakt am Südtiroler
Platz
Ein großer Tag für Österreich: in wenigen Jahren werden über 1.000
Züge und 145.000 Menschen pro Tag den neuen Hauptbahnhof
Wien frequentieren. Heute, Dienstag, beginnen die Bauarbeiten
für das Projekt Südtiroler Platz mit dem Spatenstich durch Wiens
Bürgermeister Michael Häupl, Bundesminister Werner Faymann, ÖBB-
Chef Martin Huber und den EU-Koordinator für die TEN-Achse 17, Péter
Balázs. Der Umbau der Station Südtiroler Platz ist das erste Projekt, das im
Rahmen des Gesamtprojekts Hauptbahnhof Wien realisiert wird. In sechs
Jahren wird der Hauptbahnhof in Betrieb gehen und den Bahnverkehr
weit über die Grenzen Wiens hinaus neu ordnen. Bahnreisende werden
eine neue Qualität erleben, die Region einen wirtschaftlichen Impuls.
Der Hauptbahnhof Wien wird neue Märkte ansprechen und Menschen
verbinden.
Bürgermeister Michael Häupl über die Bedeutung des Hauptbahnhofs
für Wien: „Der Hauptbahnhof macht Wien zu einem europäischen
Schienenverkehrsknoten ersten Ranges. Damit legen wir die Basis für einen
weiteren Ausbau Wiens zum multifunktionalen Wirtschaftszentrum für
den zentral- und osteuropäischen Raum. Der zweite positive Effekt ist die
massive Aufwertung des gesamten Erweiterungsareals. Dort wo europäische
Verkehrslinien an das städtische Netz angeknüpft werden, entsteht ein
neuer hochwertiger Stadtteil mit Platz für Arbeiten und Leben.“
Infrastrukturminister Werner Faymann streicht die strategische Bedeutung
des neuen Bahnhofs hervor: “Der Hauptbahnhof Wien ist eines der
wichtigsten Ausbauprojekte für die ÖBB. Das Ziel ist es, die Bahn zu einer
wirklich attraktiven Alternative zum Auto und zum Flugzeug zu machen.
Mit dem neuen Hauptbahnhof gibt es erstmals einen Durchgangsbahnhof
in Wien. Das verkürzt die Fahrzeiten und schafft eine Verbindung der
beiden wichtigsten Bahnachsen in Österreich.“
In erster Linie ist der Hauptbahnhof Wien ein Bahnhof für Kunden. Dazu
ÖBB-Chef Martin Huber: „Wir machen Wien von der Endstation zur
Drehscheibe und den Hauptbahnhof zum Zentrum des Taktverkehrs.
Reisen wird einfacher und schneller. Wir werden z. B. die Anreise von Linz
zum Flughafen Wien in 1 Stunde und 15 Minuten anbieten – heute dauert
dies noch mehr als zweieinhalb Stunden. Damit sind wir schneller als alle
anderen Verkehrsmittel.“
Drehscheibe für Wien, Österreich und Europa
Derzeit befinden sich auf dem Gelände des heutigen Südbahnhofes
zwei Kopfbahnhöfe: der Südbahnhof und der Ostbahnhof; sie liegen
unmittelbar nebeneinander und werden getrennt betrieben. Anstelle
dieser zwei Kopfbahnhöfe schaffen die ÖBB bis 2013 einen zentralen
Durchgangsbahnhof - einen Knotenpunkt im transeuropäischen
Schienenverkehr und die wichtigste Drehscheibe für den internationalen
und nationalen Personenverkehr.
Erstmals werden die Züge aus allen Richtungen in einem Bahnhof
verbunden. Neue Bahnverbindungen werden möglich – beispielsweise von
Linz direkt zum Flughafen Wien Schwechat. Bahn fahren wird dadurch
rascher und bequemer. Bereits heute arbeiten die ÖBB am Fahrplan für
2013: der Hauptbahnhof wird dann zum Taktknoten für Österreich.
Innerhalb der Stadt werden Reisende bequem in andere öffentliche
Verkehrsmittel umsteigen können: S-Bahnen, Straßenbahnen, regionale
und internationale Autobuslinien und nicht zuletzt zur U-Bahnlinie
U1 – sie alle werden mit dem Hauptbahnhof Wien zu einer großen
Verkehrsdrehscheibe vereint. Rund 1.000 Abstellplätze für Fahrräder,
Plätze für Kiss&Ride und Taxis sowie eine Tiefgarage binden den
Individualverkehr an den Bahnhof an.
Der Hauptbahnhof selbst wird aus fünf Doppelbahnsteigen bestehen. Zu
diesen führen die Gleise der Südbahn, der Pottendorferlinie, der Ostbahn
und der Schnellbahnlinie S 80. Eine moderne Dachkonstruktion wird
für ein markantes Erscheinungsbild und für optimalen Witterungsschutz
sorgen. Die Reisenden werden über Leitsysteme geführt. Alle Bereiche
werden barrierefrei erreichbar sein. Das UVP-Verfahren für dieses Projekt
soll noch heuer starten.
denkmalgeschützt
Südtiroler Platz macht Auftakt
Das Gesamtprojekt Hauptbahnhof Wien beginnt dort, wo künftig der
Haupteingang des Bahnhofs sein wird: am Südtirolerplatz. Hier wird
zunächst die Schnellbahnstation umgebaut; sie ist heute bereits an ihre
Kapazitätsgrenze gestoßen und nicht barrierefrei.
Wiener Linien und ÖBB errichten nun eine Verbindungspassage von der
U-Bahn- bzw. S-Bahnstation Südtirolerplatz zum nördlichen Vorplatz
des Hauptbahnhofes. U-Bahn, Straßenbahn und S-Bahn bekommen
barrierefreie Zugänge, die Bahnsteige der S-Bahn werden auf 210 m
verlängert. Der Umbau wird bis 2009 fertig gestellt und 44 Mio. Euro
kosten.
BahnhofCity: wenn der Bahnhof zur Stadt wird
Der Hauptbahnhof Wien wird nicht nur Verkehrsstation sein: hier wird
erstmals eine „Bahnhof-City“ in völlig neuer Dimension errichtet – und
zwar bereits ab 2009. Unter den künftigen Gleisanlagen und in der
Bahnhofshalle entstehen ein Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche
von 20.000 qm und eine Garage mit einer Kapazität von mehr als 600
Stellplätzen. Das heutige Parkdeck am Wiedner Gürtel wird, wie auch der
Südbahnhof, abgerissen. Im neuen Hauptbahnhof wird ein breites Angebot
an Handel, Dienstleistungen und Gastronomie mit der Verkehrsstation
verbunden sein und die bestehende Infrastruktur der Umgebung ergänzen.
Zusätzlich zu seiner Reisefunktion wird der Hauptbahnhof damit zum
attraktiven Zentrum für Arbeiten, Ausgehen und Einkaufen.
Wohnen und Arbeiten: ein neues Stadtviertel entsteht
Auf dem Gelände zwischen Gürtel, Arsenalstraße, Gudrunstraße und
Sonnwendgasse wird ein neues Stadtviertel entstehen – mit Büroflächen
im Ausmaß von 550.000 qm Bruttogeschoßfläche und 5.500 neuen
Wohnungen für rund 13.000 Menschen. Mit einem acht Hektar großen
Park wird auch ein Erholungsgebiet 0geschaffen. Ein Kindergarten und
zwei Schulen sorgen für die soziale Infrastruktur. Insgesamt werden 59 ha
städtebaulich entwickelt – und das nur 2,5 km vom Stephansdom entfernt.
Rund 20.000 Menschen werden hier insgesamt arbeiten. Die ersten
Einheiten sollen 2012 fertig sein.
Mit dem Hauptbahnhof Wien wird auch die Barrierewirkung der heutigen
Schieneninfrastruktur deutlich reduziert. Die angrenzenden Bezirke werden
durch neue Straßen und Fußwege an mehreren Stellen verbunden.
Standortkonzentration Matzleinsdorf: Bahnbetrieb im Hintergrund
Zusätzlich zum Hauptbahnhof Wien setzen die ÖBB zeitgleich ein weiteres
Projekt um, das die Weichen für den Bahnverkehr in diesem Bereich neu
stellt: die Konzentration der Serviceeinrichtungen für die Wartung und
Pflege der Züge. Bis 2009 werden sie am früheren Frachtenbahnhof
Matzleinsdorf zentral zusammengeführt – samt aller notwendigen Zuund
Nachlaufgleise. Bisher sind diese Einrichtungen auf sieben Standorte
in Wien verteilt. Mit dieser Standortkonzentration schaffen die ÖBB eine
moderne Infrastruktur für die Abläufe im Hintergrund.
Abseits der direkten Wahrnehmung durch die Kunden der Bahn bauen
die ÖBB außendem Abstell- und Wendeanlagen, eine Verladestelle für
Autoreisezüge, Anlagen für die Außenreinigung und neue Tragwerke
über die Laxenburgerstrasse, die Landgutgasse und die Triesterstrasse. Die
Logistik im Hintergrund wird völlig neu geordnet.
Über zwei Milliarden Euro Investition
In die Errichtung der neuen Bahninfrastruktur einschließlich
der Verkehrsstation fließen rund 886 Mio. Euro; hier ist die
Inflationsanpassung der nächsten Jahre bereits berücksichtigt. Dieser
Betrag wird größtenteils über den ÖBB-Rahmenplan aufgebracht – dem
Instrument zur Abwicklung der Infrastrukturinvestitionen der ÖBB.
Wesentliche Kostenbeiträge werden aber auch die Gemeinde Wien, TEN-
Förderungen und die Erlöse aus der Immobilienentwicklung liefern. Das
Einkaufszentrum und die Standortkonzentration Matzleinsdorf werden
durch die ÖBB komplett eigenfinanziert. Die Gemeinde Wien wiederum
wird die Kosten für die technische und soziale Erschließung des neuen
Stadtviertels tragen; hier wird mit einem Aufwand von über 100 Mio.
Euro gerechnet. Im gesamten Areal werden in den nächsten neun Jahren
in Summe – von der Schieneninfrastruktur bis zu neuen Wohnungen
– voraussichtlich über zwei Mrd. Euro investiert.
Parallel zu den Bauarbeiten am Südtiroler Platz werden nun auch die UVP-
Verfahren für das Schieneninfrastruktur-Projekt, den neuen Stadtteil und
die neuen Straßen weiter vorbereitet. Die Verfahren sollen noch heuer
beginnen.
Bürgerbeteiligung
Bereits bisher wurden die Bürger in unmittelbarer Umgebung des
Entwicklungsgebietes in die Vorbereitung des Projekts eingebunden. Im Juni und
Juli 2006 sorgte eine Ausstellung für reges Interesse; zum Projekt wurden dabei
zahlreiche Stellungnahmen abgegeben und bestmöglich berücksichtigt. Bewährt
haben sich auch Informationsveranstaltungen in den Bezirken; sie soll es weiterhin
geben. Auch eine eigene Homepage für das Projekt wird vorbereitet.
30 ST/A/R
Buch IV - Werner Faymann Nr. 19/2008
Der Westbahnhof ist, neben dem Südbahnhof, einer der beiden großen Wiener Bahnhöfe
und als solcher Ausgangspunkt des Bahnfernverkehrs u.a. nach Deutschland, in die Schweiz und
weiter nach Frankreich und Belgien. Daneben besteht über die Speisinger Verbindungsbahn eine
Verbindung nach Ungarn, Serbien und Rumänien im Osten und Südosten.
In beiden Ebenen der Bahnhofshalle sind verschiedene Geschäfte zur Versorgung der Reisenden
(Supermarkt, Tabak- und Zeitschriftenläden, Internetcafé, Postamt, Kopiergeschäft, Imbissstuben,
Blumenladen, Frisör etc.) angeordnet.
Ende August 2008 wird die denkmalgeschützte Halle samt Vorplatz für drei Jahre gesperrt
und der Bahnhof zur “BahnhofCity Wien West” umgebaut bzw. erweitert. Das Großprojekt
Westbahnhof hat nach ÖBB-Angaben inklusive Schieneninfrastruktur ein Investitionsvolumen
von 130 Mio. Euro. Vorgesehen ist ein zusätzliches Geschoß unter der bestehenden Halle sowie
neue Gebäudekomplexe südlich und nördlich davon. Die Pläne stammen von den Architekten
Heinz Neumann und Eric Steiner, die Ende 2002 einen internationalen Planungswettbewerb für
das Bahnhofsumfeld gewonnen haben.
WEST
Nr. 19/2008 Buch IV - Werner Faymann
ST/A/R 31
WESTBAHNHOF
Geplante Maßnahmen:
• Attraktivierung der unter Denkmalschutz
stehenden Bahnhofshalle
• Verbesserung des Einzelhandels-, Gastronomieund
Dienstleistungsangebotes
• Errichtung eines neuen ÖBB-Reisezentrums
• Neue Vorplatzgestaltung und Verbesserung der
Zufahrten
• Forcierung der Liegenschaftsentwicklung
entlang des Gürtels für Hotel- und Büronutzung
• Schaffung einer Bahnhof City (Finanzierung mit
Partner)
32 ST/A/R
Buch IV - Werner Faymann Nr. 19/2008
EUROPÄISCHE VERNETZUNG
EUROPÄISCHE VERNETZUNG
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch V- NAPOLEON ST/A/R 33
Napoleonstadl - Haus der Architektur Kärnten
Eröffnung der Kärntner Landesausstellung 08
im Museum moderner Kunst am 6. Juni 2008
Neben der Dokumentation regionaler Schwerpunkte etablierte
sich Kärntens Haus der Architektur auch als Zentrum für
einen überregionalen und internationalen Austausch der
Architekturszene.
Diesen Aspekt greift die Ausstellung unter dem Titel
architekturTRANSFER auf. Gezeigt wird eine Auswahl an Projekten
internationaler Architekturbüros, die durch ihre Bautätigkeit seit 1990
wichtige Landmarks in Kärnten gesetzt haben sowie komplementär dazu
erstmals auch einen Überblick über Kärntner ArchitektInnen, die ihren
Arbeitsmittelpunkt außerhalb des Landes gefunden haben. Die Vielzahl an
internationalen Einzelprojekten dokumentiert die Bedeutung des Transfers
avancierter eitgenössischer Architektur in alle Richtungen: von außen
nach innen sowie von einer im Land selbst agierenden Architekturszene
nach außen. Für die 21 vorgestellten ArchitektInnenteams haben SHARE
architects eine unkonventionelle, spielerische Präsentation gestaltet.
Darüber hinaus begleitet die Ausstellung als Zusatztool ein grafisch
aufbereiteter »Reality Check« in die verschiedenen Strukturen und
Arbeitsweisen junger Architekturbüros im europäischen Raum.
Napoleon
Haus der Architektur
Dauer
07.07 bis 02.11.2008
Öffnungszeiten
Mo bis Do 7 bis 17 Uhr
Fr 7 bis 12 Uhr
Städteplanung / Architektur / Religion Buch V- NAPOLEON ST/A/R 35
Aus der Serie:
Erfolgreiche Architekten stehen voll hinter
Fassadenplatten von FunderMax.
Funder Max
RZ anz Chlumbergg 137x205:Layout 1 17.09.2008 14:48 Uhr Seite 1
STAR_ins 18.09.2008 10:35 Uhr Seite 1
www.wiensued.at
OPEN UP
• 4-Zimmer-Atriumsreihenhäuser
mit ca. 118 – 120 m 2
• Eigener Garten mit ca. 21 m 2
• Fitnesswelt und Saunalandschaft
• Tiefgarage
• Kinderspielplatz und -raum
Nahezu jedes Dekor
ist möglich.
Symbolfoto
Visualisierung: www.schreinerkastler.at
Infos: „Wien-Süd“
1230 Wien, Untere Aquäduktgasse 7
Frau Brigitte Kitzwögerer
E-Mail: b.kitzwoegerer@wiensued.at
01 866 95-432
INSEL NR. 2
Quick Change
13. – 25. Oktober
INSEL NR. 3
Its Our Pleasure
20. – 29. November
INSEL NR. 4
ALLREADY
15. – 19. Dezember
CHRISTIAN EISENBERGER
OPEN UP KOMMUNIKATION
www.tqw.at
FOTO: © CHRISTIAN EISENBERGER / COURTESY OF PROJEKTRAUM VIKTOR BUCHER & GALERIE KONZETT
BBG Architectes, LA VALETTE DU VAR
Architekten Wimmer & Zaic
koopX architekten, Böhning, Schüler, Zalenga
FunderMax GmbH
Klagenfurter Straße 87–89, A-9300 St. Veit / Glan
Tel.: + 43 (0) 5 / 9494-0, www.fundermax.at
Wenn Fassaden heute schöner denn je anzusehen sind, liegt das immer öfter
an FunderMax Exterior Platten. Dahinter stehen Architekten, die nicht nur die
unzähligen Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, sondern auch eine Entscheidung
für Langlebigkeit und Wirtschaftlichkeit treffen.
36 ST/A/R
Buch V- NAPOLEON Nr. 19/2008
GANZHEITLICHE KUNST UND ICH-SPALTEREIEN
über beziehungsvolle Kunst und eine, die mittels Codes sich selbst darstellt
v. Manfred Stangl
od dem Ich-Mörder!“ tönt ’s aus versteinerten
Köpfen, „den Platanen, dem Lachen, den Tulpen
den Tod; allem, was wächst, ans Sterben
„T
gemahnt und die Hautgrenzen uns zerrt, sei verdammt
und in den Boden gerammt – Tod so dem Frühjahr, dem
Herbst und dem schwülstig-süßen Apfel-Rot“.
Also marschieren Kameraden der Linearität und der logischen
Kolonnen über Sonnenblumenfelder und treten
die Erde mit inbrünstigen Wonnen – und sie singen
Lieder der Disharmonie und pfeifen auf alles, was nicht
lauthals sich selbst schreit, denn nur Nichts zählt, jedenfalls
nichts, was liebt und verzeiht.
Der Kunstmarkt boomt. Edelkunst ist ausgebucht. Events
sind gut besucht, aber sonst interessiert sich kaum wer
für Kunst, wozu auch, abgeschottet und weggespalten
vom Leben kann heut Kunst keinem wirklich was geben
– es geht nur um Codes, die zudem den Reichen imponieren,
so wie dauerndes Selbststilisieren: Besonderheit,
Genialität, Einzigartigkeit, Kreativität und Dynamik zeigen
die Kunstwerke her. Das sind die Werte, mit denen
Manager sich gerne ummänteln, um mit ihren Millionen
Gehältern von Gewissensbissen befreit to handln;
sie seien besonders und originell, und sie sind das ja
wirklich in ihren Ausreden Geld zu scheffeln. Kaum zu
übertreffen wie radikal und schnell mit kreativem Schaffen
sie Geld an der Finanz verstehen vorbeizuraffen
– wir können nur gaffen.
Jedenfalls umsirrt sie die superbesondere Kunst mit
dem Dunst des Besonderen und Feinen, des Grandiosen,
Großen und Reinen, so fühlen sie sich in ihrem
Image bestärkt; Kunst dient der Ich-Ideologie: „Ich“ ist
alles, wir aber zählen nichts, außer als Konsumentenund
Stimmvieh.
Wir aber gingen mit den Igeln ins Laub oder saßen mit
den Finken in den Himbeersträuchern und sangen den
Sommerwind herbei. Er küsst den Mund bis auf den
Grund und wunderbar trägt er den Sommermond, der
in lauen Nächten wohnt, wie eine Blume im Haar. Sein
Lächeln weht uns warm ums Herz und sonnenklar
erkennen wir Schmerz und Leid, die verlorene Jahreszeit
und sonderbar zieht uns die Erde hinab und plötzlich
sitze ich - die Schultern frei, die Wirbelsäule grad
– zwischen Himmel und Mond. Energie quillt aus dem
All, in mir überall spür’ ich mich mit Glück belohnt.
Schönheit strömt aus mir, Lilien erblüh’n auf Papier;
die Libellen sirren vor Freude schier; melancholische
Melodien spielt die Nacht am Klavier, ein Baum malt ein
Bild von dir; Leben sprießt unentwegt hier: es ist Kunst
vollbracht zwischen Dämmerung und Nacht, die Sterne
schreiben ein Gedicht, der Himmel malt rote Wolken
mit Abendlicht, die Erde formt aus Lehm ein lächelndes
Menschengesicht und endlich verweigerst du dich nicht
und mit Kopf, Hand und Fuß nickst du einen Gruß ins
Himmelszelt. Mit ihren schönsten Wörtern und Farben
grüßt zurück die Welt: du hast sie empfunden, sie endlich
gefunden – hab Freude an ihr.
Die Mondin mit ihren Moschus dampfenden sieben silbergrauen
Hündinnen schritt durch den Wald. Sie traf
sich mit Schwester Nacht. Auch die Engelin der Stille
- die mehr einem Baum gleicht denn einem Menschen -
fand sich am geheimen Ort. Die Wipfel der Fichten und
die Zweige der Eiben wiegten sich im auffrischenden
Wind. Die sieben Hündinnen – die aus der Ferne wie
Wölfinnen wirkten – tollten auf einer Lichtung beim
Tanz der heimlichen Melodie. Wild sprangen sie, wild
sang der Mond; am Blut und in den Brüsten zerrt das geheimnisvolle
Lied der Nacht. „Komm“, haucht das Lied,
„kehr heim“, singt die Nacht, „in den dunklen Hain meiner
Küsse; schließe die Augen, sei mein.“
Das unreife Ich der Moderne beklagte Friedrich Schlegel
vor über 2oo Jahren schon. Er befürchtete, würde das Ich
in den Mittelpunkt rücken, verbreiteten sich der interessante,
absonderliche, hässliche und monströse Ton. Er
unterschied zwischen objektiver und interessanter Poesie.
Freilich sei die interessante künstlich und pikant,
schön indessen nie. Er glaubte aber an eine Zeit nach
der Moderne, in der das Interessante sich selbst abschaffen
und das Übermaß des Individuellen zu Harmonie
finden und zu Schönheit reifen würde.
Für Wackenroder und Tieck - den Initiatoren der Frühromantik
- gelten Gefühl und göttliche Inspiration als
Wesen künstlerischen Schaffens; Verstand und pure
Wissenschaftlichkeit seien demnach eine sinnwidrige
Hürde.
Doch die Romantik ist dem Fortschritt eitle Bürde. Um
18oo erhebt Schelling die Vernunft zum absoluten Ausdruck
des Göttlichen und dem Logos widerfährt höchste
Würde. Gegen 19oo dreht der Verstand dann völlig
durch. Die Mathematik erobert die Welt. Janes Joyce will
die Literatur aufwerten, indem er dieser mathematische
Gesetzmäßigkeiten unterstellt. Schönberg zerstückelt
Musik bis in seiner Nachfolge der serielle „Komponist“
Töne ohne innere Zusammenhänge aufeinander hetzt.
Kandinsky sucht das Wesen der Erscheinungen hinter
der Natur. Er erklärt das Abstrakte zum Geistigen der
Kunst und mit Malewitsch und Mondrian sind die Linearität
und die Geometrie Richtschnur und hat sich die
mathematisierte Sichtweise der Welt endgültig durchgesetzt.
Dann wurden noch alle Werte verkehrt: mit Nietzsche
– dem Propheten der Narzissten - hieß es, Mitleid zu
verpönen; pubertäre Machtphantasien aber als Befreiung
zu verschönen. Schließlich galt es, sich an die intellektuellen
und wissenschaftlichen Modelle der Weltbeschreibung
zu gewöhnen.
Natürlich war die Aufklärung wichtig. Aber ihre Vertreter
irrten, wenn sie meinten, allein der Katholizismus
mit der Unterdrückung der Sinne sei pur verantwortlich
für die Lebensunlust, aber das Ich mache alles richtig.
Das Modell des Individuums in der Moderne bleibt auf
das Hierarchische, Lineare, letztlich Männliche fixiert
und führt so zu Frust. Die Betonung äußeren bzw. materiellen
Wachstums höhlt das Ich aus; zugleich macht
der Verstand der Emotion und der Intuition den Garaus.
Zensurbehörden sind überflüssig, weil der an Karriere,
Erfolg und Glanz Glaubende allem wird überdrüssig,
das nicht ins Bild passt von Grandiosität, Besonderheit,
coolem Style und dem Selbstbetrug, dass man selber nie
verliert. Die Leere hinter den brillanten Fassaden, Empfindungen
von Ohnmacht und Leid, von abgrundtiefer
verdrängter Wut auf die, welche Leben und Seele umbrachten
werden mit schönen Bildern kaschiert und mit
Drogen, Alkohol und dem täglich herunter gebeteten
Glaubensbekenntnis „Erfolg“ sediert.
Mit dem Rest an Hass reißen wir Schleier vom Leib,
entblößen das süße fremde Weib; auch westliche Künstlerinnen
stellen sich gern nackt dar, oder geben hübsche
Studentinnen preis voyeuristischem Nass: nur das
macht uns noch Spaß. Intimität darf nicht sein, es zählt
die Verkonsumierung allein, bedeckte Körper gelten als
unfein, Pornographie und Sexualisierung sollen Grundund
Menschenrecht sein.
Wir leben inmitten der Welt generierter Bilder des
Glücks. Glauben an die freie Verfügbarkeit der Sexualität
und die prompte Befriedigung aller Sinne als Lebenssinn.
Zeigen Fotos vom erfolgreichen Urlaub oder versenden
sie per MMS, hoffen es, bzw. glauben fest daran,
dass man uns erkennt als zukünftige Superstars und
schau’n uns alle die blödsinnigen Sendungen zur Verbreitung
der Selbstinszenierungen an. Selbst der „kleine
Mann“ glaubt an Karriere und Erfolg oder wenigstens
den Lotto Gewinn. Dann ab vierzig nimmt die Zufriedenheit
am Arbeitsplatz ab, ergaben unlängst Studien
der AK – der Traum von Karriere und einem Leben 1A
ist geplatzt und auch sonst ist von den gesteuerten Illusionen
nicht mehr viel da. Die enttäuschte Frage: „was
hat das alles für einen Sinn?“ bleibt rein statistische Klage
– wer ist zu hören erpicht, was ein Vierzigjähriger in
seinem Frust spricht, allen über 25 traut und glaubt man
ohnehin nicht.
„Umwertung der Werte“: Liebt wer das Sein, fließt es
in seine Lyrik, seine Malerei mit ein, scheint es durch
die Konturen der Natur, oder manifestiert es sich als
Glückseligkeit pur, hört man die Ich-Propagandisten
schrein: „Das ist ja krank und unecht und verrückt ist es
erst recht.“ Sicherlich: vom Standpunkt der modernen
Kultur aus, die sich auf einen Freud beruft, staunt man
nicht schlecht, denn jede Vision erscheint als Zeichen
psychischer Krankheit und Not; der „umgewerteten“
Weltanschauung gilt spirituelle Reife als Erkrankung
und Tod. Deshalb wehklagen die Ich-Anbeter und
stöhnen, wie sehr sie die Liebe, das Mitgefühl und die
Schönheit hassen – denn solche Werte können sie mit
ihren verzerrten Wahrnehmungsweisen nicht fassen.
Das Schöne erscheint ihnen als Hohn, weil sie nur die
Hässlichkeit kennen, der Begriff „Wahrheit“ gilt als Affront
und „Mitgefühl“ klingt dem als Abwertung, der
sich ganz oben sieht auf einem Thron: eben als wichtiger
Ich-Gott jenseits der Massen. Und die Liebe bleibt denen
bloß ein Wort, die mittels Liebesentzugs-Manipulation
und geistigen Schlägen innerlich verwüstet wurden
schon als Kinder. Ich verstehe sie, sie tun mir auch Leid,
aber jetzt geben sie ihre Ödnis für die einzige Wahrheit
aus aller Zeit und betreiben das Zerschlagen der Wälder
und das Abholzen der Himmel und Verbrennen der
Erde in ihrem Schmerz zunehmend geschwinder.
Pointiert formuliert: Aus Mitgefühl sieht jemand, der
ganzheitlich fühlt, davon ab, dem Modernen Menschen
dessen beschädigte Seele vorzuhalten. Er kann ja letztlich
nichts dafür: kritisiert sei nicht der Leidende, sondern
das Leid auslösende System: die Moderne Zivilisation
und Abendländische Kultur. Der sich hinter Masken
der Grandiosität Schützende und Verbergende erkennt
allerdings die Analyse als Attacke nur. Schlägt wild um
sich und verteidigt groteskerweise gerade jene Kultur,
die ihn entfremdet und aussaugt, gegen eine bergende,
ihn mit Lebendigkeit erfüllende Natur.
Dem lebensleeren Imagedichter gilt abgehoben, wer die
Welt liebt, weil diese in Wirklichkeit schlecht sei und
bös; gar nicht generös, was sie doch zu sein hätt’, wo
er doch sein Bestes gibt. Die Welt erkennt seine wahre
Bedeutung nicht an, folglich ist sie nicht nett und der
Krokos liebende Idealist ist naiv und um Hunderte Jahre
zu spät dran.
Die Sonne, der Derwisch, tanzt wirbelnd im Kreis, ein
Arm abgewinkelt zum Himmel, zum All, ein Arm voll
Sonnenstrahlen zur Erde – aus Respekt und weil überall
es Bestimmung des Derwisches ist, die Energien des Kosmos
mit denen der Erde zu einen. Und siehe: der Tanz
ist das Schreiten der Götter, sind die Planetenbahnen, ist
das Singen von Steinen bevor die Zeit vergeht und zur
Stille, zur Meditation der Ewigkeit die Götter sich setzen,
die Zeitlosigkeit heranweht und die Leere sich auftut mit
ihren mystischen Schätzen..
Der Gesang der Götter ist das Zwitschern der Amseln
am Morgen, ist das hüpfende Reh, ist der Freude erwachender
Laut, ist das Trommeln des Regens auf dem
See, ist die Stille in der Abenddämmerung, wenn ein
Suchender ohne Eile in den Himmel schaut – drei Stunden
und drei Jahre, bis aus der Fülle der Schau ein Gedicht
bricht, eine Melodie fließt, lebendige Farben, oder
die Vision, wie ein Baum ein Haus baut – oder es passiert
gar nichts Spezielles; ein kleines Lächeln vielleicht
um die Mundwinkel und in den Augen das Licht eines
Monds, ein sonnenhelles.
Versteht man „ganzheitlich“ in Analogie zu den Erkenntnissen
in Medizin und gar zu naturwissenschaftlichen
Strömen – wo uns das „Tao der Physik“ Capras und
Sheldrakes Evolutionstheorie des Bewusstseins sollte zu
denken geben – fließen die naturnahen, archetypischen
Zugänge nativer Völker ein in die Kunst. Ebenfalls bereicherte
uns die Weisheit des Taoismus: Feng Shui und
die Harmonie zwischen dem Yin und dem Yang – dem
weiblichen und dem männlichen Prinzip – vergessen
in der westlichen Philosophie. Ganz zu schweigen von
der Weisheit in der Zen-Buddhistischen Kunst, welche
die innere Leere der Dinge nicht mit der Abstraktheit
des Männlichen gleichsetzt. Kommt Natur vor schreit
der Modernist gleich entsetzt: „epigonal“, und „das war
schon da“, oder „das ist ja nichts“. Wenn hundert Jahre
nach James Joyces „Ulysses“ - dessen letztes Kapitel
ohne Interpunktionen bleibt – jemand ein Buch ohne
Satzzeichen schreibt, hält man das für modern oder
gar Avantgarde. Bei Joyce schon könnte die Moderne
enden – wozu mit noch mehr Zerstückelung die Zeit
verschwenden? Und der postmoderne Dekonstruktivismus?
Der verkauft sich als die Überwindung moderner
Verstandesüberbewertung und dualistischen Wertetribunals.
Dabei lockt er bloß alles Logische und Lineare
in die Abstraktheit des Zentrifugals. Dekonstruierende
Relativierung lässt zuletzt nichts anderes herrschen als
das allmächtige „Ich“, das keine Kritik oder Grenze hinnimmt
und großmächtig bestimmt, was sein darf, was
nicht. Verbindliches etwa dürfte nicht sein, auf Begriffe,
die das Ich zwängen, lässt es sich nicht ein; debattiert
wird ein Abschaffen aller Definitionen, selbst das Wort
„Moderne“ will Ich nicht hören, damit jegliche Spur
verwischt wird hin zur Allmächtigsetzung des Ich und
dessen Epigonen.
Den Ich-Jüngern gilt jedes Urteil über Kunst als Geschmacksurteil
höchst persönlicher Ausprägung. Jedem
wird eine Meinung zugestanden, diese gilt als individuelle
Überlegung. Jedoch bleibt sie ohne allgemein gültige
Erwägung. So kann nicht über ästhetische Fragen
diskutiert werden, nicht einmal verbindlich nachgefragt.
Nichts Objektives existiert. nur subjektiver Geschmack.
Selbst der Begriff Ästhetik wird anrüchig. Dem, der
ästhetische Prinzipien auszusprechen wagt, wird böse
Absicht nachgesagt. Wer will uns Vorschriften machen?
Wer spricht von Prinzipien in der Kunst, verbindlicher
Kritik und all den anderen unanständigen Sachen? Alles
nur Einzelmeinung und ohne Gewicht. Wer anderes
spricht, dem gilt selbstverständlich unser höhnischtes
Lachen.
Paradoxerweise ist das Ich Inbegriff aller Bewertung –
hat jedoch jede Bedeutung verloren, weil mehr als seine
Einzelmeinung dem Einzelnen nicht zusteht. Für jeglichen
Disput ist’s damit zu spät. Diskussion über Kunst
abgedreht.
Allein die Tatsache, dass wer dennoch auf (s)eine (verbindliche)
Meinung besteht, ist demnach unerhörte
Anmaßung und bereits Beweis für Fanatismus, Verstocktheit,
Schuld und inhaltlichem Scheiß. Zensur
wird radikal ausgeübt, indem der Ich-Ideologe von vornherein
weiß, dass es inhaltlich nichts zu diskutieren gibt
– versucht es trotzdem wer, dann weil der sich wichtig
machen will und den Krawall liebt.
Wer gar eine „Ästhetik der Ganzheit“ verfasst, hat den
Zug der Zeit verpasst und will wohl kriminalisieren oder
ist zumindest durchgedreht. Er ist ein Krimineller, der
das Ich bedrängt: Er ist ein Nazi. Ein Romantiker, von
den Sekten gelenkt. Dem wird ordentlich was eingeschenkt.
Ich entgegne, dass die Postmoderne die Spaltung und
Trennung durch die Moderne – durch die Abendländische
Kultur – verabsolutierend durchsetzt. Die Annahme,
dass kein Begriff ein Ding vollständig benennt,
heißt zuletzt: die Trennung ist komplett. Und wo wer
nichts Verbindliches sagen kann, hat er gefälligst zu
schweigen und soll nicken ganz nett. Keinesfalls jedoch
stören den Ich-Götterreigen.
Für mich bedeutet „Freiheit“ nicht die Allmacht des Ich
mit dessen Obsession andere Menschen, Kulturen und
die Natur auszubeuten, indem Zeitgeister geschickt alles
Wertvolle in undiskutierbare, „sinnbefreite“ Begriffe
verwandeln; mir heißt Freiheit: erkennen, dass wir die
Kinder des Ewigen sind und im Glück dieser Schau voll
Mitgefühl, Solidarität und Liebe zu handeln.
Elegante Mauern errichtet heute die Kunst. Mir ist eine
Zeit vorstellbar, in der Becketts Absurdes Theater nur
müdes Kopfschütteln hervorriefe und die Lektüre der
aktuellen Land- Hand- und Augenvermesser verzichtbar
erschiene - lieber läsen junge Künstler Rilkes Briefe an
den jungen Dichter, in der ein weiser Mensch Verbindlichkeit
spricht: Rilke erinnert an die Sinne, mit denen
wir Unlogisches begreifen; statt darauf uns zu versteifen,
die sensitiven Fähigkeiten zu zertrümmern und
damit menschliche Beziehungen und individuelle Tiefe
verkommen zu lassen und verkümmern. Bald vielleicht
könnte eine Kunst sein, in der Intuition, Verständnis für
das Transzendente und lebensbejahende Gefühle flössen
froh ein.
Wie blind erweisen sich doch jetzige Künstler, wenn sie
stets am „Neuen“ sind hinten dran. Ihre Vorväter und
Mütter kämpften noch gegen die Moderne an, indem sei
als Surrealisten gegen den Logos das Banner der Phantasie
hissten. Oder als Fauvisten die Farbenpracht eines
utopischen Seins über die grauen Industrieschlote kippten
oder pissten. Heute erinnert sich keiner gerne an die
Alten. Sie malten – das allein ist schon schlecht; heutzutage
kreiert man Ideen – materielle Umsetzung schon
ist nicht recht. Und flackerte kurz ein Besinnen nach Gegenständlichkeit
auf, setzte der Kunstmarkt schnell eines
drauf. Abstraktes malt sich schneller, und verhindert die
Gefahr, Kritisches gar zu deutlich sichtbar zu machen,
vehement origineller. Und die indischen, chinesischen
und russischen Manager zeigen mit ihrem Gusto halt
gern ihre Abstammung aus der europäisch aufgeklärten,
liberalen Tradition - wie man die eigenen Leute am apartesten
ausbeutet lernten sie von uns ja schon.
Kunst verweist auf sich selbst vermittels der Codes.
Aus einer Idee etwa blase ein gewaltiges Trumm auf,
das sich die Atelierbalken nur so biegen, aus viel Müll
bastle einen fetten, schmutzigen, öligen oder sonst wie
als Fanal der Konsumwelt dienenden Turm: davon können
die Manager und sonstigen Eliten gar nicht genug
kriegen. Diese sind ja selber aufgeklärt und kritisch und
wollen eh Armut, Hunger und Energieverschwendung
besiegen.
Als das Ominöse, Unerklärliche kommt Kunst ebenfalls
gern daher: etwa ein hellblaues, unförmiges Ding
– documenta-Kuratoren schwärmten gar sehr; wie auch
nicht: das Trumm steht für die unsinnliche, abstrakte
Kultur die unwuchtig und folgenschwer in den Kosmos
hinausknallt und beim Fall in den Abgrund laut scheppert
und hallt.
Unsinniges tauscht seinen Tauschwertschein gegen
Tausende Scheine ein. Je weniger etwas praktischen
Wert besitzt, desto eher gilt es als Kunst; damit steigt
Unsinn in des Käufers Gunst. Ja, schlimmer noch: der
Tauschwert selber erscheint manifestiert in der Kunst,
sodass diese sich willig prostituiert und hörig auf einen
Aspekt des Kapitals reduziert.
Für mich ist Kunst, die das Ich verherrlicht und das
Geld, weder Horizont erweiternd noch „neu“ – sie repräsentiert
eine simpel gestrickte Lebensauffassung und
eine höchst banale und billige Welt.
Gern ferner verweist „Kunst“ auf anderes, das geltungsschwer
im Raum herumsteht – damit zeigt sie sich als
wichtig her, weil sie kolossalen Zusammenhängen auf
den Grund geht. Doch sie stückelt nur Teile mit mehr
oder weniger kulturellen Wert zusammen zur idealen
Hülle: nichts drin, aber mit Bedeutung verpackt und
angedeuteter Fülle; Unsinn zwar, aber der edel gelackt.
Heiße Luft mit viel Gewicht: das Credo Selbstherrlichkeit
als künstlerischer Akt.
Ein besonders schönes Beispiel für die Verbindung von
Codes und Ich-Kult Manifestation liegt in der Selbst-Darstellung
des Künstlers als Original, als Personifikation
der Künste und deren lebendes Denkmal. Alle Stilmittel
der Kunst werden inszeniert auf die eigene Person projiziert:
so stellt man sich als Großer dar: wenngleich das
Werk hinter der Kunstfigur zunehmend erscheint sonder-
und vernachlässigbar.
Dramatisch wird `s, wenn ein halbwegs talentierter Autor
oder Künstler sich in den Klischees der Künstlichkeit
verliert, wenn er permanent sich über seine Rolle
definiert; als Dichter und/oder Genie durch die Gegend
läuft, dabei recht viel schwätzt und noch mehr säuft und
vor allem sich ein normales Leben vorenthält – durchschaut
er den Trug, ist’s vielleicht zu spät: jede Religion
braucht ihre Märtyrer, auch die Kunstreligion – die
Vita des verkannten Genies, das Vorbild der großen
Kunstheiligen zerstörte viele Existenzen schon. Nicht
viel besser endet `s oft, hat wer tatsächlich Erfolg. Das
eigene Image frisst einen schnell auf, gerade weil es für
den Mega-Erfolg notwendig scheint: damit ist man zur
Selbststilisierung quasi verpflichtet, sodass die gekünstelte
Kunst das normale, einfache Leben überhaupt nicht
gewichtet.
Selbstinszenierung und -darstellung übrigens geht bloß
deshalb als Kunst durch, bzw. ist einer ihrer gängigsten
Codes – weil die Moderne ein Ich-Bild propagiert, das
pubertär, narzisstisch, egoistisch und grenzenlos grandios
sich präsentiert. Wobei die Kunst heute - neben dem
allmächtigen Gesetz des Marktes - als mächtige Verbündete
der Ich-Ideologie deren Ideen vorexerziert und sogar
fetischiert.
Die erdigste Hündin der Mondin lief schnüffelnd um
mich, als ich mit abgedeckten Augen im Zimmer lag,
um in den Himmel zu schauen und zu reisen. Dann
sprang sie in mich, um Aromen zu weisen. Der Name
dieser Hündin ist Instinkt: sie blieb bei mir und schenkte
Inspiration: verband die geistigen Welten mit den unterirdischsten
Schichten, wo das Mark die Erde trinkt.
Am Morgen hernach witterte ich die Frühlingsluft und
- als wäre ein siebter Sinn mir erwachsen - war ich fähig
zu erkennen: dieses Gedicht ist als Abbild nihilistischer
Leere zu benennen und dieses andere stammt aus dem
Meer, beheimatet Flut und Glut, hinterlässt mich nicht
leer, sondern tut mir gut. Und einst stieg der Himmel
zu mir herab – ich verging vor Glück, tanzte, sang und
sprang wie verrückt: Glückseligkeit durchströmte die
Welt, als sich das Halschakra öffnete. Nun bin ich Teil
der Schönheit und teilte diese freudig mit jedem, der ihr
gefällt.
Ganzheitliche Malerei mag einerseits mit neosymbolistischen
Formen und Motiven gestalten – wichtiger
aber ist, dass sie auf lebendige Farben sich besinnt, zu
ehrlichem, einfachem und wahrhaftem Malen rinnt, das
in den Pinselstrichen Lebendigkeit führt, nicht das Leben
verschüttet oder in abstrakte Räume einspinnt. Was
nicht heißt, stets sei abstrakte Malerei kontra das Leben:
bei seiner Entwicklung wird es für den Maler Phasen
der Abstraktion geben, um Erstarrtes in ihm aufzulösen.
Doch als Richtschnur kann nicht der abstrakte, nihilistische
halbe Raum dienen der abendländischen dualistischen
Männerkultur. „Ganzheit“ läuft weder auf Schienen,
noch ist ihr Raum ausschließlich das gefürchtete
Dunkel der Irrationalität, der angeblich so bösen.
Das ganzheitliche Theater stellt sich nicht selbst dar.
Verweist nicht auf die grandiose Bühnentechnik, spielt
nicht mit überbordenden Bilderwelten. Überschwemmt
den Zuschauer nicht mit Phantasmagorien an Bilderfluten,
mit der Sucht zu gelten: diese klont die besessene
Welt der Images und Konsumrangabzeichen – „ganzes
Theater“ wird davon in Einfachheit, Stille, Natürlichkeit
und Schönheit zurückweichen, wird mit archetypisch
Verbindlichem unsere Ichheit ausgleichen.
Gemäß den Prinzipien einer Ästhetik der Ganzheit ist
Kritik nicht verpönt – nichts wird verschwiegen, nichts
wird beschönt: aber dem Leben wird Vorzug gegeben vor
einer sich selbst genügenden Darstellung von Gewalt,
Zerstörung und einem dekonstruktiv versickerndem
Streben. Dabei sei an das ästhetische Prinzip „Ausgewogenheit“
gedacht: es meint die Balance zu finden
zwischen Kritik/Ironie/Provokation und Bekenntnis zur
Schönheit – auch jener der Nacht: sonst leistet Kunst
nur Vorarbeit für Zynismus und der Abwendung vom
Sein; damit fiele Kunst weiterhin herein auf den eigenen
Schein: als Ersatzreligion seit der Aufklärung wirkend,
rätselt sie an der Sinnhaftigkeit des Lebens herum,
hält die Natur und das bloße Sein für dumm und
prinzipiell die Welt für schlecht: die Kunst - gottgleich
sich gebärdend – ist nur sich selber Recht und erklärt
sich zur einzigen Erlöserin und verführt die Menschen
dazu, tiefer in die generierten Welten der Illusionen und
des Scheins einzutauchen und sich mit dem Image des
Künstlers/Dichters abzustauchen, der über dem Leben
steht, wenngleich es in Wahrheit ihm fürchterlich dreckig
geht.
Ich weiß, wovon ich spreche, deshalb darf ich auch meine
Kritik sagen: ich beabsichtige nicht anzuklagen, sondern
davor zu warnen, für gar nichts kaputt zu gehen.
Ich war selber dem Spiel der Bilder elend verfallen – nun
stehe ich nicht über allen, sondern helfe aus Liebe Illusionen
zu durchschauen und Blockaden der Lebendigkeit
abzubauen
Ganzheitlicher Tanz wird die Zerrissenheiten des individuellen
Lebens mit dem Ausdruck von Bleibendem
heilen: wie ja bereits Ausdruckstanz asiatischer Weisheit
hilft westliche Opfer des kaltherzigen Kriegs zu
entstylen. Knöcherne Körper könnten voll Anmut den
schwarzen Frauen erliegen, die wie das Wasser tanzen,
dessen Schultern sich im ewigen Wechsel der Gezeiten
und Jahreszeiten wiegen. Gemeint sind nicht die Spiegelbildfrauen
der weißen Kultur, die ihre Körper wie in
Werbeclips an die Bildschirme schmiegen, um für ihre
oberflächenglatte Musik viel Geld zu kriegen.
Literatur, die nicht ausschließlich destruktiv, dekonstruktiv
oder unterhaltungsleicht seicht daherkommt,
öffnet das ästhetische Prinzip Mitgefühl Räume jenseits
des Absurden, der bitteren Ironie und was sonst so dem
Anschein hoher Kunst frommt. Der kritischste Text wirkt
lebensspendet, spürt man ihm seine mitfühlende Orientierung
an, wenn er nicht hasserfüllt, kalt sezierend oder
resignativ sich verstrickt im alles zersetzenden Bann.
Zudem würde Lyrik als Mittlerin zwischen den Verstandes-
und den Archetypenwelten mehr gelten.
Ich lehne nicht prinzipiell die vorhandenen Kunstauffassungen
ab; es sei kritisiert, es sei dekonstruiert, es sei die
Welt in Frage gestellt: aber lassen wir offen, ob da nicht
wirkt eine Kraft, die uns anhält zu hoffen und die all das
Schlechte nur scheinbar triumphieren lässt, doch durch
der Geläuterten Lernen aus den Fehlern – und seien unzählige
Generationen betroffen - letztendlich das Gute
erschafft.
Zusammenfassung der „Ästhetik der Ganzheit“, Informationen
zu „Sonne und Mond - Verein zur Förderung
ganzheitlicher Kunst und Ästhetik“ sowie von Manfred
Stangl erhältliche Bücher unter:
www.sonneundmond.at
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch VI - IRENE ST/A/R 37
BERLIN
BERLIN
Frischer Wind für die Kunst
„G.A.S-station - Tankstelle für Kunst und Impuls.“
Wiener Künstler schaffen einen neuen Kunst-
Projekt-Raum in Berlin-Kreuzberg
Auch wenn es der Name vielleicht suggeriert, aber hier
gibt es garantiert keinen billigen Treibstoff zu kaufen.
Hinter dem Schild „G.A.S-station – Tankstelle für
Kunst und Impuls.“ verbirgt sich ein neuer Kunst-
Projekt-Raum in Berlin–Kreuzberg. Die Initiatoren und
Leiter des Projektes, Elisa Asenbaum und Thomas
Stuck, sind schon seit 1987 in den Bereichen Video,
Sound und Malerei unter dem Label G.A.S (Grafic, Art
& Sound) künstlerisch tätig. Mit der „G.A.S-station –
Tankstelle für Kunst und Impuls.“ haben sich die
beiden Wiener Künstler im multikulturellen Stadtbezirk
Kreuzberg in Berlin einen lang gehegten Traum
erfüllt.
Sechs Monate lang hatten Anwohner, Nachbarn und
Passanten in der Tempelherrenstraße neugierige
Blicke durch die Glasscheibe oder Eingangstür des
ehemaligen Schusterladens geworfen, um zu sehen,
was dahinter so eifrig gewerkelt und gearbeitet wird.
Da wurden Wände weggerissen und Fenster neu
gesetzt, alte Mauerbögen freigelegt, Stromleitungen
gezogen und der Fußboden mit alten Holzbohlen neu
verlegt. Auf 150 Quadratmetern Gesamtfläche ist ein
neuer Kunst-Projekt-Raum entstanden: großzügig,
hell, modern und trotzdem die alte Substanz in seiner
Schönheit erhaltend. Am 21. Juni 2008 konnten sich
Anwohner, Künstler und Kunstinteressierte dann von
ihren neuen Nachbarn und den Möglichkeiten des
neuen Konzeptraumes überzeugen und inspirieren
lassen. „Bon Voyage! Mit vollem Tank einen guten
Start in die Zukunft!“, schreibt die Berliner Autorin
und Filmemacherin Claudia Schmidt, mit einem
holländischen Maler eine der Eröffnungsbesucher, den
beiden Künstlern ins Gästebuch.
Schon der Name des Kunstplatzes macht deutlich, dass
es den Initiatoren Elisa Asenbaum und Thomas Stuck
um neue Impulse und Ansätze für die künstlerische
Arbeit, Inspirationen und das Anstoßen gesellschaftlicher
Debatten geht. Dem traditionellen
Leitsatz „Der Kunst ihre Freiheit“ sehen sich die beiden
Künstler verpflichtet. „Wenn es uns gelingt, den
interdisziplinären Austausch voranzutreiben und eine
Brücke zwischen Kunst und anderen Wissenschaften
zu schlagen, dann wären wir unserem Ziel einen guten
Schritt näher“, umschreibt Elisa Asenbaum ihre
Intentionen. An der Gleichsetzung von künstlerischem
Wert und Marktwert sind die Initiatoren nicht in
erster Linie interessiert, sondern vielmehr an einem
freien, inspirierendem Austausch über aktuelle,
gesellschaftlich relevante Themen mit einer kunstinteressierten
Öffentlichkeit, intellektuellen Kräften
aus allen Bereichen von Kunst und Wissenschaft sowie
Vertretern der Medien.
Im Unterschied zu einer klassischen Galerie versteht
sich G.A.S-station als Kunst-Projekt-Raum, der von
Künstlern selbst geleitet und organisiert wird. „Solche
Projekträume sind informelle Netze, die Künstlern die
Möglichkeit bieten, zu eigenen Bedingungen am
Kunstbetrieb teilzunehmen“, sagt Thomas Stuck.
Allerdings sei auch zusätzliche Förderung und
Unterstützung nötig. „Wir schaffen einen Ort zum
Austausch, eine geeignete Plattform.“ Diese bietet
eine Kooperation mit ST/A/R, auch dies eine gute
Möglichkeit, damit die neu geschaffene künstlerische
Achse zwischen Wien und Berlin immer besser in
Schwingung kommt. Jetzt muss die Plattform mit
vielfältigen Kontakten, Ideen und kreativen Impulsen
gefestigt werden.
Am 21.Oktober 2008 startet das erste Ausstellungsprojekt
in der G.A.S-station unter dem Titel
„eMOTION“ - Auseinandersetzungen rund um das
Thema Bewegung und Bewegung im Gefühl. In der
Ausschreibung wurden kreative Köpfe, Künstler,
Theoretiker und Autoren aufgefordert, Ideen und
Vorstellungen aus den Bereichen neue Medien,
bildende Kunst, Literatur oder Wissenschaft
einzureichen. Das Angebot war umfänglich. Aus
Videoarbeiten, Fotoserien, Werken der bildenden
Kunst, Installationen und theoretischen Arbeiten
wurde die Auswahl für diese Ausstellung getroffen.
Mit Hilfe ganz unterschiedlicher künstlerischer und
theoretischer Herangehensweisen ermöglichen die
Objekte ein weit gefächertes Assoziationsfeld aus Bild,
Text und Klang rund um BEWEGUNG & EMOTION.
Ina Krauß (Freie Journalistin, Berlin)
Ausstellungsdauer:
21.Oktober 2008 bis 12. Jänner 2009
Öffnungszeiten: Di-Fr 14-19 Uhr, Sa 14-17 Uhr oder
nach telefonischer Vereinbarung
Raumkonzept:
Die Räumlichkeiten der G.A.S-station bieten Platz für
kulturelle Veranstaltungen. Sie können als Studio,
Veranstaltungsort, Labor, Entwicklungsplattform für
Projekte, Ausstellungsplatz, Diskussions-, Seminarund
Präsentationsraum oder auch für private
Veranstaltungen gemietet werden.
G.A.S-station
Tempelherrenstraße 22
10961 Berlin/Kreuzberg
fon: +49 30 221 609 312 mob. +49 (0)160 995 78 158
e-mail: info@2gas-station.net
Anfahrt:
G.A.S-station befindet sich im Bezirk Kreuzberg in der
Tempelherrenstraße 22, Ecke Blücher-/Urbanstraße
und ist sehr gut an den öffentlichen Nahverkehr
angebunden. Bus: M41 direkt ab Hauptbahnhof, hält
unmittelbar vor der Tempelherrenstraße. U-Bahn-
Stationen: U1 Prinzenstraße, U6 Hallesches Tor und
U7 Gneisenaustraße sind ca. 7 min. zu Fuß entfernt.
Auto/Fahrrad: Zufahrt über das Carl-Herz-Ufer,
Johanniterstraße oder Wilmsstraße, die
Tempelherrenstraße ist eine Sackgasse.
Netzwerk:
Wer an Informationen interessiert ist, sendet bitte
eine e-mail an: info@2gas-station.net mit dem Betreff
„newsletter“.
Weitere Infos unter: www.2gas-station.net
Städteplanung / Architektur / Religion Buch VI - IRENE ST/A/R 39
ÎRENE ANDESSNER
40 ST/A/R
Buch VI - IRENE Nr. 19/2008
WIEN
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch VII - LITERATUR ST/A/R 41
DRAMA SLAM
DAS SCHLACHTEN GEHT WEITER.
von Jimmy Elend
Die Drama Slam, die neueste Form des Dichterwettstreits, die
unter der Obhut der Vitamines Of Society erst im November
2007 das Bühnenlicht der Welt erblickt hatte, zieht ihre Kreise
durch ganz Europa.
Nach der 2. Wiener Drama Slam vom 7. April, welche Sabine
Edith Braun mit ihrem POLIZEISCHLAMPENREPORT über
den Alltag in der Redaktion der Tageszeitung Österreich,
knapp vor dem abermals sehr starken Titelverteidiger Karsten
Rühl für sich entscheiden konnte, fand vom 2. bis zum 4.
Mai 2008 die erste dreitägige Drama Slam im russischen
ST/A/R Theater am Prenzlauer Berg in der bundesdeutschen
Hauptstadt Berlin statt. Sie lieferte den Beweis, dass das
Wiener Format auch außerhalb seiner Geburtsstadt Wien zur
Unterhaltung und basisdemokratischen Anregung der Massen
taugen kann.
An der ersten beiden Tagen kamen prima vista performed von
ortsansässigen Schauspielern, mit bewährt geschickter Hand
ausgewählt von Showmaster Jimi ‘River’ Lend, der es sich
nicht nehmen lies auch die erste Berliner Drama Slam selbst
zu leiten, jeweils 6 brandneue Theaterstücke, eingesendet
aus ganz Deutschland zur Aufführung und Bewertung durch
das Publikum im bis auf den letzten Platz gefüllten ST/A/R
Theater. Den Freitag entschied der Dinnertheatermann und
Lautperformer Reinhard Schmidt mit seiner Bundeswehrkritik
„Musterung“ für sich. Der Samstag gehörte knapp aber doch
dem Poetry Slammer und Lebenskünstler Tilman Birr, der mit
seinem Stück „Manfred heisst Freiheit“ tiefe Einblicke in den
gegenwärtigen Zustand des deutschen Staates gewährte: Ganz
Deutschland und seine Administration ist vom VW-Konzern
beherrscht. Ganz Deutschland? Nein. Im Teutoburger Wald
hat ein einsamer Widerstandskämpfer die freie Republik
Manfredonia ausgerufen und setzt sich gegen die Agenden
und Agenten des Peter Harz erfolgreich zur Wehr.
Am Sonntag standen sich dann Reinhard Schmidt und Tilman
Birr im direkten Duell im ebenfalls von Jimi ‘River’ Lend
ersonnenen Format des Beschleunigungslam gegenüber. In
5 sich zeitlich stetig verkürzenden Runden traten die Autoren
mit allen Texten, die sie je geschrieben hatten, unter Einbezug
der Schauspieler und auch ihrer eigenen Darstellungskraft
gegeneinander an.
Die erste Runde á 6 Minuten ging eindeutig an Reinhard
Schmidt der mit technisch ausgefeilten Requisiten ein Stück
Zukunft im russischen Theater materialisieren konnte.
Das war aber auch schon der einzige Punkt der an den
kulinarischen Dichter ging, in den weiteren Runden war
Tilman Birr nicht mehr zu stoppen und steigerte sich mit
jedem kürzer werdenden Intervall noch in literarische Höhen,
bis er mit dem letzten alles entscheidenden ‘Satz des Abends’
alles klar machen konnte:
„Vom Poeten sind es nur mehr 2 Mitlaute zum Proleten“
So wurde Tilman Birr zum Champion der ersten Berliner
Drama Slam und sein Text, wird wie auch der Text von Sabine
Edith Braun in der Übersetzung von UHCR* Wladimir
Jaremenkon Tolstoj an der ersten russischen Drama Slam
am 28. & 29. August in der Ostseemetropole St.Petersburg
teilnehmen. Schon läuft die Ausschreibung und Dichter von
Wladiwostok bis Jekatarinenburg von Sotchi bis zum Franz-
Josefsland sind aufgerufen ihre Texte einzusenden und sich
im Theater des Dostojevski Museums in den russischen
Dramenhimmel zu schreiben.
Das deutschsprachige Publikum wird die besten russischen
Texte im Zuge der jetzt vierteljährlichen Drama Slam im
Wiener Ensembletheater in der Übersetzung der Drama-Slam-
Organisatorin Valie Airport zu hören und sehen bekommen.
Und auch die Berliner werden sich ab Herbst auf 2 neue
Drama Slams freuen können.
*UHCR= Unser Herr Chef Redakteur
by Oskar Krauss
Russland berichtet
über Heidulf
Gerngross.
„KUBISTEN
MACHT EUCH
RUNDER!“
Rechts im Bild
mit Rafaela Tengg
42 ST/A/R
Buch VII - LITERATUR Nr. 19/2008
KUBISTEN, MACHT EUCH RUNDER!
aus dem Russischen von Vallie Göschel
Einen der Schlüsselmomente der „Langen Nacht der
Museen“ im St. Petersburger Dostojewski-Museum
stellte der feierliche Übergabeakt der vom bekannten
österreichischen Architekten Heidulf Gerngross gestalteten
Fassadentafel dar. Das ganze begann im Jänner, als Gerngross
und Wladimir Jaremenko-Tolstoj die österreichische
Zeitung ST/A/R im Dostojewski-Museum präsentierten.
Zu diesem Zeitpunkt existierte das Dostojewski-Museum
ohne Fassadentafel, da diese mehrmals von Fans des
Dostojewski-Museums entwendet worden war. Gerngross
erbot sich, dem Museum eine Archiquanten-Tafel, einer von
Heidulf Gerngross eigens entwickelten Form, zu schenken.
Wir nahmen dieses bemerkenswerte Angebot mit Freuden
an, da wir der Auffassung sind, dass der große russische
Schriftsteller Dostojewski der gesamten Welt gehört. An der
Renovierung des Theatersaales des Museums beteiligte sich
die norwegische Regierung. Nun besitzt es eine Fassadentafel
von einem österreichischen Architekten. Das Museum leitet
ein Projekt zur Schaffung eines Raumes der „Kulturen ohne
Grenzen“. Gerngross’ Fassadentafel ist der Beginn eines
neuen Projektes: „Dostojewski ohne Grenzen“.
Heidulf Gerngross brachte sechs Tafeln aus unterschiedlichen
Materialien: Marmor, Kupfer, Email, Kunststein etc., von
denen nun erstere den Weg ins Museum weist. Wir hoffen,
dass sie trotz ihrer zum Mitnehmen verlockenden Originalität,
lange den Eingang des Dostojewski-Museums schmücken
wird.
Vera Biron
P.S. Kurios mag die Tatsache anmuten, dass Dostojewski seinerzeit
den Oberst und späteren General der Pioniertruppen Alexander
Gerngross in Sibirien traf, mit dem er den Kontakt auch in St.
Petersburg aufrecht erhielt.
____________________________
Am 25. und 26. August wird mit Unterstützung des Österreichischen
Kulturforums Moskau der I. Drama-Slam im Dostojewski-Theater
stattfinden. Der Drama Slam ist eine neue, von Wien ausgehende
Form des Dichterwettstreits, in der szenische und dramatische Texte
verschiedener Autoren von Schauspielern prima vista szenisch gelesen
werden und das Publikum demokratisch über das gelungenste Drama des
Abends entscheidet.
St. Petersburg
Nähere Informationen:
http://www.myspace.com/theatertotal
und: http://www.litafisha.ru/forum/viewtopic.php?t=1633&si
d=1b0d65591347ece0f99c22f4829694f2
Musik gibt es bereits auf einigen CDs, Bragofonie-Konzerte
fanden in St.Petersburg und in Westeuropa statt.
Seit ungefähr zwei Jahren gesellen sich Internet-Übersetzungen
zu den „traditionellen“ Kulturprodukten der GG.
Videokunstarbeiten von Aufführungen des „Alchemietheaters
des rituellen Konstruktivismus“ und Vorträge speziell
eingeladener Star-Künstler/innen aus St. Petersburg und
Moskau.
Für Webcasts wurde der „Internet-Lehrstuhl der Grjasnaja
Galereja“ mit Hilfe des Medienkünstlers Sergey Teterin aus
Perm eingerichtet, der nicht nur die technische Seite der
Internet-Verlautbarungen aus dem großen Saal der Grjasnaja
Galereja bestreitet, sondern wesentlich zur Popularisierung
der GG im russischen Internet beigetragen hat.
Die Pläne der privaten nicht-kommerziellen Galerie sind
ehrgeizig. Ihre Internet-Aktivität und Gewagtheit der Vorhaben
können sich bereits mit der Mehrheit der Petersburger
Museen und Kulturzentren messen. Das Interesse an der
GG als Ausstellungsfläche sowie als professionelles Kollektiv
von Künstler/innen und Kulturoperatoren und nicht zuletzt
als Künstlerresidenz im Herzen von St. Petersburg wächst
täglich.
Neben gemeinsamen Aktionen auf dem Territorium der GG
wird im Gegenzug das „Bragofon“ im Sommer 2008 in die
USA reisen und an der groß angelegten internationalen Sound-
Art-Ausstellung „The sonic self“ in New York teilnehmen.
Grjasnaja Galereja
(von Gerald Kofler)
Die Grjasnaja Galereja, kurz GG, ist ein hot Spot der
gelebten Kreativität und von St. Petersburg. Eine
experimentelle Plattform für phantastische Ideen und
Versuchsgelände für die unterschiedlichsten künstlerischen
Vorhaben. Das Epitheton „Grjasnaja“ (dreckig) im Namen
der Galerie zielt nicht in Richtung Punk, sondern beinhaltet
den direkten Verweis auf den alten Namen (und damit die
Geschichte) der Straße, in der sie sich befindet,– so hieß die
heutige „Uliza Marata“ vor der Revolution: Uliza Grjasnaja
(Dreckige Straße).
Als Schlüsselpersonen haben die beiden Künstler Valie Airport
(Wien/St. Petersburg) und der Mikhail A Crest (St. Petersburg/
Wien) eine Künstlergemeinschaft, Ausstellungsplattform,
Museum der modernen Alchemie, Kammertheater,
Laboratorium für Gastkünstler/innen und einen „Internet-
Lehrstuhl“ ins Leben gerufen.
Valie Airport widmet sich seit mehr als einem Jahrzehnt
auf vielen Ebenen dem Gemeinsamen der Kulturen und im
speziellen der russischen Kultur in ihren offiziellen, sowie
versteckten und bisweilen geheimnisvollen Erscheinungen.
Vor vielen Jahren erwarb sie eine groß dimensionierte
Wohnung in der Marata-Straße im Zentrum von St. Petersburg
Du
und initiierte und betreibt seitdem die Grjasnaja Galereja.
Mikhail A Crest hat sich und sein künstlerisches Schaffen den
Höhen der hermetischen Kunst und der inneren Alchemie
gewidmet. Durch sein Handanlegen verwandelte sich die alte
Petersburger Wohnung in die Grasnaja Galereja, einen mehr
als ungewöhnlichen Ort, der mit jedem Quadratzentimeter
beeindruckt. Selbst bekannte Petersburger Kunstkritiker
können beim ersten Besuch der GG ihr Staunen und ihre
Begeisterung nicht verbergen.
Die GG ist zum Magnet geworden, der auch
Künstlerpersönlichkeiten aus Europa anzieht, um ein-zweidrei
Monate hier zu leben und sich in die stürmischen
künstlerischen Aktivitäten zu stürzen. Jeder Gast der
Grjasnaja Galereja, der sich als Artist-in-residence hierher
begibt, wird unmittelbarer Teil des schöpferischen Kreises der
phantastischen Experimente der GG.
An der Oberfläche bestehen diese in der symbolischen,
vielfachen Destillation von Alkohol auf der Grundlage
komplexer kombinatorischer Zahlensysteme.
Ein Nebenprodukt dessen ist eine spezifische „Sound-
Kunst“; das eigens dafür konstruierte „Bragofon“ fängt die
Gärungsgeräusche ein und hält sie fest. Diese ungewöhnliche
Zu den „strategischen Partnern der
Grjasnaja Galereja gehören:
NCCA ST. PETERSBURG (NATIONAL CENTER FOR CONTEMPORARY ART)
MEDIENKUNSTLABOR CYLAND IN KRONSTADT
KULTURFONDS “SAINT PETERSBURG ART PROJECT”, NEW YORK
ST/A/R – ART MAGAZINE, WIEN
SHIFZ – SYNTHARTURALISTISCHE KUNSTVEREINIGUNG, WIEN
FARCE VIVENDI – PLATTFORM FÜR LITERATUR UND KUNST, WIEN
Kontakt der Grjasnaja Galereja: TEL. +7-812-7133056
VALIE GÖSCHL, SKYPE: VALIEAIRPORT,
MAIL:KAOSPILOT@MONOCHROM.AT,
MOB: +7-921-5544134 ODER MOB: +43-699-19717491
MIKHAIL A CREST: SKYPE/YAHOO: ARXENEKROHEN,
MOB: +7-921-3304805
SERGEY TETERIN: SKYPE: SERGEY_TETERIN, MOB: +7-902-8353069
Links:
Audio/Video-Ressourcen von Mikhail A Crest:
http://www.imeem.com/people/U4wk5B3
Blogpublikationen über die GG:
http://teterin.livejournal.com/tag/gg
TV über die GG, Jänner 2008: http:
//www.youtube.com/watch?v=Cfq_P-PDPEI
Fotoreportage aus der GG: http://fotki.yandex.ru/users/
sergeyteterin/album/32868/
Valie Göschl im Magazin „Na Nevkom“: http://teterin.
livejournal.com/197456.html
WWW.TOLSTOI.RU
Nr. 19/2008 Buch VII - LITERATUR
ST/A/R 43
ELISABETH VON SAMSONOW (WIEN)
ALOIS DEMPF – FOUCAULT AUF BAYERISCH
MEINEM LEHRER STEPHAN OTTO GEWIDMET
A Zur Person
B Dempfs Konzept der „langen Geschichte“ und der
„historischen Vernunft“
C Dempfs Entwurf der Theoretischen Anthropologie
A Zur Person
Nach Ernesto Grassi trat Stephan Otto als Institutsvorstand
die Leitung des Instituts für Philosophie und
Geistesgeschichte der Renaissance an der Universität
München an. Ich habe von 1977 bis 1986, nach zwei
Orientierungsjahren an der Philosophischen Fakultät
(während derer ich Spaemann, Krings, Kuhn, Annemarie
Pieper und Höffe gehört hatte) an diesem Institut studiert,
zunächst bei Eckhart Kessler, dann bei Stephan Otto selbst,
der mich dann auch mit einer Arbeit über Johannes Kepler
promovierte. In Anschluß an die Promotion war ich mit
Lehraufträgen zu den artes mechanicae und zum Verhältnis
zwischen Astronomie und Philosophie in der Renaissance
betraut, war also auch noch einige Zeit über den Abschluß
meines Doktorats hinaus mit diesem Institut verbunden.
Ich habe Stephan Otto in dieser Zeit mehrmals bewundernd
über seinen Lehrer Alois Dempf sprechen hören. Was mir
als Studentin nicht bewusst gewesen war, war der Umstand,
dass Dempf zur Zeit meines Studiums in unmittelbarer
Nähe zum Haus meiner Tante in Eggstätt seinen
Lebensabend verbrachte und sich in so guter Verfassung
befand, dass er in der Lage war, 1981 „hochaufgerichtet“ zu
seinem 90.Geburtstag die Glückwünsche der Kollegen und
einer großen Öffentlichkeit entgegen zu nehmen, dabei
überaus kräftig die Hände der Gratulierenden drückend 1 .
Ich muß nachträglich sagen, dass ich ihm gerne persönlich
begegnet wäre, zumal ihm eine Fama vorauslief, die ihn
mir als nahen Verwandten erscheinen ließ, insofern er
nämlich durch eine Verbindung zwischen Philosophie
als Passion und seiner bäuerlicher Herkunft, wie man
berichtet, charakterisiert ist. Wenn ich jetzt in Wien,
nach vielen Umwegen, auf eine hellsichtige Einladung
des hochgeschätzten Michael Benedikt hin, der in mir
so etwas wie eine „geistige Enkelin“ Dempfs erblickte,
mich mit den Schriften Dempfs beschäftige, kommt es
mir vor, als würde der Geist meines Studiums, der Geist
der Münchner Zeit lebendig. Ich fange an zu verstehen,
in welch grundsätzlicher Weise mein eigener Lehrer
wiederum von seinem Lehrer geprägt war, was dann auch
ein Licht auf meine eigene intellektuelle Herkunft wirft,
das mir so vorher noch nicht aufgegangen war. Es ist
natürlich merkwürdig, wenn man als feministische Autorin
plötzlich eine Eloge oder kritische Würdigung der eigenen
Abstammungslinie von sehr patriarchalischen Philosophen
verfasst, in der frau, wie sie endlich zugibt, steht oder
gestanden hat. Ich will diese Gedächtnisarbeit aber auch
in dem Sinne verstehen und vollenden, dass ein Teil der
Befreiung von DenkerInnen meiner Generation hinsichtlich
institutioneller und struktureller Diktate darin besteht, die
Position der Lehrer zu erkennen und zu durchdringen, um
sie dann in positiver Hinsicht, gewissermaßen durch- und
abgearbeitet, anzuerkennen und schließlich zu lassen.
Es ist mir schließlich nicht bewusst gewesen, dass ich als
Kunstanthropologin an der Wiener Akademie der bildenden
Künste in die Nähe eines theoretischen Programms geraten
war, das von Dempf in mehrfachen Anläufen skizziert
und entworfen worden war, nämlich in die Sphäre einer
sich über sich selbst aufklärenden Philosophie, die die
Trauer über die Unmöglichkeit ihrer eigenen Positivität
durch die Konjunktion mit Disziplinen zu heilen versucht,
welche über die Spezifikation „des Menschen“ verstreute
Antworten zu bieten haben.
Daß es ausgerechnet der berühmte Pater Wilhelm Schmidt,
neben Wilhelm Koppers, gewesen sein sollte, der Dempf zu
einem Ruf als Ordinarius für Philosophie an die Universität
Wien verhalf, ist, scheint mir, aus heutiger Sicht eine
folgerichtige und sprechende Tatsache. Schmidt hat sich
als Ethnologe um den Beweis bemüht, dass die „Wilden“
allzumal fromm seien und an einen Himmelvater glaubten.
Auch wenn seine einseitige Lektüre der ethnographischen
Aufzeichnungen heute als radikal überholt gilt, so findet
man doch in den umfangreichen Schriften interessante
Quellen. Seine Deutungsabsichten wirken auf uns heute
naiv und es fällt nicht leicht, sie in ihrem, wenn auch
begrenzten Wert, für die damalige Perspektive auf das
Fremde zu würdigen. Jedenfalls war Schmidt betört vom
1 Vincent Berning und Hans Maier (Hg.): Alois Dempf. Philosoph, Kulturtheoretiker,
Prophet gegen den Nationalsozialismus, Weissenhorn 1992, S.5
(Vorwort der Herausgeber)
Elisabeth von Samsonow in Jerusalem
Studium des Fremden und damit in gewisser Hinsicht
wahrer Kollege Dempfs, dessen anthropologische
Skizzen immer auf die Vereinigung der bruchstückhaften
Kenntnisse menschlicher Selbst - und Fremdbeschreibung 2
ausgehen. Die Erträge, die die Ethnologie den
substanziellen historischen Kenntnissen Dempfs zur
Seite zu stellen hätte können, sind von ihm bestimmt in
ihrem Wert erkannt worden. Schmidt war es auch, der
sich bemüht hatte, „dank seiner vielen internationalen
Beziehungen(,) verschiedene Rufe ins Ausland (zu)
vermitteln, auch mit dem Angebot der amerikanischen
Staaatsbürgerschaft“ 3 .
Daß Dempf die Mehrheit der Stimmen der
Fakultätsmitglieder für seine Berufung nach Wien erhielt,
hängt kurioserweise auch damit zusammen, dass etwa der
Historiker Heinrich von Srbik aus Unkenntnis des Textes
das Hauptwerk des Kandidaten („Sacrum Imperium“) für
eine „großdeutsche“ Schrift hielt. Dempf selber gab an,
nach dem biographischen Zeugnis seiner Tochter , von
dem „philofaschistischen“ Klima im Kulturleben Wiens
überrascht gewesen zu sein. Für sein Zwangspensionierung
im März 1938 war wohl Dempfs Mitarbeit bei der
faschismuskritischen Untersuchung „Studien zum Mythos“
Rosenbergs verantwortlich, die dann von einem Gestapo-
Agent eben nicht missverstanden worden war. Nach
Kriegsende wird Dempf wieder nach Wien geholt, liest dort
bis zu seinem Umzug nach München bis 1950. Ab 1949
ist er Ordinarius an der Ludwig-Maximilians-Universität;
er beginnt, regen Austausch mit Kollegen und Forschern
zu pflegen, darunter die „Junge(n) Freunde(n), die seine
Forschungsarbeit fortsetzten“ 4 , namentlich Stephan Otto - ,
mein späterer Lehrer - , Rainer Specht, Hermann Krings.
2 s. Alois Dempf: Theoretische Anthropologie, Bern 1950, S. 192-201 (Kap.V
Fremderkenntnislehre und Charakterologie)
3 Felicitas Hagen-Dempf: Alois Dempf – ein Lebensbild, in: Vincent Berning
und Hans Maier (Hg.): Alois Dempf, a.a.O., S.17
4 Alois Dempf: Theoretische Anthropologie, a.a.O., S.20
B die lange Geschichte
Der Schlüssel zu Dempfs Philosophie ist sein Konzept der
Geschichte. Seine Idee einer „langen Geschichte“, über
welche er sich profunde Kenntnis anzueignen trachtete,
rückt auch seinen Katholizismus in einem neuen Licht.
„Goethe verlangte, dass man sich von 3000 Jahren
Geschichte müsse Rechenschaft geben können, jetzt sind
es 5000 Jahre!“ 5 Selbst in einem seiner späteren Beiträge,
nämlich zu einer Festgabe für Eric Vögelin zu dessen
60.Geburtstag, fordert er in einem gerade dreieinhalb
Seiten langen Beitrag, dass man endlich die Frage zu
beantworten habe, „was für Stämme in den ersten Staaten
zusammengefasst werden sollten und wer dies konnte.“ 6
Diese Frage “wer dies konnte“ spiegelt das Motiv von
Dempfs Hauptinteresse an der Geschichte wider. Als
Gegenbewegung zu einer Dialektik der Geschichte oder
zu Modellen evolutionärer Geschichtslogik setzt er die
„universale Personalität“, das sich mit der Welt verbindende
Selbstbewusstsein in der Vielzahl seiner Schichtungen,
welche sich am Leitfaden der Selbsterkenntnis und der
anwachsenden Fülle der Aspekte und Potenzen derselben
selbstbestimmt als Geschichte hat 7 . Diese universale
Personalität ist wohl auch in einer Auseinandersetzung
der Geistes begriffen, deshalb auch reagierend und
eben in systembildenden Prozessen auf dem Wege
zu seiner Entfaltung, aber doch immer vollständig
selbstverantwortlich und frei. Dempf antwortet mit seinen
Entwürfen auf die, wie er selbst schreibt, 150 Jahre des
heroischen Versuchs, eine kritische Geschichtsphilosophie
5 Alois Dempf: Die unsichtbare Bilderwelt. Eine Geistesgeschichte der Kunst,
Einsiedeln-Zürich-Köln 1960, S.7
6 Alois Dempf: Probleme der Genesis der Hochkulturen, in: Politische Ordnung
und menschliche Existenz. Festgabe für Eric Vögelin zum 60.Geburtstag,,
hg. von Alois Dempf, Hannah Arendt und Friedrich Engel-Janosi,, München
1962, S.144
7 „Der Mensch ist das höchstorganisierte, selbstbewusste Wesen, das sich
charakteristisch entfaltet, also frei gesellschaftlich und geschichtlich lebt“ Alois
Dempf: Theoretische Anthropologie, a.a.O., S.10
S.46 >
Städteplanung / Architektur / Religion Buch VII - LITERATUR ST/A/R 45
Elisabeth von Samsonow:
Mary Magdalene’s Re-Immigration Center, Jerusalem
Wunderbare Reise einer Statue
Zu einer Reise aufbrechen, im Sommer, am besten dorthin, von woher einem die
interessantesten Nachrichten entgegenkommen. Es wird ein großer Reisekoffer
hergestellt, eigentlich ein Sarkophag oder eine Couchette: ausgepolstert,
verziert, mit Satinbettwäsche in leuchtendem Rot und Gelb. Es gibt auch Kleingepäck,
ein Kosmetiktäschchen, Parfumflakons. Eigentlich handelt es sich im Falle der Reise
meiner Statue um eine „Heimkehr“. Denn wenn man es im Licht ihrer Geschichte
betrachtet, ist Maria Magdalena, geboren in Magdala am See Genesareth, keine „natürliche
Französin“. Auch wenn sie bei Marseille mit ihrem Schiffchen gelandet und dann viele
Jahre in einer Grotte im Massiv La Sainte Baume verbracht hat, schließlich ihre Gebeine
in St-Maximin-La Sainte Baume bzw. in Vézélay gelassen haben soll, war sie vielleicht
Frankreichs prominenteste Immigrantin. Die Geschichten wandern mit den Leuten,
Maria Magdalenas Geschichte hatte von da an ihr Zentrum nicht mehr zwischen See
Genesareth und Jerusalem, sondern in „Europa“. Das Exil Maria Magdalenas entspricht
dem Exil des Weiblichen in der Geschichte. Die Reise nach Jerusalem meiner Statue dreht
diese Geschichte symbolisch um. Gibt ihr eine neue Drehung. Markiert einen neuen
Punkt Null. Von hier aus, von diesem bestimmten Ort aus an der Stadtmauer Jerusalems
zwischen dem Damaskustor und dem Herodestor, kommt jetzt ein neuer Impuls. An diese
Stelle wurde die Statue in einer feierlichen Prozession getragen, mit Musik begleitet, von
einer Gruppe von Leuten umgeben, die in den Händen weiße Lilien und Teppichklopfer
hielten. Hier, an dieser ausgesuchten Stelle, wurde der „Sendemasten“ aufgestellt, die
Statue, der Apparat, der Echo-Emitter, die Informationskonserve, die unsterbliche Mumie.
Eine Heimkehr nach ungefähr 1956 Jahren (wenn man dem Kalender Glauben schenken
will). Eine späte, aber angemessene Ehrung und Feier.
Die Skulptur, die in der zeitgenössischen Kunsttheorie auf Grund mangelnder Kriterien
und und Kategorien ausgelassen wird, um nicht zu sagen: gesnobbt, besitzt für solche
Operationen, wie ich sie im Sinn hatte, unüberbietbare Vorteile. Insofern sie einer
transhumanen Chronik angehört (Dendrochronie oder Geschichte der Bäume) haftet
ihrem „Fleisch“ etwas Objektivierendes an. Der Geschichte der Bäume zuzugehören heißt,
reine Genealogie zu sein, reine Evolution, reine Erdlogik, Aufgehen im Metabolismus.
Jede Skulptur ist im eigentlichen Sinne „Transplantation“, Ortswechsel der Pflanze.
In dieser Transplantation bleibt aber die Pflanze bzw. ihre Gedächtnisbatterie (der
Stamm) innerhalb der Echosphäre der Erde (biotopisch). Das Lindenholz nimmt die
Information und hält sie zurück, anders und langsamer als Wasser. Holz ist daher der
vornehmste Operator einer Tiefengeschichte, einer longue durée, die menschliches,
nicht mehr nur geologisches (wie beim Stein) Geschichtsformat besitzt. Die Bedingung
der Möglichkeit von Gedächtnis ist die elektromagnetische Interferenz des Erdfeldes
mit ihren „Kleinkörpern“. Der Lindenstamm, der von uns verschickt und in Jerusalem
herumgetragen wurde, wechselt (als Transpflanze im Transport) das Echofeld und
hält seine Maria-Magdalena-Information (eine Form haben heißt: einen Zweck haben,
griech. Entelechie) in das Feld hinein. Das ergibt eine neue Interferenz, eine neue
Gedächtniskonstellation.
Maria Magdalena taucht auf, um einen neuen Nullpunkt zu generieren. Die
Gedächtniskonstellation zu verändern heißt eine neue Geschichte zu erzählen. Die
neue Geschichte ist die des Ausgleichs. Es ist die der Balance zwischen Männlich und
Weiblich, nicht weniger als die Verkündigung der Gleichwertigkeit des Verschiedenen:
zwei Hälften (Teppichklopfer/Lilie), die kybernetisch aufeinander reagieren. Es gibt
auch ein Evangelium der Maria Magdalena. Der Teppichklopfer, ein unmittelbar an den
Haushalt verweisendes Instrument, steht für das Weibliche, sofern damit Innerlich,
Intimes, Häusliches, Privates gemeint ist. Ein in einer Prozession im öffentlichen
Raum mitgeführter Teppichklopfer ist, wie Lacan sagen würde, nicht an seinem Ort.
Der Teppichklopfer erhebt also eine Forderung, erstens die Disjunktion zwischen
Weiblichkeit und Häuslichkeit, und zweitens die Konjunktion zwischen Weiblichkeit und
Öffentlichkeit. Der Teppichklopfer ist der provisorische Signifikant. Der Teppichklopfer
ist meistens als schöner Knoten ausgebildet, was ihm einen einzigartigen ästhetischen
Reiz gibt. Ferner steht er als Knotendarstellung mit anspruchsvoller Knotenmathematik in
Beziehung. Und diese Mathematik verweist natürlich auf eine komplexen Diagrammatik
des Raumes, die unweigerlich sowohl BildhauerInnen wie ArchitektInnen in ihren Bann
zieht wie ein „Traktor“.
Die Form der Statue der Maria Magdalena ist selbst aus zwei sich ineinander schlingenden
langen Linien entwickelt. Die gesamte Figur wird von sich schlängelnden Linien wie
von hölzernen Oszillogrammen bedeckt. Damit drückt sie ein „Erdwissen“ aus oder die
Technologie des Lebendigen, das sich im Schlängeln der Kräfte und Informationen, in der
Integration des Bipolaren realisiert. Maria Magdalena verkörpert den idealen Moment, den
Drehmoment, der die Bewegung (wieder) anstößt. Sie wird nicht ohne Grund als Apostola
Apostolorum bezeichnet. Stellvertretend bewegt wieder sie die „weibliche Angelegenheit“.
Jetzt, wo sie wieder zurückgekommen ist und öffentlich in Jerusalem gezeigt wurde, ist
das Exil des Weiblichen beendet.
SAMSONOW
46 ST/A/R
Buch VII - LITERATUR Nr. 19/2008
> S.43
deduktiv und induktiv zu begründen 8 . Man erkennt sehr
schnell, wie tief und effizient die Schulung Dempfs an Kant
und Hegel gewesen ist, insofern sich in dem gesamten
Werk ein gewisser Überdruck mitteilt, zum System zu
kommen bzw. die Elemente oder Begriffe systematisch
zusammenzustellen . Dempf bleibt in dieser Hinsicht
ein Kind des späten neunzehnten und beginnenden
20.Jahrhunderts, radikalisiert aber seine Fragestellungen
zunehmend. Seine Verbindung zu Eric Vögelin tritt
zunehmend deutlich hervor. Was als Geschichtstheologie
oder Geschichtsmetaphysik im Sinne Hegels als Problem
gestellt war, wird zur Geschichtsphilosophie und und
zur politischen Theorie umgestaltet. Dempfs frühe
Arbeit „Weltgeschichte als Tat und Gemeinschaft. Eine
vergleichende Kulturphilosophie“ kündigt bereits einen
Ansatz an, der sich nicht mehr aus der Perspektive der
Sicherung von Heilsgeschichte versteht. Die Einsicht in
die Dynamik von Gruppen- und Staatenbildung, stets
auf dem Hintergrund der „universalen Persönlichkeit“
überwiegt längst die Tendenz, geschichtsteleologisch
eine bestimmte Gruppe zu privilegieren. Das relativiert
seinen Katholizismus noch einmal, abgesehen davon,
dass überhaupt das Beste mit ihm getan hat, was sich
aus ihm ableiten lässt, nämlich ihn als anti-ideologische,
anti-dogmatische, antifaschistische Bastion in Anspruch
zu nehmen. Über die Zusammenhänge der Linien
und Strukturen der Religionen untereinander, die ihn
außerordentlich interessieren, schreibt er bisweilen
Überraschendes: „Das wichtigste Hindernis, daß man
solange die seit zwei Jahrhunderten, seit Vico, in der
Luft liegenden Entwicklungsgeschichte der einzelnen
Kulturkreise nicht systematisch durchgeführt hat, ist
die Eigenart des altchristlich-islamischen Kulturkreises,
den man nicht in seiner Einheit erkannte, weil man
Christentum und Islam als zwei völlig getrennte Religionen
auffaßt, statt den Islam als eine allerdings schroff
differenzierte Konfession des Christentums anzusehen, die
sich von ihm nicht wesentlicher unterscheidet als etwa der
Kalvinismus vom Katholizismus.“ 9 Derlei Überlegungen
lassen zumindest das klare Bewusstsein der historischen
Kontingenz der Religionsentwicklung im institutionellen
und anthropologischen Sinne sehen. Die Prozesse, in
denen sich ein, wiederum in sich gespaltenes und um
Glaubenssätze ringendes (Monophysiten, Arianer etc.)
Christentum herausbildete, werden von Dempf in einer
ausgereiften Schrift aus dem Jahr 1972 wieder thematisiert
und in umfangreichen bzw. weitreichenden Überlegungen
dargestellt 10 . In der Einleitung legt der Autor Rechenschaft
über die Geschichte dieser Disziplin, über ihre Methoden
und ihre Ziele ab 11 . Wiederum tritt deutlich sein Interesse
an einer Systematisierung und Schematisierung der
organisierenden Kräfte zutage 12 . Die Religionssoziologie
verfolgt ihm dabei einen ähnlichen Zweck wie die
Wissenssoziologie, mit dem Unterschied, dass in der
Religionssoziologie die die Gruppe konstitutierenden und
verpflichtenden Erkenntnisse unmittelbar ethisch und
politisch relevant werden. Die Wissenssoziologie hingegen
wird Dempf in ihrer „außerordentliche Bedeutung (…..)
für das Verständnis der steigenden Freiheit des Menschen
und seiner eigenen Verantwortung für die Lenkung der
Geschichte“ 13 heraussstreichen.
C ANTHROPOLOGIE
Dempfs „Achsenzeit“ ist die Aufklärung, die er als letztes,
sich naiv selbst deutendes Stadium der Geschichte versteht.
„Die ganze Philosophie war ja neben dem seit der
späten Aufklärung sich durchsetzenden Positivismus
der mechanistischen Naturauffassung nur mehr ein
‚Reich der Phantasie’, das als ein zweites Stadium der
Geistesentwicklung nach der Religion und mit ihr als
überholt galt. Nun hat das gewaltige Wachstum des Baumes
der exakten Wissenschaften zu einer neuen Gesamtlage des
geistigen Lebens geführt.“ 14
Dempf hat, wie man dem Zeugnis der Biographen
entnehmen kann, zunächst auf Drängen seines Vaters
hin Medizin studiert, immerhin einige Semester
(die ihn dann zum „Unterarzt“ während des Zweiten
Weltkrieges qualifizieren sollten). Seine Empfänglichkeit
für die Bedeutung des Biologischen ist auch auf diesem
Hintergrund begreiflich 15 , ganz abgesehen von der
8 Alois Dempf: Theoretische Anthropologie, a.a.O., S.42
9 Alois Dempf: Weltgeschichte als Tat und Gemeinschaft. Eine vergleichende
Kulturphilosophie, Halle (Saale) 1924=Forschungen zur Philosophie und ihrer
Geschichte, hg. von Hans Meyer, Band I
10 Alois Dempf: Religionssoziologie der Christenheit. Zur Typologie christlicher
Gemeinschaftsbildungen, München-Wien 1972
11 ebda., S.7-14
12 s. Schema S.13, ebda.
13 Alois Dempf: Theoretische Anthropologie,a.a.O., S.45
14 Alois Dempf: Die Weltidee, Einsiedeln 1955, S.60f
15 „(…)mit dem genetischen Verstehen der geheimnisvollen Menschennatur
(ist) eine Einbruchsstelle in das uralte Menschenrätsel zu finden“, Alois Dempf:
Kierkegaards Folgen, Leipzig 1935, S.193.Um diese „Einbruchsstelle“ habe sich
vor allem as 19.Jahrhundert bemüht.
Bedeutung, die Dempf in historischer und theoretischer
Hinsicht besonders dem französischen Vitalismus in seiner
Funktion als nostalgische Reaktion auf das Scheitern der
Aufklärung und des Systems in der Philosophie zuweist.
Neben der Erkenntnis des historischen Bewusstseins
bzw. als Korrelat zu ihr, ist also nach Dempf die neue
philosophische Aufgabe in der Synthese zweier bisher
disparat gebliebener Linien des Denkens zu sehen,
nämlich in der Verbindung von Individuation und
Spezifikation 16 . In der Lösung dieser Aufgabe hat Dempf
einen bemerkenswert originellen Schreibstil „erfunden“,
der ähnliche Lösungsansätze, wie beispielsweise diejenigen
von Gehlen, Plessner oder auch Spengler, Toynbee oder des
von ihm geschätzten Borkenau poetisch überbietet:
„..der Stehfuß, die Arbeitshand und der Redemund sind
Organe der Geistseele. Der innere Organisationsgrund
ist nicht eine selbständige zweite Natur, auch er steht
nur als Organisationszentrum im Dienste der Geistseele.
Der Gemeinsinn ist das Auszeugemittel als plastisches
Funktionszentrum.“ 17 . In seiner Schrift „Theoretische
Anthropologie“ entwirft die Koordinaten für eine
zukünftige Wissenschaft vom Menschen, zu denen er
sinnenfällige Figuren zeichnet, wie beispielsweise die
Figur I, die „Umwelt“, „Innenwelt“ und „Organisation“ in
einer Zusammenschau von Üxküll und Haecker vereinigt,
wobei unter „Organisation“ die merkwürdige Begriffsreihe:
Werkzeuge Merkzeuge Lebzeuge 18 zu finden ist. Diese
Zeug-Klassen lassen durchaus an Heidegger denken. Aus
den Zuweisungen höherer Kompetenzen an die Zellnatur,
die Dempf, nach Johannes Müller und Joseph von
Görres, als „Autonom“, als „ein selbständiges Zentrum“
anerkennt 19 , folgert er eine Reihe von Forderungen an
die Philosophie. „Der biologische Organisationsbegriff
ist vertieft worden durch die Lebensplanforschung. Die
Menschenart ist bestimmt durch die Zusammengehörigkeit
von Denkvermögen, Ichbewusstsein und Welthaben. 20
Etwas ernüchtert allerdings durch die Vorstellung, wie und
ob denn in der institutionellen und gemeinschaftlichen
Produktion von Wissen diese Synthese durchgeführt
werden könnte, setzt Dempf hinzu: „(..) aber der
Monstrekongreß der Philosophen kann nicht noch durch
einen Übermonstrekongreß aller Forscher überboten
werden.“ 21 Die Entwicklung des historischen Bewusstseins
legt Dempf also parallel zum Scheitern der Aufklärung
an, gewissermaßen als ihren eigenen Trauer- oder auch
Bereinigungsaspekt, welcher zugleich die schwerste
Krise der Philosophie auf Dauer gestellt habe 22 . Wo die
Gewißheit der philosophischen reinen Prinzipien verloren
war, wucherte sozusagen der Baum des historischen
Bewusstseins in seinen vielfältigen Verzweigungen, welches
Geäst erst in der „morphologischen Anthropologie“ 23 zur
Erkenntnispflege kommt. Es war also für Dempf dieses
überdifferenzierte Wachstum, die „spezialwissenschaftliche
Krisis der Menschenlehre im 19.Jahrhundert“ 24 ,
deren Folgen zu tragen und durch die Philosophische
Anthropologie zu kompensieren sind. Die geforderte
Vereinigung der Philosophie mit der Biologie und der
Wissenschaft der sinnlichen Organisation, die ihn in Gestalt
der Lehren von Helmholtz und Wundt großen Eindruck
gemacht haben 25 , lässt er also erst in dem Moment zu, in
dem der „dogmatische Schlummer“ bereits beendet ist,
d.h. in dem Augenblick, der dann genau die Geburtstunde
der Philosophie als Theoretische Anthropologie ist, und
zwar aus dem Grunde, daß die immer nur impliziten
Erstannahmen der Metaphysik als Weltanschauung
kritisch durchforstet und durchschaut werden müssen.
Das bedeutet, dass die Philosophie des historischen
Bewusstseins sich nicht nur mit den „Naturwissenschaften
vom Menschen“ zu hybridisieren, sondern über die
Integration dessen, was im weitesten Sinne Mythos
und Religion heißt, über die impliziten Menschenbilder
(„transzendentale Poetik“ 26 ) zu verständigen hat.
„Das ist also die entscheidende erkenntnistheoretische
Vorfrage einer jeden Wissenschaftstheorie überhaupt.
Wie weit ist…unser vermeintlich rein positives,
mathematisch-physikalisches Denken anthropomorph?
Können wir unseren Schatten überspringen? Können wir
unsere eigene Sinnes- und Geistorganisation verstehen,
unsere biologisch bedingte Orientierung in der Welt
und unter den Mitmenschen und Lebewesen, unter
Gebrauchsgegenständen und unbelebten Dingen vielleicht
16 Alois Dempf: Die Einheit der Wissenschaft=Urban-Bücher, hg.von Fritz
Ernst und Karl Gutbrod, Nr.18, Stuttgart 1955, S.38, siehe auch S.39-42
17 ebda., S.122
18 Alois Dempf: Theoretische Anthropologie, Bern 1950, S.79
19 Alois Dempf: Die Weltidee, a.a.O., S.46
20 Alois Dempf: Die Einheit der Wissenschaft, a.a.O., S.124
21 ebda., S.117
22 ebda., S.169
23 ebda., S.175
24 Alois Dempf: Theoretische Anthropologie, a.a.O., S.15
25 Alois Dempf: Die Weltidee, a.a.O., S.17
26 „Diese transzendentale Poetik zielt auf die Kulturheroen, wie Prometheus,
und auf die Religionsstifter, nicht als Gesetzgeber, sondern als Schöpfer von
Weltanschauungen.“ Alois Dempf: Die Weltidee, a.a.O., S.69
vergleichsweise der lebensgesetzlichen Orientierung der
Tiere in ihrer Umwelt unserer Forschung unterstellen?“ 27
In der Beantwortung dieser Frage kam Dempf zu
Formulierungen, die der nicht nur geneigte oder nicht
kundige Leser ihm leicht als gläubige Naivität auszulegen
könnte: „Die Religion ist viel philosophischer als die
Philosophie. Sie allein hat ein Gesamtbild der ganzen
Wirklichkeit und des ganzen Lebens und vermag vor allem
den ganzen Menschen zu erfassen.“ 28 Die Weltbilder
aber seien in ihrer Abhängigkeit von metaphysischen
Vorentscheidungen zu erkennen, die ihrerseits die
unausgesprochenen Menschenbilder verdecken 29 . Daher
kommt der Religion gegenüber den lebensweltlich
orientierten Disziplinen eine wichtige Funktion zu. Die
integrative Verbindung, die die theoretische Anthropologie
als philosophische Disziplin sowohl zur Biologie und zur
Lehre von der Welthabe durch die Sinnesorganisation
als auch zu den Religionen herstellt, sichert sie
gewissermaßen vor der doppelten Gefahr in den Rückfall
des „dogmatischen Schlummers“. Dem Thema dieser
neuen Wissensorganisation ist Dempfs Schrift „Selbstkritik
der Philosophie“ gewidmet. Die Philosophie verwandelt
sich auf dem Boden einer doppelten, integrativen Kritik in
eine Philosophiegeschichtsschreibung, die anthropologisch
vergleichend verfährt.
Dempf hat als junger Dozent nicht nur in Bonn Max
Scheler gehört, sondern auch dessen Thesen zur
Wissenssoziologie weiter zu entwickeln versucht. Er hat die
Thesen Schelers mit denjenigen Webers zu vereinbaren
beabsichtigt, welcher ihm auch als Religionssoziologe galt 30 .
Wohl auch im Stil der Zeit hat er sich der Frage zugewandt,
wie und mit welchen Mitteln sich unterschiedliche
Gruppen („Werkgemeinschaft“) unterschiedlichen Zielen
unterstellen. In diesem Sinne findet er wesentlich zu dem,
was man als Ideologiekritik 31 und Weltanschauungskritik
bezeichnet. Als Leitfaden der Untersuchung für die
Orientierung historischer Epochen und politischer Gruppen
dient ihm – darin sind seine Analysen wegweisend für
die heute sich zunehmend ins Zentrum des Interesses
schiebende Kunstanthropologie – die Auseinandersetzung
mit künstlerischen Zeugnissen. Dempf schreibt: „So
hat die Kunstgeschichte, in diesem philosophischen
Sinn verstanden, die Hauptlast der Kulturgeschichte und
der Geschichtsphilosophie zu tragen.“ 32 Auch wenn die
Durchführung vollkommen anders ausfällt, so schwebt
doch Dempf, darin Foucault ähnlich, eine Aufschlüsselung
der Institutionen über die Mittel ihrer Repräsentation vor 33 ,
die er allerdings als Ausdruck schöpferischer Intelligenzen,
als Ausdruck der historischen Vernunft setzt. Die
Institutionenlehre ist geknüpft an die Ikonologie, an die
Bilderwelt, die „Bildungsmacht“ wird 34 .
Dempf hat in hohem Alter noch an einer Synthese
seines anthropologischen Konzeptes gearbeitet. Seiner
Vorgabe, man habe sich in einen Horizont von mindestens
fünftausend Jahren zu bewegen, hat er sich weiterhin
verpflichtet, auch wenn die fortschreitende Zeit ihm neue
Aufgaben, neue Autoren, neue Blickwinkel erschloß. Das
Monument einer „Problemgeschichtlichen Synthese“
unter dem einfachen Systemtitel „Metaphysik“ wurde
erst posthum veröffentlicht, nach einer Redaktion und
Ergänzung des Manuskripts durch seine Frau Christa
Dempf-Dulckeit 35 . Es beginnt natürlich auch diese Schrift
mit den antiken Weltlehren und bezieht, in der Krümmung
extrem weiter argumentativer Bögen, schließlich etwa
die neuesten Erkenntnisse der Physik – die Thesen Ilya
Prigogines – ein. An diesem Werk lässt sich noch einmal
ablesen, was es bedeutet, auf sich zu nehmen, das Feld der
historischen Vernunft zu beackern. Es wird nämlich immer
größer, während man noch ackert.
27 Alois Dempf: Theoretische Anthropologie, a.a.O., S.17
28 Alois Dempf: Religionsphilosophie, Wien 1937, S. 9
29 Alois Dempf: Theoretische Anthropologie, a.a.O., S.18
30 „Wenn zu Anfang unseres Jahrhunderts dem historischen Materialismus
eine höhere Auffassung gegenübergestellt werden sollte, musste sie selber
von der Wirtschaftslehre ausgehen und Geist, Sittlichkeit und Religion mitten
im Kampf der Lebensmächte zeigen. Nur ein Wirtschaftshistoriker konnte
diese Aufgabe erfüllen, der zugleich den ganzen Stoff der Religionsgeschichte
beherrschte und noch dazu die gewaltige zusammenschauende Kraft besaß,
alle Konstellationen der Kulturgeschichte zu überblicken, Max Weber.“ Alois
Dempf: Religionsphilosophie, a.a.O., S.26
31 s. dazu : Alois Dempf: Staatsphilosophie in Spanien, Salzburg 1937,
besonders die Einleitung, in der er der Ideologiekritik die Methodenkritik zur
Seite stellt, S.9f; ebenfalls: Theoretische Anthropologie, a.a.O., S.217-219
32 Alois Dempf: Die unsichtbare Bilderwelt,a.a.O.,S.19
33 „Das ist die methodische Aufgabe, Verbindung von Institutionenlehre und
Ikonologie. Das ist mehr als das, was man gewöhnlich Soziologie der Kunst
nennt (…)“ Alois Dempf: Unsichtbare Bilderwelt, a.a.O., S.23
34 ebda., S.22
35 Alois Dempf: Metaphysik. Versuch einer problemgeschichtlichen Synthese,
in Zusammenarbeit mit Christa Dempf-Dulckeit=Elementa .Schriften zur Philosophie
und ihrer Problemgeschichte, hg.von Rudolph Berlinger und Wiebke
Schrader, Band XXXVIII, Amsterdam 1986
Nr. 19/2008 Buch VII - LITERATUR
ST/A/R 47
Auszug aus:
„AN DEM TAG, ALS ICH MEINE FRISEUSE
KÜSSTE, SIND VIELE VÖGEL GESTORBEN“
von Josef Kleindienst
11556.
Krieg war ausgebrochen.
Ein ganzes Kommando Slowaken war in
der Nacht über die Grenzen gekommen,
hatte Dörfer niedergebrannt und war
dann wieder nach Hause gegangen. Der
slowakische Präsident entschuldigte sich für
diesen bedauerlichen Vorfall und versprach
Wiedergutmachung.
Aber noch in derselben Stunde waren die
Unsrigen ausgerückt und legten Bratislava in
Schutt und Asche. Mir war das egal. Bratislava
gefiel mir nicht sonderlich.
11556
Wieder nichts. Ich spucke aus dem Fenster
und habe wieder nicht getroffen. Ich bin
erschüttert.
115559
Ich gebe mir eine Spritze und verspüre eine
angenehme Entspannung.
11558
Ich gebe mir noch eine Spritze und kratze
mich am Ohr.
115556
Eine Kleine Nachtmusik erklingt aus dem
Radio. Ich bin gerührt.
2004
Zwei Tage hat das Telefon nicht geläutet. Ich
bin verzweifelt. Hat mich die Welt vergessen?
22089
Heute bin ich aufgewacht und habe mir
gedacht, ich muss dieser Welt den Krieg
erklären mit allen mir zur Verfügung
stehenden Mittel. Ich schaue aus dem Fenster
und spucke. Ergebnis egal.
Ich ziehe mich zurück und warte noch zwei
Tage auf einen Anruf.
Dann klingelt das Telefon, ich gehe aber nicht
ran.
Erst nach weiteren zwei Anrufen hebe ich ab.
„Hallo, wer da?“ „Ich bin es Santa Claus.“
„Santa Claus, wie nett, dass du an mich
denkst, du meine Santa Claus, du.“ Mit Santa
Claus habe ich eine innige Verbundenheit.
Ich hatte sie einmal getroffen und sofort
gewusst, dass ich eine Seelenverwandte
gefunden habe. Santa Claus hat das nicht
so gesehen. Aber ich habe sie so lange
terrorisiert, bis sie das eingesehen hat. Jetzt
sind wir glücklich. Santa Claus ruft mich alle
2 Monate einmal an. Und ich rufe sie einmal
im Monat an und erkläre ihr immer, wie gern
ich Sex mit ihr hätte.
Aber sie hat genug Sex, klärt sie mich jedes
Mal auf. Auch schön.
114432
Heute ist mein Tag. Ich laufe in die Trafik
und kaufe mir ein Rubbellos.
11232
Ich brauche auch einen Job, einen verfluchten
Job. U-Bahn-Fahrer dürfen den ganzen Tag
im Kreis fahren und können Pornos lesen.
11222
Transformation. Eine E-Mail hat mich nach
St. Petersburg geschleudert. Hier soll es
Killer zum Saufüttern geben, für 300 Dollar
ist man dabei, wie ich von Vlado erfahre.
Vlado hat mich vom Flughafen abgeholt, mit
einem alten museumsreifen Lada, dessen
Sitze mit hellrotem Plüsch überzogen
waren, und mich, nachdem ich mit seiner
Unterkunft nicht zufrieden war, bei der
Melonenmafia einquartiert. „You know
what is a musserfucker?“ „No idea.“ „Ein
Melonenficker“, hat er gelacht, als er mit
mir den mit Müll überfrachteten Innenhof
eines heruntergekommen Wohnhauses
betrat. Danach stiegen wir das schmale
Stiegenhaus hoch, er zeigte mir mein 7m 2
Zimmer, drückte mir den Schlüssel in
die Hand und meinte noch, ich soll mich
vor der Wohnungseigentümerin, ihrem
Liebhaber, ihrer Tochter, dem Liebhaber ihrer
Tochter und den 8 aserbaidschanischen
Melonenverkäufern, die hier ebenfalls
Quartier bezogen haben, in Acht nehmen.
112701
Bald darauf bin ich von der Melonenmafia
umzingelt. Ich komme mir vor, als hätte
ich eine Kajüte in einem überfüllten
Fischerboot bezogen. Immer wieder
Stimmen, Handyläuten, Getrampel. Ich
betrete die Küche und sehe eine brünette
Frau um die vierzig, offensichtlich die
Wohnungsbesitzerin. Sie lächelt mich
an, als ob ich schon immer da gewohnt
hätte. Sie spricht mit mir. Ich verstehe sie
nicht. Sie spricht nochmals mit mir. Ich
verstehe sie wieder nicht, sage immer nur
„spassiba“ und nicke mit dem Kopf, zeige
auf die Waschmaschine, weil ich meine
Schmutzwäsche waschen möchte, aber sie
zuckt nur mit den Achseln und verlässt den
Raum.
Ich ziehe mich ebenfalls in meinen Raum
zurück und starre auf Putin, der als
Schlüsselanhänger geliftet am Kleiderschrank
baumelt. Bald darauf Getrampel, eine ganze
Herde russischer Elefanten oder so was
Ähnliches muss sich im Nachbarzimmer
niedergelassen haben.
Wände kahl, mein Notebook an die hiesige
Telefonleitung angeschlossen, zwei
Wodkaflaschen am Tisch und irgendwelche
russischen Atommücken, die mich nachts
halb um den Verstand bringen, surren im
Raum umher. Wer hat mir bloß diese Viecher
da geschickt? Der russische Geheimdienst
möchte mich offenbar zermürben, sicherlich
Oberst Scharimenko, dem ich keinen blasen
konnte. Im Hof macht sich eine alte
Frau am Müll zu schaffen, sucht
wohl irgendeinen Computerchip,
der ihr Hungerproblem lösen soll.
Ich würde mir am liebsten Wodka
reinziehen und sonst nichts.
11309
Keine E-Mail, kein Anruf in
den letzten drei Stunden. Im
Nachbarzimmer permanentes
Handyläuten mit allen
möglichen Melodien, ist sicher
schon fünf am Morgen, wer will
jetzt noch Melonen, ich bin am
Ende, das geht jetzt schon die dritte Nacht so.
Plötzlich ein Läuten, am Apparat ein Herr
Dimitrie: „Puschkinskaya, bei den Kommis
um acht“, pfaucht er ins Telefon und legt auf.
12009
Ich verstehe kein Russisch, er kein Deutsch.
Als Erkennungsmerkmal zeigt er mir seine
Narben an den Pulsadern, zweifacher
Selbstmordversuch, und als Draufgabe noch
eine Narbe, die sich über seinen ganzen
rechten Arm erstreckt. Kaukasus. Ich bin
beeindruckt, kann mit nichts Vergleichbarem
entgegenhalten. „Macht nichts“, winkt er ab
und blättert in seinem Wörterbuch.
Ich bestelle Wodka. Er trinkt nur Bier, keinen
Wodka, „no Wodka“, worauf er ausdrücklich
hinweist.
Er ist hinter einem Affen her, hinter einem
Affen, den er kürzlich verloren hat, und
um diesen Affen dreht sich alles, erklärt
er mir. Ich starre ihn an. „Ein Affe hier
in St. Petersburg, ist das nicht zu kalt?“
„Ach was“, wiegelt er ab, „das Tier ist ganz
wintertauglich.“ Er stößt auf mich an und
ich auf seine aufgeschlitzten und nunmehr
verheilten und vernarbten Pulsadern.
„You want?”„No I stopped“, lehne ich sein
Zigarettenangebot ab. „Nicht möglich, hier in
Russland.“
1288
Okay, das Geschäft läuft, das Affengeschäft.
Permanenter Autolärm begleitet mich auf
meinem fünfzehnminütigen Heimweg. An
der Kreuzung ein Kriegsinvalide, der auf
einem Bein von einem Lada zum anderen
hopst, in seinen Händen eine kleine rote
Schüssel, in die von Zeit zu Zeit ein paar
Rubel geworfen werden. In spätestens
zwei Wochen ist er bestimmt an einer
Abgasvergiftung krepiert. Wieder zurück,
rasiert sich gerade ein Melonenverkäufer.
Keine schlechte Idee, denke ich mir und lasse
mich erschöpft auf mein Bett fallen.
23232
Die Melonenverkäufer umkreisen mich.
Wenn ich die Küche betrete, sprechen sie
allesamt gleichzeitig mit mir, offenbar eine
Art Begrüßung. Ich erwidere ein verlegenes
„Spassiba“ nicke aufgeregt und ziehe mich
gleich wieder zurück.
121212
„Da, an dieser Stelle wurde der
Vizebürgermeister von einem
Heckenschützen erschossen. Und dort auf
dem Dach wurde als Andenken an den Killer
ein kleiner Baum gepflanzt.“
1132
Ich steige aus der U-Bahn aus, laufe das
Huun-
Hur-Tu
LIEDER DES WEITEN ASIENS.
Trio Dorchi begeisterte und bannte das Publikum in Berlin
Drei Profis haben sich im Russischen Theater in Berlin mit burjatischen
und mongolischen Lieder präsentiert. Musik und Tanz waren in einer guten
Symbiose und haben viel Spaß und tiefe Erlebnisse für alle Besucher gebracht.
Marina Dorchieva, Mark Gotye und Victor Maximov haben alte burjatische und
mongolische Lieder gefühlvoll gestaltet.
Für die Solistin Dorchieva ist es das erste Konzert in Deutschland. Bisher hat die Profi -
Volksängerin aus Burjatien (Russland) große Erfahrungen in Ihrer Heimat und auch einige
Nominierungen in Großbritannien und der Slowakei.
Für die Besucher, die sich mit der russischen, beziehungsweise burjatischen Geschichte nicht
auskannten, war die Präsentation von Gabriel Schötschel interessant. Er hat die Geschichte
Burjatiens und seiner eigenen Erfahrungen in diesem magischen Land mitgeteilt.
Frühe Zeitzeugen Burjatiens sind die im 13 Jahrhundert geschriebenen Texte in „der Geheimen
Geschichte der Mongolen“. Zu dieser Zeit gab’s noch mehr andere Stämme in diesem Teil der
Welt.
Die Burjaten sind fest mit dem größten See der Welt - dem Baikal verbunden.
Er war den Leuten heilig und keiner durfte in ihm baden.
Die Bühne selber war nicht nur ein Hintergrund des Konzertes, sondern ein Teil exotischer Tradition
der Burjaten. Mann konnte typische burjatische Kostüme genießen.
Die Mitglieder des „Dorchi“ Ensembles waren traditionell kostümiert.
Mimik, Gestik und Gesang waren die Stärken von M. Dorchieva, die mit ihrer schönen Stimme
die Herzen des Publikums eroberte. Sie hat nicht nur mit ihren Liedern, sondern auch mit dem
Tanz die Liebesgeschichte der Burjaten und Mongolen erzählt. Die beide Völker haben eine
lange gemeinsame Tradition, die tiefe mit ihrer Naturwelt verwurzelt ist.
Mit vielen verschiedenen Instrumenten hat der Schlagzeuger Mark Gotye in seinem schwungvollen
Spiel den magischen Bezug zur Natur hergestellt. Es gabt nicht nur die üblichen Schlagzeuginstrumente,
sondern er experimentierte gekonnt mit Klanginstallationen aus Wasser, Holz,
Metall, Wind und anderen Elementen, was im Zuschauerraum zu einer konzentrierten Stille,
selbst bei den Kindern, führte.
Mit überzeugender Virtuosität spielte der Gitarist Victor Maximov, mit verführerischer Energie
der die Lieder nicht nur begleitete, sondern auch einige Solos zum Besten gab.
Dieses Programm ist wirklich ein gelungenes Erlebnis.
Trio „Dorchi“ bereitet eine Reihe von Konzerten in Deutschland vor.
Ich kann dieses Konzerterlebnis wärmstens empfehlen.
Bald wird das Trio eine CD mit burjatischen und mongolischer Lieder auf dem Markt präsentieren.
Evelina Awramowa
Labyrinth entlang, Gänge, die nicht enden
wollen und Menschenmassen, die mir
meinen Atem nehmen und wo ist das Ziel
und überhaupt: Was ist das jetzt für ein Spiel?
Okay, Stopp, seid ihr jetzt alle verrückt, so
wird das nichts.
1556
Agenten abgeschüttelt und St. Petersburg
ohne Feindberührung verlassen.
11009
Wien.
Keine Meldung. Ruhe. Absolute Ruhe.
Ungewöhnlich.
1130
Ich beginne mich am Unterschenkel zu
kratzen. Keine Ahnung, was das zu bedeuten
hat. Draußen ist es dunkel. Ab und zu
ein Blinken in der gegenüberliegenden
Wohnung.
1135
Draußen regnet es. Herbst kommt und
wieder acht Monate keine Sonne. Zehn Jahre
in dieser Scheißstadt und nie Sonne. „Die
Stadt hat mich kaputtgemacht“, sage ich zu
meinem Gegenüber. Gegenüber: „Irrtum, du
warst schon vorher fertig. Ein Wrack, als du
die Stadt betreten hast.“ „Toll“, sage ich ihr,
„toll, dass du mir immer solche Komplimente
machen musst. I love you” Und sie zu mir:
„Spinner.“
48 ST/A/R
Buch VII - LITERATUR Nr. 19/2008
L.A. Potential
ALTERNDE DICHTER
Stetem Verebben von Leben
müssen auch sie sich ergeben.
Was sie tun, hat Hand und Fuß,
doch kennt man es zum Überdruß.
Man giert nach Leichtsinn junger Wesen,
haßt, was einst Vernunft gewesen.
Ihrem angespannten Geistesbogen
werden Juxrevolver vorgezogen.
Ihre ausgefeilten Reimereien
müssen Unerprobte ja bespeien.
Also donnert es an allen Fronten,
deren Nahen sie nur ahnen konnten.
Dichtung, Bildung, Lebensart
und Aura, die sie schaffen konnten,
zu vergessen, wäre hart.
Doch unermesslich härter ist,
daß alle Welt nun sie vergißt.
Wen wundert´s, daß sie störrisch sind,
KünstlerInnen:
Allison Cortson
David Deany
Bart Exposito
Elisa Johns
Raffi Kalenderian
Jasmine Little
Allison Schulnik
Jacob Tillman
Eric Yahnker
Kuratorin: Lioba Reddeker
EDITION 11 · LOS ANGELES
Ausstellung:
20. September bis 9. November 2008 · täglich von 09.00 - 22.00 Uhr · Hangar-7 · Salzburg Airport · Wilhelm-Spazier-Str. 7A
Weitere Informationen:
www.hangar-7.com · hangart-7@hangar-7.com · T: +43/(0)662/2197 · F: +43/(0)662/2197-3709 · www.basis-wien.at
aus Furcht, daß sie nun Abfall sind...
Okay, sie zanken int´ressant,
und mancher Schwärmer kommt gerannt,
sie zu bewundern wie ein Kind.
Doch meistens sind sie weder Vater
noch ein günstiger Berater.
Selbst die reifere Vernunft
vermischt sich ewig noch mit Brunft,
und diese wird die Jungen lehren,
alte Dichter nicht zu ehren.
Soviel nur zu „Hand und Fuß“.
Man kennt das ja zum
HÄSSLICHES ERWACHEN
Ein versauter Morgen graut.
Du drehst dich wie am Grill im Bett.
Der schlimme Abend gestern haut
dich heut erst richtig vom Parkett.
Du rülpst ins dreckige WC,
„Mich wirst du nicht verbraten, Welt.“
Du pißt und denkst: „Wie wenig Menschen
gibt es doch, auf die ich steh.“
Man sieht dich in verhatschten Patschen
struppig nach der Küche latschen.
Monolog am Küchenhocker.
Kotzen vor dem ersten Mokka.
Ein paar Schlucke kriegst du runter.
Igel tollen in den Eingeweiden.
Doch das macht auch wieder munter.
Leidend magst du dich ja leiden.
Ißt du einen Gabelbissen,
plustern diese Igel sich.
Im Magen stechen dich Hornissen.
Auch die Milch kriegt einen Stich.
L.A. Potential
Und doch: Es freut dich, nicht in einem
unbekannten Zimmer zu erwachen.
Im Spital, der Einzelzelle, deinem
Auto oder neben einem Drachen.
Du rülpst ins dreckige WC,
„Nicht viele gibt´s, auf die ich steh.“
Der Umkehrschluß entfällt bescheiden:
Dich mag auch nur einer leiden.
Christian Schreibmüller
supported by
W ien
Kultur
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch VIII - AUTOSTAR ST/A/R 49
David Staretz
schreibt, redigiert und fotografiert den Auto-ST/A/R
50 ST/A/R Buch VIII - AUTOSTAR Nr. 19/2008
Nr. 19/2008 Buch VIII - AUTOSTAR
ST/A/R 51
Mit der Corvette bis ans Ende der Alten Welt
GO WEST ...
ABER SETZ DIR WAS AUF!
Wir richteten die Motorhaube der gelben Corvette Z06
exakt nach Westen aus und ließen uns dreitausend
Kilometer lang nicht davon abbringen. Dort, wo es nicht
mehr weiterging, warfen wir neun Rosen in den Atlantik.
Gruß nach Detroit!
TEXT UND FOTOS: DAVID STARETZ
Cabo da Roca, das ist die Nasenspitze der iberischen
Halbinsel, also der utmost western point of Europe,
der Amerika nächstliegende Punkt des Alten
Kontinents – der etwa so weit entfernt ist, wie wir dort
hin angereist sind: 3300 Kilometer.
Wir fuhren eine Nacht, einen Tag, eine Nacht und noch
einen halben Tag – mit Schlafpausen in den Sitzen, mit
Kaffee zu Merinque-Pudeln aus einer Konditorei in Monte
Carlo, mit (xy) Tankstopps, Kurzpausen und ein wenig
Sightseeing am Rande der Route. Einmal ins salzige
Meer gehüpft, klebrig empfunden. Dann drehten wir das
Auto um und fuhren alles wieder zurück. Einen halben
Tag und eine (unfreiwillige) Nacht verbrachten wir in Lissabon.
Wir benötigten yx Liter Benzin, zahlten dafür yx Euro,
und für sämtliche Mautgebühren von Wien über Udine,
Mailand, Genua, Monte Carlo, Toulouse, Saragoza, Madrid
und Lissabon bis Cabo de Roca und wieder zurück
löhnten wir yx Euro. Nur das Parkhaus in Monte Carlo
war generöserweise umsonst.
Das Auto.
Die Corvette Z06, General Motors schnellstes Serienmodell
aller Zeiten, gilt als ziviler Ableger der Rennversion
C6.R. Der Wagen ist verhältnismäßig leicht (dank Abräumen
von 40 kg gegenüber der Normalversion mittels
Einsatz von Aluminium und Carbon, sowie durch Verzicht
auf elektrische Beifahrer-Sitzverstellung und massives
Dichtmaterial), wiegt demnach 1420 kg, was ihm
dank der 512 PS aus dem Siebenliter-V8 “Small Block”
zu einem Leistungsgewicht von 2,77 kg pro PS verhilft,
was zu einer möglichen Beschleunigung von unter vier
Sekunden auf Tempo 100 und einer Höchstgeschwindigkeit
jenseits der 300-km/h-Marke verhilft.
Wir verachteten jegliche Verzärtelung durch E-Automatik
und bestanden auf handfester Sechsgang-Schaltung.
(Um dabei aufrichtig zu bleiben: Man kann erstaunlich
lange schaltfaul im sechsten Gang fahren).
Dem Verzicht auf mollige Schalldämmung kann man
auch Positives abgewinnen, wie wir der Pressemappe entnehmen:
“Das Schalldämmpaket wurde zur Gewichtsreduzierung
überarbeitet und ermöglicht nun eine bessere
Überwachung der Antriebsstranggeräusche”.
Der Wagen besaß außer der speziellen, rennnahen Antriebskonfiguration,
der hinten verbreiterten Karosserie
mit Heckspoiler, den Luftauslässen plus markanter Lufthutze
im Bug, noch die aufwendig hochglanzpolierten
2.000-Euro-Zehn-Speichen-Felgen (vorne 18, hinten 19
Zoll). Ideale Geschmeide, um die Goodyear Extended
Mobility Runflat Reifen der Dimensionen 275/35ZR18
bzw. 325/30ZR19 aufzuziehen. Dazu gleich eine Kritik
von unterwegs: Regenreifen sind dies gewiss nicht.
Für die lange Fahrt gönnten wir uns noch das unverzichtbare
Navigationssystem, dem wir die gute Note 2
verleihen würden, sowie komplette Lederausstattung,
samt Kopfstützen (bestickt mit gekreuzten Konföderierten-Flaggen,
verzichtbar), sowie der eleganten Konsolenverkleidung
um 3.890 Euro. Was sein muss, muss sein.
Gesamtpreis demnach: 96.430 Euro.
Die Beifahrerin.
Eine heikle Wahl. Es sollte jemand sein, die keine zickigen
Ansprüche stellt, wenn es darum geht, vierzig oder
mehr Stunden im Auto zu verbringen, auch wenn sie ihre
erstaunlichen Beine nie ganz ausstrecken würde können.
Sie sollte immer gut gelaunt sein, sich dann und wann an
den Fahrer schmiegen, so es Verkehrssituation und Mittelkonsole
erlauben, sie sollte mit aktuellem Klatsch und
ähnlich leichter Plauderei aufwarten können, von mir aus
auch das Libretto von Boris Godunov oder Eugen Onegin
nacherzählen, aber sie sollte keinesfalls in gefährliche
Beziehungskillerphrasen wie “Sind wir bald da?” und
“Es zieht, da kriege ich mein Kopfweh” oder “Fahr nicht
immer so schnell” verfallen. Sie sollte schminkfest bis
Tempo 180 sein. Erst da zeigt sich die wahre Kunst des
Nagellackauftragens.
Da blieb mir nur eine Wahl: Viktoriya, gebürtig aus Sibirien,
ein Kind der Kälte, das die behaglich raunende Wärme
der russischen Seele in sich birgt und doch deutlich
mehr vorzuweisen hat als die Vorzüge innerer Schönheit.
Stellen Sie sich vor: Eine junge Frau, die immer gut gelaunt
ist und immer gut aussieht. Darunter sollte man es
nicht geben. (Ihre einzige Extravaganz: Meringue-Pudel
aus ihrer Lieblings-Confiserie in Monte Carlo.)
Die Nacht.
Fahren bei Nacht, weite Entfernungen im Lichtkegel zu
schnüren, während die Kanzel von diesen grüngedimmten
Instrumenten erwärmt ist, und ein kleiner Radiosender
spielt eigenartige Orgelmusik oder jemand liest
katalanische Gedichte oder es rauscht einfach nur dieses
Grundklangmuster aus Fahrtwind, Reifenrollen, Motorklang
und zu überwachenden Antriebsstranggeräuschen
– in dieser Stimmung fühlt man sich im Reisen aufgehoben
wie in einem gesicherten Aggregatszustand des
Unterwegsseins als harmonisches Maß für Zwei. Wie
bestätigende Werte schlagen die Querfugen durch, ruhig
stehen die Instrumentennadeln, und die roten Lampen
anderer Nachtpiloten wirken wie verlässliche Positionslichter
auf der Ostfahrt, bis vor uns der Morgen dämmert
in ungewissem Licht, fahle Sterne und ein lichter Mond
versinken hinter scharfgeschnittenen Wolkenkanten,
den verheißungsvollen Kartografien unbekannter Kontinente.
Manchmal birgt die Nacht auch Schrecknisse von alptraumhafter
Qualität: Zwischen Saragoza und Madrid
führt die Strecke so lange so brutal und kurvenreich bergab,
dass man meint, man müsse einen Kraterschlund
unter Meeresspiegel ansteuern. Und alles, was Räder
hatte, schien polternd in einen Malstrom zu Tale zu stürzen:
Lastwägen, Lieferwägen, wildes Geschepper und
Luftdruckgepfeife, unterfangen vom hohlen Dröhnen
scheinbar entlaufener Tankwägen. Ich war so müde, so
gelähmt, dass ich es etliche Kilometer lang nicht schaffte,
an einem apokalyptischen Betonmischer vorbeizukommen,
der unaufhaltsam mahlend zu Tal dröhnte mit
gefährlich schwankendem Aufbau. Ich war so gebannt,
konnte einfach nicht überholen, es war mir körperlich
unmöglich. Es war auch undenkbar, dieses einsaugende
Gefälle zu verlassen – wie gesagt, diese Etappe hatte alle
wesentlichen Zutaten eines Alptraumes.
Raststätten.
Je weiter man nach Oste
kommt, Italien, Frankreich,
Spanien, Portugal, desto
armseliger, desto einladender
werden die
Raststätten. Es geht
nicht mehr um
die organisierte
Abzocke angeschwemmten
Autofahrermülls,
sondern
um Labung, Trost
und Ruhe für die
weither gekommenen,
auch wenn
sie nur im nächsten
Dorf beheimatet sind –
von ungewisser Herkunft
stammen wir alle, und einen
starken Kaffee, ein kräftig
befülltes Weißbrot benötigen wir.
Manche Raststätten sind so liebevoll
eingerichtet, mit Garten und Springbrunnen,
mit Aquarien und Autoreifen-Schwingschaukeln, mit
archaischen Tischfußballgeräten und scheppernden
Musikboxen, dass man gleich ein paar Tage hier bleiben
möchte.
Nur mit dem Tanken bin ich unzufrieden: irgendeine
Vorschrift, und offenbar steckt nicht einmal die EU dahinter,
verbietet es, Zapfhähne mit Einrastvorrichtung
zu versehen, so dass man genötigt ist, die ganze Zeit am
Hebel zu drücken. Natürlich lässt sich gerade in diesen
Fällen kein Tankwart blicken, der sich ein wenig Trinkgeld
verdienen möchte. Aber das vertieft eben die Fahrer-
Auto-Beziehung. Immerhin sind hier die Toiletten frei
zur Benützung und gar nicht einmal so schmutzig wie
einst.
Das Fahren.
Gleich vorangeschickt die Sensation: Wir benötigten
nicht mehr als 10,2 Liter Superbenzin (98 Oktan) im
Gesamtschnitt. Dies rührte von einer äußerst besonnene
Fahrweise. Erst nach rund zweitausend Kilometern gepflegten
Gleitens fiel mir ein, dass ich bisher noch nie die
512 PS entfesselt hatte. Ein tritt aufs Pedal machte sofort
klar: Hier werden die guten alten Hinterräder angetrieben,
und sie wollen als erste durchs Ziel. Hochmoderne
Fahrwerkselektronik legte dem einige Riegel vor, aber die
Absicht kam deutlich durch bis ins Lenkrad. Der Wagen
explodiert förmlich unter den Pedalen. Die berühmte auf
das Dashboard geklebte Hundert-Dollar-Note (die der
massenträg in den Sitz gedrückte Beifahrer natürlich nie
erreicht) wäre hier erstmals in Gefahr: Sie könnte sich
aus der Verklebung reißen und dem Beifahrer in den
Schoß fallen.
Die Sitzposition ist phantastisch, beide Ellbogen finden
solide Auflage, aber die volle Lenkfreiheit ist bei Bedarf
sofort gegeben. Anders als einst ist die Lenkung ziemlich
direkt ausgelegt, der Straßenkontakt ist besser, als einem
manchmal lieb ist, zumal schlechte Straßenqualität
manchmal erstaunlich durchschlägt. Zum gut Aufgehobensein
zählt auch das Exterieur: Die beiden Radkastenwammen
stehen seitlich sichernd hoch wie Sofalehnen.
(Niemand hat verlangt, dass der Wagen übersichtlich
sein möge, wiewohl man schnelle lernt, kratzerfrei durch
Monacos gefürchtete Parkhäuser zu manövrieren.)
Das Verhältnis zwischen Drehzahlmesser und Tachometer
ist einfach:
1.000 Touren – Tempo 80.
2.000 Touren – Tempo 160.
3.000 Touren - ich habe es natürlich ausprobiert im
Dienste der Wissenschaft – das Verhältnis stimmt abermals:
240. Die 4.000er-Marke war allerdings nur mehr
theoretisch zu schaffen – dort, wo sich die Parallelen
schneiden.
Die Klimaanlage ist ok, auch wenn Fahrer und Beifahrer
ein paar Grade auseinanderliegen. Irgendwann findet
man eine leidlich zugfreie Einstellung. Heiß wurde nur
der Griff zum Kugelschreiber: Die Schatulle in der Mittelkonsole
(zugleich Armablage) entwickelte erschreckende
Temperaturen. Selbst die Cupholderböden erhitzten sich
dramatisch. Gut für Kaffee, schlecht für Kaltgetränke und
für unsere neun Rosen (“Belle de Salamanca”), die wir
in einem Cocktailshaker mitführten. Aber sie hielten die
Fahrt tapfer durch, dufteten in voller Pracht bis hin zu ihrem
Bestimmungsort, wo wir die den Wellen des Atlantik
übergaben: Roses to America.
GO WEST
Das Ohr am
Lied der Straße.
Manchmal sang
der Asphalt
so allerliebst,
als
wären
die Sirenen
hinter
Weiter gings nicht mehr
Odysseus her.
Wesentlich harscher
dagegen ist der Klang
der weißen Begrenzungsstreifen, die
klugerweise als akustische Marker ausgeführt sind. Ich
konnte diesen Sound gut als Untermalung zu Enigma
einsetzen, das wir versehentlich mitgenommen und einmal
pflichtschuldig abgespielt hatten, um auch ein wenig
Kitsch in die Reise zu bringen. Lieber hörten wir Regina
Spektor, die junge Russin in New York, aber bloß nicht
zu oft, um uns nicht zu übersättigen. Go West von den
Pet Shop Boys hatte ich eher kuriositätshalber gekauft,
nach zwei Nummern machten wir der Sache ein gnädiges
Ende. Besser aber tödlich einschläfernd: Bruce Cockburn
(The Charity of Night). Erhellend: Best of BB (Brigitte
Bardot). Wie Marilyn Monroe ist sie als Sängerin völlig
unterschätzt. Heute würde sie jedes Superstargesuche im
aufblasbaren Saunaanzug gewinnen.
Verkehrsteilnehmer.
So lange man im schnelleren, kräftigeren Auto sitzt, ist
alles leicht, Man kann sich jeglicher lästiger Situation,
jeglichem Mittelklassegerangel im engen Kanaltal durch
einen entschiedenen Gasstoß entziehen und sich angenehmere
Gesellschaft suchen.
Es stimmt, die gelbe Corvette holt niedrige Triebe aus
harmlosen Verkehrsteilnehmern, selbst brave Familienväter
in ihren mausgrauen Lagunas haben plötzlich ein
Messer zwischen den Zähnen und von hinten sehe ich geschwollene
Adern im Ausschnitt ihres Rückspiegels. Im
Profil zeichnet sich das scharfzüngige Gezeter der Gattinnen
ab, während die Kinder vor ungeschneuzter Begeisterung
die Heckscheiben verschmieren. Mit schwankenden
Manövern
versuchen die Holiday-Nuvolaris,
das
unvermeidliche abzuwenden.
Selbst
nach dem Überholtwerden
geben
sie nicht auf, versuchen,
angefeuert
von den Kindern,
niedergekreischt von
den Frauen, sich im
Verdienter
Windschatten der
Corvette zu verankern.
Portugal
Tischfussballer in
Selbst in Monte Carlo
erregten wir Interesse
bei redlichen
Familienvätern
– vornehmlich bei
Bauarbeitern und
ähnlich unverbildeten
Kennern wahren
Machismos.
Geflickte Bettwäsche
Begeisterung kann
auch anstrengend in Lissabon
werden: Ein Opel
Corsa fährt mir bei Autobahntempo
fast hinten rein, weil der Fahrer durchs Handy
linst, um eine formatfüllende Aufnahme vom Corvetteheck
zu kriegen. Objects in camera are closer than they
appear! Wohlmeinendes Horngetöse der Überlandtrucks
bläst mich vor Schreck fast von der Straße.
Lissabon
Die Stadt der geflickten Leintücher. Immerhin ist das
auch keine schlechtere Art, Lissabon zu charakterisieren,
und wo in Hotels noch Leintücher kunstfertig gestickt
und geflickt werden, dort steige man günstig, sauber und
etwas scheel betrachtet ab. Zum Ausgleich funktioniert
der Fernseher nicht und die Bücher sind im Auto, das
wir vergessen haben, rechtzeitig aus der bewachten Parklücke
zu holen. Jetzt ist das Gitter vor und deshalb haben
wir überhaupt das Hotelzimmer genommen, allerdings
ohne Gepäck, deshalb die misstrauischen Nachtportier-
Blicke.
Die Corvette hat sich ohnehin einen Ruhetag verdient.
Eines der schönsten und sakralsten Bauwerke von Lissabon
ist der Bahnhof, eine Kathedrale des Reisens, elegant,
verheißungsvoll in seiner befreienden Perspektive,
wohin der Zug das Häusliche der riesigen glasgedeckten
Halle verlässt, hinaus zu fremden Zielen und gepflegten
Abenteuern. Lissabon ist überhaupt eine Stadt in 3D, mit
vielen Blickwinkeln und Niveauunterschieden, die auf
verschiedenste Art bewältigt werden, durch Stadtaufzüge
Patent Eiffel oder die Linie E28, die berühmte Straßenbahnstrecke
durch Alfama und Barrio Alto.
Auch das gehört zu einer Autoreise. Einmal bewußt darauf
zu verzichten, um es dadurch frisch und begehrenswert
zu erhalten.
Portugals Autobahnen sind geradezu vereinsamt, manchmal
freut man sich schon, einen Kleinlaster oder sonst
ein Lebewesen wahrzunehmen. Selbst der Polizei dürfte
der Sprit zu teuer kommen.
Cabo da Roca.
Wie so oft, zählt das Ziel einer Reise zu den uninteressanteren
Darstellern. Der berühmte (so nenn ich ihn
halt) Leuchtturm ist in Reparatur, das Steinkreuz ist mir
zu steinkreuzig, aber diese Selbstmörderklippen, die haben
schon was. Arme Rosen, sie werden sich ihre Köpfchen
brechen. Doch wie von selbst erheben sie sich aus
Viktoriyas Hand und streben, von einer Windbö erfasst,
im hohen Flug nach Westen. Grüßt uns Amerika!
Wir strollen noch eine Weile im Souvenirladen herum
(tolle Kratzpullover um 65 Euro!), erlauschen die Kommentare
leitender Touristenopas (“Seht, der neue Chevy
Chrysler”, nehmen sie bisher undenkbare gewesene Fusionen
vorweg) und spazieren durch den nahegelegenen
Ort, der nicht recht weiß, ob sich aus der Lage nun touristisches
kapital schlagen lässt oder ob man nicht eher eine
Rückseite Europas darstellt. Eine Künstlerin produziert
Leuchtturmmodelle aus Blech, immerhin.
Zuletzt die branchenübliche Anmaßung: Das Restaurant
O Campones in Malvera da Serra ist ein Geheimtipp für
Bacalhau. Wie könnte ich das tatsächlich beurteilen? Der
Nationalfisch war einfach gut und der billige weiße Hauswein
in der Karaffe war genau das, wie man sich einen
schlichten freundlichen unsüßen Weißwein vorstellt:
Gut gekühlte Plauderzunge.
Cabo da Roca, westlichster Punkt
Europas – am Ziel
Souvenirs.
Wir packten ein, was sich (erstaunlicherweise) alles unterbringen
ließ: Zwei Meringue-Hunde, fünf Hüte (rollbarer
Knautschlack), eine Stoffkappe, eine ausgemusterte
Kommode mit zwei Schubladen (Fundstück), ein Original-Stierkampfplakat,
vier Paar Damenschuhe, zwei Paar
Herrenschuhe, zwei gläserne, einen papierener Lampenschirm
(zerknittert), ein Parfumflakon Silber (Gravur
1829), zwei Sommerkleider, etlichen Modeschmuck,
ein paar Damen-Kniestrümpfe im rot-weißen Tintin-
Raketenmuster, einen rostigen Dosendeckel (irgendwie
dekorativ), zwei grundierte, bespannte Malgründe, zwei
Portemonnaies, zwei Mini-Fläschchen Martini rosso, einige
modische Taschen, sechs Schachteln Zündhölzer,
zwei Kerzen, eine Flasche Essig, Hartkäse, zwei Porzellanteller,
drei T-Shirts und zwei dekorative Kugeln unbestimmter
Verwendung.
Nachtrag.
Auszug aus dem PM online Magazin: “Eine 3439 Kilometer
lange Brücke soll die Alte und Neue Welt miteinander
verbinden. Sie steht nicht auf Pfeilern, sondern hängt an
geostationären Satelliten. Auf dem gigantischen Bauwerk
sollen Städte für acht Millionen Menschen entstehen.
Die Transatlantic-Bridge ist eine Utopie, doch auch der
Mondflug schien unerreichbar – und wurde hundert Jahre
nach Jules Vernes visionärem Roman Von der Erde zum
Mond Realität. Deshalb glauben die beiden Designer Michael
Haas und Kai Zirz von der Staatlichen Hochschule
für Gestaltung in Karlsruhe, dass ihre Idee eines Tages
Wirklichkeit wird: eine 3439 Kilometer lange Brücke über
den Atlantik, die Europa und Amerika miteinander verbindet.
... Bei der Aufhängung ihres Megabaus orientieren
sich die beiden Gestalter an US-Plänen für den Bau
eines Fahrstuhls ins All: Dessen Laufseil soll an einem
in 36.000 Kilometer Höhe stationierten Satelliten befestigt
werden, der sozusagen ortsfest über der Erde steht;
genauso könne man die transatlantische Brücke an Satelliten
aufhängen. Nach den Vorstellungen der beiden Visionäre
soll sie in 800 Meter Höhe vom französischen St.
Nazaire nach Bridgeport im US-Staat Connecticut führen
– und wäre das achte Weltwunder. Das Bauwerk erfüllt
nicht nur die Funktion einer transkontinentalen Autoverbindung
– es bildet gleichzeitig das Territorium des
eigenständigen künstlichen Staates TransatlanticNation
mit acht Millionen Bewohnern, deren soziales und politisches
Leben nach ganz neuen Regeln organisiert ist.”
Wenn es dann so weit ist, werden wir wieder die Corvette
aus der Garage holen und diesmal nicht umkehren, nur
weil uns ein Steilufer mit anschließendem Ozean bremst.
Neun Rosen als Gruß nach Detroit
52 ST/A/R
Buch VIII - AUTOSTAR Nr. 19/2008
CORVETTE
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch IX - WARAN ST/A/R 53
Städteplanung / Architektur / Religion Buch IX - WARAN ST/A/R 55
du gibst nie Ruhe gut so
werde gefragt ob und wann und wie und warum und
wie geht´s waran mir gehn die Antworten aus
Saufen wir uns ins Leben zurück
wäre stolz auf dich
sammle schöne Momente
moment die Maschine brennt
Gruzifix wieder nix Auf bald
was Rudi nicht lernt lernt Rudolf immer noch hab keine lust
ihr stellt mir nur meine Zeit das AMs hat mir ein Hausboot in
Amsterdam zugesichert
Heidulf wir wissen das du Strapse trägst
zugedröhnt hat sie gestöhnt aus der Traum vom Fliegen
ohne Strom gehts auch dann schaun wir halt bei Kerzenlicht fern
mir egal denk doch was du willst Besser wichser Weichei
Oberschlau ungenau
der Anale der Analen die Stute unter den Hengsten das
Traummännlein unter
den Wachbirnen
die Schlampen der Schlampen der AFFE der AFFen FBI
DINNER OUT
wir warn schon so knapp dran völlig durchzudrehn respect
Hab sehnenscheidenentzündung im Lagerfeuer bekommen triffst
du noch immer ins Braune
dein Jokerface muss mal wieder polliert werdennnnnnnnnnnnnnn wer
einmal lügt fladern für die 3. Welt RUDI-HOOD Ultrahools
vs. FOOLS
Doppelbett Bussi
kleiner Prinz Peepmatz schleimer Saubermann
Groteskumwerfend dein
Gestank deine persönliche Note Schimmelpimmel grindfresser
Lurchschlürfer
Mogelpackung nix drinnen außen unscheinbar innen unendlich
verzweifelt so wie der Rest der Mohaikanner
Der Letzte Marokkaner
Buch WARAN Nummer 3999 die Seiten kleben zusammen das
ist Samenraub
geistige Ergüße auf unschuldigem Papier wertvolles Altpapier bitte an alle weiterleiten
bist ein Blitzableiter blitzgescheit blitzschnell beim fladdern Durchfall für alle
Scheiß Laura Rudi Rudas verdient 8000 EURO pro Monat und kann sich keinen Frisör leisten die alte
Plapperschlampe pfui dumm - dümmer - Rudas
nichts als leere Worte
da hör ich lieber dem Rudolf zu der gibt nie eine Ruh zuerst den Sportteil
und dann ein Joint Frühstück im Grünen
Buttersemmerl mit Schnittlauch Lurchcremesuppe mit gratinierten Hasenbemmerln
MHHHHHHHHHMMMMMMMM Lecker schlecker schmecker
Die Zeit vergeht schneller als geplant
habe dir nie zugehört aber alles verstanden was du sagen wolltest es aber nicht
getan hast
vom hudeln kommen die Kinder wünsch dir schöne Ferien am Bauernhof
bald gehts richtig los freu mich schon
It`s hard to smile you have to hide do what you want also so wie immer
die worte brennen auf der Zunge das Hirn löst sich langsam aber sicher im Alk auf
scheiß drauf
hört auf zu kriegen was denken schadet der Vernunft na und ?
Dealer aller Länder vereinigt euch Schnäppchenjäger Allesspachtler Komakiffer
Rußland nicht There will be party
Danke Danke DanWke Wanke Schwanke Kippe Flippe Bin jezt das Nerverl das du
einmal warst
die Welt braucht dich so wie du Gras die Kuh gibt Milch
56 ST/A/R
Buch IX - WARAN Nr. 19/2008
ES IST VERDAMMT LEICHT DER
BESTE ZU SEIN.
NACH ALLEN REGELN
DER KUNST
ICH MUSS MICH NOCH FERTIG MACHEN
wo hängst grad ab auf um zu dir zu kommen über sieben nutten musst du gehn sieben dunkle nächte überstehn dann wirst du die
asche sein aber sicher nicht allein
Operation MINDFUCK Mummu .... ist die Göttin des Chaos muss dir auf die sprünge helfen u bahnfahren verboten
chaos is confusion and i lick it Alles Gute zum Geburtstag Bulle Mi Mikey Jeckey Kerzi stecki
Cyborgiastisches Saufgefaltenhardrock am See Bodenseh torkeln in Tokio where do you go
could you remember the future Dauerlutscher gut dass auch du schon alles überrissen hast
wie ein14jähriger Profikillerprofessor tresor geknackt alles liegen und stehn gelassen keine lust mehrgehabt
bummeln in ‘Boston trödeln in Tansanian Ganjha aus Ghana let´s play weißrussisches Roulette
mit weiß Würsten aus munich glückliche gleichgültigkeit bist die unruh in jeder uhr
bleib dir treu die partei braucht dichbrauche unbedingt deine contonummer sonst geht gar nichts
liegewagen nacht über bratislover nach triest fähre nach oslo danach saufen in kemnitz kurz rüber nach rotterdam und last minute to bronx
attention antrax EWIGE BLUMENKRAFTtop secret: nur für autorisierte Personen bzw. zur sofortigen weitergabe an alle
Hurray, Hurray it´s the first of May outdoor fucking starts today
Städteplanung / Architektur / Religion
Das Portrait des Dichters Julian Schutting (1 x 1,35 cm), ist noch bis
19 Oktober im rahmen der Gemeinschaftsausstellung “ST.A.LL im SCHLOSS”
im Schloss Ulmerfeld bei Amstetten zu sehen
Hannah Feigl
Wer ein Portrait, der Portraitmalerin
Hannah Feigl, von sich oder einem
seiner Lieben braucht…
…meldet sich bei ST/A/R unter
0664 521 33 07
Foto: Nurith Wagner-Strauss
Buch X - GOTTLOB ST/A/R 57
Die Stadtgemeinde Amstetten und der Ver
ein Schau-ST.A.LL
laden zur Eröffnung und zum Besuch der Ausstellung ein.
ST.A.LL im SCHLOSS 2
DESIGN - GRAFIK - FOTOGRAFIE -
MALEREI - OBJEKTE - VIDEO
Samstag, 23. August 2008 - 14 Uhr
Schloss Ulmerfeld
Begrüßung :
OV Egon Brandl
Zur Ausstellung spricht :
Univ. Pr
of. Manfred Wagner
Eröffnung :
NR Uli Königsberger-Ludwig
15 Uhr : „DU NIX ÄRGAN” im Schlosshof
16:30 : Livemusik mit
VORM VI : Golser, Küblböck...
SCRAP LAP : Fuks, Kunzmann, Sinowatz
SHINEFORM : Edlinger, Kagerer, er, Bruckmayer
Öffnungszeiten:
Fr. 15 - 19 Uhr
Sa., So. und Feiertage: 10 - 12 Uhr & 14 - 17 Uhr
Werner Maria Klein
die Portraitmalerei von
HannaH Feigl
Paul Cézanne: ... ich habe die „Natur“ kopieren
wollen, das jedoch nicht
gelingen wollte – war aber sehr froh bemerkt
zu haben, dass sich die Sonne nicht darstellen
ließ, sondern nur durch Farbe als Äquivalent
repräsentieren.
Die Idee des Portraits wird durch die virtuos
vorgetragene Malerei der Künstlerin, die nach
den eigenen Gesetzmäßigkeiten des von Ihr
gewählten Bildaugbaues, den überkommenen
Vergleich zwischen Darstellung und Vorbild
beziehungsweise Modell vergessen macht, ohne
jedoch dabei eine altmeisterliche naturalistische
Virtualität zu bedienen, wenngleich zuweilen
die Sterilität der Photografie als ergänzendes
Darstellungsmedium für den eigentlichen
kreativen Gestaltungsprozess der Kunstgenese,
wie schon seit Ende des 19. Jh. bei allen
wesentlichen Portraitmalern der europäischen
Kunstgeschichte sehr rasch üblich, dienstbar
gemacht.
Die abgebildete Realität wird durch die
künstlerisch verdichtete selbstrepräsentative
Bildrealität erweitert, die bei Hannah Feigl
der bloßen Abbildfunktion enthoben, obwohl
die komplexe unverfremdete Wesenhaftigkeit
der Dargestellten weiterhin im Mittelpunkt
bleibt, in der Lage ist, die unqualifizierte
Unterscheidung in „abstrakte“ oder
„gegenständliche“ Kunst als nur irreführend
und gleichsam lästig simplifizierende leere
Rhetorik zu überwinden, um den immanenten
Eigenwert der Malerei (Farben, Nichtfarben,
Formen, Licht und Schatten - Linien und
Flächen werden vom Darstellungsmittel
zum Gestaltungsmittel ... ) wirklich
begehbare philosophische Räume für beseelt
gemalte Psychogramme der portraitierten
Persönlichkeiten, ergo „Der ans Licht
gebrachten“ (lat. pro-trahere „hervorziehen;
ans Licht bringen“), zu eröffnen.
Bedingt durch die in Mode gekommene
„Auftragsmalerei“ im 17. Jh. haben sich
beinahe alle Maler von Bedeutung der
europäischen Kulturgeschichte mit den
mannigfaltigsten Formen der überaus
Hochdotierten Porträtmalerei befasst, wobei
diese Tatsache dem Genre eine enorm
innovative Darstellungsvielfalt eröffnete..
Diese Darstellungsvielfalt fremdrepräsentativer
Bildprogramme offenbarten jedoch der
Künstlerin Hannah Feigl bereits in frühen
Jugendtagen, einen gangbaren Weg zu
Ihrer eigenen assoziativen und gleichsam
lebensnahen Portraitinterpretation, die private
und intime Wesenszüge der Porträtierten aus
der trivialen Unbewusstheit des Alltages in den
geschützten Raum der Kunst zu transponieren
vermag (...).
Hannah Feigl - immerzu „das wirkliche Leben“
im Auge behaltend, gebiert die Künstlerin mit
Ihrer feinmaschig vertexteten Formensprache,
die jedoch nicht moralisierend eingreift, da
Ihrer eigenen aparten Wirklichkeit verpflichtet,
einen Lichterfüllten Farbenklangraum, in
dem die „Freiheit der Kunst“ als Gastgeber
versucht ist, der Würde des Menschen, also
der Sinnerfüllung jeglichen künstlerischen
Strebens, ein platonisches Gastmahl der Ideen
auszurichten.
Maurice Denis 1890: „Man erinnere sich
daran, dass ein Bild, bevor es ein Schlachtross,
eine nackte Frau oder irgendeine Anekdote
ist, seinem Wesen nach eine ebene Fläche
ist, bedeckt mit Farben in einer bestimmte
Ordnung.
58 ST/A/R
Buch X - GOTTLOB Nr. 19/2008
Bauunternehmung GRANIT Gesellschaft m.b.H. • A-8022 Graz, Feldgasse 14 • Tel.: +43 316 / 27 11 11 – 19 • www.granit-bau.at
Rentabilität, die sich sehen lassen kann.
www.immorent.at
Innovative
Projekte in Wien
Utendorfgasse 7
1140 Wien
1. Zertizierte Passivhaus-
Wohnanlage Österreichs
• 39 Wohneinheiten
• 2-, 3- u. 4-Zimmer-Wohnungen
• Balkon, Loggia oder Terrasse
• südseitige Ausrichtung
• Aufzug
• Tiefgarage
• optimale Energienutzung
• beste Wohnqualität
sImmoSu d_Bilderrahmen_270x100abf.indd 1
Innovative
Projekte in Wien
Utendorfgasse 7
1140 Wien
Rennbahnweg 52-54
1220 Wien
Generationsübergreifendes
und betreutes Wohnen
Bauteil C
• 2-, 3- und 4-Zimmer-Wohnungen
• 52 - 109 m²
• Balkon, Loggia oder Garten
Bauteil A (Seniorenhaus)
• 30 barrierefreie Wohnungen
• 135 Betreuungsplätze
• soziale und medizinische Hilfe
in der Siedlung
• Gemeinschaftsterrasse im
Dachgeschoss
24.09.2008 16:34:12 Uhr
Bezug:
Herbst 2010
1. Zertizierte Passivhaus-
Wohnanlage Österreichs
• 39 Wohneinheiten
• 2-, 3- u. 4-Zimmer-Wohnungen
• Balkon, Loggia oder Terrasse
• südseitige Ausrichtung
• Aufzug
• Tiefgarage
• optimale Energienutzung
• beste Wohnqualität
„... dem Menschen
verpichtet!”
Ansprechpartner:
Mag. (FH) Engelbert Mitterböck
Tel. 01 / 9 82 36 01 -632
engelbert.mitterboeck@hoe.at
Heimat Österreich gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsges.m.b.H.
Herzgasse 44 • 1100 Wien • wien@hoe.at • www.hoe.at
Rennbahnweg 52-54
1220 Wien
Generationsübergreifendes
und betreutes Wohnen
Bauteil C
• 2-, 3- und 4-Zimmer-Wohnungen
• 52 - 109 m²
• Balkon, Loggia oder Garten
Bauteil A (Seniorenhaus)
• 30 barrierefreie Wohnungen
• 135 Betreuungsplätze
• soziale und medizinische Hilfe
in der Siedlung
• Gemeinschaftsterrasse im
Dachgeschoss
„... dem Menschen
verpichtet!”
Bezug:
Herbst 2010
Ansprechpartner:
Mag. (FH) Engelbert Mitterböck
Tel. 01 / 9 82 36 01 -632
engelbert.mitterboeck@hoe.at
Heimat Österreich gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsges.m.b.H.
Herzgasse 44 • 1100 Wien • wien@hoe.at • www.hoe.at
Nr. 19/2008 Buch X - GOTTLOB
ST/A/R 59
STEIN UND LICHT
ranit
Natursteinwerke GmbH & Co KG
Seit fast 170 Jahren ist Poschacher auf die Verarbeitung von Naturstein
spezialisiert.
Neben acht verschiedenen Granitsorten aus eigenen Steinbrüchen,
werden Rohblöcke aus aller Welt in modernst ausgestatteten
Fertigungsanlagen zu einer Vielzahl an Produkten für den Innen- und
Außenbereich fachgerecht weiterverarbeitet.
Egal ob Natursteinlieferungen für Großobjekte, individuelle Einzelfertigungen
im Objektbereich oder Garten- und Landschaftsbau,
Poschacher als größtes österreichisches Natursteinunternehmen ist in
allen Bereichen Ihr zuverlässiger und kompetenter Partner.
A-4222 St. Georgen/Gusen, Poschacherstr 7 Tel.: 07237/3333-0 Fax: 07237/3333-444
www.poschacher.com – E-Mail: office@poschacher.com
BV Neuer Platz Klagenfurt
2.865 m² Gebhartser Syenit, 375 m² Neuhauser Granit, 102 m² Rosso Vanga Granit
Gutes Licht.
Natursteinwerke GmbH & Co KG
Licht braucht Design. Licht braucht Funktionalität. - Licht ist Basis. Licht ist
Detail. - Licht schafft Raum. Licht schafft Freiraum. - Licht erfordert Planungs-
Know-how. Licht erfordert Kreativität. - Gutes Licht hat viele Ansprüche und
Molto Luce steht für deren Erfüllung.
Seit fast 170 Jahren ist Poschacher auf die Verarbeitung von Naturstein
spezialisiert.
Neben acht verschiedenen Granitsorten aus eigenen Steinbrüchen,
werden Rohblöcke aus aller Welt in modernst ausgestatteten
Fertigungsanlagen zu einer Vielzahl an Produkten für den Innen- und
Außenbereich fachgerecht weiterverarbeitet.
Egal ob Natursteinlieferungen für Großobjekte, individuelle www.moltoluce.com Einzelfertigungen
im Objektbereich oder Garten- und Landschaftsbau,
Poschacher als größtes österreichisches Natursteinunternehmen ist in
allen Bereichen Ihr zuverlässiger und kompetenter Partner.
4600 Wels, Europastraße 45, T. 07242/698-0, e-mail: office@moltoluce.com
1230 Wien, Vorarlberger Allee 28, T. 01/6160300, e-mail: office.wien@moltoluce.com
A-4222 St. Georgen/Gusen,
Wels
Poschacherstr
· Wien · Weißkirchen
7 Tel.: 07237/3333-0
· Köln · Nürnberg
Fax: 07237/3333-444
www.poschacher.com – E-Mail: office@poschacher.com
Inserat.indd 1
03.09.2008 9:08:56 Uhr
Städteplanung / Architektur / Religion Buch X - GOTTLOB ST/A/R 61
GEORG GOTTLOB WITTGENSTEINPREISTRÄGER
Interview Heidulf Gerngross und Hofstetter Kurt mit Georg Gottlob
HG: Die Verbindung Gottlob Georg und Gottlob Frege mag
einen guten Einstieg für unser Gespräch geben. Kannst du
deine Strategie, komplexe Probleme zu lösen, die du an
einfachen Beispielen zeigst, erklären und kurz umreißen,
wie du deine wissenschaftliche Arbeit ins Praktische
umsetzt?
GG: Meine allgemeine Strategie sowohl für die theoretischen
Forschungen als auch für die Praxis besteht darin, Struktur
in Unstrukturiertes und Unüberschaubares zu bringen,
z.B. in schwierige kombinatorische Probleme, aber auch in
in Webinhalte. Was im Web gezeigt wird, sind noch nicht
strukturierte Daten, sondern einfach ein Layout. Wenn man
diese Daten verarbeiten will, braucht man Struktur. Bei
sehr komplexen und zeitaufwendigen Aufgaben, das sind
Probleme, die eine sehr hohe computationale Komplexität
besitzen, kann Strukturierung ebenfalls helfen. Das ist
etwas anderes als Systemkomplexität. Die computationale
Komplexität eines Problems beschreibt, welche Ressourcen,
wie viel Speicherplatz und Zeit ein Computer braucht,
um ein Problem zu lösen. Schwierige Probleme können
dadurch gelöst werden, dass man Struktur findet, das muss
allerdings auch automatisch geschehen, es bedarf spezieller
Algorithmen zum Erkennen von Struktur. Insofern arbeite
ich für verschiedenste Anwendungsbereiche daran, Struktur
automatisch zu erkennen und für die Problemlösung zu
verwenden.
HG: Das beginnt bei so einfachen Dingen, wie der Färbung
einer größeren Agglomeration von Ländern auf einer
Landkarte mit nur drei Farben.
GG: Richtig. Ein einfach zu erklärendes, in Wirklichkeit
jedoch ein sehr schwieriges Problem ist zum Beispiel das
Dreifärbbarkeitsproblem. Man hat eine noch nicht gefärbte
Landkarte, die man mit drei Farben, z.B. Rot, Blau und
Grün, oder Orange, Rosa und Grün, so färben will, dass
zwei aneinander angrenzende Länder verschiedene Farben
haben. Das ist mit drei Farben nicht immer möglich, mit
vier hingegen schon. Dieses Färbungsproblem ist sehr
kompliziert. Wenn man beginnt, ein Land orange zu färben,
das nächste rosa, das übernächste grün usw. stößt man
irgendwann an die Schwierigkeit, dass ein Land, das eine
Grenze mit einem orangen, rosafarbenen und grünen hat
und daher nicht mehr korrekt gefärbt werden kann. Wenn
ich die Methode verwende, dass ich einfach beginne, ein
Land zu färben und solange weiterfärbe, bis ich nichts mehr
färben kann, muss ich Backtracking machen, d.h. ich muss
zurückgehen und umfärben. Das kann sehr lange dauern,
weil man alle Möglichkeiten, vor allem viele unnütze, die in
der Praxis nicht zum Tragen kommen, durchspielen kann.
Dieses Verfahren kann durch Problemzerlegung insofern
verbessert werden, dass man zumindest für viele Fälle, für
die eine Färbung zu finden ist, diese auch tatsächlich leicht
finden kann. Das Schwierige an solchen Problemen sind die
Zyklen und meine Beobachtung in der ganzen Informatik
ist: das Böse im Sinne von hoher Komplexität liegt in den
Zyklen. Immer wenn man etwas nicht berechnen kann,
sind „teuflische“ Zyklen daran schuld.
KH: Ist nicht der Zyklus, z.B. der Rotationszyklus der Erde
oder der Tages- und Nachtzyklus, gerade das Moment jeder
Struktur? D.h. dieser wiederholbare Zyklus einer Struktur,
die man anwenden kann, ist auch in gewissem Maße ein
Zyklus.
GG: Das ist richtig, aber das ist ein überschaubarer und sehr
einfacher Zyklus. Wenn Zyklen nicht mehr überschaubar
sind, wenn es sehr viele Zyklen in einer Struktur gibt, ist die
Struktur nicht mehr kognitiv erfassbar. Durch den Zyklus
entwindet sich die Struktur unserer kognitiven Anschauung
und ist auch für den Computer kaum kognitiv erfassbar. Zwar
hat der Computer hat per definitionem keine Kognition, aber
wenn die verschiedenen Lösungen oder Lösungskandidaten
in einem Lösungsraum eines Problems vergleichbar sind
und in vernünftiger Zeit miteinander verglichen werden
können, kann man in Anlehnung an einen Menschen,
der eine Situation erfasst, sagen, ein Computer erfasst
ein Problem kognitiv. Durch die Zyklen gibt es jedoch
exponentiell viele mögliche Lösungen, sodass ein Computer
dies nicht mehr in vernünftiger Zeit schaffen kann alle zu
betrachten. Man kann jedoch oft Probleme so zerlegen, dass
nur mehr kleine Teile zyklisch sind und im Wesentlichen
eine azyklische, baumartige Struktur herauskommt. Das
nennt man eine Baumzerlegung oder tree decomposition
auf Englisch. Diese Baumzerlegung ist die Zerlegung
einer ursprünglich komplexen oder komplex anmutenden
Struktur in eine einfachere, aufgrund derer man das Problem
lösen kann. Nicht jedes Problem oder jede Instanz eines
Problems lässt sich in das Korsett einer Baumzerlegung
zwingen, es funktioniert aber für viele Probleme, die sich
uns in der Realität darbieten und deren Lösung man nicht
auf Anhieb erkennen kann. Die Baumzerlegung wurde in
der Graphentheorie in der Mathematik eingeführt und wird
intensiv in der Informatik zur Problemlösung eingesetzt. Es
gibt jedoch viele Probleme, die nicht so leicht als Graphen
darzustellen sind wie unser Färbbarkeitsproblem. Hier hatten
wir zunächst eine Landkarte, die wir in eine mathematische
Struktur, und zwar einen Graphen umgewandelt haben.
Ein Graph besteht aus mehreren Punkten, die mit Strichen
verbunden sind, ein Straßennetz kann ebenfalls als Graph
dargestellt werden. Wir haben also unser ursprüngliches
Problem in eine mathematische Struktur umgewandelt,
diese weiter in einen Baum zerlegt und aufgrund dieser
Baumzerlegung eine Lösung gefunden, die Lösung wieder
auf die mathematische Struktur und von der mathematischen
Struktur auf die Landkarte übertragen (Bild 1). Leider benötigt
man manchmal kompliziertere mathematische Strukturen
Bild 1
X1 X2 X3 X4 X5
X8
X3
X6
X7
X4
X5
X3 X4 X2
X3 X2 X1
X3 X5 X6 X8
X5 X6 X7 X8
tree decomposition
als nur Graphen. Eine wichtige Struktur, die immer wieder
in Erscheinung tritt, ist der Hypergraph. Ein Hypergraph
besitzt nicht nur sogenannte Knoten - das sind die Punkte
- und Kanten, die Linien zwischen den Punkten, sondern
Knoten und Hyperkanten. Eine Hyperkante kann aus mehr
als zwei Knoten bestehen. Es gibt zahlreiche Probleme,
deren Struktur eher Hypergraphen ähnelt als Graphen, z.B.
ein Kreuzworträtsel. Jedes Feld, in das ich einen Buchstaben
eintragen kann, wäre ein Knoten und jedes Wort wäre
eine Hyperkante, denn jedes Wort verbindet mehrere
Knoten. Auch beim Kreuzworträtsel machen die Kreise
die Komplexität aus. Wenn wir annehmen, dass jemand
bereits über das Wissen verfügt, um ein Kreuzworträtsel
zu lösen, oder wenn man ihm die möglichen Wörter, die
man in die Felder eintragen kann, vorgibt - wobei es für
jedes Feld natürlich verschiedene Möglichkeiten gibt - ist
das Rätsel aufgrund der Kreise immer noch schwer lösbar.
Circulus viciosus, der Kreis ist immer das Böse, das die
Komplexität erhöht. Der Kreis im Kreuzworträtsel beginnt
mit dem Ausfüllen eines Wortes, des nächsten usw., wenn
man wieder zurückkommt, passt das Ganze möglicherweise
nicht zusammen. Es ist ein teuflischer Kreis zur Wirkung
gekommen. Bild 2 zeigt ein Kreuzworträtsel und den
dazugehoerigen Hypergraphen.
KH: Man ist immer versucht, den Kreis zu schließen.
Bild 2
ExampleofCSP:CrosswordPuzzle
1h: P A R I S 1v: L I M B O
P A N D A
L I N G O
L A U R A
P E T R A
A N I T A
P A M P A
P E T E R
hyperedge
and so on
hypergraph
GG: Aber dort, wo man versucht, ihn zu schließen, passt es
oft nicht zusammen.
KH: Durch tree decomposition sind solche Kreise dann doch
lösbar.
GG: Ja, wobei man beim Färbungsproblem zunächst eine
tree decomposition oder Baumzerlegung vornimmt, jedoch
etwas anderes braucht, weil es sich nicht um einen Graphen,
sondern Hypergraphen mit Hyperkanten handelt. Wir haben
eine neue Methode, die sogenannte Hyperbaumzerlegung
eingeführt, die die Möglichkeit bietet, auch bei strukturell
komplizierteren Probleme zu relativ schnellen und guten
Lösungen in vernünftiger Zeit zu kommen. Das funktioniert
nicht für jedes, aber für viele dieser Probleme.
HG: Wofür kann man die Hyperbaumzerlegung noch
brauchen?
GG: Hypergraphen treten nicht nur bei Kreuzworträtseln,
sondern auch bei vielen anderen Problemen auf, die in der
nächsten Zeit für Anwendungen interessanter werden, z.B.
für combinatorial auctions, kombinatorische Versteigerungen.
Dies sind verbesserte Auktionen, bei denen ein Bieter über
mehr Optionen verfügt. Er kann nicht nur auf Einzelobjekte
ein Gebot abgeben, sondern gleichzeitig auf mehrere
Objekte bieten. Er kann eine bestimmte Summe für mehrere
Objekte bieten und bekommt dann entweder alle für diesen
Betrag oder gar keines. Bild 3 zeigt einen Hypergraph einer
Bild 3
CombinatorialAuctions
105
50 57
bid hypergraph
h
40
35
kombinatorischen Auktion, den sogenannten bid hypergraph,
durch den die einzelnen Gebote, die sogennanten bids,
dargestellt sind. Hier werden z.B. Tassen und Teekannen
feilgeboten, eine Teekannen-Sammlerin möchte z.B. diese
drei Teekannen haben und bietet 105 Euro dafür. Ein anderer
potentieller Käufer möchte nur eine der Kannen plus einige
Tassen haben und bietet nur 50 Euro. Wieder ein anderer
möchte wieder eine andere Kanne mit einer anderen Tasse
usw. So können verschiedenste Gebote formuliert werden.
KH: Das heißt die Eindimensionalität wird verlassen. Es gibt
bei einer Auktion nicht nur immer ein Ding, das mühsam
ersteigert und dann kombiniert werden muss, sondern ich
kann meinen Wunsch in einer Kombination, in einem Paket
äußern.
GG: Genau, in a package. Das ergibt nun die Schwierigkeit,
dass diese Pakete überlappend sein können. Wenn sich zwei
Pakete von verschiedenen Bietern überlappen, kann nur einer
zu den Gewinnern gehören. Im Gegensatz zu klassischen
Auktionen besteht hier das Problem, die Gewinner
überhaupt zu eruieren. Es muss Optimalitätskriterien geben.
Ein mögliches Kriterium wäre z.B., das Versteigerungshaus
möchte den größtmöglichsten Gewinn machen. Dann
müsste man eine Menge von Hyperkanten bestimmen, die
nicht überlappend sind und die maximale Gesamtsumme
gewähren. Dies ist ein sehr schwieriges Problem, das
ebenfalls durch Hyperbaumzerlegung vereinfacht und
gelöst werden kann. Wir können mit unserer Methode viele
sogenannte NP-schwere Probleme relativ gut lösen, wie sie
hier auf Bild 4 „Classification of decidable problems“ zu
sehen sind. Es zeigt verschiedene Klassen von Problemen
entsprechend ihres Schwierigkeitsgrades. Tractable
Probleme sind solche, die in einer „vernünftigen“, d.h.
polynomellen Zeit lösbar sind. Wenn das Problem bestimmt
groß ist, werden „nur“ quadratisch viele Schritte für seine
Lösung benötigt. Intractable Probleme dagegen sind nur in
exponentieller Zeit zu lösen, man kann beweisen, dass diese
Probleme nicht effizient lösbar sind. Dazwischen liegen die
NP-vollständigen Probleme – NP t ist die Abkürzung von
„nichtdeterministisch polynomell“. Diese Probleme wären
gut lösbar, wenn man gut raten könnte. Nichtterminismus
heißt raten. Leider können wir nicht alles erraten, da es
exponentiell viele Möglichkeiten gibt.
KH: Und was macht man, wenn ein Problem nicht zerlegbar
ist?
GG:Wenn die Hyperbaumzerlegung und ähnliche
Methoden nicht ausreichen, um schwierige Probleme
zu lösen, dann gibt es andere Lösungsmethoden, die in
vielen Fällen zu einer optimalen Lösung führen können,
sofern es eine solche überhaupt gibt. Diese Verfahren
nennt man randomized local search methods, also Methoden
der zufallsgesteuerten lokalen Suche. Ihre Anwendung
erfordert bestimmte Voraussetzungen. Wenn ich einen
Lösungsraum mit sehr vielen Lösungskandidaten - das
sind mögliche Lösungen, die aber nicht notwendigerweise
Lösungen sind - habe, muss ich diese bewerten, d.h. ich
muss sagen können, wie gut oder wie schlecht ich bei einer
Lösung bin und ob dies überhaupt schon eine Lösung ist.
Man braucht eine Bewertungsfunktion. Soll z.B. ein Graph
mit drei Farben gefärbt werden, wäre die Bestimmung, wie
viele Kanten bereits richtig gefärbt sind, sodass an beiden
Endpunkten verschiedene Farben sind, eine numerische
Bewertungsfunktion. Wenn alle Kanten richtig gefärbt sind,
ist es eine Lösung. Wenn ich bei einem Lösungskandidaten
in einem Lösungsraum bin, kann ich möglicherweise
zu einem besseren hingelangen, indem ich durch kleine
Änderungen, durch kleine Umfärbungen möglicherweise
38
Winner determination is intractable (NP-hard)
INTR
RAC CTA ABLE
Bild 4
weighted set packing problem
Classification of decidable problems
INTRACTABLE PROBLEMS
EPROVABLY
• Theory of the Real Numbers
• Many tasks in automated program verification
PRESUMABLY INTRACTABLE PROBLEMS
NP-complete
• Packing
1000s of practically
relevant problems,
• Traveling Salesperson
many new challenges
• Map coloring
TRACTABLE PROBLEMS (polynomial time)
• Matrix multiplication
• Shortest path
• Linear programming
mehr Kanten richtig färbe und somit meine Lösung
verbessert habe. Ich kann aber auch zu einem lokalen
Optimum gelangen, das nicht mehr verbesserbar ist. In
diesem Fall springt man völlig zufällig irgendwo anders im
Lösungsraum hin. Das ist die chaotische Phase: Ich springe
zu irgendeinem Punkt im Lösungsraum und gehe dann
wieder zu einem systematischen Optimum, solange bis eine
zufriedenstellende oder sogar optimale Lösung gefunden ist.
Meine Theorie ist, dass diese Methode, die in der Informatik
schon sehr lange und erfolgreich angewendet wird, schon
vor langer Zeit durch die Evolution entwickelt wurde. Auf
diesen Gedanken kam ich durch die Beobachtung von
Fliegen. Ich beobachtete Fliegen bei dem Versuch aus
einem Raum mit mehreren offenen und geschlossenen
Fenstern hinauszufinden. Die Fliege versucht zunächst
einmal lokal zu optimieren und fliegt zum nächstliegenden
Fenster. Wenn dies geschlossen ist, wird sie einige Zeit das
Fenster absuchen und sich überzeugen, dass sie über das
lokale Optimum nicht hinaus kann. Nach einiger Zeit wird
sie vom Fenster weg mitten in den Raum fliegen und wirre
Flugrouten vollziehen. Dies nenne ich den chaotischen Teil
der Suche, die meiner Meinung dieser zufallsgesteuerten
Suche entspricht. Die Fliege beruhigt sich dann wieder
und fliegt geradlinig das nächste Fenster an, dies kann das
gleiche wie zuvor sein, denn die Suche ist ja zufallsgesteuert,
aber nach einiger Zeit wird sie das richtige Fenster finden.
So gelangen Fliegen aus einem Raum.
Man könnte sagen, dieses Verhalten sei irrational, ist es
aber nicht. Es ist genauso wenig irrational, wie ein Kind, das
ein Haus aus Bierdeckeln oder Blöcken bauen möchte und,
wenn es zu einem dead end kommt und ansteht, das Haus
zusammenschmettert und von Neuem aufbaut. Dies ist viel
vernünftiger als weiterzumachen, wenn man die Situation
kognitiv nicht durchschaut. Ein Erwachsener würde dies
kognitiv durchschauen und die Eltern werden schimpfen.
Aber das Kind kommt viel schneller zu einer Lösung, wenn
es das schlecht begonnene Haus zerstört und ein neues
aufbaut. Durch diesen Prozess lernt man auch, wie man zu
einer richtigen Lösung kommt. So wie die Evolution selbst
immer den Zufall benötigt und durch Zufall die Kreaturen
immer wieder verbessert.
KH: Aber auch Distanz. Man muss sich auch immer wieder
distanzieren von dem Lokalen.
GG: Wenn ich nur das Lokale vor Augen habe, gelange ich
zu einem lokalen Optimum und nicht weiter.
GH: Kann man sagen, dass die Fliege einen Adrenalinstoß
erfährt und wütend herumfliegt …
GG: Wenn man dies anthropomorph so ausdrücken will,
denn wir wissen nicht, ob Fliegen so etwas wie Wutempfinden
haben können, wir müssen ja vom Menschen auf die
Fliege schließen. Wir können dies mit einer bestimmten
Berechtigung, weil vieleMechanismen ähnlich sind, z.B.
hat man festgestellt, dass Fliegen genauso wie Menschen
Adrenalin produzieren, in bestimmten Situationen mehr
als in anderen. Meine Vermutung ist, das habe ich jedoch
noch nicht bewiesen. Wir wollen in einem weiteren Projekt
untersuchen, ob Adrenalin daran schuld ist. Wenn eine
Fliege bei einem geschlossenen Fenster nicht weiterkommt,
wird möglicherweise wie beim Menschen aus einem Ärger
ähnlichen Mechanismus Adrenalin ausgeschüttet, und es ist
bekannt, dass Adrenalin durch Bewegung abgebaut werden
kann. D.h. die Fliege muss in eine Bewegungsphase treten,
danach setzt wieder das „rationalere“ Verhalten ein, die
Fliege sucht die nächste Route zum nächsten Fenster und
fliegt dem größten Gradienten des Lichtes entgegen, und das
kann zufällig das richtige Fenster sein. Dieser Mechanismus
ist meiner Meinung im gesamten Leben vorhanden. Wenn
wir z.B. einen Schlüsselbund ordnen wollen und das Ganze
zu komplex ist, schütteln wir ihn durch und mit ein bisschen
Glück sind die Schlüssel danach geordnet. Aber auch alles,
was mit Astrologie, Orakel und Horoskop zusammenhängt,
ist meiner Ansicht nach gar nicht so irrational, wie die
meisten Leute deuten, sondern haben ihre Berechtigung,
denn sie helfen. Sie haben zwar keinerlei Bedeutung, denn
sie sind rein zufällig.
HG: Aber es bringt jemanden auf eine andere Ebene.
GG: Richtig, es bringt jemanden aus einer Sackgasse heraus.
Wenn ein Mensch z.B. unglücklich verliebt ist, befindet er
sich in einer Sackgasse, in der man bleiben könnte. Aber
er oder sie wird aus Verzweiflung zu einem Wahrsager
getrieben oder schaut sich das Horoskop an, wo irgendein
Blödsinn drinnen steht, etwas völlig Absurdes, Zufälliges,
Arbiträres, und dieses Arbiträre, z.B. „achten Sie morgen
auf eine grün angezogene Person“, hilft einem, sich von
seinem auswegslosen Target abzuwenden und Neues zu
suchen, auch wenn u.U. das Neue sich wieder als nicht
brauchbar herausstellt.
KH: Das ist auch beim Arztbesuch so, manchmal genügt
es, einmal an der Arzttür zu schnuppern und ein Placebo
einzunehmen und eine andere Situation wie Zuhause zu
haben. Die Abwendung von der persönlichen Umgebung,
das Abstandgewinnen und Herauskommen aus dem
eigenen Orbit genügt, um den Heilungsprozess anzuregen.
GG: Generell wäre das auch eine zusätzliche Teilerklärung
für Wut. Einige Formen der Wut im Menschen sind sehr
positiv. Wut wird immer als etwas Schlechtes dargestellt.
Hero
Georg Gottlob ist Professor für „computing science“ an der Oxford University und an der TU Wien.
Architekt Gerngross sagt, er kann sich über nichts mehr
ärgern, aber da kann ich nur sagen, er ärgert sich nur deshalb
über nichts, weil er bereits ein globales Optimum erreicht
hat. Wer sozusagen einmal das Nirwana erreicht hat …
GH: Du hast ja wirklich Versuche mit Fliegen gemacht …
GG: Wir haben vor längerem Versuche mit Fliegen gemacht
und wollen jetzt ein weiteres Projekt durchführen.
KH: Wenn die Wut impliziert wegzugehen, aber es kann
auch sein, dass die Wut impliziert, sich festzubeißen.
GG: Ich glaube, wenn man sich festbeißt, ist man nicht
wütend. Jemand ist nicht dauernd wütend, die Wut ist
etwas Aufbrausendes, das dann wieder weggeht. Wenn ich
verbissen bin, ist es nicht eine andauernde Wut, sondern ein
Wahn. Zorn und Wut tauchen kurzfristig auf und müssen
abgebaut werden, wenn sie nicht abgebaut werden können,
kann es sich in etwas anderes Unangenehmes verwandeln.
KH: Also kann man sagen, dass dieser emotionale Ausbruch,
wie das Auf den Tisch Hauen, etwas ganz Wesentliches ist.
HG: Es gibt Leute, die das sicher erkannt haben. Es gibt z.B.
die strategische Wut. Ich glaube, sogar bei der Zaha Hadid,
die kommt z.B.herein, fängt einmal wutig an, schreit alle
zusammen und aus diesem Wutzustand gelangt sie auf eine
neue Ebene.
GG: Die strategische Wut ist ein wunderbarer Ausdruck, der
soeben vom Heidulf kreiert wurde.
HG: Ich habe dies einmal beim Herman Czech gesehen, der
immer mir als ruhiger und besonnener Mensch erschienen
ist, der einmal, weil ein kleines Ding nicht funktionierte,
plötzlich die Wut rausgelassen hat, wo ich rückblickend
dachte, dass er sie strategisch angewandt hat, um Ordnung
zu schaffen.
KH: So ein Ventil braucht jeder Mensch, es staut sich ja
auch etwas auf.
GG: Man kann nicht sagen, dass die Wut nur diese Funktion
hat, zu einer besseren Lösung zu gelangen, aber ich denke,
das ist eine der wesentlichen Funktionen.
HG: Was mich interessiert, ist deine Arbeit, die über
die Lösung komlexester Systeme wieder zum Menschen
zurückgeht, um seine Gefühlswelt erklären zu können.
Hier scheint mir ein Weg zu sein, der auch Gefühlswelten
mathematisch erklären kann.
KH: Und evolutionäre Messages, Knowledge.
GG: Richtig, nur müssen wir dazu noch viele Versuche dazu
machen, um dies wirklich zu beweisen.
GH: Da brauchen wir noch eine Menge Fliegen. Dieser
Tisch hier, auf dem lauter Wespen auf rotem Hintergrund
abgebildet sind z.B., ist so entstanden, dass ein Künstler in St.
Peterburg beim Anziehen seiner Tochter von einer Wespe in
die Eier gestochen wurde. Seitdem malt er Wespenbilder.
Aber ich möchte zu der Frage kommen, ob wir aus
unseren Dingen, die der Hofstetter Kurt und ich und du
als Wissenschaftler machen, ein gemeinsames Feld finden
können, um unsere Kapazitäten zu nutzen und mit deinen
zufälligen Strukturerklärungen zu etwas zu kommen, was
vielleicht ein Feld ist, das etwas Neues kreiert. Ob es aus
dem Raum, aus dem die ganzen Worte und Bilder auf uns
einschießen, so etwas wie eine automatische mitteilenswerte
Mitteilung aus dem Feld gibt, so etwas, wo wir den Begriff
„Die vollautomatische Zeitung“ kreiert haben.
GG: Ich möchte ein wenig ausholen, um dahin zu
kommen. Wir haben uns ja auch mit der Strukturierung
von Internetinhalten beschäftigt. Die Daten im Internet
sind meistens in HTML oder Flash programmiert, es sind
eigentlich keine Daten, sondern nur ein Layout. HTML
ist eine Sprache des Layouts. Das Web selbst ist für den
menschlichen Betrachter bestimmt und der Sinn dieser
Daten wird erst durch das menschliche Gehirn erfasst,
meaning is in the eye of the beholder. Ein Computerprogramm
braucht jedoch strukturierte Daten, um zu arbeiten, d.h.
Daten, wo bei jedem Datum dabei steht, was es ist. Wir haben
ein Tool entwickelt, das mittlerweile von einer Startup-Firma
weiterentwickelt und vermarktet wird. Die Firma heißt Lixto
(www.lixto.com). Diesem Tool kann man beibringen, dass es
von verschiedenen Webseiten – man muss natürlich wissen,
welche Webseiten dies sind, es ist keine Suchmaschine, die
ins ganze Web geht – Daten und Texte zusammenträgt
und diese in ein strukturiertes Format umwandelt. Dieses
Tool habe ichursprünglich mit einigen Mitarbeitern und
Studenten an der TU Wien entwickelt. Die Kunden der
Firma Lixto kommen einerseits aus dem Bereich der
Automobilzulieferindustrie. Diese sind verpflichtet, täglich
auf sehr vielen Webseiten zu nachzusehen, ob es etwas
Neues gibt, denn die Automobilhersteller, die sogenannten
OEMs, richten für jeden Zulieferer eine Seite ein, und es gibt
zusätzlich Seiten, die für alle gemeinsam interessant sind, wo
z.B. neue Anbote oder Ausschreibungen usw. stehen. Wenn
ein Zulieferer 30-50 OEMs, große Automobilhersteller, als
Kunden hat, müssen die Angestellten jeden Tag Hunderte
von Webseiten besuchen. Sogar Reklamationen werden nur
auf einer einzigen Webseite dargestellt. Wenn ein Fehler
gemacht wird, kann dies viel Geld und Zeit kosten. Und es ist
ein Fehler anfälliger Prozess, wenn jemand krank ist, kann
oft einige Tage nicht auf die Webseite geschaut werden und
man reagiert zu spät. Wir haben die Software Lixto entwickelt,
die dies automatisch macht. Andere Kunden kommen aus
der Tourismusbranche, z.B. große Internet-Reisebüros und
Hotelvermittler (wie hotel.de), die ihren Onlinekunden eine
Bestpreisgarantien geben. Diese Anbieter wollen natürlich
wissen, ob sie wirklich den besten Preis haben und diesen
gegebenfalls schnell anpassen können, falls jemand anderer
das gleiche Hotel billiger verkauft. Das kann heute natürlich
nur über das Web festgestellt werden, indem man alle
anderen wesentlichen Anbieter und Konkurrenten abgrast,
ihre Webseiten überwacht und automatisch jemanden
notifiziert, der dann sein Angebot schnell ändern muss.
KH: Vorausgesetzt, dass diese Webdaten als Preis identifiziert
und in XML umgewandelt werden.
GG: Genau. Wir bringen unserer Software bei, wie sie
verschiedene Angebote von verschiedenen Webseiten
identifizieren kann, was ist das Hotel, was der Preis, handelt
es sich es überhaupt um dasselbe Hotel, usw. Sie vergleicht
die Preise, und meldet sofort, wenn es eine Abweichung gibt,
damit man rasch darauf reagieren kann und keine Pönale
zahlen muss. Kommen wir nun zu unserer Idee zurück, ein
gemeinsames Projekt zu starten. Wir wollen basierend auf
der Lixto Software eine automatische Zeitung generieren,
indem wir ein Programm entwickeln, das automatisch
auf verschiedenste Webseiten navigiert , von dort Inhalte
holt, diese miteinander kombiniert und verbindet, und
ohne Zutun von Menschen eine Zeitung generiert. Die
Kriterien, nach denen die Quellen ausgewählt werden, die
Berwetungsfunktionen für Texte und Bilder, das Layout,
sowie der Grad der Zufälligkeit werden wir gemeinsam
festlegen, und dann so lange „tunen“, bis interessante
Zeitungen generiert werden. Diese werdendann gedruckt.
KH: Das heißt, dass du, Heidulf, bei deinen Ausgaben
auf einen Knopf drückst und dieser Knopfdruck eine
Momentaufnahme von dieser automatischen Zeitung
generiert, und du hast ein Buch. Was mir schon sehr
am Herzen liegt, ist, dass die qualitativen Inputs schon
vertrauenswürdig sein müssen.
HG: Du kannst ja Parameter reingeben, die das ganze Layout
definieren.
KH: Ich mache das mit meinen S/W Images, ich vertraue
immer auf den Himmel, dass er keine bösen Daten gibt.
GG: Der Dichand fürchtet sich schon mächtig vor diesem
Projekt.
Webseite: http://www.comlab.ox.ac.uk/people/Georg.Gottlob/
62 ST/A/R
Buch X - GOTTLOB Nr. 19/2008
MARKO ZINK
ES IST SO
analoge Fotografie
12.9. bis 1.11.2008
Einladung zur Vernissage
Donnerstag, den 11.9.2008 um 19 Uhr
Eröffnung der Ausstellung: Andrea Domesle
Katalogpräsentation:
Samstag, 11.10.2008 von 11 bis 14 Uhr
Marko Zink, Andrea Domesle und
Matthias Herrmann
Die Ausstellung wurde Andrea Domesle
und Matthias Herrmann kuratiert.
Schleifmühlgasse 18, 1040 Wien/Vienna
T: 0043 - 1 -920 77 78
www.galerie-stock.net info@galerie-stock.net
Öffnungszeiten Di - Fr 15 - 19 Uhr, Sa 11 - 15 Uhr
Foto: © Max Lautenschläger
Rz_plakat 2.qxd:Rz_plakat 14.07.2008 15:40 Uhr Seite 1
HRDLICKA
Der Titan und die Bühne des Lebens
künstlerhaus
karlsplatz 5
1010 wien
31. 7. – 21. 9. 2008
täglich
10 –18 uhr
donnerstag
10 – 21 uhr
www.k-haus.at
künstlerhaus
Bruckberger
the art of work
Nr. 19/2008 Buch X - GOTTLOB
ST/A/R 63
Heidulf Sue
H Y B R I D B E I N G S
Analog/Digital Fotografie & Animation , Sue Sellinger
Das Projekt ist ein
kritischer Prozess der
Auseinandersetzung mit
bildgebenden und manipulativen
Verfahren. Ausgehend von einer
Serie analoger Portraits realer
Personen entsteht eine Serie von
digital konstruierten Gesichtern,
welche als „gläserne Körper“ in
Form von transparenten Bildern
- weiterführend auch in einer
surreal wirkenden Videoanimation
- neuartige Gestalten annehmen.
Lediglich ein einziges, digital
optimiertes Portrait dient als
Vorlage, das „Master-Face“.
Portraitiert werden Personen
unterschiedlichen Alters,
Geschlechts und Hautfarbe.
Die medial geprägte Umwelt
unserer Zeit, fordert das „Ich“
unweigerlich dazu auf, sich
einer konstruierten Wirklichkeit
zu stellen, die durch Vorgabe
surrealer „Modelle von Ästhetik“
maßgeblich den ästhetischen
Zeitgeist mitbeinflusst. Der
natürliche Akttraktor „Schönheit“
ist Basis, um neue Modelle der
ästhetischen Möglichkeiten zu
kreieren.
Heike Widl
Die ästhetische Dimension einer
durch digitale Bildmanipulation
geprägten Bilderwelt lässt es
dem Betrachter nicht mehr
zu, ausschließlich der eigenen
Antizipationskraft zu vertrauen.
Die uns umschwärmende, mediale
Bilderflut überlässt einem selbst
nicht mehr ausschließlich die
Entscheidung, ob eine Darstellung
tatsächlich real ist oder nicht und
schafft dadurch eine Illusionen von
Wirklichkeit.
Die Darstellung des menschlichen
Körpers, im weitesten Sinne, ist
davon massiv beeinflusst und
schafft die Ausgangsbasis für das
Projekt. Es ist der Versuch, die
Grenzen der realen, ästhetischen
Qualität zu überschreiten und
die ästhetischen Dimensionen
der menschlichen Abbildung zu
erweitern.
GALERIE STRICKNER
1060 Wien,
Fillgradergasse 2/7
T: +43-(0)680-201 44 52
www.galeriestrickner.com
Eröffnung:
18. September 2008
Ausstellungsdauer:
19. September –
31. Oktober 2008
Öffnungszeiten:
Di. - Fr. 16:00 – 19:00,
Sa. 11:00 – 13:00 und nach
telefonischer Vereinbarung
SUE
Onlineportfolio Sue Sellinger
www.highlighter.org
64 ST/A/R
star_brus:Layout 1 19.09.2008 14:21 Uhr Seite 6
Buch X - GOTTLOB Nr. 19/2008
GÜNTER
BRUS
Mitternachtsröte
BRUS
MAK-Kunstblättersaal
10.9.2008–25.1.2009
MAK Stubenring 5, Wien 1
www.MAK.at
Günter Brus, Eva, 1976, Privatsammlung Graz