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Buch IV - Kunst<br />
Nr. <strong>16</strong>/2007<br />
ich ihm zwanzig Euro geben, und er hat mich beschämt. Er<br />
sagte zu mir: Was ist Geld? Oder wie sie früher gesagt haben,<br />
wenn man mit den Leuten gesprochen hat: Ja, im Sommer<br />
arbeite ich. Was machst du im Winter? Sagt er: Leben.<br />
T. R.: Es ist eine andere Wahrnehmung von Zeit und<br />
Lebenszyklen.<br />
M. R.: Es ist einfach eine andere Herangehensweise. Sicher<br />
geht es jetzt ins Politische und das führt natürlich zu weit.<br />
Ich habe ja früher selbst viel politisch gearbeitet. Ich kenne<br />
mich bei Bürgerinitiativen aus und ähnlichem. Ich brauche<br />
in meiner Kunst kein Polit-Design über das Elend unserer<br />
Welt machen, wo ich nicht weiß, ob das überhaupt eine<br />
Auswirkung hat; wo dann diese Bilder teuer von den wohlhabenden<br />
Leuten gekauft werden, und im Grunde genommen<br />
geht es den Armen nicht besser, das stelle ich schon sehr in<br />
Frage. Da ist es viel gescheiter, wenn man wirklich politisch<br />
arbeiten will, sich in allen möglichen Organisationen oder<br />
Bürgerinitiativen einzubringen oder was vor Ort zu verändern<br />
ist, zu verändern. Ein Video über die Wohnungssituation alter<br />
Menschen in Hongkong zu zeigen, was natürlich in das<br />
Weltspiegelmagazin und Fernsehen passt, ich weiß nicht, ob<br />
das gesellschaftsverändernde Wirkung hat. Ich zweifle das<br />
sehr stark an.<br />
T. R.: Es gibt natürlich auch den politischen Chic in der Kunst,<br />
wo man behauptet, man setzt sich mit Trendthemen auseinander,<br />
und es hilft einem dann sich im Kunstmarkt zu positionieren.<br />
M. R.: Genau richtig.<br />
T. R.: Und andererseits ist der Kunstmarkt, wie viele andere<br />
Bereiche des Wirtschafts- und Kapitalmarktes, ein Markt,<br />
der eine sehr starke Eigendynamik entwickelt hat, und es<br />
gibt astronomische Preise und es geht vor allem darum,<br />
Geld zu verschieben oder zu vermehren. Das hat alles mit<br />
dem Kunstobjekt, mit dem Künstler und mit der ursprünglichen<br />
Funktion eines Bildes nichts mehr zu tun und hat<br />
keinen Bezug mehr dazu. Es ist an sich schon abstrakt den<br />
Wert eines Bildes mit Geld auszudrücken, weil Kunst sich<br />
nicht standardisieren lässt und es nicht in das standardisierte<br />
Wirtschaftsspiel passt.<br />
M. R.: Das Bildermachen und der Kunstmarkt, das sind für<br />
mich nach wie vor zwei ganz verschiedene Sachen. Es war<br />
vor kurzem interessant zu lesen, dass Gerhard Richter ein<br />
Interview in der Süddeutschen Zeitung geben wollte, und er<br />
es dann wieder untersagt hat. Es ist aufgenommen worden,<br />
und dann hat er es nicht freigegeben. Der Journalist hat dann<br />
über das Interview berichtet, was rechtlich nicht angreifbar<br />
ist, und in dem Bericht war zu lesen, das Gerhard Richter,<br />
der ja, wie wir wissen, in der Rankingliste und auch bei den<br />
Preisen die Nummer 1 ist, über den ganzen Kunstmarkt riesig<br />
geschimpft hat, dass es einfach nicht mehr reell zugeht, wie<br />
sich das Ganze als Selbstläufer entwickelt, und er hat dann<br />
Ich glaube immer noch daran, dass sich<br />
die Qualität in erster Linie über das Werk<br />
definiert.<br />
auch noch über andere Dinge geschimpft. Also sogar ein sehr<br />
erfolgreicher Künstler, erfolgreich vom Bekanntheitsgrad, von<br />
der Qualität, von den Einnahmen her, der ja froh sein müsste<br />
und sich zurücksetzen und irgendwo happy sein könnte, das<br />
es bei ihm so gut funktioniert, regt sich also richtig auf.<br />
T. R.: Dieser Kunstbetrieb ist im negativen Sinn sehr abstrakt<br />
geworden, aber vielleicht ist wieder eine Sehnsucht zu spüren,<br />
wo man eigentlich zu den ursprünglichen Funktionen<br />
der Kunst zurück will, wo die Kunst in einem fast rituellen<br />
Gebrauch wieder eingebunden ist und im weitesten Sinn<br />
eine spirituelle Funktion ausübt. Vielleicht steckt in dieser<br />
Unzufriedenheit diese Sehnsucht drinnen.<br />
M. R.: Das kann ich mir durchaus so vorstellen.<br />
T. R.: Und ich glaube, die Problematik besteht auch darin,<br />
dass das Rituelle, das Magische, das Spirituelle immer stärker<br />
aus unserer Gesellschaft verbannt wurde und dass hier<br />
ein Vakuum vorhanden ist, denn es ist doch ein wesentliches<br />
Bedürfnis der menschlichen Existenz, magische und spirituelle<br />
Bezüge zu haben, die über das Rationale hinausgehen.<br />
Man kann auch sagen, schöpferisches und künstlerisches<br />
Schaffen hat einen magischen Zug und der führt letztendlich<br />
ins Spirituelle und findet dort seine wirkliche Funktion und<br />
nicht in der abstrakten Welt der Kapitalflüsse.<br />
M. R.: Na klar, wie wir jetzt die Kunst in 100 Jahren bewerten,<br />
das wissen wir nicht, oder wer jetzt sehr geschätzt wird, was<br />
mit dem in 50 Jahren ist, wissen wir auch nicht. Ich denke<br />
aber doch, dass die Leute, die sich mit der Materie auseinandersetzen,<br />
die über Kunst reden, die Kunst vermitteln, die<br />
also die Sprache der Bilder erklären, dass die schon erkennen,<br />
ob es sich um ein authentisches Werk handelt ist oder<br />
ob da jemand irgendwo aufgesprungen ist auf den Zug des<br />
Mainstream. Man kann natürlich auch sagen, das man anhand<br />
des Werkes spürt, ob es dem oder der Künstlerin ein<br />
persönliches und starkes Anliegen war 1und dann ist auch<br />
schnell spürbar, ob etwas authentisch ist. Und ein Thema ist<br />
natürlich: Was ist mit diesem Künstler oder mit der Künstlerin<br />
in 20, in 30, in 40 Jahren? Springt sie/er dann wieder auf einen<br />
neuen Kunstzug auf? Ich denke aber doch, dass man mit<br />
zunehmender Lebenszeit und Lebensalter eine gewisse Mitte<br />
und ein eigenes Weltbild entwickelt, und an dem gilt es zu<br />
arbeiten, um dieses Weltbild sichtbar zu machen.<br />
T. R.: Das ist ein sehr schöner Abschluss. Danke für das<br />
Interview.<br />
Ateliersituation, Detail<br />
Martin Rasp<br />
1940 geboren in Vilshofen/Donau (D); 1971-77 Studium an der<br />
Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst, Salzburg.<br />
Mehrmalige Auszeichnungen und Preise u.a. des Salzburger<br />
Kunstvereins (1975, 80, 83), der Sommerakademie Salzburg (1976)<br />
und des Landes Salzburg (1985).<br />
Arbeitsaufenthalt in Berlin, Südkorea,Dresden, Budapest.<br />
Lebt und arbeitet in Berchtesgaden.<br />
Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im<br />
In- und Ausland (Auswahl)<br />
1975 Museum Castelvechio, Verona<br />
1978 „Palette“, Galerie im Traklhaus, Salzburg (E)<br />
1979 Wilhelm Lehmbruck Museum , Duisburg<br />
1982 „Tagliamento 81“, Galerie Armstorfer, Salzburg (E)<br />
1985 „Orte der Steine“, Galerie Weihergut, Salzburg (E)<br />
1987 Galerie Kremer, Gelsenkirchen (E)<br />
1988 „Die Moderne in Salzburg“<br />
Museum Carolino Augusteum, Salzburg<br />
1989 „Im Lauf der Zeit“, Tengelmanngalerie, Köln (E)<br />
1994 „Vom Schwinden der Dinge“, Galerie an der<br />
Stadtkirche, Bayreuth (E)<br />
1996 „Materialcollagen“ Museum der Moderne Rupertinum<br />
Salzburg (E)<br />
1998 „Dinge sprechen“, Museum Moderner Kunst, Passau (E)<br />
2000 Zwischen Land und Meer“, Galerie Weihergut, Salzbug (E)<br />
2002 Museum der Stadt Rovinj, Kroatien (E)<br />
2003 Niemandsland“ (mit Gerald Piffl), Museum Moderner Kunst,<br />
Passau und Galerie Weihergut, Salzburg (E)<br />
2006 „Orte der Verlassenheit“, Galerie im Traklhaus/Studio, Salzburg (E)<br />
„Über alle Berge“, Installation, Land Art Hellbrunn, Salzburg<br />
2007 „Positionen der Stille “ Galerie Weihergut Salzburg<br />
Vertreten auf internationalen Kunstmessen:<br />
Art Collogne, Köln Kunst , VIENNAFAIR Wien<br />
Martin Rasp wird seit über 20 Jahren durch die Galerie Weihergut vertreten –<br />
Stammhaus Biberngasse, Salzburg. Februar/März 2008 findet eine umfangreiche<br />
Einzelschau in der Galerie statt. Vertreten auf der VIENNAFAIR 2008 und<br />
Art Cologne, Kunst Köln.<br />
www.weihergut.at<br />
MARTIN RASP