Printmedium Wien – Berlin
ST/ /A/ /R
Zeitung für Hochkultur Mittelmaß und Schund
Nr. 20/ Winter 2009
04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. 20/09
KUNST
PETER KOGLER IM MUMOK
ISABELLE GRAEFF – BERLIN
ST/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK LINZ
WARAN
ARCHITEKTUR
HANS HOLLEIN
HEIDULF GERNGROSS
KURT CABALLERO
PREISE DER STADT WIEN 2008
FÜR KULTUR UND WISSENSCHAFT
LITERATUR
GERSTL, JELINEK,
MAYRÖCKER, JAREMENKO-TOLSTOJ
MANFRED STANGL – GANZHEITLICHE ÄSTHETISCHE PRINZIPIEN
ALEXANDER SCHIESSLING ÜBER DEN DICHTER THOMAS FRECHBERGER
AUTO-ST/A/R
DAVID STARETZ
ST/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK DER KULTURHAUPTSTADT LINZ 2009
JETZT NEU MIT MARCUS HINTERTHÜR!
Städteplanung / Architektur / Religion
PETER KOGLER
3,– Euro
Biennale di Venezia, Projekt MUDAM, Luxembourgh Pavillon, Internetprojekt, 2001 Foto: Manfred Grübl
2 ST/A/R
Buch I - MUMOK Nr. 19/2008
EDITORIAL :
Heidulf Gerngross
PARTYBILD MIT STARARCHITEKT PAUL MESSNER -
VILLACHER BIER, THOMAS KIANGBUFFET UND AN DIE 1000 MENSCHEN I
Nr. 19/2008 Buch I - MUMOK
ST/A/R 3
m Museumsquartier - Wien
Foto: MUMOK/Rastl
Städteplanung / Architektur / Religion Buch I - MUMOK ST/A/R 5
MUMOK 2008
Foto: MUMOK/Rastl
6 ST/A/R
Buch I - MUMOK Nr. 19/2008
Text über den Einfluss der Koglermalerei auf die
Architektur und auf mich
Peter Kogler: von Heidulf Gerngross
Für mich ist er ein Animator des
Räumlichen. Er erzauberte vor Jahren
eine Ausstellung in der Sezession. Mit
einigen Papiertapeten verwandelte er die
Olbrichthallen in ein Raumeldorado.
Raum Pur – Ökonomie perfekt.
Wir hatten dann auch eine Zusammenarbeit
als er einen Entwurf für eine Eishokeyhalle
in Magnitogrorsk für den damaligen
russischen Eishokeymeister zum grössten
Freilandbild Russlands machte
(ca. 200 x 120 meter) mit Archiquantenbahnen,
die dem Gebäude eine zusätzliche
Dynamik verpasst haben –
ohne konstruktive Strapazen.
Zu einem meiner Geburtstage schenkte er
mir für meinen ungehemmten Gebrauch
einen „Kogler-2er“. Ich wählte die Farbe und
machte daraus einen Grundriss für einen
Supermarkt. Es ist für die österreichische
Kulturgeschichte schon gut das es den
Peter Kogler gibt.
Das zeigt auch seine Ausstellung im
MUMOK.
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch IX - Kärnten
ST/A/R
EISHALLE
MAGNITOGORSK
Ein Projekt von Werkstatt Wien.
Architektur: Markus Spiegelfeld, Heidulf Gerngross,
Janosch Papp.
Visualisierung: Werner Skvara.
Konzeptionelle Archiquant-Außenhaut: Peter Kogler.
Eishockey-Mehrzweckhalle für 10.000 Personen
mit Entertainmenteingangshalle, Spiel, Restaurant,
Bar, Shops und der größten Malerei Russlands,
ca. 200x120 meter
Nr. 19/2008 Buch I - MUMOK
ST/A/R 7
Grundriss für einen Supermarkt
Von Heidulf Gerngross um 2002.
Inserat 5 Jahre Star 18.12.2008 23:49 Uhr Seite 1
5 JAHRE
ST/A/R
PRINTMEDIUM WIEN
gebunden
in Leder– oder Leinencover
Limited Edition
Auflage 50 Stück in 2 Bänden
Gold Prägung
Herausgegeben von Galerie Konzett
KONZETT
Galerie Konzett | Spiegelgasse 21 | A-1010 Wien
Anfragen unter: gallery@artkonzett.com
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch II - Leopold ST/A/R 9
MuseumsQuartier Wien
www.leopoldmuseum.org
AUSSTELLUNGEN 2009
ERNST BARLACH
KÄTHE KOLLWITZ
13.02. – 25.05.2009
WIEN 1900
Sammlung Leopold
Die weltgrößte
EGON SCHIELE
Sammlung
ROBERT HAMMERSTIEL
WINTERREISE
Zeichnungen und Druckgrafiken
06.02. – 27.04.2009
JOSEF MARIA AUCHENTALLER
Jugendstil pur!
11.06. – 21.09.2009
EDVARD MUNCH
und das UNHEIMLICHE in der Kunst
16.10.2009 – 18.01.2010
10 ST/A/R
Buch II - Leopold Nr. 20/2009
Manifest der Astralarchitektur – der Architektur des neuen Raums
von Alexander Sobolev
Sämtliche Übergangsperioden, die die jeweils letzte
Etappe der Ansammlung bestimmter grundlegender
Erfahrungen bilden, sind Versuche, unwillentlich
erworbene Gewohnheiten abzuwerfen, die traditionelle
Ordnung zu verändern oder gänzlich aufzugeben. Ein
Kennzeichen der Veränderung ist auch der Übergang
von der Quantität zur Qualität. Der moderne Mensch ist
immer öfter ohne direkten Kontakt zum Erdboden. Im
Raum wird er von Flugzeugen, Autos, Segelbooten, Luftkissen,
Fahrrädern, Rollschuhen getragen, von Trampolins
in die Höhe katapultiert. Mit Hilfe der Geschwindigkeit
ist es ihm gelungen, selbst die Zeit zu verdichten.
Bis zum ersten Raumfl ug des Menschen wuchsen die
Architektur und ihre räumlichen Objekte aus der Erde
und waren ein Teil von ihr. Am Höhepunkt der Renaissance
der überholten Architektur wurde der Maulwurf
zum Architekten gekürt. Heutzutage kann man von der
Überwindung der Erdanziehung mittels des Ingenieursgedanken
und der architektonischen Fantasie sprechen.
Gestaltung: Anatoli Bourikine
Kennzeichen der Astralarchitektur:
01. Das Bestreben, die Stadtfl ächen nicht zu vergrößern sondern bestehende, “verlorene” und leer
stehende Räume zu nutzen, d.h. die Städte wachsen in die Höhe.
02. Die Grundfl äche und Fläche freitragender Gebäudestützen ist kleiner als die der oberen Querschnitte.
03. Der visuelle Schwerpunkt von Gebäuden liegt bedeutend über dem Straßenniveau.
04. Die Berührungsfl äche durchsichtiger Gebäudewände mit umgebender Luft und Wasser beträgt
mehr als 50 %.
05. Das Raumvolumen von Terrassen, Balkonen und Atrien ist größer als das Gesamtinnenraumvolumen
von Gebäuden.
06. Die Fläche von Konsolen und Terrassen auf einer Hochhausfassade ist größer als die Fläche ihrer
vertikalen Projektion.
07. Licht, Schatten und Farben kommt die Rolle von Baumaterialien zu. Dafür werden Spiegel, Glas
mit unterschiedlicher Durchlässigkeit und buntes Glas von großer Fläche und komplizierten Formen
verwendet. Die Schattenseiten von Gebäuden werden mit natürlichem Licht gefüllt.
08. Bauwerke entstehen auf natürliche Weise über und in historischen Stadtteilen und in natürlicher
Landschaft. Das Problem leer stehender Verkehrskreuzungsfl ächen wird gelöst.
09. Weitreichende Verwendung wechselnder Wohnmodule.
10. Multifunktionalität aufgrund der Integration funktioneller öffentlicher Plätze in Strukturelementen
von Bauten.
11. Modellierung natürlicher Formen der Biosphäre, von Meeresklima, Hochgebirgsregionen, Eukalyptus-
und Nadelwäldern in Innenräumen.
Es klopft erneut an der Tür.
Herein!
Die Tür öffnet sich, ein österreichisches Mädchen mit einem Eimer in der Hand tritt
schüchtern ins Zimmer.
Mädchen: (auf Deutsch) Grüß Gott! Ich bin die Tochter des Hausherrn, Herrn Semmelweis.
Ich heiße Magdalena Semmelweis!
Gradusow: (verständnislos) Was? (schüttelt den Kopf) Ich habe nichts verstanden! Wer bist du?
Mädchen: (tippt sich mit dem Finger auf die Brust, erneut auf Deutsch) Ich bin Magdalena!
(deutet auf die Tür) Ich bin die Tochter des Wirtes!
Gradusow: Ahh! (lächelt breit, tritt an Magdalena und tippt ihr mit dem Finger auf die Brust)
Jetzt habe ich verstanden! Magdalena?
Mädchen: (nickt und tippt sich wieder auf die Brust) Magdalena!
Gradusow: (lächelt) Magdalena! (tippt ihr auf die Brust)
Mädchen: (macht zwei leichte Knickse) Magdalena! Magdalena!
Gradusow: (streckt die Brust hervor) Andrej! (schlägt sich mit der Faust auf die Brust) Ich heiße
Andrej!
Mädchen: (klopft Gradusow mit der Faust auf die Brust) Andrej!
Gradusow: (berührt erfreut ihre Brust mit dem Finger) Magdalena!
Das Mädchen dreht sich zur Seite. Zeigt auf den Eimer.
Mädchen: (deutsch) Ich räume Ihr Zimmer auf. (macht Gesten des Aufwischens) Zwei Mal die
Woche. Gut?
Gradusow: (wiederholt auf Deutsch) Gut! Gut!
Mädchen: Haben Sie irgendein Tuch, mit dem ich den Boden aufwischen kann? Ein altes
Hemd vielleicht? (zeigt mit entsprechenden Gesten, was sie braucht)
Gradusow: Ah, ich verstehe, ich verstehe, gleich werden wir etwas finden! (blickt sich um,
beginnt dann seine Hose aufzuknöpfen)
Mädchen: (weicht erschrocken einen Schritt in Richtung Tür zurück) Nein, nein, Sie haben
mich nicht verstanden! Ich bin gekommen, um den Boden zu wischen! Ich brauche nur
irgendeinen Fetzen! (gestikuliert)
Gradusow: So nehmen Sie doch die Hose, es ist eine alte, ich habe eine andere. Da, nehmen
Sie! (zieht die Hose aus und steht in langen Unterhosen da) Nimm schon!
Das Mädchen streckt argwöhnisch die Hand aus und nimmt Gradusows Hose. Schürzt den
Rocksaum auf, versenkt die Hose im Eimer, holt sie heraus, windet sie aus. Mit hochrotem
Kopf beginnt sie den Fußboden zu schrubben. Gradusow verfolgt unverwandten Blickes
jede ihrer Bewegungen.
Mädchen: Bitte, sehen Sie mich nicht so an! Sie verwirren mich.
Gradusow: (zu sich gewandt) Was für eine Schönheit! Und versteht kein Wort Russisch.
Ein idealer Gesprächspartner für einen Menschen wie mich! Magdalena, ein interessanter
Name! Und jung ist sie, 19 oder 20 …
Pause.
Das Mädchen schrubbt den Boden, nähert sich rücklings Gradusow.
Ach, wie schade, dass es uns kategorisch verboten ist, eine geschlechtliche Beziehung mit
der lokalen Bevölkerung einzugehen! Aber warum nicht? Es erfährt doch keiner! Es gibt
keine Zeugen! Ich sperre die Tür ab und es hat sich! Ein Mal nur! Ein einziges Mal in
diesem langen Krieg! Auf den Sieg! Auch wenn ich dafür erschossen werde …
Pater Bonifaz: Was gibt es Neues bei Ihnen, Herr Major?
Gradusow: Es gibt Neuigkeiten (kickt den Ball)…
Pater Bonifaz: Hat man Ihnen genehmigt, eine Mannschaft aufzustellen?
Gradusow: Vielmehr noch!
Pater Bonifaz: Was kann es mehr geben?
Gradusow: Der Kommandant der 2. Ukrainischen Front, Marschall Rodion Jakowlewitsch
Malinowski höchstpersönlich interessiert sich für das Projekt! Er äußerte den Wunsch, dem
Match beizuwohnen!
Pater Bonifaz: Meinen Glückwunsch, Herr Major!
Gradusow: Das ist noch nicht alles!
Pater Bonifaz: Nein?
Gradusow: Ja! (versetzt dem Ball einen Trittl)
-9-
-8-
Schleicht auf Zehenspitzen zur Tür und verriegelt sie leise. Atmet tief ein, zieht die
Unterhose aus. Das Mädchen schrubbt den Fußboden, ohne sich umzudrehen. Gradusow
tritt von hinten an sie heran und legt seine Arme um ihre Taille. Sie hält inne.
Gradusow: Magdalena!
Mädchen: Andrej!
Gradusow: Magdalena!
Mädchen: Andrej!
Gradusow: Magdalena!
Mädchen: Andrej!
Sie vereinigen sich, bewegen sich im Rhythmus des Bodenaufwaschens auf dem
Zimmerboden. Schließlich gibt Gradusow einen gedehnten Schrei von sich und hält inne.
Einige Augenblicke verharren beide still. Dann dreht sich Magdalena zur Seite, reibt sich
verwirrt die Stirn, überlegt schamhaft, wo sie sich verstecken kann. Sie erblickt den Eimer,
stülpt ihn über den Kopf und eilt, einige Male gegen die Wand stoßend, aus Gradusows
Zimmer.
Gradusow: Komm wieder! (Pause) Morgen! Das halbe Zimmer ist ja noch dreckig! Bleib!
Wo willst du hin?!
Vor der Tür reißt das Mädchen den Eimer vom Kopf, der laut scheppernd zu Boden fällt,
und läuft davon. Gradusow stürzt hinterdrein, schafft es jedoch nicht sie einzuholen. Er hebt
den über die Bühne rollenden Eimer auf und trägt ihn ins Zimmer.
3. AKT
1. BILD
Das klösterliche Stadion mit Blick auf die Rückseite des Klosters. Ein Fußballtor. Pater
Bonifaz wärmt sich mit dem Ball spielend auf. Er trägt eine Mönchskutte. Das Klopfen
eines Mopedmotors ist zu hören. Major Gradusow fährt auf die Bühne, am Tor vorbei. Pater
Bonifaz versetzt dem Ball einen Tritt, der Ball trifft Gradusow. Gradusow stützt mit dem
Moped, erhebt sich, klopft sich ab.
Gradusow: Das war ein Schlag! Sie hätten mich beinahe umgebracht!
Pater Bonifaz: Entschuldigen Sie, das wollte ich nicht! Ich habe Sie nicht kommen sehen…
Gradusow: Zum Teufel noch mal! Dafür stelle ich Sie ins Tor und bombardiere Sie mit dem
Ball!
Pater Bonifaz: Ich habe nichts dagegen…
Gradusow: Her mit dem Ball!
Pater Bonifaz gibt Gradusow den Ball und stellt sich ins Tor. Gradusow schießt einmal,
schießt ein weiteres Mal. Und dann noch einmal. Pater Bonifaz wehrt alle Bälle ab.
-16-
Das Moped verschwindet von der Bühne. Das Motorengeräusch verstummt. Gradusow sinkt
auf die Knie. Bedeckt sein Gesicht mit den Händen. Weint. Reißt sich die Schulterstücke
von der Uniform. Wirft sie in hilfloser Wut in Richtung der abfahrenden Magdalena. Schlägt
mit der Stirn gegen die Erde, krümmt sich zusammen und wälzt sich auf den Rücken.
Ein Schellack mit dem russischen Kriegslied „Tag des Sieges“ erklingt auf einem
Grammophon. Der Vorhang fällt. Auf der Vorbühne Magdalena auf dem Weg nach Wien.
Ende
Das Licht erlischt. Auf den geschlossenen Vorhang wird wie beim Film ein Nachspanntext
projiziert: Regisseur, Bühnenbildner, Dramaturg, Schauspieler etc. Danach der Kommentar:
Das Stück basiert auf historischen Fakten, die Namen der Personen wurden nicht verändert:
Magdalena Semmelweis konnte nach der Abtreibung keine Kinder mehr bekommen.
Magdalenas Brüder Siegfried und Manfred kehrten aus der sowjetischen Gefangenschaft nicht
wieder.
Die Soldaten der Besatzungsmächte verließen 1956 Österreich.
Pater Bonifaz ertrank 1949 bei einem Badeunfall in der Donau..
Major a.D. Andrej Gradusow lebt 93-jährig in Novosibirsk.
Wladimir Jaremenko-Tolstoj lebt und arbeitet in Wien.
Im 1994 erlassenen Bundesgesetz Lex Leopold wurde die Finanzierung des Erwerbs der „Sammlung
Leopold“ durch die Republik Österreich und die Österreichische Nationalbank beschlossen. Das
gleichnamige Museum öffnete im Jahre 2001 seine Tore in Wien. In der Stiftung Leopold ist
Leopold museologischer Direktor auf Lebenszeit.
LEX LEOPOLD
(gekürzte Version) - Wladimir Jaremenko-Tolstoj –
Deutsch von Valie Göschl
Ein Fußballdrama aus dem Jahr 1945. Ein Fußballteam der Roten Armee
spielt im Stift Melk gegen Mönche. Die drei sowjetischen Marschalls -
Malinowski, Rokossowski und Wassiljewski sind anwesend..
Personen:
Andrej Gradusow – Major der Roten Armee
Magdalena Semmelweis – österreichische Bauerntochter
Pater Bonifaz – Benediktinermönch
Sowjetische Besatzungssoldaten, darunter die drei sowjetischen Marschalls - Malinowski,
Rokossowski und Wassiljewski
-1-
WWW.TOLSTOI.RU
Stapelt die gezogenen Briefe auf einen Stoß. Nimmt Zeichenbrett und Griffel zur Hand.
Nun die Liste:
Semjonow, Timofeew, Jegorow, Petrow, Sorokin, Korowin, Toporow, Kurizyn, Tjulkin,
Ustjugow, Schuljak, Lewin, Feldman, Kormilzew, Stodolski, Bajkeew, Sabatjugin, Gadasik,
Beberaschwili, Simogljadow, Sawin, Osipow, Injuschin, Rubzow …
So! Morgen sind alle verhaftet …
Von diesem Moment an sind sie alle Verräter …
Volksfeinde …
2. BILD
Gradusow erhebt sich vom Tisch. Ordnet die Uniform. Tritt vor den Spiegel, rupft sich ein
Haar aus der Nase. Niest.
Gradusow: Was für eine enorme Hitze! Vierzig Grad! Nein, wahrscheinlich sind es nur
dreißig… Egal, es ist unerträglich heiß! Ich brauche eine Abkühlung, ich fahre an die Donau
baden, ein wenig schwimmen.
Zieht sein Moped aus der Wand, startet und fährt weg. Die Bühne dreht sich.
Donauufer. Froschgequake. Gradusow stellt den Motor ab, zieht sich aus und begibt sich ins
Wasser. Schwimmt.
Gradusow: Huch, was ist das? Wer …?
Pater Bonifaz erhebt sich aus dem Wasser, er ist ebenfalls nackt.
Pater Bonifaz: Haben Sie keine Angst, ich bin es, Pater Bonifaz! Ich tauche hier.
Gradusow: Pater Bonifaz? Haben Sie mich erschreckt!
Pater Bonifaz: Entschuldigen Sie, ich bin zufällig hier.
Der nackte Pater Bonifaz erhebt sich aus dem Wasser und schüttelt Gradusow die Hand.
-11-
Gradusow: Tauchen Sie öfters hier?
Pater Bonifaz: Fast täglich.
Gradusow: Es ist schön hier …
Pater Bonifaz: Haben Sie sich bereits eingewöhnt?
Gradusow: Ja, alles bestens. Ich wohne bei einem Bauern und habe ein großes, helles
Zimmer. Ich bin zufrieden. Die besten Voraussetzungen für eine fruchtbare Arbeit.
Pater Bonifaz: Was, haben Sie so viel zu arbeiten?
Gradusow: An Arbeit mangelt es uns nie!
Pater Bonifaz: Aber der Krieg ist doch zu Ende! Gegen wen kämpfen Sie noch?
Gradusow: Wie, gegen wen? Gegen den ideologischen Feind.
Pater Bonifaz: Aha …
Gradusow: Hören Sie, bei einem Spaziergang um das Kloster stieß ich auf einen großen
Sportplatz mit einem Fußballfeld. Er gehört wahrscheinlich zum Kloster. Spielen Sie
Fußball? Spielen Mönche Fußball?
Pater Bonifaz: Ja, wir haben in der Tat eine Fußballmannschaft. Ich bin der Trainer. Ich
selbst spiele nicht mehr, ich stehe im Tor. Im März haben wir sogar gegen die Mannschaft
des 4. Bataillons der „Totenkopf-Panzerdivision aus Amstetten gewonnen.
Gradusow: Früher habe ich auch Fußball gespielt. Im Krieg hatte ich keine Möglichkeit
dazu.
Pater Bonifaz: Der Krieg ist zu Ende! Zeit Fußball zu spielen!
Gradusow: Ja. Fußball …!
Pater Bonifaz: Wir haben zurzeit niemanden gegen den wir antreten können! Die
-6-
Und die Mädchen wollen es auch! Ihre Männer sind im Krieg gefallen oder wurden als
Kriegsgefangene nach Sibirien verschleppt. Von dort kehrt kaum einer zurück, und sollte es
doch einmal einer schaffen, ist ungewiss wann. Es kommen nur Vereinzelte, gebrochen und
gebeugt, wieder.
Wenn die Nazi-Befehlshaber, die all diese Verbrechen in Auftrag gegeben haben, durch den
internationalen Gerichtshof in Nürnberg verurteilt sind, werden Millionen von Soldaten
und Offizieren, die gezwungen waren, diese Befehle auszuführen, ohne Gericht und ohne
Verfahren zur Zwangsarbeit nach Russland verfrachtet, um unsere vom Krieg zerstörte
sozialistische Wirtschaft wiederaufzubauen. Und wir, die Sieger, dürfen nicht einmal ihre
Frauen heiraten!
Hitler züchtete sich die Herrennation, Stalin die der Sklaven. In der deutschen Armee war
die Anrede „Herr“ üblich, bei uns „Genosse“! Das russische Wort für Genosse „Towarisch“
hat eine zweifelhafte Etymologie, es wurde erstmals zu Zeiten Iwan des Schrecklichen
im Umgang unter Banditen, die Kaufleute mit den Worten „towar ischi – such die Ware“
ausraubten, schriftlich festgehalten …
Magdalena erhebt sich vom Bett und kleidet sich an.
Magdalena: (deutsch) Andrej, es wird schon hell, ich muss gehen! (deutet zum Fenster)
Gradusow: Warte! Es ist noch völlig dunkel! Und die Nacht ist warm! Gehen wir baden?
Fahren wir mit dem Motorrad an die Donau! Ich kenne einen schönen Ort! Lass uns
schwimmen gehen! (macht Schwimmgesten) Dawaj, kommst du?
Magdalena: (russisch) Dawaj!
Gradusow: Ja, du verstehst alles, was ich dir sage! Und kennst sogar zwei Worte auf
Russisch: „da“ und „dawaj“! Sehr gut!
Magdalena: Da, da …
Gradusow zieht sich an und startet das Moped, schaltet den Scheinwerfer ein. Steigt auf das
Moped. Magdalena löscht die Tischlampe, setzt sich auf den Rücksitz, schlingt die Arme um
seine Hüften.
Gradusow: Halte dich gut fest! Ich gebe Vollgas! Wie schon Gogol sagte: „Ach, welch Russe
liebt es nicht, mit ungaublicher Geschwindigkeit dahinzujagen!“
Magdalena: Dawaj, dawaj!
Der Scheinwerfer zerschneidet die Dunkelheit, das Moped dreht einige Kreise und Achter.
Es hält. Erste Morgendämmerung. Am Horizont ist die aufgehende Sonne zu sehen.
Gradusow und Magdalena entkleiden sich und steigen in die Donau. Lachen und Plätschern
des Wassers.
Zur selben Zeit pirscht sich die dunkle Silhouette eines Mannes an das Moped heran,
sammelt die Kleidungsstücke der Badenden auf und läuft davon. Eine Minute später steigen
Gradusow und Magdalena aus dem Wasser. Gradusow blickt sich um.
Gradusow: Zum Teufel!
Magdalena: (deutsch) Mein Gott!
Gradusow: Unser Gewand ist weg! (spuckt aus) Wer ist da? Was soll der Scherz? (sieht sich
um) Geben Sie das Gewand zurück! Her mit den Kleidern! Haben Sie gehört? Geben Sie
sofort unsere Sachen her!
Keine Antwort.
Magdalena: (bedeckt das Gesicht mit den Händen) Mein Gott!
Gradusow: Verdammte Scheiße! (stürzt zum Moped) Schnell, solange es noch nicht ganz
hell ist! Fahren wir! So wie wir sind, nackt! Schnell! Dawaj! Dawaj!
Sie fahren. Helles Tageslicht.
Pater Bonifaz: (wehrt den Ball geschickt ab) Sagen Sie schon, ich sterbe vor Neugierde!
Gradusow: Marschall Malinowski hat Marschall Rokossowski, den Kommandanten der 1.
Weißrussischen Front zum Match eingeladen!
Pater Bonifaz: Oho, sieh einer an!
Gradusow: Und das ist immer noch nicht alles!
Pater Bonifaz: Das kann nicht sein.
Gradusow: Doch, ist es!
Pater Bonifaz: Nun!
Gradusow: (schießt den Ball in Richtung Pater Bonifaz) Marschall Rokossowski Hat Marschall
Wasiljewski, den Kommandanten der 2. Weißrussischen Front eingeladen!
Pater Bonifaz: (verfehlt den Ball, der hinter die Kulissen landet) Was Sie nicht sagen!
Gradusow: Ja! Das wird ein Spiel!
Pater Bonifaz: Drei Marschalls auf einen Schlag! AhA!
Gradusow: (biegt einen Finger nach dem anderen zurück, zählt auf) Malinowski, Rokossowski
und Wasiljewski!!
Pater Bonifaz: Malinowski, Rokossowski und Wasiljewski!
Gradusow: (ballt die Hand zur Faust) Hurra!
Pater Bonifaz: (klopft Gradusow auf den Rücken) Hurra!
Gradusow vollführt einen spontanen Freudentanz, springt, läuft, einen imaginären Ball mit
Füßen und Kopf in Richtung Tor schlagend. Pater Bonifaz sieht ihm lachend zu.
Gradusow: (hält inne) Wer zuletzt lacht, lacht am besten!
Pater Bonifaz: Wer zuletzt lacht, lacht am besten!
Gradusow: Ich fahre und stelle die Mannschaft zusammen!
Pater Bonifaz: Gute Fahrt!
Gradusow springt auf das Moped, dreht einige Kreise und Achterschleifen auf der Bühne
und fährt mit einem lauten „Hurra“ ab.
2. BILD
Völlige Finsternis. Knarren eines Bettes. Stöhnen. Gedämpfte Schreie.
- Magdalena!
- Andrej!
- Magdalena!
- Andrej!
- Magdalena!
- Andrej!
Ein Streichholz flammt auf, die Tischlampe wird angezündet. Gradusows Zimmer. Die
Einrichtung ist unverändert, nur drei Portraits hängen jetzt über dem Bett: Marschall
Malinowski, Marschall Rokossowski und Marschall Wasiljewski. Im Bett liegen Gradusow
und Magdalena.
Schon wieder Post? Die wurde heute doch schon einmal gebracht! Oder irre ich mich?
-7-
Gradusow: Wie schön! Niemals zuvor in meinem Leben war ich so glücklich! Ich liebe dich,
Magdalena!
Magdalena: (deutsch) Ich liebe dich, Andrej!
Gradusow: Magdalena! Magda und Lena! Zwei in einem! Zwei Namen in einem, die
deutsche Magda und die russische Lena. Darf ich dich Lena nennen?
Magdalena: (nickt, auf Russisch) Da, da, Lena…
Gradusow: Lena! Lena… (küsst sie auf die Stirn)
Magdalena: Andrej…
Gradusow: Warum kann ich dich nicht heiraten? Wieso ist es uns verboten, Kontakt mit
österreichischen Mädchen zu haben? Nichts dürfen wir. Dabei ist der Wunsch so stark!
-10-
Wehrmachtstruppen haben sich zerschlagen, die einen sind umgekommen, die anderen in
Gefangenschaft geraten. Es wäre übrigens nicht uninteressant gegen die Russen zu spielen!
Gradusow: (nachdenklich) Ich könnte wahrscheinlich eine Mannschaft aufstellen.
Pater Bonifaz: Versuchen Sie es!
Gradusow: Ich kann Ihnen nichts versprechen, ich muss erst mit meinen Vorgesetzten
reden.
Pater Bonifaz: Nun denn, reden Sie mit Ihnen! Sobald Sie etwas wissen, kommen Sie ins
Kloster und fragen Sie nach Pater Bonifaz, man wird Sie zu mir führen. Sie können auf
unserem Platz trainieren, der Fußballplatz ist hervorragend.
Gradusow: Das wäre großartig!
Pater Bonifaz: Wie immer, es hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen, ich würde mich
freuen, Sie wieder zu sehen. Ich werde nun wieder in die Kühle der Donau eintauchen.
Pater Bonifaz schüttelt Gradusow die Hand und begibt sich in die Gewässer der Donau.
Gradusow kleidet sich an, steigt auf das Moped und fährt ab.
3. BILD
Das Zimmer von Gradusow. Es wird bereits dunkel. Auf dem Tisch steht eine Lampe.
Gradusow geht nervös im Zimmer auf und ab. Greift sich mit den Händen an den Kopf.
Gradusow: Herrgott, warum muss ich das tun? Die Verurteilung tausender unschuldiger
Menschen unterschreiben, heldenhafte sowjetische Offiziere in den Tod schicken, die ihr
Leben im Namen des Sieges eines Diktators über den anderen riskiert haben?
Ich will nicht, ich will nicht mehr, ich will es nicht!!! Wenn ich es allerdings nicht tue,
werde ich selbst Repressionen ausgesetzt. Ich tue das nur um meine eigene Haut zu retten!
Tue ich es nicht, macht es ein anderer! „Niemand ist unersetzbar!“, wer kennt ihn nicht,
Stalins Ausspruch, den er gegenüber seiner Frau Nadjeschda Krupskaja äußerte, als sie
versuchte ihn zu kritisieren. „Wir erklären eine andere Frau zur Witwe des Führers.“ Und
die Krupskaja sagte kein Wort mehr. Und trotzdem hat er sie dann vergiftet. Wie den Maxim
Gorkij. Und viele andere. Auch Lenin soll er auf dem Gewissen haben …
Was, wenn Hitler gewonnen hätte? Die Amerikaner warteten bis zum Schluss, bevor sie die
zweite Front eröffneten, weil sie Angst hatten in den Konflikt der zwei Ungeheuer involviert
zu werden. Sie warteten ab. Hätte sich Hitler als Sieger abgezeichnet, hätten sie ihn
unterstützt und wären auf jegliche Verhandlungen und Abkommen mit ihm eingegangen.
Sie verstanden, dass es Hitler nicht um Sibirien ging, dass er nicht weiter als bis zum
Ural vorstoßen würde, zumindest stand es nicht auf seinem Plan, die Territorien östlich
des Uralgebirges und des Kaukasus zu erobern. Ihn interessierte nur das Öl und Erz, und
keineswegs die grenzenlose unwegsame Taiga. Der Plan der Amerikaner war es, Stalin in
den Rücken zu fallen, indem sie den Fernen Osten und die Halbinsel Kamtschatka, die
Weiten Südsibiriens bis zum Baikalsee einnahmen und Mittelasien Japan in Pacht abgeben
würden. Nur zu gerne hätten Sie die UdSSR mit Hitler geteilt, so wie seinerzeit Polen
zwischen Hitler und Stalin aufgeteilt worden war.
Jetzt teilen sich Stalin und die Amerikaner Europa. Mir kommt das Kotzen angesichts
dieser ganzen Politik. Da ist es wohl besser, mit den Mönchen Fußball zu spielen. Ich muss
den Vorschlag Oberst Rogatkin unterbreiten und eine Mannschaft aufstellen. Marschall
Malinowski würde sich in einem Match sicher auch nicht schlecht machen. Wenn er Spaß
an dem Spiel findet, könnte er mich zum Mannschaftskapitän der 2. Ukrainischen Front
ernennen, und wir würden die Mannschaft der 3. Ukrainischen Front, die es zwar noch
nicht gibt, die sich aber sicher finden wird, zum Kampfe herausfordern. Dann wäre ich von
meinen leidigen Pflichten als Feldzensor befreit!
Keine schlechte Idee! Traumhaft!
Es klopft an der Tür. Gradusow schreckt auf. Gereiztheit spiegelt sich in seinem Gesicht.
ERSTER AKT
1. BILD
Drehbühne mit zerstörten Gebäuden, gebrochenen Bäumen und Wrackteilen eines
abgestürzten Flugzeugs. Unter den Klängen des russischen Kriegsliedes „Tag des Sieges“
beginnt sich die Bühne zunächst langsam, dann immer schneller zu drehen. Hinter den
Kulissen ist ein Motorengeräusch zu vernehmen. Der Major der sowjetischen Roten Armee
Andrej Gradusow erscheint auf einem alten Moped. Er fährt auf die Drehbühne und beginnt
dort Kreise und Achterschleifen zu ziehen.
Ruf: Halt! Oder ich schieße!
Eine sowjetische Militärpatrouille bestehend aus einem Offizier und zwei Soldaten stürzt
auf die Bühne. Gradusow bleibt stehen.
Offizier: Ihren Ausweis!
Gradusow zieht seine Dokumente aus der Tasche und reicht sie dem Offizier.
Offizier: (liest) So, so. Major des NKWD - Volkskommissariat für innere Angelegenheiten
Gradusow Andrej Stepanowitsch. Das sind Sie? (blickt Gradusow eindringlich an) Wohin des
Wegs?
Gradusow: Nach Melk!
Offizier: Haben Sie eine Weisung?
Gradusow: Hier, bitte. (kramt ein weiteres Papier aus der Tasche)
Offizier: (liest) Befehl der 4. Armee, 2. Ukrainische Front. Hiermit berufe ich Major
Andrej Stepanowitsch Gradusow zum Leiter der Feldzensur der 326. Sondereinheit
der Zentralgruppe der sowjetischen Besatzungsstreitkräfte in Melk. Unterzeichnet:
Kommandant der 2. Ukrainischen Front, Marschall R.J. Malinowski, Zweifacher Held der
Sowjetunion. (Der Offizier hebt seine Hand zum Gruß an den Helm und händigt dem Major die
Papiere aus) Gute Reise, Genosse Major!
Gradusow grüßt auf gleiche Weise zurück und steigt auf das Moped.
Offizier: Genosse Major, erlauben Sie mir eine Frage, nur aus Neugierde: Woher haben Sie
das Motorrad? Eine Kriegsbeute? Ist es ein deutsches?
Gradusow: (stolz) Ein italienisches! Ich habe es in der Garage des Sohnes vom
Burgtheaterdirektor in Wien gefunden. Es gab ein zweites Motorrad dort, noch steiler als das
hier, doch Oberst Rogatkin kam mir zuvor. Leider!
Offizier: Genosse Major! Wollen Sie nicht tauschen? Ich gebe Ihnen zehn Paar Schweizer
Uhren dafür, wollen Sie? … Oder zwölf?
Gradusow: Nein, ich tausche nicht!
Offizier: Dann verkaufen Sie es mir!
Gradusow: (startet das Moped) Ich gebe das Motorrad nicht her, um kein Geld in der Welt!
Zieht einige Kreise und Achterschleifen auf der Bühne und verschwindet hinter den
Kulissen. Ein dicker österreichischer Bauer in kurzen Lederhosen und mit einem Tirolerhut
auf dem Kopf tritt auf die Bühne.
Offizier: Halt! Oder ich schieße!
Der Bauer bleibt erschrocken stehen.
Offizier: Die Uhr! Dawaj, her mit der Uhr!
Gradusow: (völlig erschöpft) Lena! Ich liebe dich! Lena-a-a!
-15-
Der Bauer versteht nicht, was der Offizier von ihm will. Der Offizier erklärt gestikulierend,
-2-
WWW.TOLSTOI.RU
Magdalena: Wem nützen die in Moskau gedruckten Schilling? Die sind wertlos, dafür
kannst du doch nichts zu kaufen! Leopold nimmt nur amerikanische Dollar oder englische
Pfund!
Gradusow: Dollar? Pfund? Ich habe weder Pfund noch Dollar. Aber ich kann die Uhr
verkaufen! (zeigt seine Uhr) Eine erbeutete deutsche Uhr. Ich habe sie einem gefallenen
Offizier in Polen abgenommen.
Magdalena: Die Uhr verkaufen? Das reicht ja nicht einmal für den Zug nach Wien!
Gradusow: Was sollen wir denn tun? Was?
Magdalena: Wir können uns umbringen, wie Hitler und Eva Braun …
Gradusow: Nein! Du musst leben! Du musst nach Wien fahren, die Abtreibung hinter dich
bringen und ein neues Leben beginnen. Mich wird man garantiert bestrafen und nach
Sibirien ins Lager schicken. Man wird mir nie verzeihen, dass ich das Match gegen die
Mönche verloren habe …
Magdalena: Sibirien…
Gradusow: Ja, nach Sibirien, ins Lager … Vielleicht treffe ich dort deine Brüder. Deine
Brüder, hörst du? Wie heißen sie? Deine Brüder von der WaffenSS …
Magdalena: (russisch) Da, da … (deutsch) Sie heißen Siegfried und Manfred.
Gradusow: Gut, ich versuche es nicht zu vergessen. Siegfried und Manfred …
Pause.
Magdalena: Doktor Leopold nimmt keine Abtreibungen ohne Geld vor! Weißt du, wie lange
die Warteschlange ist? Die Freundinnen von Amerikanern, Franzosen und Engländern,
Soldaten der Besatzungsmächte. Er macht nur dreißig Abtreibungen am Tag … (zeichnet die
Zahl mit dem Finger auf den Tisch) 30 Abtreibungen pro Tag!
Gradusow: (zuckt zusammen) 30 am Tag, das ist ja wie bei mir, meine Planvorgabe! Jeden
Tag erstelle ich eine Liste mit dreißig Namen und unterschreibe faktisch ihr Todesurteil,
den Abtransport nach Sibirien.
Nur vernichte ich die unsrigen, er jedoch Fremde, Feinde. Doktor Leopold ist ein getarnter
Partisan. Er tötet die Kinder der Okkupatoren, bevor sie geboren sind.
Magdalena: Woher das Geld nehmen, wie soll ich nach Wien fahren??
Gradusow: (tippt sich auf die Stirn) Mein Motorrad! Ich werde es nicht mehr brauchen! Du
fährst mit meinem Motorrad nach Wien und verkaufst es dort! Dann hast du Geld. Es reicht
für die Abtreibung und für ein neues Leben!
Magdalena: Dein Motorrad … Ja, aber ich kann nicht Motorrad fahren! Ich habe keinen
Führerschein …
Gradusow: Das ist ganz leicht. Ich zeige es dir. Komm!
Sie löschen die Lampe und verlassen das Zimmer. Die Sonne geht auf. Der Tag beginnt.
Gradusow holt das Moped. Zeigt Magdalena wie man es startet und lenkt. Sie zieht einige
Kreise und Achterschleifen. Hält.
Gradusow: Siehst du, es ist ganz einfach!
Magdalena: Ich muss fahren, bevor Vater munter wird!
Gradusow: Lass dich umarmen, bevor du abfährst! Komm zu mir…
Sie umarmen sich und versinken in einem langen Kuss.
Magdalena: Andrej!
Gradusow: Magdalena! Lena …
Magdalena steigt auf das Moped, startet und fährt ab. Gradusow begreift, dass sie sich nie
wieder sehen werden, stürzt ihr nach, rennt, strauchelt, fällt, steht wieder auf und rennt,
rennt …
Major Gradusow springt von der Seite auf die Bühne und schießt den Ball mit Schwung
in Richtung Tor. Pater Bonifaz wehrt den Ball ab. Enttäuschtes Raunen geht durch das
Stadion.
Major Gradusow stellt sich ins Tor. Pater Bonifaz versetzt dem Ball einen Tritt, der elegant
im Tor landet. Enttäuschtes Raunen im Stadion.
Wieder Pater Bonifaz im Tor. Gradusow am Ball. Pater Bonifaz fängt den Ball. Enttäuschtes
Raunen geht durch das Stadion.
Im Tor erneut Major Gradusow. Pater Bonifaz schießt den Ball und trifft ins Tor.
Enttäuschtes Raunen im Stadion.
Zum dritten Mal im Tor – Pater Bonifaz. Gradusow am Ball. Pater Bonifaz schlägt den Ball
ab. Enttäuschung im Stadion.
Major Gradusow steht im Tor. Pater Bonifaz versetzt dem Ball einen Tritt und schießt ein
Tor. Enttäuschtes Raunen geht durch das Stadion.
Wieder steht Pater Bonifaz im Tor. Gradusow kickt. Pater Bonifaz wehrt den Ball ab.
Enttäuschtes Gemurmel geht durch das Stadion.
Noch einmal Major Gradusow im Tor. Pater Bonifaz kickt, der Ball landet im Tor.
Enttäuschung im Stadion.
Pater Bonifaz im Tor. Gradusow schießt. Pater Bonifaz wehrt den Ball ab. Enttäuschtes
Raunen im Stadion.
Zum fünften Mal steht Major Gradosow im Tor. Pater Bonifaz nimmt Anlauf und schießt
den Ball ins Tor. Anhaltendes Raunen der Enttäuschung, das in Gejohle übergeht.
Schlusspfiff …
Die Sonne geht unter, es wird dunkel.
5. BILD
Die Lampe auf Gradusows Tisch flammt auf. Im Zimmer befinden sich Gradusow und
Magdalena. Gradusow steht am Tisch, Magdalena sitzt auf dem Bett.
Mönch: Keine Angst, es wird Sie keiner belästigen, wenn Sie bei uns über Nacht bleiben.
-3-
Gradusow: Wir haben gegen die Mönche verloren, aufs Schändlichste verloren! An einem
derartigen bedeutungsvollen Tag, vor Malinowski, Rokossowski und Wasiljewski, am Vortag
ihrer Versetzung an die japanische Front. Der Krieg mit Japan geht weiter. Die quantunische
Armee mischt China auf. Wir müssen dem Genossen Mao Tse-dung helfen!
Puh, was rede ich! Ich spucke auf diesen Mao Tse-dung! Wir haben das Match gegen die
Mönche verloren! Meine Mannschaft … die Mannschaft der ruhmreichen Roten Armee!
Hast du gesehen wie mich Oberst Rogatkin, mein direkter Vorgesetzter, nach dem Match
angesehen hat? Ein Blick, der mehr als tausend Worte sagt! Das ist das Ende! Morgen wird
man mich verhaften! Vollkommen klar. Es gibt keinen Zweifel daran …
Magdalena: (deutsch) Andrej, ich habe gute Nachrichten! Ich habe erfahren, dass es in Wien
einen jungen Arzt gibt, Doktor Leopold, der Abtreibungen vornimmt. Aber er verlangt viel
Geld, er braucht das Geld, er sammelt österreichische Kunst, die unter Hitler als entartete
Kunst degradiert und verbrannt wurde und jetzt wieder in Mode kommt: Egon Schiele,
Gustav Klimt, Oskar Kokoschka … Er hat eine ganze Sammlung! Eine riesige Kollektion! Er
braucht Geld!
Gradusow: Geld? Hier nimm! Das ist mein Offiziersgehalt. Österreichische Schilling.
Fünftausend, mein Lohn für diesen Monat. Ich habe nichts davon ausgegeben.
-14-
WWW.TOLSTOI.RU
deutet auf die Uhr. Der Bauer nimmt eilig die Uhr ab und reicht sie dem Offizier. Dieser
betrachtet aufmerksam das Ziffernblatt.
Offizier: Eine echte Schweizer! Wahnsinn, 17 Steine! Fast neu. (krempelt den linken
Hemdärmel hoch, findet keinen freien Platz für eine weitere Uhr, krempelt den rechten Ärmel hoch,
findet dort ebenfalls keine freie Stelle und versenkt die Uhr in der Tasche)
Der Bauer beobachtet ihn, zitternd vor Angst.
Offizier: (blickt auf) Was stehst du da, wie der Ochs vorm Scheunentor? Verpiss dich, du
deutscher Wichser! (tritt dem Bauern mit dem Stiefel in den Arsch)
Der Bauer nimmt Reißaus. Der Offizier holt ihn unter lautem Gejohle ein und versetzt ihm
weitere Tritte in den dicken Hintern. Die Soldaten machen es ihm gleich. Sie verschwinden
allesamt hinter den Kulissen. Hundegebell ist zu hören. Das Licht wird gedämmt und
erlischt fast völlig.
Andrej Gradusow kommt, mit eingeschaltetem Scheinwerfer, auf die Bühne gefahren und
zieht einige Kreise und Achter.
3. BILD
Dunkelheit. Lautes Klopfen. Scharren einer Tür. Ein Riegel wird hörbar zurückgeschoben.
Licht fällt durch die Türöffnung, in der die Silhouette eines Mönches erscheint. Andrej
Gradusow tritt aus der Dunkelheit.
Gradusow: Ich suche die Kommandantur!
Mönch: (auf Russisch) Es gibt keine Kommandantur hier, die ist in das Schulgebäude
übersiedelt.
Gradusow: Sie sprechen russisch?
Mönch: Ja, ich war zwei Jahre in russischer Gefangenschaft, in Irkutsk. Von 1916 bis 1918.
Im Ersten Weltkrieg.
Gradusow: Und wo befindet sich die Schule?
Mönch: Unten in der Stadt. Ziemlich weit von hier. Ich fürchte, Sie werden sie in der
Dunkelheit nicht finden, die Straßenbeleuchtung funktioniert nicht. Kommen Sie doch auf
einen Tee herein, wollen Sie? Übernachten Sie bei uns im Kloster, morgen begleite ich Sie
zur Kommandantur. Übrigens, ich bin Pater Bonifaz!
Gradusow: Sehr erfreut! Major Andrej Gradusow.
Mönch: Treten Sie ein, Herr Major! Was? Sie sind mit dem Motorrad gekommen?
Gradusow: Ja, ich bin mit dem Motorrad da. Das Benzin ist ausgegangen und ich musste es
den ganzen Berg hochschieben.
Mönch: Nicht so schlimm, morgen gebe ich Ihnen Benzin.
Gradusow: Was ist das für ein Kloster?
Mönch: Wir sind Benediktiner! Ein religiöser Orden. Als ich aus der russischen
Gefangenschaft zurückkehrte, beschloss ich ins Kloster zu gehen. Hier lebe ich nun schon
seit 25 Jahren.
Gradusow: Wie viele Mönche leben hier?
Mönch: Bis zum Anschluss Österreichs an Deutschland waren es etwa zwanzig. Jetzt sind
es fast 200. Viele sind in den letzten Jahren zu uns gestoßen, um dem Armeedienst zu
entkommen. Aber nicht nur. Auch einige Homosexuelle, die von den Nazis verfolgt wurden,
fanden bei uns Unterschlupf.
Bei diesen Worten macht Gradusow erschrocken einen Schritt zur Seite und wirft Pater
Bonifaz einen misstrauischen Blick zu.
Ruf: Halt, oder ich schieße!
Gradusow: Die Patrouille! (reißt das Moped herum)
Ruf: Halt, habe ich gesagt! Feuer!
Gradusow: Halt dich fest!
Einzelne Schüsse, dann eine Maschinengewehrsalve. Das Moped dreht einige
Achterschleifen und fährt von der Bühne ab. Vogelgesang. Glockengeläute vom Kloster her.
3. BILD
Gradusow sitzt am Tisch und liest Briefe, von Zeit zu Zeit trägt er seufzend einen
Familiennamen in eine Liste ein.
Gradusow: Diese Unsehligen, ich kann ihnen nicht einmal irgendwie helfen! In
Kriegszeiten musste man zumindest noch eine Anzahl von Jahren vergeben. Jetzt ist das
nicht mehr nötig. Es war wie die Verteilung von Schulnoten, bloß nach einem anderen
System. Zehn, fünfzehn, zwanzig, fünfundzwanzig. Manchmal konnte man fünf oder acht
Jahre vergeben. Acht habe ich jenem Kapitän gegeben - das war noch im Februar - der es
wagte, Stalin in einem langen ausschweifenden Brief an einen Freund offen zu kritisieren.
Er war der einzige, der dies riskiert hatte. Seine Kritik veränderte meine Einstellung zur
Macht grundlegend, zwang mich nachzudenken und die Ordnung der Dinge mit anderen
Augen zu betrachten. Was beabsichtigte er, wozu schrieb er diese Zeilen? Er war wohl kaum
so naiv zu glauben, die Briefe würden nicht zensuriert werden?!
Vielleicht steckte eine spezielle Absicht dahinter? Versuchte er, dem Tod an der Front
zu entrinnen, ins Lager zu entkommen, um zu überleben? Kann man in einem Lager
überleben?
Ich habe ihm acht Jahre gegeben, um ihm die Möglichkeit des Überlebens einzuräumen.
Ihm fünf zu geben, habe ich nicht gewagt. Offensichtlich trieb ihn etwas dazu. Vielleicht
war ihm eine höhere Mission aufgetragen: zu überleben um jeden Preis und den mächtigen
Diktator zu besiegen. Klingt unwahrscheinlich. Wie kann ein einfacher Gefangener Stalin
besiegen? Aber egal, ich habe ihm acht Jahre gegeben. Ich habe es riskiert.
Ich kann mich an seinen Namen erinnern: Alexander Solschenizyn. Ein seltsamer Name.
Er leitet sich von den Worten „losch-Lüge“, „lschiwij-falsch“, „soglawschij-verlogen“
ab. Russische Nachnamen basieren nicht auf einem Zufall, sie drücken vielmehr einen
vererbten Charakterzug aus. Wahrscheinlich pflegte ein Vorfahre von Solschenizyn die
Wahrheit zu sagen, und die Wahrheit wird in Russland immer eine Lüge gestraft und die
Lüge Wahrheit genannt. Die Zeitung nannte man auch „Prawda-Wahrheit“, um die Lüge
zu kaschieren. Dieser Solschenizyn „belog“ selbst Stalin. In meiner Begründung schrieb
ich: „Seinem Nachnamen nach zu urteilen ist Kapitän Solschenizyn ein erblich bedingter
Lügner, weshalb seine Äußerungen nicht ernst zu nehmen sind. Doch Strafe muss sein!
Acht Jahre“.
Es klopft leise an der Tür. Gradusow hört es nicht, reißt den nächsten Brief auf. Die Tür
öffnet sich einen Spalt breit und Magdalena schaut vorsichtig ins Zimmer. Gradusow liest
weiter. Magdalena nähert sich ihm auf Zehensitzen, reißt ihm den Brief aus der Hand und
versteckt sich hinter seinem Rücken. Gradusow springt auf.
Gradusow: (erstaunt) Lena?!
Magdalena blickt ihm lange, ohne ein Wort zu sagen, in die Augen.
Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht …
…dreißig!
-5-
Gradusow: Ist etwas passiert? Was? Hat uns gestern früh jemand gesehen?
Magdalena: Andrej… (reicht ihm den Brief zurück, senkt die Augen)
Gradusow: (fasst sie an den Schultern) Nun sag schon!
Magdalena: (deutsch) Andrej, ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Ich bin schwanger.
-12-
In Lienz wurden 300.000 weißrussische Kosaken erschossen, die mit ihren ganzen
Familien gemeinsam mit den deutschen Truppen vor der Roten Armee geflohen und von
den Engländern den Russen übergeben worden waren. Sie wurden einfach auf der anderen
Seite des Flusses erschossen. Die Truppen des NKWD …
Furchtbar! Mir ist schrecklich zumute. Ich gehöre zu den Siegern, und doch habe ich Angst.
Ich fürchte mich, denn in Wahrheit bin ich kein Sieger, denn im Kampf des Bösen gegen
das Böse kann es nur Opfer geben …
Ein Soldat mit einem Sack auf den Schultern nähert sich der Tür. Klopft.
Soldat: Genosse Major, gestatten Sie, dass ich eintrete?
Gradusow: Was wollen Sie?
Soldat: Ich bringe die Post!
Gradusow: Jetzt schon?
Soldat: So ist es!
Gradusow: Treten Sie ein!
Der Soldat tritt in das Zimmer und entleert seinen Sack. Hunderte von dreieckigen
Feldpostkuverts ergießen sich über den Tisch, fallen auf den Boden, da sie auf dem Tisch
keinen Platz finden.
Soldat: (faltet den leeren Sack zusammen) Sie erlauben, ich verlasse Sie?
Gradusow: Gehen Sie!
Der Soldat tritt ab.
Gradusow: (versenkt die Hände in dem Berg von Umschlägen) Das sind die Briefe derer, die
diesen Krieg gewonnen haben! Die Briefe der Sieger! Alle schreiben den Verwandten und
Bekannten, dass sie bald nach Hause kommen werden, dass sie lebendig und gesund sind,
sie schreiben über ihre Zukunftspläne! Aber braucht sie irgendjemand, die Sieger?
Pause.
Nein, niemand braucht sie! Unser sowjetischer Staat benötigt nur Sklaven und Mörder!
Stalin kennt die beredten Lehrstunden der napoleonischen Kriege nur zu gut, als sich die
russischen Offiziere, die als Sieger aus Europa heimkehrten, gegen die Selbstherrschaft im
eigenen Land erhoben. Folglich muss auch jetzt ihre Heimkehr verhindert werden. Alles
sehr einfach …
Reißt die Umschläge auf. Liest die Briefe. Stapelt sie.
“Meine liebste Mama ...“ „Sei gegrüßt, meine Mutter, in deinen alten Tagen …“ „Meine
kleinen Schwestern Tanja und Sascha …“ „Werte Tante Sinaida …“ „Meine süßen Kinder …“
„Mein weiser, geschätzter Opa …“ „Meinen Gruß übermittle ich Ihnen, verehrte Nachbarin
Katjuscha …“ „Sehr geehrte Witwe meines gefallenen Kamerades …“
Nichts Interessantes in diesen Briefen. Sie sind alle wie über einen Kamm geschoren.
Wozu habe ich sie zu lesen? Unschuldig sind sie alle. Das ist offensichtlich! Und ich habe
Schuldige unter ihnen zu finden. Ich habe die strenge Vorgabe von 30 Menschen pro
Tag. In Form einer Namensliste. Ohne Kommentare und Details. Der Auftrag lautet, den
Offiziersstab der Zentralgruppe der sowjetischen Besatzungsgruppen zu säubern und die
einfachen Soldaten in Ruhe zu lassen.
Vielleicht sollte ich das Los entscheiden lassen?
Zieht blind Briefe heraus.
Gradusow: Nun denn, der Krieg ist zu Ende! Deutschland hat bedingungslos kapituliert.
Was bedeutet das, „bedingungslose Kapitulation“? Kolonnen Kriegsgefangener der
Deutschen, die mir auf dem Weg nach Melk auf der Westautobahn entgegenkamen. Wohin
sie wohl geführt wurden? Den Anblick werde ich nie vergessen, wie sie mir mit den
Rufen „Nach Hause“ und „Hitler kaputt“ zuwinkten. Sie dachten, sie würden nach Hause
entlassen! Diese einfachen Soldaten und Offiziere, die unfreiwillig in der Armee gelandet
waren. Ob man sie tatsächlich laufen lässt? Ha! Von wegen!
Und die „befreiten“ Gefangenen aus den Konzentrationslagern? Ha! Sie glaubten wirklich,
wir würden sie befreien! Diese Naivlinge, sie dachten, sie hätten das Schrecklichste hinter
sich! Jetzt beneiden sie diejenigen, die den Sieg nicht erlebt haben! Es gab den Befehl, alle
sowjetischen Bürger, die sich in den Konzentrationslagern der Nazis befunden hatten, zu
verhaften und auf die Halbinsel Kolyma zu verfrachten… Als sowjetische Bürger galten auch
Letten, Litauer, Esten...
-4-
Gradusow: Ich kann also hier übernachten?
Mönch: Wenn Sie wollen, kann ich Sie im Keller unterbringen, wo schon 1805 russische
Soldaten untergebracht waren.
Gradusow: In einer Pfarre nicht weit von Melk habe ich ein Grab russischer Soldaten aus
Napoleons Zeiten gesehen, aber es war schon ziemlich dunkel und ich blieb nicht stehen.
Mönch: Das waren Gefangene. Nach der Schlacht von Austerlitz eskortierten die Franzosen
500 russische Soldaten. Sie machten im Kloster halt. Die Gefangenen wurden über Nacht
im Keller eingeschlossen. Es war kalt. Um sich aufzuwärmen, entfachten die Russen ein
Lagerfeuer aus Stroh. Am nächsten Morgen erwachten nur wenige von ihnen. Die meisten
waren an den Kohlendioxidgasen erstickt. Die Mönche bestatteten sie. 50 Jahre danach
errichtete die russische Regierung ein Denkmal für sie. Sie sind daran vorbeigekommen.
Doch diese Geschichte findet keine Erwähnung darauf.
Gradusow: Nein, im Keller übernachte ich nicht!
Mönch: Es gibt noch das Zimmer, in dem Napoleon abstieg. Auf dem Boden ist noch der
Brandfleck einer umgefallenen Kerze zu sehen, er wurde bis heute nicht aufgewaschen. Ich
zeige es Ihnen. Doch schlafen können Sie dort nicht. Seit Napoleon hat niemand mehr darin
übernachtet. Das Beste ist, ich führe Sie in den Stall! Dort gibt es genug Heu. Am Morgen
kommen die Frauen, um die Kühe zu melken, und werden Sie aufwecken.
Gradusow: Es gibt Frauen im Kloster?
Mönch: Nein, es gibt nur externe Arbeiterinnen, die kommen und gehen. Denn die Mönche
dürfen nicht arbeiten. Sie müssen beten und sich geistigen Aufgaben widmen.
Gradusow: Ich bin unendlich müde!
Mönch: Dann legen Sie sich hin!
Kuhgebrüll ist im Hintergrund zu vernehmen. Pater Bonifaz bringt Heu. Gradusow wirft
sich darauf und schläft ein.
Mönch: Eine gute Nacht! (löscht das Licht)
Die Träume des Majors Gradusow werden auf die Leinwände projiziert: ein Spaziergang
durch das Kloster, das Napoleon’sche Zimmer, die Brandspuren der Kerze auf dem
Fußboden, das Begräbnis der russischen Soldaten. Dann eine Frau, die die sich anschickt,
die Kühe zu melken. Gradusow pirscht sich von hinten an sie heran und macht sich an
ihrem Rock zu schaffen. Die Frau melkt weiter die große, fleckige Kuh, als hätte sie nichts
bemerkt. Gradusow fummelt etwa 30 Sekunden an ihr herum und sinkt dann kraftlos
zusammen. Kuhgebrüll.
ZWEITER AKT
1. BILD
Ein einfach eingerichtetes Zimmer. Fenster. Tisch. Zwei Stühle. Ein mit einer grauen
Soldatendecke bedecktes Metallbett. Einsam im Hintergrund steht eine Tür. Am Tisch sitzt
Major Gradusow.
-13-
WWW.TOLSTOI.RU
Verstehst du, ich bekomme ein Baby! (beschreibt in einer Geste einen großen Bauch)
Gradusow: (versteht sofort, lässt sich schwer auf den Stuhl sinken) Du bist schwanger?
Magdalena: Da, da, da… (bedeckt das Gesicht mit den Händen, weint)
Gradusow: (wischt mit einer heftigen Bewegung die Briefe vom Tisch, schüttelt den Kopf) Scheiße!
Verdammte Scheiße! Was sollen wir tun? (erhebt sich und geht schnellen Schrittes im Zimmer
auf und ab) Das kann nicht sein! Das ist unmöglich! Was soll nun werden. Sie werden mich
bestrafen. Versetzen werden sie mich. Einsperren. Ausweisen …
Magdalena: (schluchzt laut, gibt unartikulierte Laute von sich) Ah, uh, ah …
Gradusow: Du musst abtreiben lassen! (deutet ihr in Gesten) Suche einen Arzt, einen Doktor!
Doktor! Doktor! Verstehst du?
Magdalena: (deutsch) Ich verstehe! Aber es gibt keinen Arzt in Österreich, der eine
Abtreibung vornehmen wird! Verstehst du? Keinen einzigen! Ich habe mich schon
erkundigt! Österreich ist ein katholisches Land! Der Papst verbietet Abtreibungen!
Gradusow: Wie? Was?
Magdalena versucht mithilfe von Worten und Gesten das Wesen des Problems zu erklären.
Schlussendlich begreift Gradusow, nimmt Magdalena in den Arm, weint.
Magdalena: (deutsch) Andrej, wie soll es weitergehen? Mein Vater… Wenn er davon erfährt!
Er wird mich aus dem Haus jagen! Er hasst die Russen! Er hat die Nazis unterstützt,
er ist noch vor dem Anschluss Österreichs an Großdeutschland der Partei beigetreten.
Meine beiden Brüder waren Offiziere der WaffenSS. Wir haben seit Monaten keine
Nachricht mehr von ihnen, wir wissen nicht, wo sie sich befinden, ob sie gefallen oder in
Gefangenschaft geraten sind. Werden sie irgendwann heimkehren?
Vater träumt davon, dass wir nach Kriegsende ein fruchtbares Stück Land in der Ukraine
erhalten und reiche Bauern werden, für die die Slawen als Sklaven arbeiten werden. Das hat
uns Hitler versprochen! Wir sind in den Krieg gezogen, um für Lebensraum zu kämpfen,
den die deutsche Nation so sehr braucht!
Was wird Vater sagen, wenn er erfährt, dass ich ein Kind von einem Russen erwarte?
Gradusow: Was sollen wir jetzt tun? Ich werde den ärgsten Repressionen ausgesetzt sein!
(führt in einer beredten Geste die Hand an die Kehle) Das ist das Ende! Sobald das bekannt
wird …
Magdalena: (deutsch) Vielleicht sollten wir unserem Leben ein Ende setzen?
Gradusow: Was?
Magdalena: (versucht zu erklären, als sie sieht, dass Gradusow nicht ganz verstanden hat, findet
sie ein Beispiel aus der Literatur) Shakespeare! Romeo und Julia? Verstehst du? Du und ich!
Wir sind wie Romeo und Julia!
Gradusow: (entgeistert) Durch Selbstmord sterben? (tippt sich mit dem Zeigefinger an die
Schläfe)
Magdalena: (russisch) Da, da … (deutsch) Lass uns freiwillig in den Tod gehen. Das ist
romantisch! Wie Romeo und Julia! Wie Hitler und Eva Braun! Wir brauchen Gift! Wir
können Pater Bonifaz bitten uns zu trauen, und dann nehmen wir das Gift …
Gradusow: Warte! Wir werden nichts übereilen! Morgen ist das Spiel! Das ist äußerst
wichtig! Weißt du, was das bedeutet, gleich drei Marschalls: Malinowski, Rokossowski und
Wasiljewski? Das ändert vielleicht alles. Lass uns morgen darüber reden. Nach dem Spiel. In
Ordnung? Und jetzt geh! Du kannst nicht hier bleiben, das ist zu gefährlich …
Hoffen wir auf das Beste. Vielleicht ist noch nicht alles verloren!
Küsst Magdalena auf die Stirn und schiebt sie zur Tür hinaus.
4. BILD
Fußballplatz. Tor. Im Tor steht Pater Bonifaz in der Mönchskutte, beugt sich nieder
und richtet sich den Rock. Stadionlärm. Projektionen von WM-Spielen. Anpfiff des
Schiedsrichters. Der Ball in der Mitte des Feldes.
Nr. 20/2009 Buch II - Leopold
ST/A/R 15
Einen Schwerpunkt bilden Videofilme, mal kurz und
knapp, mal poetisch, lyrisch oder ironisch, mal
enervierend. Die Mittel spiegeln die Bandbreite moderner
Medien wider, bilden die Manipulationsmöglichkeit von
Zeitabläufen ab. Da ist die promovierte Medizinerin und
Künstlerin Barbara Musil, die in ihrem Film „market
sentiments“ den Investitionsboom im estnischen
Immobilienmarkt durch Katasterpläne optisch und
akustisch seziert. Im Rhythmus der Musik formt die
Künstlerin neuen imaginäre Marktplätze – ein Spiel,
formal und dennoch lebendig mit animierten Linien und
freien Flächen auf Landkarten.
Oder die Trickfilm-Darstellung des Huchel-Gedichtes
„Exil“ durch Magdalena Pfeiffer. Die akustische Ebene des
Gedichtes folgt der Natur, Himmel und Wolken, Wasser
und Stein. Die fotografische Ebene, aufgenommen in der
Berliner U-Bahn, bildet die Filmkulisse, in der sich
gezeichnete Figuren und Formen aus der Kulisse lösen,
bewegen und wieder verschwinden. Ein poetisches
Wechselspiel zwischen Sichtbarem und Verborgenem,
Kommen und Gehen.
Reinhold Bertlmann und John Bell
Fotos: Renate Bertlmann
Ein Spiel über Grenzen und Genres
„eMOTION“ - Die erste Ausstellung im Kunst-
Projekt-Raum G.A.S-station in Berlin zeigt
Arbeiten zum Thema Bewegung und Gefühl
Es ist nicht zu übersehen in seiner quadratisch
anmutenden Größe: Etwa zwei Meter hoch, , Meter
breit, schwarz. Darauf zeichnen sich die Konturen eines
Sofas ab. Eine foto-grafische Arbeit im engsten Sinne: Die
Kontur gezeichnet mittels eines Lichtstrahls, eine warme,
gelb-orange changierende Linie auf Schwarz. Mal geht die
Linie forsch und direkt ihren Weg, dann wieder schleicht
sie leicht unentschlossen dahin. Während der Lichtstrahl
die Kontur erschafft, bleibt der Umraum dunkel, schwarz.
Der Künstler Ronald Hackl zeichnet mit Licht, die
Bewegung hinterlässt ihre Spuren. Wir ahnen sie, ohne
die Bewegung zu kennen.
Ein weißer Vorhang, zwei Lichtquellen – sonst nichts.
Dahinter verbirgt sich eine interaktive Installation von
Matthias Richter „nur liebe zählt“. Um Zweisamkeit geht
es. Darauf muss man sich einlassen, denn die Kunst
entsteht durch die Agierenden vor und hinter dem weißen
Vorhang, diesseits und jenseits, im Licht oder im Schatten,
je nach Betrachtung. Spielend oder erstarrt, distanziert
oder ganz zugewandt, mit Furor oder In-sich-gekehrt –
das Spiel mit dem Licht erzeugt den Schatten. Der
Schatten ist ein Abbild der Begegnung. Die Bewegung hier
ist Teil der Emotion!
Ich kann beim besten Willen keinen Teddybären erkennen!,
Ralph Bageritz
Dies sind nur zwei der Arbeiten, die in der G.A.Sstation,
dem neu geschaffenen Berliner Kunst-Projekt-
Raum der beiden Wiener Künstler Elisa Asenbaum und
Thomas Stuck (Grafik Art & Sound) zu sehen sind.
„eMOTION“ heißt ihr erstes Ausstellungsprojekt in Berlin-
Kreuzberg. Es ist nicht einer Persönlichkeit oder einer
Kunstrichtung gewidmet, vielmehr steht die Auseinandersetzung
mit einem Thema im Vordergrund. „eMOTION“
meint Bewegung im Gefühl. Und dafür haben die Beiden
den Schritt gewagt, verschiedene Sparten zusammen zu
bringen: Kunst, Wissenschaft, Literatur. Es ist das Spiel
dieser Genres, ihr unterschiedlicher Zugang zu Bewegung
und Gefühl, der interessante Sichtweisen offenbart. Mehr
als Bewerbungen aus neun Ländern gab es.
eMOTION bis . Jänner
Filmtage_Filmnächte: .. / ..
jeweils - Uhr und . - Uhr
Vortrag: .., Uhr - Prof. Thomas Born
“Vom Tanz der Körper zum Tanz der Bilder”
Ein Vortrag mit zahlreichen Videobeispielen.
Der Vortrag spannt einen Bogen von den frühen Kung
Fu-Filmen (Wuxia) bis zu den modernen Martial Artund
Actionfilmen des Hollywoodkinos.
Lesungen und Buchpräsentation: .., Uhr
Maria Consuelo Vargas de Speiss stellt ihr neues Buch
"Hispana" vor und liest daraus auf Spanisch. Auf Deutsch
gelesen von Wolfgang Grossmann.
"Feuerwerkskirschbäume" von Iris Blauensteiner
gelesen von Judith Mauthe.
"Augustina" von Elisa Asenbaum und Urs Riegl
gelesen von Ina Krauß.
Öffnungszeiten: Di-Fr - Uhr, Sa - Uhr
oder nach telefonischer Vereinbarung
Raumkonzept:
Die Räumlichkeiten der G.A.S-station bieten Platz für
kulturelle Veranstaltungen. Sie können als Studio,
Veranstaltungsort, Labor, Entwicklungsplattform für
Projekte, Ausstellungsplatz, Diskussions-, Seminar- und
Präsentationsraum oder auch für private Veranstaltungen
gemietet werden.
G.A.S-station:
Tempelherrenstraße , Berlin/Kreuzberg
fon: + mob. + ()
www.gas-station.net - info@gas-station.net
Anfahrt:
G.A.S-station befindet sich im Bezirk Kreuzberg in der
Tempelherrenstraße , Ecke Blücher-/Urbanstraße und ist
sehr gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Bus:
M direkt ab Hauptbahnhof, hält unmittelbar vor der
Tempelherrenstraße. U-Bahn-Stationen: U Prinzenstraße,
U Hallesches Tor und U Gneisenaustraße sind ca. min. zu
Fuß entfernt. Auto/Fahrrad: Zufahrt über das Carl-Herz-Ufer,
Johanniterstraße oder Wilmsstraße, die Tempelherren-straße
ist eine Sackgasse.
Und wer sich fragt, wie Darstellungen aus dem
naturwissenschaftlichen Bereich hier hinein passen, wird
überrascht. Diese Arbeiten sind mindestens genauso
spannend und anregend. Physiker wie Reinhold A.
Bertlmann oder Franz Embacher, beide Koryphäen in
ihrem Spezialgebiet, machen ganz unmissverständlich
klar, dass Formel-Sprache weit mehr ist als nüchterne
Wissenschaft oder pure Ratio. Egal, ob es um Beschleunigung,
Trägheit oder Masse geht, um den freien
Fall, Quantenmechanik oder die richtige Art, Teebeutel zu
analysieren. Wer eine Konstante eines Systems verändert,
erzeugt neue Formen, neue Bewegungen, neue
Richtungen.
So unterschiedlich Assoziationen von Bewegung in der
Raum-Zeit-Achse sein können, so streng durchdacht ist
das Konzept der Ausstellung. Unmittelbar neben der Leseund
Hörecke sind Arbeiten platziert, die sich mit der
Dynamik des Lesens befassen. Neben den interaktiven
Computeranimationen, die die Gesetze der Physik anschaulich
erfahrbar machen, hängen Landschaftsaufnahmen,
die dem Betrachter suggerieren, er befinde sich
in Bewegung. Die große Lichtzeichnung mit dem Sofa
wird durch ein Buch über Quantenmechanik ergänzt. Auf
der gegenüberliegenden Seite hängen Kunstwerke, die
sich eher emotionalen Aspekten im Kontext zu
gesellschaftspolitischen Aussagen widmen.
Und auch der Begriff Filmteppich wird beim Wort
genommen. Super--Filmstreifen aus den er und er
Jahren, die analog dem Weben zu einem Teppich
zusammengefügt wurden, bilden den Übergang zum
Videoraum. Hier ist nichts zufällig, selbst wenn es so
scheint!
peng peng, , video
Tanja Seiner
Die Besucher werden bei diesem Parcours aus Malerei,
Grafik, Fotografie, Film, Hörstücken, Wissenschaft,
Literatur und Analyse aus der Konsumentenhaltung
herausgerissen. „Das Werk setzt sich erst beim Betrachter
zusammen und dazu braucht er die Fähigkeit zu
assoziieren und auch die Motivation, Kunst und
Wissenschaft verstehen zu können.“ Elisa Asenbaum und
Thomas Stuck sind überzeugt, dass ihr Ausstellungskonzept
einen Aha-Effekt bewirkt, dass Besucher einen
aktiven, kreativen Prozess vollziehen, in einen Dialog mit
den Kunstwerken treten, jetzt oder später.
Elisa Asenbaum und Thomas Stuck haben in der G.A.Sstation
mit ihrer ersten Ausstellung „eMOTION“ ein
ambitioniertes Kunst-Projekt auf die Beine gestellt. Auch
der Katalog, Seiten in Farbe und als Hardcover mit
interessanten thematischen Bezügen, unterstreicht ihren
Anspruch, nicht in Sparten oder Schubladen zu denken.
Ina Krauß (Freie Journalistin, Berlin)
16 ST/A/R
Buch II - Leopold Nr. 20/2009
WAS TUT DIE KUNST FÜR DIE GESELLSCHAFT?
VON KUNST UND WELTKULTUR Von Wolf Guenter Thiel, Berlin Von Wolf Guenter Thiel, Berlin
Ein Resultat des Zusammenbruchs der politischen Systeme
des kalten Krieges und seiner fest definierten Weltmodelle
ist ein seither vorherrschendes Defizit an Utopien. Es scheint
als sei die Utopie eine Idee der Vergangenheit und nicht eine
Vision von Zukunft. Utopie als eine Wunschvorstellung, die
zwar denkbar, aber vor dem Hintergrund aktueller Problemund
Aufgabenstellungen der Weltpolitik nicht realistisch zu
sein scheint. Utopie wird zum Synonym für einen als
unausführbar betrachteten Plan und eine realitätsferne Vision.
An die Stelle der Utopie ist ein makro- und mikropolitischer
Pragmatismus getreten, der die wichtigen Fragen der
Menschheit direkt und ohne den scheinbaren Umweg der
Utopie angeht und nach unmittelbaren Lösungswegen sucht.
Fragen der Erderwärmung, des Klimawandels und der
Bewahrung der natürlichen Umwelt - wie der Polkappen - sind
in den Fokus der Politik und der Wissenschaft gerückt. Es gilt
zu handeln! Hierbei ist die Situation dadurch erschwert, dass
sich mit den großen neuen Industriemächten im fernen und
mittleren Osten, Wirtschaften entwickeln, die durch ihre
Geschichte und ihre Bevölkerungsentwicklung zum
Wachstum verpflichtet sind und so die industrielle Produktion
ihrer Volkswirtschaften fast zwangsläufig steigern müssen,
um den sozialen Frieden innerhalb ihrer Gesellschaften zu
waren oder herzustellen. Eine Analyse dieser Art setzt voraus,
zu akzeptieren, das sich die Gesellschaften der Erde in
unterschiedlichen Entwicklungszuständen ihrer jeweiligen
Wirtschaften und Kulturen befinden. Das wichtigste hierbei,
Fukuyama
so scheint es mir, ist die unterschiedliche kulturelle
Geschichte mit ihren aktuellen Ausprägungen in China,
Indien oder am arabischen Golf zur Kenntnis zu nehmen und
zu respektieren. Die Antwort des amerikanischen
Politikwissenschaftlers Samuel Huntington gibt er in seiner
Schrift „The Clash of Civilizations“ im Jahr 1996. Diese
Schrift hat die amerikanische Globalpolitik der Bush Ära
maßgeblich legitimiert und politologisch fundiert. Er lehnt die
Vorstellung einer universellen Weltkultur - wie sie nach dem
Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 und dem Ende des
Kalten Krieges von Francis Fukuyama vertreten wurde - ab. Er
geht von einem Konflikt zwischen Zivilisationen und Kulturen
aus. Den Grund sieht er darin, das die weltpolitische, westliche
Dominanz mit ihrer den Zivilisationen anderer Prägung
aufgezwungenen Geschichte des Imperialismus und
Kolonialismus andere kulturelle Identitäten bis heute
maßgeblich unterbewertet. In der Folge ist ein
Akzeptanzproblem westlicher Wertvorstellungen entstanden,
das andere Kulturen in die fundamentale Opposition zwingt.
Huntington fordert anstelle einer Politik der Menschenrechte,
eine Geopolitik der Macht, angeführt von den Vereinigten
Staaten. Eine Lösung dieses Konfliktpotentials sieht
Huntington in der Stärkung der westlichen Identität nach
Außen und Innen. Francis Fukuyama sieht mit dem Ende
des zweiten Weltkrieges und dem Fall der Berliner Mauer
(1989) eine Schlussphase der politischen Systementwicklung.
Totalitäre Systeme stellen keine politischen Alternativen mehr
dar. Fukuyama vertritt die These, dass die durch diesen
Wandel entstehenden sozialen Probleme von den
Gesellschaften durch die gesetzmäßige Bildung neuer
formeller und informeller Normen (gesellschaftliche
Vereinbarungen auf Konsensbasis) gelöst werden. Jede
Gesellschaft sei in der Lage, eine neue Ordnung zu erfinden.
Dabei geht Fukuyama von der Prämisse aus, dass nur
Gesellschaften in der Lage seien eine neue Ordnung zu
erfinden, die genügend Sozialkapital aufweisen. Sozialkapital
ist als die Zusammenfassung informeller sowie formeller
Normen zu verstehen, die alle Mitglieder einer Gesellschaft
teilen, um eine effektive Kooperation innerhalb der
Gesellschaft zu ermöglichen. Hohes Sozialkapital stehe häufig
im Zusammenhang mit niedrigen Kriminalitätsraten und der
generellen Bereitschaft, sich für die Gesellschaft einzusetzen.
Beispiele sind Hilfsorganisationen, soziale Netzwerke oder
exemplarisch für die Kunst alternative Ausstellungsräume,
junge und aufstrebende Galerien oder Kunstvereine und
-Initiativen. Kunst und Künstler geben einen hervorragenden
Prospekt für die von Fukuyama vertretene These ab. Mit dem
Begriff „Soziales Kapital“ bezeichnet Pierre Bourdieu die
Gesamtheit der aktuellen und potenziellen Ressourcen, die
mit der Teilhabe am Netz sozialer Beziehungen gegenseitigen
Kennens und Anerkennens verbunden sein können. Das
soziale Kapital bezieht sich auf die Beziehungen zwischen
natürlichen Personen. Es bietet für die Individuen einen
Zugang zu den Ressourcen des sozialen und
gesellschaftlichen Lebens wie Unterstützung, Hilfeleistung,
Anerkennung, Wissen und Verbindungen bis hin zum Finden
von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Es produziert und
reproduziert sich auch über Tauschbeziehungen, wie
gegenseitige Geschenke, Gefälligkeiten, Besuche und
Ähnliches. Dies alles gilt exemplarisch für die Kunstwelt. Wo
aber finden diese beschriebenen Dialoge statt und wer spricht
mit wem? Otto Neurath österreichischer Philosoph und
Ökonom gründet 1929 in Wien den so genannten „Wiener
Kreis“ und bringt ein Manifest heraus, die diesen gedanklich
und wissenschaftlich fundiert. Es ist eine Gruppe von
Wissenschaftlern, Philosophen und Künstlern, die er als
„realitätsnahe Utopisten“ bezeichnet. Ziel dieses Kreises war
es den „Geist der wissenschaftlichen Forschung“ zu
durchdenken und aufzuzeigen, worin eine „wissenschaftliche
Weltauffassung“ besteht. Es ging diesem Kreis um die
Durchsetzung einer Sprache und einer Wissenschaft, die sich
für die Entwicklung und den Aufbau von „Sozialkapital“
Sparten übergreifend einsetzen sollte und wollte. Was die
Kreismitglieder verband waren nicht gemeinsame Thesen,
sondern, wie das Manifest sagt, „die grundsätzliche
Einstellung, die Gesichtspunkte, die Forschungsrichtung.“
Neurath
Der Kreis war in Wien durch den aufkommenden Faschismus
jedoch leider nur von kurzer Dauer, bevor er in der Masse
seiner Mitglieder ins Exil gezwungen wurde. „Eine moderne
Demokratie, so schrieb Neurath unmittelbar nach dem Krieg
1945 in England, brauche gesellschaftliche Räume, in denen
ein abwägender, nachdenklicher Diskurs über die
gesellschaftliche Ordnung, in der wir leben, geführt werden
kann. Mit überprüfbaren Argumenten, in einer klaren
Sprache. Visuelle Mittel könnten dabei eine wichtige Hilfe
sein. Die Demokratie werde nur dann eine Chance haben,
wenn möglichst viele Menschen lernen, die Welt unter
verschiedenen Gesichtspunkten zu betrachten, ihre
Erfahrungen in Worte zu fassen, sie mit anderen
auszutauschen und ihre Sicht der Dinge unter bestimmten
Umständen zu ändern.“ Künstler sind gewohnt ihre Sicht auf
Welt, ihre Kommentare und Ansichten zur Gesellschaft in
Ausstellungen zur Diskussion zu stellen. Kunsträume, seien
sie nun kommerziell oder nicht kommerziell, haben die
Aufgabe übernommen, diese von Neurath geforderten,
gesellschaftlichen Räume zur Verfügung zu stellen. Hierbei
sind es insbesondere die jungen und aufstrebenden Galerien,
die ihren Markt erst noch finden müssen, die sich durch
inhaltliche und innovative Arbeit hervortun. Es sind die
Betreiber dieser Art von Ausstellungsräumen, die soziale
Beziehungen mobilisieren und in soziale Beziehungen
investieren und so langfristig soziales Kapital aufbauen. Sie
streben die soziale Dynamik von Kennen und Anerkennen an,
wie sie in der internationalen Kunstwelt üblich ist: Aus dem
Kennen von Personen kann ein Informationsvorsprung
entstehen, der dann auch in einen Vertrauensvorschuss
„umgemünzt“ werden kann. Dieser Vertrauensvorschuss
macht letztlich den ökonomischen Erfolg der Kunst, ihrer
Produzenten und Vermittler aus. Die visuellen Mittel der
Kunst, die Otto Neurath als wichtige Hilfe eingeschätzt hat,
sind also vom illustrativen Hilfsmittel zum Anlassgebenden
Ausgangspunkt für Dialoge geworden. Künstler und ihre
Werke geben den Anlass für Symposien, Begleitvorträge und
wissenschaftliche Beiträge zu gesellschaftspolitischen und
sozio- kulturellen Fragestellungen, die der normale
Wissenschaftsbetrieb so nicht vorsieht. Hier beginnt ein
Dialog der erheblich intensiviert werden könnte und vor allem
sehr viel ernster genommen werden sollte. Wissenschaftler
der naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen
Fachbereiche im Dialog mit Philosophen und Künstlern. Die
letztgenannten rücken hierbei in die Rolle von realitätsnahen
Utopisten. Utopisten, die durch die Freiheit des
künstlerischen Ausdrucks in die Lage versetzt werden,
Planspiele durchzuspielen, die real-utopistische Formen
annehmen und die Räume bespielen, die sich für die von
Neurath so benannten „nachdenklichen Dialoge“ öffnen. Aber
wie laufen solche Prozesse in der Realität Berlins ab. Künstler
aus allen Regionen der Welt leben und arbeiten derzeit in
Berlin. Sie tun dies aus zwei Gründen: Sie finden eine
Vielzahl bezahlbarer Räume vor, die sie sich leisten können
und finden eine Stadt vor, die so offen für Künstler ist, das sie
sehr einfach Anschluss an einen der vielen Kunstkreise
finden. Mit seiner internationalen, von jungen, engagierten
Galerien und temporären Ausstellungsräumen bestimmten
Kunstszene, hat sich die Stadt inzwischen als einer der
wichtigsten Standorte des internationalen Kunstgeschehens
etabliert. Die Berliner Kunstlandschaft zeigt und lebt geradezu
exemplarisch kulturelle Globalisierungsphänomene aus. Hier
entstehen zwischen den Künstlern aus unterschiedlichsten
Kulturkreisen neuartige und soziale, dynamische Netzwerke.
Diese Erfahrung einer lebendigen „Weltkultur“ macht die
große Attraktivität der Stadt Berlin aus. In Berlin erleben die
Künstler und Kreativen etwas von eben dieser neuen Kultur.
Diese weist unterschiedlichste kulturelle Prägungen auf und
etabliert hierdurch eine neuartige Anschlussfähigkeit an die
unterschiedlichsten Zentren der Kunstwelt und ihrer
Kulturkreise. Traditionelle, regional oder national bestimmte
kulturelle Mentalitäten und Eigenschaften beginnen zu
verschwimmen und verändern sich sukzessive. Durch den
ständigen Austauschprozess von Ideen und Wissen entstehen
neue solidarische und globalisierte Gruppen von Kreativen,
die sich zusammentun und gegenseitig helfen und
unterstützen. Diese Gruppen sind
Solidargemeinschaften, die sich über
ihre Mitglieder direkt mit den
unterschiedlichen Herkunftsländern und
ihren kulturellen Zentren und
Einrichtungen vernetzen. Dieser Prozess
wird heute wesentlich durch das Internet
ermöglicht. Die Gruppen formieren sich
einerseits in den Städten der
globalisierten Welt wie Berlin und
andererseits auf unterschiedlichen
Internetplattformen. Auf diesen
Plattformen finden die Prozesse, die in
Berlin und anderen Städten in der
Realität stattfinden, parallel hierzu in
der virtuellen Welt statt. Sie verstärken
die realen Kulturphänomene. So entsteht
ein ständiger Informationsaustausch
und ein ständiges Angebot von
Ausstellungen und
Thiel
Ausstellungsmöglichkeiten, der den
Solidaritätsgedanken nachhaltig
befördert. Das beschriebene Phänomen
widerlegt Huntington und erweist sich
als ein Beleg für das Gegenteil. Neue gesellschaftliche Normen
werden gefunden, sie werden entwickelt und etabliert und
strahlen auch in Berlin auf die gesellschaftlichen
Umgebungen aus. Diese kulturellen Brücken ergeben sich
durch das engagierte Eintreten für realitätsnahe Utopien. Eine
von Huntington proklamierte geforderte Rückwendung zu
nationalen Leitkulturen erscheint vor diesem Hintergrund
grundsätzlich abwegig. Die große Qualität Berlins im
Hinblick auf dieses Sozialkapital wurde erstmals während der
Fußballweltmeisterschaft 2006 in Berlin mit ihren
hunderttausenden internationaler Gästen, den Fanmeilen und
dem kollektiven „Public Viewing“ deutlich. Dieses
transnationale Wir-Gefühl jenseits von Nationalmannschaften
haben zur Illustration des Phänomens „Weltkultur“ erheblich
beigetragen und wurden von Medien weltweit auch so
kommuniziert. Die Frage: „Was tut Kunst für die
Gesellschaft?“, können wir so beantworten. Kunst belegt die
Richtigkeit der These einer Weltkultur. Sie erfüllt ebenfalls
eine Funktion in der Bildung von sozialen und kulturelle
Netzwerken, die eindeutig das Verständnis zwischen
unterschiedlichen Kulturen in einer Stadt wie Berlin fördern
und befördern. Sie schafft eine kulturelle Anschlussfähigkeit
an die unterschiedlichen Weltkulturen Asiens, Amerikas,
Arabiens und Afrikas. Vor allem belegt sie, das es möglich ist,
kulturelle Brücken zu bauen, diese zu begehen und sich
zusammen für und miteinander, solidarisch zu engagieren.
Vgl. Samuel Huntington:The Clash of Civilizations and the Remaking of
World Order. Simon & Schuster, New York 1996, auf deutsch erschienen
als: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21.
Jahrhundert. Goldmann, München 1998
Francis Fukuyama: Das Ende der Geschichte (The End of History and the
Last Man), 1992
Scheitert Amerika? Supermacht am Scheideweg. Berlin: Propyläen Verlag,
März 2006. Wir benutzen den Begriff Sozialkapital (Fukuyama) und
Soziales Kapital(Bourdieu) analog. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/
Soziales_Kapital; Pierre Bourdieu: Sozialer Raum und „Klassen“. Zwei
Vorlesungen. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1985 Vgl. Elisabeth Nemeth:
Einleitung, in: Volker Thurm (Hg.): Wien und der Wiener Kreis. Orte
einer unvollendeten Moderne. Ein Begleitbuch. Wien 2003 Der Wiener
Kreis orientierte sich im Sprachverständnis an Ludwig Wittgenstein
und seinem Tractatus logico philosophicus. Vgl. Ludwig Wittgenstein:
Tractatus logico-philosophicus, Logisch-philosophische Abhandlung.
Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003. Elisabeth Nemeth: Einleitung,
in: Volker Thurm (Hg.): Wien und der Wiener Kreis. Orte einer
unvollendeten Moderne. Ein Begleitbuch. Wien 2003.
Vgl. Samuel Huntington: Who Are We? Die Krise der amerikanischen
Identität. Europa-Verlag, Hamburg 2004
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch III - Berlin ST/A/R 17
18 ST/A/R
Buch III - Berlin Nr. 20/2009
Nr. 20/2009 Buch III - Berlin
ST/A/R 19
Städteplanung / Architektur / Religion Buch III - Berlin ST/A/R 21
22 ST/A/R
Buch III - Berlin Nr. 20/2009
Nr. 20/2009 Buch III - Berlin
ST/A/R 23
24 ST/A/R
Buch III - Berlin Nr. 20/2009
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch IV - Alena ST/A/R 25
Alena Baich Schauspielerin
Alena Baich gab ihr Theaterdebut am Wiener Burgtheater, wo sie drei Jahre als fixes Ensemblemitglied engagiert war und u.a. in
Arbeiten unter der Regie von Peter Zadek, Luc Bondy und Martin Kušej zu sehen war.
Heute lebt und arbeitet sie als freischaffende Schauspielerin in Wien und in Kroatien.
Neben ihrer Arbeit auf diversen Bühnen und vor der Kamera realisiert sie auch eigene Kunstprojekte, in denen ihr Fokus auf
der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Literatur und Musik liegt und Künstler aus dem südosteuropäischen Sprachraum
eingebunden werden.
2009 wird sie in unserem Russischen ST/A/R Theater in Berlin als Gast auftreten. www.alenabaich.com
26 ST/A/R
Buch VI - Alena
Nr. 20/2009
AUS DEM FOTOTAGEBUCH
Bei einem Besuch der Ausstellung von Lies Maculan in Linz
mit Erich X. und dem Galleristen Konzett sahen wir die
Fotoinstallationen von Lies Maculan.
Man glaubt ein Fenster mit einem Mädchen zu sehen oder
eine badende Frau – man glaubt durch die offene Tür in
einen anderen Raum zu blicken, man glaubt man kann auf
dem Klavier spielen – man glaubt im Kamin ein Feuer
anzünden zu können – man glaubt – man glaubt –
man glaubt – Alles FAKE – Dann weiß man – eine super
Fotoinstallationen von Lies Maculan!
Heidulf Gerngross
LIES
ERICH
PHILIP
Nr. 20/2009
Buch VI - Alena
Oliver Rosenauer bringt eine Flasche
Sekt als Neujahrsgruss ins
ST/A/R-Büro.
Diese Flasche wurde an Milan Mijalkovic
weitergeschenkt.
DANK an Oliver Rosenauer
ST/A/R 27
Franz West mit Richie Hoeck und
mit dem Galeristen Michael Hall
roböXotica, Festival for Cocktail Robotics mit dem St. Petersburger
Künstler Michael Crest – initiert von Vallie Airport
Barbara Kramer mit Alena Baich
Moderatoren: Barbara Kramer
und Jimmy Lend und die
großartigen Schauspieler 1,2,3,4.
Chobot and Chobot
Chobot - Winner vom 6. DRAMA SLAM am 6.12.2009
Jimmy Lend Organisator
der DRAMA SLAMs in Wien,
Berlin und St. Petersburg
Mag. Harro Berger
Kachelöfen nach Mass
1010 Wien, Weihburggasse 17
email: harro.berger@chello.at
In kalten Zeiten -
ein großes, warmes, gutes Herz -
ein ökologisches,
ein ökonomisches -
ein Kachelofen
in Ihrer Wohnung
4-8 Scheite Holz täglich!
1010 Wien, Weihburggasse 17 • Tel: 01/512 14 34 • Handy: 0699/19525378 • Fax: 512 57 97 • email: harro.berger@chello.at
30 ST/A/R
Buch VI - Alena Nr. 20/2009
DER GROSSARTIGE KÜNSTLER
ISMAEL BASARAN
und ST/A/R-Reporter
2/2008
Nr. 02/ III,IV 2008
Eur 3,50
Christian Boltanski
Gyula Pauer
Muzej Macura
Herausgegeben von Thomas BUCH Redl und 1Wolf Guenter Thiel
Zeitung für Kunst und Ästhetik - Wien / Berlin
Wittgensteins Fotografie
Michael Nedo
Thomas Macho
Zeitung für Kunst und Ästhetik
www.fairarts.org
Wolfgang Ullrich
Peter Markowich
Sabine Folie
3/2008 Nr. 03/III,IV 2008
RothStauffenberg
Miao Xiaochun
Herausgegeben von Thomas BUCH Redl und 1Wolf Guenter Thiel
Zeitung für Kunst und Ästhetik - Wien / Berlin
Bruno Gironcoli
Joseph Beuys
Zeitung für Kunst und Ästhetik
www.fairarts.org
Beat Wyss
Peter Tscherkassky
fair – Zeitung für Kunst & Ästhetik
erscheint 2009 4 x jährlich in Wien und Berlin.
Auflage: 10.000 Stück,
erhältlich im Fachbuchhandel, Trafiken, Museen,
Institutionen, Cafes (Vertrieb Morawa)
fair Statement
Die Aufgabe und das Ziel von fair ist es einen Dialog auf hohem
Niveau im Bereich bildende Kunst und Kunsttheorie und in den
Bereichen Film, Architektur und Kulturphilosophie zu führen, der
nicht ausgerichtet ist auf die aktuellen Tendenzen des Kunst- und
Kulturbetriebs und deren ökonomischen Zwänge.
fair stellt einen diskursiven Raum zu Verfügung, indem das
Verhältnis von Kultur, Ästhetik und Ethik im Kultur- und
Kunstbetriebs sowie in gesellschaftlichen und urbanen
Entwicklungen aktuell diskutiert werden kann.
Das Wirkungsfeld ist der deutschsprachige Raum mit Schwerpunkt
Wien und Berlin. 2009 wird ein wesentlicher Fokus auf den zentralund
osteuropäischen Raum gelegt.
2008 berichtete fair unter anderem von:
Hiroshi Sugimoto, Christian Boltanski, Bruno Gironcoli, Miao
Xiaochun, Joseph Beuys,
RothStauffenberg, Peter Kogler / Autoren: Beat Wyss, Peter Weibel,
Silvia Eiblmayr. Carl Pruscha, Peter Tscherkassky, Thomas Macho,
Sabine Folie.
Christian Boltanski, Detail aus Autoportrait, 2007, © Kewenig Galerie, Köln
RothStauffenberg
Grande Hotel Moçambique
fair wird herausgegeben von Thomas Redl (Wien) und wolf Guenter Thiel
(Berlin)
Nr. 20/2009 Buch VI - Alena
ST/A/R 31
MILANS GEBURTSTAG
MILAN 24 AND AMIGOS
MILAN MIJALKOVIC, A NATURAL BORN ARCHITECT
AT HIS BIRTHDAY IN VIENNAS FAMOUS EISSALON,
GUMPENDORFERSTRASSE. AND HIS DESIGN “FÜR EINE
MUSEUMSBIENE” DIE ALLE WIENER KULTURSTÄTTEN VOM
MUSEUMSQUARTIER BIS ZUM WIEN-MUSEUM VERBINDET.
CAT
Foto: Andrea Baczynski
KUB0804_An_star_Fabre.indd 1
02.12.2008 11:23:51 Uhr
32 ST/A/R
Buch VI - Alena Nr. 20/2009
Kunsthaus Bregenz
Jan Fabre
From the Cellar to the Attic – From the Feet to the Brain
27 | 09 | 2008 – 25 | 01 | 2009
I had to break down a part of the ceiling of the Royal Palace because there was something growing out of it | 2008
Photo: Markus Tretter © Jan Fabre/VBK, Wien, 2008, Kunsthaus Bregenz
Symposium Jan Fabre
Schlachtfeld der Liebe und des Lebens |
Battlefield of Love and Life
• Samstag, 17. Januar, 10 bis 18 Uhr | Auf Einladung
von Jan Fabre diskutieren internationale Kuratoren
spezifische Aspekte der KUB-Ausstellung.
Zugesagt haben bisher: Jacopo Crivelli (Kurator
Sao Paolo Biennale), Giacinto di Pietrantonio
(Direktor GAMEC, Bergamo), Dirk Snauwaert
(Direktor Kunstzentrum Wiels, Brüssel),
Stefanie Rosenthal (Kuratorin Hayward Gallery,
London), Thomas Trummer (Siemens Arts
Program, München) und Augustine Zenakos
(Kurator Athen Biennale). Im Anschluss wird der
Katalog zur Ausstellung präsentiert.
Kunsthaus Bregenz
Karl-Tizian-Platz, A-6900 Bregenz
Telefon (+43-5574) 485 94-0
www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag 10 – 18 Uhr
Donnerstag 10 – 21 Uhr
24.12.08 10 – 14 Uhr
25.12.08 geschlossen
26.12.08 10 – 18 Uhr
31.12.08 10 – 14 Uhr
01.01.09 14 – 21Uhr
Kind – Jugend
Engelchen Bengelchen
• Dienstag, 23. Dezember, 10 bis 13 Uhr und 14 bis
17 Uhr | Gerade noch rechzeitig vor Weihnachten
wird im KUB Christbaumschmuck gebastelt.
Wunderkammer
• Freitag, 2. Januar bis Sonntag, 4. Januar, jeweils
10 bis 13 Uhr | In den Ferien bietet Marco Ceroli
einen Workshop nach der Munari-Methode für
Kinder von 6 bis 12 Jahren an. Präsentiert werden
die Ergebnisse am Sonntag, 4. Januar, um 13 Uhr.
Teilnahmegebühr für alle 3 Tage: 27 €. Buchung
einzelner Tage möglich; Anmeldung unter:
(+43-55 74) 4 85 94-415.
ART CRASH
• Freitag, 16. Januar, 16 bis 18 Uhr | Der ART
CRASH bietet Jugendlichen zwischen 12 und
17 Jahren die Möglichkeit, Ausstellungen zu
besuchen, Künstlern in ihrem Atelier über die
Schulter zu schauen und ganz generell über
Kunst zu sprechen.
Workshop
• Für Kinder im Alter von 5 bis 10 Jahren
findet jeden Samstag von 10 bis 12 Uhr
ein Workshop statt. Nach einem Rundgang
durch die aktuelle Ausstellung werden
die vermittelten Inhalte anschließend beim
praktischen Arbeiten vertieft.
Film
Filme von Jan Fabre
• Donnerstag, 8. Januar, 20 Uhr | Zusammen mit
dem Künstler wurden vier Werke seines filmischen
Œuvre ausgewählt, die Themen der Ausstellung
ansprechen. The Problem 2001, Is the Brain
the Most Sexy Part of the Body? 2007,
The Meeting/Vstrecha 1997, A Consilience 2000
Dokumentarfilme über den Künstler Jan Fabre
• Donnerstag, 22. Januar, 20 Uhr | The Man
Measuring the Clouds 2003, Jan Fabre au
Louvre 2008, A Royal Mission 2002
Führung
• Öffentliche Führungen werden am Donnerstag
19 Uhr, Samstag 14 Uhr und Sonntag 16 Uhr
angeboten.
Architektur
• Sonntag, 4. Januar, 11 Uhr
Familienführung
• Sonntag, 11. Januar, 14 Uhr
Backstage
• Donnerstag, 15. Januar, 19 Uhr
Finale
• Sonntag, 25. Januar, 16 Uhr
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch V - Wien Kultur ST/A/R 33
dr. andreas mailath-pokorny.
Stadtrat für Kultur und Wissenschaft
dr . andreas mailat -pokorny
34 ST/A/R
Buch V - Wien Kultur Nr. 19/2008
Koer
Die Aufgabe von KÖR ist die Belebung des
öffentlichen Raums der Stadt Wien mit permanenten
bzw. temporären künstlerischen
Projekten. Dadurch soll die Identität der
Stadt und einzelner Stadtteile im Bereich
des Zeitgenössischen gestärkt sowie die
Funktion des öffentlichen Raums als Agora
– als Ort der gesellschaftspolitischen und
kulturellen Debatte – wiederbelebt werden.
KÖR versteht Kunst im öffentlichen Raum
nicht als Dekor, sondern als Angebot zur
Auseinandersetzung mit Inhalten und radikalen
ästhetischen Setzungen sowie als
symbolische Markierung bislang
kulturabstinenter Territorien.
KÖR wickelt künstlerische Projekte ab,
erteilt Aufträge an KünstlerInnen, lobt
Wettbewerbe für künstlerische Projekte im
öffentlichen Raum aus, vergibt Förderungen
an KünstlerInnen bzw. Projektträger und
führt damit verbundene Tätigkeiten, wie
Veranstaltungen und Symposien, durch.
Die Mittel werden von den Geschäftsgruppen
Kultur und Wissenschaft, Stadtentwicklung
und Verkehr sowie Wohnen,
Wohnbau und Stadterneuerung zur Verfügung
gestellt.
Die Projekte werden im frei zugänglichen,
öffentlichen Raum der Stadt Wien, in dem
Kunst von jedermann erlebt werden kann,
umgesetzt.
Ken Lum PI
Westpassage Karlsplatz / Friedrichstraße, 1010 Wien
Eröffnung: 1. Dezember 2006
© Jörg Auzinger
Ingeborg Strobl EIN GARTEN (ZUM BEISPIEL)
Novaragasse 8, 1020 Wien
Eröffnung: 7. Mai 2008
© Christian Wachter
Maria Hahnenkamp und Architekt
Willi Frötscher ORNAMENT-VORHANG
Kabelwerkpark, 1120 Wien
Eröffnung: 17.September 2008
© Fotostudio Huger
Lois und Franziska Weinberger
DACHGARTEN DER WIENBIBLIOTHEK
Rathaus (Hof 6), 1010 Wien
Eröffnung: 17. Oktober 2005
© Jörg Auzinger
Nr. 19/2008 Buch V - Wien Kultur
ST/A/R 35
Joep van Lieshout
„WELLNESS SKULL“
KÖR am Kunsthalle Wien public
space karlsplatz
Treitlstraße 2, 1040 Wien
19. November 2008 bis 15. März 2009
© Stephan Wyckoff
URBAN SIGNS – LOCAL
STRATEGIES
Sonia Leimer, Michael
Gumhold, David Moises, Anna
Artaker, Christian Egger Boris
Ondreicka, Lucie Stahl und
Stefan Sandner
Fluc Vorplatz und Fassade, Praterstern,
1020 Wien
21. Oktober bis 22. Dezember 2008
Oliver Hangl DIE RE-
KLAME REKLAMIEREN 2:
ANDREA VAN DER
STRAETEN
Leo Kandl BEKLEIDUNG
AUS DER SERIE
„KOLLEKTION“
Schaufenster KÖR am Kunsthalle
Wien public space karlsplatz
Treitlstraße 2, 1040 Wien
5. August 2008 bis 1. März 2009
Barbara Krobath DREI
CHINESEN IN DER
QINGHAI-TIBET-BAHN
K48, Kirchgasse 48, 1070 Wien
18. Dezember 2008 bis 31. März 2009 Flora Neuwirth
U2 Station Schottentor, Vitrine
über dem Bahnsteig, 1010 Wien
14. Mai 2008 bis 28. Februar 2009
Marko Lulić MAHNMAL
GEGEN DEN MYTHOS
DES ERSTEN OPFERS
Parkanlage am Mexikoplatz
1020 Wien
10. April 2008 bis 10. April 2009
CLUBBLUMEN - EIN
UTOPISCHES
UNTERNEHMEN IM
SOZIALEN RAUM
Johannagasse 42, 1050 Wien
30. April 2008 bis 31. Jänner 2009
KÖR Kunst im öffentlichen Raum
GmbH
Museumsplatz 1, Stiege 15
A-1070 Wien
T +43 (0)1 521 89 - 1257
F +43 (0)1 521 89 - 1217
office@koer.or.at
www.koer.or.at
Städteplanung / Architektur / Religion
Gelitin
Dr. Andreas Mailath-Pokorny
FOTO: MEDIA WIEN
Heidulf Gerngross
Dominik Steiger
Hahnenkamp
Bernhard Lang
Foto:media wien
star_ok:Layout 1 19.12.2008 15:00 Uhr Seite 1
38 ST/A/R
Buch V - Wien Kultur Nr. 19/2008
MUSA Museum auf Abruf
— ist Ausstellungsort und Präsentationsraum für die seit 1951 bestehende Sammlung
zeitgenössischer Kunst der Stadt Wien – mit über 20.000 Objekten aller Sparten von
rund 3.500 KünstlerInnen
— ist die Artothek, in der Kunstbegeisterte gegen eine geringe Leihgebühr Grafiken für
den privaten Wohnbereich entlehnen können (€ 2.50/Bild/Monat)
— ist die Startgalerie, die als Fördereinrichtung und Präsentationsfläche mit wechselndem
Ausstellungsprogramm junge KünstlerInnen der Öffentlichkeit vorstellt
MUSA Museum auf Abruf
— bietet jeden Donnerstag ab 17.00 Uhr sowie gegen Voranmeldung Kunstvermittlungsprogramme
(T +43-(0)1-4000-84752)
— organisiert auch spezielle Führungen für Personen mit besonderen Bedürfnissen
— macht Schenken leicht – mit dem Geschenkgutschein der Artothek (ab € 10,–)
— Freier Eintritt zu sämtlichen Ausstellungen und Veranstaltungen!
Weitere Informationen zu unseren aktuellen Ausstellungen und Veranstaltungen sowie
zum Kunstvermittlungsprogramm finden Sie unter www.musa.at
MUSA Museum auf Abruf
1010 Wien, Felderstraße 6-8, neben dem Rathaus
T +43-(0)1-4000-8400, musa@musa.at, www.musa.at
MUSA
musa
© Ein Projekt der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7) 1082 Wien, Friedrich-Schmidt-Platz 5
Nr. 19/2008 Buch V - Wien Kultur
ST/A/R 39
40 ST/A/R
Buch V - Wien Kultur Nr. 19/2008
Wien
Mission Ignition Kagran.
Oder: Transdanubien wächst!
Foto: H.Preis
Kagran, so hieß die U1 Station früher
„Zentrum“
– bis die Häufung japanischer Touristen, die
vorm Donauzentrum herumirrten und den Stephansdom
suchten, auffällig wurde. Und obwohl das DZ - das lange
Zeit größte Einkaufszentrum (heute „Urban Entertainment
Center“ ) Wiens , das nach eigenen Angaben das „größte
Unterhaltungsangebot der Stadt unter einem Dach“ zu
bieten hat, konnte sich Kagran als Touristen-Magnet nicht
wirklich durchstezen. Das „Zentrum“ vor „Kagran“ wurde
schließlich entfernt.
Für die DonaustädterInnen scheint Kagran
als Verkehrknotenpunkt, Versorgungs- und
Unterhaltungsquelle aber immer noch das Zentrum
zu sein. Hier setzt auch „Misson Ignition Kagran“
– MIK, ein Kollektiv junger KünstlerInnen und
LandschaftsarchitektInnen an, das sich von dort aus weiter
in den Bezirk/an den Stadtrand bewegt, und es sich zur
Aufgabe gemacht hat, das – für die meisten WienerInnen
unbekannte und auch unattraktive Territorium Donaustadt
– oder auch: Transdanubien zu erforschen und unter
einem neuen Blickwinkel zu betrachten.
Welche Motivation hat der Wiener/die Wienerin ÜBER
DIE DONAU zu fahren? - Meistens keine. Vielerorts
herrscht sogar die Meinung, Transdanubien gehöre gar
nicht mehr zu Wien. Die Motivation der Initiative MIK
ist, Aufmerksamkeit auf die zu entdeckenden Orte und
„Unorte“ über der Donau zu lenken – einerseits die
WienerInnen (oder auch Wien-Besuchenden) jenseits der
Donau für „ihre“ Stadt – über die Donaugrenze hinaus zu
interessieren, und andererseits den, auch als „Kulturwüste“
bekannten Bezirk durch Initiativen, Aktionen, und
Interventionen FÜR die BewohnerInnen und MIT
den BewohnerInnen hinsichtlich Lebensqualität und
kulturellem Angebot zu bereichern.
Donaustadt wächst – am ehemaligen Flugfeld Aspern
ensteht ein neuer Stadtteil. Der Masterplan wurde für bis
zu 50.000 neue BewohnerInnen konzipiert. Die maximal
projektierte BewohnerInnenzahl entspricht etwa einem
Drittel der derzeitigen Donaustädter Bevölkerung.
Das kulturelle Angebot muss – angepasst an die
BewohnerInnen und ihre Bedürfnisse mitwachsen. Das
„Urban Entertainment Center“ Donauzentrum muss
in seiner zentralen Rolle als Kulturzentrum des Bezirks
abgelöst werden. Schicht* ist nicht mehr Pflicht!
(*Schicht=Nachtschicht=Großraumdisco im Donauplexx/
Donauzentrum)
Die erste Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf einen
einzigartigen Ort in Transdanubien zu lenken, und die
WienerInnen über die Donau – bis nach Kagran – und
sogar noch weiter Richtung Stadtrand zu locken, ergab sich
durch die Ausschreibung „Misguide – Stadtverführungen
in Wien“, veranstaltet von den Wiener Festwochen im
Juni 2007. Die MIK-KünstlerInnen verführten mit der
Aktion „Suburb Safari – Oder wer findet die Bergziege?“
zur Mülldeponie Rautenweg um die einzigartige, vom
Aussterben bedrohte Donaustädter Bergziege zu suchen.
Als weiterer Schwerpunkt der Mission Ignition Kagran
ergab sich das Thema Leerstand und Zwischennutzung
bzw. ein markanter Ort in Stadlau: der seit Jahren
stillgelegte GENOCHMARKT. Angeregt durch einen
Artikel im Bezirksmagazin, in dem BewohnerInnen die
Stadt auffordern, endlich etwas gegen den fortschreitenden
Verfall des „Geisterhüttendorfes“ Genochmarkt zu
unternehmen, trat MIK in Aktion und erreichte nach
fast zweijähriger Überzeugungsarbeit die Öffnung
der ehemaligen Marktstände, die Genehmigung der
künstlerischen Zwischennutzung und die Unterstützung
der Kooperationspartner Bezirksvorstehung Donaustadt,
MA7 (Kulturabteilung der Stadt Wien), MA18
(Projektkoordination für Mehrfachnutzung), MA59
(Marktamt) und Wien Holding bzw. Star22 GesmbH
(zukünftige Grundeigentümerin).
Ziel war es von Anfang an, die sieben leerstehenden
Räume und Zwischenräume nicht im Sinne privater oder
wirtschaftlicher Zwecke zu nutzen (z.B. an Einzelpersonen
oder Gruppen als Ateliers, Verkaufs- oder Proberäume
zu vergeben), sondern eine Mehrfachnutzung, die auf
Partizipation beruht, ins Leben zu rufen und ein belebtes
Kulturzentrum zu schaffen. MIK lud im November 07 im
Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung zur Beteiligung
an der (künstlerischen) Zwischennutzung ein - über 30
Konzepte wurden eingereicht.
Ein vielfältiges Programm - Ausstellungsreihen z.B.
„unORtnung III“ (www.unortnung.net), „Holiday In
Stadlau“ – das Feriendorf am Genochmarkt (www.
kampolerta.blogspot.com), offene Werkstätten, Konzerte,
Schul- und Jugendprojekte wie z.B. „Freibad Stadlau“,
gefördert von „Cash for Culture“, einem Jugendkultur-
Förderprogramm der MA7, Seniorenprojekte, Open Air
Kino, uvm. konnte auf die Beine gestellt werden.
Ein Programm für 2009 liegt bereits vor. Der
Genochmarkt wird in seiner jetzigen Form noch bis
2011 existieren, die Mission Ignition Kagran wird weiter
wirken. Die Möglichkeit der Beteiligung besteht bis zum
Abriss des Genochmarktes und darüber hinaus. Weitere
Informationen: www.mik22.at
Kontakt:
Stefanie Sandhäugl & Helmut Preis: office@mik22.at
von S. Sandhäugl, I. Bittner
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch VI - ST/A/R-Sammlung ST/A/R 41
S/T/A/R-Kunstsammlung in der
Kulturhauptstadt Linz 2009.
Der Artpark
präsentiert noch bis
31. Jänner 09 die
S/T/A/R-Kunstsammlung.
Manfred Kielnhofer, Herbert Brandl und Franz West im ARTPARK Linz
kuratiert von ST/A/R
Gloria Gerngross
Schutzpatroness der
ST/A/R-SAMMLUNG
Fotos: Heidulf Gerngross
Abschied im neuen ST/A/R Büro Gumpendorferstrasse 42 - Bernhard bringt Gloria zum Flughafen - Gloria fliegt nach Singapur
42 ST/A/R
Buch VI - ST/A/R-Sammlung Nr. 20/2009
Hans Biwi Lechner
“Ohne Titel”, Mischtechnik
Preis: 435 Euro
Wladimir Jeremenko Tolstoi
“Snörk”, Öl auf Leinwand
Preis: 1235 Euro
Wladimir Jeremenko Tolstoi
“Huhn”, Öl auf Leinwand
Preis: 135 Euro
Thomas Strobl
“Ohne Titel”, Öl auf Leinwand
Preis: 250 Euro
ST/A/R Galerist Rudolph Gerngroß
im Gespräch mit unserer
russischen Performancebotschafterin
Tatjana Romanov
Otto Zitko
“Transparent”, Öl auf Leinwand
Preis: 1735 Euro
Buch VI - ST/A/R-Sammlung
Nr. 20/2009 ST/A/R 43
Hinterthür / Gerngroß !
“Ein Mahnmal”, CGI Photoprint
Preis: 1700 Euro
Waran
“Teddiebär”, Skulptur
Preis: 235 Euro
Semjonov van Coke
“O.T.”, Öl auf Leinwand
Preis: 350 Euro
Sergej Volgin
“Russischer Wald”, Öl auf Leinwand
Preis: 530 Euro
Wladimir Jeremenko Tolstoi
“Elefant von hinten”, Öl auf Leinwand
Preis:235 Euro
Semjonov van Coke
“O.T.”, Öl auf Leinwand
Preis: 350 Euro
Wladimir Jeremenko Tolstoi
“Hase von hinten”, Öl auf Leinwand
Preis: 1235 Euro
Städteplanung / Architektur / Religion Buch VI - ST/A/R-Sammlung ST/A/R 45
Waran !
“Farbenlere”, Öl auf Papier
Preis: 4000 Euro
Catherine Pandora !
“Kaffeesymphonie”, Mischtechnik
Preis: 235 Euro
Mounty R.P. Zentara !
“Smoke”, Photokollage
Preis: 235 Euro
Richard Hoeck
“Superstars”, Öl auf Leinwand
Preis: 320 Euro
WARAN
“Wandteppich”, Öl auf Pappe
Preis: 135 Euro
46 ST/A/R
Buch VI - ST/A/R-Sammlung Nr. 20/2009
Thomas Redl
“Zeitungsseiten”, Dispersion auf
Zeitungspapier, Preis: 200 Euro
Semjonov van Coke
“O.T.”, Öl auf Leinwand
Preis: 350 Euro
Michael Starkmeyer
“Fussballspiel”, Öl auf Leinwand
Preis: 1400 Euro
Wladimir Jeremenko Tolstoi
“Krokodildo”, Öl auf Holz
Preis:700 Euro
höchstwahrscheinlich vom
Franz Graf
“o.t.”, Mischtechnik, Papier
Preis: 1235 Euro
Burkhard
“Snörk”, Öl auf Leinwand
Preis: 1235 Euro
Herbert Brandl
“Haus 1”, Öl auf Leinwand
Preis: 40´000 Euro
Marcus Hinterthür/Heidulf Gerngroß
“Ein Mahnmal”, CGI. Photoprint
Preis: 1700 Euro
Wladimir Jeremenko Tolstoi
“Snjevelsjökul”, Öl auf Holz
Preis: 786 Euro
Nr. 20/2009 Buch VI - ST/A/R-Sammlung
ST/A/R 47
WARAN !
“Human without Head”
Rauminstalation, Preis: 1235 Euro
ADAM
“lebt unter dem Himmel”
Foto: Heidulf Gerngross, Preis: 440 Euro
LOVE
is the
ULTIMA- TIVE
FIGHTER
Rudi is the alternative
answer
of Heidulf
the mighty once again
and the holy hinterthür stting
next to sitting bull.
matthiss mighty graphiti is doing
every shiti with me
bis baldrian bussi sicher
nicht . salzi & gurki
murcksi
48 ST/A/R
Buch VI - ST/A/R-Sammlung Nr. 20/2009
Die Wiener Kunstszene
kommt nach Linz - mit
dabei ein paar Russen
THEATER NESTROYHOF HAMAKOM SONDERMELDUNG IN LETZTER MINUTE
www.theater-nestroyhof-hamakom.com
Das Theater Nestroyhof Hamakom hat eine über ein Jahrhundert lange, gleichermaßen lebendige wie tragische Entwicklungsgeschichte.
Seit Mai 2008 wird unter der Leitung von Frederic Lion und Amira Bibawy daran gearbeitet, ihm seine Funktion und Bestimmung als Ort
zwischenkultureller und interdisziplinärer Auseinandersetzung wieder zu ermöglichen. In diesem Ansinnen und im historischen Kontext
wurde dem Theater im Nestroyhof, das neue Wort ‚ha Makom’ (hebräisch: der Ort) hinzugefügt, weil dieser Begriff eine transzendente
Form der geistigen Verortung, des Erinnerungsortes und der Eingrenzung umreißt, die zu einer schönen und spannenden Möglichkeit der
Erweiterung und der Entgrenzung anregt.
Das Gesamtprojekt wird die 4 Jahres Konzeptförderung des Kulturamts der Stadt Wien erhalten. Ab April 2009 soll dieses Haus
im großstädtisch-dörflichen zweiten Wiener Bezirk eine Spielstätte werden für gesellschaftliche Reibungsflächen, Denkfelder und
Bewegungsräume, die sich hier und anderswo finden: Ein Topos, der Lust und Fantasie erzeugt, Spuren zu erkunden, um Geschichten
der Gegenwart zu erzählen.
ST/A/R und HAMAKOM planen eine fruchtbare Zusammenarbeit auch mit dem
Russischen ST/A/R-Theater in Berlin
Informationen über das Projekt sind auf www.theater-nestroyhof-hamakom.com zu finden, über die Pläne für 2009 wird ab Februar
2009 informiert. contact@theater-nestroyhof-hamakom.com / +43- (0)1 8900314, +43-(0)69918900314
AUSSTELLUNG im ARTPARK
Kuratiert von ST/A/R, Printmedium Wien
Mit Werken von: Herbert Brandl, Otto Zitko, Franz Graf, Franz West, Stefan Weber, alfred Heidulf Gerngross, Thomas Redl, Thomas Strobl, Michael
Starkmeyer, Eva Schlegl, Marcus Hinterthür, Catherine Pandora, Hans Biwi Lechner, Manfred Kielnhofer, Andrea Baczynski, Kurt Hofstätter, Barbara
Doser, Richard Hoeck, Mounty R. P. Zentara, Karin Sulima, Wladimir Jaremenko Tolstoj, Semjonov van Coke, Alexej Alexejev, Popov, Elisabeth von
Samsonow, Sergej Volgin, Reinhold Kirchmayr
ARTPARK Lenaupark City
A-4020 Linz, Hamerlingstrasse 42/1.Stock
Mo-Sa: 10.00-19.00 0043-732-946726
www.artpark.at
galerie@artpark.at
European Cultural Capital 2009 Linz
Städteplanung / Architektur / Religion
ALLES IST ARCHITEKTUR
TEXT 1966: Hans Hollein gelesen im Dezember 2008 in der „Roten Bar“
Buch VII - Architektur ST/A/R 49
ALLES IST ARCHITEKTUR
Begrenzte Begriffsbestimmungen und traditionelle
Definition der Architektur und
ihrer Mittel haben heute weitgehend an
Gültigkeit verloren. Der Umwelt als Gesamtheit
gilt unsere Anstrengung und allen Medien, die
sie bestimmen. Dem Fernsehen wie dem künstlichen
Klima, den Transportationen wie der Kleidung,
dem Telephon wie der Behausung.
Die Erweiterung des menschlichen Bereiches
und der Mittel der Bestimmung der Um-”Welt”
geht weit über eine bauliche Feststellung hinaus.
Heute wird gewisser-maßen alles Architektur.
“Architektur” ist eines dieser Medien.
Unter den verschiedensten Medien, welche heute
unser Verhalten und unsere Umgebung definieren
– als auch als Lösung bestimmter Probleme
– ist “Architektur” eine Möglichkeit.
Der Mensch schafft künstlich Zustände. Dies ist
die Architektur. Physisch und psychisch wiederholt,
transformiert, erweitert er seinen physischen
und psychischen Bereich, bestimmt er
“Umwelt” im weitesten Sinne.
Seinen Bedürfnissen und seinen Wünschen gemäß
setzt er Mittel ein, diese Bedürfnisse zu befriedigen
und diese Wünsche und Träume zu
erfüllen. Er erweitert sich selbst und seinen Körper.
Er teilt sich mit.
Architektur ist ein Medium der Kommunikation.
Der Mensch ist beides – selbstzentriertes Individuum
und Teil der Gemeinschaft. Dies bestimmt
sein Verhalten.
Von einem primitiven Wesen hat er sich selbst
mittels Medien kontinuierlich erweitert, seinerseits
diese Medien kontinuierlich erweiternd.
Der Mensch hat ein Gehirn. Seine Sinne sind
die Grundlage zur Wahrnehmung der Umwelt,
Medien der Definition, der Festlegung einer (jeweils
gewünschten) Umwelt beruhen auf der
Verlängerung der Sinne.
Dies sind die Medien der Architektur.
Architektur im weitesten Sinne.
Enger gefasst könnte man für den Begriff Architektur
etwa folgende Rollen und Definitionen
formulieren:
Architektur ist kultisch, sie ist Mal, Symbol, Zeichen,
Expression.
Architektur ist Kontrolle und Körperwärme –
schützende Behausung.
Architektur ist Bestimmung – Festlegung – des
Raumes, Umwelt.
Architektur ist Konditionierung eines psychologischen
Zustandes.
Jahrtausende erfolgte künstliche Veränderung
und Bestimmung der Umwelt, als auch Klimaund
Wetterschutz, primär durch bauen, wie
auch das Bauwerk wesentlichste Manifestation
und Expression war. Bauen war verstanden als
Kreation eines dreidimensionalen Gebildes, das
den Erfordernissen als Definition des Raumes,
als schützende Umhüllung, als Gerät und Werkzeug,
als psychisches Mittel und als Symbol entsprach.
Die Entwicklung der Wissenschaft und
Technologie, wie auch der Gesellschaft und ihrer
Bedürfnisse und Forderungen hat uns mit
ganz anderen Gegebenheiten konfrontiert. Andere
und neue Medien der Umwelt-bestimmung
entstanden.
Sind dies zuerst vielfach nur technologische Verbesserungen
herkömmlicher Prinzipien und Erweiterungen
der physischen “Bau-Materialien”
durch neue Materialien und Methoden, so werden
darüber hinaus etwa nichtstoffliche Mittel
zur Raumbestimmung entwickelt. Eine Anzahl
von Aufgaben und Problemen werden heute nur
noch traditionellerweise durch Bauen, durch
“Architektur” gelöst. Ist jedoch für viele Fragen
die Antwort noch “Architektur”, wie sie verstanden
wurde, oder stehen uns nicht geeignetere
Medien zur Verfügung?
Architekten können in dieser Hinsicht einiges
von der Entwicklung der Strategie lernen. Wäre
diese derselben Schwerfälligkeit unterworfen
gewesen wie die Architektur und ihre Konsumenten,
so würde man heute noch immer Mauern
und Türme bauen. Die Strategie hat jedoch
die Bindung an das “Bauwerk” weitestgehend
verlassen und zur Bewältigung ihrer Aufgaben
und Forderungen neue Möglichkeiten herangezogen.
Ganz offensichtlich fällt es auch niemanden
mehr ein, etwa Abflusskanäle zu mauern oder
astronomische Geräte aus Stein zu errichten
(Jaipur). Viel weitergehend jedoch sind die Konsequenzen,
die etwa die neuen Medien der Kommunikation
( sei es Telephon, Radio, Fernsehen
u.a.) mit sich bringen, und es wird so ein Begriff
wie der des Lehr- und Lerngebäudes (Schule)
unter Umständen ganz verschwinden und durch
diese Mittel ersetzt werden.
Architekten müssen aufhören, nur in Bauwerken
zu denken.
Erwähnt sei auch die Verlagerung des Gewichtes
von Bedeutung zu Wirkung. Architektur hat einen
“Effekt”. So wird auch die Art und Weise der
Inbesitznahme, der Verwendung eines Objektes
im weitesten Sinne wichtig. Ein Gebäude kann
ganz Information werden, seine Botschaft
könnte ebenso nur durch die Medien der Information
(Presse, TV u.dgl.) erlebt werden. Tatsächlich
erscheint es fast unwichtig, ob etwa die
Akropolis oder die Pyramiden physisch existieren,
da sie der Majorität der Allgemeinheit sowieso
nicht durch eigenes Erlebnis, sondern
durch andere Medien bewußt werden, ja ihre
Rolle eben auf ihrem Informationseffekt beruht.
Ein Gebäude könnte also simuliert werden.
Frühe Beispiele der Extensionen der Architektur
durch Kommunikationsmedien sind Telephonzellen
– ein Gebäude minimaler Größe, doch
eine globale Umwelt direkt erschließend. Umwelten
dieser Art in noch engerem Bezug zum
Körper und noch konzentrierterer Form liefern
auch zum Beispiel die Helme der Düsenpiloten,
die durch ihre telekommunikatorischen Anschlüsse
die Sinne und Sinnesorgane erweitern,
als auch weitere Bereiche mit ihnen direkt in Beziehung
bringen. Einer Synthese entgegen und
zu extremen Formulierungen des Standortes einer
heutigen “Architektur” führt schließlich die
Entwicklung der Raumkapseln und insbesondere
des Raumanzuges. Hier wird eine “Behausung”
geschaffen, die weitaus perfekter als jedes
“Gebäude” außerdem noch eine umfassende
Kontrolle der Körperwärme, der Nahrungszufuhr
und Fäkalienverwertung, des Wohlbefindens
und dergleichen in extremsten Umständen
bietet, verbunden mit einem Maximum an Mobilität.
Diese weitentwickelten physischen Möglichkeiten
leiten dazu über, phsychische Möglichkeiten
einer künstlichen Umwelt verstärkt ins
Auge zu fassen, da nach Wegfall der Notwendigkeit
gebauter Umwelten (etwa Umhüllung, Klimaschutz
und Raumdefinition) ganz neue Freiheiten
erahnt werden. Der Mensch wird nun
echt Mittelpunkt und Ausgangspunkt der Umweltbestimmung
sein, da Einschränkungen
durch eine geringe Zahl vorgegebener Möglichkeiten
nicht mehr zutreffen.
Die Erweiterung der Medien der Architektur
über den Bereich puren tektonischen Bauen und
seiner Ableitungen hinaus begann mit Versuchen,
insbesondere mit Zugkonstruktionen. Das
Verlangen, unser “environment” nach Wunsch
so geschwind und leicht als möglich zu verändern
und es zu transportieren, ließ zum ersten
Mal über einen weiteren Bereich von Materialien
und Möglichkeiten Ausschau halten – zu Mitteln,
die etwa in anderen Gebieten zum Teil
schon seit langem Anwendung fanden. So haben
wir heute “genähte” Architektur, wie es auch
“aufgeblasene” Architektur gibt. Dies alles sind
jedoch Mittel der Architektur, die im Grunde
noch materiell, noch Bau-”Materialien” sind.
Wenig Versuche wurden jedoch gemacht, mit
anderen als physischen Mitteln (etwa Licht,
Temperatur, Geruch) unsere Umwelt zu definieren,
Raum zu bestimmen. Hat hier schon die
Verwendung herkömmlicher Verfahren weitgehende
Erweiterungs-möglichkeiten, so sind diejenigen
der Laser (Holograph) noch kaum vorauszusagen.
Schließlich sind praktisch überhaupt
keine Untersuchungen für die gezielte
Verwendung von Chemikalien und Drogen sowohl
zur Kontrolle der Körper-temperaturen
und Körperfunktionen, als auch zur artifiziellen
Schaffung einer Umwelt angestellt worden. Architekten
müssen aufhören, nur in Materialien
zu denken.
Die gebaute und physikalische Architektur wird,
da nun im Gegensatz zu den wenigen und beschränkten
Mitteln vergangener Epochen eine
Vielzahl solcher zur Verfügung steht, sich intensiv
mit Raumqualitäten und der Befriedigung
psychologischer und physiologischer Bedürfnisse
beschäftigen können und einen anderen
Bezug zum Prozeß der “Errichtung” einnehmen.
Räume werden deshalb weit bewusster
etwa haptische, optische und akustische Qualitäten
besitzen, Informationseffekte beinhalten,
wie auch sentimentalen Bedürfnissen direkt entsprechen
können.
Eine echte Architektur unserer Zeit ist daher im
Begriffe, sich sowohl als Medium neu zu definieren,
als auch den Bereich ihrer Mittel zu erweitern.
Viele Bereiche außerhalb des Bauens
greifen in die “Architektur” ein, wie ihrerseits
die Architektur und die “Architekten” weite Bereiche
erfassen.
Alle sind Architekten. Alles ist Architektur.
Hans Hollein heute
Hans Hollein heute
50 ST/A/R
Thomas Frechberger – Nachrichten aus
der Schattenwelt DER DICHTER – von Alexander Schießling
Es gibt Dinge, deren Fehlen beinah
unbemerkt bleibt. Ein solches
Ding ist in Österreich die literarische
Auseinandersetzung. Es
gibt hier keine literarischen
Debatten in der Öffentlichkeit,
keine emphatische Auseinandersetzung
mit Texten und die Schriftsteller
besitzen absolut keinen
Einfluss auf die Gesellschaft mehr.
Sie leben am Rande und die einzige
Weise, in der von ihnen Kenntnis
genommen wird, ist die Rezension
in irgendeiner Kulturbeilage. Ob
positiv oder negativ spielt dabei
keine Rolle, da in beiden Fällen
belangloses Zeug geschrieben
wird. Anders gesagt: Bücher
wurden seit den Achtzigerjahren
immer mehr zum kurzlebigen Konsumartikel
und die Schriftsteller
zu Rädchen im Getriebe der Unterhaltungsindustrie.
Oder zu Schatten
am Rand der Welt, die Selbstgespräche
führen. Um eine solche
Schattenexistenz geht es hier.
Thomas Frechberger wurde 1962 in
Haslach a.d. Mühl in Oberösterreich
geboren und kam 1983 mit ein
paar Gedichten in der Hosentasche
nach Wien. Hier entdeckte er sehr
schnell das „Alt Wien“ und funktionierte
es im Handumdrehen in
sein Wohnzimmer um. Dort fand er
sein Publikum, nämlich Leute, die
bereit waren, für ein Gedicht ein
Bier springen zu lassen. Hier begegnete
er anderen jungen Schriftstellern
und Dichtern, die, ebenso
in ewiger Geldverlegenheit wie
er, nach Überlebensmöglichkeiten
suchten – freilich ohne sie zu
finden. Frechberger inskribierte an
der Wiener Universität Publizistik
und Germanistik und begann beides
zu hassen, was ganz von selbst
zum Studienabbruch führte. In
diesen Jahren muss die Entscheidung
gefallen sein, sich ganz und
gar dem Schreiben zu verschreiben
und die Figur des Dichters
zu verkörpern. Nicht: Still und
bescheiden diesen Beruf auszuüben,
sondern ihn als das Wunderbarste
auf der Welt gewissermaßen
zu verkünden und manchmal auch
nur, ihn als hohles Triumphgeheul
in den Lärm hinauszuposaunen.
„ICH BIN EIN DICHTER“ Diesen Satz
hört man nun seit mehr als zwanzig
Jahren in allen möglichen und
unmöglichen Variationen und bei
allen erdenklichen Gelegenheiten
und Ungelegenheiten aus dem Mund
von Frechberger, den ihm schon so
mancher gern gestopft hätte. „Ich
bin ein Dichter“ heißt aus diesem
Mund „Ich bin ein Heiliger und die
Welt hat mir zu Füßen zu liegen“,
ist also keine bescheidene und demütige
Berufsbezeichnung, sondern
der in Worte gefasste Anspruch,
von den Anderen verehrt, bewundert
und geliebt zu werden. Mit der
Zeit verschmolz Frechberger in der
Wahrnehmung der Anderen so sehr
mit diesem Satz, dass ganz Wien
von ihm nur noch als „DEM Dichter“
spricht. „Gestern habe ich den
Dichter getroffen“, sagt man und
nicht “Gestern habe ich den Frechberger
gesehen“. Er ist der Einzige,
der die Figur des DICHTERS
überhaupt noch im Gespräch hält.
Man könnte natürlich sagen, dass
dies in Zeiten von YouTube und Hypertext
geradezu rührend anachronistisch
oder von Gestern ist: Ich
bin hier anderer Ansicht.
DER DICHTER IST DER VON DER WELT
GEWORFENE SCHATTEN. Er blinzelt im
allzu hellen Licht: „und der himmel
donnert dir
ein azur in
die schau
dass dir die Luft weg
bleibt“ schreibt der Dichter in
seinem bislang letztem und dritten
Gedichteband „Fanatasien“. Dieses
Gedicht nennt sich übrigens DER
DICHTER SPRICHT.
Der Dichter als Marke und corporate
identity, als Imago, als
Rolle und Maske, die die Realität
nicht verbirgt, sondern sie in
ein (noch) verständliches und anschauliches
Wort übersetzt. Frechberger
hat, indem er dieses Wort
aus dem Abfallhaufen der Geschichte
herausgeklaubt und es recyclet
hat, ein Monopol geschaffen.
Niemand kann, wenigstens in Wien,
von sich behaupten, ein Dichter
zu sein, denn der Dichter ist ja
schon von Frechberger besetzt. Die
abertausendfache Wiederholung hat
den Dichter zum geistigen Eigentum
Frechbergers werden lassen. Natürlich
ist das kein bloßer PR-Gag,
aber mit Eigenwerbung hat es sehr
wohl zu tun. Das Wort DICHTER ist
also wie ein Schlüssel zu „Leben
und Werk“ von Thomas Frechberger
verwendbar. Untersuchen wir es und
versuchen zu hören, was es uns sagen
will.
DAS SCHLÜSSELWORT
„das weite all ist unsere mutter
es verneigt sich vor jedem von
uns“
(DER DICHTER SPRICHT)
Der Beruf des Dichters nimmt im
Denken Thomas Frechbergers also
eine Sonderstellung ein. Von allen
Berufen, die man wählen könnte,
unterscheidet er sich durch etwas.
Wodurch? Ich würde sagen durch
eine fast sakrale Weihe, die
dieser Beruf für Frechberger hat
und durch etwas, das vielleicht
nur in der christlichen „Gnade“
ein Gegenstück hat. Es gab in der
katholischen Theologie einmal eine
Prädestinationslehre, das war die
Lehre, dass Gott die Seinen durch
Gnade erwählt. Für Frechberger
scheint das Schreiben noch innigst
mit der Berufung zusammenzuhängen.
Der Dichter wird zum Dichter, weil
er den Ruf hört, weil ihm das Ohr
gegeben ist, den Ruf zu hören. Wer
ruft und wohin ruft dieser Ruf?
Die Sprache ruft und sie ruft in
die weite Leere des Alls, in der
die Sterne erst zu erscheinen vermögen:
„vieles sagen die sterne
wenn man höflich zu ihnen ist“
In dieser Leere wartet die Einsamkeit
und die Sprache. Vielleicht
auf beides bezieht sich die folgende
Sentenz aus „Zuvielisation“
(Fanatasien):
„.........unermesslich wie das
ausmaß meiner einsamkeit auch die
dimension meiner verführungskunst“
Sprache als Verführung, Verführung
zur erfüllten Stille. Schon
bei Nietzsche taucht dieses Modell
auf: Der Künstler als tanzender
Verführer (Zarathustra).
Der berufene Verführer wird von
seiner Berufung selbst geführt und
kann deshalb sorglos tanzen, da er
den Weg weder suchen noch finden
muss, sondern vom Weg gegangen
wird:
„geh von quacksalbern zur deuterin
zur fee
geh geh durchs gegangene ins geh
nur geh“
Der Dichter muss sich nicht fragen,
wo’s lang geht, da die Dichtung
ihn hinter sich her schleift,
was oft und meist schmerzlich
ist, aber dafür tödliche Sicherheit
und Gewissheit verleiht. Wenn
Frechberger den Dichter also mit
besonderer Betonung „spielt“, so
ist dies nicht bloße Selbststilisierung
oder gar narzistische
Selbsterhöhung, sondern hebt das
Besondere, das in Vergessenheit
geraten ist, hervor: Schreiben ist
ein Weg, der ihn geht, wird von
ihm bewegt, mit Traumwandlerischer
Buch VII – ARCHITEKTUR Nr. 20/2009
Sicherheit. Der Dichter ist das
Sprachrohr einer Sprache, er
spricht, indem er auf den Ruf
seiner Berufung hört, er ist, kurz
gesagt, der einzige heute mögliche
Prophet.
Der Dichter weiß nicht, was er tut
und sagt: Die Dichtung spricht.
Der Dichter ist gerade dadurch,
dass er sich hingibt: „feuerakazien
lodern erdab“ (DER DICH-
TER.....)
Dieser Dichter ist also gar kein
bloßes Ego, dass sich in narzistischer
Weise selbst liebt,
sondern der Dichter liebt die
Sprache, die ihn spricht und ihn
zum Dichter macht, er nimmt sich
als Geschenk der Götter an. „Die
Götter lieben die Dichter“ sagt
Frechberger manchmal.
Das Es, um es mit psychoanalytischen
Begriffen zu umschreiben,
hat die Stelle des Ich eingenommen.
Aus den dunklen, unzugänglichen
Bereichen erwächst dem Dichter
das Gedicht, es kommt und erst
dann wird es bearbeitet (nach den
Regeln der jeweiligen Kunst).
Wenn man das Wort Dichter, wie es
Frechberger meint, mit Prophet
übersetzt, trifft man sicherlich
etwas sehr Wesentliches, aber es
hat noch andere Bedeutungen, die
ebenso wichtig sind. Beispielsweise
gibt es da die Figur auch
des Kämpfers:
„wer sagt, dass wir die sprache
nicht formen konnten
zu pfauenfedern aber zu spitzwaffen
auch
und wer sagt dass wir nicht zu
kämpfen wussten.......“
(WER SAGT)
Die Figur des Dichters hat also
mehrere Gesichter. Der Kämpfer,
auch im politischen Sinn, gehört
weitaus deutlicher und vordergründiger
zu ihr.
Das Soziale, das Politische und
der kämpfende Dichter. Diese
Figuren und Kontexte kennen wir
seit der Aufklärung. Frechberger
zollte ihnen seinen Tribut, indem
er vor gut zwanzig Jahren eine
Zeitschrift gründete, die zu den
bekanntesten Literaturzeitungen in
Wien gehört, die wienzeile. Mit
ihr wollte er dem Kämpfer, dem
Politischen und Sozialen Raum geben.
Der Verführer, der Sprachtänzer,
der Prophet, der Kämpfer: Der leidenschaftlich
Liebende, der im
Lichte seiner Leidenschaft von
Exzess zu Exzess besser lernt, die
Existenz des Dichters als paradigmatischen
Exzess schlechthin, als
Verausgabung und Verschwendung,
als irren Trip zu erkennen und zu
leben.
DIE GEDICHTE
Ich beschränke mich im Folgenden
darauf, ein Gedicht aus „Fanatasien“
zu untersuchen.
MARTYRIUM
sakrademisch will dandytölpel durch
öhr
bouteille im mantelinnen pfäuisch
pluster
bleierne lider sinken getrübt ist
das gehör
im zerfledderten anzug hahnentrittmuster
dichter ist der arme mann und
maler auch
ein wirrläufer in musen verachtender
zeit
seit tagen knurrt rumort sein hängebauch
der künste saat erntet hohn und
heiterkeit
als spinner versager wird er verspottet
man zahlt schnäpse für nichtrezitation
dichter? wir dachten die sind ausgerottet!
verzweiflung der mann verrüdet im
ton
das ist nicht charmant verständlich
aber:
dresche gegen ödes konventionsgelaber
Es fällt mir deshalb leicht,
dieses Gedicht zu „verstehen“,
weil der Dichter mir die Situation
und Erfahrung, auf die sich dieses
Gedicht bezieht, schon mehrmals in
Prosa geschildert hat. Trotzdem
bleibt mir der erste Vers, oder
wenn man lieber will, die erste
Zeile, ein Rätsel. Aber schon
die zweite ruft in mir bekannte
Bilder hervor: Frechberger mit
einer Flasche Wein in der Innentasche
eines Mantels bei irgendeiner
Veranstaltung, wahrscheinlich
verkauft er gerade ein paar Ausgaben
der neuesten wienzeile. Der
Genuss des Alkohols hat ihn schon
etwas ermüdet, seine Kleidung ist
unabhängig davon ebenfalls schwer
mitgenommen. Natürlich tritt
er hier als Dichter auf, dass er
sich manchmal wegen seiner Bilder
auch als Maler empfindet, möchte
ich hier nicht kommentieren. Als
Dichter (und meinetwegen Maler
auch) ist er ein „wirrläufer in
musen verachtender zeit“. Auf den
ersten Blick will man schon widersprechen:
diese Zeit eine Musen
verachtende? An jeder Ecke wird
Musik gehört, die Museen sind
überlaufen, die Preise für so manche
Bilder erinnern an die Berechnungen
von Astronomen, Filme gibt
es mehr als Sand am Meer, Fotos
und Skulpturen kann man gar nicht
nicht sehen etc. Wenn man dieser
Oberfläche trauen könnte, wäre unsere
Zeit eine, die von der Allgegenwart
der Musen beherrscht wird,
was man als Hinweis darauf interpretieren
könnte, dass die Künste
heute so beliebt sind, wie niemals
zuvor. Aber das Gedicht sagt uns
das Gegenteil. Wenn wir sehen wollen,
was dieses Gedicht behauptet,
müssen wir also woanders hin
schauen, als auf die Oberfläche.
Nehmen wir an, dass mit „zeit“
hier der „Geist der Zeit“ gemeint
ist. Dieser Zeitgeist ist weit
entfernt von den Künsten, so weit,
dass selbst dann, wenn er sich den
Künsten zuwendet, er nicht umhin
kommt, sie zu verachten, weil
er ihr Geheimnis nicht nur nicht
kennt, sondern selbst wenn er es
kennen würde, es niemals in sich
aufnehmen könnte. Dieses Geheimnis
ist das Leiden. Man wird Kunst
nicht ohne Leiden bekommen. Der
Zeitgeist möchte durchaus Kunst,
aber ohne Leiden, also Kunst ohne
Kunst. Man wird jetzt vielleicht
den Kopf voller Verwunderung
schütteln: Kunst muss durchlitten
werden? „warum ich schreibe?
weil ich leide. mit dem leid aber
steige ich, mount everests tödlich
verwundete krönung, bis ich (ver)
fallen darf.“ (zuvielisation/Fanatasien)
Da diese Zeit nichts
so sehr fürchtet als das Leiden
und den Schmerz, diese Dimensionen
aber eben die Dimensionen des
Kunstwerkes sind, kann man sagen,
dass diese Zeit die „musen“ in
dem Maße verachtet, als sie sie
fürchtet. Der Bauch des Dichters
rumort und knurrt, weil da nichts
drin ist, er ist hungrig, weil er
kein Ein- und Auskommen hat – ein
Nebeneffekt der musen verachtenden
zeit. Nun wird er mit seinen
Werken auch noch verhöhnt und
verspottet, man nimmt diese elende
Figur nicht ernst. Jemand will
ihm einen Schnaps zahlen, damit
er seine Gedichte nicht vorträgt.
„dichter? wir dachten die sind
ausgerottet!“ Dieser Satz bringt
die Verzweiflung im Dichter hervor.
Verzweiflung? Ja, denn es stimmt,
sowohl die Dichtung als auch die
Dichter sterben langsam und unauffällig
aus. Warum? Weil niemand
mehr da ist, der sie lesen kann.
Wo keine Nachfrage, da bald auch
kein Angebot mehr. Die Dichter
sterben. Sie laufen wie Schatten
durch die Welt, elende Figuren,
die man eher für Clochards als für
Kulturschaffende halten möchte.
Auch der Frechberger ist so eine
elende Figur. Ich würde ihm ein
Jahresstipendium wünschen, dass er
sich mal erholen kann vom rumorenden
Bauch. Vielleicht ist er der
letzte DICHTER.
Nr. 20/2009 Buch VII – ARCHITEKTUR
ST/A/R 51
City in space 1966 von Heidulf Gerngross
Sprachknödel von Heidulf Gerngross als Vorbild für die Caballero Cybercity - Raumalphabet
Foto der ST/A/R-Zeitung 18, Seite 90/91
Städteplanung / Architektur / Religion Buch VII – ARCHITEKTUR ST/A/R 53
Cybercity - Raumalphabet von Kurt Caballero 2008 nach dem Raumalphabet von Heidulf Gerngross
54 ST/A/R
Buch VII – ARCHITEKTUR Nr. 20/2009
Starfotoartistin Andrea Baczynski und Weltmathematiker
Dr. Peter Markovic, Professor in Cambridge und
begrüßen uns im Spitzenrestaurant LIoUNGE
Täglich im Eissalon - unsere Bar - Gumpendorferstrasse 47
Dort
Weltmathematiker
erhältlich:
Dr. Peter Markovic, Professor in
DVD
Cambridge
von Heidulf Gerngross:
und Starfotoartistin
WELTARCHITEKTUR
Andrea Baczynski
IM EISSALON
begrüßen uns im Spitzenrestaurant LILUNGE
Nr. 20/2009 Buch VII – ARCHITEKTUR
ST/A/R 55
LAURA GOTTLOB
LAURA
Hat uns beeindruckt!
56 ST/A/R
Buch VII - Architektur Nr. 20/2009
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch VIII - Religion ST/A/R 57
a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z
a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z
Marcus Hinterthür ist neuer wissenschaftlicher Berater für
Religionsangelegenheiten, Computer Generated Information
und Datenmontage für den ST/A/R. Ab heute neu mit seinen
Verfluchungen, Geschichten und Scheisse aus der Fibel
ein Auszug
Angelehnt an die Einheitsübersetzung
Der Originaltexte
Verfluchungen
In 1999 Professore Cubera Died in
the Anden while taking this Film.
Marcus Hinterthür in der Bibliothek der Akademie der Bildenden Künste
Dem Untergang
Altar, Altar ! Die Gebeine von Menschen
wird man auf dir verbrennen. Wohnt
denn Gott wirklich auf der Erde?
Baale und Astarten. Nichts anderes
als den Tod.
Soll ich diese Räuberbande verfolgen?
Vernichten und zerstören. Zur
Schädelhöhle Verbrecher zur Hinrichtung
Jetzt hat die Finsternis die Macht
Himmel und Erde vergehen In meinem
Blut Der Satan hat verlangt Es wird
euch ekeln vor euch selbst.
Aussätzige Ich beschwöre euch Blast
mit euren Trompeten Alarm! Blast mit
den Trompeten!
Ich bin euer Gott Seht doch, wie sie mich
hassen.
Schlagt tot!
Dann werden sie verachtete Leichen
sein Ewiger Spott Sie werden völlig
vernichtet
Und erleiden Qualen; Die Erinnerung an
sie verschwindet Ich sage euch: Wo ein
Aas ist, da sammeln sich auch die Geier
Doch meine Feinde – bringt sie her, Und
macht sie vor meinen Augen nieder!
Das sind die Tage der Vergeltung Von
allen gehasst Sie werden dich und
deine Kinder zerschmettern Der Satan
aber ergreift Besitz Er wird kommen
und töten Sechshundertsechsundsechzig
Goldtalente
Ich bin es! Zerstörung Schon empfängt
der Schnitter seinen Lohn Kinder werde
ich töten Wehe! Wehe! Wehe den Bewohnern
der Erde! Hagel und Feuer Blut
an den Bewohnern der Erde Die Sonne
schwarz Der ganze Mond wie Blut Blitze,
Stimmen und Donner Macht, zu töten
Komm ! Damit die Menschen sich gegenseitig
abschlachten Der Hund kehrt
zurück zu dem, was er erbrochen hat
Die gewaschene Sau wälzt sich wieder
im Dreck Menschen sind ein Schandfleck
Sie sind Nörgler Daher werden
sie mit ewigem Feuer bestraft Ihnen
ist auf ewig die dunkelste Finsternis
bestimmt Der Tod Die Seelen hingeschlachtet
Feuer !
Furcht ! Sie werden
zerstören Finsternis
Draussen bleiben
die »Hunde« Und sogar
Menschen mit Leib
und Seele Halleluja
Sie sind Kinder des
Fluches Sklaven des
Verderbens Für sie
ist die dunkelste Finsternis
bestimmt
die toten von st.
tropes
1982 starb Professor Cubera in den peruanischen
Anden während den Vorbereitungen zur
Anfertigung dieses Filmmaterials. Er sollte nicht
der einzige bleiben, der während der Filmaufnahmen
sein Leben lassen musste.
1984: Die Expeditionsleiterin Dr. Dana Valenta erkrankt
im Forschungslabor Svanvik, nahe der
Nordpolarmeerküste und mehr als 1´000 km entfernt,
an einer unbekannten bakteriologischen
Entzündung und stirbt noch in der gleichen Woche.
Zwei Tage später ist ihre aufgebahrte Leiche
verschwunden. Mysteriöse Todesfälle und ein militärisches
Grossaufgebot an der skandinavischrussischen
Grenze legen bald den Verdacht nahe,
das hier etwas vertuscht werden soll.
Diese, noch unkommentierten Veröffentlichungen
aus Zentralarchiven, mehr als 20 Jahre nach
ihrem Entstehungsdatum, scheinen die Gerüchte und
Mitteilungen des sapa (südamerikanischer presseagentur)
, die sich über das plötzliche Wiederauferstehen
kürzlich Verstorbener ranken, zu
bestätigen. Mit welchen Phänomenen haben wir es
hier zu tun?
Diese anmassenden
Menschen schrecken nicht davor
zurück, zu lässtern Liebt die Brüder,
fürchtet Gott und ehrt den Kaiser
Ihr Sklaven Ordnet euch in aller Ehrfurcht
euren Herren unter Ist es
vielleicht etwas besonderes, wenn ihr
wegen einer Verfehlung Schläge erduldet?
Kommt zu ihm, dem lebendigen
Stein Seid gehorsame Kinder Unterwerft
euch Das Ende aller Dinge ist
nahe Feuersglut Der Teufel geht wie
ein brüllender Löwe umher und sucht,
Wen er verschlingen kann Euer Widersacher
Verfinsterung Alles Schmutzige
und Böse Läutert euer Herz, ihr
Menschen Klagt und trauert und
weint Euer Lachen verwandle sich in
Trauer Eure Freude in Betrübnis Teuflische
Weisheit Unordnung und böse
Taten Mit ihr verfluchen wir die Menschen
Fluch Ihr mordet und führt
Krieg Eure Kinder werden von Motten
zerfressen Euer Reichtum verfault
Euer Gold und Silber verrostet Noch
am Schlachttag habt ihr euer Herz
gemässtet Von der Hölle in Brand gesetzt
ist euer Fleisch Sie selbst Verzehren
wie Feuer. Du glaubst: Es gibt
nur den einen Gott Damit hast du recht
Das glauben auch die Dämonen, und sie
zittern Denn unser Gott ist verzehrendes
Feuer Der Vernichter Einige liessen
sich foltern Gesteinigt wurden
sie, verbrannt, zersägt, Mit dem Schwert
umgebracht Im Kampf bis aufs
Blut Ihr seid beschimpft und gequält
worden Wer das Gesetz verwirft,
muss ohne Erbarmen sterben Es gibt
für diese Sünden kein Opfer mehr
Sondern nur ein wütendes Feuer Eine
noch viel härtere Strafe Mit Füssen
getreten Verachtet Mein ist die Rache
Ich werde vergelten.
Das sollst du wissen Es gibt viele
ungehorsame, abscheuliche Menschen
Gefährliche Tiere Ich schäme mich Das
führt ins Verderben Wird um sich
fressen wie ein Krebsgeschwür »Erkenntnis«
Ehre und ewige Macht Gericht des
Teufels Viele Qualen Dämonen
ZOMBIES?
Aus Gründen der Diskretion und des persönlichen
Dankes, denen wir den Mittarbeitern dieses
Projektes Schuldig sind, wollen wir Abstand vom
Aufzählen unserer persönlichen Verlusste
nehmen und über unsere Opfer Schweigen. Der
Weltöffentlichkeit dürfen diese Filmaufnahmen
jedoch nicht länger vorenthallten werden. Der
Schleier der Angst, der sich um das Thema „LEBENDE
TOTE“ legt, muss gelüftet werden, so grauenvoll und
beängstigend die Erkenntniss über die wandelnden
Leichen auch sein mag.
Schutz bietet nur die Aufklärung über die vorliegenden
Fakten, Tatsachen dürfen nicht totgeschwiegen
werden.
Dieses Dokumentationsmaterial zeigt jedoch nur
einen Teil der bisher zugänglichen Filmaufzeichnungen.
Die vielen undokumentierten, nur durch
Zeugenaussagen bestätigten Berichte aus Mexiko
und Brasilien, aber auch aus Landstrichen der
ehemaliegen UDSSR, Osteuropa bis zu den vielen Sichtungen
in Österreich lassen die Bedrohung auch
für Europa erdrückend erscheinen und unterstreichen
die Forschungen dieses renomierten Institutes.
Forschungen und wissenschaftliche Untersuchungen
haben stattgefunden. Herausgekommen ist
eine Sammlung an S- und 1mm Filmmitschnitte, teils
Restauriert, Teils nur unvollständig erhallten,
das Fragen aufwirft. Fragen zur struckturellen
Umwälzung unserer Gesellschaft und Fragen
zur Staatlichen Zensur. Aber auch Fragen zur
wiederaufkommenden Integrität unserer Religiösen
Vorstellungen in einem Zeitalter rasanter Technologischer
Entwicklungen.
Ja, ich komme Ich komme mit dem Blut
von Böcken und jungen Stieren Bund
mit Blut Sein Ende ist die Vernichtung
durch Feuer Fleisch und Blut Teufel
Tod Gewalt
Es gibt keine Vergebung ohne Blutvergiessen
Wir waren von Natur aus Kinder
des Zorns Diese Tage sind Böse Ihr
Sinn ist verfinstert
Gebt acht auf die Verschnittenen! Gebt
acht auf diese Hunde Freut euch mit
mir
Seid Dankbar! Darum tötet
58 ST/A/R
Buch VIII - Religion Nr. 20/2009
Das Gesetz ist Gut Ich sage die Wahrheit
und lüge nicht Für solche, die Vater
oder Mutter töten, für Mörder, Unzüchtige,
Knabenschänder, Menschenhändler
Für Leute, die Lügen Böse
Menschen Auch wir waren früher
Verhasst und hassten einander Sohn
des Verderbens In loderndem Feuer
übt er Vergeltung
An denen, die nicht gehorchen Mit ewigem
Feuer werden sie bestraft Verderben
Wie die Heiden Die Gott nicht kennt
Feinde aller Zorn, Wut und Bosheit
Diese Leute sollen sich doch gleich entmannen
lassen Sklaven der Götter
Alle stehen unter dem Fluch Ich sage
das, damit ihr euch schämt Werdet
nüchtern Verflucht ist jeder
Fleisch und Blut Schlechter Umgang
Was wird, ist verweslich Ist armselig,
ist schwach Der letzte Feind ist
der Tod Lasst euch nicht irreführen
Ihr seid in euren Sünden verloren
Todesurteil Todesnot Danach kommt
das Ende Wir sind entschlossen, alle
Ungehorsamen zu strafen Fluch des
Gesetzes
Beliar? Im Namen unseres Herrn wollen
wir uns versammeln Und zusammen
diesen Menschen dem Satan übergeben,
Zum Verderben seines Fleisches
Schafft den Übeltäter weg aus eurer
Mitte Das ist Opferfleisch Urteilt
selbst Satan Versuchung Die Welt
vergeht Kein Fleisch mehr
Knabenschänder / Lustknaben Gott
wird beide vernichten Ich sage das,
damit ihr euch schämt Blutschande
Eure Kinder unrein Wie ein Sklave gebunden
Was man dort opfert, opfert
man den Dämonen Einige von ihren Götzen
Essen das Fleisch
Im Götzentempel Beim Mahl Götzenopferfleisch
Alles ist mir erlaubt »Alles
ist mir erlaubt« Bosheit und Schlechtigkeit
Zum Fluch geworden Das Feuer wird
prüfen Gott verderben Bis ans Ende
Fürchte dich Ich werde vergelten
Mein ist die Rache Darum ermahne ich
euch Heute Soll ich mit dem Stock zu
euch kommen?
Welt,
Leben, Tod
V e r f -
lucht sie
F e i n d e
G o t t e s
Alles gehört
euch
G o t t e s
T e m p e l
verdirbt
Jener Tag
/ im Feuer
Brennt es
nieder
Ich will
das Böse
Ja, ich
m ö c h t e
s e l b e r
v e r f -
l u c h t
sein Ver
a c h t e t
Schwach
Sozusagen
der Abs
c h a u m
der Welt
Unglückl
i c h e r
M e n s c h
N i c h t s
Gutes in
m e i n e m
F l e i s c h
In mir,
was ich
hasse Ich
tue, was
ich will
Ich bin
F l e i s c h
Die Mächte
des Unh
e i l s
Sünde und
Tod Dem
F l e i s c h
verfallen
Wir dienen
Denn der
Lohn ist
der Tod
S k l a v e n
G o t t e s
S k l a v e n
der Sünde
Jetzt
Sie bringen den Tod Ich bin nicht verrückt
Was ich sage ist wahr und
vernünftig Strafen in massloser
Wut Blut vergiessen Pest Der sei
verflucht Er darf nicht am Leben
bleiben Weg mit so einem Menschen Fesseln
und zur Bestrafung ins Gefängnis
werfen Und in den Synagogen auspeitschen
Ich habe den Weg bis auf
den Tod verfolgt, Habe Männer und
Frauen gefesselt Weg mit ihm Zur
Verwesung Ins Grab Schaut hin, ihr
Verachter, Staunt und erstarrt! Er
hat die Verwesung gesehen Brüder und
Väter ! Hört: Gross ist die Artemis von
Ephesus! Gross ist die Artemis von Ephesus!
Nackt und zerschunden Ich beschwöre
euch Blut komme über euer
Haupt Antiochia Zeus Hermes Prophetisch
begabte Jungfrauen Götzenopferfleisch,
Blut Ersticktes und Unzucht
die leichen stehen
wieder auf
Pisidien Pamphylien Attalia Von der Finsternis
Voll Fluch »Der Eine« Todesleiden
Macht des Satans Steh auf! Auch ich
bin nur ein Mensch Stern des Gottes
Romfa Steh auf! Schlachte und iss!
Theudas Frau Saphira Deine Hand Dein
Wille Von den Toten Kranke Menschen
Wollen wir ihnen bei Strafe verbieten,
sie zu bestrafen Jeder wird ausgemerzt
werden Von Furcht ergriffen Sieh
uns an! Schaut die Verwesung Einfalt
des Herzens Verwesung
schauen Blutacker
auf der Erde
Bosheit Blut und Feuer
Dann stürzte er
vornüber zu Boden,
sein Leib barst auseinander
Und alle Eingeweide
fielen heraus
Weide
Habt Mut: Ich habe die
Welt besiegt Die Welt hat
sie gehasst Ich werde
nicht mehr viel zu euch
sagen Denn es kommt der
Herrscher der Welt
Auch Judas, der Verräter
Ohne Grund haben
sie mich gehasst Es
hat gedonnert Jetzt wird
Gericht gehalten über
diese Welt Ihr sagt zu
mir Meister und Herr
Und ihr nennt mich mit
recht so Denn ich bin
es Niemals sollst du
mir die Füsse waschen
Warum rede ich überhaupt
noch mit euch? Ihr
werdet in euren Sünden
sterben Euch kann die
Welt nicht hassen Mich
aber hasst sie
Murrt nicht! In euren
Sünden sterben Ich bin
es, der mit dir spricht
Damit dir noch schlimmeres
zustösst Mein
Fleisch Verflucht es
Ihr werdet in eurer
Sünde sterben Ich will
euch zeigen, wen ihr
fürchten sollt Ihr Heuchler!
Du aber musst
leiden In der Unterwelt
Qualvolle Schmerzen
Ort der Qual Ich leide
grosse Qual in diesem
Feuer Wir sind unnütze
Sklaven Mutter Wird
Zwietracht herrschen
Nicht Frieden, sondern
Spaltung Ich bin gekommen,
um Feuer auf die
Erde zu werfen Zwietracht Doch weh
euch Warnung Weh euch: ihr seid wie
Gräber Diese Generation ist böse Raubgier
und Bosheit Königin des Südens Ich
sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel
fallen In die Unterwelt wirst du
hinabgeworfen Mit Hilfe von Beelzebul,
dem Anführer der Dämonen Sollen wir
befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt
und vernichtet? Weh euch! Weh euch, ihr
werdet hungern Weh euch, ihr werdet
klagen und weinen Ich bin ein Sünder
Weh euch Ihr Schlangenbrut Tote stehen
auf Du Heuchler! Verfluchen Diese
Fresser und Säufer Werden In einer
anderen Gestalt Verdammt Wir haben
für euch auf der Flöte gespielt Und
ihr habt nicht getanzt In nie erlöschendem
Feuer verbrennen Dir selbst
aber wird ein Schwert durch die Seele
dringen Heil dir Schädelhöhle / Golgotha
Er ist schuldig und muss sterben
Der Verräter Ihr werdet von allen
gehasst werden Das muss geschehen Es
ist aber noch nicht das Ende Glaubt
nur, das ihr es schon erhalten habt
Ich bin es Den du verflucht hast
Die Verfluchung
Wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer
nicht erlischt Das nie erlöschende
Feuer Weg mit dir Er werde getötet
Mit Feuer Gebt acht Öffne dich! Verflucht
Talita kum! Quäle mich nicht!
Schweig, sei still! Die Zeit der Ernte ist
da Besessen Keine Vergebung In sich
gespalten In sich gespalten Satan Satan
Die Dämonen Er ist von Beelzebul
besessen Er ist von Sinnen Donnersöhne
Die Dämonen Mit Vollmacht Gekommen,
um ins Verderben zu stürzen
Bis zum Ende der Welt
Die Gräber
Ihr Verfluchten
Weg von mir
In das ewige Feuer
Zeichen am Himmel
Erkennen, dass das Ende vor der Tür
steht Am Heiligen Ort Dem Unheilvollen
Greuel Dann kommt das Ende Dann
wird man euch töten und ihr werdet
Von allen gehasst Das muss geschehen
Ihr Nattern Ihr Schlangenbrut! Wie
wollt ihr dem Strafgericht der Hölle
entrinnen? Wie die Gräber, voll Knochen
Schmutz und Verwesung
Hörst du, was sie rufen? Du elender
Diener! Folterknecht In das Feuer der
Hölle
In das ewige Feuer Unzucht Diebstahl
Mord Böse Gedanken kommen aus dem
Herzen Meine Tochter wird von einem
Dämon gequält Ihr Heuchler! Verflucht
Sie waschen sich nicht die Hände
vor dem Essen Habt ihr das alles verstanden?
Er sagte So wird es am Ende
der Welt sein:
Die Engel werden kommen Und die Bösen
von den Gerechten trennen Und in den
Ofen werfen In dem das Feuer brennt
a
Nr. 20/2009 Buch VIII - Religion
ST/A/R 59
Dort werden sie heulen und mit den Zähnen
knirschen Wie die Sonne leuchten
Heulen und mit den Zähnen knirschen
In den Ofen werfen In dem das Feuer
brennt Am Ende der Welt Im Feuer
verbrannt Das Ende der Welt Teufel
Die Söhne des Bösen Der gute Same Kommt
der Böse Und nimmt Immer alles
weg Immer Königin des Südens Ihr Schlangenbrut
Sodom Tote stehen auf Und
ihr werdet von allen gehasst werden
Fürchtet euch vor dem, Der Seele und
Leib ins Verderben der Hölle stürzen
kann Geht und weckt Tote auf Mit hilfe
des Anführers der Dämonen Bringt
Opfer dar Vergeltung: Du Heuchler!
Besessene Sie können euch zerreissen
Dein ganzer Leib in die Hölle geworfen
eiou
Mark wie Kot Da jage ich den Menschen
Angst ein Und ich rotte die Menschen
auf der Erde aus - ich raffe alles
vom Erdboden weg – Das Gericht
DAS GERICHT
Die Weherufe Hört man vom Fischtor
her Geschrei Wie die Fische im Meer
Wie das Gewürm Die Menschen Doch sie
werden es büssen Zwietracht Mit Kot
bewerfe ich dich Gebe dich der Vernichtung
preis Und mache dich zum
Schaustück Entblösst Zur Schau
gestellt Wird weggeführt Rächender
Gott Zertreten Wie Gossenkot Bestrafung
kommt Um dich zu Schlagen In
Die Hunde fressen dann Und zerreissen
ihnen die Brust und das Herz Und
die wilden Tiere zerfleischen sie Am
Tag der Schlacht Dort habe ich sie
hassen gelernt Sie waren so abscheulich
wie der, den sie liebten Mein Gott! Sie
schreien Sie liegen nur da und heulen
»Unflat«
Sie haben Bastarde geboren Sie gehen
mit Schande zugrunde Schändliche
Schamlosigkeit Ich aber werde euch
alle bestrafen Deine Mutter lasse
ich umkommen Ich schleppe sie weg Und
keiner kann sie mir entreissen Ich, ja,
ich reisse, Dann gehe ich davon Wie ein
junger Löwe
Ich gehe
weg Ich
kehre an
meinen Ort
z u r ü c k
B l u t t a t
reiht sich
an Bluttat
Fluch und
B e t r u g
Mord Mein
Baal! Mein
Mann!
;
-
Auch mit
i h r e n
K i n d e r n
habe ich
kein Erb
a r m e n
D e n n
es sind
D i r n e n
kinder Ja,
ihre Mutter
war
eine Dirne
Die Frau,
die sie Gebar
Trieb
schändliche
Dinge
S o n s t
ziehe ich
sie nackt
aus Dann
entblösse
ich ihre
Scham Kein
Erbarmen!
Hass gegen dich vorgehen Und dir alles
nehmen Sie werden dich nackt und
bloss zurücklassen Deine lüssterne,
schändliche und unzüchtige Scham
wird entblösst Das tut man dir an,
weil du so unzüchtig bist Und dich unrein
gemacht hast
Ich reisse und schlage dir Haken in die
Kinnbacken Du musst sterben! Ringsum
sind Gräber Jeder hat Angst um
sein Leben Ich tränke das Land bis zu
den Bergen Mit der Flut deines Blutes
Von dir vordere ich Rechenschaft
Schreckenerregende Rechenschaft
Wer nicht niederfällt Wird in den glühenden
Feuerofen geworfen Ein drittes
Reich Das die ganze Erde beherrschen
wird Das war der Traum Endgültig
ausgetilgt und vernichtet Fresst
Fleisch und trinkt Blut! Du bist das
goldene Haupt Überhaupt keinen Gott
Erschrecken Blut soll dich verfolgen
Hass Zorn Stöhnt wie ein tödlich
verletzter Finstere Wolken Es wird
ein schwarzer Tag Das Urteil
In Krämpfen winden Verbrennen Verbrecher
Ich führe das Ende herbei Ich habe
gesprochen Verbrennen
Jammert und schreit:
Weh über diesen Tag!
Denn der Tag ist nahe
Ein Tag dunkler Wolken
Beim Gestöhn der zu Tode getroffenen
Beim mörderischen Blutbad Ha, Ich
schicke Pest und Mord in die Gossen
Ich bin ein Gott Voll Verachtung Meine
Rache Verwüstung Ich vernichte
Mensch und Tier Ich vernichte dich
Ich rotte dich aus »Ha, ha« Meine Rache
Man berufe eine Volksversammlung
gegen sie ein; Sie sollen misshandelt und
ausgeraubt werden Die Volksversammlung
soll sie steinigen Und mit Schwertern
in Stücke hauen Ihre Söhne und
Töchter soll man töten Und ihre Häuser
verbrennen
Rache
Auf dem nackten Felsen vergiesse
ich ihr Blut; Ich schichte einen grossen
Holzstoss auf Ich häufe das Holz
Ich entzünde das Feuer Ich koche das
Fleisch Ich giesse die Brühe ab Und die
Knochen sollen verbrennen
Dämonen Um uns schon vor der Zeit
zu quälen?
Denen, die im Schattenreich des Todes
wohnten Ihr Schlangenbrut Ins Feuer
Mit Feuer taufen Fresser Und der
Tag, der kommt, wird sie verbrennen
Denn seht, der Tag kommt Er brennt
wie ein Ofen Seht, ich schlage euch den
Arm ab Und werfe euch Unrat ins
Gesicht
Von meinem Schwert durchbort Ja, er
vernichtet Alle Götter der Erde So
wahr ich lebe
Sodom wie Gomorrah Dann bereitet er
allen Bewohnern der Erde ein Ende Ein
schreckliches Ende Ihr Blut wird hingeschüttet
wie Schutt Und ihr fettes
Schrecken zu stürzen Jetzt ritze dich
wund Winde dich, stöhne Am Ende der
Tage wird es geschehen Sie trinken
und taumeln Sie werden, als seien sie
niemals gewesen Alles ist voller Leichen
Überall wirft man sie hin Still!
Doch seht Ich schicke ein Volk, das
euch quälen wird Dann erhebt sich
ein Gestank Verwesungsgeruch steigt
von ihm aus Ruft den Heiligen Krieg
aus! Ein Volk
Wacht auf, ihr Betrunkenen, und
weint!
Jammert, ihr Zecher!
Ihre Kinder werden zerschmettert
Die schwangeren Frauen aufgeschlitzt
Tod, wo sind deine Seuchen?
Aber der
kann euch
nicht heilen
Er befreit
euch
nicht von
euren Geschwüren
S e i n e
Krankheit
Sein Geschwür
Ich aber bin wie Eiter, wie Fäulnis
»Unflat«
Fremde
Sie sollen vor mir stehen, um mir Fett
und Blut darzubringen Meine Opferspeise,
Fett und Blut Es bersten die
Berge Im Feuer meines Zorns Ungeheures
Verderben Zur Zeit des Endes
Ha, ich rede voll Leidenschaft und
Grimm Du bist eine Menschenfresserin
Du sollst Scherben zerbeissen und
dir die Brüsste zerreissen
Denn ich habe gesprochen Zum Gelächter
und Gespött sollst du werden Ich will
dich in die Gewalt derer geben Gegen die
du jetzt voll Hass bist Sie werden voll
Sie fressen Menschen Noch am selben
Tag, da sie ihre Söhne den Götzen
schlachteten Trieben sie es in meinem
Haus Ich vernichte sie im Feuer meines
Zorns
Du sollst sagen: Schwert, Schwert,
Gezückt zum schlachten Zu Trümmern,
Trümmern, Trümmern Nichts soll bleiben
wie es ist
Du Entweihter Die Zeit der entgülltigen
Abrechnung Ich liefere dich
grausamen Menschen aus Die ihr
mörderisches Handwerk verstehen
Das Feuer soll dich verzehren Mitten
im Land soll dein Blut fliessen
An dich wird sich niemand erinnern
Jetzt ist der Tag gekommen Die Zeit der
entgülltigen Abrechnung Ein Schwert
zum Morden ist es Zum Morden Das gewalltige
Schwert, das sie durchbohrt
Schrei und heule, Menschensohn!
Für des Henkers Hand Ein Schwert
Zum Schlachten, zum Schlachten ist es
geschärft; Ein Schwert, ein Schwert
Geschärft und poliert Er soll nicht
am Leben bleiben So wahr ich lebe Sein
Blut wird auf ihm sein Eine Totenklage
ist dieses Lied; Zur Totenklage ist es ge-
MAHNMAL
MAHNMAL
Computer Generated Images by Marcus Hinterthür - ask for custom m.hinterthuer@gmx.net
nach einer Architekturskizze von Heidulf Gerngross
62 ST/A/R
Buch VIII - Religion Nr. 20/2009
Wie am Meer brechen sich die Wellen am Sandstrand von Tamtchi,
dem ersten Badeort am Nordufer des kirgisischen Issyk Kul - Sees. Seine
Uferzonen werden von der Seidenstraße berührt und gelten seit Jahrtausenden
als Kreuzweg der Kulturen, als Ort der Erholung und Begegnung.
Eine alte Kirgisenweisheit besagt, wer hier einmal im Jahr ins Wasser
steigt, bleibt gesund. Der Issyk Kul gilt als wasserreichster Gebirgssee
der Welt. Von Ost nach West misst er 140, von Nord nach Süd bis zu 70
Kilometer und reicht 600 Meter in die Tiefe.
Die gletscherbedeckten Gebirge im Hintergrund, die sich am Vorabend
noch malerisch im Wasser spiegelten sind in die Ferne gerückt. Sie gehören
zum Tien Schan, den Himmelsbergen und ragen bis zu 7.439 Meter
empor. Nach den ersten kräftigeren Schwimmzügen im leicht salzhältigen
Wasser bleibt einem der Atem weg.
Die dünnere Luft auf 1.600 Metern spürt man deutlich. Ein hervorragendes Anpassungstraining,
wenn man durchs Gebirge wandernt möchte. 90 Prozent des Landes,
das mit 195.500 Quadratkilometern etwa die Fläche von Österreich, Bayern und
der Schweiz umfasst, liegen über tausend Metern Seehöhe. 34 Prozent der Fläche
ragen über 3.000 Meter hinaus.
Die Fahrt in die Berge führt uns zunächst das mediterrane Südufer des Sees
entlang. Immer wieder finden sich bizzarre Vorgebirgsformationen. Rot leuchten die
neun Ochsen bei Tscheti Ögüs, Bergrücken, die die Erosion ausgewaschen hat.
Am Song Kul, dem „schönen See“, auf 3.000 Metern Seehöhe verbringen die Hirten
mit ihren Pferden, Schafen, Rindern, Yaks den Sommer. Am Leben der Clans hat
sich in den letzten Jahrhunderten nur wenig geändert. Schon die Zehnjährigen gelten
als hervorragende Reiter, die es nicht verstehen können, dass Erwachsene Männer
bei Pferden für Verwirrung sorgen.
Perfektion am Sattel ist Selbstverständlichkeit hier. Es gehört viel Übung dazu, um
um jene akrobatischen Übungen zu beherrschen, die bei den legendären Reiterspielen
dargeboten werden. Oder um jenes wilde, poloartige Reiterspiel zu erlernen, das
die Kirgisen voll Enthusiasmus pflegen. Dabei wird ein Schafsbock geschlachtet, der
Kopf abgetrennt, die unterel Läufe gehäutet. Danach jagen zwei Mannschaften damit
über die Wiesen. Es gilt als Ehre, wenn der Bock in den Eingang einer bestimmte
Jurte geworfen wird.
Als nomadisierendes Turkvolk gelten die Kirgisen gastfreundlilch langmütig und tolerant.
Sie stellen mit zirka 65% die Bevölkerungsmehrheit. Außerdem leben Usbeken,
Russen, Dunganen (chinesische Muslime), Uiguren (1,0 %), Ukrainer, Tadschiken ,
Tataren , Kasachen und Angehörige weiterer Ethnien, wie etwa 57.000 Mescheten,
im Lande.
Die Bevölkerungsmehrheit bekennt sich zum sunnitischen Islam, der stark mit Schamanstischen
Ritualen und Naturreligionen durchsetzt ist. Gegen ein gutes Stamperl
hat hier keiner was einzuwenden, zu jung ist die Vergangenheit als Kirgisische Sowjetrepublilk.
Auch der Luftgetrockenete von daheim kommt gut an. Selbstbewusst,
modern und vor allem unverschleiert ist der Auftritt der Frauen. Sie stellen vielerorts
in der Wirtschaft ihren Mann.
Am Kuhfladenherd in der Gemeinschaftsjurte erwärmen wir uns rasch und stärken
uns beim Nachtmahl mit allerlei kirgisischen Leckereien. Es gibt Lagmat, einen suppigen
Nudeleintopf, Butter, Käse, Wurst, Weißbrot, Tee und als Nachspeise Brandteigspiralen,
die hervorragend zu den aromatischen Marmeladen passen. Kirgistan
ist ja die Heimat der Marille doch die anderen Früchte des Sommers, vor allem die
Himbeeren aus der Höhe schmecken einzigartig. Zum Abschluss
Etwas schweigsam und müde schauen sie ins Feuer. Einer von Ihnen entschuldigt
sich für die Einsilbigkeit am ersten Abend und fügt hinzu, dass sich dies schon ändern
wird, wenn wir uns mal näher kennen. Er soll recht behalten. Denn schon bald
erleben wir zünftige Jurtenabende mit viel Gelächter und Self-Entertainment, das
unsere Tagesmärsche beschließt.
Nr. 20/2009 Buch VIII - Religion
ST/A/R 63
Die Hauptstadt Bischkek ist das Zentrum des Wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Auf Kirgisisch
bezeichnet bischkek oder pischpek ein Gefäß für die Zubereitung von Kymys, fermentierter
Stutenmilch. Planmäßig im Schachbrettformat ausgelegt, ist es eine Stadt mit breiten Boulevards,
marmorverkleideten öffentlichen Gebäuden und massigen Wohnblocks in typisch sowjetischer
Bauart. Aufgrund seiner kurzen Geschichte hat Bischkek keine historischen Bauwerke. Fast alle
Straßen in der Kernstadt sind beidseitig von Bewässerungskanälen flankiert, welche die zahllosen
Bäume bewässern, die im heißen Sommer Schatten spenden.
Im Gespräch mit Gerald Kofler und Peter Felch hat der russisschstämmige Künstler, Valeri Ruppel,
namhafter Vertreter der modernen Kunst, Stellung bezogen.
Als Sie nach Kirgistan kamen, was war Ihre Motivation zu bleiben und hier zu arbeiten?
Wie ich hierher kam, ist ganz einfach erklärt: Als ich mit 20 nach Zentralasien kam, waren meine
Motive rein romantischer Natur. Ich wollte exotische Länder kennen lernen. Und so begab ich mich
damals in das, wie mir schien, sehr exotische Asien, das mich bis heute Staunen lässt über das,
was mich umgibt. Außerdem ist der altruistische Dienst an der Kunst, an der modernen Kunst, auch
keine schlechte Aufgabe. Das ist mein Karma!: hier in Zentralasien
moderne Kunst zu betreiben und zu vertreten. Irgendjemand muss das
ja tun.
Denken Sie, dass Sie in anderen Ländern mehr Resonanz und Erfolg
haben könnten?
Wenn ich mich in Europa aufhalte, gefällt mir sehr, was sich dort in der
modernen Kunst abspielt, mir gefällt der kontinuierliche und schnelle
Prozess des Wechsels von Prioritäten, von Ausrichtungen. Dieser lebendige
Prozess ist wichtiger als alles andere. Wenn ich nach Kirgistan
zurückkomme, versuche ich meine Inspirationen hier einzubringen. Ich
weiß nicht, wie ich dort leben und arbeiten würde, aber ich kann diesen
paradoxalen Unterschied und Kontrast zwischen dem, was dort passiert
und hier, überprüfen und auflösen, indem ich hier arbeite.Das ist auch
ein gewisses Experiment, meine Teilnahme am Werdegang und am
Leben der zeitgenössischen Kunst. Als lebendes Wesen will ich an
diesen Prozessen teilnehmen.
Sehen Sie eine Kommerzialisierung der Kunst in Europa?
Das gibt es alles in Europa in einem enormen Ausmaß, daneben aber nimmt die zeitgenössische
experimentelle Kunst einen wichtigen Platz ein; sie hat einen hohen Stellenwert in der Kunst
allgemein, in den Museen und Galerien, in der Gesellschaft. Das ist hier nicht der Fall. Hier nimmt
die kommerzielle Kunst den größten Raum ein. Das liegt wahrscheinlich daran, es den Bedarf dafür
gibt. Mit der Bildung der neuen Mittelschicht von Businessleuten, den Neureichen, wie sie genannt
werden, entstand der Bedarf an Dekorativem, der Wunsch nach Verzierung. Geschmack haben
sie keinen, wohl aber den Wunsch, das Bedürfnis sich mit etwas zu schmücken. Und es gibt einen
großen Künstlerkreis, der bereit ist, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Dazu kommt, dass wir haben
kaum Zugang zu Informationen haben, es gibt keine Kunstberichterstattung, keine Kunstzeitschriften,
das Netz ist unsere einzige Informationsquelle.
Welche zeitgenössischen Künstler der westlichen Welt haben Sie besonders beeindruckt?
Ein absolut herausragendes Beispiel der modernen Kunst für mich ist der Franzose Yves Klein.
Vielleicht weise ich in meiner Suche, meinen Experimenten nicht sehr viele Ähnlichkeiten mit ihm
auf, aber ich halte ihn für ein Paradebeispiel eines modernen Künstlers, ein glänzendes Beispiel
dafür, wie man der zeitgenössischen Kunst und der Kunst im Allgemeinen dienen kann. Das ist für
mich Yves Klein.
Was interessiert Sie an Zen, an der Philosophie, der Kunst des Fernen Ostens und des Buddhismus?
Die Leere in der Kunst, die Leere als philosophischer Zen-Begriff,
die Leere als allumfassende philosophische Erkenntnis. Das ist im Buddhismus wichtig, mich interessiert,
dass es nicht nur die Leere im physischen Sinne gibt – so gibt es zum Beispiel in chinesischen
und japanischen Bildern Freiflächen. Die Leere muss da sein als etwas, das der Betrachter
selbst füllen kann. Ich suche die Komponenten, die helfen, die Leere als etwas zu erfassen,
das eigentlich nicht leer ist, sondern gefüllt ist … mit der Energie des Künstlers.
Das ist bis heute eine schwierige Aufgabe. Diese „Formel“ ist nicht zufällig vor 10.000 Jahren entstanden,
und sie lebt bis heute als Frage und Herausforderung fort, die nie an Bedeutung verlieren
wird:
Jede Leere kann von einem Künstler mit Bewusstsein gefüllt werden.
Das ist keine einfache Aufgabe, aber es macht Sinn für mich, mich damit auseinanderzusetzen.
Gerald Kofler
Nr. XX/ Herbst 2008
64 ST/A/R
Buch VIII - Religion Nr. 20/2009
04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. xx/xx
Bleiben wir relaxed und scheiß ma auf den Text
Städteplanung / Architektur / Religion 3,– Euro
Zenita
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch IX - LITERATUR ST/A/R 65
LITERATUR
2009
ST/A/R bedankt sich bei Elfriede Gerstl
und Herbert Wimmer für die Konzeption
der ST/A/R-Literaturseiten
66 ST/A/R
Buch IX - LITERATUR Nr. 20/2009
KEINE ANWEISUNG, KEINE AUSZAHLUNG,
KEIN BETRAG, KEIN BETRUG.
(Ein paar Anmerkungen zu „Neid“)
ELFRIEDE JELINEK
Ich habe das Gefühl, etwas zum Privatroman „Neid“ sagen zu
müssen. Jetzt flehen mich schon seit Wochen meine besten
Freundinnen und Freunde an, fast weinend, das Buch „Neid“,
das gar kein Buch ist, nicht lesen zu müssen. Sie glauben, sie
müssen es, wie jedes ordentliche Buch (bei dem man das Ende
nicht vor dem Anfang kennen soll, manchmal, bei einem Krimi,
will man das ja wider besseres Wissen), von vorne bis hinten
durchlesen. Gut, also kein Buch, meinetwegen, ja, wegen mir!,
aber: Ausdruck kompliziert und papierverschlingend, neuer
Toner muß gekauft werden, die Blätter fliegen herum wie
Vögel, man kann sie nicht bändigen, man kann sich mit diesem
Papierhaufen nicht auf den Balkon setzen, überhaupt nicht ins
Freie, ins Offene, man kann das nirgendwohin mitnehmen, es
kommt alles durcheinander. Man muß es dann womöglich
wieder ordnen. Man bereut schon bald bitter, es ausgedruckt zu
haben, denn nun ist das Papier verschwendet, das hat ja
schließlich auch was gekostet, Bäume mußten gefällt werden,
nur damit einem selbst das dann überhaupt nicht gefällt, was
man da liegen hat, dieser Klotz, dieser unordentliche
Papierstrunk, dieser Blättertorso, den man nie im Leben auf
Kante kriegt, nicht einmal, wenn man sich die Kante selber
gibt. Wie beträgt man sich diesem Betrug, ich meine diesem
Roman gegenüber? Bitte, ich zum Beispiel möchte das eh nicht
lesen müssen. Mir ist das ja egal, ob es jemand liest oder nicht,
und meine Freunde bleiben weiterhin meine Freunde, ob sie
meine Sachen nun lesen oder nicht. Was jammern sie mich an?
Ich doch nicht! Was auch immer. Ich möchte nur gern sagen,
wie ich es mir vorstelle: Man soll den Text überhaupt nicht
ausdrucken. Man kann natürlich, aber man soll nicht. Man
kann machen, was man will, das sowieso, die Menschen
beklagen sich ohnedies immer. Sie wollen, daß man weiß, was
sie über einen denken. Man tut ihnen einen Gefallen, sie zu
enttäuschen, denn dann haben sie noch mehr Grund zur Klage.
Das freut sie so sehr, das freut sie umso mehr. Ich schaue über
die Menschen hinweg, egal, was sie tun, nicht im Sinn von
Arroganz, im Gegenteil, sondern weil ich vielleicht zuwenig
Zugehörigkeitsgefühl zu ihnen habe, was sie mir nicht eigens
zu sagen brauchen (sie tun es ja trotzdem, weil sie alles trotzdem
tun, jetzt erst recht). Ich schaue über sie weg und gehe durch
sie hindurch, weil ich sie gar nicht mehr anschaue und auch
nicht zu ihnen gehe. Dieser Text mit Namen „Neid“ gehört
nicht in ein Buch. Er gehört nicht auf Papier, er gehört in den
Computer hinein, dort habe
ich ihn hineingestellt, dort
habe ich ihn deponiert, dort
kann er in Ruhe verderben wie
Müll (nur auf Wunsch und
mit Hilfe einiger
Knopfdrückereien können Sie
ihn sich aber holen, wann Sie
sollen, solang Sie und soviel
davon wie Sie wollen), und bin
dann einfach weggegangen.
Ich weiß ja, daß der Roman
dableibt, auch in meinem
eigenen Gerät mit dem
Flachschirm. Er ist zur
Entnahme frei, der Text, was
ich nicht bin. Ich bin nicht
frei, schon gar nicht zur
Entnahme, wer würde mich
auch nehmen, wer würde
denn dem etwas entnehmen
wollen, was ich sage? Ich hebe
ja oft Tagesneuigkeiten und
Aktualitäten, auch Klatsch und
Tratsch, in die Texte hinein,
um ihnen ihr Verfallsdatum
einzuprägen. Das muß man
ihnen immer wieder
einbläuen, sonst vergessen sie
es. Jeden Augenblick können
sie fällig sein, und das ist gut
so. Wenn ich sterbe, warum
soll dann dieses Geschreibe
leben dürfen? Es darf aber,
irgendwo wird es überleben,
in irgendeiner Maschine. Ich hätte vieles, das mir zu intim war,
niemals in einem Buch schreiben wollen und können. Es soll
so schnell verzehrt sein wie ein Hamburger oder eine
Leberkässemmel. Es ist zum raschen Verbrauch bestimmt.
Holen Sie es sich, wenn Sie wollen, wann immer Sie wollen, in
ihr Handy, auf ihren Computer, in Ihr electronic book (nein,
sowas haben Sie wahrscheinlich noch nicht, aber bald werden
wir es alle haben, alles andre haben wir ja auch gekriegt), wenn
Sie zehn Minuten warten müssen, an einer Haltestelle, auf
einem Bahnhof, in einer Hotellobby, ein paar Stunden auf
einem Flughafen, in einem Lokal. Holen Sie sich einen runter
von mir, holen Sie sich etwas von mir runter, überfliegen Sie
es, buchstabieren Sie es, kriechen Sie rein, kommen Sie wieder
raus oder bleiben Sie drin. Die Sache ist ordentlich gearbeitet
und ixmal überarbeitet, aber Sie können es einfach so
überfliegen, als wäre das nichts, unter Ihnen, über Ihnen, vor
Ihnen: nichts. Sie können es fressen oder sofort wieder
wegschmeißen, Sie können alles, Sie haben nichts bezahlt, ich
habe mit meinem Leben bezahlt, doch das ist nicht Ihr Problem,
Sie können es für eine Sekunde laden und dann gleich wieder
rausschmeißen. Das ist ein wunderbares Gefühl, welches ich
genieße, obwohl ich gar nicht weiß, was Sie jeweils damit
machen und Genuß leider nicht meine Spezialität ist. Aber
bitte: nicht ausdrucken (Sie können es sich aber auch in
Schweinsleder binden lassen, auch darüber hätte ich nicht zu
entscheiden)! Es soll da sein und verschwinden gleichzeitig
oder hintereinander, es soll eine gespensterhafte
Erscheinungsform haben, dieses Geschriebene da vor Ihnen.
Die gespenstische Existenz eines Wesens, das da ist und auch
wieder nicht, ein Phänomen, das mich schon immer interessiert
hat: lebende Tote, die nicht wissen, daß sie tot sind, Geister,
Gespenster, Erscheinungen, Grusel, Schauder. Etwas, das ist
und gleichzeitig nicht ist. Etwas, das sich zur Schau stellt, wenn
auch ohne das Gepränge, das der Buchmarkt und das Feuilleton
manchmal mit sich bringen, um Ohnmacht bzw. Aufmachung
(Verlag, Buchhandel) oder Macht (Feuilleton) zu demonstrieren.
Ich habe mich für die Flüchtigkeit entschieden, was meinen
Text betrifft. Ich bleibe immer da, schicke meine Sachen jedoch
auf Wunsch überall herum, in, ja, in all ihrer Flüchtigkeit
(vielleicht Flüchtigkeit, gerade weil ich selbst nicht fliehen
kann?). Jeder Mensch (oder keiner) kann sich das aus dem
universellen Raum des Nichts materialisieren lassen, eine Zeile
lesen, hunderte Seiten lesen, alles eins, und dann kann er das
wieder verstoßen. Er kann es mehrmals aufrufen und parallel
lesen, neue Verbindungen auf dem Bildschirm herstellen.
Überhaupt selber Neues schaffen. Er kann sich was erklären
oder nichts erklären, er oder sie, sie können sich was erklären
lassen oder auch nicht. Sie können es sich anders erklären als
ich es tue. Ich habe mit Entschiedenheit das Machtmittel Buch
und Buchbetrieb zurückgewiesen, nur für mich, ich mache ja
keine Regel draus, ich bin für mich da, sonst ist es ja keiner.
Genau: Keine bin ich auch! Ich bin auch für Sie da, wenn Sie
das wollen, und wenn sie es nicht wollen, bin ich sofort wieder
weg. Ich will keine Macht mit diesem Text entfalten wie
Buchseiten, im Gegenteil, ich will jede Macht aufheben und
Ihnen dafür die Vollmacht übertragen: Machen Sie damit, was
Sie wollen. Ich gebe mich ganz in Ihre Hand, schmeißen Sie
mich weg oder behalten Sie mich ein wenig, eine Weile, ganz
wie Sie wollen. Durch die rasch, beinahe sofort verderbenden
Aktualitäten im Text habe ich ja die Flüchtigkeit des
Geschriebenen geradezu beschworen, weil alles jederzeit wieder
vollkommen und spurlos verschwinden kann. Das ist doch eine
Chance, oder? Gehören Sie zu den Genießern oder den
Entsagenden oder den Hassern?, von mir aus, oder gehören Sie
zu gar niemandem?, hören Sie mir zu oder nicht; ich merke das
ja gar nicht, ich merke nicht, zu wem Sie gehören, Sie können
gehören, wem Sie wollen. Dieser Text gehört mir, ob Sie wollen
oder nicht, ich habe ihn an niemand verkauft, ich behalte ihn,
aber Sie können ihn jederzeit haben, wenn Sie wollen und
wann Sie wollen. Und noch nicht einmal geliehen. Er gehört
ganz Ihnen, wenn Sie mögen. Und dann ist er wieder weg. Sie
müssen nichts herumschleppen, Sie müssen keine Lesezeichen
einlegen, Sie können Lesepausen einlegen, Sie können das
alles überfliegen, Ihre Augen können woandershin gehen als
Sie selber, Sie können woandershin gehen als Ihre Augen, die
herumschweifen und sich heften an ein Wort, einen Buchstaben,
einen Satz, einen Absatz, hundert Seiten, egal. Ich teile mein
Eigentum in all seiner Flüchtigkeit mit Ihnen, um, wie gesagt,
selbst die Illusion zu haben, jederzeit weg zu können, oben am
Bildschirmrand ins Nichts abtauchen zu können. Dieser Roman
ist da und gleichzeitig nicht da, in all seiner Rücksichtslosigkeit
gegen mich (und äußerste Rücksichtnahme gegen Sie, denn
Sie allein bestimmen ja über ihn!), in all seiner Leere, wenn
man ihn mit einem einzigen Knopfdruck entfernt hat. Das ist
es vielleicht: Die Leere zum Vorschein bringen, durch den
Druck einiger Tasten. Es wird alles ganz weiß, weil Sie es vorhin
gerade gelöscht haben. Es kann aber jederzeit wieder gerufen
werden. Ich zähle nicht, wie oft und was wie oft. Ich zähle auf
niemanden und zu niemandem. Ich habe Sie längst
ausgeblendet, jetzt können Sie dasselbe mit meinem Werkchen
machen, das ich ist und wieder nicht ich ist, auch wenn es Ich
sagt oder dem Ich widersagt oder es dem Ich immer wieder
reinsagt. Ich durchbreche jedes Ziel und mache am andern
Ende weiter, auch wenn ich zu schwach bin, das Zielband zu
zerreißen, das Sie mir da dauernd vorhalten, sodaß ich nicht
einmal mit Zielvorgabe loslaufen kann, weil da schon das blöde
Band ist, das doch so leicht zu zerreißen wäre. Ich bin am Ende.
Ich bin am Anfang. Sie können das auch, jederzeit! Sie können
sein, wo immer Sie wollen. Ich kann nicht sein, wo ich will.
Dafür kann ich mein Schreiben schicken, wohin ich will, auch
wenn ich nicht weiß, wo das ist. Was sagt man dazu? Diese
Rücksichtslosigkeit, die gleichzeitig Leere ist und Leere
hinterläßt, erweckt den Eindruck, daß der Machthaber
(Heidegger spricht in diesem Sinn von ihm, und die
Machthaberei wird den Künstlerinnen und Künstlern
seltsamerweise immer zugeschrieben, Machthunger auf ihr
Publikum, aber genau das will ich nicht, ich will diese Verhaberei
sowieso nicht, der Filz kann zu einer Fußangel werden) etwas
kann, was eigentlich jeder kann, was jeder vollziehen kann.
Und auch das können Sie ja
gern ausprobieren. Stellen Sie
sich neben mich, einen
Augenblick, fünf Minuten,
eine Stunde, ein paar Stunden,
Sie werden sehen: Sie können
das auch! Es ist unverbindlich,
denn es will nichts verbinden,
kann es aber auch, wenn
gewünscht, es kann ein Pflaster
für eine Wunde sein oder
selbst eine Wunde aufreißen.
Es gehört nichts dazu außer
ein paarmal Knopfdrücken
und Mausfahrereien und
Gedankenschiebungen. Nichts
ist echt, alles ist ich. Ich bin
nicht echt, was soll an mir
schon echt sein? Nicht einmal
die Farbe auf meinen
Augenlidern, denn die ist
dorthin geschmiert worden.
Wo Ich draufsteht, ist zwar Ich
drin, aber Ich ist sowieso nicht
Herr im eigenen Haus, es ist
höchstens der Hausmeister,
der die Böden des Bodenlosen
wischt. Aber das alles kann
Ihnen egal sein. Wenn Sie ich
sein wollen – bitte, von mir
aus, aber wenn Sie ich wären,
würden Sie merken, daß Sie
alles sein wollen und überall,
nur nicht ich und nur nicht
dort, wo ich bin. Oder bitte,
von mir aus, lernen Sie nichts, auch das können Sie. Sie können
das Nichts, und Sie können alles, Sie können ein Wesen oder
ein Unwesen sein, indem Sie Macht über andre (und wäre es
Ihr Hund oder Ihr Partner oder Ihr Kind) ausüben wollen. Ich
will das nicht. Ich will es nicht. Ich bin mir genug. Und ich
habe von Ihnen genug, selbst wenn Sie nicht genug von was
auch immer kriegen können. Bleiben wir getrennt! Das ist gut
so. Aber das Bleibende möchte ich nicht geschaffen haben, also
bitte nicht ausdrucken! Lassen Sie es laufen. Es genügt, daß ich
derweil noch dableiben muß.
http://ourworld.compuserve.com/homepages/elfriede/
WWW.TOLSTOI.RU
Nr. 20/2009 Buch IX - LITERATUR
ST/A/R 67
MEMBRAN-STORY
herbert j. wimmer
als klingelton ein tiefer bronchial-katarrhalischer husten.
eigentlich ist es ja ein bisschen gruselig, erzählt sich
eine männliche stimme in meine nähe, schiebt sich ein
sprechender langsam an mir vorbei, einen fernen abschnitt
des bahnsteigs fest als fluchtpunkt seines horizonts im auge
behaltend. er sieht so aus, wie ich mir vorstelle, dass ich in
einigen jahrzehnten aussehen könnte. ob ihm, würde er nur
einmal kurz seitenblicken, die vorstellung einschösse, er hätte
vor vielen jahrzehnten so ausgesehen, so dagestanden wie ich?
da habe ich ein feed bekommen, in dem ein zellbiologe
von parasiten erzählt, die verhalten verändern können,
vielleicht auch bei unsereinem. irgendwer hat in vielen
staaten untersuchungen über parasitenbefall gemacht und
angefangen herumzukorrelieren, dass ein parasit, den
wir durch rohes fleisch, ungewaschenes gemüse oder die
hauskatze mimi bekommen können, unsere person auf
unmerkliche weise verändern könnte.
fast die hälfte der menschen in den untersuchten ländern
tragen in ihrem blut antikörper gegen den parasiten. und
in einigen bio-psychologischen oder psycho-biologischen
untersuchungen lässt sich nun angeblich zeigen,
dass der parasit frauen unabhängiger, dynamischer
und intelligenter macht, während hingegen männer
konservativer, eifersüchtiger und gruppenhöriger werden.
in beiden geschlechtern allerdings steige die neigung zu
schuldbewusstsein. was hältst du davon? speichelt er ganz
vergnügt am mikrofon seines headsets vorbei in die (noch)
öffentliche luft.
an der privatisierung der atemluft, wer möchte nicht
daran verdienen. abrechenbar ist alles, ein lebenslanger
einziehungsauftrag, verbrauchsschätzungen nach
durchschnittlichen kubikmeter pro tag, eine gebühr fürs
einatmen der wie auch immer frischen luft, eine andere
gebühr fürs ausatmen der verbrauchten luft; vielleicht auch die
verpflichtung, von geburt an ein luftkonto zu haben, von dem
man bis auf null wegatmen kann, so heftig oder so sparsam,
wie man will. die ewig undankbare bevölkerung muss daran
gewöhnt werden, dass es nichts umsonst gibt, alles muss
gekauft und abbezahlt werden. respekt und dankbarkeit, mehr
verlangen sie ja nicht, die alles ins private umverteilenden
luft-provider. wer sportelt und mehr und heftiger atmet als der
durchschnitt, lebt halt kürzer, die bewegungslosen wenigatmer
dürfen dafür länger in der welt sein. gebühren fürs unter- und
überschreiten von durchschnittswerten, wie auch gebühren
fürs hartnäckige angleichen an durchschnittswerte sind so
schnell ausgedacht wie eingehoben. niemand hustet in den
augenblick der abschweifung.
beef tatar, carpaccio und salate aus hygiene-resistenten
restaurant- und kantinen-küchen, fällt mir dazu sofort
ein. weil sie ihn tragen, verlieren mäuse und ratten ihre
angeborene furcht vor katzenduft, im gegenteil, sie suchen
ihn, und werden der katzen leichte beute. so kann der parasit
wieder in den katzendarm zurückkehren, sich vermehren und
wieder ausgeschieden werden.
die verstärkte neigung zu frei flottierenden schuldgefühlen
kann ja nur die charity-industrie freuen.
angeblich wirken medikamente, die gegen schizophrenie
eingesetzt werden, auch gegen den parasiten.
das finde ich ja so kurios!
treibt man den parasiten aus, werden dann die von ihm
geheilten frauen weniger intelligent sein, klebrige gruppen
bilden und antriebslos in den familien herumhängen?
und die männer verlieren dann ihren schrecklichen
hang zum konservativen, hören auf elende eifersucht –
othello ade! – zu zelebrieren und geraten wieder mehr zu
eigenverantwortlich funktionierenden individuen, abhold
dem dumpfen zusammenglucken an stammtischen und in
traditionsvereinen?
dafür empfinden dann alle diese verdammten unbestimmten
schuldgefühle überhaupt nicht mehr?
ist nicht mein, unser unbewusstes ergebnis von
parasitenbefall?
die ganze evolution hoch?
manchmal hat der befall was mit der ausschüttung von
botenstoffen zu tun. die werte von dopamin zum beispiel,
diesem neurotransmitter, der anscheinend im zusammenhang
mit neugierverhalten steht, sind bei infizierten erhöht. ob
allerdings die substanzen vom parasiten stammen oder der
parasit den oder die befallene zwingt, mehr von diesem stoff
zu produzieren, ist noch lange nicht raus.
manche parasiten wiederum scheinen neurotransmitter
imitieren zu können. sie zerstören einfach nervenzellen oder
verändern das physiologische gleichgewicht und lösen damit
immunreaktionen aus. man fand auch schon – allerdings ist
das noch sehr schwer zu belegen – dass manche parasiten
gezielt gene ausschalten, welche die produktion von
neuropeptiden steuern.
ein parasit folgt dem anderen.
von vielen parasiten gleichzeitg befallen.
irgendwer muss immer erfinderisch sein, unkonventionell,
innovativ; mal die frauen, mal die männer.
sind bewusstein und unbewusstsein als folge von
parasitenbefall entstanden?
verdanken wir die fähigkkeit zu selbstreflexion, zu
selbstspiegelung einem oder unzähligen parasiten?
ist die entstehung von spiegelneuronen folge eines
parasitenbefalls oder folge einer entstandenen resistenz?
sind parasiten evolutionsbeschleuniger, entwicklungsturbos?
jetzt müssen wir unbedingt nach einem parasiten suchen
– oder einen gentechnisch herstellen, der sowohl frauen
wie männer intelligenter, dynamischer und unabhängiger
macht, ohne die neigung zu schuldgefühlen, dieser negativen
emotionalen grundhaltung, zu verstärken, denke ich dem
davonsprechenden nach.
der lautsprecher scheppert neue verspätungen in unsere
zukunftsoffene gegenwart.
FRIEDERIKE MAYRÖCKER
ich auch den weich‘ Kräutern, Höld.
ich auch den weich‘ Kräutern alle Stimmen Maria Callas‘ nämlich in
meinem Schädel. Vergiszmeinnicht in meinem Schädel der Sturm tobt
die Angst Veilchen Vergiszmeinnicht in meinem Schädel die Einsamkeit
tobt die Verzweiflung in meinem Schädel die Angst tobt der
Schrecken. Venedig und Veilchen Vergiszmeinnicht Wahn und Wäldchen des
Alters in meinem Schädel renne zum Veilchenbusch Fliederbusch
noch keine Blüten kein Duft gegenüber die Wander Klassik (der
Schneider Aslan Gültekin) sein weiszer Schädel die Himmelschlüssel
Anemone Päonie in meinem Schädel hl.kl.Frau im Fenster mir winkend
mir lächelnd versinke in Blumen Tränen Küssen Veilchen Vergiszmeinnicht
Augen der Mutter Kehlen der Vögel : schönen Schwalben Lieblingen
meiner frühen Tage nämlich die Wander Klassik 1 Jimi Hendrix
steht an der Straszenkreuzung / es sei als sei es 1 Maientag rauschender
Mai unter der Kuppel des Blattwerks des Baumes hin durch
den Maientag Rosen der Augen der Auen im Südwind durch diesen Tag
während die Tränen sind vom Himmel geflossen und sprieszend an den
Ästchen (Kätzchen) des Waldes in meinem Schädel des reinen Waldes
unter dem Himmel unsterblichen Himmel. Verzaubert ist mir die Welt
und fiebrig in meinem Schädel Nachtviolen Fuchsien Weiden Pinien
und Reseden lauschend im Garten (ich) Krokus und Haferkorn auch,
kirschenessend in tiefer Nacht, auch, ich auch den weich‘ Kräutern,
Hölderlin
FRIEDERIKE MAYRÖCKER
dieser Leiterwagen dieses Schluchzen diese 70 Jahre danach
dieses mit Mutter hinauf die Dorfstrasze hinauf (damals in
D.) das Kreuz der Deichsel in den Händen ach weiszt du
noch der ockerfarbene Staub der Strasze an meinen Füszen
(nackt) das Kreuz auf der Anhöhe wo die Felder Wiesen
sich breiteten wie mit offenen Armen und wir zum nahen
Steinbruch die kl. und gröszeren Steine einsammelten diese
Grotten Gottesblumen in D. während über dem Stege begannen
Schaafe den Zug usw.
jemand, 1 Traum, hügelt mir wie Schnee oder Schwan, 1 POMP die
beweglichen Primeln über dem Wasser / Mystifikation eines
Lebens 80 liebliche Sommer ach weiszt du noch die Erdbeeren
in den Beeten (mit Steinen bekränzt) im groszen Garten die
Hauswurz die weiszen Lilien der Hibiskus in den Wolken in
den duftenden Lauben die MADONNA gesehen wo die verborgenen
Veilchen sprossen
(aber es fallen auseinander meine Gebeine . .)
6.2.08
12.4.08
FRIEDERIKE MAYRÖCKER
Städteplanung / Architektur / Religion Buch IX - LITERATUR ST/A/R 69
Foto: Andrea Baczynski
Worüber man nicht sprechen kann, dass muss man fotografieren
70 ST/A/R
Buch IX - LITERATUR Nr. 20/2009
ANDREAS OKOPENKO
Spontangedichte (Stand: 26.09.2008)
Schiedspruch
Ein hechelnder Hecht
ist zwar Hund, doch nicht echt.
Berliner Gedanke
Das Restaurant, wo Schinkel aß,
heißt jetzt „Zum goldenen Winkelmaß“.
Nörgler beim Baden
Die blöde Technik! Unser Wasser
wird jedes Jahr ein bissel nasser!
Osterhase in Parknöten
Der Rasen ist voll nasser Eier –
das macht der große Wasserspeier.
Tadel
Dem Käptn im Piratenschiff
fehlt doch sehr der Prälatenschliff.
Piratenfang
Die zerlegte Liese
schmort in der Kombüse
(mit sehr viel Gemüse).
Der Unermüdliche
Und wenn alle Hasen schlafen,
kann man noch die Katzen loven.
Und wenn alle Katzen streiken,
kann man noch die Igel liken.
Schlager
Ich schenke dir
meine Sehnsucht nach mir.
Der tragische Hase
Und fänd er hier selbst ein Grammelknödel
voll Kraut –
nichts tröstet ihn über sein Rammelmädel,
die Braut,
die der verdammte Koloß –
der Jäger – erst gestern erschoß.
Christian Katt
oder eine spiel.konsole
- - - - -
Aus den erweiterten Bauernregeln
Wenn der Osterhase gockelt,
wird die Welt umgesockelt.
Endzeit
Allenthalben
Monde kalben
Sonnen flammen
eng beisammen.
Vöglein
Ich bin die böse Rohrdommel
und bettle gern um Kuchen.
Wenn ich dir nachts ins Ohr trommel,
dann wirst du mich verfluchen.
Nachtgeheimnis
Nachts, wenn die Frösche unken,
erwachen die Halunken.
Die dümmsten sind betrunken,
die schlimmsten blutversunken.
Die uns in Asphalt tunken,
betrachten uns versunken,
bis wir total ertrunken
und ohne Lebensfunken.
Damit hört man sie prunken
vor dümmeren Halunken,
die spenden ihnen Toast.
Die klugen bröchzen „Prost!“
Höllisch
Kamin –
Come in!
Liebeslied für M.
Du bist so schön,
du bist so nützlich –
ich bin ein Frosch,
und bei dir ist mir pfützlich.
Verliebter Rehbock
Selbst ihre Losung
ist mir Liebkosung.
Ausnahme
Ausnahmsweise
preist der Weise
auch einmal das Dumme.
Freu dich und verstumme.
Aus der Gehirnforschung
Hunde, die Tabellen bellen,
haben viele graue Zellen.
Purgatorium
Im Fegefeuer wirst du
bis zur Kenntlichkeit verbrannt.
blick ganz dicht
dran momentaanes voor.schnelln
sofort dann das ganze
lehm in sicht in
sicht.weite tastbar zäh.bilder
sicht.bar im augn.blikk
in den augen
in der augn.haltung
augn.halterung
augen aus bodn haltung
aus zu boodn haltung
gesichts.halterung
geschichts.alterung
zwieseitig gestützt
geschichts.halterung
gestützt auf sozialisierung
schichtig dick schichtich
meer an gesichts.schicht peeling
mehr halb in der brandung (branding)
ueber : set.zung
tongue set over
(zuende : l.ehm)
blick alterung schichtn haltung
schichtn halterung wie
die haltn die g.schichtn
von.einander weg die
zwischnmenschn im
aufenthaltsamkeits.b reich
trennt sträng arm in arm toll.erans
- - - - -
als reaktion auf leute
die letale dosis immer bei sich
auch wenn die devise lautet all.g.mein
dopplpunkt
o vergnueget euch einander recht.zeitig
un.ziemlich b.nommen täglich
oder wenn ihnen was nicht passst
wenns nicht g.lingt
so nehmens doch gleich die dosis
an.g.nommen es ist gift rufz
aber da setzt es gleich.mut
voraus zur entspannung
da ist schnellstwirkendes r.wünscht
g.setzt den fall gleich setzt
zuerst das vergnuegn ein
dann die wirkung erst
und wir lassn
das liquide b.dauern
tröpfchenweise eins
um das andre getrunkn
wird immer artich
wie jede andre flüssichkeit
auch also tun sie sich nix an
- - - - -
rück.flug von vilnius
nach vienna
vorbereitung auf oesterreichische mimik
die junge mongolin neben mir
hat haarfransn als sichtschutz
bei.nah rundum
der mundhai schwimmt ab und an
durch den vorhang aus angst
verzweiflung
verächtung ätzung verzweiflung
zur landung streift sie
die gruenseidnen handschuh ueber
an.spannung volle konzentration
ton und licht blendn sich aus
all.es beginnt
nicht zu wackln
(oktober, 2005)
- - - - -
o der herr oberrat
im unterhemd kettnhemd
am wochnend
aus abendland unterwegs ins morgenland
mit ehernem kreuz
streitaxt kettenschuh und nicklbrille
ausm fachgeschäft in die freizeit
ja wo solls denn hingehn fragz
sososo eine schlacht
nach.stelln
historisch
non-hystergischer
erkenntnisvorschutz
also hirnriss also
ganz alltäglicher hirnschiss also
- - - - -
ELFRIEDE GERSTL
kunst & erotik
hurtig
hurig
haarig
behaglich
wie gehabt
begabt
- - - -
denkkrümel 01
ich möchte niemandem
die maske vom gesicht reissen
ich will nicht sehen
was darunter alles nicht ist
- - - -
denkkrümel 02
die vermehrung des wissens
erzeugt zugleich eine vermehrung
des unwissens
Vision
Ein Hauch von Soldat
verdampft für den Staat.
Immer höflich
(oder: Asteroiden-Einschlag)
Es war, es war - -
ein großes Entgegenkommen.
Hölle
Die Helligkeit schärft das Entsetzen,
die Düsternis steigert die Qual.
das junge pärchen mit dem laptop
in der chirurgischn ambulanz
sucht netzanschluss im wartebereich
zwischn den nächstn bitte eine steckdose
nach 90 minuten warten auf
behandlungsbeginnen
rolln die notfälle zwischndurch auf bettn oder
stühlen vorbei
fragz spieln die spiele oder
arbeitn da 2 mit der gleichn oder selbm
erkrankung
an einem thema
wolln eine maus sie sich oder einander
implan.tiern lassn
supported by
W ien
Kultur
Nr. 20/2009 Buch IX - LITERATUR
ST/A/R 71
ELFRIEDE GERSTL
tagesprogramm
ordnung ins kopfchaos bringen
gedankenknoten lösen &
und in überschaubare
bahnen
geleiten
unsinnige ängste verscheuchen
traurigkeiten mit freunden teilen
entkrampfen
entkanten
faltergleich durch den tag
tanzen
nur diese stunde zählt
Der Übermensch ist
der Mensch
Heidulf Gerngross um 2000
ELFRIEDE GERSTL
kunst & erotik
hurtig
hurig
haarig
behaglich
wie gehabt
begabt
- - - -
denkkrümel 01
ich möchte niemandem
die maske vom gesicht reissen
ich will nicht sehen
was darunter alles nicht ist
- - - -
denkkrümel 02
die vermehrung des wissens
erzeugt zugleich eine vermehrung
des unwissens
SCHILLER
&
GOETHE
HEIDULF GERNGROSS, 19.12.2008 FÜR PUPPA
72 ST/A/R
Buch IX - LITERATUR Nr. 20/2009
GANZHEITLICHE ÄSTHETISCHE PRINZIPIEN
v. Manfred Stangl
Gegenwärtige
postmoderne
oder „hochpostmoderne“
Ästhetiken
weisen sich
durch die Verweigerung
fassbarer,
verbindlicher
Auflistung
von ästhetischen
Mitteln oder gar
ästhetischer Prinzipien eher als Anti-Ästhetiken
aus.
Letztlich führt der Dekonstruktionsprozess
so weit, dass das Wort Ästhetik selbst in
Misskredit gerät, sofort an Vorgaben, Einengung,
fremdbestimmte Totalität gedacht
wird.
Die „alte“ Frage nach der instrumentellen
Deutung von Kunst – also danach, ob die Anwendung
ästhetischer Mittel auf das Erreichen
eines bestimmten Zwecks in der Kunst
abzielt, erscheint lächerlich, weil Kunst ja
als jeglicher genaueren Einordnung, jeder
Zweckunterwerfung erhaben definiert ist.
Allerdings hängt der solches Denkende folgsam
den gängigen Kunstkonzeptionen an,
übersieht zumindest, dass Kunst erst seit
Baudelaire, seit Heine (bzw. Hegel) als dem
Fortschritt und dem Neuen verpflichtet verstanden
wird und ignoriert im schlimmsten
Fall die Tatsache, dass moderne Kunst vollständigerweise
durch ein strenges, rigides
Korsett beengt wird: der Ich-Heiligung, der
Zentrierung des Ichs als den Mittelpunkt der
Welt. Wobei ja pikanterweise so getan wird,
als engten alle Normen, Werte und Verbindlichkeiten
das Ich in dessen unbändigen Expansionsstreben
ein und müsste daher alles
„Bewertende“, wie schön/hässlich, links/
rechts, gut/böse Dichotomien abgeschafft
werden – ein Hauptanliegen der aktuellen
Kunst – die meist nur „Neuartigkeit“ als Kriterium
für Kunst anerkennen will, wodurch
sie in Wirklichkeit oft unheimlich seicht und
aufgeblasen funktioniert.
Insofern ist fast jede moderne, postmoderne
und „hochpostmoderne“ (sich jeglicher
Deutung entziehen wollende) Kunst instrumentell
zu deuten: sie wendet ästhetische
Mittel an, um die Größe und die Kreativität,
die Grenzenlosigkeit und die unermessliche
Vielseitigkeit des Ichs zu feiern.
Ihre ästhetische Mittel sind dabei die bewusst
unnachvollziehbar gestaltet Vernetzung
konträrer Inhalte und Formen, die
Vielschichtigkeit und quasimystische Undurchschaubarkeit
und Tiefe vorgaukeln
soll, aber in Wahrheit in ihrer ich-erhöhenden
Absicht – sobald man den begreifenden
Blick dafür hat – oberflächlich, geschwätzig,
selbstdarstellerisch und kitschig gekünstelt
wirkt.
Jene (hochpost-)modernen Künstler/Autoren
sind in ihrem Selbstdarstellungskitsch
pikanterweise der Romantik verpflichtet,
die ja dieses überhöhte Ich-Konzept mitgestaltete;
zudem forciert die sich gerne innovativ
gebende Gegenwartsliteratur die Rolle
der Kunst als Ersatzreligion, womit sie die
Kunstreligionskonzeption der Romantiker
des 18 Jahrhunderts zur Vollendung bringt,
worin die Wurzeln der - eben ins Negative
gepolten – Verkitschung liegen.
Die „Ästhetik der Ganzheit“ benennt dezidiert
ästhetische Prinzipien, die mittels
entsprechender Mittel angestrebt werden
können – aber natürlich von überhaupt niemandem
nachvollzogen werden müssen
– ist es doch die freie Entscheidung jedes
Einzelnen, sich durch jene Prinzipien inspirieren
und bereichernd erweitern zu lassen
oder nicht.
Zu den Prinzipien der „Ästhetik der Ganzheit“
zählen:
Einfachheit
In erster Linier als Reaktion gegen die mystifizierende
Unsitte heutiger Kunst, Banales
oder Unsinniges mittels unnachvollziehbarer
Privatassoziationen komplex und kompliziert
erscheinen zu lassen. Einfachheit
meint allerdings nicht Knappheit und Strenge
(wie das klassizistische Ideal vorgibt)
oder moderne Verknappung, die eher dem
männlichen Prinzip entspricht. Einfachheit
mag sich üppig und sinnlich und vollrund
äußern: in solch Einfachheit ist tatsächliche
Vielschichtigkeit aufgehoben – diese wird
aber nicht (hoch-)postmodern durch massige
Summation und willkürliche Verkreuzung
der Ebenen hergestellt, sondern in der
Wahrheit erkannt: dass im Regentropfen
der Mond wohnt und der Himmel und die
breiten Schultern der Berge.
Einfach ist der Sommerregen, der auf die
duftenden Gärten einer Brust fällt; einfach
ist der Wind, der auf seiner Panflöte das
Lied vom Vergessen und Verwehen haucht;
einfach sind das Leben und der Tod.
Ausgewogenheit
Meint ein Gleichgewicht in einem Kunstwerk,
einem Text herzustellen zwischen
Zwist, Kritik, Ironie, Provokation (Stilmittel
der Moderne) und der Würdigung der
Schönheit des Seins, der Freude an der Existenz.
Moderne Kunst/Literatur ergießt sich
in die Darstellung des Negativen, Hässlichen
zu Kritisierenden (zu recht oftmals); ausschließlich
die Zerrissenheit und Zerstörtheit
der Welt und der Seelen zu beschwören
führt jedoch leicht dazu, die Zerrissenheit
als allgültige Wahrheit misszudeuten. Nicht
sind die Menschen nur entfremdet, in jedem
blüht eine Knospe der Schönheit des
Seins, ist die Potenz zu Glück und Liebe
eingefaltet. Ein ganzheitliches Kunstwerk
wird diesen Umstand betonen, statt ausschließlich
die Zerstückelung und Kaputtheit
moderner Welten zu klonen (oder wir
in postmodernen Texten die Versatzstücke
der Zerbrochenheit beliebig und emotionslos
aneinanderzulöten – dabei geht jegliche
Betroffenheit und der Wille zur Besserung
und Entwicklung flöten).
Stille
Viel zu laut jault und schrillt die Welt in ihrer
Jagd und Gier nach dem Geld. Die Kunst
quietscht eifrig mit: spreizt die Beine für das
fetteste Bankkontenglied. Schreit und windet
sich und stößt spitze Töne aus, dem Vorgetäuschten
Sinnlichkeitsorgasmus zollt der
Eventbesucher befriedigt Applaus.
Prinzipiell schreit jeder: „ich bin die Nummer
eins. Seins ist kleiner und weniger wichtig
als meins. Die Medien machen eifrig mit,
bemerken den, der am Lautesten um Aufmerksamkeit
buhlt und nach dem Skandal
schielt. Soviel Lärm ist in der Welt, Eitelkeit
und Kunst, die mittels aus sich selbst verweisender
Codes nur sich selbst gefällt – deshalb
interessiert niemand wirklich sich für
Kunst, außer die Kunstbetriebangehörigen
und Skandalblättchen, wenn wieder mal wer
öffentlich brunzt.
Stille aber ist die Erde in uns, aus der der
Himmel erblüht, ist der O-Ton einer Musik,
der man sich versunken hingibt. Ist die
Bedächtigkeit und Kraft mit der ein Text die
Menschen liebt Ist die Tiefe der Farben,
der ruhige Kameraschwenk am Abend, das
vertrauensvolle Heilenlassen der Narben.
Still ist das herzliche Lachen des Kinds, der
Schrei im Orgasmus, der aus der Ewigkeit
stammt, das aufwühlende Flüstern des Sommerwinds,
die Glut, von Sonne und Mond
entflammt.
Mitgefühl
Das ästhetische Prinzip „Mitgefühl“ kontrastiert
Kälte, Isolation und Gleichgültigkeit
in der (hochpost-) modernen Welt.
„Ästhetisches Prinzip“ meint - um zu verdeutlichen,
wie das, heute ja gar verpönte
Wort „Prinzip“ gemeint ist – ein Text oder
ein Kunstwerk wird formal unter Anwendung
diverser Stilmittel derart gestaltet, das
der Leser, Betrachter, Hörer im besten Falle
zu Mitgefühl bzw. Empathie angeregt wird,
zumindest aber die Absicht des Autors/
Künstlers verspürt, mit Personen/Gestalten,
Menschen oder Tieren such mitfühlend zu
identifizieren. In optimaler Ausgestaltung
sind im Kunstwerk Prinzip Mitgefühl und
Ausgewogenheit gleichrangig vertreten, bei
einem Text, wie ihn der Roman „evil“ von
Jack Ketchum darstellt, in dem das Martyrium,
die Vergewaltigung und bestialische
Quälerei eines Mädchens geschildert werden,
appelliert wohl der Autor ans Mitgefühl
und die Haltung des Nicht-Wegsehens und
wirkt damit auf die Verhinderung solcher
Vorfälle ein, ein zynischer und weltverachtender
Zeitgenosse aber mag den Roman als
Beweis für die Grausamkeit der Menschen
sowie der Sinnlosigkeit jeglichen Optimismus
oder Veränderungswillen ansehen und
die bequeme Position des gleichgültig Gefühlskalten
zementieren.
Emotionalität/
Sinnlichkeit/Intuition
Dieses Prinzip der „Ästhetik der Ganzheit“
fußt auf der Notwendigkeit die Durchdrungenheit
der Literatur und der Kunst von abstrakten
Konstrukten (Beispiel Konzeptkunst,
Intellektuellen- Bildungsbürgerroman. wie
etwa „Die Vermessung der Welt“) die Sinnlichkeit,
die Pracht und die Fülle der Natur,
der Gefühle der Menschen und Tiere (und
zwar nicht nur die ausschließlich „negativen“)
gegenüberzustellen, um Lebensfreude
und sinnliches Glück (und eben nicht nur
rein sexuelles) in die logisch-dualistische
technozentrierte, Abstraktheit verherrlichende
abendländische Kultur zu reintegrieren.
Ebenfalls sollen die vergessenen Ebenen von
Intuition und Synchronizität bedacht sein.
„Positive Emotionalität“ meint übrigens
nicht im Mindesten jenen verordneten
Dauerspaß in den angesagten Partydomen,
hinter deren Fassaden die Leere und die Depression
einer ausgehöhlten, entsinnlichten
und entfremdeten Kultur schaurig lauern.
Diverse Stilmittel:
Verwendung analoger, zyklischer Formen,
Märchen, Fabel, Weisen, lyrische Prosa;
Transzendierung der Romanform durch
epische, lyrische Formen etc….
„Ja aber, was sollen wir denn nun machen?“
fragen die Zeitgenossen des Hohns, der Ironie,
der Auflösung und der gewohnten Distanz.
„Lasst uns einen Frühling machen“, zwitschert
eine Amsel zur Antwortet, „einen
März, den wir fühlen von den Wurzeln bis
ins goldblaue Blätterdach. Dann lasst uns
einen Mai machen, den nie jemand zwingt.
Und lasst uns einen Regen machen mit
schweren Tropfen die nach Thymian duften
und Hoffnung süß und silbrigweich wie der
Mond.
Und lasst uns dann noch einen Regenbogen
machen, in mindestens sieben Farben;
das Orange für die Löwen, das Gelb für die
Kinder, die wieder im Sonnenlicht spielen,
das himmeldunkle Blau für den Wind, wie
er vertrauend einschläft im heilendweißen
Arm des Monds.
Zusammenfassung der „Ästhetik der Ganzheit“
von Manfred Stangl und das komplette Kapitel
über ganzheitliche ästhetische Prinzipien sowie
Stilmittel und Formen unter www.sonneundmond.at
Andreas Okopenko: Rezension des Gedichtbands:
„Gesang des blauen Augenvogels“ v. Manfred Stangl
Der Philosoph und Lyriker Manfred Stangl, der eine umfassende
„Ästhetik der Ganzheit“ verfasst hat, in der
er unserer gängigen Kunstauffassung und darüber hinaus
der Lebensweise unserer modernen Zivilisation mit ihrer bis
zur Vernichtungsgefahr gehenden Polarisierung und Megalisierung
und ihrem Prinzip Schein statt Sein den Kampf ansagt,
hat es sich zum Anliegen gemacht, in seinem Werk als Lyriker
eine – wie er es nennt – mystische für alle Welt eingängige
Lyriksprache zu entwickeln.
Schon sein erster Lyrikband „Ein Auge Sonne, ein Auge Mond“,
der sich im Untertitel als Sammlung „Magischer Naturgedichte“
ausweist, zeigt deutlich und unter Aufbietung reiner Poesie
fernab von hochakademischer Indoktrinierung diese Tendenz
des Dichters.
Nun geht Stangl in seinem zweiten - an Aussagekraft gewachsenen
- Lyrikwerk, den Weg weiter, der nicht die Herkunft des Poeten von der
fernöstlichen Schule verleugnet, der er in all seinem Denken und Fühlen weit jenseits
oberflächigen Haiku-Formalismus stark verbunden ist.
Das „magisch“ ist nicht als Hokuspokus mit dem Kaninchen aus dem Ärmel zu verkennen,
vielmehr – wenn ich mich aus einem frühen Gegenbekenntnis aus Zeiten des vielstrapazierten
„Magischen Realismus“ in der bildenden Kunst zitieren darf – im Sinn
meines Satzes: „Magischer Realismus ist eine Tautologie; die Dinge s i n d magisch,
durch ihr Sein; durch ihre unendlichfaltigen Beziehungen, Möglichkeiten; die Dinge sind
von Natur aus magisch; der Mensch kann sie nur negativ verzaubern, nämlich entzaubern.“
Bei Stangl stehen die Dinge, besonders die Jahreszeiten und Landschaften, nicht allegorisch
für irgendwas Anderes da, sondern als das, was sie konkret s i n d. Ein Fluss fließt,
oder kühlt, oder beschmutzt… - vergleiche: „Was immer der Zen-Meister mitteilt, ist
nicht Symbol, sondern die Sache selbst.“ (Alan W. Watts: Zen-Buddhismus). Und Feng-
Hsüch erwiderte auf die Frage, wie zwischen Reden und Schweigen einem Irrtum auszuweichen
sei: „Ich denke immer an Kiangsu im März – an den Ruf des Rebhuhns, an
die Fülle der duftenden Blumen.“ Viel von solchem Geist spricht den Leser aus Stangls
„Naturlyrik“ an, mag ihn die Elfen- und Nixen-Sicht in manchen Gedichten auch – heute
befremdlich – an den Animismus der Urreligionen erinnern, mit der Vorstellung, alle
Naturdinge seien belebt, beseelt – das „belebt“ wird schwer abzuweisen sein. Zudem
wird der Leser, selbst wenn er nicht auf einer Wellenlänge mit Stangl ist, wohl in dessen
Botschaft ein abweichendes aber respektables perfekt durchdachtes und durchfühltes
Ganzes und im Gedichtschatz ein echtes Lyricum sehen.
„Gesang des blauen Augenvogels – mystische Naturlyrik“, Wien, 2oo8, geb. 116 S.
Verkaufspreis. 15 € im Buchhandel. ISBN: 978-3-2oo-o1111-3
direkt bestellbar unter info@sonneundmond.at
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch X - AUTO-STAR ST/A/R 73
David Staretz
schreibt, redigiert und fotografiert den Auto-ST/A/R
74 ST/A/R
Buch X - AUTO-STAR Nr. 20/2009
KUESSEN
Selberfahren im McLaren SLR 722 GT
LASS MICH DEINEN
WINDSCHATTEN KÜSSEN
David Staretz hetzt Christina Surer vor sich her. Ach, wenn
sie das nur wahrhaben wollte!
Christina Surer kann meinen Annäherungsversuchen
nicht mehr standhalten. Ok, ihr stehen nicht
680 PS zur Verfügung, ihr SLR McLaren Edition
722 hat um 30 PS weniger als mein Hardcore-Racing-Tool
(das kann man allerdings als Serienstreuung durchgehen
lassen), aber so knallhart, wie ich aus der Fahrerlagerkurve
von oben runtergestochen komme, so verwegen, wie
Baron Richthofen sich aus der Sonne in den Nacken des
Gegners fallen ließ, das scheint sie doch überrascht zu
haben. Gebietet es meine Höflichkeit, zu blinken? Ach
nein, es gibt ja keinen Blinker hier in der Rennversion
des SLR McLaren722 GT. Rennversion? Was läuft hier
eigentlich?
Bitte erst mal von vorn. Also, wir erinnern uns: Mercedes
entwickelte zusammen mit McLaren einen Supersportwagen
auf der Höhe seiner Zeit, dem trotz extremer Features
wie Sidepipes, völlig glatter Unterboden, Carbon-
Body vorgeworfen wurde, ein bißchen zu fancy zu sein,
sich beliebt machen zu wollen bei Leuten, die nicht so
viel Sachverstand wie Geld besaßen. Es ist auch kein Geheimnis,
dass der Wagen dann nicht so kompromisslos
wurde, wie McLarens Headbrain Gordon Murray dies
vorgestellt hätte. Er hätte sich wohl eine Steigerung seines
F1 gewünscht.
Herbst 2008, fünf Jahre später: Der Wagen lebt, verkauft
sich nach Belieben, beherrscht seinen Auftrag, die Funktion
eines Imageträgers zu verwalten, um der breiten
Mercedes-Käuferschaft klarzumachen, dass man sehr gut
weiß, wie die lauten Töne gespielt werden.
Man offenbarte den SLR McLaren Roadster und danach
noch den auf 150 Exemplare limitierten Edition 722 mit
strafferem Fahrwerk, leistungsgesteigertem Motor (um
25 PS auf 650 PS), weniger Gewicht (minus 44 kg) und
Keramikbremsen.
Um die Zündschnur der Begeisterung am Brennen zu
halten, gründete man den Club SLR, der den Vorteil hat,
keinerlei Eintrittsgebühr zu verlangen, allerdings ausschließlich
SLR-Besitzern vorbehalten ist.
Unter diesen Passionierten wiederum gründete man eine
Gentlemen-Renngesellschaft, einen Markencup oberster
Gehobenheit, befeuert von der auf 21 Exemplare limitierten
Racing-Version namens 722 GT.
Hier, in der kompromisslosen Zurichtung auf Rennmaschine,
herrschen Rennfahrwerk, funktionale Aerodynamik,
680 PS, ein Drehmoment von 830 Nm und
ein Leistungsgewicht von zwei Kilogramm pro PS, kontrollierbar
aus einem kompromisslos zugeschneiderten
Renncockpit.
So. Und hier, wo von den Privat-Racern richtig viel Geld
ausgegeben wird, um die vom Rennstall und Engineering-Unternehmen
Ray Mallock präparierten Fahrzeuge
zu erwerben, sie unter Dampf zu setzen samt Mechanikern,
Boxencrew, Telemetrie, Catering, Hostessen, und
was noch alles zu einem gelungenen Wochenende gehört,
wollte man dem Spaß noch eins draufsetzen. Also
lud man hochverdiente Haudegen des Rennsports dazu,
wie Christian Ludwig, Jochen Mass, und Jean Alesi, sowie
Chris Goodwin, Michael Mallock oder Christina Surer
aus der jüngeren Fahrergeneration. Zusammen mit
den Privatfahrern werden sie zu den Teams gelost, um
dem ganzen Renngeschehen mehr Pep zu verleihen.
Vorläufig sind etwa elf Fahrzeuge im Einsatz, das ist ok
für die erste Saison, sollte aber noch besser werden.
Erstmals wagte man sich auch daran, zwei, drei Journalisten
ans Steuer zu lassen, also einen nach obenhin
kaum zu beziffernden Schaden in Kauf zu nehmen. Um
Die Stempel, auf denen der Wagen in der Box ruht, kommen hydraulisch aus dem
Wagenboden geschossen, fahren also immer mit.
Nr. 20/2009 Buch X - AUTO-STAR
ST/A/R 75
der Sache die Spitze zu nehmen: Nach dem komplizierten
Reinturnen war nichts mehr so mühevoll (außer
dem Aussteigen). Multimillionären wird auch nichts geschenkt.
Aber dann: Die tiefe Sitzposition, dieses Eingepacktsein
in die Schale, das Heranwachsen von Lenkrad und
Paddles, die grandiose Knopfgalerie, das abknöpfbare
Steuer, das heisere Anfachen der Maschine in der Box,
nachdem die Mechaniker die Luft für die vier im Wagenboden
integrierten Hebestempel aus der Hydraulik gelassen
haben und der Wagen schlagartig um zwanzig Zentimeter
zu Boden fällt, das Rausrollen ans Tageslicht unter
frenetischen Gasstößen, nochmals zurück, (Retourgangfummeln
im E-Display) weil der geringe Einschlag nicht
reicht, jetzt aber richtig voran und Christina Surer hinterher,
die mir die Pace macht und längst schon in die
Schikane einschneidet.
Das macht alles unerhörten Spaß, von dem ich gar nicht
erklären könnte, woher er kommt, denn jetzt ist alles
netzfrei ungesichert, dröhnend laut und metallen schroff,
doch mein Vertrauen in Fahrwerk, Bremsen und Christinas
Linie lässt Raum, um diese frenetische Kraftentfaltung,
das massige Einfurchen, das sideslide-gewandte
Durchspulen der wie getöpferten Nocksteinkehre oder
der sich zur Schikane einkringelnden Fahrerlagerkurve
richtig zu genießen, somit aber nahe an eine gefährliche
Selbstgefälligkeit zu rücken, der Gegenhaltung zur angebrachten
Demut; und einen Moment lang denke ich
an einen Tennisspieler, der nach seinem Outsider-Sieg
sagte: „Sobald man sich im Vorsprung sonnt, sich an
der anbahnenden Sensation delektiert, vergisst man, das
es um nichts anderes als den Kampf um den nächsten
Punkt geht. Nur der zählt! Sonst verliert man Konzentration
und Spiel“. Das rückt mich wieder zurecht, und
ehe ich wirklich glaube, dass Christina mich resigniert
vorbei lässt, um mir freies Bolzen zu gewähren, schau’
ich lieber noch in den zittrigen Rückspiegel und ziehe
gleich den Nacken ein (und klemme die Backen zusammen),
denn hinten kommen Jochen Mass und seine
Trainee, ein Privatfahrer, im Duett herangeröhrt und
brausen vorbei, dass es mir beinah Heckspoiler aufstellt.
Sie hat also nur meinetwegen gebremst, um schnelleren
Verkehr vorbeizulassen. Naja, lern deinen Platz kennen.
Immerhin ist der gar nicht so übel hinter einem der prominentesten
und hübschesten aller Racinggirls, dem es
perfekt gelingt, zwischen echten Renn-Einsätzen, ihren
Aufgaben als Model und Markenbotschafterin (etwa für
Seat und Yokohama) und, wie hier, als Driver/Trainer zu
brillieren.
Sie kultiviert am Salzburgring, (immer noch ein unerforschtes
Gelände für Sucher der Ideallinie), die flache
Linie, eine umstandslose Kampfspur, wo dir niemand ins
Gewand fahren kann. Sie macht schon kurveneingangs
klar, wem die Führung gehört, und wenn du durchaus
imponieren möchtest, so darfst du beim Anbremsen ein
wenig später und härter ins Eisen steigen, aber wie sich
schnell zeigt, ist Geschmeidigkeit immer noch die bessere
Taktik, das Mitnehmen von Geschwindigkeit in die
Kurve, wie es Christina so beispielhaft zelebriert, aber wie
eine gute Freundin und Pferdediebin wartet sie hinter
der nächsten Ecke, lupft hie und da einmal das Hauptpedal
für dich, und flash-artig muss ich dran denken,
wie ich mit siebzehn in eine gleichaltrige Schilehrerin
verliebt war und wie schnell ich damals lernte im reinen
Bestreben, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Ich sehe
Christinas Locken vor mir die Zielgerade entlang fliegen.
Ob auch masselose Schönheit der Fliehkraft unterworfen
sind? Wüsste ich nicht, dass sie Helm trägt, ich würde
dringend vermuten, dass sie den Lidstrich nachzieht und
die Lippen auffrischt, während ich hinter ihr mit Klauen
und Zähnen am Lenkrad kämpfe, um noch ein Zipfelchen
Windschatten zu erhaschen. Tease me, please me,
thrill me, grill me, aber bitte don’t kill me. Als sie in die
Boxenstraße einbiegt, wirkt das wie eine Einladung zum
Cocktail. Aber wir sind hier Professionisten in unseren
Kisten, erst mal das Interview in den Kasten bringen.
*
Es wäre übertrieben gewesen zu sagen, dass Frau Surer
schon umgezogen war, als ich an die Box zurückhechelte,
aber ihre Frische und Geschminktheit waren beschämend.
Gekonnt vermied sie jeden Kommentar über
unseren Pas de deux, denn sie ist eine höfliche und anregende
Gesprächspartnerin, mit der man sich über allerlei
unterhalten kann, auch über das Wetter. Aber dieses
Thema würden wir gewiss nicht anschneiden.
Übrigens: Christina ist nicht die Tochter, sondern die
Schiebefenster wie an der Kinokassa.
Exfrau des ehemaligen F1-Piloten Marc Surer. Und natürlich
vergeben.
du
Irgendwie unentspanntes Dastehen.
➋
➊
➊ Einschlag wie ein Öltanker:
Die Ausfahrt aus der Box
gestaltet sich schwierig.
➌
➋ So sitzen Hobby-Renn-
Millionäre.
➌ Das setzen sie auf.
➍ Das ziehen wir Lohnfahrer an.
➎➏ So fassen wir Helme und
Gewand aus.
➏
➎
➍
Städteplanung / Architektur / Religion Buch X - AUTO-STAR ST/A/R 77
DER STOFF, AUS DEM
DIE AUTOS SIND
Wir erblickten die Zukunft und
sahen, dass sie textil ward.
David Staretz sprach mit BMW-
Chefdesigner Chris Bangle im BMW-
Museum München.
TEXT UND FOTOS: DAVID STARETZ
BMW GINA LIGHT
Alles schon da gewesen: Velorex Bj. 71 mit Stoffkarosserie Operation am offnen Harzen: Öl nachschauen, bitte! Und so öffnen sich die Scheinwerfer-Augen. Wie auch sonst?
Stoffbespannte Karosserien zählen zum ältesten, was die Autoindustrie
zu bieten hat. Ursprünglich vom Flugzeugbau übernommen,
wurde Textilbespannung zusehend von Metallhaut
abgelöst und das Kapitel war geschlossen. Dachten wir.
Jetzt erfährt man, dass BMW wieder Experimente mit Stoffverkleidungen
aufgenommen hat, nämlich schon vor acht, neun Jahren, in der
Phase, als man sich, beflügelt vom Erfolg des Z3, dem Z4 annäherte.
Mit Hilfe einer BMW-internen Spezialeinheit wurde auf der Basis
eines Stahlrahmens eine textile Kunststoffverkleidung erarbeitet, die
mittels Streben, Bügeln, teils aus Metall, teils aus Kunststoff und Karbon,
durch Innendruck gespannt und in Form gehalten wird. Darüber
hinaus aber versuchte man, der Textilverkleidung neue Qualitäten
abzuringen: Transparenz, zum Beispiel – die ganze Rücklicht- und
Blinkereinheit durchdringt den Stoff, sobald sie eingeschaltet wird.
Auf reizvolle Weise öffnen sich die Scheinwerferlider, sobald das Licht
eingeschaltet wird und die Motorhaube teilt sich auf geradezu makaber
elegante Weise über dem Aggregat, das man sich als pulsierendes Herz
vorstellen möchte. Raffiniert wurden die beiden Türen eingesetzt – es
gibt keine erkennbaren Fugen: in der Anlenkung nicht, weil der Stoff
durchgängig drübergespannt ist und sich beim Öffnen so elegant und
sparsam faltet wie der Lycra-Ärmel eines Schirennläufers, und in der
Klaffung nicht, weil die Tür so raffiniert als Kadenz eingesetzt wurde,
dass man keine Störung wahrnimmt. Auch im Cockpit setzt sich das
Zauberspiel mit den Formen fort, die Instrumente treten zutage und
die Kopfstützen fahren unter dem gespannten Material hoch, sobald
Platz genommen wurde. Dem Reiz, Formen ambulant zu verändern,
konnte man sich natürlich nicht entziehen, so lässt sich die Form des
Hecks deutlich anheben und auch die Seitenschweller sowie der vordere
Lufteinlass verändern sich nach Bedarf.
Nur noch Räder, Grill, Auspuffrohr und Windschutzscheibe (raffiniert
geteilt und äußerst flach gelegt) sind harte Materialien, alles anderes
wird stofflich überspannt.
Zwei Fragen bleiben offen: Wo ist der Tankdeckel? Und wo bliebe die
schlüssige Eleganz angesichts von Scheibenwischern? Sicherlich alles
lösbar – Chris Bangle, auf die Frage, wie weit der Wagen von Serienreife
entfernt wäre, sagt auf seine aufgeräumte Art: “Bitte, Sie können
sofort einsteigen und losfahren!” Kann ich natürlich nicht, denn wir
befinden uns auf dem obersten Schneckengewinde der BMW-Welt, im
abgedimmten Museumslicht der Spezialfahrzeug-Ausstellung (gerade
haben wir im Aufstieg das viertürige Concept-Coupé CS hinter uns
gelassen).
Doch dieser Mann ist gefährlich in seiner Überzeugungskraft, das sieht
man am ungehinderten Sturmlauf seiner mittlerweile berüchtigten
Kofferraumdeckel, in einer eigenen Ablehnungs-Community-Plattform
des Internets auch als “Bangle-Butt” bezeichnet. (Diese Plattform
www.petitiononline.com/STOPCB/petition.html zieht sich aber weit
größeren Unmut durch ein Scientology-Banner auf Ihrer Homepage
zu.)
Der Chefdesigner erklärt GINA light im unverwechselbaren Bangle-
Sprech: “Only the basic lines sind Hardteile, das meiste of this Ding ist
alles soft”. Sind da Federdrähte? “ It is a Mischung zwischen Stahlteile,
Drahtteile und Kunststoff. Bangle huscht um das Auto herum wie ein
Kobold: “Und die ganze Front, der Lufteinlass, bewegt sich. Und sehen
Sie bei der Tür, wie sich das biegt – das muss um einen Wendepunkt
gehen!” Faszinierend, wie der grauschimmernde Stoff dabei elegante
Falten wirft wie ein Neopren-Ärmel. Wunderbares Faltenspiel. Die
Raumbeleuchtung tut noch ihr übriges dazu.
Wir gehen ein Stück weiter zum Z4 M, gewissermaßen ein Nachfolger
von GINA light: “Diese beiden markanten Sicken in der Motorhaube
werden normalerweise mit Druckpressen gemacht, das bedeutet, es
kostet viel Geld und Zeit, mit Werkzeugmachen und so weiter. Wir
haben dieses GINA-Prinzip verwendet, indem das Teil nur frei schwebend
in der Luft gehalten wird, ohne Widerpart, und dann kommt ein
Roboter und macht so sssck, sssck, und bringt diese zwei Linien rein,
was im Prinzip das gleiche ist wie unsere Stoffgeschichte.” Wie bitte?
“Ja, wir haben mit Stoff begonnen und kamen dann zu einer neuen
formalen Lösung in Stahl. Das hat uns auf folgende Idee gebracht: We
are talking about a material, we are talking about a car – we are talking
about a philosophy! A philosophy, die erlaubt: Lass das Material sprechen
und sieh zu, was passiert!”
Haben wir es hier nicht nur mit des Autos neuen Kleidern zu tun?”
Chrtis Bangle lacht: “Jaa, es ist ein bisschen so. Aber grundsätzlich:
Ich bin ein echter Vertreter der Meinung, dass das Automobil zu einer
Lösung führen kann und nicht zu einem Problem mit sich selbst. Ich
glaube, man kann durch technologische Entwicklungen zur Problemlösung
finden”.
Manchmal wünscht man, er hätte Recht.
78 ST/A/R
Buch X - AUTO-STAR Nr. 20/2009
Dacia Sandero 1.6 MPI
ZURÜCK ZUM AUTO
Der neue Dacia Sandero zeigt noch deutlicher als der
Logan, dass wir lange genug zu teure Autos gekauft
haben.
TEXT UND FOTOS: DAVID STARETZ
Der kompakte Halbpreisgolf namens Sandero ist
Dacias Antwort auf den Millionenseller Dacia Logan.
Worauf auch sonst?
Ok, auf den Logan Kombi MCV, der eine Neun-zu-eins-
Beliebtheit unter den Logans aufweist.
Diese konkurrenzlos billigen Fahrzeuge, ursprünglich
für den Markt von Hoffnungsländern entwickelt, bringen
bei uns neue Tugenden ans Licht: Indem wir uns nicht
nur vordergründig an der spektakulären Preisgestaltung
erfreuen, sondern dahinter die erfrischenden Botschaften
einer gesamtheitlichen Unaufgeregtheit erkennen. Wir
schätzen Sanderos gekonnten Umgang mit Einfachheit
– gesteigert zur Klarheit des Erscheinungsbildes dank
stimmiger Nachvollziehbarkeit im Detail und gezielter
Reduktion auf das Wesentliche. Was ja in unserer überfrachteten
Zeit wieder hoch bewertet wird.
Ok, genug der Vorrede: Ab 8.000 Euro ist man dabei,
billiger geht’s nicht.
Der Sandero überrascht zudem durch sein gelungenes Package,
die solide Verarbeitung, durch seine durchdachte
Ausstattung und geringe Betriebskosten. (Der Norm-Gesamtverbrauch
liegt bei 7,0 Liter beim 1.4-Liter-Modell,
erhöht sich unwesentlich auf 7,2 Liter/100 km beim
1.6-Liter-Motor. Und dank der geringen CO2-Ausstöße
dürfen sich sämtliche Sandero-Modelle einen vom Staat
ausgegebenen Bonus von 200 Euro netto zuschreiben).
Mit Gelassenheit und Qualität schiebt sich der kompakte
Viertürer zum halben Preis eines VW Golf unauffällig
in die Mitte der Wahrnehmung – so, als wäre er schon
längst da gewesen, aber aus unerklärlichen Gründen haben
wir ihn bisher übersehen.
Sein Erscheinungsbild ist schlüssig, sämtliche Proportionen,
die dreidimensionale Frontpartie, das klarflächige
Heck, die gekonnte Seitenansicht des Viertürers, die
sauber angelegte Heckklappe, alle mitlackierten Stoßfänger,
wirken appetitlich und erfreuen das Auge. Selbst die
Auch dort,
wo sich das
Waldviertel zum
Weine hin öffnet,
im Retzer Land,
macht
Dacias Sandero
eine gute Figur
hohe Bodenfreiheit schafft Vertrauen und Größe. Gleich
hier muss die sanft-coole Sonderfarbe Mineral-Blau erwähnt
und empfohlen sein, die dem Wagen gut steht,
den Grundpreis allerdings um 389 Euro hebt.
Wir fuhren die Motorvariante 1,6 MPI mit 87 PS in der
Ausstattung Laureate, also den Benziner mit 87 PS, das
Topmodell der bei 7.990 Euro Basispreis einsetzenden
Modellpalette.
Unser Testwagen verfügt demnach serienmäßig über
das sonst mit 272,16 Euro veranschlagte Sicherheitspaket
(Seitenairbag, Gurtstraffer, Sicherheitskopfstützen
und höhenverstellbare Sicherheitsgurte vorne) und über
das E-Paket, seinerseits 324 Euro schwer. Es beinhaltet
Fensterheber vorn sowie die funkferngesteuerte Zentralverriegelung.
Die hinteren Fensterheber unseres Testwagens wären
verzichtbar gewesen, man könnte also durch schieres
Kurbeln 194,40 Euro einsparen. Umso lieber gönnt man
sich die 1.166-Euro-Option von Klimaanlage plus Soundanlage
(MP3-CD-Radio mit vier Lautsprechern).
Einstieg, Sitzposition, Übersichtlichkeit der Instrumente
(allein der Drehzahlmesser macht was her) überzeugen
sofort, der Schalthebel liegt gut zur Hand, das Lenkrad
kann sogar höhenverstellt werden, Instinktiv findet man
alles an seinem Platz, verstohlen versucht man herauszufinden,
wo denn nun so entscheidend eingespart werden
konnte, denn die Anmutung der Oberflächen, der
Klang beim Türenschlagen, die Druckwiderstände der
Schalter und Regler – alles wirkt souverän, wenn auch
nicht überladen mit Design, Luxus, Sportlichkeit oder
sonstwie zweifelhaften Gütern. Jedes Funktionsteil erfüllt
seine Aufgabe auf selbstverständliche Weise, über
unerwartete Extras wie die Lordosenverstellung im Fahrersitz
freut man sich besonders. Die Rücksitzlehnen
(mit drei Kopfstützen!) lassen sich auf klassische Weise
im Zwei-Drittel-Verhältnis umlegen, falls man mit dem
320-Liter-Laderaum irgendwie nicht genügend Auslangen
finden sollte, etwa beim Tansport von Stehlampen,
Pendeluhren, Waschmaschinen und was sonst noch so
anfallen mag im robusten Alltag.
Faustregel: Alles was durch die Heckklappe passt, lässt
sich auch transportieren (und notfalls an den vier Bodenösen
verankern).
Doch im Grunde denkt man beim Sandero nicht an reine
Nützlichkeit – er hat sogar einen hippen Faktor an sich,
etwas Unnennbares, wie es junge oder sonst wie kritische
Leute erkennen, die sich nicht von Marketingleuten und
Demoskopen ihr artgerechtes Käuferverhalten vorschreiben
lassen, sondern ihre eigenen Wege und Regeln finden,
um einen etwas anderen Weg zu beschreiten, der
dann durchaus klassisch sein kann.
In diesem Sinn ist es aber auch ziemlich hilfreich zu wissen,
dass der in Rumänien hergestellte Sandero über die
gesamte Renault- und Nissan-Infrastruktur verfügt, also
über hochmoderne Großserientechnik auf Basis des neuen
Clio-Fahrgestells, das man auch bei Renault Modus
und Nissan Note vorfindet.
So erklärt sich auch das hochwertig klare Verhältnis zur
Lenkung, zur Bremse, zum Fahrwerk, also das fahrerische
Gesamtgefühl, wie es letztlich über die straffen
Sitze vermittelt wird. Man ist gar nicht langsam unterwegs,
denn jede Situation, jede Kurve ist gut einschätzbar,
der Geradeauslauf höchst stabil, die Schaltung erfreut
durch extreme Leichtgängigkeit – nur gerade bei
der Geräuschentwicklung merkt man noch, dass es doch
wahrnehmbare Unterschiede gibt zu Autos in höheren
Preislagen.
Die brauchbaren 87 PS erlauben es, Situationen zu klären,
Überholvorgänge schell anzuschließen, sich bei
Ampelstarts freizusetzen. Der Fahrer hat einen hervorragenden
Rundumblick; für klare Sicht sorgen auch die gut
bestückten Scheinwerfer (samt Nebelscheinwerfern) und
das große Wischfeld (auch im Heckfesnter).
Man findet reichlich Ablagen und zwei Cupholder vor,
darf sich über die luxuriöse Größe des Handschuhfachs
freuen.
Dass der Sandero auch die Sprache des Luxus versteht,
zeigt sich im reichlichen Zubehörangebot, das Dachspoiler,
Dachreling, Kofferraum-Bodennetz, Kindersitze,
Bluetooth, Carminat-Navigation, elegante Türschweller
oder einen coolen silbergrauen SUV-Kit für den Rundumschutz
umfasst. Eher auf die praktische Seite schlagen
Dachträger, Schwanenhals-Anhängerkupplung oder
die maßgeschneiderten Bodenmatten.
Die übliche Dreijahres-Garantie kann übrigens aufgestockt
werden, beinhaltet dann also fünf sorgenfreie Jahre
(oder maximal 100.00 km). Das sollte eigentlich überzeugen.
Aber wie gesagt: Man kann den Sandero schon
aus unökonomischen Überlegungen heraus mögen: Weil
er uns den Weg zurück zum einfachen Auto zeigt, ohne
zu langweilen.
Wir vergeben 11 von 12 ST/A/R-Sternen
Karg ist anders. Sogar mit Airbag.
Laden, was der Raum hält.
Nr. 20/2009 Buch X - AUTO-STAR
ST/A/R 79
Porsche Targa 4 / Targa 4S.
PORSCHE STATT ESSEN
Seit zwei, drei Generationen hat sich der Targa zum schneidigsten
911 entwickelt.
TEXT UND FOTOS: DAVID STARETZ
Wer dem verfetteten Porsche-911-Mainstream
der Generation Essen-statt-Sex entkommen
möchte, ohne dabei auf Porsche 911 verzichten
zu wollen, der ist mit dem geschärften, eleganten 911 Targa
gut beraten. Das Modell steht in einem Verkaufsanteil
von unter zehn Prozent zum 911, womit man zu einer
delikaten Minderheit von Fortgeschrittenen zählen kann,
die erkannt haben, dass erstens die Versionen 4 (Allrad)
wegen der Technik-Unterbringung viel appetitlicher ausgestellt,
bzw. tailliert sind als die graden faden Zweier,
und dass zweitens diese Art, wie das Dach hinten auf die
Radkastenschulter auftrifft, etwas Scharfes, Schnittiges,
Modernes an sich hat. Verschärft wurde dieser Aspekt
noch, indem man der Dachlinie eine Chromleiste einließ.
Das eigentliche Targa-Feeling reduziert sich auf ein sehr
großes Glasschiebedach mit Verdunkelungsoption: Der
geschlossene (aber auch der nach hinten unter die Heckscheibe
geschobene) Glasdeckel lässt sich mittels feingehäkeltem
Rollo abdecken. Was aber kaum einer weiß: Die
Heckscheibe lässt sich durch Anheben öffnen wie jede
vernunftbanale Heckklappe. Immer wieder eine Überraschung.
Porsche scheint das irgendwie peinlich zu sein,
deshalb spricht man wenig darüber. (Ab er was soll ihnen
seit Cayenne und Panamera noch peinlich sein?)
Targa entstand ja ursprünglich als Sicherheits-Cabriolet
für Leute, die zum Gürtel gerne Hosenträger tragen.
Damit hat Targa modern schon längst nichts mehr zu
tun.
Man spürt Frischluft, ohne allzusehr von Fahrtwinden
und Turbulenzen abgelenkt zu sein. Die Offenfahr-Saison
lässt sich über sämtliche Jahreszeiten ausdehnen.
Der neue Targa kommt mit neuen Motoren: Die Benzineinspritzer
liefern 345 PS (im Targa 4) oder 385 PS
(im Targa 4S). Damit werden Höchstgeschwindigkeiten
von 284 bzw. 297 km/h erreicht.
Gegen Aufpreis gibt es das neue PDK (Porsche-Doppelkupplungsgetriebe)
mit sieben Gängen, wobei der jeweils
nächste schon vorsortiert auf seinen blitzschnellen Einsatz
wartet. So beschleunigt der 4S in 4,7 Sekunden auf
Hundert. Neu ist auch die Hinterachs-Quersperre, die
dem Allrad zu höchster Effizienz verhilft. Dank Porsche
Traction Management sorgt eine elektromagnetisch gesteuerte
Lamellenkupplung für optimalen Vortrieb.
So erspart man sich wenigstens die 245-Euro-Lenkradheizung.
Nette Instrumente, sympathisch angeordnet und
irgendwie zu harmlos, so weiß.
Das Lenkrad kann man mit Heizung bestellen. Aber
Schwitzen ist auch so garantiert.
Das Schönste am Targa ist der scharfe Dachabschluß
80 ST/A/R
Buch X - AUTO-STAR Nr. 20/2009
STAR WÜNSCHT EIN GLÜCKLICHES 2009
Reinhold Kirchmayr Schneewitchen und die 7 Zwerge, gestickt in Nepal 2006 für STAR
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch XI - Waran ST/A/R 81
woman is the nigger of the world
Regie: Rudlov Gerngrass
Schnitt: Rudlov Gerngrass
Drehbuch: Rudlov Gerngrass
Maske: Rudlov Gerngrass
Durchbruch: Rudlov Gerngrass
Ton: Rudlov Gangrass-hole (BLACK BEAUTY-TUTTLFREE)
Regieassistenz: Rudlov Gerngrass
Kostüm: Rudlov Gerngrass
82 ST/A/R
Buch XI - Waran Nr. 20/2009
Nr. 20/2009 Buch XI - Waran
ST/A/R 83
As long as I love U
Städteplanung / Architektur / Religion Buch XI - Waran ST/A/R 85
WARAN $UCK$ (sox
86 ST/A/R
Buch XI - Waran Nr. 20/2009
Wir bleiben relaxed und scheissen auf den Text
WARAN $UCK$ (sox
Nr. 20/2009 Buch XI - Waran
ST/A/R 87
Jämmen mit tschon lännen
Die rechte und die linke Hand des Heidulfs.
Welcher Heidorf?
ZWEI ASSE TRUMPFEN AUF
88 ST/A/R
Buch XI - Waran Nr. 20/2009
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch XII - Unser Schuhdoktor ST/A/R 89
ST/A/R verschenkt an Besessene
100
Peter
Noever
Bücher
Unser
Schuhdoktor
und unser
Schlüsseldienst
90 ST/A/R
Buch XII - Unser Schuhdoktor Nr. 20/2009
star_1_4 Kopie:Layout 1 19.12.2008 14:58 Uhr Seite 2
MUSA
noch bis 31. Jänner 2009
MUTATIONS II
Moving Stills
Eine Ausstellung des Europäischen Monats
der Fotografie
Museum auf Abruf
1010 Wien, Felderstraße 6–8
(neben dem Rathaus)
Info 01-4000-8400 | www.musa.at
Eintritt frei
ab 27. Februar bis 30. Mai 2009
STARK BEWÖLKT
Flüchtige Erscheinungen des Himmels
Wolken als Motiv und Metapher in Kunst
und Fotografie
PAUL AIGNER
MUSIK
many thanks to my parents
and friends!
P.R.A. music 2008 I:I Paul Aigner
© P.R.A. music 2008 I:I Paul Aigner
1. sehnsucht 3:56
dedicated to my beloved parents
2. take time 19:29
3. be and do it 7:53
4. bereitschaft 4:11
5. summerly 8:41
6. melodic baustelle 6:49
7. renaisantic blues 4:36
8. in blue 1:28
9. to shimira 4:20
10. melancolodic delay 3:38
11. exit love 5:23
rec. june, juli 2008 • mastering 31.7.08 by ton engineer johann lapitz • duration: 70:31
P.R.A. music 2008 I:I Paul Aigner
Nr. 20/2009 Buch XII - Unser Schuhdoktor
ST/A/R 91
OPEN UP
Insel Nr. 2
Quick Change
13.–25. Okt. 2008
Insel Nr. 3
Its Our Pleasure
20.–29. Nov. 2008
Insel Nr. 4
ALLREADY
15.–19. Dez. 2008
Hans Schabus
OPEN UP KOMMUNIKATION
www.tqw.at
Foto: Gregor Ecker © Hans Schabus
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch XII - Bruno Rey ST/A/R 92
Bruno Rey Zeichnungen von Hand aus der Serie Kopf- und Handarbeit
„Für den nachhaltigen Erfolg gehören schlanke Prozesse klug eingefädelt, straff durchgezogen und transparent dargestellt.“ (Zitat: STANDARD 4/5. Okt. 08)
GALERIE STRICKNER
1060 Wien,
Fillgradergasse 2/7
T: +43-(0)680-201 44 52
www.galeriestrickner.com
Öffnungszeiten:
Di. - Fr. 16:00 – 19:00,
Sa. 11:00 – 13:00 und nach telefonischer Vereinbarung
94 ST/A/R
Nietzsche und wir – Teil 1, Sils Maria
Andreas Ferdinand Lindermayr
Neun Jahre waren vergangen, da ich wieder einmal zu meinem Bruder und seiner
Familie nach Tirol fuhr. Ich gedachte diesmal meine Reise weiter in den Westen
fortzusetzen, per Bahn, den Inn flussaufwärts, nach Landeck und von dort per
Bus weiter in das Engadin, so, wie mir der Tiroler Künstler Hans Waigand bei einem
zufälligen Treffen in einem Wiener Szene-Wirtshaus riet. Schon bei diesem Gespräch
und meinen vorbereitenden Studien der Schweiz rund um den Maloja-Paßrr und den
östlichst glegenen Viertausender, den Piz Bernina, via Google-Maps, tauchte die Vorstellung
eines Bergauf - dem Ursprung zu - Gehens auf. Der Lauf des Inns würde meine
Reiseroute vorgeben.
Im Zug von Wien nach Kufstein las ich ausser in der an mir vorbeiziehenden Landschaft
und in den Gesichtern, die mir begegneten, keine Zeile. Ich stimmte mich ein, auf das
Oberengadin. Endlich.
Die zwei Tage, die ich in Ellmau am Wilden Kaiser verbrachte, waren gesegnet von hochsommerlichem
Schönwetter und familiärer Atmosphäre. Bei meinem Aufbruch jedoch,
verdunkelten Wolken den Himmel im Westen. Ich hatte mir eigens für diese Fahrt eine
günstige Videokamera gekauft und nahm im Bus von Landeck den durch immer enger
werdende Talschluchten, immer reißrender werdenden Inn auf.
Nun fuhr ich den Alpen-Hauptkamm entlang, immer höher. Ab der Grenze zur Schweiz
veränderte sich der Baustil eklatant, eine andere Kultur tauchte auf, mitten in den Alpen.
Wie in dem von barocken Zwiebeltürmen übersäten Oberbayern und in den Steil-Tälern
Tirols, überwiegt auch hier der Einhof, aber doch von einer ganz anderen, viel verspielteren
Art. Auf der Busfahrt von der Grenze weg zur ersten Station der roten Räthner-
Bahn, fiel mir auf, dass der Busfahrer, nachdem ihm von Einsteigenden das Fahrgeld
gereicht wurde, sich mit einem „Gratias“ bedankte. Das erinnerte mich unwillkürlich an
das Kirchen-Latein, das ich als Ministrant im Stufen-Gebet herunter zu leiern hatte.
Und noch 90 Kilometer per Bahn bis Sankt Moritz, immer höher, stets dem Inn, nun En
genannt, entlang. Bis schließrlich zwei vergletscherte Pyramiden auftauchten, die mich
unwillkürlich an Piz Palü und Piz Bernina denken lie√üren. In Anbetracht der Grand
Hotels, die bei Sankt Moritz reihum aus dem Boden schießren, kehrte zudem ein Wort
aus alten Tagen zurück. - Mitte der Sechzigerjahre, als ich noch in die Volksschule ging,
wurde mir das Wort Weltkurort beigebracht. Das also war nun der Welt-Kurort Sankt
Moritz! Einst Reiseziel hauptsächlich jener gesellschaftlichen Oberschicht, wenn auch
aus aller Welt, die sich teure Urlaube mit allem drum und dran leisten konnte: Englische
Lords, russische Gro√ürgrundbesitzer, amerikanische Millionäre, deutsche Industrielle,
chinesische Mandarine und last not least bereits der eine oder andere Star einer noch im
embryonalen Stadium befindlichen Show- und Unterhaltungsbranche.
Im Sommer 1881 traf hier ausserdem ein frühpensionierter, leicht sächselnder Professor
der alten Sprachen, ein. Er war extrem kurzsichtig und litt an der Franzosenkrankheit.
Auf der etwas mühsamen Zugs-Fahrt, steil bergan, dürften ihn schwere Migräne-Anfälle
geplagt haben, aber schon beim ersten Atemzug der reinen Gebirgsluft, kaum dass er
seine beiden Koffer auf den Bahnsteig stellte, kam ihm der Gedanke, dass hier etwas
ganz Entscheidendes auf ihn zukommt. Die Landschaft gefiel ihm augenblicklich - sehr.
Er nahm eine Postchaise und fuhr, von einer tiefgreifenden Seelenregung ergriffen, weiter,
den Silvaplaner-See entlang, in die wunderlich anmutende Ortschaft Sils, wo er sich
spontan zu verweilen entschloss und in einem kleinen Auszugshäuschen ein billiges
Quartier fand. Seiner Spur folgte ich.
Inzwischen war der Himmel verhangen und im Bus nach Sils fielen die ersten
Regentropfen. Bei der Post angelangt, stieg ich aus. Schon um den ersten
Häuserblock tauchte jenes Häuschen auf, das ich mir schon lange zu
besuchen vornahm. Ich habe mir das in meiner Phantasie immer
so ausgelegt, dass das nunmehr Nietzsche-Haus genannte
Häuschen, irgendwo abseits am Waldrand liegt. Es liegt indes
zentral, aber an einem felsigen, mit Büschen und Bäumen
bewachsenen Hügel. Zur Rechten ein mit schweren Schieferplatten
gedeckter, typisch räthischer Einhof. Auch das
Nietzsche Häuschen, das längst zu einem Museum umgewidmet
wurde, ist mit Schieferplatten gedeckt und hat
grüne Fensterläden.
Im „Communale“, dem Gemeindehaus auf dem Marktplatz
unterhalb des imposanten Schlosses, erkundigte ich
mich am Informations-Schalter nach einem günstigen Hotel
und fand eines, gleich in der Nähe. Im Hotelzimmer, das
am selben Felsen liegt, wie die bretterverschlagene Kammer,
in der Nietzsche sieben Sommer hindurch sein Logis hatte,
wie sich bald herausstellen sollte, legte ich zuerst mein Gepäck
ab, packte mein Notebook aus, legte es auf den Tisch, schlug es
auf und öffnete ein neues Dokument.
Dann ging ich hinüber ins Nietzsche-Haus.
Schon links und rechts hinter der Eingangstür frappierten mich die Handschriften
verschiedener Berühmtheiten, die dem gescheiterten Basler Professor und Verkünder
einer neuen Zeit, ihre Reverenz erwiesen. Mein erster, zufälliger Blick fiel auf
den Namenszug von Eugen Ionesco und Jean Cocteau, dann auf den von Dürrenmatt
und - Elias Canetti. Also doch! Ich ging weiter vor und bezahlte an der Kassa, die sich in
der Stube rechter Hand befindet für den Eintritt und sah mich darauf im Erdgeschoss
um.
Die meisten Fotos von Nietzsche beziehungsweise seiner Zeit, die hier ausgestellt sind,
kannte ich bereits aus diversen Büchern. Viel Raum wurde auch Rudolf Steiner gewidmet,
der in den Achtzehnhundertneunziger-Jahren in Weimar das Goethe-Archiv leitete
und zu jener Zeit ein Buch schrieb mit dem Titel: „ Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer
gegen seine Zeit“. Elisabeth Förster-Nietzsche, die Schwester des bereits umnachteten,
bereits berühmten Philosophen, die den Nachlass
ihres Bruders mit allen ihr zur Verfügung
stehenden Mitteln von der Villa Silberblick in
Weimar aus, im bürgerlichen Sinne, sehr erfolgreich
verwaltete, dürfte dem auf Wahrheitssuche
ausgehenden jungen Goetheaner und
Mystik-Experten wenig Freude bereitet haben.
√úberraschend fand ich ein an Nietzsche gerichtetes
Jugendgedicht von Karl Kraus.
Was für ein klarer, reiner Spiegel der Ansto√ür
gebenden Ideen, des die großre Gesundheit
suchenden, kranken Altphilologen!
Ich nahm auch dieses Gedicht mit meiner
Videokamera auf.
Dann ging ich über eine schmale, relativ
Buch XII - Unser Schuhdoktor Nr. 20/2009
steile Holztreppe in
den ersten Stock.
Kaum ist man oben
angelangt, klafft
linker Hand eine
offene Kammertür,
die mit einer Kordel
abgesperrt ist. Nietzsches
Kämmerlein,
- mit Bett, Tisch und
Stuhl. Eh basta! Natürlich
gehörte mit
zur Ausstattung eine
Petroleumlampe.
Der Mann musste
ja auch in der Nacht
schreiben können!
Vom Zimmerfenster aus sieht man nicht etwa auf den malerischen Marktplatz, mit dem
berühmten Brunnen, sondern den hinteren, den Wirtschaftstrakt der Meierei. Damit
hatte ich fürs Erste genug gesehen.
Zurück im Hotel, machte ich mich an die Arbeit und beschrieb meine Eindrücke. Im Regen
ging ich noch hinüber in den Supermarkt „Volg“ wo ich mich mit Proviant eindeckte.
Frühstücken würde ich im Hotel.
In der Nacht wurde der Regen stärker. Das Schweizer Fernsehen brachte einige Beiträge
zur Immobilienkrise und ihre negativen Auswirkungen auf die einheimischen Banken, -
ein warnendes Vorzeichen für die so genannte Finanzkrise, die bald darauf erfolgen sollte.
Zehnmal, nein wohl schon hundertmal sagte ich mir: „ich bleibe, egal wie schlecht
das Wetter ist“. Und noch am Morgen darauf regnete es in Strömen. „Hier, an diesem
Ort ist jedes Wetter ein gutes Wetter“, dachte ich, „aushalten“. Und behielt recht. Als ich
nach dem Frühstück, gerüstet mit einem Regenschirm hinaus an den Silser See ging,
wurde der Regen zusehends schwächer. Es nieselte nur noch ein wenig. Der Himmel
klarte auf und die wuchtigen Gebirgsmassen, die den Silser See umgeben, kamen nach
und nach zum Vorschein. Die Luft war rein und kühl, da und dort ein beschirmter Tourist,
- zu meiner unsäglichen Erleichterung weit und breit kein einziger Mountainbiker!
So schritt ich auf die bewaldete Halbinsel zu, die wie ein riesiger Finger in den tiefen,
reinen Gebirgssee ragt.
Mich faszinierte die Thermik, die dräuenden Wolkenmassen im Süden, direkt über dem
Maloja-Pa√ür. Am nördlichen Silser-Ufer sang jetzt eine Frau mit geschulter Stimme
eine Opern-Arie. Etwas von Wagner oder Strauss - oder Bizet? Und dann diese Entdekkung!
Als ich um die Fingerkuppe der felsigen, mit Föhren bewachsenen Halbinsel bog, tauchte
plötzlich, ohne dass ich damit gerechnet hätte, die berühmte Steintafel auf, mit den
eingemeißrelten Worten:
Oh Mensch! Gieb acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht!
Ich schlief, ich schlief -
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: -
Die Welt ist tief,
und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh - ,
Lust - tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit - ,
will tiefe, tiefe Ewigkeit!
Am Nachmittag desselben Tages, nach einer Siesta in meinem
Hotel, machte ich mich
auf den Weg zum nördlich gelegenen Silvaplaner See. Ich wollte
noch unbedingt zum Surlej-Felsen oder Surlej-Wasserfall.
Dort nämlich soll Nietzsche der Gedanke der ewigen Wiederkunft
des Gleichen gekommen sein. Was für ein Gedanke würde
mir kommen? Inzwischen war es wieder sommerlich geworden,
die August-Sonne lächelte mild aus südwestlicher Richtung und
die vielen Radfahrer, die auf einmal scharenweise zu sehen waren,
störten mich erheblich bei meiner Andacht.
Endlich erreichte ich den ominösen Wasserfall. Nichts Besonderes, einer von
hunderten, wie er typisch für das Zentralmassiv der Alpen ist. Ich stieg erwartungsvoll
das steile Gelände hinan, um eventuell noch auf irgendein ungewöhnliches
Phänomen zu sto√üren. Vielleicht würde ein Steinbock meinen Weg kreuzen? Nichts.
Stattdessen kam mir von oben herab, nicht etwa der √úbermensch, sondern ein Mountainbiker
entgegen. Nun hatte ich definitiv genug gesehen und kehrte wieder um und
ging weiter nach Silvaplana. Der Surlej-Wasserfall hat also nicht das gebracht, was mir
der Silser-See brachte. Im Bus nach Sils resümierte ich die Empfindungen meines
Nachmittags-Ausflugs. Ewige Wiederkehr des - Gleichen? √úbermensch?
Das Himmelreich sei ein Zustand der Seele, heißrt es irgendwo bei Nietzsche, ich
glaube sogar im Antichrist. Hier spricht der Mystiker!, auch wenn Nietzsche sich nie
zur Mystik bekannte. Mensch und Menschheit sind ein Werdendes! Ja, doch. Und ein
einziges Leben würde nicht reichen, um das gro√üre Unternehmen Menschheit zu
vollenden. Es ist naheliegend, dass Wir nicht
einfach mechanisch wiederkehren, wie Tag
und Nacht, Ebbe und Flut, sondern, aus
einem gleichsam transzendenten Grund nach
jeglichem Ableben wieder und immer wieder
neu erstehen, um, frei nach Rilke, das Mark
der Erde zu durchmärken.
Gott ist tot. Nietzsche. Nietzsche ist tot. Gott.
Andreas Ferdinand Lindermayr, Wien, Oktober
2008
PETER KOGLER IM MUMOK
ISABELLE GRAEFF – BERLIN
ST/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK LINZ
WARAN
HANS HOLLEIN
HEIDULF GERNGROSS
KURT CABALLERO
FÜR KULTUR UND WISSENSCHAFT
GERSTL, JELINEK,
MAYRÖCKER, JAREMENKO-TOLSTOJ
MANFRED STANGL – GANZHEITLICHE ÄSTHETISCHE PRINZIPIEN
ALEXANDER SCHIESSLING ÜBER DEN DICHTER THOMAS FRECHBERGER
DAVID STARETZ
ST/A/R-SAMMLUNG IM ARTPARK DER KULTURHAUPTSTADT LINZ 2009
Manfred Kielnhofer, Herbert Brandl und Franz West im ARTPARK Linz
kuratiert von ST/A/R
Nr. 20/2009 Buch XII - Unser Schuhdoktor
ST/A/R 95
ST/ /A/ /R
Printmedium Wien – Berlin
Zeitung für Hochkultur Mittelmaß und Schund
Nr. 20/ Winter 2009
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch VI - ST/A/R-Sammlung ST/A/R 41
S/T/A/R-Kunstsammlung in der
Kulturhauptstadt Linz 2009.
Der Artpark
präsentiert noch bis
31. Jänner 09 die
S/T/A/R-Kunstsammlung.
04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. 20/09
KUNST
ARCHITEKTUR
PREISE DER STADT WIEN 2008
LITERATUR
AUTO-ST/A/R
JETZT NEU MIT MARCUS HINTERTHÜR!
Städteplanung / Architektur / Religion
PETER KOGLER
3,– Euro
Biennale di Venezia, Projekt MUDAM, Luxembourgh Pavillon, Internetprojekt, 2001 Foto: Manfred Grübl
Gloria Gerngross
Schutzpatroness der
ST/A/R-SAMMLUNG
Abschied im neuen ST/A/R Büro Gumpendorferstrasse 42 - Bernhard bringt Gloria zum Flughafen - Gloria fliegt nach Singapur
Fotos: Heidulf Gerngross
Buch I - Seite 1–8
MUMOK
Buch II - Seite 9–16
Leopold
Buch III - Seite 17–24
Berlin
Buch IV - Seite 25–32
Alena
Buch V - Seite 33–40
Wien Kultur
Buch VI - Seite 41–48
ST/A/R-Sammlung
Buch VIII - Seite 49–56
Architektur
Buch IX - Seite 57–64
Religion
Buch X - Seite 65–72
Literatur
Buch X - Seite 73–80
AUTO-STAR
Buch VII - Seite 81–88
WARAN
Buch VII - Seite 89–96
Unser Schuhdoktor
Impressum
ST/A/R Printmedium Wien-Berlin
Europäische Zeitung für den direkten kulturellen Diskurs
Erscheint 4 x jährlich, Nr. 20/2009,
Erscheinungsort Wien-Berlin
Erscheinungsdatum: Winter 2009
Medieninhaber:
ST/A/R, Verein für Städteplanung/Architektur/Religion
A–1060 Wien, Capistrangasse 2/8
Herausgeber: Heidulf Gerngross
Redaktionelle Mitarbeit: Heidulf Gerngross, Wladimir Jaremenko-
Tolstoj, Ismael Ismet Basaran, Alexander Sobolev
Hans Hollein (Architektur), Wolf Günther Thiel (Kunst und
Philosophie), Laura Gottlob (Kunst), Peter Kogler (Kunst), Isabelle
Graeff (Kunst), Manfred Stangl (Ganzheitliche Ästhetik),
Rudolf Gerngroß (Waran), David Staretz (Auto), Bruno Rey (Kunst),
Dr. Christian Denker und Brigitte Bercoff (Paris-Brüssel-Wien), Valie
Airport (Russland), Angelo Roventa (Architektur), Philipp Konzett
(Galerie), Andreas Lindermayr (Gesellschaftsphilosoph), Kulturamt
der Stadt Wien, Markus Hinterthür (Verfluchungen),
Elfriede Gerstl (Literatur), Herbert Wimmer (Literatur),
Organisation: ST/A/R-Team
Artdirektion & Produktion: Mathias Hentz
Druckproduktion: Michael Rosenkranz
Computer Generated Images: Markus Hinterthür
Creativ Organisation: Heike Nösslböck
Druck: Herold Druck und Verlags AG, Wien
Vertrieb: ST/A/R, Morawa GmbH.
Aboservice: starabo@morawa.com
oder: starabo@morawa.com
Bezugspreis: 3,- Euro (inkl. Mwst.)
Kontakt: grafik@star-wien.at” grafik@star-wien.at
Redaktion: editors@star-wien.at” editors@star-wien.at
Adresse: Capistrangasse 2/8, 1060 Wien
0043-664-521-3307 Österreich
Cover: Peter Kogler
ST/A/R wird gefördert von: Bundeskanzleramt und Stadt Wien.
ST/A/R ist ein Gesamtkunstwerk und unterliegt dem Urheberrecht.
ST/A/R dankt allen BeitragslieferantInnen, MitarbeiterInnen,
KünstlerInnen, UnterstützerInnen und FreundInnen.
Stets angespannt
Alexander Sobolev
Restaurator und Architekt in Russland,
Autor in den USA,
akkreditierter Korrespondent
und Fotograf in Österreich,
Publikationen über Österreich in
Zahlreichen russischen Medien.
ST/A/R-Redakteur.
Editorial:
Diese Zeitung ist Weltklasse
Konfusius
96 ST/A/R
Buch XII - Unser Schuhdoktor Nr. 20/2009
Az W
Architekturzentrum Wien
Fünfzehn Jahre
Architekturzentrum Wien
Architekturzentrum Wien
Das österreichische Architekturmuseum
Das österreichische Architekturmuseum
Ausstellungen: Die Dauerausstellung „a_schau“ und jährlich mehrere Wechselausstellungen
zeigen ein komplexes Bild zeitgenössischen Architekturgeschehens
Veranstaltungen: Werkvorträge, Podiumsdiskussionen, Kongresse und Symposien
vertiefen eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema Architektur und
Baukultur
Exkursionen: „sonntags“ führt zu den markantesten Architekturschauplätzen Wiens
und bietet spannende Architekturreisen mit exquisitem Programm von ArchitektInnen
geführt. „tours“ sind für Gruppen jederzeit buchbar und werden individuell konzipiert.
Für Schnellentschlossene: TopTours – ready made.
Vermittlung: Eines der besten und umfassendsten Vermittlungsprogramme im
Bereich Architektur wird im Az W geboten: zahlreiche Workshops für Kinder und
Jugendliche sowie für Erwachsene
Archiv/Sammlung: Als Wissens- und Forschungszentrum gleichermaßen beherbergt
das Az W eine umfangreiche Architektursammlung des 20. und 21. Jahrhunderts
Baudatenbank: Unter www.nextroom.at ist die Online-Baudatenbank des Az W zu
finden: ArchitektInnen/Bauwerke/Standorte/BauherrInnen u.v.m. sind hier zahlreich
vermerkt
Architektenlexikon: Dieses Online-Lexikon würdigt nicht nur die „großen“ Persönlichkeiten
der Wiener Architektur wie etwa Otto Wagner oder Adolf Loos, sondern
erfasst auch weniger bekannte Architekten und deren Werke. Das Lexikon gibt
Auskunft über 700 Architekten zwischen 1880 – 1945
Bibliothek: Im historischen Oktogon kann in der Fachpräsenz-Bibliothek des Az W
zu freiem Eintritt in über 27.000 Büchern, Katalogen und Zeitschriften geschmökert
werden
Publikationen: Zahlreiche Ausstellungskataloge sowie das Magazin „Hintergrund“
gehören zum breiten Repertoire der Az W-Veröffentlichungen
Architecture Lounge: die Wissensplattform des Az W, ein exklusives Netzwerk, das
den Dialog zwischen Architektur, Kultur und Wirtschaft eröffnet
PROGRAMM VORSCHAU 2009
AUSSTELLUNG I NEUE HALLE
SEIT 13.10.05
A_SCHAU. DAUERAUSSTELLUNG
AUSSTELLUNGEN I ALTE HALLE
BIS 02.02.09
ARCHITEKTUR BEGINNT IM KOPF.
THE MAKING OF ARCHITECTURE
05.03. – 02.06.09
BOGDAN BOGDANOVIĆ.
DER VERDAMMTE BAUMEISTER
18.06. – 06.07.09
WONDERLAND:
100 MODELS – 100 STORIES
16.07. – 28.09.09
URBAN PUBLIC SPACE
22.10. – 18.01.2010
BALKANOLOGY.
NEUE ARCHITEKTUR UND URBANE
PHÄNOMENE IN SÜDOSTEUROPA
AZW
Architekturzentrum Wien, Museumsplatz 1, im MQ, A-1070 Wien, Telefon +43 (1) 522 31 15, Fax +43 (1) 522 31 17, E-Mail: office@azw.at, www.azw.at
staranzeige_rz.indd 1
15.12.2008 16:16:47 Uhr