Printmedium Wien – Berlin
ST/A/R
Zeitung für Hochkultur Mittelmaß und Schund
Nr. 22/2009
04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00 • Nr. 22/09
KUB
Angelo Roventa
Städteplanung / Architektur / Religion
Jetzt auch im Haus der Architektur in Graz erhältlich!
3,– Euro
vai
2 ST/A/R
Buch I - Angelo & Superrudi Nr. 22/2008
EDITORIAL :
Heidulf Gerngross
Dank an Elisabeth Penker, die uns als Mitherausgeberin von
ST/A/R 22 verlassen hat. “Verlassen hat” heisst sie geht nach
Kärnten und hat ein Künstlerstipendium in Rom.
ADIO und Du bist und bleibst ein grosser Teil unserer
Gedanken und Geisteswelt.
ADIO DA DA DA.
Penker going
Puppa Goodyear
thanks for your nice birthdayparty
for Heidulf.
Denker coming
Nun bin ich ab Ausgabe 23 Mitherausgeber des *ST/A/R*-Printmedium-Wien
und freue ich mich von Herzen. Ich möchte den
*ST/A/R* um einige internationale Akzente bereichern, die Website
reorganisieren und Artikel zu aktuellen Entwicklungen liefern, besonders
zu Kunst, Philosophie und Verdauung.
Mit Wien verbinden mich meine Freunde (besonders auch in der
*ST/A/R*-Redaktion), Lehraufträge am Institut für Philosophie, der
Passagen-Verlag, die Fa. Trenka / Eucarbon und 5p. International vernetzt
bin ich besonders nach Paris (wo ich 12 Jahre lang studiert und gearbeitet
habe), Brüssel (dort lebe ich mit meiner Familie) und Zürich (wo ich
mich zukünftig verstärkt engagieren werde).
Für den *ST/A/R* habe ich seit meinen ersten Tagen in Wien begeistert
und bei der redaktionelle Arbeit sowie der Organisation von Events
unterstützt. Am *ST/A/R* begeistert mich das unverwechselbare Licht,
das er in die “konventionelle” Presselandschaft wirft, sein unverkranfter
Umgang mit lokalen und internationalen Kulturereignissen und seine
Offenheit für Lebensfreude. Er efördert die Freiheit der ästhetischen
Erscheinung, entkommt manchem Cliché der gesellschaflichen Gefüge,
hat Mut zum spielerischen Umgang mit Wort und Bild und vieles andere
mehr zur Bereicherung des Lebens in Wien und anderswo. Dazu möchte
ich beitragen.
Christian W. Denker (Dr. art)
Italia in der Aera 53
Go and see!
Ismael Basran ST/A/R-Amigo
Habsburgergasse 4
Nr. 22/2008 Buch I - Angelo & Superrudi
ST/A/R 3
Inhaltsangabe
Buch I - Seite 1–8 Buch II - Seite 9–16 Buch III - Seite 17–24 Buch IV - Seite 25–32 Buch V - Seite 33–40 Buch VI - Seite 41–48
Buch VII - Seite 49–56 Buch VIII - Seite 57–64 Buch IX - Seite 65–72 Buch X - Seite 73–80 Buch XI - Seite 81–88 Buch XII - Seite 89–96
Impressum
ST/A/R Printmedium Wien
Europäische Zeitung für den direkten kulturellen Diskurs
Erscheint 4 x jährlich, Nr. 22/2009, Erscheinungsort Wien
Erscheinungsdatum: Dezember 2009
Medieninhaber:
ST/A/R, Verein für Städteplanung/Architektur/Religion
A–1060 Wien, Gumpendorferstrasse 42 – 44 / 2 /R1
Herausgeber: Heidulf Gerngrss
Redaktionelle Mitarbeit: Heidulf Gerngross (Architektur) , Wladimir Jaremenko-Tolstoj,
Markus Hinterthür (Science Fiction), Helmut Wimmer (Architektur), Heike Nösslböck (Kunst), Iris Julian (Kunst), Bibi Lechner
(Kunst), Kathrin Pandora (Kunst), Manfred Stangl (Ganzheitliche Ästhetik), Rudolf Gerngroß (Waran), David Staretz (Auto), Dr.
Christian Denker und Brigitte Bercoff (Paris-Brüssel-Wien), Angelo Roventa (Architektur), Philipp Konzett (Galerie), Alexander
Schiessling (Redaktion), Arkan Zeytinoglu (Architektur), Elisabeth Penker (Redaktion), Mirjana Rukavina (Foto),.
Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterrreich und Burgenland,
Artdirektion & Produktion & WC-Reinigung: Mathias Hentz
Druckproduktion: Michael Rosenkranz
Andreas F. Lin der Mayr
7 Jahre Stahlstadt Linz, IV
Nach meiner Zeit beim Bundesheer kehrte ich Juni 1976 wieder in den Atomreaktorbau
der VöEST-ALPINE in Linz zurück. Mir war von vornherein klar, dass ich niemals Technischer
Zeichner bleiben würde.
Die Entwicklung um mich herum, betrachtete ich mit wachsender Skepsis. Einige meiner
Kollegen waren schon 1976 mit 19, 20 Jahren Väter, sie heirateten, gründeten eine Familie,
nicht zuletzt, weil es seit Kreisky Geld vom Staat dafür gab. Es lastete ein Tabu darauf, zu hinterfragen,
warum jemand mit 18 schon sein ganzes bevorstehendes Leben, beratschlagt von
Banken und Gewerkschaften, bis zur Pensionierung verplante.Als gäbe es gar nichts anderes!
Ich konnte mich mit halbwegs Gleichgesinnten, etwa potentiellen Indienfahrern, nur darüber
wundern. Gegen jene Häuslbauer-Mentaltiät, wie sie damals gerade groß als von den staatlichen
Institutionen abgesegneter Lebensentwurf im Kommen war, hegte ich eine tiefgreifende
Abneigung. Mir war nach unendlich mehr.
De facto gab‘s zunächst aber nur eines: Abhängen am Zeichentisch, tagein, tagaus, Jahr für
Jahr. Von irgendwas musste man ja leben! So dämmerte ich in vager Hoffnung auf ganz was
anderes, unzählige farb- und geruchlose Bürotage dahin, bis ich im Mai 79 so mürbe und
morsch geworden war, dass ich wie ein fauler Zahn aus allem herausfiel, was mir Halt und
Stütze, freilich einen falschen Halt und eine falsche Stütze gab. Mein Vater rotierte, als er von
meinem Ausscheiden aus der VÖEST mitbekam.
Beim Militär gedachte ich, Bergrettungsdienst bewährt, tapferen, freimütigen Menschen
zu begegnen. Die mochte es vielleicht vereinzelt noch in irgendwelchen Enklaven gegeben
haben, da, wo ich hinversetzt wurde, traf ich keinen. Was mir tatsächlich von Anfang an beim
Heer entgegentrat, waren die kleinen, töricht tückischen Machtspiele, wie sie mir seit den
Tagen des Kindergartens auf die Nerven gingen, - hier fand ich sie auf die Spitze getrieben.
Fortgesetzte Interesselosigkeit an den Abartigkeiten eines Grundwehrdienstes versetzten meinen
Ausbildner derart in Rage, dass er mich von Hörsching in die so genannte Strafkompanie
nach Langenlebarn versetzen lie√ü. Dort herrschte unter blitzblanken Gewehrläufen und
peinlichst observierter Sauberkeit, Hauptmann Stinkwut, glühender Pseudo-Wagnerianer und
offensichtlich gescheiterter Bodybilder, der dir bei geringster Abweichung von seinen hinaus
gebrüllten Befehlen, den Arsch aufzureissen drohte.
Vom Gymnasium für Berufstätige in der Spittelwies, das ich ab September 76 Abend für
Abend besuchte, erhoffte ich mir naiv eine Vertiefung beziehungsweise Erweiterung meiner
humanistischen Bildung. Ich gedachte weltfremd und edelmütig, mich an der Weisheit
Brüste zu laben. Aber mit Ausnahme zweier älterer Professoren, waren alle Lehrer nur daran
interessiert, ihr Programm rasch abzuwickeln. Konkret ging es ja lediglich um das Nachholen
Organisation: Nösslböck Heike
Druck: Herold Druck und Verlags AG, Wien
Vertrieb: ST/A/R, Morawa GmbH.
Aboservice: starabo@morawa.com
oder: starabo@morawa.com
Bezugspreis: 3,- Euro (inkl. Mwst.)
Kontakt: grafik@star-wien.at” grafik@star-wien.at
Redaktion: editors@star-wien.at” editors@star-wien.at
Adresse: Gumpendorferstr 42 – 44 / 2/ R1, 1060 Wien
0043-664-521-3307 Österreich
Cover: Angelo Roventa / Foto: Gerhard Klocker
ST/A/R wird gefördert von: Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und Stadt Wien.
ST/A/R unzensuriert / unlektoriert / Bussi.
ST/A/R ist ein Gesamtkunstwerk und unterliegt dem Urheberrecht.
ST/A/R dankt allen BeitragslieferantInnen, MitarbeiterInnen, KünstlerInnen,
UnterstützerInnen und FreundInnen.
der Matura, nicht um die Hochschulreife per se, sondern nur um einen
Zettel als Beleg für eine solche Reife.Die lange Zeit bis dorthin sollte
uns in den Deutschstunden durch Witze-erzählen versü√üt werden. Die
„Amseln“ ( von AMS - Arbeitermittelschule) hätten es ohnedies schwer
genug. Das war zunächst richtiggehend lustig, wurde aber ab dem Moment
schier unerträglich, da sich die Witze zum dritten und vierten Mal
wiederholten. Godot lie√ü grüssen. Gewaltig! Samuel Beckett und Co.
waren auch die Wenigen in dieser Entwicklungsphase, die mich wirklich
was angingen.
Als ich im Juni 76, frisch aus der „Strafkompanie“ ins Büro im Stahlbau
der VöEST in Linz zurückkehrte, empfing mich der Senior-Chef,
Hochschulabsolvent, mit einem Grinsen. Er reichte mir nach kurzem
Zögern seine kalte Hand mit den sehr bemerkenswerten Worten: „Meuhoiden und Auzaahn!
Vastehst? „ Und mit Nachdruck ,“Hamma uns vastaundän?“ Was blieb mir anderes übrig, als
zähneknirschend Ja zu sagen und mich auf meinen Arbeitsplatz zurückzuziehen.
Das Jasagen indes fiel mir in der Folge immer schwerer, zumal die Geschäfte mit der Atomkraft
boomten, ohne dass die Sicherheitsrisiken, vor allem menschlich-moralischer Natur,
sich nur um einen Deut verringert hätten. Mir wurde der Abstellring anvertraut, der für den
Wechsel der Brennelemente erforderlich ist. Bemerkenswert die Form dieses Gestells, es
erinnert mit seinen acht Speichen an das buddhistische Dharma-Rad. Ich fühlte mich daran
festgenagelt in ewiger Wiederholung des Gleichen. Sein Karma erfüllen und tun, was man
nicht lassen kann? Ich konnte mich nicht damit abfinden. Ein Projekt jagte das andere. Auf
Grafenrheinfeld folgte Grohnde, dann Iran 1, gleich darauf Iran 2. Dass das Schah-Regime
wackelte, tat den lukrativen Geschäften keinen Abbruch. Als es so weit kam, dass man sogar
Atomkraftwerke im brasilianischen Urwald errichtete, weit über allen Köpfen einer angestammten
Bevölkerung hinweg, machte ich kein Hehl mehr daraus, dass mir die Sache stinkt
und sprach im Büro offen über meine Bedenken. Die höheren Angestellten, die vor lauter
Gier nach noch mehr Provisionen fast schon zu erblinden drohten, nahmen ohnehin kaum
Notiz von meinem Vorhandensein. Nach erfolgreich geführten Verhandlungen mit dem
T√úV vergnügten sie sich in der Regel bei üppigen Geschäftsessen. Roger Whitaker stand als
Beruhigungsmittel für blank liegende Nerven hoch im Ansehen. Die kleinen Angestellten,
Familienväter, geduckt vor Existenz-Angst, redeten sich alle darauf hinaus, dass man froh sein
müsse, überhaupt Arbeit zu haben. Das also ist der wahre Stand der Demokratie, 30 Jahre
nach Hermann Göring, dachte ich mir und dröhnte mich zu mit Punk Rock.
Im Mai 79 fasste ich unter Furcht und Zittern den freien Entschluss, der VöEST den Rücken
zu kehren und wagte nach ein paar Monaten Arbeitslosigkeit den Schritt, so gut wie mittellos,
nach Wien zu gehen. Peter Altenberg und Egon Friedell, die ich zu dieser Zeit mit glühenden
Ohren las, übten eine viel stärkere Faszination auf mich aus, als alle hochgestochenen Reden
über Atomkraftwerke, die von einem hochdekorierten Fachidioten als die Kathedralen der
Zukunft ausgerufen wurden.
Städteplanung / Architektur / Religion Buch I - Angelo & Superrudi ST/A/R 5
vai hat weltweit als erste Institution das elastische Wohnen von Angelo Roventa gezeigt.
Dank vai jetzt: Austellung „Das Spiel der Mächtigen“ mit Angelo Roventa im MAK-Wien.
Ab 1. Dezember 09 bis 10. Jänner 10
Angelo ROVENTA gibt den Weltarchitekten Frank O‘Gurry,
Wolf Grand Brie und Sahaha Hadid eine Watsche.
ST/A/R gratuliert dem Erfinder des elastischen Wohnens.
6 ST/A/R
Buch I - Angelo & Superrudi Nr. 22/2008
CURY
Nr. 22/2008 Buch I - Angelo & Superrudi
ST/A/R 7
Tony Oursler
24 | 10 | 09 – 17 | 01 | 2010
Tony Oursler | Drag Queen Chorus, 2009 | Videostill | Foto: Tony Oursler Studio | © Tony Oursler
Dialog
Dialogführung und Performance
• Donnerstag, 10. Dezember, 19 Uhr | Der Künstler Götz Bury führt
im Dialog mit Kunstvermittler Winfried Nußbaummüller durch die
Ausstellung. Anschließend wird Bury bei einer seiner berühmten
Kochshows die Besucher mit weihnachtlichen Sägemehlbusserln
aus Feigenholz verwöhnen.
• Donnerstag, 17. Dezember, 19 Uhr | Gesprächspartner von Winfried
Nußbaummüller sind bei dieser Führung die Künstler Maria Anwander
und Ruben Aubrecht, deren konzeptuelle Werke den Kunstbetrieb
und seine gesellschaftliche Relevanz kritisch beleuchten. Nach der
Führung durch die Ausstellung werden die beiden Künstler einige
ihrer Videoarbeiten präsentieren.
Führung
Fix
Öffentliche Führungen werden am Donnerstag 19 Uhr,
Samstag 14 Uhr und Sonntag 16 Uhr angeboten.
Direktorführung
• Donnerstag, 3. Dezember, 19 Uhr
Architekturführung
• Sonntag, 6. Dezember und 3. Januar, jeweils 11 Uhr
Familienführung
• Sonntag, 27. Dezember und 10. Januar, jeweils 14 Uhr
Backstageführung
• Donnerstag, 7. Januar, 19 Uhr
KUB + Kaffee
• Dienstag, 12. Januar, 15 Uhr | Einem geführten Rundgang
durch die Ausstellung folgt die Nachlese im KUB-Café.
Subjektiv
• Donnerstag, 14. Januar, 19 Uhr | Bei dieser Führung stehen
die Sensibilisierung der Wahrnehmung sowie die Reflexion
des psychischen und physischen Erlebens im Mittelpunkt.
Kunsthaus Bregenz
Karl-Tizian-Platz, A-6900 Bregenz
Telefon (+43-5574) 485 94-0
www.kunsthaus-bregenz.at
Film
Filmabend
• Donnerstag, 3. Dezember und 7. Januar, ab 18 Uhr | Auf Wunsch von
Tony Oursler wurde ein dezidiert schrilles Filmprogramm zusammengestellt,
in dem einerseits frühere Videoarbeiten gezeigt, andererseits
mit fremden Filmen die Zwischentöne der Ausstellung reflektiert werden.
Unter anderem präsentiert werden Billy Wilders »Lost Weekend«
(1945), Anti-Drogen-Filme der 1950er- bis 70er-Jahre, der Dokumentarfilm
»Obedience« (1962, Stanley Milgram), der nach Beendigung
des berühmten Milgram-Experiments gedreht wurde und erstaunliche
Ergebnisse über den Gehorsam gegenüber Autoritäten vor Augen
führt, und aktuelle Beispiele der A&E-TV-Serie über Messies (»Hoarders«,
2009).
Jugend – Kind
ART CRASH
• Freitag, 4. Dezember und 8. Januar, 16–18 Uhr | Beim ART CRASH
haben Jugendliche die Möglichkeit, zusammen mit der Künstlerin
Kirsten Helfrich Ausstellungen zu besuchen, Künstlern in ihrem
Atelier über die Schulter zu schauen und ganz generell über Kunst zu
sprechen. Außerdem bieten wir immer wieder coole Jobs an! Infos
unter: k.helfrich@kunsthaus-bregenz.at oder(+43-55 74) 4 85 94-415.
»Leise rieselt …«
• Samstag, 19. Dezember, 10 –13 Uhr und 14–17 Uhr | Noch rechtzeitig
vor Weihnachten besteht die Möglichkeit, mit Marco Ceroli kreative
Geschenke und Weihnachtsdekora tionen zu basteln. Für Kinder von
5 bis 12 Jahren; keine Anmeldung erforderlich.
»Dosenschleim mit Augen«
In den Weihnachtsferien von Dienstag, 29. bis Donnerstag,
31. Dezember ( jeweils 10 – 13 Uhr) bietet Marco Ceroli einen Workshop
nach der Munari-Methode für Kinder von 6 bis 12 Jahren an.
Präsentiert werden die Ergebnisse am Donnerstag, 31. Dezember,
um 13 Uhr im Kunsthaus. Buchung einzelner Tage möglich;
Anmeldung erbeten: (+43-55 74) 4 85 94-415.
Kunstdrache
Der Kunstdrache erzählt dieses Mal zusammen mit dem Dosenschleim
am Mittwoch, 13. Januar um 15 Uhr für Kinder im Alter von 4 bis
10 Jahren Kunstgeschichten.
Workshop
Für Kinder im Alter von 5 bis 10 Jahren findet jeden Samstag von
10 bis 12 Uhr ein Workshop statt. Nach einem Rundgang durch die
aktuelle Ausstellung werden die vermittelten Inhalte anschließend
beim praktischen Arbeiten vertieft.
Öffnungszeiten
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
8 ST/A/R
Buch I - Angelo & Superrudi Nr. 22/2008
Superrudi
NEU!!!
EX- ’KRONE’ - STAR im ST/A/R
Auch monatlich im neuen Satiremagazin Rappelkopf.
Hier ein paar nie in der ‘KRONE’ erschienene Strips.
ST/A/R kennt keine Zensur.
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch II - Denker ST/A/R 9
“Art-Free Territory”, Art Basel Miami Beach
© Lena Lapschina
Die fünfziger Jahre
Kunst und Kunstverständnis in Wien
Museum auf Abruf
6.11.2009 – 9.1.2010
Felderstraße 6-8, Wien 1
(neben dem Rathaus)
Di–Fr 11.00 –18.00, Do 11.00 –20.00
Sa 11.00 –16.00
Eintritt frei
www.musa.at
10 ST/A/R
Buch II - Denker Nr. 22/2009
Bosnien und
Herzegowina
Geschichte, Kultur, landschaft und reiseinfo
ein ausgezeichneter reiseführer von elisabeth gschaider.
314 seiten, mit etwa 450 Farb- und s/w-Fotos und diversen Karten.
alle wichtigen sehenswürdigkeiten, fundierte Hintergrundinformationen
über Land und Leute, ausführliche Kapitel zu
geschichte und Kultur, verlässliche Tipps für sympatische Hotels und
restaurants, Transporthinweise, Tipps für aktivitäten
erhältich im gutsortierten Buchhandel (isBn-13 978-3-200-00619-5)
sowie unter e.gschaider@ottensheim.at
Nr. 22/2009 Buch II - Denker
ST/A/R 11
CATHERINE PANDORA
im metallischen leben aalglatt verbeult scheint der geist gläsern
glatt spiegelblau und parzelliert- wie ein wortloses licht wie eine
atomare diskrepanz
Städteplanung / Architektur / Religion Buch II - Denker ST/A/R 13
“WHY IS IT WE’RE HERE....?
WE’RE HERE TO GO!” (W.S.BURROUGHS)
HANS BIWI LECHNER “THE TRAVELER” 2009
www.getstoned.cc
14 ST/A/R
Buch II - Denker Nr. 22/2009
Radikal in der
Gesprächsverwurschtung
mit Gerald Kofler
Radikal: Du frogst, i trink
Kofler: Lieber Radikal, jetzt
hast Du.....
Radikal: Naa, nix kein neues Barock.
3 Fragen und aus.
Kofler: Ok. Was war dein
Berufswunsch
Radikal: Eichkatzl in Schönbrunn.
Weu erstens, waun dem Eich
katzl fad is, kauns auf
an dünnen Ast steign und Zü
scheißn auf irgendan Tou
ristn.
Zweitens, waun dem Eich
katzl no fader is, kauns
umme ins Poimenhaus und
a Bissl Peyote knabbern
Drittens, wann des Eich
katzl daun vur lauter Stress
an Ruhetog braucht,
kanns owe ge und ein
gemütliches Frühstück zu
sich nehmen.
Kofler: Was is dei liabstes Hobby
Radikal: Vermeintliche Niederlagen
in persönliche Siege umwan
deln, wauns´t ma scho so
amtliche Fragen stöst
Kofler: Du sagst, Deine Wohnung
sei ein psychodelisches Aus
kunftsbüro. Wieso?
Radikal: Weil ich mir die Feiheit her
ausgenommen hab, dass
i meinem Leben so weit Aus
druck gebe, dass erkennbar
ist, dass es auch anders geht.
Kofler: Naja. Aber was hat das mit
Psychodelik zu tun?
Radikal: Herr Redakteur, sie sind zu
wenig entspannt.
Kofler: Wieso?
Radikal: Jetzt sind wir dort, wo eigent
lich Dei Psychotherapeut
Geld verdienen möchte.
Kofler: OkOk. Red ma über Deine
künstlerische Sendung.
Radikal: Künstlerische Sendung ist
Arbeitsunfähigkeit
mal Kreativität. Soll kaaner
sagen ich hob mi net
bemüht.
Fotos, Grafik, Layout Gerald Kofler
Nr. 22/2009 Buch II - Denker
ST/A/R 15
RADIKAL, Rene
Nach erfolgreicher Abwicklung der Geburt zunächst intensive
Beschäftigung mit dem Phänomen Wachstum, dann eine Phase
des Studiums der Halluzinogene und der unermüdicher Kampf für
den Sieg des Individualanarchismus. Lebt und leidet in Wien und
Indien. Veröffentlichungen im Falter, Wiener, MOZ, ÖHxpress, Der
rote Maulwurf.
Arbeit macht high
Meine Fleischerin trägt einen blutigen Arbeitsmantel. Sie zerschneidet
ein Herz. Über ihren geschickten Fingern wölbt sich ihr üppiger Körper.
Ihr gewaltiger Fleischwolf glänzt im Neonlicht wie eine Rakete
- einmal Orgasmus und zurück. Sie füttert die Maschine mit einem
gut abgehangenen Bullen und streut noch einen Sauschädel vom
Magistrat drüber. Zwischen ihren allerliebsten Wurstfingern quellen
hellrosa Fleischpatzen hervor. Mit einer raschen, geradezu eleganten
Bewegung ihrer kräftigen Arme wischt sie ihre Hände am Arbeitsmantel
sauber und reibt sich kurz aber eenüsslich die Oberschenkel.
Ich schlachte inzwischen eine allzu zutrauliche Insassin des nahe
gelegenen Altersheimes. Auf Grund der geringen Fleischausbeute
tippt sich meine Chefin an die Stirn und sieht dabei drein wie Jazz-
Gitti während ihrer 37.ten Abmagerungskur. Ich zucke nur mit den
Achseln und schleppe die alte Dame ins Kühlhaus. Der Fleischerhaken
fährt aanz leicht durch den Pepitamantel. Meine Fleischerin knackt
zwischenzeitlich den Quadratschädel eines Kompaniekommandanten,
klatscht das bisschen Hirn auf die Waage und brummelt grantig: „Das
wird teuer.“
Unter ihrem prall gefüllten Arbeitsmantel zeichnen sich die Ränder
einer gerippten Baumwollunterhose ab. Ich freu‘ mich schon auf
Ladenschluss. „Der Offizier ist aber flachsie“, meint meine Chefin. Ich
komme ihr mit der Kettensäge zu Hilfe, denn das Militär verarbeiten
wir mit Ausnahme des Hirns und der Innereien grundsätzlich zu
Hundefutter.
Langsam geraten wir ins Schwitzen und ich öffne das Fenster zum
Hof.
Während sich meine Chefin nun beim Zubereiten der Leberknödel
erholt, weide ich meinen Vater aus, der mich unvorsichtigerweise an
meinem Arbeitsplatz besuchen wollte. Seine Segelohren behalte ich
als Souvenir, obwohl sie uns für den Presskopf fehlen werden. Ich bin
ein ziem lich sentimentaler Mensch.
Jetzt müssen wir nur noch die Mutter Oberin vom Kloster zur
unbefleckten Empfängnis zerteilen. Ich reiße mir heimlich ihre Klitoris
unter den Nagel. Man gönnt sich ja sonst nichts. Ein rascher Blick auf
die Uhr, schon wieder ist ein Arbeitstag vorbei. Ich putze noch rasch
den Laden und meine Chefin lässt inzwischen das Badewasser ein.
Dann steigen wir benommen aber glücklich gemeinsam in die Wanne.
ARBEIT MACHT HIGH!
16 ST/A/R
Buch II - Denker Nr. 22/2009
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Leopoldstadt, 2004, © Atelier Erwin Wurm
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Kunst 09 Zürich 15. Internationale Messe für Gegenwartskunst, 13. bis 15. November: 1-Muyan Lindena: Arbeit am Innenleben der Readymades; Galerie
Chelsea, Laufen. -Wer genau hinschaut sieht mehr: Alexandra Huber, “Die Mannsprächtige” (Ausschnitt), 2008; Galerie Brunner, Zürich. 3-Es wäre noch
Platz da gewesen: Tür in einem freien Raum der ABB-Industriehallen. 4-Saubere Ästhetik aus ungewohner Perspektive: Messebesucher hinter Kunsstofftür
vor Zaccheo Zilioli, Ohne Titel, 2008; Galerie Carzaniga, Basel. 5-Orientierungshilfe in Zürich-Oerlikon. 6-Österreichische Kunst auf Erfolgskurs: Elmar
Trenkwalders erkundet spirituelle Sexualität; Galerie Jordan, Paris, Zürich. 7-Alle bewundern Sissi, auch ihr Herr Gemahl: Gemälde von Nina Childress; Galerie
Jordan, Paris, Zürich. 8-Kunst an der Grenze zwischen Wahrnehmung und Erscheinung: Zhang Peng, “Gaze of Sorrow” (Ausschnitt), 2006; Galerie Art
Seasons, Zürich. 9-Objekt und Gedanke als einmalige Form: Marie-Louise Leus, “Schmeichler”, 1997; Galerie Chelsea, Laufen. 10-Der Kunstmarkt lebt! Schildlein
neben einer Arbeit von Raphaël Renaud; Galerie Schlesinger, Zürich. 11-Träumen Hunde von klaren Formen? Messestand der Galerie La Ligne, Zürich.
12-Kunst ohne konzeptuelle Blöße: Vera Molnar, “Dédale Carré”, (Ausschnitt), 2008, Galerie La Ligne, Zürich.
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Nr. 22/2009 Buch III - Kammer
ST/A/R 17
DI Andreas Gobiet, Zivilingenieur für Bauwesen,
Präsident der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten
für Wien Niederösterreich und Burgenland
Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten
für Wien Niederösterreich und Burgenland
Leitbild
Als gesetzliche Interessensvertretung sind wir berufen, innerhalb unseres örtlichen
Wirkungsbereiches die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der
Architekten und Ingenieurkonsulenten wahrzunehmen und zu fördern.
Im Wissen über den Wert der Leistungen der Ziviltechniker für die Gesellschaft
als Ganzes verstehen wir uns über den gesetzlichen Auftrag hinaus als aktive Lobbyplattform,
die sich systematisch für die Verbesserung der Modalitäten der Berufsausübung
einsetzt.
Dies tun wir durch konsequente Pflege der Beziehungen zu und Verhandlungen mit
den wesentlichen öffentlichen und privaten Auftraggebern, durch Einflussnahme
auf die Formulierung der einschlägigen Gesetze, Verordnungen, Normen, Richtlinien
und Empfehlungen sowie durch die Vernetzung mit den wesentlichen Protagonisten
des Planungs- und Baugeschehens national und international.
Neben der Interessessensvertretung steht die Erbringung von konkreten Serviceleistungen
für unsere Mitglieder gleichrangig im Zentrum unserer Bemühungen.
Tragende Säulen dabei sind die kostenlose Rechtsberatung für Mitglieder, das
Angebot attraktiver, dem jeweiligen Stand der Diskussion entsprechender Weiterbildungsveranstaltungen
sowie eine aktive Öffentlichkeitsarbeit.
wien.arching.at
Die Kammermitglieder
ArchitektInnen: 1.635, davon 281 Frauen.
IngenieurkonsulentInnen: 1.127, davon 53 Frauen
DI Hans Polly, Ingenieurkonsulent
für Vermessungswesen,
Sektionsvorsitzender Ingenieurkonsulenten
DI Thomas Kratschmer,
Architekt Sektionsvorsitzender
Architekten
Interessenvertretung und Service
sind unsere Stärken
Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten stellt ihren
Mitgliedern ein umfangreiches Lobbying- und Servicepaket zur
Verfügung. Die Serviceleistungen reichen von der Unterstützung
auf dem Weg in die Selbständigkeit über Rechtsberatung bis hin zur
Förderung der Aus- und Weiterbildung von Ziviltechnikern.
Beratung von Mitgliedern in Rechts- und Honorarfragen-
Beratung von Auftraggebern in Verfahrensfragen
Wettbewerbsinformation für Mitglieder
Positionierung in der Gesellschaft
Service bei Bürogründung
Rechtsberatung für Mitglieder
Verbesserung planerischer und
gestalterischer Rahmenbedingungen
Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung
Wettbewerbsinformation
Aus-, Fort- und Weiterbildung
Kammerzeitung DerPlan
Gobiet
18 ST/A/R
Buch III - Kammer Nr. 22/2009
www.archingakademie.at
Die Förderung lebenslanger Aus- und Weiterbildung ist eine wesentliche Aufgabe einer modernen Berufsvertretung.
Die Kammer bietet seit nunmehr mehr als zehn Jahren aktuelle, praxisbezogene Bildungsveranstaltungen im
Rahmen einer eigenen Akademie.
Dienstleistung „at its best“ –
Wissen schafft Sicherheit.
Für mich bedeuten mehr als zehn Jahre Arch+Ing
Akademie zehn Jahre Dienstleistungserbringung
für Mitglieder der Kammer auf Top-Niveau. Die
Arch+Ing Akademie hat in dieser Zeit nicht nur unzählige
Berufsanwärter und Mitglieder mit Seminaren,
Kursen und Lehrgängen „versorgt“, sie hat auch
die wesentlichen Partner der Architekten und Ingenieurkonsulenten,
im Planungs- und Bauprozess
erfolgreich angesprochen und sich damit zu einer
Wissensplattform für die wesentlichen „Spieler“ des
Baugeschehens entwickelt. Wir, die Architekten und
Ingenieurkonsulenten haben dabei die Gelegenheit,
unsere Inhalte strukturiert in die verwandten
Branchen zu tragen: Bildungsarbeit als Maßnahme
zur Sicherung strategischer Interessenpositionen
des Berufsstandes. Dieser Aspekt scheint mir von
überragender Bedeutung zu sein.
Neben dem Austausch von Wissen findet aber auch
Vernetzung von Planern untereinander sowie von
Planern mit Vertretern anderer Branchen statt.
Beide Faktoren sind für eine gedeihliche Projektentwicklung,
Planung und Umsetzung unabdingbare
Voraussetzung. Last, but not least ist es der
Arch+Ing Akademie gelungen, all ihre Aktivitäten
auch wirtschaftlich erfolgreich zu organisieren.
Neben dem eingezahlten Stammkapital von 35.000
Euro waren weitere Bezuschussungen nicht erforderlich.
Im Gegenteil, die wirtschaftlichen
Erfolge der Arch+Ing Akademie kamen und kommen
den Mitgliedern unserer Kammer unmittelbar
zugute: Zum einen wurde der Umbau der Kammer
2000 zu einem modernen Seminar- und Tagungszentrum
ausschließlich von der Arch+Ing Akademie
finanziert, zum anderen schüttet die Arch+Ing
Akademie regelmäßig Gewinne aus, die direkt
in das Budget der Kammer fließen. Aus heutiger
Sicht gilt es für die Kammer, den eingeschlagenen
Weg abzusichern und vorhandene Potenziale zu
nutzen. Ich habe mich daher seit Beginn meiner
Amtszeit dafür eingesetzt, die Arch+Ing Akademie
strukturell zu stärken. Mit der Einführung eines
zweiten Geschäftsführers, der unter der Leitung
des Kammerdirektors vor allem im Bereich der
Produktentwicklung tätig ist, haben wir eine wichtige
Voraussetzung für eine kontrollierte Expansion
geschaffen.
Unter Expansion der Arch+Ing Akademie verstehe
ich primär die Expansion des Bildungsangebotes
mit dem Ziel, allen Mitgliedern unserer Kammer
Weiterbildungsangebote in verschiedenen Formaten
zur Verfügung zu stellen, die sie in ihrem konkreten
Arbeitskontext unmittelbar unterstützen. Denn so
viel ist klar: So wie Europa im globalen Wettbewerb
nur als Wissensgesellschaft überleben kann, wird
letztlich auch der Wettbewerb auf unternehmerischer
Ebene über das Wissen entschieden.
DI ANDREAS GOBIET
Präsident, Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten
für Wien, Niederösterreich und Burgenland
Branchen- und disziplinenübergreifende
Vernetzung
Schärfung des Profils
Praxisnähe
Förderung berufspolitischer
Interessen
Aktualität und Pluralität
Nähe zum Kunden
Dialog zwischen den wichtigen
Spielern des Planungsund
Baugeschehens
Top-Referenten und Trainerpool
Offenheit und Internationalität
Nr. 22/2009 Buch III - Kammer
ST/A/R 19
Ein Leben für zeitgemäßen Brückenbau
Prof. Alfred Pauser erhielt den ersten Wiener Ingenieurpreis
Gemeinsam mit der Stadt Wien
vergibt die Kammer der Architekten
und Ingenieurkonsulenten
für Wien, Niederösterreich und
Burgenland alle zwei Jahre den Wiener
Ingenieurpreis.
Als erster Gewinner übernahm am 23.
Oktober 2008 der Grandseigneur des
Wiener Brückenbaus, Prof. Alfred Pauser,
den mit 10.000 Euro dotierten Preis
aus den Händen von Stadtrat Rudolf
Schicker und Kammer-Präsident Andreas
Gobiet.
Obwohl Ingenieurleistungen für den
Bau und Erhalt der technischen Infrastruktur
der Gesellschaft sorgen,
wird ihre Arbeit von der Öffentlichkeit
kaum wahrgenommen. Reibungsloser
Verkehr auf Straße und Schiene, sichere
Versorgung mit Wärme, Strom und
Trinkwasser, Abfallentsorgung – alle
diese im Alltag so selbstverständlich
genutzten Dienste werden durch die
im Hintergrund geleistete Arbeit der
Ingenieure bereitgestellt. Mit der Vergabe
des Wiener Ingenieurpreises soll
auf das Können der österreichischen
Ingenieurinnen und Ingenieure aufmerksam
gemacht und ihr Beitrag zum
gesellschaftlichen Wohlstand hervorgehoben
werden. Gleichzeitig sollen damit
junge Talente für die technischen Berufe
begeistert werden.
Nachwuchsmangel
Trotz der wichtigen gesellschaftlichen
Funktion, die Ingenieure ausüben, ist
ihr Ansehen in der breiten Öffentlichkeit
heute unangemessen gering. Diese
fehlende Wertschätzung schlägt sich in
einem bedenklichen Mangel an Nachwuchskräften
nieder; und das, obwohl
die Nachfrage nach Absolventen technischer
Studien ständig steigt. Angehenden
Jungingenieuren bietet sich ein
weites Betätigungsfeld: von der technischen
Chemie, dem Maschinenbau, der
Elektrotechnik und Elektronik über das
Bauwesen und die Kulturtechnik bis hin
zur Raumplanung.
Alfred Pauser, der Grandseigneur des
Wiener Brückenbaus
Wien ist eine Brückenstadt: Brücken
überspannen die Donau und den sich
durch das Stadtzentrum schlängelnden
Donaukanal. Auch im übrigen Stadtgebiet
finden sich viele Brücken, weithin
sichtbare Hochstraßen und tiefliegende,
verdeckte Straßenbrücken. Wer sich
eingehend mit den Wiener Brücken befasst,
findet viele interessante Objekte.
An dieser beachtlichen Sammlung haben
österreichische Ingenieure seit 200
Jahren mitgewirkt. In der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts trat der Bauingenieur
Alfred Pauser als Ausnahmeerscheinung
auf den Plan. Wissenschaftliche
Interessen ließen ihn sich früh mit
neuen Konstruktionsverfahren wie dem
Spannbeton befassen, zugleich blieb er
in engem Kontakt mit der Realisierungspraxis,
sodass er einige Pionierwerke
errichten konnte. Er suchte und hielt
international Kontakt und förderte den
Wissensaustausch. Als einer der Wenigen
seines Berufsstandes interessierte
er sich für die Geschichte der eigenen
Disziplin, um daraus zu lernen. Immer
wieder erprobte er neuartige Tragkonzepte,
die besonders bei Brücken im
städtischen Umfeld zu beachtlichen Resultaten
führten. Nicht nur die Ansicht,
auch und insbesondere die Untersicht
ist perfekt durchgearbeitet, sodass eine
nächtliche Beleuchtung ihre Attraktivität
noch steigert. Schönheit und Eleganz
seiner Brücken sind immer integrierende
Bestandteile ihres konstruktiven
Konzepts; nie sind sie bloß appliziert.
Dank seiner breiten Kenntnisse sind
zahlreiche Bauwerke entstanden, die
nicht nur kraftvoll und elegant wirken,
sondern für die der schmale Bereich
gestalterischer Möglichkeiten, den Ingenieurbauwerke
aufweisen, optimal ausgeschöpft
wurde. So bereichern seine
Werke die Stadt Wien nicht bloß funktional,
sondern ebenso ästhetisch.
Geboren wurde Alfred Pauser 1930 im
niederösterreichischen Gmünd. Er studierte
an der Technischen Hochschule in
Wien Bauingenieurwesen. 1964 gründete
er sein eigenes Zivilingenieurbüro.
1982 wurde er als Ordinarius für Hochbau
an die Technische Universität Wien
berufen, 1997 emeritiert.
Städteplanung / Architektur / Religion Buch III - Kammer ST/A/R 21
Der junge Ziviltechniker 2009
ST/A/R: Was will der junge Ziviltechniker?
Lukas Goebl: Die Welt umbauen... nicht die Ganze, aber so viel wie mögich!
ST/A/R: Was macht dich so zuversichtlich?
Lukas Goebl: Ich hatte eine hervorragende Ausbildung, u.a. bei Wolf D. Prix auf der
Angewandten, wo ich auch Heidulf Gerngross kennen lernte und bei seinen Projekten
und Ausstellungen mitgestalten konnte, vor allem bei der Architekturbiennale von
Venedig. Meine 3 Jahre Praxis absolvierte ich bei meinem Vater Fritz Göbl, der
schon mehr als 2000 Wohnungen und einige Kulturbauten, darunter das Forum
Frohner, geplant und gebaut hat.
ZT
ST/A/R: Hattest du dich auch schon früher für die Arbeit als selbstständiger
Architekt vorbereitet?
Lukas Goebl: Sofort nach meinem Diplom 2005 habe ich das Explicit Architecture
Lab gegründet. Kurz darauf sind mein Architekturpartner
Dipl.Ing. Oliver “Giger” Ulrich, sowie der Audio- Videodesigner Boris “BiBo”
Steiner dazugestoßen. Seitdem arbeiten wir an nationalen und internationalen
Wettbewerben, Ausstellungen, Ausstellungsgestaltungen, Videodesign,
Stadtutopien und natürlich an konkreten Architekturprojekten.
Ich hab den Ziviltechnikerkurs der ArchIng-Akademie absolviert und bemerkt, dass
ich einiges zur Vorbereitung meiner Selbständigkeit lernen konnte.
ST/A/R: Ist eure Arbeit schon bemerkt worden?
Lukas Goebl: Wir haben beim Wettbewerb Science Center Wels einen Ankauf
errungen, das Margarete Schütte-Lihotzky Stipendium 2009 bekommen, sind
zu internationalen Architekturausstellungen eingeladen (Kosice, Wien, Krems,
Bratislava, Kopenhagen, Lubljana, etc...) und bekommen nun die Chance, die eine
oder andere Arbeit realisieren zu dürfen.
ST/A/R: Und jetzt?
Lukas Goebl: Jetzt sind wir ein neues Büro in die Brunnenmarktgegend gezogen
und arbeiten an 3 Projekten, die realisiert werden könnten. Weiters habe ich
einen Lehrauftrag an der New Design University St. Pölten, im Masterlehrgang
“Innovation- und Gestaltungsprozesse”. In Kosice an der technischen
Universität, leiten Oliver und ich ein Städtebaustudio. Wir arbeiten auch an
zwei Städteplanungsprojekte, Twin City Wien-Bratislava und Kosice-Presov.
Zusätzlich bereiten wir zwei Ausstellungsbeitrage vor.
ST/A/R: Wir wünschen Euch viel Erfolg und es wird uns freuen über euren
Fortschritt zu berichten.
Lukas Goebl: Kann ich noch unsere Homepage bekannt geben?
ST/A/R: Selbstverständlich: www.explicit-architecture.com
Ankauf Science Center Wels in Passivbauweise
GALERIE STEINEK
22 ST/A/R
Buch III - Kammer Nr. 22/2009
ST/A/R Architekt Helmu
TANZ MIT DEN
BÄUMEN
Die Baukörper wiegen sich im Takt
mit den Bäumen, sie schmiegen
sich an, sie weichen zurück, sie
drehen sich. Der Charakter des
Parkes mit dem herrlichen alten
Baumbestand bleibt erhalten.
Ein wunderschönes
Grundstück – fast eine
Parkanlage mit prachtvollem,
altem Baumbestand.
Was liegt näher, als das
Gebäude dem Baumbestand
anzupassen,
einen „Tanz mit den Bäumen“
zu versuchen und zu wagen,
vier Ebenen, jede Ebene anders
geschwungen konfiguriert,
auf denen eingeschossige
Stadtvillen ruhen.
Durch die differenzierte
Konfiguration der Decks
entstehen vollkommen
besonnte als auch gedeckte
Terrassenflächen.
DI Helmut Wimmer Architekt
Margaretenstraße 70D/2
1050 Wien
Schönbrunnerstraße 26
1050 Wien
Tel. 01 587 85 33
Fax. 01 587 85 33 – 21
E-Mail: wimmer@ats-architekten.at
Mitarbeit:
DI Andreas Gabriel (Projektleiter)
DI Bernhard Weinberger
Ing. Manuel Hajek
DI Angela Wimmer
Ing. Gudrun Alk
DI Peter Hinterkörner
Ausführungsplanung:
uma Architektur ZT GmbH
DI Ernst Unterluggauer
Landschaftsplanung
EGKK Landschaftsarchiktektur
Mollardgasse 85a/11/107
1060 Wien
Statik und Bauphysik:
Vasko + Partner Ingenieure GesmbH
Grinzinger Allee 3
1190 Wien
DI Alexander Krakora
Generalunternehmer:
Bauunternehmung Rudolf Gerstl
Kalkofenstraße 25
4600 Wels
*
*
WM
*
*
WM
*
*
Nr. 22/2009 Buch III - Kammer
ST/A/R 23
t Wimmer
Le Corbusiers Thema, „das Wohngebäude
nicht nur als Teil der Stadt, sondern als
Stadtlandschaft selbst“ gesehen, als vertikal
geschichtetes Bauland, das Gebäude
als Katalysator für die Verdichtung und
Schichtung des städtischen Raumes.
WM
WM
WM
WM
1m 5m 10m
1 : 250; CUMBERLANDSTRASSE - HELMUT WIMMER
1m 5m 10m
Wohnungsanzahl:
Bauteil Migra (Straßenriegel):
32 Wohnungen (von ca.62m2 bis ca.140m2):
26 geförderte Mietwohnungen
3 geförderte Eigentumswohnungen
3 freifinanzierte Eigentumswohnungen
32 Garagenplätze
1 : 250; CUMBERLANDSTRASSE - HELMUT
Bauteil Arwag (Gartengebäude):
24 Wohnungen (von ca.87m2 bis ca.130m2):
6 geförderte Eigentumswohnungen
18 freifinanzierte Eigentumswohnungen
27 Garagenplätze
24 ST/A/R
Buch III - Kammer Nr. 22/2009
Kontakt Kunst und Kultur
Kontakt. Das Programm für Kunst
und Zivilgesellschaft der Erste Bank
www.kontakt.erstegroup.com
PARTNER
KLANGFORUM
PARTNER
VIENNALE
PARTNER
TANZQUARTIER
PARTNER
VIENNAFAIR
PARTNER
SECESSION
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch IV - ZEYTINOGLU ST/A/R 25
Weltarchitekt
Arkan Zeytinoglu
Foto: Katharina Gossow
DU
26 ST/A/R
Buch IV - ZEYTINOGLU Nr. 22/2009
Arkan Zeytinoglu (Traditionalist)
Jede Veränderung die keine Verbesserung ist, ist eine Verschlechterung. (nach A. Loos)
Arkan Zeytinoglu ist als Architekt,
freier Künstler und Designer
in Wien tätig. 1968 wurde er
in Klagenfurt geboren, besuchte
das Gymnasium in Viktring und
studierte von 1986 – 1994 Architektur
an der Technischen Universität
Graz. 1988 – 89 studierte
er Design bei dem Architekten
und Künstler Raimund Abraham
(NewYork). 1993 besuchte er die
Sommerakademie bei der international
renommierten Architektin
Zaha Hadid in Graz. Nach dem
Diplom 1994 arbeitet er ein Jahr
in New York an der Cooper Union
(5th Year Design Studio mit John
Hejduk). Seit 1995 ist er staatlich
befugter und beeideter Ziviltechniker.
Der eine macht
Wurstsemmeln, der
andere Architektur.
Wichtig ist doch, dass
man lebt.
1995 gewann Arkan Zeytinoglu
den Generalplanerwettbewerb für
den Neubau des Bezirksgerichts
Graz und gründete Büros in Wien
und Klagenfurt.
Derzeit deckt die Zentrale in Wien
mit 15 Mitarbeitern sämtliche Leistungen
im Bereich von Architektur
und Interior Design ab, arbeitet
ebenso im Bereich Masterplanung
und realisiert als Generalplaner
Projekte für staatliche und private
Bauherren.
In den vergangenen Jahren wurde
eine Vielzahl von Projekten im
In- und Ausland realisiert, von Bürogebäuden
über Privatobjekte bis
Aus dem Nichts entsteht
nichts. Vielmehr ist es,
dass Vieles viel ist.
hin zu Hotels, Restaurants und
Bars, wobei der Hotelbau einen besonderen
Schwerpunkt darstellt.
Nach gewonnenem Wettbewerb,
ist das Büro zusammen mit SPAN
Architects für den Bau des österreichischen
Pavillon für die Expo
2010 in Shanghai beauftragt.
Architekturbüro Zeytinoglu
ZT GmbH
Mariahilfer Straße 101/3/51
A-1060 Wien
Tel.: +43 (1) 595 38 04-0
Fax: +43 (1) 595 38 04-16
office@arkan.at
www.arkan.at
Dachaufbau Mariahilferstrasse 1:
Das in der Gründerzeit geplante bzw. gebaute Gebäude war ursprünglich mit einer reich dekorierten
Fassade und einer turmartigen Ausbildung an der nordöstlichen Ecke versehen.
Nach einem schweren Bombenschaden im Zweiten Weltkrieg erhielt das Haus eine „Sparfassade“, die
gänzlich auf Dekor verzichtete und nur durch die verbliebenen Fensterflächen strukturiert wurde.
Im Erdgeschoss entstand im Laufe der Jahre der in der Mariahilfer
Es ist der Geist, der im
Haus wohnt.Wenn er
da nicht wohnt, dann
ist es ein leeres Haus –
im wahrsten Sinne des
Wortes.
Strasse gewohnte Fassadenmix aus verschiedenen Geschäftsportalen.
„Der Umbau lässt das Haus wieder als einheitliches Ganzes
erscheinen. Die Erdgeschoßzone wurde heutigen Geschäftsportalen
einer Einkaufsstraße gerecht
gestaltet“, so der beauftragte Architekt Zeytinoglu. „Die Eckgaupenlösung
der Dachflächen am Kreuzungspunkt Mariahilfer Straße
- Getreidemarkt resultierte aus der konsequenten Weiterführung
der Grundrissgeometrie des Bestandes, nämlich einer turmartigen
Lösung, die in die Dachneigung knickt. Es wurde kein Eckturm aufgesetzt,
sondern ein Dachgrat ausgeformt, der mit der Geometrie
der bestehenden Ecklösung korrespondiert.“
„Die Mariahilfer Straße 1 ist Ausdruck unseres Design- und Qualitätsanspruchs“, sagt DDr. Michael Tojner, Vorstand
der WertInvest. „Die WertInvest erwirbt Objekte in bester innerstädtischer Lage mit historischer, oft unter
Denkmalschutz
stehender Bausubstanz und
entwickelt und revitalisiert
diese wertvollen Immobilien
Leben ist Leben –
wenn man lebt.
in Kombination mit moderner
Architektur, wie auch im Fall
der Mariahilfer Straße 1.“
Die Gebaute Landschaft:
Weg und Bewegung. Täler und Schluchten.
Projekt: Hotel Falkensteiner Carinzia, Kärnten
Das Hotel Carinzia am Fuße des Nassfeldes manifestiert den Dialog „Landschaft und Gebautes“ und
definiert innere wie äußere Landschaften in einer ganzheitlichen architektonischen Komposition. Als
gebauter Ausläufer der Sonnenalpe nimmt das Ressorthotel die umliegende Natur auf. Großzügige
Atrien, ausgestattet mit Wasserläufen und ausreichendem Grün lassen Naturerlebnisse im Inneren
des Hotels entstehen. Plätze, Wasserfälle, Galerien dienen anstelle von langen Gängen, als Erschließungsstruktur.
Zentrale Schnittstelle bildet immer wieder die großzügig verglaste Lobby, die als „Atriumschlucht“,
die komplexe Anlage (Gastrobereich, Bars, 160
Gäste-Zimmer und Wellness+Spa Zone) um sich versammelt“.
Die Entstehung von einem
Gebäude ist wie eine
schöne Tonalität. Wie
wenn ein Orchester eine
schöne Musik spielt.
Das ganze Gebäude ist Landschaft, die sich zu besonderen Räumen
erweitert: „Jeder einzelne Schritt bietet dem Auge ein neues
Klangelement der architektonischen Komposition, sei es den Ausblick
auf die bebauten oder grünen Fernen oder die Ansicht der
anmutig geordneten nahen Umgebung.“
Unterschiedliche Raumerlebnisse lassen für den Gast eine Stimmungsreise
durch das Gebäude zu: Sakrales Ambiente in der
Saunawelt, die sich in Licht und atmosphärischer Materialität ausdrückt
und Ruhe- und Sinnessräume schafft. Der Gastronomiebereich
teilt sich in stimmungsvolle Zonen, die von Farb- und Lichtgestaltungen differenziert sind.
Nach außen erweitert die Hotelanlage die dörfliche Struktur und bildet ein neues, starkes Zentrum.
Ecken, Kurven und leichte Kanten strukturieren den 200 Meter
langen Baukörper und lösen die Maßstäblichkeit auf. Indem
Erde-Architektur erscheint
nur im Licht. Sonst ist
schwarz. Da seh i nix.
eine permanente Verschmelzung zwischen Außen- und Innenraum
inszeniert wird, wird auch der Außenraum maximiert und
in das Gebäude geholt.
Nr. 22/2009 Buch IV - ZEYTINOGLU
ST/A/R 27
Dachausbau Mariahilferstrasse 1 , Der schönste Dachboden von Wien
ausgeführt durch Metallbau Heidenbauer Ges.m.b.H & Co KG
Hotel Falkensteiner Carinzia, Kärnten
Städteplanung / Architektur / Religion Buch IV - ZEYTINOGLU ST/A/R 29
Dachausbau Mariahilferstrasse 1
30 ST/A/R
Buch IV - ZEYTINOGLU Nr. 22/2009
Cityhotel Falkensteiner, Bratislava
Nr. 22/2009 Buch IV - ZEYTINOGLU
ST/A/R 31
CITYHOTEL BRATISLAVA
Ein Ort der Kommunikation und Entspannung.
Beim Betreten der Eingangshalle befindet sich der Gast in direkter Sichtbeziehung
zur Rezeption - ein in Bronze gekleideter Solitär.
Mittels transparenter Verglasung zur Lobby getrennt, erstreckt sich entlang
des Eingangbereiches ein offener Restaurantbereich mit Buffet und Showküche,
der sich anhand von luftigen, textilen Elementen öffnet oder schließt
und dadurch die Wandlungsfähigkeit des Erdgeschosses unterstreicht.
Den Mittelpunkt des Eingangs-und Empfangsbereiches bildet die Lobbybar,
ebenfalls als Solitär im Raum wahrnehmbar, eingebettet in unterschiedlich
definierte, räumliche Beziehungen.
Hotelbar, Communication Zone, Cigar Lounge und Business Zone formen
sich zu einem ausgewogenen loungeartigen Wohnensemble in der grosszügigen
Hotelhalle.
Die Lobby des Hotels transportiert das Innen nach Außen und das Außen
nach Innen. Beides verschmilzt in der Dramaturgie des Lichts und der Farben
– ein Ort des Sehens und Gesehen Werdens.
Edle, elegante, weiche und im Kontrast stehende metallische warme Farben
und Materialien bilden das Ambiente des Innenraums. Eiche, Velours und
Bronze stehen im Einklang miteinander, vermitteln Wärme und Glanz.
Über die, der Rezeption angeschlossenen Konferenzstiege, erschließt sich
das erste Obergeschoss, das sich jeweils auf einen grosszügig dimensionier-
ten Seminarbereich, sowie denersten Zimmertrakt erstreckt.
Wiederum sind im Foyer der Konferenz der Infopoint, sowie ein Loungemö-
bel, das sich um eine Säule windet, als frei stehende Elemente spürbar.
Der gesamte Gebäudekomplex umschließt dabei einen mittig platzierten
Innenhof, der durch raumhohe Verglasungen den Grünraum ins Innere des
transportiertḋu
Körpers transportiert.
Chic, dynamisch, entdeckungsfreudig Von der hell/dunkel kontrastierenden
Gangatmosphäre, taucht man ein in ein frisches, elegantes Wohngefühl, das
sanft und zurückhaltend den „Flair“ der Stadt unterstreicht.
Das Zimmer vermittelt durch die Auswahl der Materialien, Oberflächen und
Farben eine dynamische, urbane Leichtigkeit, die von einem weiß lackiertem
Möbelensemble getragen wird.
Durch die Verspiegelung des Vorraums und den Glanz des Lacks reflektiert
und öffnet sich der Raum, lässt vorhandene Strukturen ahnend zur Geltung
kommen.
Über den insgesamt 5 Zimmergeschossen thront eine Business -Skylounge,
über die man eine rund umlaufende Terrasse erschließt und die einen Ausblick
auf den historischen Kern Bratislavas freigibt. Weiters befindet sich ein
Wellnessbereich am Dach des Hotels und beherbergt ein Foyer mit Sauna
und Dampfbad. Ruheraum und Fitnessraum sind, wie auch ein Solarium,
vorhanden.
Zwischen Foyer und Fitnessraum erstreckt sich ein kleiner intimer Terrassenbereich,
der zum Verweilen einlädt.
Klassische, zeitgenössische Eleganz erzeugt einen gewissen modernen
„Simple Chic“, der den urbanen Geist reflektiert und und trotzdem ein Gefühl
des „Zuhauseseins“ vermittelt.
Ein Ort mit Seele
und Stil.
32 ST/A/R
Buch IV - ZEYTINOGLU Nr. 22/2009
moved by
experience
Arkan Zeytinoglu:
„Material ist Stoff. Stoffe
ergeben Material. Stoff
als solchen zu entwickeln,
ist förmliche und farbliche
Ideengebung von Material,
welches uns beseelt.“
DESIGN UND FARBKOMPETENZ VERBUNDEN
MIT ERLESENER QUALITÄT!
FLEXIBILITÄT UND TECHNISCHE EXPERTISE
DANK VOLLSTUFIGER PRODUKTION!
WÄHLEN SIE AUS EINEM BREITEN SORTIMENT
AN TREVIRA CS STOFFEN!
UNSER ERFAHRENES TEAM GARANTIERT
IHREN ERFOLG!
UNSERE STOFFE BESEELEN UND VEREDELN RÄUME!
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Bei dem Falkensteiner Hotel & Asia Spa
Leoben in der Steiermark, das im Mai
2008 eröffnet wurde, steht der Aspekt
des sich Wohlfühlens an erster Stelle.
Modernes Design und Lifestyle-Charakter
verbunden mit einem breiten Wellness-
Angebot werden durch die textilen
Akzente stilvoll untermalt. Die 103 Zimmer
und Suiten tragen die einzigartige
Baumann-Note.
Brüder Baumann GmbH
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Städteplanung / Architektur / Religion
Buch V - PENKER ST/A/R 33
8
έτσι έχουν τα πράγματα
დავდგეთ იქ სადაც ქარიშხალია
טאָכעס אױפֿן טיש
wyobrazić sobie coś, oznacza zobrazować swoją własną świadomość
ВСИЧКО, КОЕТО НЕ МЕ УБИВА МЕ ПРАВИ ПО-СИЛЕН.
so sind die Dinge
Does the system make the language?
нумер
so sind die dinge
www.dadadaacademy.org
34 ST/A/R
Buch V - PENKER Nr. 22/2009
PRO CHOICE
Wolfgang Breuer, “Untitled” 2008, Toner on Color Copy
Ulla Rossek Wolfgang Breuer Tom Humphreys Nate Young Alivia Zivich Harald Thys
Nr. 22/2009 Buch V - PENKER
ST/A/R 35
Zedlitzgasse 3 1010 Wien prochoice.at
Ei Arakawa / Nikolas Gambaroff, “Two - Alphabet Monograms” 2009
Jos De Gruyter Jana Euler Ei Arakawa Nikolas Gambaroff Henning Bohl Sabine Reitmaier
Städteplanung / Architektur / Religion Buch V - PENKER ST/A/R 37
„Flower Structure“
Elisabeth Penker (sonic structure) /Tran Van Anh
(Chello) /Sweet Susie (electronics)
Komposition: Tran Van Anh / ElisabethPenker/Tri Minh
Die Komposition Flower Structure verwendet die 6-Ton Sprache
vietnamesisch als morphologische Struktur Je nach Tonlage hat ein Wort
auf vietnamesisch mehrer Bedeutungen. Das Wort Blume bedeutet
je nach Tonlage Medizin-Maler-Friede-Feuer. Flower Structure ist nach
diesen Tönen/Wörtern arrangiert und wurde erstmals bei den Wiener
Festwochen aufgeführt.
Elisabeth Penker spielt auf ihrem entwickelten Instrument „Sonic
Structure“ mit der Cellistin Tran Van Anh. Van Anh spielte als Cellistin
beim Symphony Orchestra in Hanoi und beim Asian Youth Orchester.
Wiener Festwochen „Flower Structure“ Foto: Marina Faust
Elisabeth Penker (sonic Structure) Van Anh (Chello) Tri Min (electronics)
„Sonic Structure“ hat eine vage Ähnlichkeit mit einem Keyboard und
ist aus Holz und industriellen Materialien gefertigt. Alle Klänge, die auf
dieser Konstruktion erzeugt werden, werden mithilfe einer Reihe von
in unterschiedlicher Höhe montierten Mikrofonen verstärkt, wodurch
es Penker ermöglicht wird, Musik zu machen. Ihre Würdigung von
Luigi Russolos „The Art of Noise“ und Jack Foley.s Aufnahmemethoden
für Filmsoundtracks ermöglicht ihr, ein Vokabular für Rhythmus und
sprachliche Transformationen zu finden. Mithilfe eines Orchesters,
das, obwohl es nur aus industriellen Materialien gefertigten
Instrumenten besteht, in der Lage ist, jene Kräfte einzubinden, die in
die differenzierteste Klangstruktur überhaupt -die Sprache- eingebettet
sind, gelingt Penker eine geglückte Neuformulierung der alten Formel
der Avantgarde.
Wiener Fest Wochen 2009-11-21
Link zu Video von Wiener Festwochen „Asian Village“2009 http://vimeo.com/7205727
Ein Projekt von Wolfgang Schlag & Susanne Roggenhofer
*************
Studio
Elisabeth Penker
Franzengasse 13/1a
A-1050 Vienna
M:0043 (0)681 1036 5210
E: elpenker@gmx.at
38 ST/A/R
Buch V - PENKER Nr. 22/2009
Marina Faust
arbeitet seit 1989 in Zusammenarbeit mit Maison Martin Margiela
als Fotografin und Videokünstlerin.
Ihre Fotos, Texte und künstlerischen Projekte wurden in
Zeitschriften wie Purple Fashion, Le Purple Journal, Numéro
Magazine (Japan), A Guide Magazin und Rondo (Wien), A Magazin
(Belgien) & Ppaper Shop Magazine (Taiwan) veröffentlicht.
Eine Gruppe ihrer traveling chairs, die 2007 in der Galerie Song
Song zu sehen waren sind Teil der Sammlung im MAK (Museum
für Angewandte Kunst, Wien)
Ihre Fotoserien, persönliche Visionen über die Arbeit und
Persönlichkeit anderer Künstler, werden regelmäßig in der
Französischen Kunstzeitschrift Frog publiziert.
Marina Faust bezeichnet für sich selbst den Publikations-Raum
(Zeitung, Magazin, Buch) als Wahrnehmungs- und somit als
künstlerischen Raum.
Ihre Arbeiten wurden in Japan, Korea, Frankreich und Österreich
ausgestellt.
Ihre nächste Ausstellung ist für das Jahr 2010 in Wien in der
Galerie Song Song geplant.
www.gallerandethefilm.com.
Marina Faust, Selbstporträt mit Punkten, 2009, C-print, 80cm x 46cm, Paris, courtesy the artist
Nr. 22/2009 Buch V - PENKER
ST/A/R 39
Marina Faust, Installation, 2004, Mohair und Styropor, 230cm
x 130cm x 90 cm, mit Purple Institute, Bibliothek des Institut
Culturel Français, Mailand, courtesy the artist
Marina Faust, traveling stool und traveling chair, 2009, Holz, Metal, Chrom, Gummireifen,
80cm x 80cm x 67cm und 80cm x 80cm x 100cm, Paris, courtesy the artist
Marina Faust
Marina Faust, Pleaser, 2008, Vinyl und Glas, 55cm x 35cm x 15cm, Paris, courtesy the artist
40 ST/A/R
Buch V - PENKER Nr. 22/2009
JULIE RYAN 303 Gallery, NY
Julie Ryan artist, writer and curator of „The Red Thread“, which most recently
occured at Dana Charkasi Gallery here in Vienna, is presently an artist in
the Linikus sponsored Artists Residency in Bauernmarkt. Though Ryan is
not new to vienna, she is searching for her position in Vienna, a place which
generally doesn’t embrace arists who also write and curate.
Q: How did you come to Vienna initially (was it to paticipate in Franz West’s
opera?)
Julie:
Yes, I was living in Paris and Mary Heilmann called me from Vienna. She had
an exhibition here and was travelling alone and invited me to visit. 14 and
half hour train ride later I joined her. I met Franz then and he invited me to
return and perform for the opening of MUMOK. Since then I have spent my
time in Vienna.
In 2005 you curated „the Read Thread“ shows in Seattle & New York of Austrian
(and others living or connected to Vienna) about the artists you were
directly in contact with at the time Franz West, Muntean Rosenblum, Markus
Schinwald, Lisa Ruyter etc., were as the new ve
rsion here at Dana Charkasi is moving forward, new contacts and new
people in vienna, but also backward as a portrait of the gallery... can you
explain a little.
Julie:
I had had the idea to organize an exhibtion in Vienna. But not seconds after
thinking of it, it seemed a political quagmire. It dawned on me that I was in
a unique position by having access to a space in NYC, the Educational Alliance
where I had curated a series of well received exhibtions over the years.
At this time in 2003, a series of Austrian shows were in the US and I felt
that though they represented an aspect of the Austrian artscene that there
was a vital international scene here that was not being seen or heralded.
Hence, The Red Thread. A cross section of Austrian born and also artists
who choose to live or spend time in Austria that were not on the Austrian
radar as such.
The shows opened almost simultaneously in NYC and a private gallery in
Seattle WA (on both coasts). The Red Thread was conceived as a fexible
platform presenting various aspects of Vienna art scene both conceptual
and physical. It its most recent incarnation at Dana Charkasi Galerie I took
a few artists from the original show and also looked back into the gallery’s
own history by including Joseph Bauer and Johann Fruhmann.
ST/A/R:
Your Paintings which are small quirky abstractions with bits of
lanscape references but also ‚painting about painting’ in the way
you are dealing with composition, brushstrokes etc.
Julie:
Painting is the most fundamental aspect of my work. I am interested in the
qualities of paint and painterly allusions to those qualities. Things that look
Fast being made slow, slow appearing fast and throughout that process
glimpsing back at the paintings own history of being made and paintings history
of becoming. The most recent paintings refer to landscape but all paintings
are landscapes or still lifes to some degree. I am interested in how we
live with art. Images that are grasped quickly or emerge over time and are
intended to be viewed at a certain distance away from the space of making.
Guston make entire paintings without walking away from the canvas. Created
at arms length, literally. One feels both the centrality of that experience literally
on the canvas and also that the image itself has a peripheral stance.
This physical experience before an artwork fascinates me as an artist.
ST/A/R:
...and the objects or „Wandgeiger“ which are sort of a deconstructed violin
re-assembled onto the wall and which can be played with a bow. Can you
explain how you came accross this idea and how its changed (or developed)
through the various versions which you have presented in Vienna, Belgrade
and most recently at 303 Gallery in New York.
Julie:
If painting, image making, is about space then music is about time. And
I have struggled to conjoin the two. To make an image that seems ideally
viewed at some distance necessitate a closer approach, a touch even. The
Wall Violins which originally came out of a perversion of the story of the Magic
Flute amputates the wing of the Vogelfanger’s bird. What may seem romanticized
or idealized actually has a bit of bloody stump at the end of the feather bits. The
Wall violins also plays the wall - the history of the building where it is installed, the
resonation of the architecture. It can also exist as a substructure over a wall. The
sound itself is more percusive than melodic though each instrument surprises
me. How much sound can emerge from a strung wall. The bridges suspending the
strings are based on actual stringed instrument bridges but I designed to mimick
mountains or fi re to create the tension to be played.
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch VI - AUTO-STAR ST/A/R 41
David Staretz
schreibt, redigiert und fotografiert den Auto-ST/A/R
42 ST/A/R
Buch VI - AUTO-STAR Nr. 22/2009
BENTLY
Bentley Continental Supersports
ZUCKERROHR UND PEITSCHE
Der neuen Bentley Continental Supersports ist der stärkste
und in konkreter Weise erdverbundenste Bentley aller Zeiten
TEXT UND FOTOS: DAVID STARETZ
Christina Surer kann meinen Annäherungsversuchen
nicht mehr standhalten. Ok, ihr stehen
nicht 680 PS zur Verfügung, ihr SLR McLaren
Edition 722 hat um 30 PS weniger als mein Hardcore-
Racing-Tool (das kann man allerdings als Serienstreuung
durchgehen lassen), aber so knallhart, wie ich
aus der Fahrerlagerkurve von oben runtergestochen
komme, so verwegen, wie Baron Richthofen sich aus
der Sonne in den Nacken des Gegners fallen ließ, das
scheint sie doch überrascht zu haben. Gebietet es meine
Höflichkeit, zu blinken? Ach nein, es gibt ja keinen
Blinker hier in der Rennversion des SLR McLaren722
GT. Rennversion? Was läuft hier eigentlich?
Bitte erst mal von vorn. Also, wir erinnern uns:
Mercedes entwickelte zusammen mit McLaren einen
Supersportwagen auf der Höhe seiner Zeit, dem trotz
extremer Features wie Sidepipes, völlig glatter Unterboden,
Carbon-Body vorgeworfen wurde, ein bißchen zu
fancy zu sein, sich beliebt machen zu wollen bei Leuten,
die nicht so viel Sachverstand wie Geld besaßen. Es
ist auch kein Geheimnis, dass der Wagen dann nicht so
kompromisslos wurde, wie McLarens Headbrain Gordon
Murray dies vorgestellt hätte. Er hätte sich wohl
eine Steigerung seines F1 gewünscht.
Herbst 2008, fünf Jahre später: Der Wagen lebt, verkauft
sich nach Belieben, beherrscht seinen Auftrag,
die Funktion eines Imageträgers zu verwalten, um der
breiten Mercedes-Käuferschaft klarzumachen, dass
man sehr gut weiß, wie die lauten Töne gespielt werden.
Man offenbarte den SLR McLaren Roadster und danach
noch den auf 150 Exemplare limitierten Edition 722 mit
strafferem Fahrwerk, leistungsgesteigertem Motor (um
25 PS auf 650 PS), weniger Gewicht (minus 44 kg) und
Keramikbremsen.
Um die Zündschnur der Begeisterung am Brennen zu
halten, gründete man den Club SLR, der den Vorteil
hat, keinerlei Eintrittsgebühr zu verlangen, allerdings
ausschließlich SLR-Besitzern vorbehalten ist.
Unter diesen Passionierten wiederum gründete man
eine Gentlemen-Renngesellschaft, einen Markencup
oberster Gehobenheit, befeuert von der auf 21 Exemplare
limitierten Racing-Version namens 722 GT.
Hier, in der kompromisslosen Zurichtung auf Rennmaschine,
herrschen Rennfahrwerk, funktionale Aerodynamik,
680 PS, ein Drehmoment von 830 Nm und
ein Leistungsgewicht von zwei Kilogramm pro PS, kontrollierbar
aus einem kompromisslos zugeschneiderten
Renncockpit.
So. Und hier, wo von den Privat-Racern richtig viel
Geld ausgegeben wird, um die vom Rennstall und
Engineering-Unternehmen Ray Mallock präparierten
Fahrzeuge zu erwerben, sie unter Dampf zu setzen
samt Mechanikern, Boxencrew, Telemetrie, Catering,
Hostessen, und was noch alles zu einem gelungenen
Wochenende gehört, wollte man dem Spaß noch eins
draufsetzen. Also lud man hochverdiente Haudegen
des Rennsports dazu, wie Christian Ludwig, Jochen
Mass, und Jean Alesi, sowie Chris Goodwin, Michael
Mallock oder Christina Surer aus der jüngeren Fahrergeneration.
Zusammen mit den Privatfahrern werden
sie zu den Teams gelost, um dem ganzen Renngeschehen
mehr Pep zu verleihen.
Vorläufig sind etwa elf Fahrzeuge im Einsatz, das ist ok
für die erste Saison, sollte aber noch besser werden.
Erstmals wagte man sich auch daran, zwei, drei Journalisten
ans Steuer zu lassen, also einen nach obenhin
kaum zu beziffernden Schaden in Kauf zu nehmen.
Um der Sache die Spitze zu nehmen: Nach dem kom-
Abenddämmerung über Sevilla, so wie man sie als Bentley-Gast von der
Dachterrasse des Italienischen Consuls aus genießen kann. Flying Canapées,
Champagnerempfang.
Nr. 22/2009 Buch VI - AUTO-STAR
ST/A/R 43
plizierten Reinturnen war nichts mehr so mühevoll
(außer dem Aussteigen). Multimillionären wird auch
nichts geschenkt.
Aber dann: Die tiefe Sitzposition, dieses Eingepacktsein
in die Schale, das Heranwachsen von Lenkrad und
Paddles, die grandiose Knopfgalerie, das abknöpfbare
Steuer, das heisere Anfachen des Maschine in der Box,
nachdem die Mechaniker die Luft für die vier im Wagenboden
integrierten Hebestempel aus der Hydraulik
gelassen haben und der Wagen schlagartig um zwanzig
Zentimeter zu Boden fällt, das Rausrollen ans Tageslicht
unter frenetischen Gasstößen, nochmals zurück,
(Retourgangfummeln im E-Display) weil der geringe
Einschlag nicht reicht, jetzt aber richtig voran und
Christina Surer hinterher, die mir die Pace macht und
längst schon in die Schikane einschneidet.
Das macht alles unerhörten Spaß, von dem ich gar
nicht erklären könnte, woher er kommt, denn jetzt ist
alles netzfrei ungesichert, dröhnend laut und metallen
schroff, doch mein Vertrauen in Fahrwerk, Bremsen
und Christinas Linie lässt Raum, um diese frenetische
Kraftentfaltung, das massige Einfurchen, das
sideslide-gewandte Durchspulen der wie getöpferten
Nocksteinkehre oder der sich zur Schikane einkringelnden
Fahrerlagerkurve richtig zu genießen, somit
aber nahe an eine gefährliche Selbstgefälligkeit zu rücken,
der Gegenhaltung zur angebrachten Demut; und
einen Moment lang denke ich an einen Tennisspieler,
der nach seinem Outsider-Sieg sagte: „Sobald man sich
im Vorsprung sonnt, sich an der anbahnenden Sensation
delektiert, vergisst man, das es um nichts anderes
als den Kampf um den nächsten Punkt geht. Nur der
zählt! Sonst verliert man Konzentration und Spiel“. Das
rückt mich wieder zurecht, und ehe ich wirklich glaube,
dass Christina mich resigniert vorbei lässt, um mir
freies Bolzen zu gewähren, schau’ ich lieber noch in
den zittrigen Rückspiegel und ziehe gleich den Nacken
ein (und klemme die Backen zusammen), denn hinten
kommen Jochen Mass und seine Trainee, ein Privatfahrer,
im Duett herangeröhrt und brausen vorbei, dass es
mir beinah Heckspoiler aufstellt. Sie hat also nur meinetwegen
gebremst, um schnelleren Verkehr vorbeizulassen.
Naja, lern deinen Platz kennen. Immerhin ist
der gar nicht so übel hinter einem der prominentesten
und hübschesten aller Racinggirls, dem es perfekt gelingt,
zwischen echten Renn-Einsätzen, ihren Aufgaben
als Model und Markenbotschafterin (etwa für Seat
und Yokohama) und, wie hier, als Driver/Trainer zu
brillieren.
Sie kultiviert am Salzburgring, (immer noch ein unerforschtes
Gelände für Sucher der Ideallinie), die flache
Linie, eine umstandslose Kampfspur, wo dir niemand
ins Gewand fahren kann. Sie macht schon kurveneingangs
klar, wem die Führung gehört, und wenn du
durchaus imponieren möchtest, so darfst du beim Anbremsen
ein wenig später und härter ins Eisen steigen,
aber wie sich schnell zeigt, ist Geschmeidigkeit immer
noch die bessere Taktik, das Mitnehmen von Geschwindigkeit
in die Kurve, wie es Christina so beispielhaft zelebriert,
aber wie eine gute Freundin und Pferdediebin
wartet sie hinter der nächsten Ecke, lupft hie und da einmal
das Hauptpedal für dich, und flash-artig muss ich
dran denken, wie ich mit siebzehn in eine gleichaltrige
Schilehrerin verliebt war und wie schnell ich damals
lernte im reinen Bestreben, sie nicht aus den Augen zu
verlieren. Ich sehe Christinas Locken vor mir die Zielgerade
entlang fliegen. Ob auch masselose Schönheit
der Fliehkraft unterworfen sind? Wüsste ich nicht, dass
sie Helm trägt, ich würde dringend vermuten, dass sie
den Lidstrich nachzieht und die Lippen auffrischt, während
ich hinter ihr mit Klauen und Zähnen am Lenkrad
kämpfe, um noch ein Zipfelchen Windschatten zu erhaschen.
Tease me, please me, thrill me, grill me, aber
bitte don’t kill me. Als sie in die Boxenstraße einbiegt,
wirkt das wie eine Einladung zum Cocktail. Aber wir
sind hier Professionisten in unseren Kisten, erst mal
das Interview in den Kasten bringen.
*
Es wäre übertrieben gewesen zu sagen, dass Frau Surer
schon umgezogen war, als ich an die Box zurückhechelte,
aber ihre Frische und Geschminktheit waren
beschämend. Gekonnt vermied sie jeden Kommentar
über unseren Pas de deux, denn sie ist eine höfliche
und anregende Gesprächspartnerin, mit der man sich
über allerlei unterhalten kann, auch über das Wetter.
Aber dieses Thema würden wir gewiss nicht anschneiden.
Übrigens: Christina ist nicht die Tochter, sondern die
Exfrau des ehemaligen F1-Piloten Marc Surer. Und natürlich
vergeben.
Das Hotel der
Veranstaltung, die
Hazienda Benazuza.
Besser drinnen sein
als draußen vor der
Kamera.
Warnung am
Schaltkasten:
So
kann dich
der Blitz
treffen.
Das Cockpit, bewußt metallen,
Reminiszenz an die Great Racing Days.
Der abgespeckte Ledersitz. Carbon hält
den Rücken steif.
Das B, hier im Speichenkranz, prangt
sogar auf den Ventilkappen der Reifen.
Brunnenfigur, mit Bronze-Inlay liebevoll
ausgebessert.
Bentley Continental Supersports am Rande eines Raumalphabets.
Städteplanung / Architektur / Religion Buch VI - AUTO-STAR ST/A/R 45
KAUM
ERSCHIENEN,
SCHON IM
MUSEUM
TEXT UND FOTOS: DAVID STARETZ
Der Lamborghini Reventón ist nur mehr
auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu haben,
allerdings wird man ihn hier auf
keinem Monitor finden: Nur zwanzig
Stück wurden aufgelegt, und wer einen bekommen
konnte, weiß ganz genau, was er da in der
Garage hat. Und dass ihm jetzt mindestens eine
Million Euro auf dem Konto fehlt (Nettokaufpreis
zuzüglich Steuern). Der Reventón, etwas
makaber nach einem Kampfstier benannt, der
im Jahre 1943 den Torero Felix Guzman im
Kampf getötet hatte, basiert auf dem Murcielago
LP 640..Das heißt: Die Hundertermarke durchschießt
der Reventón binnen 3,4 Sekunden.
Und seine Höchstgeschwindigkeit liegt über
340 km/h. Das automatisierte Schaltgetriebe
e.gear knüppelt die Gänge schneller als selbst
ein geübter Fahrer. Und der permanente Allradantrieb
Viscous Traction sorgt dafür, dass die
enormen Kräfte stets in Vorwärtsbewegung umgesetzt
werden. Jedenfalls, solange man nicht in
die Sechskolben-Carbonkeramik-Bremsen steigt,
die den Wagen bei Bedarf wie gegen eine Wand
prallen lassen.
Wie beim Basismodell besteht die Außenhaut aus
CFK, dem ebenso stabilen wie leichten Kohlefaser-Verbundstoff.
Dabei sind die Exterieur- Teile
mit der einzigartigen Karosseriestruktur des
Reventón aus CFK und Stahl verklebt und vernietet.
Der im hauseigenen Centro Stile designte Wagen
ist übrigens asymmetrisch: Auf der Fahrerseite
ist der Schweller opulent ausgeformt, um
die Anströmung des Ölkühlers zu steigern. Auf
der rechten Fahrzeugseite dagegen ist er glattflächig,
um nichts weiter Unterbodenströmung
zu unterstützen. Der aerodynamisch optimierte
Unterboden endet am Heck in einem Diffusor.
Materielien des Innenraums: Alcantara, Carbon,
Aluminium und Leder. Wie im modernen
Flugzeugbau bestehen die Instrumente aus
drei TFT-Flüssigkristall-Flachbildschirmen. Auf
Knopfdruck kann der Fahrer zwischen zwei
Darstellungsformen wählen. Eingefasst sind die
Instrumente übrigens in einem Gehäuse, das
aus einem vollen Aluminiumblock gefräst und
mit einer Haube aus Kohlefaser abgedeckt ist.
Völlig neu ist das G-Force-Meter: Diese Anzeige
zeigt die fahrdynamischen Kräfte, die Längsbeschleunigung
beim Gasgeben und Bremsen wie
auch die Querbeschleunigung in Kurven. Dargestellt
werden diese Kräfte als Bewegung einer
Kugel in einem Kreis, je nach Richtung und
Intensität der Beschleunigung. Ein ähnliches
Instrument findet sich in Höchstleistungs-Flugzeugen.
Auch in der Formel 1 verwendet man
solche Darstellungen zur Analyse der Dynamikkräfte.
Wer einen Reventón aus der Nähe betrachten
will, muss sich ins Museum nach Sant’ Agata Bolognese
bemühen. Dort steht das einzige nicht in
Privatgaragen eingesargte Modell mit der Nummer
20.
LAMBORGHINI REVENTÓN
46 ST/A/R
Buch VI - AUTO-STAR Nr. 22/2009
NEU Ferrari 458 Italia
SURFING AT THE EGDE OF THE MOMENT
Große Emotionen, aufwändig erarbeitet. Ein Ferrari zum Ferrarifahren, am besten täglich.
TEXT UND FOTOS: DAVID STARETZ
Abseits von Jubiläen, künstlichen Emotionen und
historischen Reminiszenzen hat man wieder
einen Ferrari für des Alltags süßen Wahnsinn
hervorgebracht, einen kompromißlosen Supersportwagen,
nicht gefällig, nicht verfettet, nicht mit dem US-
Markt kokettierend. Der 458 Italia ist eine echte Home
Breed, rennsportnah und detailversessen, völlig funktional
konzipiert und aerodynamisch durchsetzt. ”Der
Ferrari 458 Italia führt die Tradition Ferraris fort, durch
technologische Innovationen
aus dem Rennsport den Spaß am Fahren zu erhöhen,
und wurde geschaffen, um die Erwartungen und Ambitionen
unserer leidenschaftlichsten Kunden zu erfüllen”,
heißt es im Pressetext.
Das neue V8-Triebwerk mit 4.499 ccm, 570 PS stark,
ist als Heck-Mittelmotor direkt hinter dem Cockpit versenkt.
Das F1-Getriebe mit Doppelscheibenkupplung
knüppelt sieben Gänge auf Fingerzug durch. Das Fahrwerk
ist rennsportmäßig aufwändig konzipiert, lässt
sich über Lenkradbedienung nachschärfen bis hin zur
absoluten Nürburgring-Konfiguration.
Und, so sagt seine langjährige Privatsekretärin, Sabine
Kehm, es sei kein Marketinggag – Michael (Schumacher)
habe sich wirklich von der ersten Planungsstufe
an laufend eingebracht und das Auto mit Freude und
Engagement bis zur Feinabstimmung begleitet.
Selbst wenn er nur seinen Namen hergegeben hätte, so
hätte er das für eine faszinierende Fahrmaschine getan.
Ein feuriges, befeuerndes, mit dem Fahrer eine innige
Symbiose abziehendes Supersportgerät ohne Reue,
zugeschliffenes Autofahren in einer gegebenen Höchstform,
der nur mehr der Fahrer mutig zuarbeiten kann.
(Selbst auf niedrigst mögliche CO2-Werte wurde geachtet.
Und wer einen schlechtgelaunten Tag hat, kann mit
13,3 l/100 km voranstochern.)
Der völlig neu entwickelte V8 mit 4,5 Liter Hubraum
(was sich aus dem Typencode auslesen lässt) liegt balancegünstig
im Heck, aber vor der Hinterachse, wovon
man sich mit einem Blick durch den Plexiglasdeckel
überzeugen kann.
Seine 570 PS werden über ein F1-Getriebe mit sieben
Gängen und Doppelkupplungsschaltung per stehendem
Lenkpaddle abgefeuert. Das Handschaltgetriebe, einst
geliebte Kulisse, gibt es endgültig nicht mehr. Nur zwei
Prozent aller F430-Käufer hatten es noch bestellt.
Das trotz Fensterheber, Klimaanlage, elektrischer Sitzverstellung
und ähnlichen Annehmlichkeiten erstaunlich
geringe Gewicht von 1380 kg reduziert das PS-Paket
auf 2,42 kg/PS, was es jedermann erlaubt, den Wagen
per LAUNCH-Knopf in 3,4 Sekunden gegen die Hundert
zu werfen. Aber das sind ungefragte Werte in dieser
Liga, wo man ein höheres Verständnis angewandt
schnellen Fahrens sucht, eingespielt mit diesem phantastischen
Doppelquerlenker-Fahrwerk, dessen unterer
Vorderachs-Lenker zwecks geschmeidigerer Anlenkung
L-förmig ausgeführt ist. Hinten arbeitet ein kompliziertes
Multilenker-Gefüge in geradezu organischer
Sehnen-Kinematik die Fahrbahn ab, dass man jetzt
nicht weiß, ob es sich mehr dem Komfort oder mehr der
Sportlichkeit verpflichtet, so geschmeidig geht es auf
jede Straßen- und Fahrsituation ein. Natürlich lässt sich
alles noch nachschärfen in Richtung Sport und RACE
(Rausfliegen erlaubt!), was man mittels ”Manettino”-
Schalterchen direkt auf der Lenkradnabe bewerkstelligen
kann, der neuen Schalterplatte für erste, zweite und
dritte Bedienungshierarchien bis hin zum Scheiben-
Wischwasch. (Selbst der Blinker wird per Daumendruck
abgefeuert, was man in schnellen Kurzschlüssen
manchmal anstelle des Hochschaltens praktiziert.) Nur
das Radio muss per Hand geregelt werden, aber das ist
einfach: Ausschalten genügt, denn diese Musik kommt
aus keinem Sender, die gibt es nur als Live-Orchester,
und sie erfüllt einen symphonischen Auftrag.
Die Sitzposition ist so ins Auto hineinkonzentriert, dass
sich der Beifahrer zum Balancepaket reduziert. Füße
weit vorgestemmt und rechte Hand am Türgriff. Mehr
Funktion hat er nicht.
Alles ist dem Fahrer zugewandt, allen voran der zentrale
Drehzahlmesser, eine Ikone der Motorenanbetung, deren
Gnadenfeuer bis 9000 Touren reicht, was natürlich
zu neuen klanglichen Dimensionen kontrollierter Hysterie
führt, einem Lied über sämtliche Oktaven sinnlicher
Wahrnehmung, sprühend, freudvoll, und erhebend,
das den Fahrer als integrierten Resonanzkörper
in die Gesamtkomposition Ferrari Italia miteinbezieht,
bis er sich schäbig vorkommt, all dies mit schnödem
Geld erkauft zu haben. 236.900 Euro. Es gibt Leute, so
erzählt man bei Ferrari, die bestellen schon automatisch
die nächsten vier, fünf Modelle vor, damit sie garantiert
bei der Erstauslieferung dabei sind. Sonst muss man
sich dreinfügen, achtzehn Monate auf die Auslieferung
eines neuen 458 Italia zu warten.
Dabei hat man nur die reine Dinglichkeit bestellt. Nichts
am Fahrzeug ist überflüssig, nichts geschmäcklerisch.
Die gesamte von Pininfarina entworfene Karosserielinie
ist der Aerodynamik, aber auch dem inneren Luftdurchsatz
verpflichtet. Kleine Ritzen wie die an den Scheinwerfern
spielen eine große Rolle, die Luft tritt über den
Kotflügeln wieder aus, liegt gebändigt an der Karosserie
an, kühlt und drückt den Wagen (bei Vmax mit 360
kg) zu Boden, so dass man von einer virtuellen Existenz
Nr. 22/2009 Buch VI - AUTO-STAR
ST/A/R 47
Schumi wohnt hier nicht mehr. Aber er kommt immer
wieder gern vorbei, um seinen lukrativen Beratervertrag
abzuarbeiten.
eines Negativkörpers aus Luftfluss und Wirbelströmen
sprechen kann – selbst der Luftaustritt im Heck legt
noch ein Schäufelchen nach und verabschiedet den
Wind so, dass er nicht lästig nachhängen möchte, sondern
grußlos entschwindet. Auch die Menjou-Bärtchen
an der Frontlippe sind funktional: Bei zunehmender Geschwindigkeit
ändern die Winglets ihre Lage und steuern
den eindringenden Luftstrom zunehmend in die Kanalrichtung
”weniger Kühlung, mehr Downforce”. Also
in Richtung des flach ausgebildeten Unterbodens.
Der neue V8 mit Trockensumpfschmierung ist völlig
kompromisslos aufgebaut. 127 PS pro Liter sind eine bei
Saugmotoren bisher unerreichte Dimension. Er besitzt
einen kompromisslos durchkonstruierten Aufbau, um
die maximale Drehzahl von 9.000 U/Min. zu erreichen
– ein Wert, der noch nie zuvor in einem Straßenwagen
erzielt wurde. Das Kompressionsverhältnis beträgt 12,5:1
bei einer Leistung von 570 PS. Dies führt zu einer spezifischen
Leistung von 127 PS/L, was ebenfalls ein neuer
Richtwert für Saugmotoren ist.
Das enorme Drehmoment – 540 Nm bei 6.000/min,
über achtzig Prozent davon ab 3.250/min – lässt den
Spaß schon früh einsetzen. Dennoch steigt die Leistungskurve
bis zur 9000er-Marke hin ununterbrochen
an. Auch das spezifische Drehmoment von 120 Nm/l
ist ein Rekordwert.
Man achtete auf geringste innere Reibung (etwa dank
graphitbeschichteter Kolbenschäfte) und erdachte ein
neues Schmiersystem, das die sogenannte fluidodynamische
Effizienz erhöhen half. Bildhaft übertrieben: Es
wird nicht mehr mit Öl gepritschelt, sondern mittels
Pumpendruck und Gegenvakuum ein kontrollierter
Ölfluss erzeugt, der innere Reibungen reduziert. Dazu
wurden auch spezielle Ölpumpen mit variablem Druckaufbau
erdacht, die ihre Leistung bei höheren Drehzahlen
reduzieren.
Das Motormanagement stellt vier verschiedene Konfigurationen
der Ventile für optimierte Drehmomentwerte
in sämtlichen Drehzahlbereichen zur Verfügung. Drei
pneumatische Drosselklappen befördern à la Trompete
den idealen Luftdurchsatz in jeder Lastsituation.
Split Injection verbessert die Motorleistung. dank Zwei-
Phasen-Einspritzung werden die Verbrennungseffizienz
und das Drehmoment im niedrigen Drehzahlbereich
gesteigert. Ein hoher Einspritzdruck (200 bar) garantiert
eine ausreichende Zerstäubung des Benzins sowie
ein optimales Luft/Benzin-Gemisch bis hin zu 9.000
min. Auch dies führt zu gesteigerter Leistung und niedrigerem
Benzinverbrauch.
Die Abgasanlage wurde so durchkomponiert, dass man
jede Fahrsituation akustisch unterlegt bekommt, ohne
dabei aber je genervt zu sein.
Das 7-Gang F1-Getriebe mit Doppelscheibenkupplung
wurde in seiner Funktion zugespitzt,, um möglichst
schnelle, dabei sanfte Gangwechsel zu ermöglichen. Diese
Technologie basiert auf den voneinander unabhängigen
Managements der geraden und ungeraden Gänge,
die durch zwei separate Eingangswellen vorgewählt werden.
Die Schaltzeiten, also das Überlappen der Phasen
des Öffnens und Schließens der beiden Kupplungen,
liegt bei Null, wodurch es keine Unterbrechung des Motordrehmoments
auf die Antriebsräder gibt, sondern
nur sprühendes Voranbeschleunigen, so lange man am
Gas bleibt
Nach den Setzkasten-Beauties 612 Scaglietti, 599 GTB
und dem schillernden California mit V8-Frontmotor
besetzt der 458 Italia wieder das Dino-Fach, also die
Rolle des Junggesellen-Ferrari zum Fahren aus Freude
am Ferrarifahren, das idealerweise keinen Zweitwagen
verträgt. Kann man sich dann wahrscheinlich eh nicht
mehr leisten.
Alles fließt. Die Linie ist durchgängig und aerodynamisch
auf gleichmäßig anliegenden Fahrtwind hin konzipiert.
Im Uhrzeigersinn: Wie eingeschmolzen wirkender
Motor, Mittelkonsole minus Schalthebel,
Lenkrad wie im Rennsport, Lichtgranate
mit Leuchtdioden im Heck und ein vom
Beamten handsigniertes Probekennzeichen
oberhalb der Auspuffbatterie.
48 ST/A/R
Buch VI - AUTO-STAR Nr. 22/2009
Glückwunsch von Dr. Denker an Fa. Trenka
Der Café als Suppe, die Zigarre aus Brot,
der Cognac ein Sherry: Die Vorspeise zu
Daniel Spoerris palindromischen Diner.
Energisch, dynamisch, langer
Atem: Michaela Kamler vor
dem Geburtstagskuchen
Auch Nachts imposant: Der
Eingang zu den Festsälen in
den Hofstallungen.
100 Jahre Eucarbon, 100 Jahre Erfolg mit Kohle!
100 Jahre, das ist ein klar beschriebener Zeitraum. Kaufen Sie Eucarbon! So fördern Sie
nicht nur die Ökonomie*, sondern auch die Lebensfreude, denn Eucarbon fördert nicht nur
die Verdauung sondern auch Kunst und Philosophie (Siehe: www.eucarbon.com).
Der *ST/A/R* gratuliert herzlich zum Geburtstag und freut sich
auf die weitere Zusammenarbeit.
Die feinsten Häuser vor Ort feiern mit:
MAK, MUMOK und HOTEL SACHER.
Daniel Spoerri
Fachkraft für
EATART und
andere gute
Dinge.
* Besonders in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten erweist sich Gute Verdauung als vorteilhaft, Detailinformationen erteilt die *ST/A/R*-Redaktion gerne, Stichwort: „Kohle durch Kohle“
Nr. 22/2009 Buch VII - Häupl & Wittgenstein
ST/A/R 49
Architektur und Sprache
Heidulf Gerngross, 2009
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Visualisierung: Kurt Caballero
50 ST/A/R
BEITRAG ZUM
LITERARISCHEN DISKURS
ÜBER DEN FEHLENDEN
DISKURS
(aus ganzheitlicher Sicht) v. Manfred Stangl
Über den Begriff der Moderne rümpft
Helmut A. Gansterer anlässlich
deren hundertjährigen Bestehens
im Profil 6 vom 4. Februar vergangenen
Jahres die Nase. Am besten schenke man
der Moderne zum runden Geburtstag
die Vernichtung ihres Namens, meint er.
Attraktiv klingt seine Idee, den Zeitpunkt
für das Geburtsjahr deswegen zu wählen,
weil nur 19o8 der Anteil der Frauen an der
„Werdung der klassischen Moderne“ gleich
hoch wie der Männeranteil gewesen sei.
Weniger schön finde ich seinen Vorschlag,
nicht den Künstlern weiterhin überholte
Einteilungen wie Moderne, Postmoderne
usw. zuzumuten. Alle paar Monate bezauberten
uns neue KünstlerInnen mit neuer
Kunst, daher solle man diese jeweils mit
der Bezeichnung Avantgarde plus entsprechender
Jahreszahl erfassen. Etwa für die
(voriges Jahr) aktuelle Kunstproduktion
Avantgarde 2oo8 usf. Die Zeit der Ismen
sei vorüber. Die Moderne, gerade weil - in
ihren klassischen Erscheinungsformen wie
Fauvismus, Expressionismus, Futurismus -
leicht abgrenzbar, sei ein alter Hut. Die heutige
Kunst solle endlich dahingehend erlöst
sein, wo sie hingehöre: in die Einzigartigkeit
der KünstlerInnen, die ihren eigenen Weg
gingen.
Bestechend wohlig hört sich der Vorschlag
an - wer möchte nicht einstimmen, alle
Einordnungen, Beschränkungen und
Schubladisierungen abzuschütteln, ob
Künstler oder keiner.
Nichtsdestoweniger steckt hinter dem verführerischen
Angebot ein korrumpierender
Ansatz. Auch wenn positiv gemeint:
die Inkraftsetzung jener Anti-Diktion
würde zu weiteren Relativierungen bestehender
Begrifflichkeiten - ob für die Kunst,
die Philosophie oder die Politik - führen.
Die Verschwammung der Begriffe ermöglicht
denen, die Begriffe zum Zwecke
der Irreführung benutzen, erfolgreicher
Menschen hinters Licht zu führen, was
heißt, ihnen unter Vorspiegelung falscher
Realitäten zu verkaufen, was verkauft
werden soll. Entweder das Image des sozial
engagierten Politikers oder das eines
Künstlers, der stets Allerneuestes erschaffend,
als Künstler hoch im Kurs stehend
erkannt werden muss.
Bezüglich politischer Begriffsverwirrung
argumentierte Andreas Mölzer, man dürfe
das alte Links/Rechts-Schema nicht zu
ernst nehmen: sozialpolitisch etwa stünde
die FPÖ links – ich meine, laut Mölzers
Definitionsverwischungsversuch wäre sozialpolitisch
Hitler ebenfalls links zu verorten,
weil er in Wien nach der Besatzung
Österreichs Gulasch für die hungernden
Arbeiterfamilien verteilen ließ und
Arbeitsplätze in der Rüstung schuf.
Ein Künstler sollte deswegen nicht
Avantgardist 2oo8, 2oo7 oder o9 genannt
werden, weil der Avantgardebegriff zwar
die Schaffung von „Neuem“ annonciert,
das „Neue“ aber als Hauptkriterium für
Kunst zu setzen, einer Idee aus der Zeit der
Aufklärung entstammt. Damit erweist sich
diese Kunstdefinition selbst als Produkt
der Moderne, deren Anfänge durch die
Abschaffung des Begriffs „Moderne“ ins
Dunkel zu stoßen, zur Mythologisierung
von Kunst beitrüge.
Außerdem bewirkte die Abschaffung aller
Begriffe die endgültige Verunmöglichung
des Kunst/Literaturdiskurses. Der Künstler/
Literat, aber nicht nur dieser - ihm sei’s
verzieh’n -sondern alle, die einen verbindlichen
Diskurs, aus welchen Gründen auch
immer, verweigern, würden bei jeder grif-
Buch VII - Häupl & Wittgenstein Nr. 22/2009
figeren Beschreibung eines Kunstobjektes/
Textes sofort mit Phrasen wie: „jede
Bezeichnung ist eine unzulässige Reduktion
und damit Herabsetzung“ und „da beschneidet
wer die Freiheit der Kunst“, oder:
„da will wer begnadetes Schaffen repressiv
eindämmen“, auch: „man darf niemanden
verurteilen“, zur Stelle sein.
Die Übereinkunft betreffs der hochgradigen
Individualisierung gerade am Kunstsektor
führt heute bereits zu beinahe militanter
Ablehnung von Kritik, weil (folgere ich)
das geniale Programm des Kults um das
Individuelle gefährdend.
Jegliche Steigerung obiger Haltung erstickte
freilich eine Diskussion über Kunst
schon im Keim. (Und ich weiß aus eigener
leidvoller Erfahrung, wie schnell Diskurse
abgewürgt werden können). Wolfgang
Ullrich stellte in „Tiefer Hängen“ längst
den Trend in jene Richtung fest, dass Kritik
an einem Kunstwerk sofort als unfreundlicher
bis aggressiver Akt gedeutet wird. Mir
widerfuhr die Auslegung meiner sachlichen
Kritik an moderner Literatur als Verächtlich-
Machung der AutorInnen : nichts liegt mir
ferner – natürlich breche ich ein Tabu
(wenn ich das heilige Ich der Moderne zerpflücke)
und wird deshalb meine Analyse
als besonders abgefeimt eingestuft, aber
ich achte alle die zeitgenössischen oder verstorbenen
Ikonen der Moderne und sogar
der Aufklärung als Personen, selbst wenn
ich dem Großteil ihrer Weltanschauungen
harsch entgegenarbeite.
Beschäftigung mit Kunst heißt übrigens
immer Kritik. Einmal fällt sie bezüglich
eines Objekts positiver, einmal negativer,
meist von beiden etwas aufweisend, aus.
Dennoch heißt’s zu Recht „Kunstkritik“
nicht „Kunstvergottung“. Da diejenigen
Ströme in der Kunstkritik derzeit vorherrschen,
die Aussagen über Kunstobjekte
ohnehin nur in Bezug auf innere
Mechanismen und Stimmigkeiten zulassen,
führte die gänzliche Aufhebung umreißender
Grenzen endgültig ins Begriffs-
Nirwana. Franz West – wie es scheint ein
hochtalentierter Künstler – formulierte
seine Abneigung begrenzender Begriffe
mit der Aussage: „Eigentlich kann der
Betrachter stets nur sein persönliches Urteil
treffen. Ein Kunstwerk gefällt einem eben,
oder es gefällt einem nicht.“ Mit diesem
„Kritikansatz“ würde Kunstkritik auf ein
höchstpersönliches Geschmacksurteil
herunter gebrochen und damit jeglicher
objektivierenden Anstrengung enthoben.
Nun sei selbstredend jedem sein persönliches
Geschmacksempfinden und damit
Geschmacksurteil zugestanden. Aber
das Ergebnis muss nicht, wie implizit erträumt,
die Verfeinerung und Ausprägung
des individuellen Geschmacks bedeuten:
meiner Meinung nach geschieht eher
die Nivellierung des Individuellen, das
mangels verbindlicher Kriterien neben
dem „gefällt mir, gefällt mir nicht“ auf
vorgegebene Codes zurückgreifen wird,
und diese beleuchte ich ja in meiner
„Ästhetik der Ganzheit“ kritisch, wobei,
was die Auflistung solcher Codes betrifft,
C. Saehrendt und S. T. Kittl in ihrem Buch
„Gebrauchsanweisung für Moderne Kunst“
hervorragende Arbeit leisten.
Die Disziplin des Diskurses geriet allein
deshalb in Misskredit, weil eine
Inszenierungs- und Medienkultur wie die
unsere überhaupt zu keinem Thema längere
Debatten zulässt. (Außer zum Thema
Islam/Islamismus vielleicht, wo in übergreifender
Islamophopie sich gar Falter-
Journalisten mit BZÖ- Politikern beinaheverbrüdern
– gesehen im Talk of Town
anlässlich der Religionslehrerpolemiken).
Ansonsten finden zu diversen jeweils aktuellen
Gelegenheiten Club 2 Diskussionen
statt, oder werden Stehgesprächsrunden
zusammengetrommelt, doch die Reduktion
von Information zur Ware, der zu
Folge selbst (insbesondere) emotionale
Betroffenheit rasch in bare Münze (bzw.
Verkaufs- und Zuseherzahlen) umgesetzt
wird, verunstaltet die Ideale der globalen
Dauerinformation zum Medienrummel.
Geschehnisse scheinen nur an einem Tag
interessant, längstens solange nicht zu
viele andere Fernsehstationen darüber
berichteten. Zusammenhänge zwischen
den Begebenheiten sind irrelevant,
werden weder gesucht noch wenigstens
anerkannt und das grausigste Ereignis
ist einige Tage nach dessen medialer zu
Tode Aktualisierung in der Flut der nachfolgenden
„Informationen“ vergessen.
Deshalb fordert das Volk kaum politische
Verantwortung ein bei Krisen. Deswegen
nimmt es sich selbst als außerhalb der
Ereignisse stehend wahr. Darum sind die
Informationsofferten der Massenmedien
nur Unterhaltungsprogramm, bei dem
Wichtiges erst wieder in den Fokus rückt,
wenn die nächste unglaubliche Nachricht
die Erde erschüttert – bis zum allernächsten
Tag. So wächst indessen unbeachtet
die alltägliche Gewalt, so verkommen
unsere Kinder zu psychischen und emotionalen
Krüppeln, so verdrängen wir die
Probleme der Pflege in einer überalterten
Gesellschaft, so auch ignorieren wir die
erbarmungslose Ausbeutung Afrikas und
schlittern starrenden Auges in die nächste
Weltkrise (Klima und/oder Finanzen) - und
blicken uns dann erstaunt um, weil keiner
warnte.
Alexander Schießling stellte im letzten
(dem Winter-)st/a/r fest, dass desgleichen
keine Literaturdiskurse (oder Kunstdiskurse
generell) stattfinden. Saehrendt und Kittl
bemerken eine Mutation der Kunstkritik
(durch Kuratoren und Kritiker) hin zum
elaborierten Werbeslogan, der Mega-
Ausstellungen gewinnbringend einem
Massenpublikum anpreisen soll. Diesen
Überhang zu Vermarktungskriterien
und vor allem zu einer allgegenwärtigen
Oberflächenkunst konstatiert ebenfalls
Schießling. Er meint allerdings, dass dieser
Konsumkunst jene Talente gegenübergestellt
gehörten, die im Schattendasein darbend
im Leid ihrer Existenz die Initiation
des Künstlers/Dichters erfahren. Meiner
Einschätzung nach ist gegenwärtig (im
Gegensatz zur klassischen Moderne)
nicht Leid der Nährboden, aus dem Kunst
quillt, sowenig ich freilich die augenblickliche
Überhöhung des Erfolgreichen,
Bekannten und Teuren (was alles meist
im Originalitätsspektakel zusammenfließt)
als Kunstkriterium anerkennen möchte.
Der Zorn einiger gegenwärtig bedeutender
AutorInnen/KünstlerInnen (gerade in
Österreich – siehe Streeruwitz oder Jelinek,
welcher im Speziellen für ihr unermüdliches
politisches Engagement Anerkennung
zu zollen ist) richtet sich gegen die
Scheinschönheit der Glitzerwelt, wie sie
Werbeindustrie und Hochglanzmagazine
feilbieten. Doch funkeln die beiden - scheinbar
sich ausschließenden - Welten als die
zwei Seiten derselben Medaille. Auf der künstlich
schillernden prostituieren sich junge
Frauen, die gerne Top-Models wären durch
den Seelenstriptease (bis von den Seelchen
nichts mehr eigenes bleibt - Model im
wahrsten Sinne des Wortes, hineingegossen
die Erwartungen der schönen neuen
Bilderwelt: wobei am katastrophalsten sich
bei allen Super-Star-Shows die - nicht allzu
- unterschwellige Botschaft auswirkt, es
zählten nur die Besten, die Fittesten, die
Konkurrenzbereitesten, Ehrgeizbesessenst
en,Wettbewerbsgierigsten, Erfolgsgeilsten:
trägt dann die Masse der „Verlierer“ nicht
zu größerer Hoffnungslosigkeit in der
Gesellschaft, zu Selbsthass und Projektion
der verzweifelten Wut auf Randgruppen
bei?) und über die Fernsehkanäle flimmern
die Storys der Reichen, Schönen und
Berühmten, doch auf der anderen Seite - im
„Schatten“ - tummeln sich ebenfalls einige
eitle GesellInnen, die ihren Schmerz zur
Schau stellen, ihn zu vermarkten gemäß der
Regel: der groß Leidende müsse zugleich
der große Künstler sein. Solch Auffassung
brachte nach meinem Verständnis eine
Kunstideologie hervor, die Kunst seit der
Aufklärung als Ersatzreligion begreift, die
einerseits als eigenständige Religion (mit
den entsprechenden Merkmalen, wie völlige
Autonomie etc.) sich selbst verheißt,
sowie andrerseits eine gewichtige Säule
des Überbau der Moderne-Kultur mit
deren Zentrierung ums Ich darstellt. Dazu
müssen, wie in jeder richtigen Religion,
Märtyrer die Übermenschlichkeit der
Ideologie beglaubigen, die sich ja als weitaus
wertvoller präsentieren will, als ein
einzelner Mensch – sei es ein Genie –
je sein kann. Optimal ist natürlich die
Verquickung von beidem: Das Genie ist
zugleich der jung versterbende und als
Held der Moderne(-n Kunst) im Gedächtnis
bleibende Einzelne. Das Genietum wird
damit gewürdigt, der Einzelne unter die
Idee vom Geniesein untergeordnet, doch
verweist der Genialitätskult wieder auf
Vergottung des Einzelnen, des Besonderen,
des Individuellen zurück.
Dass der im Schatten Wuchernde in seiner
Vereinzelung leidet, dass er kein halbwegs
normales, angenehmes Leben führt, tut der
Idee des Großartigen keinen Abbruch. Im
Gegenteil: dieses Unglücklich-Sein, dieses
Leid garantiert ja erst die Wichtigkeit der
von solch Verzweifelten hervorgebrachten
Kunst. Hier muss ich Schießling widersprechen:
ein gewaltiges Stück Narzissmus
gehört zu einem Leben, das auf jegliche
„normale“ Lebensqualität verzichtet, um
vor sich selbst als Außerordentlicher, als
Originaler, als Genie gelten zu können.
Meiner Erfahrung nach quälen gerade die
Talentierten unter den Künstlern/Dichtern
sich leicht ein Leben lang mit dieser
Märtyrerrolle herum, vor allem dann, wenn
sie mehr oder weniger Erfolg haben und
deshalb die Moderne-Masche durchzuziehen
sich berufen fühlen, anstatt Wege aus
dem Schlamassel persönlich zu suchen und
künstlerisch aufzuzeigen.
Aus ganzheitlicher Sicht liegt die
Lösung weder im schönen Schein
der Luxuskunst sich selbst vermarktender
Künstler-Manager, noch in den
Entbehrungen der Schattenexistenz oder
der (oftmals) larmoyanten Konfrontation
der „Durchschnittsbürger“ mit dieser
Gräuel-Welt. Nicht soll den Leuten die
Auseinandersetzung mit den verdrängten,
mit den persönlichen und kulturellen
Schatten erspart bleiben, nicht sollen
die Schandflecken einer Kultur übertüncht
werden, die - wie Schießling spannend hervorhebt
- bereits heute Züge eines szientistischen
Faschismus zeigt. „Der Fritzl steckt
in jedem von uns“, spricht Hubsi Kramer
mutig aus und wird dafür angefeindet, wie
einst Urs Allemann, als er im „Babyficker“
die Sichtweise des Kleinkinderschänders
einnahm, den Leser mit verdrängten
Schemen zu konfrontieren. Entrüstet brüllen
gerade diejenigen auf, welche sich den
eigenen Schatten nicht stellen: Kramer
nutzt den öffentlichen Diskurs, um Kunst/
Theater dorthin zu führen, wo sie/es auch
Wolf Guenter Thiel gerne hätte: in den
Fokus gesellschaftlicher Relevanz, den
Kunst umfassender wieder erhalten könnte,
sobald sie ethisch orientiert (alleine deshalb
schon in einer gleichgültigen, auf Ignoranz
und Profit ausgerichteten Welt) provoziert,
und ihre diversen Stilmittel verstärkend zu
diesem Zwecke nützt.
Natürlich wird der Künstler/Autor den
Einsatz der ästhetischen Mittel genau
abwägen müssen. Provokation als beliebtes
modernes Mittel allein erscheint zu
wenig: sie dürfte nur Mittel zum Zweck
sein – eben, wie es Kramer gelingt, um
Aufmerksamkeit für Inhalte zu schaffen, sodass
er den Zusehern bei „Talk of Town“ zu
vermitteln vermag, dass die allgegenwärtige
Sexualisierung und Pornographisierung
der Gesellschaft zu vermehrtem sexuellen
Missbrauch in den Familien führt.
(Inwieweit ein Künstler dabei wieder bloß
den Medienmarkt bedient wäre gesondert
zu diskutieren, allzu großer Pessimismus
erwiese sich als Hemmnis. Provokation
als Selbstzweck allerdings dient nur der
Eigenwerbung der Super-Markt-Künstler
und der Profilierung sich aufplusternder
Medienkonservativer).
In einem Essay (erschienen in der wienzeile
Nr. 22/2009 Buch VII - Häupl & Wittgenstein
ST/A/R 51
Nr.51) zum Werk Michel Houellebecqs arbeitet
Schießling heraus, dass jener (zumindest)
einer Vorstufe eines szientistisch-biologistischen
Faschismus huldigt, welcher
letztlich den genverbesserten, schönen, jungen
und kräftigen neuen Menschen zum
Ziel hat, woraufhin Schießling von Peter
Gutjahr (im wienzeile Heft 53) gescholten
wird, eine wissenschaftsfeindliche Position
zu vertreten, und wir wüssten ja alle wohin
solch - die Irrationalität beschwörende
- Geisteshaltung führe. Bei allem Respekt
vor Peter Gutjahr als integre Person - ich
musste über diesen Reflex lachen, jede
Kritik an unserer modernen, wissenschaftsgläubigen
und entfremdeten Zeit sofort als
rechtslastig anzuprangern; zu genau erinnere
ich mich an die völlig unsachliche und
undurchdachte Ablehnung meiner ganzheitlichen
Einstellung, die von intellektualistischer
Seite geradezu automatisch als
faschistoid denunziert wurde.
Dabei beschreibt Schießling Houellebecq
zutreffend, lautet die Quintessenz von
„Elementarteilchen“ doch, dass die
Sexualkraft sowie Monopole und Kriege in
Zusammenhang stünden. Diese im Grunde
kryptochristliche Haltung, welche die Natur,
die Sinne und die Emotionen der Menschen
verantwortlich für alles Böse auf der Welt
macht, trägt in Wahrheit zur Verdrängung
und damit zu größerem Leid bei: nicht die
Gefühle zerstörten die Welt, sondern des
Menschen Fähigkeit zum instrumentellen
Gebrauch des Verstandes, der reichlich
unvernünftig eingesetzt, Natur, die Erde,
das Überleben des Menschen bedroht. In
meiner „Ästhetik der Ganzheit“ bekenne
ich mich zu Emotion und Sinnlichkeit, zu
Mitgefühl und Intuition und werde am
schärfsten attackiert von wohl jenen, die
ihre Körperlichkeit, ihre Gefühle, ihr Sein
unter der Zementdecke der Zivilisation am
rigidesten ersticken.
Die Gläubigen der Wissenschaft und
Vernunft übersehen, dass die wissenschaftliche
Denkweise und die psychische
Verkrüppelung einander nicht nur nicht
ausschließen, sondern gar bedingen. Der
Herrschaft des Verstandes, der Schärfe der
Logik entspricht im Faktischen die Gewalt,
heißt es sinngemäß in Peter Oberdorfers
Roman „Kreuzigers Tod“. Sehr wohl kann
der Verstand mit seiner Fähigkeit zu intellektualisieren,
zu verdrängen, zu rationalisieren
(wie wir aus der Psychologie wissen),
allerlei Ursachen für Probleme erfinden,
indessen aber die abgrundtiefe Wut im
eigenen Inneren, die verkrüppelte Seele und
die verkümmerten Gefühle total übersehen
– gar all jene „negativen“ Eigenschaften leicht
auf Andere projizieren: auf die Künstler
und Autoren etwa, die darüber aufzuklären
versuchen. Ein Diskurs darüber scheint
dennoch unmöglich, da die Künstler,
welche der Kunst als Religionsersatz frommen
und dem Glauben an die Ratio anhängen,
selber die Diskussion über das verstandesorientierte
Ich der Moderne, über
die daraus folgende Relativierung ethischer
und moralischer Werte und den Verlust von
Liebe und Mitgefühl, als Tabubruch - weil
Verstand und Denken kompromittierend -
verweigern.
Die alleinige Beschwörung der Vernunft,
die Analyse der Zustände (zumal mit
Fokussierung der Extreme) gilt aus ganzheitlicher
Sicht jedoch als unzureichend.
Die etwa von einer Jelinek wiederholte
und nicht enden wollende Abspulung von
Zerstörtheit und Schmerz überschwemmt
die tatsächlichen Gründe des Leids wortund
bildgewaltig. Wie anfänglich gesagt:
Kunst ist nicht selbstredend Leid, und die
überbordende Auflistung von Negativem
zeichnet gefährlich kompakt eine Welt
des Schreckens und der unauflöslichen
Zerstörung, die gerne als die wirkliche
Welt missdeutet wird, sodass keinerlei
Überwindung oder wenigstens Linderung
möglich scheint.
Damit sind die Zyniker und Quasirealisten
aus dem Schneider, welche Provokation
oder postmoderne Relativierung und
Dekonstruktion fordern: oftmals - ohne jegliche
ethische Ausrichtung - letztlich alles
ums Ich rotieren lassen, sämtliche Mittel
der Kunst schänden, sich selbst darzustellen
und zu erhöhen, sodass in der scheinbaren
Höhe ihrer Kunst bloß die tatsächliche
Größe ihres (meist narzisstischen)
Komplexes sichtbar wird. Natürlich darf
dem Künstler nicht sein Schmerz auch noch
vorgehalten werden; sein Leid resultiert
zumeist aus der seelenzerstörenden Gewalt
einer, das Sein erdrückenden, Kultur: die
Methode aber, die eigene Zerstörtheit
als Turbo-Antrieb zur Befriedigung und
Inszenierung narzisstischer Wünsche nach
Erfolg und Anerkennung zu missbrauchen,
muss schon kritisiert werden dürfen, ohne
gleich in Verdacht zu geraten, Begriffe wie
„Entartung“ in die Debatte einführen zu
wollen. Immerhin verhindert gerade der
blühende Narzissmus zahlreicher Künstler/
Philosophen/Intellektuelle die Möglichkeit
der Einsicht in die Zusammenhänge von
(formal oftmals brillanter, doch inhaltsleerer)
Oberflächenkunst und Imagegesellschaft
- ärger noch: trägt deren Narzissmus ja
zur Verbreitung von phantasmagoriescher
Oberflächlichkeit bei.
Wie verstrickt die Pseudoethik intellektueller
Erwägungen und schierer Zynismus unter
einer Decke stecken können, dokumentiert
gerade Houellebecq, wo dessen kryptochristliche
Moral aus „Elementarteilchen“
zu blanker Verhöhnung der Ausgebeuteten
gefriert, wenn in „Plattform“ er den Tausch
von Geld (aus der reichen Welt) gegen Sex
(in der dritten Welt) billigt, überhaupt die
Begegnungen zwischen Männern und
Frauen (in der Karibik und Thailand) eher
an Softporno-Männerphantasien als an irgendeine
Realität erinnern. Nun lasse ich
mir von niemandem sagen: „Das ist ja der
künstlerische Kniff dabei, so will er provozieren
und Aufmerksamkeit gewinnen
und fürs Thema sensibilisieren.“ Nein, das
genaue Gegenteil ist der Fall: der Autor hat
nicht - wie in heutiger Kunstauffassung -
nichts mit dem Werk gemein, er und die
Romanfiguren hängen sehr wohl zusammen,
allein H. nutzt die diesbezügliche
Verwirrung zur Geschäftemacherei und
(siehe Schießlings Analyse) zur Verbreitung
einer beispiellos bedenklichen Ideologie.
Seit der Aufklärung beherrscht der Verstand
die Kunst. Bald erklärte die Kunst ihre
Unabhängigkeit von der Welt. Vor nicht allzu
langer Zeit galt auktoriales Erzählen als
ideologisch und verpönt, da ein Erzähler in
dritter oder erster Person dem Autor „gottähnliche
Macht“ über die Romanfiguren
bescheren würde, als ob die Sprachwülste
des interpunktionslosen und betont inhaltsleeren
Dauerreflektierens „experimenteller“
Literatur nicht ebenso einer bestimmten
Denkungsart folgten: der Weltanschauung
der Aufweichung nämlich, der Auflösung,
der Absurdität, die aber - wider aller
Beteuerungen - prompt in die Allmacht des
dahinterstehenden, uneingegrenzten Ichs
(und dessen Ideen) steuerte. Die Autoren
erklärten schließlich ihre Wahrnehmungen,
ihre Gedankenwelten als unabhängig
von sich selbst – als quasiobjektiv: welch
Anmaßung der Allmacht des Denkens!
Gleichzeitig definierten die Kritiker die
Unabhängigkeit des Werkes vom Autor,
und schließlich verfiel die Kunstwelt der
Phantasie, Kunst/Literatur sei, was der jeweilige
Betrachter/Leser selber in das Werk
hineinblicke, womit jeder mögliche Diskurs
endete.
Gegenwärtig kehrt die Literatur zum
Erzählen zurück, nimmt aber häufig die
Relativierungen und den Wertverlust der
Dekonstruktionsphase und des vorangegangenen
quasiwissenschaftlichen Experiments
mit der Sprache in dieses neue Erzählen hinein.
Autoren üben also wieder Macht über
ihre Romanfiguren aus, zugleich indes
wird so getan, als ob diese nun, geläutert
im wissenschaftlichen Experiment und den
Weihen der Dekonstruktion, nie mit einer
Grundeinstellung des Autors zusammenhingen,
sondern als weiterhin vom Autor getrennte
Entitäten existierten. Doch es ist der
Autor, der etwa die Erzählfigur in bestimmte
ausgewählte Szenen stellt, in denen
diese übers Geschehen berichtet; also vermittelt
der Autor wiederum Ideologie, doch
offiziell, mystifizierend, werden explizite
Weltanschauungen nach wie vor empört
abgelehnt.
Es ist der Verdienst Alexander Schießlings
in seinem Essay über Houellebecq deutlich
zu machen, dass mittlerweile ungeniert ein
szientistisch-biologistischer Faschismus
sich Bahn bricht, gespiegelt im kaum verhüllten
Weltbild des Autors, was wohl nur deshalb
übersehen werden konnte, weil in den
Begriffs- und Diskursverwirrungen einer
abgehobenen, scheinautonomen Kunstwelt
der Überblick über das Augenscheinliche
verloren gegangen ist.
Schießling stellt drastisch den
Zusammenhang des Denkens der
Erzählfigur mit dem des Autors her und
resümiert: „H. könnte an jeder Stelle seiner
Romane uns wissen lassen, dass er anders
als die Erzählfigur denkt.“
Ich bemängle, dass H. sich spätestens
in „Plattform“ überhaupt nicht
von der Erzählfigur abgrenzt, sodass
der Romanantiheld (der notabene das
neue Erzählen zuhauf bevölkert) seinen
Sarkasmus und die psychische Kälte durch
H. „autorisiert“ bekommt: Wodurch die
entfremdeten Mittelstands-Leser des reichen
Europas sich in ihren selbstbefriedigenden
Meinungen durch den berühmten
Superstar bestätigt fühlen dürfen.
In „Ausweitung der Kampfzone“ ironisiert
H. die Erzählfigur souverän und hilft
Verdrängtes und Ausbeuterisches aufzuarbeiten.
Später aber vertritt H. die (nun eher
intellektualistisch
gefühls- und naturfeindliche denn kryptochristliche)
Weltanschauung eines szientistischen
Rassismus, dem folgend die reichen,
schönen, zwar seelisch angekränkelten, aber
nichts desto trotz zahlreichen Bürger (deshalb
verkauft er sich so gut) Europas (und
den USA) das Recht haben, für ihr Geld
sich an der weniger gestörten Sinnlichkeit
der Wilden zu bedienen. Zudem habe die
Natur uns schwer geschädigt, da wir altern
und sterben müssen, deswegen könnten
wir uns an den „Schwächeren“ schadlos
halten, zudem vermögen wir die Natur und
unser Schicksal nur mittels Gentechnik
und Klonkörper zu überwinden.
Schießling schließt: „Elementarteilchen“
und H.’s letzter Roman „Die Möglichkeit
einer Insel“, seien der Entwurf eines szientistischen
Faschismus, der die Macht über
die Menschen einer wissenschaftlichen
Elite zu Füßen legt.
Schießlings Analyse ist hochbrisant,
ergänzen möchte ich, dass Szientismus
(also der Glaube, die Wissenschaften
könnten die Welt lückenlos erklären) und
Intellektualismus zwei Pfeiler desselben
Überbaus der Ich-Ideologie (der Moderne)
bilden. Der Intellektuelle wird, wie in
Diskussionssendungen im TV beobachtet,
die Reduktion des Menschen auf seine
biochemischen neuronalen Impulse erbost
zurückweisen, doch er selbst, der an
einen Geist glaubt, der an das einzelne
Hirn gekettet ist, unterscheidet sich in
den Konsequenzen seines Glaubens (der
Verstand könne die Welt restlos erläutern –
wenigstens begreifen) nicht wesentlich vom
Biologisten oder Szientisten. Künstliche-
Intelligenz Forscher basteln an einem
Bioroboter, der - unter Ausmerzung der
Erbsünde Körperlichkeit - das Denken als
gottgleich für ewige Zeiten konserviert.
Ästhetische Prinzipien zu erarbeiten,
welche primär ethische Aspekte beinhalten,
die obige Schreckensszenarien der
Gegenwart und nahen Zukunft zu bewältigen
helfen, wäre die Aufgabe derjenigen,
deren Hauptanliegen in der Überwindung
der Dekonstruktionswut der Postmoderne
liegt; wie z.B. für einen Wolf Guenter
Thiel.
In der von mir verfassten - noch nicht abgedruckten
- „Ästhetik der Ganzheit“ finden
sich die Prinzipien Stille, Einfachheit,
Mitgefühl, Ausgewogenheit (zwischen
Provokation/Ironie/„Negativität“ und
Erkenntnis des Schönen), Emotionalität/
Sinnlichkeit/Intuition (genauer ausgeführt
im Winter-st/a/r Heft Nr. 2o und unter
www.sonneundmond.at).
Als kleinsten gemeinsamen Nenner könnte
man gelten lassen, was Eva Menasse über
die Gestaltung von Romanfiguren eines
amerikanischen Schriftstellers sagt: Es geht
nicht allein um die präzise Ausarbeitung,
wirklich schön wird’s, wenn der Autor
seine Figuren geradezu liebt. „Liebe“ ist
ein starkes Wort, aber hier das einzig
richtige. Sympathien für die Figuren zu
empfinden, gar für eine Erzählfigur, die
dann sympathischen Sex mit einer netten
Farbigen hat, oder mit einem Antihelden
sich zu identifizieren, der linkisch einige
Abenteuer bewältigen muss, dann aber eh
die Karriereleiter nach oben fällt („Was wir
tun sollen“), oder der die Welt vermessend,
Natur und Exotik sich untertan macht, verweisen
auf das Ich der Moderne, auf die
narzisstische Bespiegelung der persönlichen
Einzigartigkeit und Grandiosität,
haben aber mit Liebe zur Welt, zu andern
Menschen, zur Schöpfung, zum eigenen
inneren Selbst überhaupt nichts gemein.
(Wobei die provokante und ängstigende
Frage sich aufdrängt: Hat der Erfolg Daniel
Kehlmanns gar mit der szientistisch ästhetisch-faschistischen
Gesinnung bereits unheimlich
vieler Zeitgenossen zu tun?).
Im Mittelpunkt steht der Mensch. Und rundum
stirbt die Natur. Die Haltungen ganzheitlicher
Kunst münden in Lebensfreude
und Naturliebe. Das „Sein“ des Menschen
ist umfassender als das Konzept seines Ich.
Die Ich-Konzeption ist zeitlich und kulturell
bedingt. Das Ich der gegenwärtigen
Ich-Ideologie klammert fast vollständig das
„Sein“ aus, definiert sich über den Verstand
(den instrumentellen speziell: was meint,
die Geschicklichkeit des Denkens zum
eigenen Vorteil zu nutzen), den Erfolg (also
hierarchische Maßstäbe) und zunehmend
über das, was Schießling als ästhetischen
Faschismus beanstandet („ästhetisch“ heißt
hier: das gesellschaftliche Wertesystem
infiltrierend; vorerst (!) nicht als „Recht“
verbindlich).
„Sein“ meint die Eingebundenheit in Welt
und Natur. Bedeutet Gefühle und Intuition
zuzulassen. Ein Eiszeitatheismus muss jegliche
Rückverbindung des Menschen an
etwas Anderes, Größeres wüst bekämpfen.
Hier verschmolzen Kunst und Wissenschaft
zu unheilvollen Verbündeten. Intellekt und
der Glaube ans Sichtbare, Materielle zerren
den Menschen aus der Einheit mit der
Welt, zerschmettern sein Urvertrauen (bereits
in der Kindheit, wenn körperängstliche
Mütter ihre Kinder unbewusst ablehnen
bzw. symbiotisch vereinnahmen, was heißt:
es fehlt das Gefühl für lebendige Grenzen;
und später wenn die Kinder bloß über ihre
Leistungen bestätigt werden und dadurch zu
Gefolgsleuten der Karriere/Konsumkultur
herangebildet werden). Isolation,
Entfremdung, Zynismus, Misanthropie,
Gewaltausbrüche aus Hoffnungslosigkeit
und Angst sind die Folge. Der heutige
Moderne schreit und schreibt aus dieser
Angst heraus, er findet den Ausweg nicht,
weil seine Vorurteile, seine Analyse- und
Zerstückelungszentriertheit ihn davon
abhalten, den kulturellen Narzissmus zu
überwinden, in dem er mit der eigenen
Seele feststeckt; ein Narzissmus, der ihm
Heilung als etwas Kitschiges, Romantisches
bis Faschistoides rationalisiert. Im
Fortschreiten der Moderne kam zudem das
Verständnis des sogenannten „Finalzwecks“
abhanden; alle Analyse richtet sich derzeit
auf Ursachen, auf letzte Entstehungsgründe
für Leid und Übel, sodass wir immer unverständiger
und verbitterter auf das harte
Los der Lebensbewältigung starren, statt
die Herausforderungen zu schätzen, die
in Problemen und Krisen liegen, um etwa
den eigenen Anteil an Konflikten zu erkennen
und/oder die Lehren des Schicksals für
uns (und die Kultur) zu begreifen und anzunehmen,
was allerdings eine spirituelle
Sichtweise der Dinge voraussetzt.
Religiosität allein schützt freilich vor
Narzissmus nicht. Wie wir gerade am Ex
US-Präsidenten und dessen Gut/Böse-
Ausschließlichkeitsreligion erfahren mussten.
Ohne Vertrauen und ganzheitliche
Sicht der Zusammenhänge jedoch gehen
wir inmitten all unserer Rationalität
(nicht zuletzt in Begriffslabyrinthen,
Relativierungsdiffusionen und emotionaler
Dissonanz) verloren. Viel gäbe es zu debattieren.
Wenigstens ein kleiner Beitrag möge
geleistet sein.
Informationen zur „Ästhetik der
Ganzheit“ sowie zum Sonne und
Mond Förderungsverein für ganzheitliche
Kunst und Ästhetik unter
HYPERLINK “http://www.sonneundmond.at”
www.sonneundmond.at
Städteplanung / Architektur / Religion Buch VII - Häupl & Wittgenstein ST/A/R 53
Landmarks & Talking heads 2009
Ungewöhnliche Architektur-Portrait-Fotos von Peter Korrak
„schwindelerregend“ wirken auf den ersten Blick viele der Photographien von Peter Korrak,
die er über längere Zeit hinweg mit seinem Projekt „landmarks & talkingheads“ realisiert hat.
Mit diesem einzigartigen Vorhaben werden aus einer ungewöhnlichen Perspektive heraus Persönlichkeiten
aus Kultur, Kunst, Politik, Sport, Klerus und Wirtschaft mit „ihren“ Bauwerken und deren
Architekturen gewissermaßen verschmolzen.
Nicht nur die phototechnische Brillanz (Hasselblad H3D – die Digitalkamera mit dem derzeit höchsten
Auflösungvermögen von 60 Millionen Pixel ist ihm gerade gut genug) fasziniert, sondern auch
die Intention und Konzeption: Die spezifische Verschränkung von Portrait- und Architekturphotographie
eröffnet neue Wahrnehmungsformen, indem die Individualität der Persönlichkeiten mit der
Individualität der Architekturen korreliert und dadurch neue Blicke auf Bekanntes und Vertrautes
ermöglicht.
54 ST/A/R
Buch VII - Häupl & Wittgenstein Nr. 22/2009
ST/A/R-Kulturinitiative
Buchmesse – Frankfurt am Main
sponsered by
Distribution of 400 ST/A/R’s
in Frankfurt
13–18 Okt. 2009
Dr. Tolstoj
DI.Heidulf Gerngross
Vallie Airport
aka Goeschel
Protest gegen China.
Nr. 22/2009 Buch VII - Häupl & Wittgenstein
ST/A/R 55
Volksbuch neuauflage -
auch als ebook
Größter Mann der Welt
Gerngross
Kleinster Mann
der Welt
Cubasch (Verlag der Apfel /
www.verlagderapfel.at) im
Gespräch mit
Heidulf Gerngross
56 ST/A/R
Buch VII - Häupl & Wittgenstein Nr. 22/2009
Anna-Maria Bogner
www.ambogner.com
„DER ZU-GEDACHTE RAUM“, 2007
Installation/ Verlegeplatten, Stahl, Licht;
(Breite: 0,70m, Höhe: 2,50m, Länge: 9,90m)
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch VIII - Presseinformationsdienst ST/A/R 57
Hauptbahnhof Wien
Mehr als ein Bahnhof.
Der Südbahnhof ist bald Geschichte. An seine Stelle tritt der Hauptbahnhof Wien, modern und zentral gelegen. Gleichzeitig mit dem
neuen Bahnhof entsteht ein attraktives Stadtviertel – optimale Verkehrsanbindung und hohe Wohnqualität inklusive.
Schnellere Zugsverbindungen, hoher Reisekomfort, beste Anbindungen in die City: Der neue Hauptbahnhof Wien wird eine wichtige Drehscheibe
im Herzen Europas. Mit einem entscheidenden Vorteil: Züge können aus allen Richtungen kommen. Und danach in alle Richtungen weiterfahren.
Der Hauptbahnhof entsteht zwischen dem derzeitigen Südbahnhof und dem Südtiroler Platz, auf dem sich auch der Haupteingang befinden wird.
Neben der U1 garantieren 11 S-Bahnen, 3 Straßenbahnen und Busse eine gute Anbindung in die Stadt. Das Bahnhofsgebäude selbst wird modern, hell
und barrierefrei. Ein bunter Mix aus Geschäften und Gastronomie lädt zum Bummeln und Verweilen ein.
Am Puls der Zeit: Ein neues Stadtviertel für Wien
Insgesamt 59 Hektar wird er groß sein, der neue Stadtteil entlang dem Hauptbahnhof- Areal. Zwischen Wiedner Gürtel im Norden, Arsenalstraße
im Osten und Sonnwendgasse/Gudrunstraße im Süden und Westen. Rund um einen weitläufigen Park entsteht im Süden des Areals ein attraktives
Wohnviertel. Mit 5.000 Wohnungen für zirka 13.000 Menschen – Richtung Ostbahn gut abgeschirmt durch Büro und Gewerbegebäude. Die Stadt
Wien sorgt für gute soziale Infrastruktur: Unter anderem mit einem Bildungscampus mit Schule und Kindertagesheim.
58 ST/A/R
Buch VIII - Presseinformationsdienst Nr. 22/2009
Alle Wege führen durch Wien
Wien hat in Europa zunehmend an Bedeutung
gewonnen. Besonderen Stellenwert hat die
Stadt als Verkehrsknoten: hier kreuzt der Donau-
Korridor West-Ost die Nord-Süd-Achse Berlin-
Prag-Wien.
Parallel verläuft die sogenannte
„Magistrale für Europa“, eine Eisenbahn-Hochleistungsverbindung
zwischen den Städten Paris,
Straßburg, Stuttgart, München, Salzburg, Wien
und Budapest, für deren Ausbau die Stadt Wien
verstärkt eintritt.
Durch die Reformen in Osteuropa und die EU
besteht die Chance, den Donauraum wiederzubeleben,
der seit jeher eine Kultur-und Wirtschaftsachse
ist.
Nr. 22/2009 Buch VIII - Presseinformationsdienst
ST/A/R 59
HAUPTBAHNHOF WIEN – Ab 13. Dezember: Südbahnhof, adieu!
Demnächst geht’s los:
Wien baut einen neuen, modernen Hauptbahnhof und ein attraktives
Stadtviertel. Auf dem Areal zwischen Wiedner Gürtel, Arsenalstraße,
Gudrunstraße und Sonnwendgasse.
Schnelle Zugsverbindungen, hoher Reisekomfort, optimale Anschlüsse:
Der neue Hauptbahnhof Wien wird Drehscheibe für
den regionalen, nationalen und internationalen Reiseverkehr. Mit
einem modernen Bahnhofsgebäude direkt am Südtiroler Platz mit
der U1-Station. Baustart ist Anfang 2010 – erste Veränderungen im
Schienenverkehr gibt’s bereits heuer.
13. Dezember 2009:
Südbahn endet in Meidling
Der Südbahnhof schließt – die Bahnsteige 11-19 werden stillgelegt.
Der Bahnhof Wien Meidling übernimmt teilweise die Funktion des
Südbahnhofs. Die Fernverkehrs- und Nahverkehrszüge der Südbahn
und die Fernverkehrszüge der Ostbahn enden und beginnen zum
Großteil in Wien Meidling. Die meisten Nahverkehrszüge der Südbahn
werden über die Stammstrecke durchgebunden.
S-Bahn-Stammstrecke durchgehend in Betrieb
S-Bahnzüge und Nahverkehrszüge, die Richtung Floridsdorf fahren
und von dort kommen, verkehren wie bisher. Die S-Bahn-Station
Südbahnhof ist während der Errichtung in Betrieb und erhält provisorische
Stiegen-Aufgänge und Lifte in den Schweizer Garten.
Wien Südbahnhof (Ostbahn)
Ein provisorischer Ostbahnhof für den Nah- und Regionalverkehr der
Ostbahn sowie für die S 60 wird auf Höhe Schweizer-Garten-Straße
errichtet. Dieses Provisorium bietet die übliche Bahnhofs-Infrastruktur.
Großer Baustart 2010
Der Südbahnhof wird Anfang 2010 abgetragen. Danach stehen Aushubarbeiten
auf dem Programm, um die Fundamente errichten zu
können.
Die ersten Züge ab Ende 2012
Im Dezember 2012 erfolgt die Teil- Inbetriebnahme des Hauptbahnhofs
– der Hauptbahnhof Wien wird erstmals im Fahrplan der ÖBB
aufscheinen.
Gesamtfertigstellung des Bahn- Infrastrukturprojekts 2015. Der provisorische
Ostbahnhof wird auf Höhe Schweizer-Garten-Straße
errichtet.
Hauptbahnhof Wien – Zeitplan
Ab 13. Dezember 2009:
• Sperre Südbahnhof (Südbahn):
Bahnsteige 11-19 werden stillgelegt.
• Fern- und Nahverkehrszüge der Südbahn
und Fernverkehrszüge der Ostbahn ab/bis
Wien Meidling.
• Provisorischer Ostbahnhof für den Nah- und
Regionalverkehr der Ostbahn auf
Höhe Schweizer-Garten-Straße.
• S-Bahn-Stammstrecke durchgehend
in Betrieb.
Weitere Informationen unter:
www.hauptbahnhof-wien.at
2010:
• Abriss des Südbahnhofs und großer
Baustart
• Aushub- und Fundamentarbeiten
• Beginn des Umbaus des Wiedner Gürtels
Ende 2012:
• Teilinbetriebnahme Hauptbahnhof Wien
2013/14:
• Fertigstellung erster Wohnbauten und
eines Parkteiles
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch VIII - Presse
Neben dem Bahnhof entsteht ein neues
Stadtviertel direkt im Zentrum Wiens:
Aufwertung des gesamten Gebietes.
Beseitigung der Barriere zwischen den Bezirken.
Ca. 5.000 Wohnungen für ca. 13.000 Menschen
Büroflächen für ca. 20.000 Menschen
8 ha Park (doppelt so groß wie der Rathauspark)
Schulcampus (Volks-+ Mittelschule, Kindertagesheim)
gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln:
U1, Verlängerung der U2 in den neuen Stadtteil, S-Bahnen (S1, S2, S3, S5, S6, S8, S9,
S15), Straßenbahn Linien 18, 0, D, Autobuslinien 13A, 69A
idualverkehr.
U
-Bahn, S-Bahn, Bus: Der der U1 am Südtiroler Platz:
Hauptbahnhof ist gut an Durch eine Passage gelangen
informationsdienst llem im Bereich Matzfer
Platz zu Behinde-
angebunden. So werden etwa
das öffentliche Verkehrsnetz Sie direkt zum Bahnhof. ST/A/R 61 ■
für
Zahlen,
den Individual-
Daten
die
&
Buslinien
Fakten
13A
zum
und 69A
. So wird es ab Juli in sowie die Straßenbahnlinie O
ester
Projekt
Straße und
Hauptbahnhof
in direkt am nördlichen
Wien
Vorplatz
eine Haltestelle erhal-
runstraße zunächst
swärts – ab August in ten. Die Linie 18 wird ihre
Fahrtrichtungen >> Leistungsdaten – zu jetzige Bahn-Infrastruktur Haltestelle behalten. Projekt
änkungen kommen.
itig mit Schulbeginn Passage zur U1-Station
nt sich • Gesamtfläche die SituationInfrastrukturprojekt Neu bei der Linie ca. 50 D: ha Sie wird
Bis • dahin Länge werden des Bahn-Infrastrukturprojektes in das Wohngebiet ca. verlängert, 6 km
fahrerInnen • Gesamtfläche um Ver-Brückenneubas gebeten. • ca. 100 km Gleis ■ Garten aufgehoben. Neu bei Ebenfalls geplant bis zum neuen Stadtteil: U2.
die Schleife ca. beim 30.000 Schweizer m²
• ca. 300 Weichen
7
• ca. 8 km Lärmschutzwände
>> Leistungsdaten Verkehrsstation Hauptbahnhof Wien
einschl. BahnhofCity
• 5 überdachte Inselbahnsteige - 10 Bahnsteigkanten
• Bahnsteigbreiten: durchschnittlich 12,10 m
• 14 Personen- und 5 Lastenaufzüge
• 29 Rolltreppen
• Durchgehend barrierefrei
• Direkte Anbindungen an den Fern- und Nahverkehr durch S-Bahn,
U-Bahn, Straßenbahn, Busbahnhof
• Kreuzungspunkt dreier TEN-Korridore:
• TEN 17: Paris-Straßburg-Stuttgart-Wien-Bratislava
• TEN 22: Athen-Sofia-Budapest-Wien-Prag-Nürnberg/Dresden
• TEN 23: Danzig-Warschau-Brünn/Bratislava-Wien-Venedig
• Tiefgarage mit ca. 630 Auto-Stellplätzen
• Fahrradgarage mit ca. 1.150 Fahrradabstellplätzen
• Behindertenstellplätze, Kiss & Ride, Taxistandplätze
• Einkaufszentrum mit ca. 20.000 m 2 in der Verkehrsstation
• ca. 100 Geschäfte und zahlreiche Gastronomiebetriebe
>> Leistungsdaten Neues Stadtviertel – Immobilienprojekt
• Lage zwischen Wiedner Gürtel, Sonnwendgasse, Gudrunstraße und Arsenalstraße
• 59 ha Gesamtausmaß:
• davon 8 ha Grünfläche
• Gemischte Nutzung: Büros, Wohnungen, Handels-, Dienstleistungsbetriebe,
Hotel, Schulen, Kindergarten
• 550.000 m 2 Bürofläche
• 20.000 Arbeitsplätze
• 5.000 Wohneinheiten für 13.000 Menschen
Wiener Linien
62 ST/A/R
Buch VIII - Presseinformationsdienst Nr. 22/2009
Beste Verkehrsanbindung
HAUPTBAHNHOF WIEN
Wien baut einen neuen Hauptbahnhof. Und damit die wichtigste Drehscheibe für den regionalen, nationalen und internationalen Reiseverkehr.
Mit dem Abriss des Südbahnhofs starten die Bauarbeiten.
Bis 13. 12. 2009 ist der alte Südbahnhof die Endstation von Süd- und Ostbahn. Dann wird ein Durchgangsbahnhof errichtet, von dem Züge aus
allen Richtungen kommend in alle Richtungen weiterfahren können. Mit der Schaffung dieser hochleistungsfähigen Nord-Süd- und Ost- West-
Verbindung wird der Bahnhof zu einem zentralen Knotenpunkt im transeuropäischen Schienennetz.
Egal wohin man in der Stadt will:
Beste Anbindungen sind garantiert
Das Gebäude des neuen Hauptbahnhofes rückt vom heutigen Standort des Südbahnhofes in Richtung Südtiroler Platz. Eine neue, großzügige
Passage wird den neuen Hauptbahnhof direkt mit der U1-Station am Südtiroler Platz, den zahlreichen S-Bahn-
Linien und der unterirdischen Straßenbahnhaltestelle der Linie 18 verbinden. Alle Zugänge werden barrierefrei gestaltet, insofern wird es auch
kein mühsames Kofferschleppen über Stiegen geben. Die Entfernung der U-Bahn zum Bahnhof wird jener am Westbahnhof zur U3 entsprechen.
Weiters garantieren oberirdisch die Straßenbahnlinien D (die in das neue Stadtviertel verlängert wird) und O, die Buslinien 13A und 69A sowie die
regionalen Busse die Anbindung in die Stadt und in die Region. Das Stadtviertel im Süden wird in Zukunft mit der U-Bahn-Linie U2 erschlossen.
Ein neues Stadtviertel entsteht
Im Süden des Areals entsteht ein attraktives Wohnviertel. Mit 5.000 Wohnungen, einem Schulcampus und einer Parkanlage.
Nr. 22/2009 Buch VIII - Presseinformationsdienst
ST/A/R 63
64 ST/A/R
Buch VIII - Presseinformationsdienst Nr. 22/2009
Südbahnhof-”Augen” sind im ZKM
Hofstetter Kurt’s “Ein Augenblick Zeit” am Wiener Südbahnhof wurden vor
dem Abriss an das Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe
übergeben, um dann als Symbol der Erinnerung im neuen Hauptbahnhof
wieder zu erscheinen.
„bahnorama“
Informationszentrum Hauptbahnhof Wien
Ω Neuer Name „bahnorama“:
Aussichtsplattform auf 40 m Höhe für
attraktives PanORAMA auf den neuen
HauptBAHNhof
Ω Interaktive Ausstellung auf 4
„Plattformen“ mit Informationen
für unterschiedliche Zielgruppen:
BahnkundInnen, AnrainerInnen,
ExpertInnen, Kinder
Ω 3D-Animationen, Modell, Filme...
Ω Gastronomie/Cafe
Ω Ort für Veranstaltungen,
Präsentationen etc.
Ω Führungen durch die Ausstellung
Ω Zielpublikum: Interessierte
Öffentlichkeit, SchülerInnen,
StudentInnenen, Wien-Touristen etc.
Ω Baubeginn November 2009
Ω Eröffnung Sommer 2010
Ω Adresse: 1100, Favoritenstraße 49-53 /
Ecke Sonnwendgasse
Visualisierung: Sigi Herzog
Nr. 22/2009 Buch IX - Dr.Tolstoj - GAS-STATION
ST/A/R 65
Unser Café
U N S E R C A F É
Kunstwerk von Heidulf Gerngross der Zweite, courtesy: ST/A/R Sammlung
Nr. 22/2009 Buch X - Heike
ST/A/R 73
Natura Morte
1 Seitental eines Seitentales
1 alte Schmiede im Villgratental
1 temporär adaptierter Ausstellungsraum
9 Künstlerpositionen
1 Lesung von Franz Schuh
3 Tage im Sommer
Ein Projekt von: Heiri Häfliger, Sabine Jelinek, Lukas Schaller, Edith Bergmann
CHRISTIAN GANZER
CHRISTOF GAGGL
ANJA MANFREDI
EDITH BERGMANN
SABINE JELINEK
JUDITH PICHLMÜLLER
HEIRI HÄFLIGER
LUKAS SCHALLER
PETRA MÜHLMANN
Natura Morte, 24. Juli - 27. Juli 2009, Schmiede Erschbaum, A-9931 Außervillgraten/Osttirol
www.erschbaum.at
74 ST/A/R
Buch X - Heike Nr. 22/2009
Architekturzentrum Wien
Museumsplatz 1 im
1070 Wien
T++43 -1- 522 31 15, www.azw.at
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22.07.2009 11:09:18 Uhr
Tabor
Hafner
Wondra
Gartler
Gerngross
Frey
„Die österreichische Architektur der 60er Jahre ist
ohne steirische Impulse undenkbar.” Friedrich Achleitner
Eine Veranstaltung des Az W – a_schaufenster 11:
TU Graz 1964–1968 – regt zu einer Wiederentdeckung der „Situation Graz“ an.
Im Gegensatz zu den Wiener Kollegen ging es den „Grazern“ nie um eine „Medialisierung“ oder um die Ausbildung eines spektakulären Formenrepertoires.
Im Mittelpunkt des Interesses steht eine technisch-ökologische Bauweise, bei der es sehr mehr um Abläufe als um formale
Details geht.w
Im Architekturzentrum Wien wurden anhand der Impulsreferate von Frey, Hafner, Gartler und Gerngross Vielfalt und Eigenständigkeit der
Grazer Entwicklung greifbar. Die gezeigten Architektur- und Städtebauprojekte mit ihrem strukturellen Ansatz überraschen bis heute. Das
Interesse des Publikums zeigte, dass die Diskussion über den Begriff der „Grazer Schule“ längst nicht abgeschlossen ist ...
Gäste:
Konrad Frey mit Bernhard Hafner, Heidulf Gerngross, Klaus Gartler
Moderation: Jan Tabor, Architekturtheoretiker u. -publizist
Mittwoch, 28. Oktober 2009, 18:00 Uhr
Ein ausführlicher Veranstaltungsbericht von Jan Tabor erscheint im Hintergrund 45.
Nr. 22/2009 Buch X - Heike
ST/A/R 75
1989. Ende der Geschichte oder Beginn der Zukunft?
Anmerkungen zum Epochenbruch
9. Oktober 2009 – 7. Februar 2010
1989 markierte einen Epochenbruch. Der Atem der Geschichte wehte durchs kollektive Bewusstsein,
Utopien wurden begraben und gleichzeitig neue, bislang ungeahnte Zukunftsszenarien aufgerissen.
Die Ausstellung spürt den Chiffren, Metaphern und Metonymien nach, die mit dem Verfall eines Systems
und einem politischen Umbruch verbunden sind: Es geht nicht um Dokumentation alltäglicher
Realitäten oder historische Analyse sondern um Begrifflichkeiten und Anmutungen wie Bürokratie,
Verrat, Überwachung, Nostalgie, Gewalt, Manipulation und Ironie, die mit den Mitteln der Kunst auf
ihre Tauglichkeit zur gesellschaftlichen Selbstanalyse hin untersucht werden.
Mit mehr als 30 teilnehmenden KünstlerInnen aus Ost und West: Marina Abramovic,
Chantal Akerman, Erik Bulatov, Sophie Calle, Maurizio Cattelan, Harun Farocki und Andrej Ujica,
Anna Jermolaewa, Ilya & Emilia Kabakov, Alexander Kosolapov, Komar & Melamid, Barbara Kruger, Josephine
Meckseper, Boris Mikhailov, Marcel Odenbach, Martin Parr, Susan Philipsz, Marek Piwowski,
Pushwagner, Neo Rauch, Nedko Solakov, Jane & Louise Wilson u. a. m.
Begleitprogramm zu 1989: Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Diskussionen, Lectures,
Filmvorführungen, Lesungen und Künstlergesprächen beleuchtet den Themenbereich „1989“ unter
Gesichtspunkten wie „Kulturpolitik“, „Nationalismus“, „Religion/Spiritualität“, „Ökonomie“ und „Vision/Illusion“
kritisch und stellt philosophische sowie künstlerische Positionen zur Diskussion.
- Mo, 14.12.2009, 19 Uhr: Vortrag von Michail Ryklin (Philosoph, Akademie der Wissenschaften, Moskau) –
Kunst und Tabu. Neue russische Beispiele im internationalen Kontext
- Do, 14.01.2010, 19 Uhr: Künstlergespräch mit Harun Farocki (Künstler, CZ/D)
- Do, 28.01.2010, 19 Uhr: Lesung von Bora Ćosić (serbischer Schriftsteller) – Westlich vom Paradies und Gespräch
mit Stefan Gmünder (Der Standard)
Alexander Kosolapov, Gorby, 1991, Karl
Kostyál Collection, Courtesy Galerie
Hussenot, Paris © VBK, Wien, 2009
Informationen zu Ausstellung und weiteren Programmpunkten unter: www.kunsthallewien.at
Kunsthalle Wien, Museumsplatz 1, A-1070 Wien, Infoline: +43-1-52189-33, www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: täglich 10 – 19 Uhr, Do 10 – 22 Uhr
Bina Klingler
Ausschnitte “Little Book of Paradox”,
2009, Moleskine Sketchbook, Copic Marker
big-time-tough-bunny-girl - Protagonistin,
Heldin, ambivalente Muse, Du, Ich...
Messer - zukunftsträchtiges Werkzeug,
Motivator, scharf, präzise, sanft...
Blut - emotionale Kraft, aufgewendet, eingesetzt,
verspielt für das was war, was ist, was
kommt und was niemals sein wird...
kleiner Hase - schließt den Kreis, Vergangenheit,
Beobachter, Retter, Zauberer,
Zeuge...
Kontakt: binaklingler@gmx.net
French Manicure, 2009, Horn, Nagellack, 70 x 67 x 60 cm –
Heike Nösslböck Heike
Galerie Strickner
Fillgradergasse 2/7, 1060 Wien
Mob.: +43-680-201 44 52
Nösslböck ist Künstlerin und maßgebliche Partnerin im ST/A/R-Team. E: office@galeriestrickner.com
Foto: Christof Gaggl ©
78 ST/A/R
Buch X - Heike Nr. 22/2009
Über Synergien zwischen Geometrie und Kunst von Hofstetter Kurt
Die Entdeckung vertrauter Proportionen
in der Geometrie der Durchdringung
Die Umsetzung zur Skulptur
N.I.C. – nature is cool
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse mit
Zirkel und Lineal
2001 habe ich beim Entwerfen des Sonnenpendel
Pavillons #2 – der Station PHI – eine einfache Konstruk-tion
des Goldenen Schnittes entdeckt. 1)
Die Konstruktion 1 (siehe unten)
A und B sind zwei beliebige Punkte. Ihr Abstand
voneinander – die Strecke AB – ist der Radius des
Kreises K mit Mittelpunkt A und auch des Kreises K’
mit Mittelpunkt B. Die doppelte Strecke AB, d.h. der
Durchmesser von K, ist der Radius des Kreises KD mit
Mittelpunkt A und auch des Kreises KD’ mit Mittelpunkt
B. 2)
Die Kreise K und K’ durchdringen einander und schneiden
sich in S1 und S2. Ihre linsenförmige Schnittmenge
wird als Vesica Piscis (Fischblase) bezeichnet – ein
uraltes Fruchtbarkeitssymbol.
Die Schnittpunkte aller 4 Kreise S1, S2, S3, S4
liegen auf einer Geraden, die sowohl die Vesica Piscis
als auch die Strecke AB halbiert. Ihre Abstände
zueinander sind in der vertrauten Proportion des
Goldenen Schnittes 3) , d.h. das Verhältnis der Strecke
S1S2 (major) zur Strecke S2S3 (minor) = dem Verhältnis
der Strecke S1S2 (major) zur Strecke S1S4
(minor) = PHI. 4)
Diese Konstruktion wurde 2002 im Journal „Forum Geometricorum“
als wissenschaftliche Neuerung publiziert. 5)
Interessant in der Konstruktion 1 ist, dass es nur zwei
weitere Kreise mit demselben Radius AB gibt, die
sowohl K als auch K’ berühren, nämlich K’’ mit Mittelpunkt
S3 und K’’’ mit Mittelpunkt S4. Sie sind alleine
durch die Punkte A und B bzw. K und K’ bzw. die
Vesica Piscis eindeutig bestimmt. 6)
Darüberhinaus vermittelt mir die Stellung der Kreise
K’, K’’ und K’’’ eine entscheidend vertraute Proportion.
Meine Intention, diese Proportion der drei Kreise
künstlerisch umzusetzen und mitzuteilen, führte mich
zur Skulptur N.I.C., wobei ich die zweidimensionalen
Kreise zu dreidimensionalen Kugeln erweiterte und
aus Edelstahl mit dem Durchmesser von 111 cm
materialisierte. 7)
Diese räumliche Ausformulierung der Proportion erfuhr
eine extreme Gleichzeitigkeit von Stabilität und Labilität.
Ihre Unbedingtheit zum Goldenen Schnitt verweist
auf Muster der Natur, wie die vertraute Stellung der
Blütenblätter der Rosen oder der Blütenstände der
Sonnenblumen. 8)
Die Existenz von 2 Polen definiert in den wechselwirkenden
Translationen von ihrem Abstand zueinander
sowie in den interferierenden Rotationen ihrer Durchdringungskreise
kanonisch vertraute Proportionen.
Meiner Faszination am ekstatischen Auftritt des
Goldenen Schnittes in den zahlreichen Verbindungen
der Berührungspunkte, Scheitelpunkte und Schnittpunkte
von N.I.C. mit ihren horizontalen und vertikalen
Achsen (siehe Bild) folgten weiterführende
Proportionsstudien (Figur 1 - Figur 6). Dabei entdeckte
ich einfachste Konstruktionen des Goldenen
Schnittes mit Zirkel und Lineal oder mit Zirkel alleine,
die als neue wissenschaftliche Erkenntnisse veröffentlicht
wurden. 5)
Zum Beispiel die Konstruktion 2 – veröffentlicht 2005:
Die Kreise K’’ und K’’’ berühren die Kreise K und K’ in
B1, B2, B3, B4. Die Verbindungsstrecke B1S2 teilt die
Strecke AB in G exakt im Goldenen Schnitt, d.h. das
Verhältnis der Strecke AG (major) zur Strecke GB
(minor) = PHI . 9)
Darüber hinaus liegen die Berührungspunkte auf dem
Kreis K’’’’ mit dem Mittelpunkt Z und Radius AB, d.h.
sie sind vom Zentrum exakt um die Strecke AB entfernt.
Aus den Konstruktionen entwickle ich seit 2002 Muster
und Parkettierungen, die im wesentlichen durch den
Winkel B1S2S1 bestimmt sind und in der Rezeption
ihrer statischen Musterbilder zwingend optische
Dynamik erfahren. 10)
1) Sonnenpendel ist ein internationales Medienkunstprojekt von Hofstetter
Kurt - siehe http://www.sunpendulum.at
2) K’ und KD’ ergeben sich jeweils auch aus der Parallelverschiebung von K
und KD um die Strecke AB.
3) Für mich ist der Begriff „vertraute Proportion“ treffender als der Begriff
„harmonische Proportion“ des „Goldenen Schnittes“.
4) PHI ist eine irrationale Zahl. Sie wird auch als die Goldene Zahl bezeichnet;
ihr Wert = 5^,5*,5+,5 = 1,6180…
5) scientific papers von Hofstetter Kurt @
Forum Geometricorum ISSN 1534-1178:
2008 A simple compass-only construction of the regular pentagon
2008 A simple ruler and rusty compass construction of the regular pentagon
2006 A 4-step construction of the golden ratio
2005 Division of a Segment in the Golden Section with Ruler and Rusty
Compass
2004 Another 5-step Division of a Segment in the Golden Section
2003 A 5-step Division of a Segment in the Golden Section
2002 A simple construction of the Golden Section
Crux Mathematicorum ISSN: 1496-4309 (print 1706-8142):
2006 An Efficient Construction Of The Golden Section
6) Im Dialog PHI von Bob Hewis (Wien, 2003) Hofstetter Kurt:
“For me every interpenetration of two bodies implies a harmonic relationship
with the bodies derived, that simply touch and do not interfere ... “
7) In Experimentierreihen sind zahlreiche N.I.C. Miniaturen aus Nirosta-
Hohlkugeln in Größen zwischen 12 – 60 cm entstanden. Darunter auch freistehende,
bewegliche N.I.C. Miniaturen, die sich durch die Erdanziehungskraft
und einer asymmetrischen Verteilung zusätzlicher Gewichte in der untersten
Kugel selbstständig aufrichten und sich stets vertikal justieren.
2007 hat der Wiener Architekt Heidulf Gerngross die Skulptur N.I.C.
zu einem 70 m hohen „Dreieinigkeitsbauwerk Kurt“ für den Wiener Karlsplatz
archistriert.
8) http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt#Vorkommen_in_der_Natur
9) http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt#Konstruktionen_mit_Zirkel_und_Lineal
10) http://www.sunpendulum.at/tilings
Konstruktion 1 Figur 1
Figur 2 Figur 3
FIGUR 2
FIGUR 3
FIGUR 4
minor
major
MINOR MAJOR
m i n o r m a j o r
m i n o r
m i n o r
m i n o r
m a j o r
m a j o r
m i n o r
m a j o r
Konstruktion 2 Figur 4
Figur 5 Figur 6
FIGUR 6
FIGUR 7
FIGUR 8
MINOR
minor
MINOR
MAJOR
MINOR
major
MAJOR
major
minor
major minor
MAJOR
m i n o r
m a j o r
N.I.C. – nature is cool – eine Skulptur von Hofstetter Kurt, die extreme Proportionen von gleichzeitiger
Stabilität und Labilität als Referenz zum Ort mitteilt und markiert.
Der Kreuzungsbereich Langegasse – Laudongasse im 8. Wiener Gemeindebezirk ist durch den doppeltrassigen
Viertelkreis der Strassenbahnlinie geprägt. Dieser mächtige Zirkelschlag steht in Spannung
zur Richtungsbeibehaltung in der Langegasse und Laudongasse. Der Fußgängerverkehr wird aus
dem Kreuzungsbereich extrapoliert auf einen Punkt konzentriert – einem komplementären Pol. An
dieser Stelle ist N.I.C. direkt am Gehsteig installiert.
Drei Kugeln sind so übereinander angeordnet, dass die mittlere Kugel aus der vertikalen Achse verschoben
seitlich die obere und untere berührt. Es entsteht der Eindruck schwebender Leichtigkeit.
Die Positionen ihrer Berührungspunkte leiten sich direkt aus der 2001 von Hofstetter Kurt entdeckten
Zirkelkonstruktion des Goldenen Schnittes ab und beziehen sich auf Muster der Natur.
HOFSTETTER KURT
N.I.C. – nature is cool
Kreuzung Lange Gasse - Laudongasse, 1080 Wien Q: www.wien.gv.at
Inauguration 09.10.2009
IMPRESSUM
Herausgeber: Zwei Kongruent Null
Verein zur Förderung von Projekten aus Kunst und Wissenschaft
Lange Gasse 42/3.2, 1080 Wien
unterstützt von BMUKK und WienKultur/Wissenschaft
Inhalt, Bilder und Grafik: Hofstetter Kurt. Alle Rechte vorbehalten. Wien © 2009
Kontakt: hofstetter@sunpendulum.at
Die Skulptur N.I.C. – nature is cool wurde realisiert durch
Nr. 22/2009 Buch X - Heike
ST/A/R 79
HOFSTETTER KURT
N.I.C. nature is cool
Der Plakatfolder wurde unterstützt von BMUKK und WienKultur/Wissenschaft.
80 ST/A/R
Rz_inserat-star.qxd:Rz_plakat 07.11.2009 15:16 Uhr Seite 1
Buch X - Heike Nr. 22/2009
MICHAEL NAGL
Aspekte der Sexarbeit
k/haus Passagegalerie
18. 12. 09 – 10. 01. 10
künstlerhaus
karlsplatz 5
1010 wien
www.k-haus.at
künstlerhaus
81 ST/A/R
DU
Nr. 22/2009
Buch XI- Literatur ST/A/R 81
DU
Bricolage und Datenmontage von Marcus Hinterthür
82 ST/A/R
Buch XI- Literatur Nr. 22/2009
ST/A/R Literatur
Chef-Redakteur 2009 Alexander Schießling
DIE GESELLSCHAFT
ALS SCHLACHTHOF
Stimmen wir uns ein auf die
Apokalypse. Auf die permanente
Apokalypse, die der permanenten Revolution
des Trotzki und Mao Tse-tung (Zedong)
folgt. Lesen wir also Anomia von Lukas
Kollmer. Der Text ist zwischen Sommer
2006 und Frühjahr 2008 entstanden,
das heißt vor der weltweiten Finanzkrise,
die im besten Fall zu einer Krise des
Neoliberalismus und der unumschränkten
Globalisierung geführt haben wird,
auch vor der Wahl Barack Obamas zum
amerikanischen Präsidenten, in einer Zeit
also, die wenig Anlass zu irgendeiner Art
„Hoffnung“ gab. Dies ist im Auge zu behalten,
wenngleich natürlich fraglich ist,
ob die Abdankung des Neoliberalismus,
der Globalisierung und George Bush’s
überhaupt einen Neuanfang einleiten
könnten.
Die zweite Hälfte des neunzehnten
und die erste Hälfte des zwanzigsten
Jahrhunderts waren durch zwei
konkurrierende Utopien geprägt: den
Internationalen Sozialismus und den
Faschismus. Diese beiden utopischen
Gesellschaftsentwürfe zerrieben die
Bürgerliche Revolution zwischen den
Fronten und beerbten sie gleichzeitig.
Obwohl im schärfsten Gegensatz zueinander,
hatten sie etwas gemeinsam:
das utopische Moment, den revolutionären
Habitus, den Glauben an die
Möglichkeit einer besseren Zukunft,
kurz, die Aufbruchsstimmung. Seit dem
Ende des Zweiten Weltkriegs ist diese
Stimmung im Abflauen. Die Sechziger
Jahre kann man als letztes Lebenszeichen
des revolutionären Elans im Westen
sehen. Seither geht die revolutionäre
Stimmungskurve nach unten, oder, die
kritischen Gemüter kühlen seither permanent
ab. Wo sollte sich das besser
zeigen als in der „Literatur“? Wo zeigt
es sich deutlicher?
Anomia stellt nun den Tiefpunkt dieser
(vereinfacht) gedachten „Revolutions-
Stimmungskurve” dar und zwar in beiden
Bedeutungen dieser Formulierung:
Das Stimmungstief ist Sujet des Textes,
einerseits, andererseits ist er selbst ein
Symptom davon.
Am tiefsten Punkt des Tiefs angelangt,
wird der Ort dieses Anlangens
selbst einerseits zum Thema, andererseits
zur bestimmenden Kraft. Topos,
der Ort, ist in der U(…)topie der Ort der
Verheißung, aber in der Dys(…)topie
einer der Verdammnis. Mit letzterem
haben wir es zu tun, wenn wir Anomia
lesen.
Der Icherzähler dessen Namen
wir nie erfahren werden, lebt in einer
Gesellschaft der nicht allzu fernen
Zukunft, in der den Menschen Chips
(RFIDs) implantiert werden, mittels derer
sie einfach (zunächst sozial, in der Folge
davon physisch) abgeschaltet werden können,
sobald sie zur „Last” werden. Das
physische Geld ist abgeschafft, der herkömmliche
Fernseher ist von Screenwalls
abgelöst worden. Wir haben es mit den
üblichen Requisiten des SF-Genres zu
tun, die aber hier nicht um ihrer selbst
willen verwendet werden, sondern als
Repräsentanten einer sozialen Struktur
fungieren. Um diese geht es und der Text
kann als Versuchsanordnung verstanden
werden, die der Frage gilt, was mit
den Individuen in einer brutalisierten,
anomischen beziehungsweise asozialen
Gesellschaftsordnung geschieht.
Durch die Wahl der „Zentralperspektive“
(einer „Hauptperson“, eines
„Protagonisten”, eines „Icherzählers”)
hat sich der Autor entschieden, nur einen
kleinen Ausschnitt einer solchen
sozialen Ordnung darzustellen, was einerseits
der Reflexion engere Grenzen
setzt, andererseits aber verhindert,
dass der Leser in der Uferlosigkeit der
Komplexität verloren geht (was ohnehin
schon immer geschehen sein muss).
Zugleich aber sieht sich ein zur „konkreativen”
(Heinrich Rombach) Lektüre
entschlossener Leser dieses Textes zur
sogenannten Überinterpretation genötigt,
da er auch das in die Reflexion mit
einzubeziehen hat, was aus der Lektüre
nur indirekt hervorgeht.
Der Begriff einer „konkreativen
Lektüre” meint hier ein Lesen, das den
Text nicht wie ein Objekt behandelt, das
es von Außen zu beschreiben gilt, sondern
als Anbahnung einer Bewegung, die
ins Offene führt. Eine solche Lektüre bastelt
sich aus dem Text ein Gefährt und
macht ihn zum Gefährten einer immer
schon improvisierten Fahrt ins Blaue;
ein definitives Ziel dieser Fahrt kann es
ja aus mehreren Gründen nicht geben:
weil ein Text durch die Lektüre die ihn
konstituiert immer schon ein anderer als
„er selbst” wird, die Begegnung von Leser
und Text die Entstehung eines Gewebes
bedeutet, das nunmehr von zwei Autoren
herrührt, sofern der Leser eben notwendig
konkreativ liest, indem er seinen Text
(er)findet; weil der eine Text notwendig
auf andere verweist, in deren Sphäre er
erst als Literatur lesbar wird und diese auf
wiederum andere Texte und so fort;
Es ist Sommer, die Hitze legt sich
wie ein Schweißfilm über den ganzen
Text. Der Icherzähler, nennen wir ihn
der Einfachheit halber Ego, muss als
Alkoholiker bezeichnet werden. Er arbeitet
als Museumsaufsicht und hat auch
noch einen zweiten Job, den er uns aber
wie seinen Namen nie verraten wird. Und
er schreibt, er schreibt hunderte Seiten,
die er für unbrauchbar hält. Schon zu
Beginn des Textes wird uns klar gemacht,
dass Ego kein liebenswerter Mann ist.
Die Bekannte, die beinah schon zum
Skelett abgemagert, vor dem Haustor auf
ihn wartet, um mit ihm Kaffee zu trinken,
oder etwas menschliche Wärme zu
spüren und die er zurückweist: „Geh in
irgendein Lokal. Hör auf mir nachzurennen.
Bei mir gibt es keinen Kaffee mehr. Ich
gehe schlafen. Geh du auch besser schlafen.
Geh ins Bett. Du hast doch ein Bett? Ich
bin sicher, dein Bett wird dich heute ganz
besonders mögen.“
„Du bist so ...“
Sie beginnt zu weinen. Sie macht es nicht
mehr lange. RFID deaktiviert. Die hat kein
Bett mehr. Weiter unten quert mit hohlem
Grollen ein Panzerwagen die Gasse, hält für
wenige Sekunden, rollt weiter.”
Die Szene endet damit, dass Ego das
Haustor, an das seine Bekannte sich
klammert, zuschlägt, wobei ihre dürre
Hand eingequetscht wird. Brutal, egoistisch.
Die Gesellschaft, die uns beschrieben
wird, befindet sich in Aufruhr,
im Ausnahmezustand. Hungersnot
herrscht, Revolten in den Außenbezirken,
unerträgliche Hitze und dies alles scheint
durch einen einzigen Großkonzern beherrscht
zu werden: der Croques Ltd.
Ego lebt sein Leben zwischen Lohnarbeit,
Schreiben und Trinken, der „goldenen
Triangel”, und alle drei Pole erscheinen
ihm vollkommen sinnlos. Eine
Alternative dazu gibt es freilich auch
nicht. Diese Fesselung an den gegebenen
Zustand und die Einkerkerung in die gegebenen
Verhältnisse tragen alle Figuren
der Novelle mit ihrem Körper aus. Diese
Körper werden zu Symptomen, zu materiellen
Speichern, die die Verhältnisse
visualisieren, indem sie ihnen zum
Opfer fallen. Der Körper aller Figuren,
auch der Egos, ist der rote Faden, an dem
entlang sich die Szenerie entfaltet. Der
Körper als Touchscreen, auf dem und in
dem sich der soziale Film abspielt. Diese
allzu dünne Bekannte, deren Hand in
der zugeschlagenen Tür eingequetscht
wird: der Schmerz sozialer Ausgrenzung
ist physischer Art. Es ist nicht wie in
George Orwells „1984”, wo die soziale
Macht noch metaphysischer, gespensterhafter
Natur ist. In Anomia geht es zur
Sache und die Sache ist der Körper des
Individuums. Dieser Körper krepiert, sobald
die RFID deaktiviert ist:
„Vor dem Haus schwatzen minderjährige
Mütter zwischen verlassenen Bierdosen
und ich kämpfe mich durch brütende Hitze
und über stinkende Berge prall gefüllter
Müllsäcke, als ich über einen dumpfen
Brocken stolpere. Mit hohl geöffnetem Maul
liegt sie auf dem Trottoir in den Dreck gebettet
und starrt mich aus leergefressenen
Augenhöhlen an.
„Ich sagte doch, geh ins Bett“, murmle
ich. Meine Beine haben Atem geholt,
schwingen lose unter meinem Leib wie
Altweibersommerspinnfäden.”
Die Bekannte ist tot, namenlos gestorben,
Ursache unbekannt. Ego erscheint
in diesen Passagen als gleichgültiger
Unbeteiligter, dessen einzige Sorge er
Alex Schießling; Foto: Martina Bauer
selbst ist. Dieses Charisma relativiert
sich zunehmend, das heißt, im Laufe
der Erzählung. Ego wird sich ohne erkennbare
Bemühungen, die das zum Ziel
hätten, verändern. Anfangs erscheint er
als „cool”, erst gegen Ende gestattet ihm
der Autor menschliche Züge. Im Kapitel
„Last best hope”, das in etwa die Mitte des
Textes darstellt, erscheinen beide Motive
gleichzeitig: Das Motiv der Empathie und
das der Abgrenzung vom Leid anderer.
Die Coolnes gewinnt. In diesem Kapitel
wird genau gezeigt, wie eine empathische
Haltung in eine Flucht vor dem „Leid
anderer” umschlägt. Wieder ist es eine
namenlose Frau, die sich in größter Not
befindet, als Ego auf sie trifft. Sie wird gerade
vergewaltigt und blutet überdies aus
Wunden an den Füßen, die sie sich durch
Glassplitter zugezogen hat. Ego rettet sie
zunächst, indem er ihren Peiniger vertreibt,
er bringt sie nach Hause. Dann
aber antizipiert Ego die möglichen
Schwierigkeiten, in die er kommen
kann, wenn er sie in ein Krankenhaus
bringt, ihr weiterhin hilft. Das führt
dazu, dass er die Szene wechselt. In einem
Gespräch beschrieb Lukas Kollmer
diese Situation so: In dieser Gesellschaft
sind Hilfe und Selbstaufgabe beinahe
dasselbe. Solidarität wird also klein geschrieben,
beziehungsweise gar nicht.
Auch Ego leidet physisch. Ungezählt sind
die Stellen, in denen uns sein schlechter
Zustand beschrieben wird. Riesige
Gelsen saugen ihm das Blut aus, Übelkeit
befällt ihn andauernd, er fügt sich selbst
Wunden zu, besonders dann, wenn er
andere Schmerzen überblenden möchte,
kurz, sein Körper wird uns als Ort des
Leidens beschrieben, jeder Körper ist
hier ein solcher Ort. Die Körper in dieser
Erzählung leiden und sind überdies
monströs, zum größten Teil ekelerregend,
selbst die Körper der Tiere spielen
verrückt. Katzen beginnen violett zu
glühen wenn sie fressen und zufrieden
sind, Insekten sind riesig, die meisten
menschlichen Figuren einfach hässlich.
In dieser schmutzigen, stinkenden Welt
Nr. 22/2009 Buch XI- Literatur
ST/A/R 83
bleibt auch Ego nicht verschont und sein
Zustand verschlechtert sich zusehends.
Eine einzige Figur entgeht auf ironische
Weise diesem Schicksal: Cecilia, die
Geliebte Egos, die er während der Arbeit
im Museum kennenlernt. Bei ihr tritt an
die Stelle des physischen Leides und der
Hässlichkeit die psychische Krankheit.
Nichts in dieser Welt ist in Ordnung,
gesund und gut. Die Körper sind einer
Umformung ausgesetzt, die sie zerstört,
das heißt, die die Menschen zerstört, die
diesen Körper zu leben haben. Hier muss
nun von der meiner Ansicht nach besten
und wichtigsten Erfindung des Textes gesprochen
werden: den Transsubstaten.
Croques Ltd., der omnipräsente
Konzern, betreibt eine
Filmproduktionsfirma, die von einem gewissen
Hasenform (köstlicher Name) gemanagt
wird, der zugleich den Regisseur
gewisser Filme und Ereignisse macht.
Der Text bleibt bezüglich der genauen
Berufsbezeichnungen indifferent, unbestimmt.
Diese Produktionsfirma produziert
die Transsubstate.
Der Leser wird durch die erste Hälfte
des Textes nur an die Startrampe geführt
und erst durch die zweite Hälfte
in das Zentrum dieser Welt geschossen.
Während die erste Hälfte sich vor allem
mit dem Leben Egos beschäftigt, geht
es ab der zweiten Hälfte vor allem um
Croques Ltd. und Hasenform. Das heißt,
um die Transsubstate.
„Zu sehen ist ein enger, gelb gefliester
Raum, in dessen Mitte ein nacktes
Transsubstat hängt. Nach wenigen
Augenblicken beginnt sein Kopf sich zu
bewegen, es hebt ihn, reißt den Mund auf,
schreit vielleicht, doch es gibt keinen Ton,
dann beginnt Blut aus seiner Stirn zu schießen
und mit einem Ruck spaltet sich sein
Gesicht. Dann beginnt sein gesamter Körper
sich zu schälen, in Brocken fällt Schicht um
Schicht davon ab. Als die äußere Hülle verschwunden
ist, lässt sich sein Inneres kaum
mit dem eines Menschen vergleichen, wie
beliebig sind dicht gepresste Fleisch- und
Organstrukturen zusammengestopft, die
nun ebenfalls Element für Element zu Boden
tropfen. Nach den wenigen Sekunden, die
all das dauert, bleibt nur wie verbrannt verkrümmtes
Astwerk aufrecht hängen, welches
wohl ein Skelett darstellen soll. Darunter ein
schmieriger, glänzender Haufen grüner, gelber,
roter und brauner Masse. Hasenform
hält das Bild an. Ich will hinausgehen und
kotzen. Hasenform legt zwei dicke Lines
Heroin auf.”
Die Transsubstate haben mehrere
Funktionen. Ihre erste Aufgabe ist,
in Filmen mitzuspielen, um dort ihr
„Desintegrationsverhalten”, also die
Selbstvernichtung, zur Schau zu stellen.
Der Konzern hält das Patent, das
Kino steht vor einer „Revolution”,
Hasenform bezeichnet die Transsubstate
als „Revolutionäre”. Ein Transsubstat ist
ein künstlich erzeugter, antropomorpher
Körper, der zu nichts anderem erzeugt
wird, als sich selbst zum Gaudium der
Masse zu vernichten. Und tatsächlich
schlagen diese Filme ein. Fanclubs entstehen
usw. Man sieht gerne bei der
Peinigung und (Selbst)vernichtung der
Transsubstate zu. Reality TV an die Spitze
getrieben. Sie haben aber auch noch eine
andere Nutzungsmöglichkeit: Sie können
verzehrt werden, der Hungersnot abhelfen.
In Anomia, Name für einen Ort
und zugleich Titel dieser Novelle ?, gibt
es also künstlich erzeugte Lebewesen,
die einerseits verzehrt werden und andererseits
der Unterhaltung dienen;
diese Lebewesen sind aber keine Tiere,
sondern dem Menschen nachempfunden.
Ego interessiert sich nun dafür, wie
menschenähnlich „sie” sind. Seine erste
echte Begegnung mit einem von „ihnen”,
sieht so aus:
„Ich schreite an das Transsubstat heran,
bis unsere Nasenspitzen einander fast
berühren.
„Kannst du mich hören?“ frage ich.
Immer die gleichen trägen, schmatzenden
Bewegungen.
„Kannst du mich hören!“
„Lll ... llliesiiich ...“
Ich schrecke zurück, werfe meinen Kopf
zu Hasenform herum. Er schaut mich verwirrt
an.
„Llliesiiich ...“, höre ich wieder, während
ich Hasenform anstarre. Stille. Schmatzen
der Transsubstatbewegungen. Hasenform
öffnet seinen breiten, dicklippigen Mund,
seine Zunge faltete sich einmal auf und
wieder ab. Dann bewegt er seinen plumpen
Schädel wie in beständiger Verneinung hin
und her.
„Nicht?“ frage ich.
„Nein“, nuschelt er.
„Sicher?“
„N-ei-nnn!“
Im Transsubtat erreicht der Text in der
Tat sein eigenes Zentrum, im Transsubstat
zieht der Text sich zusammen, verdichtet
sich und implodiert. Es sind diese geschundenen,
g e q u ä l t e n
Leiber, die einzig
und allein
den Zwecken
anderer zu
dienen haben,
in denen sich
das Ganze des
Textes, des
Buches versammelt:
Der
Gipfel ist mit
ihnen erreicht.
Es gibt ein
chinesisches
Sprichwort,
das lautet:
„Wenn du den
Gipfel eines
Berges erreichst
- klettere
weiter.”
D e r
Körper eines
M e n s c h e n
erscheint in
Anomia als
seine größte
Schwäche, er
ist der Ort, den
die Macht ins
Visier nimmt.
Croques Ltd.
ist deshalb
auch in besonderer
Weise
am Körper der
Frau interessiert,
so sehr,
dass die Chefs
eine „Miss
Cover: Just_Liili
Universe” verspeisen.
Die sozialen Machtverhältnisse
schreiben sich in Anomia nicht in den
Körper ein wie ein Text auf ein Blatt Papier:
dieses wird durch den Text nicht zerstört.
Die gesellschaftlichen Verhältnisse, die
soziale Situation eines Menschen zeichnet
den Körper und macht ihn zu einzig ihrem
Zeichen. Die Politik, die mit ihm gemacht
wird, seine Schutzlosigkeit, seine
unheilbare Schwäche, Ort des Schmerzes
zu sein, seine Sterblichkeit, all dies saugt
die Freiheit auf und lässt die Kultur als
lächerliche Ablenkung von der Realität
erscheinen. Der Körper verzehrt sich umwillen
seiner Existenz und wird verzehrt
umwillen der Existenz anderer.
Während man sich durch Anomia bewegt,
entsteht die Frage, ob Widerstand
gegen Croques Ltd. möglich ist, in welcher
Weise Widerstand gegen die Macht
sinnvoll sein könnte. Dabei stößt man
notwendig auf die RFID’s, auf jene
Implantate, die es der Macht möglich machen,
einen Menschen auf Knopfdruck
aus dem sozialen Kontext zu stoßen, ihn
zu verbannen. Die Macht hat sich des
Körpers bemächtigt, sie kommt nicht
mehr von außen. Die RFID’s sind die
Macht im Innersten und dennoch kann
sie sich noch einmal selbst toppen, indem
sie Körper produziert, denen man keine
Chips mehr implantieren muss, da sie
schon den jeweiligen Zwecken entsprechend
programmiert sind. Die Macht ist
mit den Transsubstaten wieder einen
Schritt weiter: Sie steht nun am Ursprung
allen Lebens. Unter diesen Bedingungen
ist Revolution nicht mehr denkbar.
Die zukünftigen (schon im Ansatz
gegenwärtigen) Möglichkeiten von
Wissenschaft und Technik lassen die klassischen
Formen der Revolution alt aussehen.
In Anomia wird auch nicht mehr
Bezug auf sie genommen. Aber Lukas
Kollmer zeigt uns den Kriegsschauplatz,
auf dem die zukünftigen Kriege stattfinden
werden: Es ist der genetische
Code, das Programm, das nunmehr dem
Körper vorgeschrieben wird, bevor es sich
einschreibt. Die Transsubstate sind eine
Warnung.
Kollmer zeigt das Problem, bietet freilich
keine Lösungen. Er schreibt nicht
mit „revolutionärem Elan”, ruft nicht
zu den Waffen, aber er zeigt ganz klar
den Zusammenhang zwischen Macht,
High Tech, Maschine und Körper: Die
Macht mechanisiert den Körper, da sie
mit seiner fleischlichen Lebendigkeit
ein Problem haben muss. Der Mensch
als Bioroboter.
Der Mechanismus vieler Dystopien,
man hat ihn schon oft beschrieben, ist
der Mechanismus einer Warnung. Die
Warnung antizipiert kommendes Unheil.
Eine Warnung vor dem Unvermeidlichen
ergäbe keinen Sinn. Auch angesagte
Katastrophen finden wahrscheinlich
nicht statt, so wenig wie angesagte
Revolutionen. Es sei denn, sie hätten bereits
unbemerkt stattgefunden und die
Warnung vor dem Kommenden wäre nur
ein Irrtum im Tempus.
von Alexander Schießling
Foto (c) Stefan Buchberger
Lukas Kollmer Anomia. Roman,
bei LUFTSCHACHT Wien 2009
ISBN 978-3-902373-38-0
www.luftschacht.com
Anthologiebeiträge
in autorenmorgen 01. Prosa/Lyrik-
Anthologie, 2003 Nihil. Roman, 20
03 Schlächtervergessen. Erzählung,
2005
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch XI-
Wie es war und wie es gewesen sein wird
Eine Fortschreibung von Geschichte und Literatur nach der Shoah
von Doron Rabinovici
Es war einmal. Märchen heben so Fachwerken zahlreiche Gelehrte wieder giert genannt, und das ist gar nicht nett
an und machen Kinder lauschen. zu Kindern und spielen einander vor, gemeint. Der Streit, ob die Historiographie
distanziert oder parteilich sein
Es war einmal, so klingt das Signal,
es gäbe eine Forschung ohne Forscher,
das alle Kleinen aufhorchen läßt,
so lautet die Parole, mit der Feen, Hexen
und Zauberer aufgerufen, mit der
Elfen, Riesen und Drachen zum Leben
erweckt werden. Vor langer, langer
Zeit, in einem fernen Land, jenseits aller
Ortsangaben und Jahreszahlen wird
das schlechthin Gute vom Bösen par
excellence bedroht, aber nie besiegt.
Es war einmal, bedeutet uns, die wir
erwachsen sind, daß nun erzählt wird,
was so nie geschah, aber gleichzeitig
wird mit diesen Worten behauptet, daß,
wenn, wovon die Fabel berichtet, auch
nie war, die Mär dennoch ein für allemal
wahrhaftig war und wahr bleibt,
jenseits aller Wirklichkeit. Ihre Aussage
scheint durch die Überlieferung abgesichert,
wobei für jedes Sprichwort, für
jede Volksweisheit und für jede Volksweise
immer schon ein Gegenstück in
der Tradition existiert. Die alten Redensarten
widersprechen einander seit
jeher, aber wirken dennoch fort; und
wenn sie nicht gestorben sind, dann leben
sie noch heute.
Wenn Volljährige Legenden lesen, erwarten
sie zumindest seit der Aufklärung
keine historisch gesicherte Darstellung.
Nicht wenige verlangen hingegen
von der Geschichtswissenschaft,
was sie in den Epen und Mythen nicht
mehr finden können. Das historische
Fach macht Mündige wieder hörig,
macht selbst Gottlose wieder gläubig.
Hier suchen sie die Offenbarung, wie
es einmal war, wie es einmal wirklich
war. Von der universitären Lehre wird
Objektivität und rationale Distanz verlangt,
wohingegen die Literatur dem
Subjektiven und dem Gefühl zugeordnet
bleibt. Weil die Geschichte über
unumstößliche Fakten verfügt, sollen
die Menschen aus ihr lernen, und zuweilen
klingt diese Hoffnung, als wä-
als verfügte der Akademiker nicht über
einen Standpunkt und wäre frei von Interessen.
Wissenschaftlicher Wandel spiegelt
gesellschaftlichen wider. Nicht neue
Fakten, denn die alten hätten allemal gereicht,
um dem Glauben an eine arische
Herrenrasse abzuschwören, sondern
die militärischen und politischen Siege
über den Nationalsozialismus änderten
die Weltsicht, etwa den Sprachgebrauch
der Erblehre - oder in moderner Terminologie,
der Humangenetik; änderten
nicht bloß das Vokabular, sondern
ebenso einige Thesen und Praktiken
dieses Faches.
Mit diesen Worten soll nicht ein weiterer
der zahlreichen Nachrufe auf die
Aufklärung angestimmt werden. Ebenso
will ich nicht behaupten, es gäbe gar
keine Geschichte, weil es derer so viele
gibt. Gewiß; die Historie kennt keine
sprachliche Pluralform, eben weil sie
bloß in der Mehrzahl existiert, und es
läßt sich kein roter Faden, kein einziger
unbeschadeter unter den vielen Garnen
finden, an dem die eine große Erzählung
aller Menschen geknüpft ist. Was
da von uns zusammengebunden wird,
hängt nicht an einem Zwirn, sondern
ist Flickwerk, das in seinem Ganzen
wahrgenommen werden kann oder als
Bruchstück. Aber was gesponnen wird,
ist nicht schiere Willkür, ist nicht bloß
Spiegelbild unserer Vorlieben. Was die
Wahrheit ist, darüber mag diskutiert
werden, nicht geleugnet werden kann
jedoch die Existenz der Halbwahrheit
und der blanken Lüge.
Zurecht wurde nach dem Sieg über
den Nationalsozialismus die scheinbare
Objektivität der Wissenschaft kritisiert.
Jaques Presser, Schriftsteller und Historiker,
Autor des zweibändigen Standardwerkes
„The Destruction of the Dutch
müsse, wurde polemisch geführt. Eine
Wissenschaft, die einen Standpunkt
einnehme, werde von persönlichen Ansichten
beherrscht, hieß es, und in der
Tat, abschreckende Beispiele gab es genug;
Akademiker, die sich den Dogmen
der Macht und der Macht der Dogmen
unterwarfen. Für sie ist Geschichte bloß
ein Vorspiel. Neue Erkenntnisse mögen
daran nichts mehr rütteln. Die Zukunft
ist gewiß, bloß die Vergangenheit ändert
sich laufend.
Jaques Presser bezog Stellung, um
seine Position offenzulegen. Ein solches
Vorgehen bedeutet ein mehr an Fairneß
und Redlichkeit als das Verlangen nach
Gelassenheit. Was aber ist redlich, und
wem gegenüber sollte die historische
Forschung es sein? Die Forderung, die
Opfer gerecht zu behandeln, scheint banal,
doch unklar bleibt, was das bedeutet.
Während die Täter kein Anrecht auf
Anonymität haben und nicht aus ihrer
Verantwortung entlassen werden können,
den Mördern in der historischen
Darstellung keine Diskretion gewährt
werden darf, sollen die Opfer in ihrem
Leid nicht sensationslüstern zur Schau
gestellt werden. Noch darf dem Opfer
ein zweites Mal seine Existenzberechtigung
als Individuum, sein Platz in der
Geschichte verweigert werden.
Wenn von der Geschichtsschreibung
Redlichkeit verlangt ist, was hieße das
gegenüber den Tätern? Etwa, daß sie
sich in der Darstellung wiedererkennen
sollten? Fast alle der im Nürnberger
Prozeß angeklagten Spitzenfunktionäre
des „Dritten Reiches“ präsentierten sich,
wenn es um die Vernichtung der Juden
ging als schiere Befehlsempfänger. Einer
der Untergebenen Eichmanns,
Franz Novak, sagte etwa aus:
„Ich selbst war kein ausgesprochener
Judenhasser. Man muss sich aber die
Forschung, die einst vom Verbrechen
dienstbar gemacht werden konnten.
Ebenso abzulehnen ist eine Sicht, die
zur Dämonisierung neigt, und damit
gleichsam sakral überhöht, was unterschiedliche
Menschen unterschiedlichen
Menschen zufügten. Damit ist
nicht gemeint, es ginge einfach darum,
die Banalität zu zelebrieren, der Mörder
sei ein Mensch gewesen wie alle anderen
auch, der Hunde gestreichelt, Kinder
getätschelt und unter Flatulenzen
gelitten habe. Wer nicht wegschauen
will, kann erkennen, daß sich seit einiger
Zeit ein Blickwinkel durchsetzt,
der von den Opfern der Vernichtung
absieht, um das Augenmerk den Mitläufern
und Tätern zuzuwenden. Wir
werden dunkle Kinosäle geladen,
um uns den Führerbunker, ja, Hitler persönlich zu versetzen, zumindest
aber jene, die ihm dienten, ihm
nahe waren und ihn vergötterten. Wo
nichts als Verblendung war, soll Aufklärung
erwachsen. Vom so genannten
ren die Opfer nichts als pädagogische
Ge-Rabin
ei-Rabin
Jews“ , der Geschichte der Verfolgung
damalige Zeit vergegenwärtigen, mit
Untergang, dem Millionen ihre Rettung
Anschauungsobjekte aus einer Lehr-
der Juden den Niederlanden, und des
der ungeheuren von oben geleiteteten
verdanken, wird erzählt, von jenem Un-
mittelsammlung. Ist aber so eindeutig,
einzigartigen Romans „Die Nacht der
Propaganda gegen die Juden. Sicher
tergang, der bereits damals als Götter-
was uns die Geschichte beibringt? Vor
Girondisten“ versuchte nie zu verheh-
war ich kein Judenfreund. Mit diesen
dämmerung inszeniert worden war. Ein
einiger Zeit versammelte sich etwa der
len, von welcher Position aus er schrieb,
harten Maßnahmen war ich aber nicht
Drama im übelsten Sinne des Wortes.
Generalstab der israelischen Armee ja schreiben mußte. Der jüdische Über-
einverstanden. Ich kann nicht einmal
Selbst die Darstellung seines Suizids
Yad va Shem. Die Medien waren nicht
lebende, der untergetaucht dem Mas-
sagen, ob Eichmann ein ausgesproche-
folgt den Regieanweisungen des Mas-
geladen. Die Veranstaltung war nicht
senmord entrann, war um Sachlichkeit
ner Judenhasser war.“
senmörders. Das Drehbuch hält sich an
eines der öffentlichen Rituale des bemüht, und dennoch, oder vielmehr
Gewiß; alles ist relativ. Was bedeu-
die Mythen der Mitläufer. Damals wie
denkens. Intern sollte die Bedeutung
eben deshalb, ließ er keinen Zweifel
tete es genau, unter den SS-Männern
heute können die Zuschauer angesichts
der Shoah diskutiert werden. An darüber, daß er nicht bloß über die Op-
der Wiener „Zentralstelle für jüdische
des Führers einen wohligen Schauer
nem Punkt brach heftiger Streit aus. Es
fer berichtete, sondern ihrem Namen
Auswanderung“ und im Vergleich zu
verspüren, denn der Diktator war immer
ging um die Frage, ob die Erinnerung
sprach. Was an Presser unter anderem
all diesen anderen nazistischen Mas-
schon ein mediales Ereignis, das erst im
an den Massenmord den israelischen
besticht, ist die Redlichkeit, mit der er
senmördern kein „ausgesprochener Ju-
Zwielicht ganz zur Geltung kam. Das
Soldaten, im Kampf gegen die zweite
seiner Arbeit nachging. Er spiegelte
denhasser“ gewesen zu sein? Und wer
Janusgesicht aus Zucht und Willkür,
Intifada nütze oder schade. Offiziere,
niemandem vor, seine Untersuchung
wollte schon nach 1945 erzählen, wel-
aus Unrecht als Ordnung und Ordnung
die dem Friedenslager zugerechnet mit ebensolcher Geisteskälte angehen che antijüdischen Töne er noch wenige im Unrecht, aus Disziplin und Pogrom,
werden können, und das sind in Israel
nicht wenige, diese linkeren Offiziere
also meinten, Auschwitz sollte gedacht
zu können, wie manch Entomologe
der Erforschung von Ungeziefern, und
das war ehrlicher als die Bekundungen,
Jahre vorher gespuckt hatte?
Redlichkeit gegenüber den Tätern
heißt nicht, sich dem Plädoyer der Mör-
war das Erfolgsrezept des Nazismus.
Der Untergang war kein geschichtlicher
Zufall, sondern Konsequenz der apoka-
werden, um einen zügelnden Einfluß
auf die Rekruten auszuüben und um an
humanistische Traditionen anzuschließen.
Die Falken im Militär vertraten
hingegen die Ansicht, das Gedenken an
die Ermordung der europäischen Juden
sollte eher der Stärkung des israelischen
Verteidigungswillens dienen.
Die politische Anschauung bestimmt
die historische Sichtweise, doch trotz
dieser banalen Erkenntnis werden vor
es ließe sich die Vernichtung kühl betrachten,
ohne durch dieses Paradigma
bereits Stellung bezogen zu haben. Wer
der eigenen Voreingenommenheit begegnen
will, muß die Suche nach ihr
aufnehmen. Auf diese Weise kann erkannt
werden, welche unserer inneren
Projektionen einleuchtender scheinen
als alle Aufklärung.
Die Art der Geschichtsschreibung, die
Presser repräsentiert, wird gerne enga-
der anzuschließen, sondern eher, ihr
Wesen und ihr menschliches Dasein
den Lesern begreifbar zu machen, ohne
deshalb einer Apologie zu verfallen, die
aus dem Verstehen ein Verständnis für
die Untat macht? Wie das Verbrechen
nicht so schildern, daß alles im Nachhinein
unvermeidbar und beinah notwendig
erscheint? Wer nichts als Objektivität
und den kühlen Blick sucht,
wiederholt die Fehler jener Art von
lyptischen Sehnsucht, denn fest stand,
daß die Entscheidung eine totale, eine
endgültige sein sollte. Pech bloß, aus
der Perspektive der Nazis ein Mißgeschick
sozusagen, daß sie die Unterlegenen
waren, daß es sie letztlich selbst
traf. In seinem Buch „Kitsch und Tod“
deckte Saul Friedländer diese Ideologie
der Vernichtung auf und schilderte die
Faszination, die von ihr auch Jahrzehnte
danach noch ausgeht.
Literatur ST/A/R 85
zigtausenden Leichen zu einem logistischen
Problem wurde. „Die Probleme
waren so groß, daß man wieder zusätzlich
Verbrennungsgruben einführen
mußte. Doch die Krematorien, so viel
kann man sagen, haben ihre Aufgabe
so gut sie konnten, erfüllt.“ Ja, so viel
kann man sagen, und ich denke nicht
daran, dies van Pelt vorwerfen zu wollen,
denn seine Pflicht bestand darin,
alle Mißverständnisse aufzuklären, die
Irving verbreitet hatte. Eva Menasse er-
Um den Apparat der Verfolgung entlarven
zu können, bräuchte es Vorstellungskraft,
aber reicht sie aus, um zu
verstehen, was geschah? Nein, in jedem
Buch über die nationalsozialistischen
Morde wird erwähnt, daß, was sich ereignete,
unvorstellbar bleibt. Dabei ist
klar, daß diese Erkenntnis zur schieren
Formel wird. Gefragt könnte werden, ob
nicht jede historische Abhandlung mit
diesem Problem konfrontiert ist. Sind
die Leiden im Dreißigjährigen Krieg
terie mit Wissenschaftlichkeit zu begegnen,
wobei ich wußte, daß dadurch
vieles nicht zur Sprache kommt. Mir
ging es aber, anders als in einem literarischen
Text nicht so sehr um das noch
Unbenannte, als vielmehr um konkrete
Problemstellungen. Ich wollte jenseits
meiner Phantasien forschen, wer die
jüdischen Funktionäre gewesen waren,
wollte ihre Dokumente präsentieren,
sie verzeichnen und darbieten. Ich
brauchte eine gesicherte Antwort auf
klärt, in distanzierter Form: „Van Pelt
stützt sich auf zwei Dokumente aus
Auschwitz, eines über die Verbrennungsleistungen
der Öfen, ein zweites,
in dem doch wahrhaftig ein Ingenieur
der Bauleitung säuberlich ausgerechnet
hat, wie viel Kohle pro Krematorium gebraucht
wird.“
Der Historiker sowie der Chronist
stehen vor derselben Problematik. Sie
können bloß mit den Maßstäben der
Mörder das Ausmaß der Untat verdeutlichen.
wissenschaftlich darstellbar? Gewiß Fragen, die seit langem mich beschäftigten,
Berichtet wird von seuchenhy-
nicht; was aber mit Auschwitz benannt
wird, entzog sich allem, was voraus gedacht
werden konnte, widersprach allen
Vorstellungen von Rationalität. Wieso
war es im „Dritten Reich“ im Moment
der Niederlage noch wichtig, die letzten
über 70.000 im Getto Lodz verbliebenen
Juden zu morden? Die Opfer konnten
nicht begreifen, weshalb ihr Leben,
ihre Fähigkeiten, ja letztlich nicht einmal
ihre Arbeitskraft noch etwas zählten.
Mit dem Mord an Millionen durch
Verwaltung ist der Tod zu etwas geworden,
was so noch nie zu fürchten war.
Keine Möglichkeit mehr, daß er in das
erfahrene Leben der Einzelnen als ein
irgend mit dessen Verlauf Übereinstimmendes
eintrete.
„(...) seit Auschwitz heißt den Tod
fürchten, Schlimmeres fürchten als den
Tod.“, schrieb Adorno.
So fraglich es ist, ob die Geschichtsschreibung
darstellen kann, wie es einmal
war, wie es einmal wirklich war, so
zweifelhaft ist auch, ob, falls sie diese
Aufgabe erfüllen könnte, sie ihre ganze
Pflicht geleistet hätte. Die Historiographie
bemüht sich zumeist anzugeben,
was an einem bestimmten Ort zu einer
gewissen Zeit geschehen ist. Doch um
zu verstehen, was stattfand, muß klar
sein, was eben noch nicht, nicht mehr
sich ereignete, kurzum, was geschehen
hätte können; welche Alternativen sich
den Handelnden einst boten. Welche
Hoffnungen hatten sie hegen dürfen,
ehe eintraf, wovon wir nun berichten?
Diese Überlegungen widersetzen sich
einer Geschichtsschreibung, die vorgibt,
daß nicht anderes geschehen konnte,
als letztlich geschah. Die Historiographie
wäre dann nichts als die Kapitulation
vor der Macht des Faktischen.
aber ebenso eine eindeutige Ent-
gegnung für jene, die zwischen Opfern
und Tätern nicht unterscheiden wollen.
Ihre Thesen mußte ich so sachlich wie
möglich widerlegen. Es wäre fatal gewesen,
das Thema allein der eitlen Selbstdarstellung
wegen zu verfehlen. Es ging
um Selbstbeschränkung.
Doch diese Zurückhaltung hat ihren
Preis. Die Geschichtswissenschaft verwendet,
um zu schildern, was geschah,
das Vokabular des Verbrechens. Unweigerlich
gebrauchen wir dabei die
Termini derer, die über die Untat bestimmten
und sie organisierten. Mit
ihren Begriffen wird bezeichnet, wie
die Ausraubung, Verfolgung und Ermordung
vor sich ging. Wir sprechen
von Deportation, und das bedeutet
wohl nichts als Zwangsverschickung,
meint das Lexikon, aber mit Ethymologie
kommt in diesem Fall niemand
weiter. Hinter „Deportation“ verbarg
sich die Verschleppung in den Massenmord.
Die Wörter „Umsiedlung“ und
„Sonderbehandlung“ können jederzeit
auf ihre buchstäbliche Bedeutung überprüft
werden, der eigentliche Inhalt und
seine geschichtliche Dimension bleiben
aber verborgen. Unter „Umsiedlung“
bloß eine Delogierung zu verstehen,
hieße gar nichts zu begreifen. Wie soll
„Sonderbehandlung“ übersetzt werden?
Euphemismus war Teil der Politik der
Nazis. Wie Ausdrücke verstanden oder
mißverstanden werden, ergibt sich aus
dem Kontext. Die Kritik an der Sprache
wird von der Geschichtsschreibung jedoch
kaum geleistet. Die Wissenschaft
unterwirft sich den Sprachregelungen,
und vermag sich der Wechselbeziehung
zwischen Inhalt und Form nicht zu widersetzengienischen
Maßnahmen, von der technischen
Perfektionierung der Barbarei.
Unanschaulich bleibt, daß hiermit die
Logik der Mörder widergespiegelt wird.
Jenseits des wissenschaftlichen Handwerks
liegen die Möglichkeiten der Literatur,
die gar nicht vorgibt, bloß die
Fakten wiederzugeben. Sie kann sich
eben deshalb einer Wahrheit annähern,
die alle Wirklichkeit übertrifft, ohne sie
zu verraten. „Ich lese den ersten Absatz
und stelle fest: So war es, so! Poe hätte
es anders erzählt, aber noch einmal: SO
WAR ES.“ In großen Lettern schreibt
Jaques Presser diesen letzten Satz, und
wir lesen: „Ich, Jaques Suasso Henriques,
geboren am 24. Februar 1916,
ich schwöre: Dies ist die volle Wahrheit,
unverblümt, nichts ist hinzugefügt.“
Und an anderer Stelle erlebt Jaques
Suasso Henriques, es ist Nacht, und ein
Transport soll abgehen, wie ein Mann
sich die Augen aussticht: „Ich habe
das gesehen, selbst gesehen, in vielen
Nächten der Verdammnis. ICH HABE
DAS GESEHEN.“ Wieder in gesperrten
Buchstaben.
Auf die Frage des Sprachwissenschaftlers
Sem Dresden, ob sich das wirklich
so ereignete, teilte ihm Presser mit,
er habe ein kleines „Ödipus-Element“
für erforderlich gehalten und sich deshalb
„diese Wirklichkeit“ ausgedacht.
An Pressers Vorgehen ist gewiß nichts
Verwerfliches, denn er behauptete ja in
keinem Satz, Jaques Suasso Henriques
zu sein. Das Buch ist als Roman, als
Fiktion zu erkennen. Der Autor gibt
nicht vor, die Erzählstimme zu sein.
Andernfalls wäre es Etikettenschwindel
und Anmaßung. Jaques Presser, der
versteckt nur überlebte, dessen Frau
bei einer Zugkontrolle verhaftet und
Solch ovici
ein historischer Determinismus
Wer die Fakten der Vernichtung aus-
im Konzentrationslager Sobibor ermor-
bestätigt jedes Unrecht, da es im Rück-
breiten will, dem fällt es schwer, die Per-
det wurde, schrieb an seinem Roman,
blick unausweichlich scheint. Doch
spektive der Opfer einzunehmen. Die
mußte ihn schreiben, weil er mit seiner
einst war noch in Schwebe, was ex post
Strukturen des Terrors nachzuzeichnen
historischen Arbeit über die Vernich-
sich schicksalhaft zur Geschichte fügt.
und von den Tötungskapazitäten einer
tung der niederländischen Juden nicht
Die Länder des Westens hätten etwa in
Gaskammer zu sprechen, bedeutet im
fortfahren konnte.
den späten dreißiger Jahren den Mas-
Sinne der Schergen zu sprechen. Im
Jenseits der bloßen Fakten ist eine
senmord an den deutschen und öster-
Prozeß gegen den Rechtsextremisten
Einsicht, die sich der Wissenschaft ver-
reichischen Juden verhindern können,
David Irving kam der Gutachter und
schließt. Wie es wirklich war und was
wenn sie anders auf die nationalsoziali-
Professor für Kulturwissenschaften
noch geschehen hätte können, dem
dem Kopf gehen.“
stischen Verfolgungen und Vertreibun-
Robert Jan van Pelt zu Wort, um gegen
geht die Historie nach. Literatur kann
gen reagiert, die Flüchtlinge bereitwillig
den Auschwitzleugner Irving auszusa-
jedoch eher als die Geschichtswissen-
aufgenommen hätten. Die Niederlage
gen. Irving nahm den Zeugen der Ge-
schaft erzählen, Ruth Klüger hat darauf
Deutschlands hätte zudem früher als
genseite ins Kreuzverhör, doch Pelt ließ
bereits hingewiesen, „was gewesen sein
im Mai 1945 erfolgen können.
sich nicht beirren. Gewissenhaft beant-
könnte“ oder, möchte ich hinzufügen,
Es geht bei diesen Fragen nicht darum,
wortete er alle Fragen, zerriß die Argu-
wie es gewesen sein wird.
zu klären, was geschehen wäre, wenn mente Irvings in der Luft. Eva Menasse Wie es gewesen sein wird; dieser deutsche
der Lauf der Dinge eine andere Richtung
genommen hätte, aber die Auf-
berichtete darüber. Pelt, der Experte,
sagte etwa, daß die Beseitigung von Satz läßt sich auf verschiedene
Weise lesen. Einerseits behaupten jene,
gabe der Geschichtsschreibung ist eben
nicht bloß zu klären, wie es einmal war,
sondern sehr wohl auch, wie es sein
hätte können. Aus diesem Blickwinkel
wollte ich meine historische Studie „Instanzen
der Ohnmacht“ über die jüdische
Administration in Wien während
der nationalsozialistischen Verfolgung
schreiben. Das Thema läßt mich seit
Jahren nicht los.
Davon leichthin zu erzählen, war mir
nicht möglich. So versuchte ich der Ma-
die literarisch schreiben, nicht, sie gäben
die Wirklichkeit wieder. Gewiß; die
Memoiren und Berichte der Überlebenden
sind voll von den Bekundungen,
nichts sei hier fabuliert. Im Gegenteil;
sie rufen uns auf, ihnen zuzuhören; ihnen
Vertrauen zu schenken. Von ihrer
größten Angst berichtete etwa Primo
Levi:
„Viele Überlebende erinnern sich
daran (unter anderem Simon Wiesenthal
auf den letzten Seiten seines Buches
„Doch die Mörder leben“ [Droemer/
Knaur, München/Zürich 1967]), was
für ein Vergnügen es den SS-Leuten
bereitete, den Häftlingen zynisch vor
Augen zu halten: ,Stellen Sie sich nur
vor, Sie kommen in New York an, und
die Leute fragen Sie: ,Wie war es in diesen
deutschen Konzentrationslagern?
Was haben sie da mit euch gemacht??
[...] Sie würden den Leuten in Amerika
die Wahrheit erzählen [...] Und wissen
Sie, was dann geschehen würde? [...] Sie
würden Ihnen nicht glauben, würden
Sie für wahnsinnig halten, vielleicht
sogar in eine Irrenanstalt stecken. Wie
kann auch nur ein einziger Mensch
diese unwahrscheinlich schrecklichen
Dinge glauben - wenn er sie nicht selbst
erlebt hat?“
Wir lesen die Erinnerungen der Opfer
nicht als wissenschaftliche Darstellungen.
Wir sind uns bewußt, daß hier
subjektiv Erlebtes präsentiert wird. Ich
entsinne mich eines Besuches in Wilna.
Ich begleitete meine Eltern und deren
Freunde, Ida und Micha, ein Ehepaar.
Meine Mutter, Schoschanna Rabinovici,
und Ida stammen beide aus der
Stadt, dem Jerusalem des Nordens, wie
sie einst hieß.
Wie aufgeregt meine Mutter war, als
wir in Litauen ankamen. Vor den Zöllnern
fürchtete sie sich, wie an keiner anderen
Grenze. Ich möge meine Kameras
und den Computer in den Formularen
angeben, sonst bekäme ich bei der Ausreise
Schwierigkeiten und könnte dann
die Geräte nicht wieder mitnehmen. Ich
verspottete ihre Angst, erklärte, die Sowjetunion
sei untergegangen. Aber ich
verstand, weshalb sie die Uniformierten
hier als Gefahr empfand.
Sie konnte die Straßenschilder in ihrer
einstigen Stadt nicht lesen, weil nichts
mehr in Polnisch, alles in Litauisch angeschrieben
war. Aber sie fand wieder,
wonach sie suchte und sie wollte es mir
zeigen. Das Haus und das Geschäft ihres
Großvaters; die Wohnung, in der
sie gelebt hatte; den einzigen Baum im
Getto, im Hof des Judenrates; den Weg
zur Selektion.
„Wir liefen weiter und traten dabei auf
Kinder und Säuglinge. Sie lagen unter
unseren Füßen, und es war schwer,
zwischen einem Kleiderbündel und
einem Bündel mit einem Säugling zu
unterscheiden. Plötzlich bemerkte ich
ein Baby direkt vor meinen Füßen. Ich
blieb stehen. Ich war unfähig, weiterzu-
gehen und auf den Kopf des Kindes zu
treten. Meine Mutter zog mich schnell
hoch über das Baby hinweg, doch der
Anblick des Babys, das unter meinen
Füßen lag, sollte mir nicht mehr aus
Schoschana Rabinovici, meine Mutter,
verfaßte ein Buch über ihr Überleben,
über das Getto, das Konzentrationsla-
ger Kaiserwald, das Vernichtungslager
Stutthof und den Todesmarsch. „Dank
meiner Mutter“, heißt es. Viele Jahre
ehe sie es zu schreiben begann, war es
bereits fertig, so sagt sie, fertig in ihr. Es
war in Kapitel geordnet gewesen. Ihre
Erinnerung, ohne jedes Pathos, in zurückhaltender,
doch klarer Sprache, beginnt
mit dem Satz: „Am 22. Juni 1941
sah ich meinen Vater zum letzten Mal.“
Teils fußt das Werk auf Aufzeichnungen,
die sie aufbewahrt hatte. Auf ihre
jidischen Gedichte, die sie zur Zeit der
Vernichtung als Jugendliche geschrieben
hatte, etwa jenes für ihren Vater,
das meine Mutter im Getto schrieb. Es
gibt die Gedanken und Gefühle eines
literarisch ungeschulten Kindes wieder
86 ST/A/R
Buch XI- Literatur Nr. 22/2009
und wurde für ihr Buch in keiner Weise
bearbeitet. Ihre Zeilen hätten, wenn es
nach dem Willen der Mörder gegangen
wäre, die Vernichtung nie überstehen
dürfen; das Buch hätte nach den Vorstellungen
der Nazis nie erscheinen sollen.
Viele Texte, Tagebücher und Briefe
entgingen den Nationalsozialisten.
Nicht wenige der Opfer versuchten damals
festzuhalten, was geschah. 1947
gab Rasmow Benjamin dem Dokumentationszentrum
des Bundes jüdischer
Verfolgter des Naziregimes, das von Simon
Wiesenthal geleitet wurde, zu Protokoll:
„Ich war Augenzeuge wie Murer
eigenhändig während einer Aktion drei
ältere Männer und eine Frau auf der
Straße erschoß, weil sie erschöpft von
dem Aussiedlungstransport zurückblieben.
Ich habe auch gesehen wie Murer
während einer Ausrottungsaktion bei
meinem Haus eigenhändig ein kleines
Kind von der Mutter fortgerissen hat und
es an der Wand zerschmetterte.“ Macht
es Sinn, sich zu überlegen, ob Rasmow
Benjamin das Elend, die Ermordung
eines Kleinkindes kunstfertiger hätte
beschreiben können? Könnte eine neue
Literatur einer jungen Generation etwa
eindringlicher verdeutlichen, was jene
großen Schriftsteller und Schriftstellerinnen,
die selbst der Vernichtung entronnen
sind, bereits zur Sprache brachten,
was sie zum Ausdruck brachten?
Was muß der Aussage von Rasmow Benjamin
hinzugefügt werden? Allenfalls,
daß Franz Murer, der in jenem Ghetto,
aus dem meine Mutter, Schoschana
Rabinovici, stammt und unter den Opfern
als „Schlächter von Wilna“ bekannt
gewesen war, später, im Österreich der
sechziger Jahre vor Gericht trotz seiner
Schuld freigesprochen wurde. Womöglich
wäre zu berichten, daß am Tag der
Urteilsverkündung alle Blumenhandlungen
der Stadt ausverkauft waren, da
der Ausgang des Prozesses und der Angeklagte
gefeiert wurden. Und wissen
Sie, was ein „Judenschlag“ ist? So nannten
die Dorfbewohner, die Nachbarn
Murers, jenes Waldstück, das die Murerfamilie
verkauft hatte, um dem Verwandten,
dem Murer Franz, den teuren
Anwalt zahlen zu können. Gewiß, über
das Fortwirken der Vergangenheit im
heutigen Österreich kann ich nicht wenige
Geschichten schreiben, doch wozu
sollte ein Nachgeborener solche Erinnerungen
wiederaufbereiten, um sie als
bloßen Fundus seiner Erzählungen zu
gebrauchen?
Welch bittere Ironie. Lange Zeit war
kaum beachtet worden, was Menschen,
die der Vernichtung entkamen, erinnerten.
Erst in den letzten Jahrzehnten errangen
ihre Bücher endlich breite Aufmerksamkeit.
War nach dem Krieg die
Auseinandersetzung mit der sogenannten
„Endlösung“ gemieden worden, so
scheint es zuweilen gar, als hätten Erzählungen
über Auschwitz nun eine
Renaissance, die sich an die Stelle der
Dokumente, Erinnerungen und Überlebensberichte
drängen will. Die Geschichte
wird hier aufgeputzt, als wäre
sie für sich nicht genug.
Braucht es etwa sogenannte „außergewöhnliche
Liebesgeschichten“, wobei
„außergewöhnlich“ dabei ist, daß Romantik
vor dem Hintergrund von Gettos
und Vernichtungslagern verheißen
wird? „Eine Liebe in Auschwitz“ nennt
etwa Thilo Thielke sein Buch, das im
Spiegel Buchverlag herauskam, und
auf dem Einband ist zu lesen: „Einmal
verlieh die Himmelsmacht Liebe auch
in der Hölle Auschwitz Flügel: die Geschichte
von Cyla Cybulska und Jerzy
Bielecki, die sich im KZ ineinander verliebten,
dem Lager gemeinsam entflohen,
sich aus den Augen verloren und
voneinander glaubten, sie seien ums
Leben gekommen“ ein Irrtum, wie sie
Jahrzehnte später durch einen Zufall
erfahren...? Auf dem Umschlag sind die
Photos der beiden Überlebenden vor der
Abbildung der Geleise und des Lagertores
zu sehen. Fünf Jahre lang habe der
Redakteur Thielke recherchiert, doch
er formuliert, als schreibe er an einem
Roman, an einem Ärzteroman. Im Präsens
sind die Sätze gehalten, wobei dadurch
die Gegenwärtigkeit des Verbrechens
nicht verdeutlicht wird, sondern
verwischt.
Im Mittelpunkt steht die Leidenschaft
zwischen der jüdischen Gefangenen
und dem polnischen Häftling. Daneben
verblassen alle Qualen der Folter und
der Verfolgung. Wen wunderts; es geht
um die „Himmelsmacht Liebe in der
Hölle Auschwitz“. Die nun in Brooklyn
lebende Cyla läßt Thielke über Jerzy
Bielecki sagen: „Sie habe ihn geliebt wie
keinen vor ihm und auch niemanden
danach“. Was Liebe angesichts der Gaskammern
bedeutet und ob eine solche
Bindung überhaupt an alltäglichen Beziehungen
gemessen werden darf, wird
in diesem Buch nicht erörtert. Cyla Cybulska
und Jerzy Bielecki entkommen
dem Vernichtungslager, doch später
vermeinen sie voneinander, umgekommen
zu sein. Jahrzehnte nachher sehen
sie sich wieder. „Für die große Liebe jedoch
ist es zu spät“, so Thielkes Schlußsatz.
Er will uns glauben machen, daß
ein Irrtum bloß dem vollendeten Glück,
dem Happy End, im Wege stand. Als
wären Bindungen, die im Lager entstanden,
nach der Befreiung nicht oft
gescheitert.
Die Mär über die vermeintlich einzig
große Liebe inmitten der Lager,
über die „Himmelsmacht in der Hölle
Auschwitz“ banalisiert das Verbrechen.
Was bleibt, ist, um ein weiteres Mal mit
Saul Friedländer zu sprechen, Kitsch
und Tod als Widerspiegelung des Nazismus.
Aus all dem Morden, so die verlogene
Botschaft, erwachse ein vermeintliches
Heil, ein Glück im Unglück, das
bloß aufgrund der Nachkriegswirren
sich nicht zum Guten fügte. Die Wahrheit
ist weniger befriedigend. Die Liebe
triumphierte nicht über die Vernichtung;
eher im Gegenteil, die soziale Ermordung
ging der körperlichen voraus.
Was den Juden angetan wurde, rührte
zuallererst an ihr Empfinden und Zutrauen.
Soll aus Auschwitz ein romantischer
Ort werden, der dem Rendezvous
diente? Taugen die Geschichten von
den Sonderzügen und den Stationsrampen
zur leichten Bahnhofsliteratur? Gewiß;
die Qual der Opfer könnte sich zu
Buche schlagen. In manchen Verlagen
mag die Hoffnung umgehen, mit dieser
Mischung aus Leidenschaft und Lagerleid
größeren Absatz zu erzielen. Beunruhigender
als das Erscheinen schlechter
Bücher ist die Marktpolitik, die sich
dahinter offenbart. Das zynische Kalkül,
mit den Qualen der Ermordeten Profit
erzielen zu wollen.
Weshalb erlebt die Mischung, die Vermischung
aus Fakten und Fiktion just
dann eine Konjunktur, wenn die Überlebenden
allmählich wegsterben? Vielleicht,
weil sich nun die meisten der
Opfer kaum mehr gegen einen solchen
Abklatsch wehren können?
Je ferner die Vergangenheit zurückliegt,
um so größer wird die Angst, sie könnte
für das breite Publikum zu blaß oder zu
graulich wirken, und eben darum wird
das Dunkel des Verbrechens mit Sentimentalität
und Kolportage eingefärbt
und aufgehellt. Da der Massenmord abseits
unserer Vorstellungen liegt, wird
übermalt und retouchiert, was geschah.
Eben die Tendenz, das Gedenken an die
Vernichtung zu verkitschen, beweist,
wie sehr die Erinnerung noch verstört.
Vielleicht ist das Kalkül noch zynischer.
Dient die Shoah bloß als dramatisch düstere
Todeskulisse, in der die Liebe besser
aufleuchten kann? Geht es alleinig
darum, bekömmliche Liebesromane zu
verkaufen? Oder soll der Hintergrund
der Vernichtung, den abgeschmackten
Kitsch im Zentrum gar legitimieren helfen
und die Trivialität, die in einer anderen
Szenerie bloß noch lächerlich wirkt,
gegen kritische Einwände schützen?
Der historische Tatort wird zuweilen
zur bloßen Location. Dabei geht es nicht
nur um die Darstellung der Vergangenheit,
sondern vielmehr um die Fetischisierung
des Grauens in der Geschichte
und in der Gegenwart. Die Untat wird
zum Clip. Das Attentat zum Event. Die
Folter zum Foto. Die Enthauptung zum
Video, und wer zusieht, wie die Täter
ans Werk gehen, sieht damit zu, daß sie
ans Werk gehen. Die Medien sind ihr
Tatort. Die Barbarei der Schauerlichkeiten
weiß die Kultur der Beschaulichkeit
zu nutzen.
Auch wer keine Seite von Adorno je
gelesen hat, kennt sein Diktum über
Kunst, über Lyrik nach Auschwitz,
kennt gleichwohl bloß die verkürzt und
entstellt wiedergegebene Formel: „...
nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben,
ist barbarisch ...“ Der ganze Satz
heißt: „Kulturkritik findet sich der letzten
Stufe der Dialektik von Kultur und
Barbarei gegenüber: nach Auschwitz
ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch,
und das frißt auch die Erkenntnis
an, die ausspricht, warum es unmöglich
ward, heute Gedichte zu schreiben.“ So
wendet sich das Verdikt gegen die Kunst
und gegen sich selbst, aber auf keinen
Fall verkündet der Satz ein Verbot, vielmehr
erklärt er ein Dilemma. Alle Teile
der Gesellschaft und auch alle Formen
der Kunst hatten nach Auschwitz ihre
Unschuld verloren.
Auf keinen Fall verkündet Adorno ein
Verbot, vielmehr erklärt er die Ohnmacht,
zeigt einen Verlust an, beklagt
ihn. Mit ihm läßt sich deswegen sagen:
„Erheischt negative Dialektik die Selbstreflexion
des Denkens, so impliziert das
handgreiflich, Denken müsse, um wahr
zu sein, heute jedenfalls, auch gegen
sich selbst denken. Mißt es sich nicht
an dem Äußersten, das dem Begriff
entflieht, so ist es vorweg vom Schlag
der Begleitmusik, mit welcher die SS
die Schreie ihrer Opfer zu übertönen
liebte.“
Mit der Kunst kann das Opfer, der Einzelne,
der Vereinzelte zur Sprache kommen.
In ihr darf sein Recht auf Stimme
und Gehör leben. Sie ermöglichte und
ermöglicht noch eine Rebellion des Individuums
gegen die Auslöschung. Sie
erlaubt dem Subjekt sich der Tyrannei
der Kultur und der Kultur der Tyrannei
zu entziehen. Sie vermag die Stimme
gegen die Kriege zu sein, die im Namen
der Kulturen geführt werden, um so
mehr, da die Kunst heute mehr denn je
aus der Kultur und ihrem Betrieb verwiesen
und vertrieben wird. Sie lebt in
ständiger Flucht.
Jenseits der Kultur der Macht kann
die Macht der Kunst wirken. Das Versagen
ist nicht die Ausnahme. Kunst
an sich ist noch Nichts, was bejaht werden
muß. Der Etikettenschwindel begegnet
einem täglich. Die Literatur bietet
Offenbarung jenseits aller Gewißheit.
Um Adorno ein letztes Mal zu zitieren:
„Kunst ist Magie befreit von der Lüge,
Wahrheit zu sein.“
Literatur kann von der Geschichte erzählen,
indem sie erzählt, was von ihr
nicht mehr erzählt werden kann. Die
Möglichkeiten narrativer Literatur sind
nicht eingeschränkt, sondern eher umgelenkt,
vielleicht sogar erweitert.
Leo Perutz etwa schrieb mit seinem
Roman „Nachts unter der steinernen
Brücke“ ein Mosaik, ein Puzzle des Gedächtnisses,
das nicht von der Shoah
handelt, sonder über die Vernichtung
Nr. 22/2009 Buch XI- Literatur
ST/A/R 87
spricht, indem es gleichsam über sie
hinweg spricht. Von einer Geschichte
zur anderen verdichtet sich das Bild. Die
Legenden aus der mittelalterlichen Prager
Judenstadt erzählt der Hauslehrer
und Nachfahre in jenem Moment, da
der baufällige Bezirk abgerissen wird,
und sein Schüler schreibt sie nieder, als
die Juden in Prag, ja in Europa der Vergangenheit
angehören, ermordet waren
und die Gemeinden mit all ihren Überlieferungen
und Traditionen vernichtet
sind. Dies wissend lesen wir das Buch.
Während die Juden vernichtet wurden,
webte Perutz an ihren Sagen aus dem
mittelalterlichen Prag.
Perutz nutzte alle Quellen, um die Erinnerung
aufzurufen, obgleich er nicht
vom Nazismus schrieb. Er siedelte das
Werk vor der Vernichtung an. Im Wissen
um alles, was nachher geschah, ist
der Text geschrieben und wird er gelesen.
Die Geschichte vom mittelalterlichen
Prag wird durch die Vergangenheit
nicht verstellt und die Vergangenheit
durch die Geschichte nicht beschönigt.
Im Gegenteil; die Auslassungen machen
deutlicher, was sich ereignete.
Auch der Band „Kaddisch für ein ungeborenes
Kind“ von Imre Kertesz ist
kein Buch über die nazistische Vergangenheit.
Es spielt in der unmittelbaren
Gegenwart. Nein, tobt es in diesem
Buch, antwortet B. auf die harmlose
Frage eines Bekannten, ob er Kinder
habe. „Nein“, so verweigerte er sich dem
Wunsch seiner Frau, die längst nicht
mehr seine Frau ist, Kinder zu zeugen.
Der Text bäumt sich auf, wendet und
windet sich zu einem Nekrolog für ein
Nicht Geborenes, zu einem Abgesang
aus schwebenden und schwankenden
Tönen, zu einer Klanglandschaft der
Ambivalenz, wie sie bloß Imre Kertesz
in Worten hörbar machen kann, zu einem
Kaddisch, zum Totengebet eines
Menschen, der preisgibt, daß er sich
nicht erinnern will, obgleich er sich erinnern
will, und der sich erinnert, ob er
will oder nicht, weil er nicht vergessen
kann, und wie er sagt, „keine Angst,
Kinder, nicht aus irgendeiner ,moralischen
Verpflichtung’“. Er betrachtet
das Dasein eines Kindes als Möglichkeit
seines Seins, um das Nicht-Sein dieses
Kindes als radikale und notwendige Liquidierung
seines Seins zu betrachten,
denn allein so habe alles, was ihm geschah
- ohne daß er wohl wußte, wie ihm
geschah - alles, was er getan habe und
ihm angetan worden sei, einen Sinn.
Dieser innere Monolog richtet sich gegen
sich selbst, richtet sich selbst, ist ein
Kaddisch gegen den Kaddisch, ist keine
Lobpreisung des Allmächtigen mehr,
sondern das Einbekenntnis einer Ohnmacht.
Diese Ausführungen sind, wie
Jean Améry erklärte, die Bewältigungsversuche
eines Überwältigten.
Literatur bietet zumindest die Chance
neuer Fortschreibungen. Sie versucht
zuweilen dem Entsetzen mit Humor
zu begegnen, und zwar nicht um es
durch brüllendes Gelächter zu übertönen,
sondern, im Gegenteil, damit das
Lachen einem im Halse stecken bleibe.
Der Witz dient der Erkenntnis, wenn
er uns das Denken nicht erspart, aber
erleichtert, wenn er sich nicht über die
Opfer lächerlich macht, sondern uns
mit ihnen fühlen hilft.
Was damals geschah, läßt sich nicht
in mir geläufigen Kategorien fassen.
Vor wenigen Jahren befragte ich einen
alten Juden in Wien zur Geschichte seiner
Befreiung aus Auschwitz. Ein kleiner,
energischer Mann mit Glatze, der
recht unsentimental von der Zeit des
Massenmords sprach. Die Szene beruht
auf einer wahren Begebenheit, einem
Interview, das ich vor Jahren in Wien
führte. Die Geschichte jenes Überlebenden
läßt mich bis heute nicht los. Er war
bloß seiner Mutter wegen im nationalsozialistischen
Wien geblieben. In Theresienstadt
verliebte er sich in eine Frau
und heiratete sie, obgleich jüdische
Hochzeiten längst verboten waren. Als
er nach Auschwitz deportiert werden
sollte, bestand sie darauf, ebenfalls verschleppt
zu werden. Beide überlebten
wie durch ein Wunder, fanden einander
in Wien wieder und nun ließen sie sich
gesetzlich trauen.
Als ich von diesem zweifach unwahrscheinlichen
Glück und dieser Liebe
hörte, wagte ich erst nichts zu sagen,
dann aber fragte ich schüchtern, weshalb
ich in seiner Wohnung kein Zeichen
seiner Frau sah. War sie gestorben? Der
Alte meinte bloß: „Naja, wir haben uns
dreiundfünfzig scheiden lassen.“ Wieso
denn, entfuhr es mir, den eben noch
romantische Gefühle umwogt hatten,
worauf der Greis sagte: „Sie war jähzornig.
Hat immer nur geschrien. Es war
schwer auszuhalten.“
„Und vorher“?
„Aber ja, auch vorher schon“, versicherte
mir der Überlebende mit schelmischen
Lächeln: „Ja, im Lager bereits.
Aber damals glaubten wir noch beide,
es liegt an Hitler!“
Ich habe diese Begebenheit, diese
Groteske in meinen Roman „Ohnehin“
eingebaut. Ich erzähle damit nichts von
Auschwitz, doch vielleicht erzähle ich
auf diese Weise unter anderem, was ich
nicht von Auschwitz erzählen kann.
Zuweilen, wenn ich aus meinen Büchern
lese und nachher für eine Diskussion
bereitstehe, will jemand aus
dem Publikum wissen, weshalb ich, der
Nachgeborene, Geschichten schreibe,
die in der Vergangenheit angesiedelt
sind. Andere sind erstaunt, daß ich, der
ich doch so jung sei, ja, in diesen Momenten
scheine ich zum Pubertanten,
zum Unterstufler zu mutieren, mich
noch mit den Themen des Krieges auseinandersetze.
Diese Fragen werden
zumeist freundlich gestellt, nicht selten
sind sie von redlichem Interesse motiviert,
aber manchmal scheint ein Ressentiment
durch, und die Beschäftigung
mit der Shoah schlechthin steht mittlerweile
unter einem Generalverdacht, einem
Argwohn, der in den vergangenen
Jahren an Kraft gewann. Werde ich nach
einer Lesung gebeten zu erklären, weshalb
mein Roman in der nationalsozialistischen
Vergangenheit spiele, weise
ich darauf hin, daß er doch gar nicht
in diese Zeit gesetzt ist. Nie in meinem
Leben verfaßte ich eine einzige Erzählung,
die in einem Lager oder einem
Getto angesiedelt ist, und selbst wenn
ich von den Verhältnissen in den litauischen
Gettos erzählen wollte, das Buch
meiner Mutter kopierte, meine Protagonisten
durch eine Selektion triebe, sie
ermorden ließe, von den Strategien des
Entrinnens phantasierte, zu schildern
versuchte, was sie empfänden, würde
ich nicht die Vergangenheit aufarbeiten,
weil sie sich ja nicht mehr aufarbeiten
läßt. Es geht allemal bloß um die
Gegenwart. Was erörtert, aufgedeckt
und verhandelt, was verdrängt, verleugnet
und ausgeblendet wird, bestimmen
allein die aktuellen Machtverhältnisse,
nie die früheren.
Ich schreibe vom Umgang mit der
Vertreibung, der Verfolgung und der
Vernichtung. Ich spreche hier vom
Umgang mit diesen Fragen, und meine
nicht bloß die historische Auseinandersetzung
mit der Shoah, sondern ebenso
die aktuelle, die politische Handhabung
von Flucht und Genozid in der Gegenwart.
Dabei geht es mir keineswegs um
eine Gleichsetzung dessen, was einst
geschah, und was heute sich ereignet.
Vielmehr will ich sehen, welche Parallelen
sich uns aufdrängen und warum.
Ich schaue mir an, was Menschen nun
geschieht, im Lichte, nein, vielmehr
im Schatten des Vergangenen, und ich
rätsle, wie es gewesen sein wird. Woran
ich arbeite, woran ich mitarbeite, ist die
Fortschreibung von Geschichte und
Geschichten. Ich schreibe fort in jeder
Bedeutung des Wortes, will nämlich
manches weiterschreiben und anderes
weg. Selbst diese Vorlesung ist eine
Fortschreibung vieler Erzählungen und
eines Textes, an dem ich lange schon
sitze und an dem ich bald wieder feilen
werde. In ihm geht es um nichts als um
den Unterschied zwischen der Frage,
wie es war, und jener, wie es gewesen
sein wird.
Literatur kann verdeutlichen, wie es
gewesen sein wird, und das bedeutet
nicht bloß, wie es wohl geschehen sein
könnte, sondern heißt weiters, eine Kalkulation,
ein Zählen im Erzählen, eine
Abrechnung mit dem, was uns noch zustoßen
kann. Es heißt, fortzuschreiben,
wie es überwunden und einst eingesehen
werden wird. Über die Bedingungen
im England vor mehreren Jahrhunderten
wissen die meisten Menschen
nicht viel, aber das Treffen zwischen
Mary Stuart und Königin Elisabeth, das
wissenschaftlich betrachtet sich nie ereignete,
kennt jeder Gymnasiast.
Ich erinnere mich an 1984 von George
Orwell, entsinne mich, daß ich bereits
in den Siebzigern daran denken mußte
und mit anderen darüber sprach, wie es
sein würde, jenes Jahr zu erleben, daß
zum Synonym des Totalitarismus geworden
war. Ich verbinde mit der Zahl
keine historische Assoziation mehr, sie
ist für mich wiederum allein zum Titel
eines Buches geworden.
„So hat es zu sein“, verkündet die Politik.
„So war es“, mag die Geschichte
behaupten, die Literatur sagt bloß: „So
wird es wohl gewesen sein.“ Wie es gewesen
sein wird, das ist es, was mich
antreibt. Das literarische Schreiben vermag
zur Sprache zu bringen, was noch
ungesagt ist, vermag dem Unsagbaren
und dem Unerhörten ein Wort zu verleihen.
Ich muß an einen Ausspruch denken,
der doch, wenn ich nicht irre, von August
Wilhelm von Schlegel stammt.
Sagte Schlegel nicht, der Historiker sei
ein Prophet, der in die Vergangenheit
schaut? Erinnern die Worte nicht an
Walter Benjamin? Ist dieser Beruf nicht
in der Tat dazu verdammt, mit rücklings
verrenktem Kopf voranzuschreiten?
Aber war es nicht Heinrich Heine, der
Schlegel widersprach und meinte, mit
mehr Fug und Recht könne der Dichter
ein Geschichtsschreiber genannt werden,
der in die Zukunft schaut? Stimmte
nicht Georg Büchner darin überein und
meinte, der dramatische Dichter sei ein
Geschichtsschreiber, der Geschichte ein
zweites Mal zum Leben erwecken lasse,
indem er aus Charakteristiken Charaktere
schaffe? Ja, so wird es wohl gewesen
sein...
Die wissenschaftliche Geschichtsschreibung
versucht in ihren Studien
über den Massenmord das Thema abzuhandeln.
Bis nichts erforscht ist, was
der bisherigen Auffassung widerspricht,
und solange keine neue Interpretation
die alten Ergebnisse in Zweifel zieht,
mag das wissenschaftliche Buch seinen
Zweck erfüllen. Der Historiker will ein
Standardwerk schaffen. Kein Dichter
will hingegen schreiben, was nichts als
Standard wäre. Die universitäre Studie
wird, so gut sie ist, in absehbarer Zeit
überholt sein. Ein künstlerischer Text
mag hingegen nach vielen Jahren erst
an Kraft gewinnen. Literatur ist ein Prozeß,
und sie ist ein Zeugnis des Scheiterns
im Umgang mit der Vernichtung.
Sie lotet aus, wo das Wort versagt, und
auf diese Weise ist sie in jeder Bedeutung
dieses Begriffes ein stetes Versprechen,
eine unentwegte Fortschreibung,
wie es gewesen sein wird.
Copyright: Doron Rabinovici 2008
• Ohnehin Roman. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2005
• Credo und Credit. Einmischungen Frankfurt/M.:
edition suhrkamp, 2001
• Instanzen der Ohnmacht. Wien 1938-1945.
Der Weg zum Judenrat. Historische Studie Frankfurt/
M.: Jüdischer Verlag bei Suhrkamp, 2000
• Suche nach M. Roman. Frankfurt/M.:
Suhrkamp, 1997
• Papirnik. Stories Frankfurt/M.:
edition suhrkamp, 1994
• Der ewige Widerstand. Über einen strittigen Begriff
Styria-Verlag, 2008
• Das Jooloomooloo Doron Rabinovici
(Text), Christina Gschwantner (Illust.)
jooloomooloo, Wien, 2008
88 ST/A/R
Neue Miniaturen
Neue Miniaturen von Günther Kaip
Nr. 22/2009
Wie selbstverständlich
Wie selbstverständlich erschüttert das häufige
Auftauchen der Gegenstände das Ergebnis.
Ein Drittel unsere Zuversicht verschwindet
im Messbecher, die anderen Teile werden in
den Cocktail-Gläsern mit Eiswürfeln verrührt.
Manchmal kommt noch ein Schuss einer
Maßnahme dazu, mit Schlagobers aufgeschäumt,
eine Brise Salz.
Erfolgt dann mittels tiefer Einsicht der Befehl
zur Zeitverkürzung, trinken wir folgsam unseren
Cocktail, wischen uns die weißen Schnurbärte ab
und schwängern unsere geschürzten Lippen mit
Worten, die wir in obszönen Übersetzungen an
die Toreinfahrten nageln.
Ihr Schläfer
Ihr Schläfer, zündet die Kerze an. Offen ist das
Grab. Die Engel lungern am kalten Boden und
heben bei jedem Gebet, das sie hören, den Kopf.
Reichen sich die Hände. Zeigen die Zunge.
Wie sie es gelernt haben. Schaut jemand in das
Grab, und sei es ein Hund, erröten die Engel
und schmücken sich schnell mit Nachbildungen
ihrer Heiligenscheine. Natürlich vergessen sie
nicht den Atem anzuhalten und ihre Hände zu
falten, wie sie es in den Leichenhallen gelernt
haben. Hier aber, in diesem einsamen Grab,
fürchten sie sich, wissen nicht wohin, bis der Tote
kommt. Schlagen sich ängstlich die Stunden um
die Ohren, erzählen sich Geschichten, die bis zu
seiner Ankunft ablenken sollen.
Also kommt ihr Schläfer, steht den Engeln bei,
denn der Tote möchte endlich in sein Grab.
Die Beine und Arme
Die Beine und Arme werden sorgfältig
zusammengelegt, bis sie faustgroß sind,
mit Zellophan verschweißt und in die dafür
vorgesehenen Regale gelegt. Nichts deutet
auf Verfolgung hin, auf Brandschatzung und
Verleumdung. Kommt jemand vorüber, grüßt
er anständig und tastet automatisch nach seinen
eigenen Beinen und Armen. So ist es uns auch
einmal ergangen, wir erinnern uns an die Lust,
über die Schenkel zu streichen, über die Arme,
es war ein Augenblick der Unterwerfung, und
doch, in unserem Größenwahn setzten wir diese
Bewegung mit dem Ursprung der Welt gleich.
Heute aber sitzen wir vorne an der Kassa, schieben
die faustgroßen Zellophanbällchen über den
Scanner und halten die Hand auf. Manchmal sind
wir deprimiert darüber, dass in einem Jahr sich
nur zwei drei Kunden zu uns verirren, die, haben
sie erstmal erkannt, was sie kaufen und wo sie sich
befinden, mit aller Gewalt dazu überredet werden
müssen, ihre Handlung zu Ende zu bringen.
Unterdessen
Unterdessen hatte das Pferd sein Rosshaar im
Schweißtrog neben der Scheune gewaschen.
Acht Uhr Abend war es, und die Sonne ging erst
jetzt im Westen auf, blass vom Schlaf, an den
Rändern zerknittert. Um der Scheune trieben sich
Kleintiere herum, stets darauf bedacht dem Pferd
nicht zu nahe zu kommen. Übrigens saß auch
ein Reiter im Sattel und fönte das lange Rosshaar,
funkelnde Fäden zwischen den Fingern, die nur
drei an der Zahl waren. Auf dem Kopf hatte er
einen alten Schlapphut
auf, den Schmetterlinge
und Gelsen in edler
Eintracht umkreisten.
Im nahe gelegenen Teich
veranstaltete ein Fuchs
Tauchübungen, schnorchelte
elegant zwischen den Seerosen.
Einige Bäume kamen aus dem
Wald, um besser zu sehen. Ein
Habicht stieß vom Himmel,
verlor die Kontrolle über seinen
Sturz und landete im Misthaufen.
Dieser dumpfe Aufprall ließ alle
Anwesenden zusammenfahren - das
Pferd machte einen Satz, warf dabei
den Reiter in hohem Bogen aufs
Scheunendach, das unter dieser Last
einbrach, und der Reiter knallte mit
voller Wucht in den Fresstrog des
Schweins, das gerade Abendtoilette
machte und empört das Weite suchte,
während die Schmetterlinge und
Gelsen irritiert in der Luft standen
und schließlich zum Weiher flogen,
wo der Fuchs sich mit letzter Kraft
ans Teichufer retten konnte, denn
er hatte wieder einmal seine Kräfte
überschätzt, während die Bäume
enttäuscht im Wald verschwanden, und einzig
der Mistkäfer blieb gelassen, bettete den Kopf des
Habichts auf seinen Schoß, bog seinen Schnabel
wieder gerade und untersuchte ihn nach anderen
Verletzungen.
Da es gerade neun Uhr wurde, packte die Sonne
ihren Korb mit den Essensresten voll und rollte
hinter den Horizont. Morgen würde sie zu Hause
bleiben, denn niemand hatte sie beachtet. Das war
nicht fair.
Ein viel versprechender
Anfang
Ein viel versprechender Anfang waren die
feuchten Spuren auf dem himmelblauen Flanell.
Weiters ein vorbeifahrender Lastkraftwagen, der
die Glasscheiben zum Vibrieren brachte, ein
vergessener steif gefrorener Mantel im Schneefeld
vor dem Haus, die durchgestrichenen Summen
im Kassabuch, das in der weiß gekachelten Küche
auf dem Tisch lag. Doch es half nichts. Das
Handlungsregister hing im Vorraum aus, durch
den sich ein breiter Strom von Schneematsch
wälzte, sich an den Zimmertüren aufstaute und
in Kürze bis an die Decke reichte. Dazu kam die
unerwartete Mondfinsternis, die vom Geschehen
ablenkte. Irgendwo hustete ein Mensch, was
natürlich zu keinem Ergebnis führte. Die Dünung
der Landschaft zeigte kleine Auffälligkeiten
und erklärte sich bereit, neue Instruktionen zu
empfangen. Inzwischen trockneten die feuchten
Spuren auf dem himmelblauen Flanell. Der Mond
bleibt verschwunden, und jetzt erhebt sich der
steif gefrorene Mantel aus dem Schnee und geht
übers Feld. Irgendwo hustet wieder ein Mensch.
Hiermit können wir die Beweisführung
abschließen und zu den Akten legen.
Hast du schon
Hast du schon den liebenden Blick des Todes
gesehen, wenn er sich entschieden hat.
Gleichgültig, wo er sich gerade befindet - sein Leib
leuchtet in dieser diamantenen Nacht, errichtet
Pyramiden, ist das Rauschen des Mississippi, das
erste Dämmern des Tages, das Licht der Sonne
und die Farben des Regenbogens, die heiße Zunge
im Mund, der Speichel, das Herz und die Lunge,
der Schatten auf der Haut, der Schweiß in den
Achselhöhlen - die Erde dreht sich mit ihm ins
Universum, während er dir geduldig den Staub
von den Schultern bläst.
Klettere weiter
Klettere weiter, nimm die Hände aus den
Hosentaschen, denn sonst wird es nichts mit
deinem Gebet an die untergehende Sonne. Noch
zerrst du den Glauben an gestern hinter dir her,
sein Blut erstickt die Wasseradern, wird Kruste.
Über dir der lautlos schwingende Adler, im
Aug’ seine Kapelle mit all ihren Turbinen und
Dynamos, dazwischen ihre zerbrochene Achse
und die heilende Quelle. Die musst du erreichen,
… Fortsetzung folgt (vielleicht)
Günther Kaip, geboren 1960 in Linz, nach diversen Jobs 1980 Übersiedlung nach
Wien, wo er seit 1991 als freier Autor lebt. Er schreibt lyrische Prosa für Erwachsene
(häufig in Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern) und poetische Geschichten
für Kinder (etwa – gemeinsam mit der Illustratorin Angelika Kaufmann – über die
Riesenschlange „Kurt“). Publikationen (u.a.): „Trash“ (2004). „Nacht und Tag“
(2005)
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch XII - Waran ST/A/R 89
Wenn sich zwei streiten - freu ich mich
Was sich liebt das lecht sich. und sollten wir uns nicht mehr sehen, könnt ihr
euch den Rest ja denken. Meine Pornosammlung kann sich sehen lassen
Nur Sklaven fahren in den Urlaub.
Schönen Urlaub.
Die Erde hat uns wieder,
so wie sie uns kennt
Ohne Grenzen keine Nation
Ohne Nation kein Patriot
Ohne Patriot kein Soldat
Ohne Soldat kein Idiot
Ohne Idiot kein Künstler
und ohne Künstler kein Leben
und ohne Leben keine Regeln
und ohne Regeln keine Freiheit
und ohne Freiheit kein Selbstmord
und ohne Selbstmörder keine Draufgänger
und ohne Draufgänger keine Looser
90 ST/A/R
Buch XII - Waran Nr. 22/2009
WWW.TOLSTOI.RU
Nr. 22/2009 Buch XII - Waran
ST/A/R 91
Liebe Frauen in alphabetischer
Reihenfolge
von A–Z. Wenn ich nicht mitspielen
darf, wenn ich nicht ich sein
darf, wenn ihr alle gegen mich
seid, spornt mich das mehr an,
als wenn ihr Luft für mich wäret.
Ihr woll nicht meine Freunde sein
OKAY. Jetzt, genau jetzt, seid ihr
meine Untertanen. Verzeihe euch
nichts. Schönen Urlaub.
Meine Freunde sagen zumindest
das sie mich mögen,
aber ihr, ha ihr ihr
Städteplanung / Architektur / Religion
Buch XII
Lieber Hirntod als gechipt und geoutet
Mittwoch, 3. Juni, 2009 14:56 Uhr
Giftzwerge sitzen auf der Veranda und unterhalten sich über die Regenwürmer die sich durch das ERDREIcH fressen
bald sind sie und sterblich aber hackst du sich entzwei werden zwei draus Einer mit Kopf und einer ohne
Karotti hat geglaubt Raketen mit 200%iger Treffsicherheit Fernwärmelenkwaffen TARGET EU
Heuchler Querulanten Fabrikanten Hydranten Familie kann man sich nicht aussuchen Freunde
auch nicht
jeder sollte das Weite suchen wenn Sehnsüchte und Wünsche in Erfülllung gehen sehnen wir uns zurück an die
Zeit des Zweifelns
niemand gibt gerne auf nur weil er versagt hat auf allen Linien paralllel Karierre leiter KADMIUM
LITHIUM ELEMENTE ALLimente alibi kettenreaktion kawumm
retro tundra sieb unterjochen rassentrennung XENOPHOBIE
RASENHEIZUNG
SCR VS. FAK der ewige KRIEG
GRINGO WHERE DO YOU GO the harder they come the harder they fall wonna know
you´re gonna live like a free man or a slave
fi ghting for the things I want
between now and the day I die we´ll meet us in the sky timetravelller
EXODUS OVER AND OUT FINALLE GRANDE LOVEOVER
- Waran ST/A/R 93
dermensch ist schon längst ausgestorben, der neandertaler hat überlebt, und sich nicht weiterentwickelt
als ich mich gar nicht wieso nicht, halt warte kurz, okay geht schon wieder. lass
uns deer menscheit den letzten furz abzocken, so wie wirs immer getan haben wenns um die
wurscht ging. und jetzt 20 liegestutz
niemals
abeer dafur in senegal wo. wie auch immer alles beim alten nur wir sind alter als gedacht über
dem kopfstand..... da kannst im würstelstand
kalles am kopf haun
.,,speziell, was deine Phantasien bezüglich deines “heiligen”
Teils anbelangt - wie war das nochmals, du bist unzufrieden
damit, weil er im unerregierten Zustand nicht so eine stattliche
Größe hat wie andere “Vergleichsobjekte”.
Solltest du dir mal mindestens 2 Jahre lang à 3 mal die
Woche auf der Couch liegend gemeinsam mit einem qualifizierten
Psychonalytiker durch den Kopf gehen lassen.
Wieso ist mein Penis im unerregten Zustand nicht so groß
wie der des Nachbarn oder wahlweise Schulkollegen oder
des ...?
Wieso werde ich dauernd von Menschen erregt, deren
Körper ich häßlich empfinde und deren Geruch mir zuwider
ist? Wahlweise: Frauen, die mir zuviel Scheiße denken und
zuviel reden.
Ich habe noch niemals im Leben so eine abgrundtief hässliche
Einladung zu einer Ausstellung bekommen.
Ach ja, wenn du in Erklärungsnotstand kommen solltest
und manch einer dich als Nazischwein bezeichnet, kannst ja
meine obigen Gedanken diesbezüglich verwenden.
Und hinzufügen, dass DU das alles garantiert niemals vergessen
wirst können.
94 ST/A/R
Nr. 22/2009
Nr. 22/2009 Buch XII - Waran
ST/A/R 95
Sein oder nicht sein –
wo ist hier die Frage?
Die Schnitzeljagd hat begonnen MAMPF Jet Set vom Feinsten Jet Lee
Vom Euro zum Schilling, zur D-Mark. zur Drachmen, zur LIRE, zum France , Zur Pesetas und zum Tauschhandel
Wer den Kopf in den Sand steckt wird am nächsten Tag mit den Zähnen knirschen
Ein Gehirn wäscht das Andere
Bye Bye Belinda
Keine Zeit für Sentimentalitäten KEIN MITLEID MIT EUCH ALLEN Ihr seid einfach nur zum KOTZEN
Diplomaten genießen auch Immunität, aber vom Gefilzt werden
Male nicht den Teufel an die WAND
Warum eigentllich nicht Oder soll ich gleich meine Seeeleverkaufen
Da spiel ich lieber Domino mit einer Domina
dIE FILZLAUS ist intelligenter als der Mensch. Die Kakerlacke und die Termiten und die Heuschrecken überleben jeden
Atomkrieg
Haie sind gegen Krebs immun 21 12 20 12 Happy End Datum relativ
Schöne Grüsse von der Dorfschlampe aus Mürzzuschlag Karate meisterin 3. Dan-TAnga die mit dem Stiernacken
Welches Verhältnis hat der Teufel zu Fliegen Eintagsfliegen leben exact 3 Tage also 4220 Minuten
WAR IS THE DEATH OT HUMAN REASON
back in the day relationship We gotta build a big ship
and it´s called FRIENDSHIP for all wapplers and superschnorrers Let´s play EGOshooter together PAX
spray back you have to pray and pray just pay the full nice price don´t you remember me BÖRLIN
Linzer Augen tomorrow never come You don´t have to worry proud marry keep on burning
FOR ALL THE PARTY-PEOPLE ALL over the WÖRLD (WÖRDERN)
P.S. : Hallo Brüder und Schwestern Wir spucken in die Hände und dann reichen wir uns die Hände
Wer hat euch zu Einsamkeit gezwungen. So viel Schmerz in Euren Augen. Wer hat euch blos so verletzt
Augenblicke ohne Blickkontakt. Einen hab ich noch: Treffen sich zwei Blicke , sagt der eine zum Andern: “Geh mir aus den Augen; Aus den Augen
aus dem SINN”
Bald kommt die SINNFLUT DIE ARCHE II steht bereits bereit Frischer Wind kommt auf ein Regenbogen zieht vorbei und
Vögel sinken Lieder
Some holy moment Some hope today to stay for everyone In Liebe DJohn Gunscha
Sollltzen wir uns nicht mehr sehen dann: Sieh dich vor
AUGEN AUF UND DURCH
Pavel´s Motto ist : Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Rudi´s Motto ist:
Vor dem Spiel ist nach dem Spiel
Heidulf´s Motto ist: Jede Nacht bringt betrunkene Frauen
Adam´s Motto ist: Bier holen und Wein trinken
96 ST/A/R
Printmedium Wien – Berlin
Buch XII - Waran Nr. 22/2009
ST/A/R
Nr. 22/ Herbst 2009
Zeitung für Hochkultur Mittelmaß und Schund
Mirjana Rukavina & Sebastian Sauer, ADA 20J., aus der Serie:
Seduced by Uncertain Knowledge, Wien, 2009
3,– Euro