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Printmedium Wien – Berlin
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/ /R
Hochkultur / Mittelmaß / Schund
25Nr. 34/2012
Jahre
Wiener Vorlesungen
Christian Ehalt plant und dirigiert seit
25 Jahren die Wiener Vorlesungen.
25 Jahre intellektueller Brennpunkt in Wien
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Verena Winiwarter, 4.5.12
Umwelt langfristig
betrachten
Konrad Becker, 19.6.12
Herausforderung
Globales Netz
Barbara Duden, 11.4.12
Prekariat:
neue Trümmerfrauen
Helga Kromp-Kolb, 4.5.12
Gestalten statt
fortschreiben
Konrad Paul Liessmann, 20.6.12
Theorie der
Unbildung
Sabine Ladstätter, 4.5.12
Umweltprobleme
in der Antike
Anton Zeilinger, 2.5.12
Einsteins Spuk
verstehen
2 CHAOS
Städteplanung / Architektur / Religion / 2012
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Hochkultur / Mittelmaß / Schund
Marcel Houf mit seiner
neusten Schallplatte
Kettenraucher
Foto: ST/A/R
Chaos
Städteplanung / Architektur / Religion / 2012
Steuer
3
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laufende Buchhaltung und Steuererklärung
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4 Kunst
Städteplanung / Architektur / Religion / 2012
Bruno Rey
Städteplanung / Architektur / Religion / 2012
Literatur
5
Den Ärmsten das Schönste
Frühling 2012.
Im Frühherbst 2011 erfuhr die breite
Wiener Öffentlichkeit durch einige
Medienberichte von einem neuen
und doch schon alten Skandal:
Stillschweigend hatte die Wiener
Stadtregierung das OTTO WAGNER
SPITAL teilweise verkauft, dass
Arreal von öffentlichem Grund
in Wohngebiet umgewidmet und
mit der Errichtung von 600 (!)
Eigentumswohnungen auf dem
Gelände begonnen. Dies alles, ohne
die Öffentlichkeit, den eigentlichen
Eigentümer, darüber zu befragen.
Nach heftigen, medienunterstützten
Protesten nahm der Wiener
Bürgermeister die Baugenehmigung
für die Wohnungen zwar zurück, der
Plan zur Errichtung eines Wellnesund
Therapiezentrums blieb jedoch
weiterhin aufrecht. Das Folgende
soll einerseits einen neuen Aspekt
in die Diskussion einführen und
andererseits klar machen, dass auch
die gewichtsreduzierte Version
der Verbauung des Spitals nicht
akzeptabel sein kann. Noch ist die
Sache nicht ausgestanden und der
Protest muss so lange weitergehen, bis
alle Verbauungspläne vom Tisch sind.
Der Drang mich von irgendwo hoch
hinunterzuwerfen wird so stark, dass
ich verzweifelt eine Therapeutin anrufe.
Sie sagt, ich solle mich einweisen
lassen. „Aber nicht ins AKH! Auf die
Baumgartner Höhe musst Du. Dort ist
alles grün jetzt im Frühling“.
(Brigitte Schwaiger, Fallen lassen)
Den Ärmsten das Schönste : Was die
Baumgartner Höhe, also das Otto
Wagner Spital, also den Spiegelgrund
so einzigartig macht, ist ja diese
Parklandschaft in die eingebettet
das Krankenhaus seine Funktion
besser erfüllen kann, als ein Stahl-
Beton-Moloch.Was jeder Besucher,
Spaziergänger, Anrainer, Patient
oder dort Angestellte sofort und ohne
nachzudenken mit all seinen Sinnen
erfahren kann, ist die einzigartig
geglückte Ausgewogenheit aller seiner
Komponenten. Hier harmonieren
medizinische Funktion, Architektur
und umgebende Landschaft in
idealer und einzigartiger Weise.
Jeder, der auf der Baumgartner
Höhe auch nur spazieren geht, spürt
die therapeutische Wirkung dieser
Kombination.
„Und schließlich die Biophilie: Studien
haben gezeigt, dass Patienten schneller
gesund werden, wenn sie auf Pflanzen
schauen statt auf eine kahle Wand“.
(Ken Yeang, Architekt)
Berühmt
Einem ganzseitigen Nachruf im Dimbacher Lokalanzeiger
aus dem vergangenen Mai zufolge
war am vierundzwanzigsten desselben Monats ein
gewisser Luis Brandstetter im zweiundneunzigsten
Lebensjahr und nach lebenslanger Krankheit friedlich,
offenkundig also im Kreis der nächsten Familienmitglieder,
verstorben. Freilich, warum dem Tod
des Luis Brandstetter eine ganze Seite im Dimbacher
Lokalanzeiger gewidmet worden war, konnte
aus dem Nachruf nicht hervorgehen, schließlich war
er weder Altbürgermeister, Müllermeister in Ruhe,
Ehrenringträger, Gemeinderat, Obmann des Kameradschaftsbundes,
der katholischen Männerbewegung
oder als Lektor und Kommunionsspender in
der Pfarre tätig gewesen. Auch konnte er, vor allem
in Folge der Tatsache, dass er niemals Bürgermeister
gewesen war, nicht an der Erstellung des ersten
Flächenwidmungsplanes, der Einführung der Müllabfuhr,
der Anschaffung eines Kleinlöschfahrzeuges
und anderen für Dimbach wichtigen Projekten beteiligt,
oder gar für deren Planung und Durchführung
voll verantwortlich gewesen sein. Zuletzt aber hatte
mir eine Dimbacherin, die an dem selben Tag ihre
Goldene Hochzeit gefeiert hätte, wäre ihr Ehemann
nicht eben jener Luis Brandstetter gewesen, den sie
im Übrigen nur aus Mitleid geheiratet hätte, erklärt,
ihr verstorbener Gatte sei von Geburt an schwachsinnig
gewesen und habe am Weihnachtsabend des
Jahres neunzehnhundertdreiundfünfzig, gleich nach
der Mette, die Dimbacher Wallfahrtskirche angezündet
und sei dann vor dem brennenden Gebäude
auf und ab gehüpft, immer wieder schreiend Alles
tropft, alles sickert!, bis dann endlich die Feuerwehr
mit einem Kleinlöschfahrzeug eingetroffen war und
das Gebäude noch hatte retten können. Seither sei,
so die Witwe des Luis Brandstetter, ihr verstorbener
Ehemann nicht nur in Dimbach, sondern überhaupt
im ganzen Strudengau und auch bei den Schulkindern
noch eine Berühmtheit.
Einfluss
Ein Saxener Schriftsteller, dessen Bücher bislang
nicht verlegt worden sind, hatte einem anderen
Saxener Schriftsteller, dessen Erfolg messbar ist und
der im gesamten Strudengau und bis tief ins Machland
hinein den Ruf eines gern gelesenen Heimatdichters
genießt, während einer Turnierpause des
Preistarockturniers des SP Wetzelsdorf, welches in
der Sportplatzkantine von Saxen stattgefunden hatte,
den Wind aus den Segeln nehmen wollen, indem er
ihm erklärt hatte, er wäre, trotzdem nicht publiziert,
wenigstens im gesamten Strudengau mit Sicherheit
der einflussreichere von beiden Autoren, denn
immerhin wäre er ja vom anderen schon mehrfach
zitiert worden.
wurde und bis heute seinen Sinn
optimal erfüllen könnte, dürfte die
Perspektive der Patienten gerade dann
nicht ignoriert oder vergessen werden,
wenn es darum geht, die geplante
Zweckentfremdung zu kritisieren und
zu verhindern. In der Publizistik zum
Thema fehlt dieser Gesichtspunkt
irritierenderweise: Die Journalisten
sprechen vom Erholungsraum oder
der Lebensqualität der Anrainer oder
von dem Areal als Architekturjuwel,
aber sie schweigen von der
nachweisbar heilsamen Wirkung, die
diese architektonische Komposition
auf die Patienten ausübt, also von
ihrem therapeutischen Wert, der,
das ist meine eigene Erfahrung, von
keinem Neubau übertroffen werden
könnte. Die Interessen der Patienten
sind aber entscheidend, sind sie doch
die eigentlichen Adressaten dieses
Gesamtkunstwerkes.
Was könnte heilsamer sein, als die
Harmonie der Steinhofgründe?
Etwa eine Architektur wie die des
AKH und ähnlicher zeitgenössischer
Krankenhaus-Giganten? In
solchen Gebäuden ist man in den
klimatisierten, künstlich beleuchteten
Labyrinthen isolierter Innenräume
gefangen.
Dass in den Massenmedien die doch
sehr speziellen Bedürfnisse von
Psychiatriepatienten (denn diese sind
von den Plänen vor allem betroffen)
gerade dann keine nennenswerte
Rolle spielen, wenn es um die
Mobilisierung einer Allgemeinheit
und Mehrheit geht, mag verzeihlich
erscheinen.
Dass Stadtpolitiker sich von
kurzsichtigen politischen Interessen
und kurzfristigen wirtschaftlichen,
ökonomischen Vorteilen leiten lassen,
wundert heute auch niemanden mehr.
Dass aber vonseiten der Ärztinnen,
Pfleger, Krankenschwestern,
Therapeutinnen in all den Jahren, die
sie im Gegensatz zur Bevölkerung
von den Vorhaben wussten, kein
Widerstand kam, ist bitter: Denn wer
ist näher an den Patientinnen als
eben diese Gruppe? Wer ist besser
geeignet, sich für deren Interessen
und Bedürfnisse einzusetzen? Aber
gerade von dieser Seite kommt nur
ein kollektives, neutrales Schweigen.
Hier wirkt sich die Abhängigkeit vom
Arbeitgeber gegen jede politische
Vernunft aus. Sie ermöglicht jene
Zensur, die dieser bei Äußerungen
der Ärzteschaft zu vermeintlich
internen Angelegenheiten anwendet.
Ein gegen Transparenz empfindliches,
beinah allergisches, System.
Brigitte Schweiger liefert in ihrem
Text „Fallen lassen“, den sie 2004/05
schrieb und der 2006 erschien, einen
griffigen Beweis für den inoffiziellen
Informationsvorsprung der Ärzte:
Entscheidung
Ein Münzbacher Landwirt hatte ganz am Rande
seines Grundstücks mit einer Motorsäge eine
siebenundzwanzig Meter hohe, vom Blitz getroffene
Tanne gefällt, welche auf das Nachbargrundstück
gestürzt war und dort, trotzdem der Mann rechtzeitig
Baum fällt gerufen hatte, ein Schaf aus der gerade
einmal dreißig Stück umfassenden Herde des
Nachbarn zerschlagen hatte. Nach einigen Stunden
war man außergerichtlich übereingekommen, dass
jener, der die Tanne gefällt hatte, sie nun auch behalten
müsse, denn sie sei ja nun auch gänzlich und
ohne jeden Zweifel tot. Die Frage, ob der Mann seinen
Baum hierfür auch vom Grundstück des Nachbarn
zu entfernen hätte, musste, weil man sich hier
nicht hatte einigen können, am Schluss und nach
Jahren von einem Perger Bezirksrichter entschieden
werden.
Erkenntnis
Fotos: Martina Nowak
Gedanken schildern durfte, meinte,
die Baumgartner Höhe solle renoviert
werden, Luxuswohnungen dort errichtet
werden, und vom Ertrag baut man eine
ganz moderne Psychiatriestadt.“
2004 war auch genau das Jahr in
dem Renate Brauner, eine gelernte
Ökonomin, als Nachfolgerin von Sepp
Rieder Stadträtin für Gesundheit und
Soziales wurde. Man kann also davon
ausgehen, dass der Startschuss für
das Projekt unter Leitung von Brauner
bereits 2004 gegeben wurde. Und
als Hintergrund kann man durchaus
die Absicht der bloß monetären
Gewinnmaximierung vermuten, also
Steinzeitökonomie.
Das lässt die Kluften ahnen, die durch
Wien gehen und es spalten. Eine
davon verläuft zwischen Patienten der
Psychiatrie und den Ärztinnen.
2007, zu einem Zeitpunkt, als die
Anrainer und die meisten Patienten
des Spitals noch ahnungslos waren
und die Wiener im Allgemeinen
noch viel ahnungsloser, schrieb
der Psychiater Eberhard Gabriel in
seinem lesenswerten Buch „100 Jahre
Gesundheitsstandort Baumgartner
Höhe“ bereits folgende enigmatische
Zeilen:
„...Nun, nach diesen zehn Jahren
befindet sich das Wiener Spitalwesen
vor einem Umbau zu Gunsten der sich
entwickelnden Stadtteile am linken
Donauufer. In den Diskussionen
darüber und in den Entscheidungen,
soweit schon welche getroffen worden
sind, erscheint die Baumgartner Höhe
Auf die Frage nach seinem eigentlichen Befinden
hatte ein Ottenschlager Philosoph und Dichter
einem Arzt des Allgemeinen Krankenhauses in Linz
geantwortet, er würde seit Jahren von der Unerträglichkeit
des Ottenschlager Provinzungeistes gequält,
wozu noch die seit langem andauernden Schmerzen
um eine aussichtslose Liebe kämen, weswegen er
vor einigen Monaten beschlossen hätte, sich endgültig
zu Tode zu trinken, bis er vor einer Woche
völlig blau und auf dem Weg zu der von ihm Geliebten,
die eine Wohnung in der Linzer Bismarckstraße
gemietet hätte, um ihr, wie er erklärt hatte,
zu gestehen, dass er doch immer gewusst hätte,
dass der eine des anderen Sprache nicht verstünde,
weswegen es zwischen ihnen überhaupt erst zu der
aussichtslosen Lage hatte kommen können, kurz
vor seinem Ziel an der Linzer Unteren Donaulände,
gleich nach der Kurve von der Rechten Brückenstraße,
von einem Polizisten gestoppt worden wäre und
kurzerhand in die Hauptwachstube und nach einer
kurzen Protokollaufnahme in eine Ausnüchterungszelle
des nahegelegenen Gefangenenhauses überführt
worden sei. Dort hätte man ihn vergessen und
sechs Tage ohne Nahrung und Flüssigkeit liegenlassen,
bis der Zellenreinigungszuständige dahintergekommen
sei, dass sich da noch einer befand,
woraufhin man sich seiner ebenso kurzer Hand wieder
entledigt hätte. Er, der Philosoph und Dichter,
sei, weil er seinen Wagen auf der Linzer Donaulände
hatte zurücklassen müssen, mit dem Bus nach Linz
zurückgefahren und hätte sich aber nicht, wie zu
erwarten gewesen wäre, an den nächstmöglichen
Ort begeben, um zu essen und zu trinken, sondern
wäre, einer aus jenen sechs Tagen hervorgegangenen
Erkenntnis folgend, in eine ihm bekannte
Branntweinstube eingekehrt. Seine Erkenntnis wäre
gewesen, dass er, ganz entgegen seinem Vorhaben,
sich zu Tode zu trinken, in Wahrheit deswegen getrunken
hätte, um Qual und Schmerzen zu vergessen
und also am Leben zu bleiben, was ihn mit einem
dermaßen herben Gram über seine Dummheit
erfüllt hätte, dass ihm nichts weiter übrig geblieben
wäre, als sich nun tatsächlich zu Tode zu trinken.
Nach diesem Geständnis war der Mann gegen drei
Uhr früh verstorben.
Fehleinschätzung
Ein Windhaager Möbelfabrikant hatte sich im Vorjahr
und natürlich erst, nachdem er sich, ohne
jegliche Verzweiflung und mit vollkommen klarem
Kopf, selbst darüber versichert hatte, tatsächlich alles
verloren und keinen Ausweg offen zu haben, wie
man annimmt gegen null Uhr des dreiundzwanzigsten
August an einen Damm der Westbahngleise
zwischen Kemmelbach und Blindenmarkt begeben,
um sich von einem Zug totschlagen zu lassen. Dem
Mann war es über die vorangegangenen Monate
schon sehr schlecht gegangen und er habe, so
zumindest berichtete ein Bekannter oder Freund
des Möbelfabrikanten in einem Beitrag zu dessen
Freitod, welcher im Windhaager Gemeindeblatt zu
lesen gewesen war, über seine Unfähigkeit geklagt,
seinem Leid ein angemessenes Ende zu bereiten.
In diesem Beitrag, welcher eigentlich ein Nachruf
gewesen war, hatte der selbe Bekannte oder Freund
weiter erklärt, er habe dem Möbelfabrikanten, ganz
besonders in den letzten Wochen vor dessen Tod,
wie der Mann betont, oft und eindringlich dazu geraten,
sich doch an die Telefonseelsorge zu wenden,
wo, wie er ihm versichert habe, man ihm bestimmt
würde helfen können, was der Möbelfabrikant aber
jedes Mal mit der immer gleichen Begründung
ausgeschlagen habe, dass er nicht nur bezweifle,
sondern absolut sicher sei, dass ihm die Telefonseelsorge
in keinem Fall helfen, also auch in keinem
Fall sein Leid angemessen beenden und er sich am
Telefon überhaupt nur ganz schlecht ausdrücken
könne.
Trotz jenes Vorfalles und seines tieferen Hintergrundes
fährt jener Zug, von welchem der Möbelfabrikant
schlussendlich und gegen null Uhr siebzehn
in Fetzen geschlagen wurde, bis zum heutigen Tag
unter dem Namen Telefonseelsorge Nummer 223.
Gewesen
als eine betroffene Institution, ohne das
schon völlige Klarheit bestünde, welche
Konsequenzen zu tragen sein werden.
(...) Aber es darf doch angemerkt werden,
dass die Institution sich wieder, wenn
auch in ganz anderer Gestalt an einem
kritischen Punkt in ihrer Entwicklung
befindet.“(2007)
Wenn man diese Sätze mit dem
Wissen liest, dass schon 2006 die
Umwidmung des Otto Wagner
Spitals in kommerziell nutzbares
Als ein Wiener Student von einem Nöchlinger
Studienkollegen gefragt wurde, woher er denn
so viel über die Nöchlinger wisse, obgleich er, wie
der Nöchlinger Studienkollege ja genau wusste,
niemals in Nöchling gewesen war, hatte der geantwortet,
dass ihm ein Pabneukirchner Studienkollege
alles Wissenswerte über die Dimbacher,
die Dorfstettner und die Klamer erzählt
habe.
Als ein Königswiesener Mechanikerlehrling
seinen älteren Bruder, der
Ritual
Da das Otto Wagner Spital in
seiner Gesamtheit für Patienten der
Psychiatrie und Pulmologie gebaut „Frau Dr. W., der ich meine
in Wien studierte, schriftlich darüber
befragte, ob sie beide, jeder mit eigener
Begleitung, auf den Arbeiterball im
Gasthof Sauerköchl in Königswiesen
gehen wollten, ignorierte dieser die Anfrage
völlig und ließ die Familie grüßen.
Provinzgeschichten
Humus
Grüße
Es war einem Freund, von dem sogar ich sagen
muss, dass er es, trotz seiner Position als Prokurist
der Liegenschaftsverwaltung eines bekannten
Realitätenbüros, zu keinem erträglichen Charakter
gebracht hat, geschehen, dass seine Frau ihm an
seinem vierunddreißigsten Geburtstag vor versammeltem
Kreis und in aller Freundschaftlichkeit gestanden
hatte, sie hielte ihn für einen lächerlichen
Parvenu, der obendrein voller Scheiße wäre und sie
wolle Scheidung und Kinder, woraufhin er noch
am selben Abend das Notwendigste gepackt, ihr vor
aller Ohren allen Wohlstand überlassen, nur seinen
BMW behalten und sich darin davongemacht hatte.
Wochen später, eben zuletzt, war er dann in meinem
Haus erschienen und hatte mir geschildert, er
hätte sich, im Wissen um die günstige Jahreszeit,
nämlich Anfang Herbst, nach St. Georgen am Walde
begeben, wo er sich, einem doch vorhandenen Hang
zum Theatralischen folgend, am Gemeindeamt als
Dung angeboten hätte, woraufhin er ohne Begründung
abgelehnt und an die umliegenden Gehöfte
verwiesen worden wäre, welche er auch ohne Ausnahme
aufgesucht hätte, immer ohne Erfolg und Begründung,
bis er zuletzt in eine weite und sumpfige
Senke geraten wäre, in der eine kleine Frau, die dort
eine Holzgasanlage betrieben hätte, ihm erklärt hätte,
sein Angebot wahrzunehmen würde deswegen
nicht in Erwägung gezogen, weil er Wiener sei und
deswegen keinen guten Humus abgäbe und er solle
sich keine weitere Mühe geben, er würde eben diese
Begründung immer und immer wieder zu hören
bekommen, ganz gleich wie tief er noch in den Strudengau
einzudringen bereit wäre. Die Frage, warum
er sein Angebot gerade in St. Georgen gestellt hatte,
konnte er mir nicht beantworten.
Misthaufen
Bauland erfolgte und zu dem naheliegenden
Schluss kommt, dass der Autor davon Kenntnis
haben musste, dann nimmt doch die nebulose
Formulierung wunder.
Und trotz allem wird dieses Projekt, insbesondere
die Kosten für seine Planung, nur verschwendete
Energie gewesen sein.
Otto Wagner kannte natürlich den Konflikt
zwischen den „wirtschaftlichen“ Interessen und
der Kunst:
„Der Künstler wird immer nur in der Schönheit
und in peinlicher Zweckerfüllung des entstehenden
Werkes seine Befriedigung finden, während der
Gewerbetreibende stets seinen Vorteil an erste
Stelle setzt und schon dadurch zum Antipoden des
Künstlers wird.“
Es wird nun nicht eine der geplanten 600
Eigentumswohnungen im Ostteil des Spitals
gebaut werden. Aber auch das Wellness- und
Rehabzentrum würde dem genius loci des Otto
Wagner Spitals empfindlichen Schaden zufügen.
Und dieser ist es, den sowohl die Patienten der
Pulmologie – von Thomas Bernhard beschrieben
– als auch jene der psychiatrischen Abteilungen
sehr genießen. Und indem sie genießen, viel-leicht und schneller
genesen würden. Leider hat das Idyll hier einen großen Schatten.
Die Psychiatrische Praxis im OWS ist von sehr unterschiedlichen
Niveaus bestimmt. Denn es ist gewiss, dass die Kluft zwischen
der sogenannten Ärzteschaft und den sogenannten Patienten/
Klienten etwas wie ein struktureller Antagonismus geblieben ist.
Text: Alexander Dr. Schiessling
Fotos: Martina Nowak
Recherche: Selina Gnos
Besessen von dem Verlangen, einen Misthaufen
abzutragen, vollständig, um ihn über ein Futterwiesengrundstück
zu verteilen, was überhaupt
nur deswegen möglich war, weil zwar schon Mitte
Dezember, trotzdem vierzehn Grad, blauer Himmel
und strahlende Sonne, besessen also von diesem
Verlangen, wusste ein Linzer Jungautor, dass es
eigentlich um seinen inneren Scheißhaufen ging,
den er so, in der Überzeugung, das Prinzip des
Schaffens äußerer Ordnung bei fortgeschrittener
innerer Unordnung ließe sich in seinem Sinne
spezifizieren, dass also auch das Abtragen äußerer
Scheiße sich günstig auf ein relatives Gleichgewicht
von Geist und Seele auswirken müsse, zu verkleinern,
wenn nicht gänzlich zum Verschwinden zu
bringen hoffte. Hierbei überlegte er, dass, würde ihn
ein Mensch fragen, ob er denn über seine Literatur
nachdächte, während er in Hingabe an sein Verlangen
Mist gabelte, schaufelte, stemmte, karrte, warf,
austrug, er nur antworten könnte, er habe gerade
soweit über seine Literatur nachgedacht, als er nun
wisse, dass er auf diese Frage nur die Antwort Nein
zu geben habe.
Einem dorfbekannten Exzentriker und Müßiggänger
hatte ein Klamer Greißler abends im
Wirtshaus Dimbichelberger die Frage, warum er
denn – trotzdem er doch sonst zu allen und auch
den niedrigsten Tätigkeiten bereit wäre – in allen
Fällen sich weigere Schnee zu schaufeln, aus einem
einleuchtenden Grund, nämlich jenem, dass ein
jeder in der versammelten Runde die Antwort schon
kannte, trotzdem alle zuerst sinnend der Erklärung
lauschten, dann lauthals loslachten sobald diese abgeschlossen
war, gestellt.
Schlichten
Weil er sich einen Sommer und einen Herbst als
unbezahlter Landarbeiter betätigt hatte, war
ein Wiener Student der Theaterwissenschaften oft
in die Gelegenheit gekommen, sich in dem nahen
Gasthof Pilz in Waldhausen mit den dort und in der
näheren Umgebung Ansässigen zusammen- und
auseinanderzusetzen, was, da er hartnäckig nur und
ausschließlich, unter offenkundiger Ignoranz aller
sonstigen Eigenschaften und Außergewöhnlichkeiten
seines Seins und dortigen Vorhandenseins, für
einen aus der Stadt genommen worden war und ein
solcher grundsätzlich als unzurechnungsfähig und
verweichlicht galt, oftmals zu größter Befremdung
und Belustigung eben jener Ansässigen geführt hatte.
Da er eines späten Abends, nachdem er in einer
Runde von Hörndlbauern und Futtermittelvertretern
den Hausschnaps der Frau Schaumüller, Haus
Buchinger, zur Genüge probiert hatte, in eine gutmütige
und hemdsärmelige Euphorie geraten war,
hatte er sich nicht enthalten können auszuführen,
dass das Schlichten von Holz ja keineswegs nur eine
Aneinanderreihung willkürlicher Akte des Hinlegens
größerer und kleinerer Scheite wäre, sondern,
bei ausreichender Hingabe, ein nicht zu bagatellisierendes
Maß an Konzentration erfordere, wolle
man doch in keinem Fall, dass beispielsweise ein an
eine Wand geschlichteter Holzhaufen (hier hatte er
anzumerken gehabt, dass ihm dieses Wort eben aufgrund
des hohen Anspruches, den die Tätigkeit des
Holzschlichtens an einen stelle, gar nicht gefalle)
irgendwann nach vorne kippt, also unbedingt heilloses
Chaos ausbrechen muss, weil sich bei solchen
Umstürzen ja nie einer finden will, der sich bereit
erklärt, das alles wieder in Ordnung zu bringen und
also jeder vorbeikommende Mensch achtlos alles
hinwirft, wodurch das Chaos erst recht unbeschreibliche
Ausmaße annimmt. Er hatte natürlich sofort
das neuerliche Unverständnis erkannt, mit welchem
man ihm nach Beendigung dieser Darstellung begegnet
war, also war er damit fortgefahren, eine der
vielen Möglichkeiten zu schildern, die sich einem
boten, das nach vorne Zusammenfallen eines solchen
Stoßes zu verhindern. Nachdem er geendet
hatte, war alles in lautes Gelächter ausgebrochen.
Offensichtlich war gewesen, dass man übereingekommen
war, er wisse nicht wovon er spreche.
Streit
RAINER KÖBERL . ARCHITEKT
Leserbrief an die „Tiroler Tageszeitung“
Zur Kolumne „Sauerstoff“ von 23.April 2012
Bodenseer,
Todesstrafe und
Triumphpforte
Aikido ist eine moderne japanische
Kampfkunst, in der dem aggressiven
Angriff des Gegners,
keine Kraft entgegengesetzt,
sondern diese umgeleitet wird
um den Gegner zu neutralisieren.
In diesem Sinne wäre es eine sinnvolle Geste, an Innsbrucks Triumphpforte
eine kleine Bronzetafel zu installieren, die festhält, dass für Erzherzog
Leopold, anlässlich seiner Hochzeit mit Maria Ludovica, dieser Triumphbogen
errichtet wurde und er der erste Regent weltweit war, der in seinem
Herrschaftsgebiet, der Toskana, bereits 1786 sowohl die Folter als auch die
Todesstrafe abgeschafft hat.
Das ließe uns stolz sein auf diesen Habsburger und außerdem entstünde eine
zusätzliche, passende Bedeutung für den Namen „Triumphpforte“.
Quasi als Wiedergutmachung sollte diese Tafel von Herrn
Bodenseer aus privater Tasche bezahlt werden.
(Dazu sei angemerkt, dass der Tiroler Politiker Bodenseer unlängst in Innsbruck die Wiedereinführung der
Todesstrafe in ganz Österreich zur Debatte gestellt hat.)
Arch.Dipl.Ing. Rainer Köberl Maria Theresien Straße 10/IV A-6020 Innsbruck
Lukas Kollmer
Nachdem es aus bis heute nicht völlig aufgeklärten
Gründen zwischen den Bürgermeisterfrauen
von Baumgartenberg im Strudengau und Onverwacht,
nahe der Küste von und in Suriname gelegen,
zu einem Eklat gekommen war, sind alle Beziehungen,
die von diesen beiden Partnerorten untereinander
unterhalten worden waren, eingefroren worden
und ganz besonders in Baumgartenberg gibt man
seit damals speziell darauf acht, in keiner Weise mit
Onverwacht in Verbindung gebracht werden zu können,
was sich am deutlichsten in der Benutzung des
Bestecks zeigt, wobei in Onverwacht zum Beispiel
vierzinkige Gabeln benutzt werden, weswegen es
in Baumgartenberg entweder drei- oder fünfzinkige
sein müssen. Den Baumgartenbergern, die immer
in der Angst gelebt hatten, für Wiener gehalten
werden zu können, ist es nun seit längerem schon
weit wichtiger, nicht für Onverwachter gehalten zu
werden.
Trennung
Alois Peböck, Ober-Sankt-Thomas 35, habe, wie er
uns zuletzt und in großer Aufregung bei Tisch
im Gasthof Auhorner geschildert hatte, von seiner
Frau, welche schon vor Jahren nach Fiume verzogen
war, auf seine per Brief übermittelten Fragen, nämlich
wann sie denn zurückzukommen gedenke und
warum überhaupt diese lange Trennung vonnöten
sei und wie man denn in einer solchen Situation
eine vernünftige Ehe führen solle, gerade vor einem
Tag erst zur Antwort erhalten, dass sie seine Bedenken
durchaus gut verstehen könne, sie selbst setze
sich seit langem mit genau diesen und noch tieferen
Fragen auseinander und wolle aber erst wieder zurückkehren,
nachdem sie auf sämtliche dieser Fragen
Antworten gefunden habe.
Zeitdruck
Als ein aus Salzburg zugereister ehemaliger Student
der Germanistik sich schon wenige Wochen
nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Lektor für die
Strudengauer Rundschau während einer Redaktionssitzung
von seinem Stuhl erhob und mit fester
Entschlossenheit erklärte, er betrachte es als seine
aus der von ihm ausgeübten Tätigkeit hervorgehende
Pflicht darauf hinzuweisen, dass, studierte man
einmal die aktuellen Landkarten Österreichs, man
feststellen müsse, hier und jetzt und mit äußerster
Eindringlichkeit, genau genommen ja schon Grein,
weil am nördlichen Donauufer gelegen, geografisch
gesehen nicht mehr zum Strudengau gehöre, noch
weniger Königswiesen, welches viel zu nahe dem
Weinberger Wald läge, unter keinen Umständen
aber Dorfstetten, welches, schaue man ganz genau,
zwar Niederösterreich wäre, aber ebenfalls viel zu
weit nördlich gelegen, man sich also in Folge, so der
junge Mann, ernsthafte Gedanken über die Frage
machen müsse, wer es sei, der diesen aggressiven
strudengauer Expansionismus betreibe und, würde
man schlussendlich die Verantwortlichen dingfest
machen können, man auch die nötigen Konsequenzen
zu ziehen bereit sein müsse (wobei er hier verschwieg
oder zu erwähnen vergaß, welche genauen
Konsequenzen ihm vorschwebten), nahm man seine
Worte kopfnickend zur Kenntnis und, wobei man
sich darauf berief, dass ein Salzburger eben ein Zugereister
sei und solche wären eben alle exzentrisch
und hätten ihre Besonderheiten, man müsse nur
den richtigen Umgang damit finden, überging den
Einwurf. Die Meldung, dass eine gewisse Hochedlinger
Maria ihren achtzigsten Geburtstag gefeiert
hatte, enthielt der St. Nikolaer Lokalteil schlussendlich
nicht. Der hierfür verantwortliche Redakteur
begründete dies, indem er angab, er wäre aufgrund
der Verzögerung der Sitzung in, wie er es nannte,
drückendste Zeitnot geraten.
Demnächst bei „viza edit“ - Peaceland
Der neue Horrorroman von Lukas Kollmer.
6 KONZETT
Städteplanung / Architektur / Religion / 2012
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KONZETT
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DER ROTE KONZETT
8 KONZETT
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DAVID STARETZ
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Bring me roses to America. In einer gelben Corvette und mit
neun Rosen für Detroit machten wir uns auf den Weg nach
Cabo da Roca, den westlichsten Punkt Europas. Viktoriya
warf sie dort in den Atlantik und ich wendete den Wagen.
Städteplanung / Architektur / Religion / 2012
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