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aufschmugglerpfaden

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Paul Christener

Auf Schmugglerpfaden

21 Bergwanderungen zwischen

Binntal und Piemont

Spezialwanderführer


Paul Christener

Auf Schmugglerpfaden



Paul Christener

Auf Schmugglerpfaden

21 Bergwanderungen

zwischen Binntal und Piemont


Inhaltsverzeichnis

Übersichtskarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Von Bundesrat und Staumauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Nützliche Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1 Ärnergale und Rappetal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Gut gedeckte Häuser werden doppelt so alt

2 Von Ernen nach Binn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Die Wächter der Trusera

3 Grosses Fülhorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

An den Ghornutti geht keiner vorbei

4 Mittlebärg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Ich freue mich wie ein kleines Kind

5 Eggerhorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Die sollen sich die Zähne ausbeissen

6 Gandhorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Im Rhythmus der Natur

7 Von Grengiols nach Binn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Ohne Tunnel würde da keiner mehr wohnen

8 Breithorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Ihr Mannen von Grengiols, kommet geschwind und bald

9 Saflischmatta und Heiligkreuz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Der schwarze Tänzer sorgt für Hennehüt

5


10 Hockbode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Wo sich Schweiss und Hightech begegnen

11 Saflischpass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Ein Dorf sucht Schulkinder

12 Sennewäg mit Burstini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

Lörtschina

13 Geisspfad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Die Schmugglerkönigin vom Geisspfad

14 Albrunpass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Ein Berner, Ehrenälpler von Crampiolo

15 Monte Corbernas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Vierzig Tage Freiheit

16 Chriegalppass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Alpen ohne Grenzen

17 Ritterpass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Ziegen im Chummibort

18 Bortellicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

Sachä, Lit, Têêri un … Kschpässikheittä

19 Furggubäumlicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

Freiwillige Hirtenhilfe

20 Passo di Valtendra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Die Rache des Erbolaio

21 Passo delle Possette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

Vom Gewitter überrascht

Unterkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . 197

6


Übersichtskarte

7


Von Bundesrat und Staumauern

Bundesrat Edmund Schulthess habe einmal seine Ferien in Binn verbracht, wird

erzählt. Ob er ihm einen urchigen Bergler zeigen könne, habe er den Hotelier

gefragt. Das könne er schon, er solle nur mit ihm kommen, habe der Hotelier geantwortet.

So seien die beiden gegen Imfeld gezogen und hätten, dort angekommen,

nach dem Tenisch Franz gerufen. «Was gibt’s?», habe der Franz zum Fenster heraus

gefragt. «Hier ist ein Herr, der mit dir ein paar Berge abklopfen möchte!» – «Was

zallt’s de, ds Zoggli?» – «Zwei Franken!» – «Das lecke mich am F…!», habe der

Franz geschrien und das Fenster zugeschlagen. Der Herr Bundesrat habe seinen hellen

Spass daran gehabt. Die Geschichte stammt aus «Volkserzählungen aus dem

Oberwallis» von Josef Guntern.

Ein anderes Thema. 1965 wurde der Strassentunnel zwischen Ausserbinn und Binn

eröffnet. Seither ist das Binntal im Winter nicht mehr wochenlang vom Rest der

Welt abgeschnitten. Aber statt auf die Karte Golfplatz und Wellness-Hotels zu setzen,

unterschrieben Gemeinderat und Burgergemeinde Binn im Jahr vor der Eröffnung

einen Vertrag mit dem Walliser Bund für Naturschutz und der Sektion Monte

Rosa des Schweizer Alpen-Clubs SAC. Inhalt des Vertrags: Das Gemeindegebiet von

Binn sollte unter Schutz gestellt werden. Die Folge? Darüber lässt sich spekulieren,

ohne den Vertrag gäbe es heute im Binntal aber einen See mehr: Geplant war der

Bau einer Staumauer oberhalb von Fäld, die den Manibode unter Wasser gesetzt

hätte.

Das unbewartete Bivacco Combi e Lanza CAI oberhalb der Alpe Dèvero.

8


Auf der anderen Seite der Landesgrenze war die Situation nicht anders. 1978 entstand

der erste regionale Naturpark im Piemont, der Parco Naturale Veglia. Auch

hier gab es Pläne für eine Staumauer. Achtundsiebzig Meter hoch wäre sie geworden,

und dreissig Millionen Kubikmeter Wasser hätte sie hinter sich gestaut. Spielverderberin

war die Geologie unter der Alpe Veglia. Zu undicht sei der Boden, beurteilten

die Ingenieure das Gelände, das sie in den Fünfziger- und Sechzigerjahren

des letzten Jahrhunderts untersucht hatten. Man befürchtete Wassereinbruch im

Simplon-Eisenbahntunnel, der über tausend Meter westlich unter der Alpe Veglia

hindurchführt.

Dagegen waren die beiden Staumauern des Lago di Dèvero bereits gebaut, der

Bau erfolgte zwischen 1908 und 1912. Vorher befand sich an dieser Stelle ein See,

der Lago di Codelago. Er entstand in einer Mulde, die der Gletscher, der Ghiacciaio

di Valdeserta, zurückgelassen hatte. Die Alpe Dèvero erreichte man vor dem Bau

der Staumauer zu Fuss über einen steilen Saumweg, danach per Luftseilbahn. Mitte

der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts wurde der luftige Personentransport

eingestellt, die Bahn befand sich in fortgeschrittenem Alter. Aus Sicherheitsgründen

war nur noch der Transport von Gepäck erlaubt. Es wurde still auf der Alpe

Dèvero.

Seit der Eröffnung der Fahrstrasse 1993 kann man von Domodossola her mit dem

Auto bis ein paar Meter vor die Alpe Dèvero fahren. Konsequenz? Die Alp wurde zum

beliebten Ausflugsziel für Menschen aus dem Raum Mailand, in ihrem Schlepptau

folgten Baumaschinen. Bevor die Ebene jedoch verpflastert wurde, erweiterte man

1995 den Naturpark Alpe Veglia nach Osten. Das war das Aus für die Baumaschinen.

Im hinteren Valle Bondolero zwischen der Alpe Dèvero und der Alpe Veglia.

9


Zwischen Monte Leone und Ofenhorn wurden Naturpärke geschaffen mit der

Absicht, die Region so zu belassen, wie sie ist: Naturpärke schützen Regionen vor

Menschen, damit Menschen ihre Freizeit in unberührten Regionen verbringen können.

Statt ein weiteres Alpen-Disneyland aus dem Boden zu stampfen, kümmert

man sich um alte Trockenmauern, statt auf das Gaspedal von Baumaschinen zu treten,

steht man auf die Bremse, man schaut rückwärts – und gerade darum vorwärts.

Wie 1964, als das Gemeindegebiet Binn kurzerhand unter Schutz gestellt wurde.

Zwischen Monte Leone und Ofenhorn gibt es Orte, die an schönen Tagen beliebte

Ausflugsziele sind. Wer aber Einsamkeit sucht und für ein paar Stunden ohne Facebook

und Twitter gut leben kann, der findet einsame Täler, Alpen, Passübergänge

und Gipfel. Wem Lärchenwälder, Bäche, Seen, Schwemmebenen und Moore wichtig

sind, für den geht die Rechnung rasch auf. Steinböcke, Füchse oder Bartgeier beobachten?

Fernglas nicht vergessen.

Höhepunkte sind Frühling und Herbst. Gegen Ende April kann man den Murmeltieren

zuschauen, wenn sie aus ihrem langen Winterschlaf erwachen, aus ihren

Bauen hervorkommen und die teilweise noch verschneiten Hänge hinunterrutschen,

um wieder hinaufzurennen, wie kleine Kinder. Oder etwas später, wenn ihre

dann zwei, drei Wochen alten Jungen die Welt um ihren Bau entdecken und ihre

besorgten Eltern ein paar Meter weiter oben alles registrieren – was der Nachwuchs

treibt, was um den Bau herumschleicht oder am Himmel seine Kreise zieht und Ausschau

auf Beute hält.

Übertroffen wird der Frühling vom Herbst, wenn das Gras braun geworden ist, die

Temperaturen nachgelassen haben und die Murmeltiere wie auf Kommando sich in

In der Umgangssprache nennt man die Alpenanemone

«Bergmannli».

Auf dem Weg hinunter zur Alpe

Veglia tobt der Rio Mottiscia.

10


ihre Baue zurückziehen und am nächsten Tag nicht mehr auftauchen. Die Jagdsaison

ist zu Ende, die Hotels sind geschlossen, Busse und Parkplätze leer. Im Süden

ein dichtes Nebelmeer, darüber wolkenloser, tiefblauer Himmel, links und rechts

weisse, von Schnee verzuckerte Gipfel. Die, so scheint es, von Gold überzogenen

Nadeln der Lärchen im hellen Licht der Sonne: Das ist der Augenblick, da sich die

Natur mit einem stillen Feuerwerk in den Winter verabschiedet.

Erlebnisse wie diese gibt es kostenlos. Nicht ganz, die Währung ist eine andere:

Etwas Erfahrung im Gebirge braucht es, der Aufstieg von achthundert Höhenmetern

sollte keine grösseren Probleme verursachen, denn Bergbahnen gibt es hier keine.

Entweder man kommt zu Fuss hin oder lässt es bleiben.

Einundzwanzig Touren sind im Buch beschrieben, einfachere und anspruchsvollere.

Die vorgeschlagenen Fusswege, die Schmuggler, Älpler und Jäger hinterlassen

haben, sind markiert, wenige Ausnahmen im Buch zusätzlich beschrieben. Übergänge

wie am Hohsandhorn oder Chaltwasserpass fehlen, weil sie, je nach Situation,

Hochtourenausrüstung verlangen.

Zu jeder Tour gehört eine Geschichte: Sie sind zufällig entstanden, bei der Begegnung

mit einer jungen Familie, die unter dem Helsenhorn ihre Ziegen suchte, oder

weil die Eingangstür zu einem Bunker auf 2400 Meter Höhe angelehnt war und den

Gwunder weckte. Mit der Folge, dass bestimmte Themen zu kurz kommen oder ganz

fehlen.

Zurück zum Besuch des Bundesrates. Wer hier engstirnige Menschen erwartet, wird

leer ausgehen, selbst dort, wo die Berge enger beieinander stehen: Die einen, diesseits

der Grenze, versteht man gut, wenn sie reden. Mit denen, die auf der anderen

Seite der Grenze leben, redet man mit den Händen oder sonst irgendwie. Beide

haben eines gemeinsam, sie lachen viel, sie machen einen zufriedenen Eindruck.

Sie haben allen Grund dazu.

Ohne die Unterstützung solcher Menschen wäre das Buch in dieser Form nicht

möglich gewesen. Mein spezieller Dank gilt: Barbara Diethelm, Pia Bussmann, Beat

Tenisch, Hans Schmid, Franziska Wüthrich, Peter Albisser, Jörg Schmutz, Bruno Hiltmann,

Manfred Imhof, Stefan Clausen, Willi Burgener, Ivano di Negri, Peter Gurten,

Martin Schmidhalter, Danièle Martinoli, Doris und Henry Fuchs, Renata Heilig, Jo -

hann Mutter, Franceso Walter, André Gorsatt, Ivan Schmid, Gottfried Imboden, Pfarrer

Eduard Imhof, Oswald Schwitter, Peter Rubin, Klaus Agten, Volmar Schmid, Andreas

Wirz, Frida Clausen, Oswald Clausen, Peter Mangold, Andreas Eyer, Dominique

Weissen Abgottspon, Alexandra und Josef Jentsch, Andreas Weissen, Connie Stalder,

Speedy Jossen, Klaus Anderegg, Roger Mathieu, Geraldine Blatter, Lukas Meier,

Christoph Gassmann, Tobias Würzner, Renata Broggini, Robert Schloeth, Patricia Villiger,

Ruth Zumthurm, Kamil Zumthurm, Michael Salzgeber und Antonio Guerreschi.

Und jetzt? Informationen über die Wetterprognose gibt es im Internet unter

www.meteoschweiz.ch, den Fahrplan von SBB und Postauto unter www.sbb.ch, für

Busse ab Domodossola unter www.comazzibus.com – Rucksack packen und los –

viel Spass in einer einzigartigen Region!

Paul Christener

11


Nützliche Hinweise

WANN AM BESTEN?

Höhepunkte sind Frühling und Herbst, im Sommer kann es heiss werden, zudem ist

die Region während der Sommerferien und an Wochenenden mit gutem Wetter ein

beliebtes Reiseziel. Die Saison beginnt, sobald der Frühling Einzug hält. Wanderungen

am Binnegga und auf der Alpe Dèvero können bereits früh im Jahr unternommen

werden.

Das Fenster für die Überquerung der höher gelegenen Pässe beschränkt sich auf

die Zeit zwischen Mitte Juli und September, je nach Schneeverhältnissen. Der Albrunpass

kann mit Schneeschuhen auch im Winter begangen werden. Kenntnisse im

Umgang mit der Lawinenproblematik sind jedoch Voraussetzung.

Zwar schliessen Mitte Oktober die meisten Hotels, trotzdem gibt es Übernachtungsmöglichkeiten,

beispielsweise auf der Alpe Dèvero, in einer unbewarteten,

aber offenen Berghütte auf der Alpe Veglia oder im hinteren Binntal. Die leuchtenden

Lärchenwälder im Herbst und die Weite eines Nebelmeeres im Süden sorgen für

einzigartige Eindrücke.

FITNESS UND ANFORDERUNGEN

Auch einfache Wanderungen sind möglich, sowohl auf der Alpe Veglia und auf der

Alpe Dèvero als auch in der Region des Landschaftsparks Binntal. Wenn man sich

aber ein anderes Ziel aussucht, ist man rasch ein paar Stunden unterwegs und überwindet

dabei achthundert und mehr Höhenmeter. Übergänge wie der Chriegalpoder

der Ritterpass setzen zudem Erfahrung im Gebirge voraus.

Unterwegs auf dem Schafgale zwischen Eggerhorn und Chlis Fülhorn, im Hintergund

der Fäldbachgletscher.

12


Zwischen Geisspfad und Pian della Rossa.

Die Kapelle der Heiligen Familie in

Mühlebach.

ORIENTIERUNG

Die meisten vorgeschlagenen Touren folgen weiss-rot-weiss markierten Wanderwegen.

Ausnahmen werden in den Routenbeschreibungen zusätzlich ausgeführt.

Um Verwechslungen zu vermeiden, werden in den Tourenbeschreibungen die

Bezeichnungen der Landkarten 1:25 000 von Swisstopo verwendet. Im Text wird die

orografische Bezeichnung für Bachläufe benutzt: «Man folgt der rechten Seite des

Bachs», also dem Bach in Fliessrichtung auf der rechten Seite.

Die Blätter Swisstopo Nr. 1269 Aletschgebiet, Nr. 1270 Binntal, Nr. 1289 Brig,

Nr. 1290 Helsenhorn und Nr. 1309 Simplon decken das ganze Gebiet der vorgeschlagenen

Touren ab. Ausgenommen ist ein Abschnitt oberhalb von Iselle. Der Weg vom

Passo della Possetta nach Trasquera und Iselle ist jedoch mit Wegweisern gut markiert.

Im Rotten Verlag ist die Wanderkarte «Binntal/Veglia-Devero» im Massstab

1:25 000 erschienen. Die Karte enthält alle markierten Wanderwege und informiert

über die Wanderzeiten zwischen markanten Punkten. Sie ist aber wegen ihrer

Grösse für unterwegs etwas unhandlich. Das Format der Swisstopo-Wanderkarten

ist kleiner, allerdings beträgt ihr Massstab 1:50 000, sie sind also weniger detailliert,

zudem fehlen Informationen zu den Wanderzeiten. Um das Gebiet abzudecken,

braucht man vier Blätter: Nr. 264T Jungfrau, Nr. 265T Nufenen, Nr. 274T

Visp und Nr. 275T Valle Antigorio.

KOMPASS, HÖHENMESSER ODER GPS?

Eine Landkarte mindestens im Massstab 1:50 000 gehört in den Rucksack. Ein GPS-

Empfänger kann praktisch sein, wenn beispielsweise oben an der Bortellicke dicker

Nebel aufzieht. In dieser Situation lässt sich der Weg aufzeichnen, und das GPS-

Gerät führt einen, falls man sich verirrt hat, zurück zum Ausgangspunkt. Immer

13


wertvoll ist ein magnetischer Kompass. Bei dichtem Nebel kann man zwar den

Standort nicht per Rückwärts-Einschneiden bestimmen, aber die Karte korrekt nach

Norden auszurichten, ist unter Umständen hilfreich.

Praktisch sind Uhren mit Höhenmesser. Zu wissen, dass nur noch dreihundert

Höhenmeter vor einem liegen, kann motivieren. Auch kann man sich über die

Höhenangabe einfacher orientieren. Es ist aber zu beachten, dass der Höhenmesser

laufend justiert werden muss.

GEFAHREN

Gefahren gehen von verschiedenen Ereignissen aus. Ein Wetterumschwung kann

aus einer einfachen Wanderung ein gefährliches Unterfangen machen. Vor dem

Baden in Bächen sollten die Hinweise auf Überflutungswarnungen beachtet werden.

Automatisch gesteuerte Anlagen lassen das Wasser in einem Bach innerhalb

von Sekunden anschwellen. Gering ist die Chance, einer Schlange oder einem Wolf

zu begegnen. Grösser dagegen die Gefahr, von einer Mutterkuh, die ihr Kalb schützen

will, angegriffen zu werden. Immer öfter trifft man auf Schutzhunde, die Schafherden

bewachen: Die Herde nicht stören und in grossem Bogen umgehen. Wer

Gefahren reduzieren will, wendet sich an einen der verschiedenen Wanderleiter

oder Bergführer, die in der Region individuelle und geplante Wanderungen durchführen.

VERBOTEN IST …

Wildes Campieren ist in den Gebieten der Pärke verboten. Die Bussen betragen im

Piemont bis zu dreihundert Euro pro Person. Ebenfalls gebüsst wird, wer auf der italienischen

Seite bei der Suche nach Kristallen ertappt wird. Die Region ist trocken,

und um das Risiko eines Brandes zu verhindern, ist Feuer entfachen verboten. Am

besten packt man den Rucksack so, dass kein Abfall produziert wird, indem beispielsweise

Lebensmittel in Mehrwegbeutel verpackt werden.

WICHTIGE TELEFONNUMMERN

Rega-Notruf 1414

Rega-Notruf aus Italien 0041333333333

Internationale Notrufnummer 112

Sanitäts-Notruf (Schweiz) 144

IHRE ERFAHRUNGEN

Wenn Sie unterwegs feststellen, dass sich gegenüber der Beschreibung in diesem

Buch etwas verändert hat, melden Sie Ihre Beobachtungen bitte an den Autor.

Andere sind Ihnen dankbar. Dazu steht im Internet unter www.christener.ch/

auf-schmugglerpfaden ein Forum zur Verfügung. Dort können Sie zudem kostenlos

alle Touren für Ihr GPS-Gerät bestellen.

14


INFORMATIONEN ZU DEN TOURENBESCHREIBUNGEN

Distanz

Die angegebene Distanz bezieht sich auf die Hauptstrecke. Sie ist auf der Karte mit

einer ausgezogenen Linie markiert. Gestrichelte Linien sind Alternativen, die separat

beschrieben sind. Die Distanz ist jeweils auf eine Kommastelle aufgerundet.

Höhenmeter

Die Zahl informiert über die Höhe, die zurückgelegt werden muss, um ein Ziel zu

erreichen. Dabei werden auch grössere Abstiege berücksichtigt, die sich zwischen

Ausgangs- und Endpunkt befinden. Traversiert man beispielsweise eine Senke, wird

der Abstieg, sofern er nennenswert ist, berücksichtigt.

Zeit

Die angegebenen Zeiten informieren über die ungefähre Dauer, die man unter normalen

Umständen braucht, um ein Ziel zu erreichen. Pausen sind nicht eingerechnet.

Die Zeiten sind jeweils auf die nächste Viertelstunde aufgerundet. Die Zahl in

Klammern informiert darüber, mit welcher Zeit für die Wanderung in der Gegenrichtung

zu rechnen ist. Wo sinnvoll, wurde die Strecke in Abschnitte aufgeteilt.

Was heisst «unter normalen Umständen»? Die effektive Wanderzeit ist abhängig

von internen und externen Faktoren. «Interne Faktoren» meint die persönliche Verfassung,

das Alter, Kondition, Hunger und Durst, die Ausrüstung, das Gewicht des

zu tragenden Rucksacks und eine Menge anderer Dinge, die es zu berücksichtigen

gilt. «Externe Faktoren» lassen sich nicht beeinflussen: Der im letzten Winter durch

einen Lawinenabgang verschüttete Fussweg kann die Wanderung ungeplant um

eine Stunde verlängern, weil ein Umweg notwendig wird. Kann man dagegen in

einem schattigen Tal über Altschnee abrutschen und so dem Abstieg durch Geröll

ausweichen, schafft man diesen möglicherweise in der Hälfte der Zeit.

Schwierigkeit

Die meisten im Buch vorgestellten Touren bewegen sich im Bereich «Bergwandern»

(T2) und «anspruchsvolles Bergwandern» (T3) nach der folgenden Berg- und Alpinwanderskala

des SAC:

Die Touristen sind weg,

ein stiller Nachmittag

auf der Alpe Dèvero.

15


Grad Weg/Gelände Anforderungen Beispiele

T1 Wandern

Das Gelände ist flach oder

leicht geneigt, keine Ab -

sturzgefahr. Falls nach SAW-

Norm (SAW: Schweizerische

Arbeitsgemeinschaft für

Wanderwege) markiert: gelb.

Keine, auch mit Turnschuhen

begehbar. Die Orientierung

ist problemlos, in der

Regel auch ohne Karte möglich.

Tour Nr. 7, von

Grengiols nach

Binn

T2 Bergwandern

Weg mit durchgehendem

Trassee. Falls nach SAW-

Norm markiert: weiss-rotweiss.

Gelände teilweise

steil, Absturzgefahr nicht

ausgeschlossen.

Etwas Trittsicherheit.

Trekkingschuhe sind empfehlenswert.

Elementares

Orientierungsvermögen.

Tour Nr. 2, von

Ernen nach

Binn

T3

anspruchsvolles

Bergwandern

Der Weg ist nicht unbedingt

durchgehend sichtbar.

Ausgesetzte Stellen können

mit Seilen oder Ketten gesichert

sein. Eventuell

braucht man die Hände fürs

Gleichgewicht. Falls nach

SAW-Norm markiert: weissrot-weiss.

Zum Teil exponierte

Stellen mit Absturzgefahr,

Geröll flächen,

weglose Schrofen.

Gute Trittsicherheit. Gute

Trekkingschuhe. Durchschnittliches

Orientierungsvermögen.

Elementare

alpine Erfahrung.

Tour Nr. 3,

Grosses Fülhorn

T4 Alpinwandern

Fussweg ist nicht zwingend

vorhanden. An einzelnen

Stellen braucht es die

Hände zum Vorwärtskommen.

Das Gelände ist bereits

ziemlich exponiert, heikle

Grashalden, Schrofen, einfache

Firnfelder und apere

Gletscherpassagen.

Vertrautheit mit exponiertem

Gelände. Stabile Trekkingschuhe.

Gute Geländebeurteilung

und gutes

Orientierungsvermögen.

Alpine Erfahrung. Bei Wettersturz

kann ein Rückzug

schwierig werden.

Tour Nr. 17,

Ritterpass

T5

anspruchsvolles

Alpinwandern

Oft weglos. Einzelne einfache

Kletterstellen. Falls

Route markiert: weiss-blauweiss.

Exponiert, anspruchsvolles

Gelände, steile

Schrofen. Gletscher und

Firnfelder mit Ausrutschgefahr.

Bergschuhe. Sichere Geländebeurteilung

und sehr

gutes Orientierungsvermögen.

Gute Alpinerfahrung,

auch im hochalpinen

Gelände. Elementare Kenntnisse

im Umgang mit Pickel

und Seil.

keine

T6

schwieriges

Alpinwandern

Meist weglos. Kletterstellen

bis II. Meist nicht markiert.

Häufig sehr exponiert. Heikles

Schrofengelände. Gletscher

mit erhöhter

Ausrutschgefahr.

Ausgezeichnetes Orientierungsvermögen.

Ausgereifte Alpinerfahrung

und Vertrautheit im Umgang

mit alpintechnischen Hilfsmitteln.

keine

Auch wenn Touren gleich klassifiziert sind, kann die Begehung unterschiedlich anspruchsvoll sein.

16


Alternativen

Alle Tourenvorschläge wurden mit Alternativen ergänzt. Je nach Situation kann

man so die Tour ändern. Beispiel Saflischpass: Aufgrund der Beschreibung kann

man sich überlegen, via Breithorn und Saflischmatta nach Binn abzusteigen. Auch

bei den Alternativen finden sich Informationen über Distanz, zu überwindende

Höhenunterschiede und Zeit.

Besonderes

Falls unterwegs mit einer besonderen Schwierigkeit zu rechnen ist, finden sich in

dieser Rubrik Informationen, z. B. bei einer mit Ketten gesicherten Stelle oder bei

einer fest montierten Leiter, die zu überwinden ist.

Kombinationsmöglichkeiten

Es lohnt sich, die Touren zu kombinieren, beispielsweise am Freitagabend anzureisen,

um am Samstag früh Richtung Albrunpass und Crampiolo aufbrechen zu können

und am Sonntag über den Geisspfad in die Schweiz zurückzukehren.

Die Touren lassen sich beliebig kombinieren, man kann ein paar Nächte in Binn

oder auf der Alpe Dèvero übernachten und vom gleichen Ort aus verschiedene Touren

absolvieren oder in Etappen wandern und sich jede Nacht an einem anderen Ort

erholen.

Haftungsausschluss

Alle in dieses Buch aufgenommenen Touren wurden aufgrund eigener Erfahrungen

beschrieben, die mit Informationen Dritter verglichen wurden. Trotzdem bleiben

die Tourenbeschreibungen subjektiv, auch Fehler lassen sich nie ausschliessen.

Hinzu kommt, dass sich die Bedingungen im Gebirge und entsprechend die Anforderungen

laufend verändern.

Autor und Verlag übernehmen keine Verantwortung für jegliche Art von Unfällen.

Dank seiner geografischen Lage hat das Binntal

überdurchschnittlich viel Sonnenschein.

Den unzähligen Murmeltieren begegnet

man auf Schritt und Tritt.

17


1

Ärnergale und

Rappetal

Gut gedeckte Häuser

werden doppelt so alt

18


Die Wanderung über die 4 km lange Schulter Ärnergale und der Rückweg durch

das kaum besuchte Rappetal lassen sich ideal kombinieren. Dabei kann man

sich für die Besteigung des Chummehorn entscheiden, wodurch sich gleich drei

Höhepunkte ergeben: zum einen die sanft über Alpweiden aufsteigende Wanderung

über Ärnergale, gefolgt von der Aussicht oben auf dem Chummehorn

und der Einsamkeit im Rappetal.

19


1

Ärnergale und Rappetal

INFORMATIONEN ZUR WANDERSTRECKE

Distanz: 19,1 km; Auf- und Abstieg 1367 m.

Zeit: Mühlebach–Chäserstatt 1 Std. 30 Min. (im Abstieg 1 Std.), Chäserstatt–

Schwelline 2 Std. 45 Min. (2 Std.), Schwelline–Z’Mübach 1 Std. (im Aufstieg

1 Std. 30 Min.), Z’Mübach–Ernen 2 Std. (2 Std. 45 Min.), total 7 Std. 15 Min. in

beiden Richtungen.

Schwierigkeit: T3 (Erklärung auf Seite 16).

AUSGANGS- UND ENDPUNKT

Ausgangspunkt ist Mühlebach (Fahrplan unter www.sbb.ch, Haltestelle Mühlebach,

Brücke). Der Endpunkt in Ernen ist die Postautohaltestelle Ernen, Dorfplatz, von

den anderen Endpunkten – Blitzingen (Halt auf Verlangen) und Reckingen – fährt

die Matterhorn Gotthard Bahn nach Brig oder Andermatt.

UNTERKUNFT, VERPFLEGUNG

Unterkünfte und Restaurants in Ernen, Mühlebach, Chäserstatt, Blitzingen und

Reckingen; Einkaufsmöglichkeiten in Ernen und Reckingen (Verzeichnis der Unterkünfte

auf Seite 196).

20


BESONDERES

Die lange Tour sollte man nur in Angriff nehmen, wenn die Wetterprognose gut ist.

Genügend Wasser mitnehmen. Wenn man die Tour im Uhrzeigersinn in Angriff

nimmt, wandert man am Nachmittag zuerst im Schatten des Eggerhorns, danach

durch den Ärnerwald nach Ernen zurück.

Man kann auch am Vortag nach Chäserstatt aufsteigen, im gleichnamigen Berghaus

übernachten und die so gewonnene Zeit für die Besteigung des Chummehorns

verwenden.

1

SEHENSWÜRDIGKEITEN

Alpweiden und Alprasen am Ärnergale, der Ausblick vom Chummehorn und die einsame

Wanderung durch das Rappetal oder durch das Blinnental.

ALTERNATIVEN

Schwelline–Chummehorn

Man steigt weiter an über Schwelline zur Chummefurgge, wo man den Rucksack

deponieren kann. In einer Viertelstunde erreicht man das Chummehorn über den

weglosen Hang. Der Aufstieg über den steilen, grasbewachsenen Hang lohnt sich,

der Ausblick ist grossartig.

Distanz: Schwelline–Chummehorn 2,3 km; Aufstieg 279 m, Abstieg 51 m.

Zeit: 1 Std. (im Abstieg 45 Min.).

Schwierigkeit: T3.

Chummefurgge–Reckingen

Auf der Chummefurgge folgt man dem markierten Wanderweg durch die steinige

und im unteren Teil steile Herchumme hinunter nach Altstafel, wo man die Spuren

sieht, welche die Gletscher des Rappe- und Blinnenhorn hinterlassen haben. Zwar

hat man hier erst die Hälfte der gesamten Abstiegshöhe hinter sich, aber der

zweite Teil verteilt sich nun über das lange Blinnental. Man folgt der Blinne in

leichtem Abstieg talauswärts nach Reckingen.

Distanz: Chummefurgge–Reckingen 8,6 km; Abstieg 1361 m.

Zeit: 2 Std. 45 Min. (im Aufstieg 4 Std. 15 Min.).

Schwierigkeit: T4.

Tristul–Blitzingen

Beim Wegweiser Tristul bei Punkt 2604 folgt man der angegebenen Richtung nach

Blitzingen und erreicht den je nach Verhältnissen mehr oder weniger vollen Grittlesee

am oberen Ende der Bodmerchumma. Es folgen zwei weitere Bergseen, zuerst

Grundle und ein paar Meter weiter unten Mittle. Auf einer Höhe von rund 2000 m

ü. M. erreicht man den Bawald, durch den man zum Weiler Bodme absteigt – bis

Mitte des 18. Jahrhunderts eine eigenständige Gemeinde, die heute zu Blitzingen

gehört. Von Bodme geht es weiter über die Rotten zur Haltestelle der Matterhorn

Gotthard Bahn.

Distanz: Tristul–Blitzingen 6,1 km; Abstieg 1377 m.

Zeit: 2 Std. 45 Min. (im Aufstieg 4 Std.).

Schwierigkeit: T2.

21


1

KOMBINATIONSMÖGLICHKEITEN

Die Route lässt sich mit der Wanderung auf das Eggerhorn (Tour 5) kombinieren:

Vom Eggerhorn her steigt man nach Z’Mübach ab und erreicht Chäserstatt, indem

man den Wegweisern nach Schäre und Chäserstatt folgt. Nach der Übernachtung in

Chäserstatt steigt man am zweiten Tag nach Ärnergale auf.

Unterwegs im einsamen Rappetal.

22


1

Im Herbst blühen im Arnegäle nur noch Enziane.

ROUTENBESCHREIBUNG

Von der Postautohaltestelle Mühlebach, Brücke erreicht man nach ein paar Minuten

den Dorfkern von Mühlebach und den Wegweiser Mühlebach 1248 m. Man schlägt

die Richtung nach Chäserstatt ein und verlässt das Dorf. Der Fussweg folgt zuerst

dem Milibach auf seiner rechten Seite, danach beginnt der steile Aufstieg durch

den Restiwald hinauf nach Chäserstatt. Die Seilbahn Mühlebach–Chäserstatt und

die Skilifte am Ärnergale haben ihren Dienst eingestellt und wurden inzwischen

abgebaut. Das Berghaus Chäserstatt mit Zimmern dagegen ist in Betrieb.

Neben der Bergstation der ehemaligen Seilbahn befindet sich die Abzweigung

nach Ärnergale. Man steigt auf dem breiten Weg auf, der auch von Landwirtschaftsfahrzeugen

benützt wird, und erreicht auf einer Höhe von knapp 2300 m ü. M.

Ärnergale. Damit ist der steilste Aufstieg bereits geschafft, die nächsten knapp

400 Höhenmeter bis zur Chummefurgge erstrecken sich über eine Distanz von 5 km,

ohne dass dabei ein erwähnenswertes Hindernis überwunden werden muss. Der Weg

ist markiert, man folgt ihm in nordöstlicher Richtung.

Rund 200 m von Punkt 2484 entfernt, befindet sich etwas, was nur auf Landkarten

im Massstab 1:25 000 markiert ist und eher selten vorkommt: ein sogenannter

Bildstock, ein 3 m hoher Steinmann mit einem Kopf aus Holz, eine eigenartige

Skulptur.

Rund 900 m nordöstlich der Skulptur muss man sich entscheiden, ob man das

Chummehorn besteigen will (siehe Alternativen) oder ob man den Aufstieg schon

jetzt beendet und durch das Rappetal zurück nach Ernen geht: Man wendet sich

nach Osten, dem Wegweiser nach Z’Mübach und danach der undeutlichen, gelegentlich

markierten Wegspur hinunter zu Punkt 2375 folgend. Weiter geht es

talauswärts auf der rechten Seite des Milibach. Bei Rippei verbreitert sich das Tal,

und man kann auf die andere Seite des Bachs wechseln. Bei der Bachüberquerung

und der Ruine Z’Mübach folgt man dem Wanderweg nach Mühlebach. In Niederärner

Chäller überquert man den Bach und steigt im Schatten des Waldes nach

Ernen ab.

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Er steht genau in der Mitte des Wegs von Mühlebach über die Chummefurgge nach Reckingen.

Der Rappegletscher zwischen Mittaghorn und Ober Rappehorn.

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GUT GEDECKTE HÄUSER WERDEN DOPPELT SO ALT

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Mühlebach hat seinen Namen von den beiden Mühlen, die im Dorf betrieben

wurden. Die Mühlen gibt es nicht mehr – aber die Holzhäuser, die ab 1381 gebaut

wurden. Dank der Dendrochronologie kennt man die Baujahre sehr genau.

Bis vor ein paar Jahren war Mühlebach eine selbstständige politische Gemeinde,

in der rund hundertfünfzig Menschen wohnten. Heute lebten noch etwa fünfzig

Personen hier, erklärt Frida Clausen, und weiter: «Viele Häuser im Dorfkern werden

nur noch als Ferienhäuser benützt.» Ob sie nicht manchmal das Gefühl habe, in

einem Freilichtmuseum zu leben? «Nein, die Besucher im Dorf stören nicht», meint

sie. «Im Gegenteil, manchmal hat man Zeit zu einem Gespräch.»

Das Haus, in dem sie und ihr Bruder Oswald wohnen, ist ein sogenanntes Heidenhaus,

dessen Merkmal das Heidenkreuz unter dem Dachfirst ist. «Das wichtigste

Holz für den Bau der Häuser im Dorf ist der Lärch», erklärt Oswald Clausen. Schütze

man dieses Holz vor Feuchtigkeit, bleibe es über Jahrhunderte widerstandsfähig,

mit dem Altern und Austrocknen werde es hart wie Stein. «Es gab eine Zeit, da hat

man den Lärch fast verloren», sagt Clausen. «In frühen Zeiten, als es noch keine

Sägen gab, konnte man aus einem Baum nur gerade einen Balken herausschlagen.»

Damals habe man zuerst die Rinde entfernt und dann mit einer mit Russ geschwärzten

Schnur Linien markiert. Dann wurde der Baum mit einer Axt bis zu den Linien

so lange behauen, bis der gewünschte Balken fertig war. So entstand viel Abfall,

der Verschleiss an Holz war gewaltig.

Später wurden Balken von doppelter Dicke hergestellt, die man in der Mitte spaltete.

Dazu bohrte man längs der Trennungslinie mit einem Bohrer Löcher ins Holz.

Dann schlug man Keile so lange in die Bohrlöcher, bis der Balken in zwei Teile

gespalten war. Bei Häusern mit Balken, deren Trennflächen man nach aussen montiert

hat, sieht man die Bohrlöcher.

Einen Fortschritt habe die Spaltsäge gebracht. Damit konnte das Holz besser ausgenützt

werden, weil man aus einem Baum mehrere Bretter sägen konnte. «Ein

rund zwei Meter langes Sägeblatt wurde in der Mitte eines rechteckigen Holzrahmens

eingespannt», erklärt Clausen die Säge. Der Baumstamm musste rund zwei

Meter über das Gerüst herausragen. Auf dem Baumstamm stand ein Mann, der die

Säge hochzog. Unter dem Stamm stand links und rechts je ein weiterer Mann, sie

zogen die Säge nach unten und schoben sie wieder nach oben. So entstand die

Sägebewegung, mit der ein Stamm in Bretter zersägt wurde. Erst viel später vereinfachte

eine Sägerei, die sich unten bei der Brücke am Milibach befand, die

Arbeit.

Im Gegensatz zu anderen Häusern ist das Haus Clausen nur im vorderen Teil

unterkellert. «Das hat man so gemacht, weil sich das Haus an einem Hang befindet»,

erklärt Clausen. «Im Erdgeschoss befanden sich früher Küche und Wohnraum,

heute werden diese Räume als Remise benutzt.» Im ersten Obergeschoss befindet

sich ein Deckenbalken in der Mitte des Wohnraums, auf dessen Unterseite die Jahrzahl

1738 eingetragen ist. «In diesem Jahr hat man das Haus um einen Stock

erhöht», meint Clausen weiter. «Der untere Teil des Hauses wurde mit Lärchenholz

gebaut, der obere Teil mit Tannenholz.»

Heute sei das Haus, wie die meisten anderen auch, mit Eternitplatten gedeckt.

Früher habe man für das Dach Holzschindeln verwendet, aber das Brandrisiko war

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zu gross, darum sehe man praktisch keine Schindeldächer mehr. Oswald Clausen ist

überzeugt, dass Häuser, wenn sie gut gedeckt sind, noch einmal so alt werden, wie

sie sind. Besseres Baumaterial als Lärchenholz gebe es nicht: «Wenn ich die Häuser

anschaue, sehe ich, mit welchem Werkzeug man das Holz bearbeitet hat, und

so kann ich sagen, in welcher Zeit das Haus gebaut wurde.»

Für die Bestimmung des Alters von Häusern gibt es eine genaue Datierungsmethode

– die Dendrochronologie. «Bäume speichern Klimainformationen», erklärt

Martin Schmidhalter, der in Brig das Dendrolabor Wallis betreibt. Die Dendrochronologie

misst die Jahrringbreiten von Bäumen. «Das Alter eines Baumes lässt sich

an der Zahl der Jahrringe ablesen. Um aber herauszufinden, wann der Baum abgestorben

ist, braucht man die Abfolge der Jahrringbreiten», meint Schmidhalter.

Dabei spielten die Zellen eine wichtige Rolle, die der Baum im Frühling und im

Herbst anlege. Wenn der Sommer warm und wasserreich war, ist der Jahrring zudem

breiter als nach einem kalten Sommer.

Über mehrere Jahre entstehen so Sequenzen von unterschiedlichen Jahrringbreiten,

die für die Bestimmung des Alters eine zentrale Rolle spielen. Dazu nimmt man

Bohrproben von verbautem Holz und misst die Ringgrenze jedes einzelnen Jahrrings

unter dem Mikroskop. «Dabei wird jeder Messpunkt am Computer erfasst»,

erklärt Schmidhalter den Vorgang in seinem Büro. Das Resultat ist eine Art Fieberkurve,

die aber noch nichts über die Zeit aussagt, wann der Baum gewachsen oder

abgestorben ist.

Im Vergleich mit verschiedenen Referenzkurven kann sowohl rechnerisch als

auch optisch das Fälldatum jahrgenau bestimmt werden. Dazu hat er mehrere Tausend

Hölzer untersucht, die von alten Bauernhäusern stammen oder bei der Erforschung

von Gletschern oder während archäologischer Arbeiten gefunden wurden.

So entstand nach und nach eine lückenlose Reihe für die letzten achttausend

Jahre.

Die unter dem Mikroskop gemessenen Informationen werden in einem zweiten

Schritt mit dieser Reihe verglichen. Stimmen die Ergebnisse der Messung eines Holzes

mit einer Position auf der Referenzkurve überein, lässt sich präzise festlegen,

wann der Baum gefällt wurde: «Mit den zusätzlichen Informationen, die aus den

Zellen stammen, lässt sich sogar das Quartal bestimmen, in dem der Baum gefällt

wurde.»

Das Holz, das für den Bau des Hauses Clausen verwendet wurde, habe man

im Winter 1388 gefällt, meint Schmidhalter. «Geht man davon aus, dass es im folgenden

Sommer verbaut wurde, lässt sich der Bau des Hauses auf 1389 datieren.»

Um sicher zu sein, dass die Bohrprobe aus dem gleichen Ensemble stammen, werden

sechs bis acht Kernbohrungen entnommen und untersucht. Manchmal findet

man im Haus zudem Jahrzahlen, die das Ergebnis der Untersuchung bestätigten.

Aus der Referenzkurve lässt sich zudem der Einfluss von Klimaänderungen auf das

untersuchte Nadelholz erkennen: Die Asche des Anfang 1816 ausgebrochenen Vulkans

Tambora in Indonesien beeinflusste in der Folge das globale Klima und veränderte

auch im Wallis das Wachstum der Bäume.

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Auf dem Weg nach Mühlebach.

Gebaut für die Ewigkeit. Die Häuser aus Lärchenholz überstehen Jahrhunderte.

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