bergeentstehen
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Berge entstehen –
Berge vergehen
Elsbeth Flüeler
Wanderungen zu Bergstürzen
entlang der Alpen
Spezialwanderführer
Inhaltsverzeichnis
Vorwort und Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Zum Gebrauch des Wanderführers
Schön, spannend, langsam, fein . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Eine Einführung und ein Glossar
Bergstürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1 Derborence ... für botanisierende Pioniergeister . . . . . 20
Die Bergstürze von Derborence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Der Urwald von Derborence – L’Ecorcha . . . . . . . . . . . . . . 33
Überleben im Bergsturz – Aus den Trümmern entkommen . . . 35
2 Siders ... für wissensdurstige Weinliebhaber . . . . 40
Die Bergstürze von Siders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
140 Jahre Bergsturzforschung (Siders) –
... so klug als wie zuvor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Bergsturzhügel als Schutzobjekte –
Bulldozer in der Kulturlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
3 Kandertal ... für weitsichtige Gratwanderer . . . . . . . 60
Die Bergstürze des Kandertals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Der Gletschersturz von der Altels vom 11. September 1895 –
Gletschergrollen, Rinderkollern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Gletscherabstürze in den Schweizer Alpen . . . . . . . . . . . . . 75
4 Eiger ... für risikobewusste Waghalsige . . . . . . . 78
Der Felssturz an der Eiger-Ostwand . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Neuste Bergsturzforschung –
Klimawandel, Gletscherschwund und Permafrost . . . . . . . . 88
Bergsturz als Möglichkeit – Leben mit dem Risiko . . . . . . . . 91
5
5 Kernwald ... für kleine und grosse Räuber . . . . . . . . 96
Die Bergstürze vom Stanserhorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Im Bergsturzwald mit Meinrad Inglin . . . . . . . . . . . . . . . 105
Bergsturz erklären – Heidenmännchen, Hexen und Räuber . . . 106
6 Engelberg ... für tiefgründige Spürnasen . . . . . . . . . 112
Die Bergstürze vom Trübsee-Hahnen . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Arbeiten im Bergsturz – Tückischer Untergrund . . . . . . . . . . 123
7 Goldau ... für aufgeklärte Rationalisten . . . . . . . . 128
Die Bergstürze vom Rossberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Bergsturz in Zeiten der Aufklärung –
Von bösen Geistern zum rationellen Operationsplan . . . . . . . 139
8 Glarus ... für bergwandernde Baderatten . . . . . . . 148
Die Bergstürze bei Glarus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Planen und bauen mit dem Bergsturz –
Glarus nach dem Brand von 1861 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
9 Elm ... für scharfe Beobachter . . . . . . . . . . . . 170
Der Bergsturz am Plattenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Der Pionier der Bergsturzforschung –
Albert Heim (1849–1937) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Bergsturz als Katastrophe – Vom Vergessen . . . . . . . . . . . . 179
10 Flims ... der Superlativ für alle . . . . . . . . . . . . 184
Die Bergstürze bei Flims . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
Die Alpenfaltung verstehen – Tektonikarena Sardona . . . . . 197
Bergsturz überwinden – Flims – einfach und effizient . . . . . 198
Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
6
Vorwort und Dank
Bergsturz ist Schwerkraft: Erst steht eine grosse Menge Fels oben, dann liegt sie
unten. Bei näherem Hinsehen ist Bergsturz aber weit mehr. Ganze Landschaften
stellt ein Bergsturz wortwörtlich auf den Kopf, gibt ihnen ein neues Aussehen und
eine Natur, die anderen Gesetzen horcht. Aus steilen, kahlen Felswänden werden
hügeli ge Trümmerhaufen, mit einer reichen und vielfältigen Pflanzenwelt. Einzig
der Mensch will seinen Platz im Bergsturzgebiet nicht so recht finden, weder in den
Abbruchnischen noch zwischen den Trümmern. Nur zögerlich und teilweise ist seine
Annäherung.
Vielleicht gerade deswegen fasziniert das Phänomen so sehr. Auf meiner Reise zu
den Bergstürzen habe ich niemanden getroffen, den das Thema kaltliess oder der
nicht von mindestens einem Bergsturz wusste. Erstaunlicherweise war dies oft
nicht der räumlich nahe liegende, sondern meist ein historischer wie Randa, Goldau
oder Elm. Umso schwerer fiel die Wahl der Bergstürze, die das Buch behandeln
sollte. Denn alle wären sie interessant: die vielen Bergstürze im Puschlav, der historische
Bergsturz von Plurs, jener bei Biasca, in dessen Folge die Magadinoebene
überschwemmt wurde, um nur einige zu nennen, die das Buch nicht berücksichtigt.
Schliesslich entschied ich mich für den Kranz, der die grössten Bergstürze der
Alpen rund um das kristalline Aaremassiv beschreibt. Er beginnt im Rhonetal, endet
bei Flims, dem grössten Bergsturz der Alpen, und umfasst mehr als 20 der 230 grösseren
spät- bis nacheiszeitlichen Bergstürze.
Ziel des Buchs ist es, neue Blicke auf die vielfältigen Bergsturzlandschaften zu
werfen und die naturkundlichen Aspekte von Bergstürzen darzustellen. Nicht immer
ist dies zweifelsfrei möglich. Denn der Stand des Wissens ist lückenhaft, die
Erkenntnisse sind komplex und oft sehr kontrovers. Innerhalb von wenigen Jahren
ändern die Meinungen um 180 Grad. Dies soll Sie, liebe Leserinnen und Leser, nicht
abschrecken, im Gegenteil. Betrachten Sie es als Einladung, eigene Beobachtungen
anzustellen und zugleich eigene Interpretationen zu wagen. Ebenso interessant
wie die naturkundlichen sind auch die kulturellen Aspekte und die Frage, wie der
Mensch mit dem Bergsturz umgeht. Auch ihr bin ich mit diesem Buch nachgegangen.
So ist ein Wanderbuch entstanden, das gleichzeitig eine Art Kulturgeschichte
schreibt zur Bewältigung von Bergstürzen in verschiedenen Epochen.
Es bleibt mir der herzliche Dank an die vielen Personen, die mich bei meiner Arbeit
unterstützt haben: dem ott verlag, insbesondere Geraldine Blatter für das Lektorat
und der Kösel GmbH, für die Grafik. Herrn Prof. Dr. René Hantke danke ich für den
fachlich-wissenschaftlichen Rat. Danken möchte ich auch den vielen Personen, die
mir wertvolle Informationen gaben und ihr Fachwissen grosszügig zur Verfügung
stellten: Raphaela Tinner, Stefan Eggenberg, Marcel Burri, Sébastien Morard, Bruno
Käslin, Marco Bomio, Beat Niederberger, Oscar Wüest, Dr. Hans-Rudolf Keusen, Prof.
Dr. Rosmarie Zeller, Dr. Gilli Schmid, Roland Marti, August Berlinger, Pascal Bischofberger,
Anni Brühwiler und Hans-Uli Feldmann.
Und schliesslich danke ich allen meinen Freunden und Freundinnen, die so manche
Bergsturzgeschichte mitanhörten, mich auf Bergsturzwanderungen begleiteten
und zu guter Letzt zu Probewanderern wurden.
Elsbeth Flüeler, Januar 2011
7
ZUM GEBRAUCH DES WANDERFÜHRERS
Schön, spannend, langsam, fein
Zufall oder nicht: Die Regionen, die wir auf unserem Bogen rund um das zentrale
Aaremassiv bereisen, zählen zu den frühen touristischen Highlights. Der Weg aus
dem Rhonetal nach Derborence und über den Pas de Cheville war eine bekannte
Verbindung vom Rhonetal ins Waadtland, die Gemmi ein «Must» und gleichzeitig
kürzester Weg zwischen den beiden alpinistischen Mekkas, Grindelwald und Chamonix-Montblanc.
Engelberg war ab den 1850er-Jahren als Kurort weit über die Grenzen
hinaus bekannt, auf der Rigi traf sich die Hautevolee Europas, und am Klöntaler
see besang der Naturforscher und Dichter Salomon Gessner die Schönheit der
Alpen. Unser naturkundliches und landschaftliches Interesse darf sich somit in
schönster Landschaft entfalten.
Angesichts solch exquisiter touristischer Leckerbissen scheint es beinahe müssig,
in den Gebrauch dieses Buchs einzuführen. Ausserdem steht ausser Frage, dass
Sie, liebe Leserinnen und Leser, zu den Meisterinnen und Meistern einer umsichtigen
Reisegestaltung zählen. Betrachten Sie deshalb die folgenden Tipps als Wiederholung,
als Erinnerung oder willkommene Anregung.
1. Tipp
Kurzferien haben den grössten Erholungswert. Schon die eine Übernachtung am
andern Ort verleiht ein Feriengefühl und bietet unvergessliche Momente. Nehmen
Sie sich deshalb Zeit, einen, zwei oder sogar drei Bergstürze miteinander zu verbinden.
Das Buch enthält bereits ein- bis zweitägige Wandervorschläge zu den
Bergstürzen von Derborence, Glarus und Flims. Hier weitere Ideen:
Vorschlag 1: Derborence, Siders und Kandertal
Fünftägige, grossartige, aber anspruchsvolle Bergwanderung mit hochalpinem Charakter
von Derborence entlang der Diablerets, von Wildhorn und Wildstrubel bis ins
Kandertal. Wir durchwandern oder kreuzen dabei die Bergstürze von Derborence,
Siders und des Kandertals.
1. Tag: Solalex – Derborence – Prarochet – Quille du Diable
2. Tag: Prarochet – Cabanne des Audannes
3. Tag: Cabanne des Audannes – Wildstrubelhütte – Cabanne des Violettes
4. Tag: Cabanne des Violettes – Rothornlücke – Lämmerenhütte
5. Tag: Lämmerenhütte – Lämmerental – Üschenegrat – Kandersteg
Zur Vorbereitung
▲ www.tourduwildhorn.ch
▲ Zbären, Ernst (2006): Rund um das Wildhorn und den Wildstrubel. Trekkingführer.
Spezialwanderführer, ott verlag, Bern
8
Vorschlag 2: Elm und Flims
Zwei- bis dreitägige Wanderung von Elm über den Segnaspass und den Flimserstein
nach Bargis, mitten durch den Geopark Sardona und an der weltweit bekannten
Glarner Hauptüberschiebung mit dem Martinsloch vorbei.
1. Tag: Anfahrt nach Elm, abendlicher Rundgang um den Bergsturz von Elm
1. Tag: Elm – Segnaspass – Segnashütte
2. Tag: Segnashütte – Cassons – Flimserstein – Bargis (Flims)
3. Tag: Bargis (Flims) – Caumasee – Conn – Versam Station
oder
3. Tag: Tamins – Foppaloch/Kunkelspass – Calanda – Untervaz
2. Tipp
Wer sich in der Natur bewegt, trägt auch gerne Sorge zu ihr. Eine umweltschonende
Anreise ohne Auto und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gehört mit dazu, auch
wenn vielleicht Anfang und Ende der Wanderung nicht per ÖV erreichbar sind. Diese
Lücke überbrückt das AlpenTaxi, einfach und bequem. Zu finden auf www.alpentaxi.ch.
3. Tipp
Nichts kann ärgerlicher sein als eine zu lange Reise, verbunden mit einer zu kurzen
Wanderung. Die Beine sind nicht ausgetreten, die Füsse kribbeln, und auch der Kopf
ist nicht durchgelüftet. Wählen Sie deshalb Ihre Reisezeit entsprechend Ihrem Zeitbudget.
Als Hilfe für den Entscheid, wohin die Reise führen soll, hier eine Übersicht
der zurzeit schnellsten Zugverbindungen ab Wohn- zum Zielort.
Solalex
Siders
Leukerbad
Grindelwald
Sarnen
Engelberg
Goldau
Näfels
Elm
Flims
Basel 4:02 2:30 3:06 2:38 1:52 2:25 2:00 2:03 2:50 2:48
Zürich 3:58 2:29 3:05 2:39 1:14 1:45 0:39 0:49 1:31 1:44
Bern 2:56 1:22 1:46 1:34 1:38 1:53 1:38 1:57 2:39 2:49
Luzern 4:26 2:29 2:53 2:44 0:23 0:47 0:26 1:35 2:22 2:46
Chur 5:24 4:15 4:37 4:00 2:52 3:37 2:04 0:54 1:41 0:26
4. Tipp
Machen Sie die Reise selbst zum Erlebnis. Entlang unserer Route verlaufen einige
der schönsten und spektakulärsten Bahn- und Postautolinien der Schweiz. Gönnen
Sie sich den Genuss! Hier nur drei Vorschläge.
Vorschlag 1: Eiger-Felssturz, Kernwald und Engelberg
1. Tag: Wanderung zum Unteren Grindelwaldgletscher
Fahrt Grindelwald – Grosse Scheidegg – Meiringen – Brünig – Sarnen
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2. Tag: Wanderung Sarnen – St. Jakob (Kerns), Kernwald
Fahrt Kerns – Melchtal – Melchsee-Frutt
3. Tag: Wanderung: Melchsee-Frutt – Jochpass – Trübsee – Engelberg
Vorschlag 2: Goldauer Bergsturz, von gegenüber und ganz nah
1. Tag: Fahrt ab Luzern per Schiff nach Vitznau und mit der Zahnradbahn auf die
Rigi. Übernachtung je nach Budget auf der Rigi Kulm oder Rigi Scheidegg
mit Blick auf den Rossberg
2. Tag: Fahrt nach Arth-Goldau, Wanderung von Arth-Goldau auf den Rossberg
Schöne Postauto- und Bahnverbindungen unterwegs
▲ Postauto Sanetschpass – Sion
▲ Postauto Derborence – Sion
▲ Postauto Grindelwald – Grosse Scheidegg – Meiringen; www.grindelwaldbus.ch
▲ Golden Panoramic Express: Meiringen – Brünig – Sarnen
▲ Postauto Klausen – Linthal
▲ Rhätische Bahn: Disentis – Chur
▲ Rigi-Bahnen
5. Tipp und 6. Tipp
Der Frühling bietet die schönste Blumenpracht, der Hochsommer warme, lange Tage
und laue Nächte in den Bergen, der Herbst besticht mit seinen Farben, und der Winter
lässt die Sehnsucht nach ein paar warmen Strahlen aufkommen. Es lohnt sich,
für jede Wanderung den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Wählen Sie die Wanderung
ausserdem so, dass sie Ihrer konditionellen Verfassung und Ihrem Können entspricht.
Monat/beste Jahreszeit T Std.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Diablerets T3 6
Siders T2 2,5
Gemmi T3 5
Grindelwald T3 3,5
Kernwald T2 4,25
Engelberg T3 5
Goldau T3 5
Obersee T3 3,5
Glarus T4 8
Elm T2 1
Flimserstein T3 6
Ruinaulta T2 3,5
dunkelblau: beste Jahreszeit; hellblau: als Wanderung machbar
T: Schwierigkeit 1 bis 6 gemäss Wanderskala SAC
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7. Tipp
Liebe geht durch den Magen. Ob man sich in einer Region wohlfühlt, entscheidet
sich oft auch beim Kosten der Spezialitäten: das Glas Muscat im Unterwallis, der
Alpkäse aus der Hütte unterwegs, Schabziger oder Pasteten in Glarus, Orangenmost
und Bratkäse in Nidwalden. Wagen Sie sich, den Schokoriegel, den Cervelat oder
hauseigenen Landjäger zu Hause zu lassen, und essen Sie, was der Bauer nicht
kennt.
8. Tipp
Jeder Bergsturz hat Abbruchnische, Gleitfläche und Ablagerungsgebiet. Dieses
Buch enthält nur eine Auswahl von möglichen Bergsturzwanderungen. Finden Sie
Ihre eigene Route zum Bergsturz, über der Abbruchnische, durch die Bergsturztrümmer
und über die Gleitfläche. Die aufgeführten Varianten geben einige Ideen.
Und nun: viel Vergnügen!
Kartenlegenden
Abbruchkante
Gleitfläche Bergsturz
Gletscherabbruch
Gleitfläche Gletscher
Trümmermassen
Sekundäre Prozesse: Schuttkegel, Alluvionen, Deltas,
Moränen, Murgang
Bergsturzseen
Restaurant
Übernachtung
Kapelle
Fortsetzung des Wegs
Sehenswürdigkeit
Bahnhof
Seilbahn Sommerbetrieb
Anfang
Ende
11
EINE EINFÜHRUNG UND EIN GLOSSAR
Bergstürze
Bergstürze zählen wie Erdbeben und Vulkanausbrüche, Trockenheit, Überschwemmungen,
Feuer und Orkane zu den grossen Naturkatastrophen dieser Erde. Mit zerstörerischer
Wucht vernichten sie, was sich ihnen in den Weg stellt – oft gefolgt
von Überschwemmungen und Murgängen, die zuweilen weit verheerender sind als
das Ereignis selbst. Doch was uns Menschen erschüttert, ist eigentlich «das Normalste
der Welt» und das einzelne schreckliche Naturereignis bloss ein Augenzwinkern
der Natur. Der Bergsturz ist nur ein Bruchstück in der langen Geschichte unseres
Planeten, eines immer währenden Kreislaufs, in dessen Verlauf sich Gestein zu
Bergen türmt und faltet, bevor es wieder abgetragen wird. So sind unsere Berge
entstanden – so werden sie auch wieder vergehen.
Bergsturz: die Definition
100 Millionen Jahre dauerte die Faltung bei den Alpen. Als sie vor eineinhalb Millionen
Jahren endete, waren die Berge so mächtig wie die höchsten Gipfel des
Himalajas heute. Seither sind sie der steten Erosion ausgesetzt. Diese beträgt rund
0,5 mm pro Jahr, macht einen Kilometer bis heute und geht in erster Linie auf das
Am 8. September 2010 kurz nach 8 Uhr morgens stürzte aus dem Val Tscheins
bei Almens im Domleschg ein Felsriegel ins Tal. Innerhalb von Sekunden verwandelte
eine Staublawine den Wald oberhalb des Dorfs in eine Mondlandschaft.
Menschen kamen keine zu Schaden. Auch in Zukunft ist mit Stein- und Blockschlag
sowie kleineren bis mittleren Felsstürzen aus der Wand zu rechnen.
12
Konto des Klimas. Unaufhaltsam nagen Wind, Wasser, Eis und Gletscher am Gebirge.
Weitere drei Kilometer Erosion besorgte die Schwerkraft: Sie entlässt die überflüssigen
Gesteinsmassen in vielfältigster Form nach unten, als Rutschung, Fels- und
Schuttstrom, als Sackung, Steinlawine oder Murgang. Der imposanteste Vertreter
der Schwerkraft ist der Bergsturz, der kleinere Bruder der Felssturz, der kleinste der
Steinschlag. Die Wissenschaft definiert Bergsturz als Faktor von Zeit und Masse, als
Fels- und Schuttbewegung, die mit hoher Geschwindigkeit, in Sekunden oder Minuten
aus Bergflanken niedergeht und ein Volumen von über 1 Mio. m 3 aufweist (Abele 1974,
Gruner 2006). Doch der Begriff ist ungenau und übertrieben. Selten nämlich stürzt
ein ganzer Berg, meist nur ein Teil davon, und die Bewegung kann man auch nicht
als Stürzen bezeichnen, vielmehr ist es ein Fallen oder Gleiten. Die Wissenschaft
spricht denn auch korrekterweise von «Schlipfsturz» und «Fallsturz».
Im Land der Bergstürze
Seit dem Ende der Alpenfaltung donnerten Tausende Bergstürze nieder. Die alten
Gebirgsmassive haben bereits ein hohes Erosionsstadium erreicht. Bergstürze sind
hier nur mehr selten. Weniger häufig sind sie auch in den kristallinen Zentralalpen,
wo die Kluftkörper zum Teil stärker in sich verzahnt sind. Ihre Heimat finden die
Bergstürze hingegen im weitflächigen Netz von Kluft-, Störungs- und Schichtflächen
der Kalkalpen, hier wiederum weniger in den Ostalpen und den südlichen
Westalpen als vielmehr in den zentralen Kalkalpen.
Die Schweiz ist somit das Land der Bergstürze schlechthin: In den südlichen zentralen
Kalkalpen treten sie mit der grössten Häufigkeit auf, in den nördlichen zentralen
Kalkalpen mit der grössten Mächtigkeit. Hier treffen wir auf acht der grössten
Bergstürze mit mehr als 500 Mio. m 3 . Ihren Höhepunkt erreichen sie am
Zusammenfluss von Vorder- und Hinterrhein bei Chur, gefolgt von Glarus und dem
Gebiet zwischen Kandertal und Siders, wo sie sich zu eigentlichen Bergsturzlandschaften
gruppieren, einer Abfolge von Bergstürzen aus zusammenhängenden oder
gegenüberliegenden Bergzügen. Zusammen mit den Bergstürzen von Engelberg und
Goldau bilden sie einen nördlichen Kranz um das kristalline Aaremassiv.
Seit der letzten Eiszeit sind 230 Bergstürze bekannt. Davon fallen 130 ins Ende
der letzten Eiszeit, als die schwindenden Gletscher instabile, untergrabene Hänge
hin ter liessen. Mit nur 33 anzahlmässig weniger, jedoch mit Tamins, Flims und Kandersteg
die grössten Bergstürze ereigneten sich nach der Eiszeit. Für die historische
Zeit sind nur rund 70 solche Ereignisse belegt. Noch weniger haben Menschen
mit eigenen Augen gesehen, hingegen wurden viele erahnt. Denn der Bergsturz
kündigt sich an. Da kracht, knallt und knirscht der Berg, es klaffen Spalten, Bäume
kippen und stehen schief, Wurzeln spannen sich über immer breitere Klüfte. Wenn
der Berg dann kommt, so berichten Augenzeugen mit grosser Übereinstimmung,
geht ihm ein Windschlag voraus, der Fichten, Tannen und Buchen niederlegt, ganze
Baumstämme knickt und Baum kronen durch die Luft reisst. Kurz darauf folgt ein
Krachen, die Erde zittert, der Berg leuchtet blitzartig auf. Und nun donnert er mit
unglaubli cher Geschwindigkeit und einem ohrenbetäubenden Kratzen und Knirschen
nieder und ergiesst sich als Strom über das Tal. Wie in einer gigantischen
Mühle wird dabei der Fels zu Mehl und Staub zerrieben, grosse Steinblöcke schwimmen
auf dem niedergehenden Schutt. Dann, nach nur wenigen Minuten, steht der
13
Steinstrom unvermittelt still. Nur mehr eine dichte Staubwolke liegt über einem
riesigen Trümmerhaufen, und ein sonderbarer Schwefelgeruch hängt in der Luft.
Den Ursachen auf der Spur
Der Schwefelgeruch war es wohl, der in einer frühen Zeit die Wissenschaftler auf
die falsche Spur führte, sodass sie Bergstürze für Vulkanausbrüche hielten. In anderen
Fällen wurden Erdbeben als Ursache vermutet. Erst Ende des vorletzten Jahrhunderts,
nach der Katastrophe in Elm von 1881, entwickelte sich die Erforschung
der Bergstürze zur Disziplin. Angeführt vom Zürcher Geologen Albert Heim, beschäftigte
sich die Wissenschaft um die Wende zum 20. Jahrhundert mit den Ursachen,
Mechanismen und Erscheinungsformen und untersuchte alle grösseren Ereignisse
in der Schweiz. Rund 40 Jahre dauerten die Forschungen. Dann verebbte das Interesse,
und es erschienen nur mehr äusserst sporadisch wissenschaftliche Arbeiten
zum Thema. Eine fragmentarische Renaissance erfährt die Bergsturzforschung seit
rund zehn Jahren. Einerseits bringen die grossen Tunnel- und Strassenbauten eher
zufällig und als Nebenprodukt der geologischen Sondierungen Fakten zutage, die
zu teils völlig neuen Erkenntnissen über Ursache und Zeitpunkt der grossen Bergstürze
führen. Andererseits konnte sich in Zusammenhang mit dem Klimawandel
ein aktuelles Interesse an diesem Naturphänomen entfachen.
Und so wissen wir heute, dass Bergstürze weder durch Vulkanausbrüche noch
durch Erdbeben entstehen, dass sie sich nicht auf eine einzige Ursache zurückführen
lassen, sondern strengen, mechanisch-physikalischen Naturgesetzen gehorchen.
Wichtigste Voraussetzung ist die geologisch-geomorphologische Disposition
des Gesteins, das Vorhandensein von Klüften, Rissen oder einer idealen Gleitschicht.
Externe Ursachen, das Abschmelzen der Gletscher, das Klima und seine
Schwankungen oder Erdbeben, begünstigen den Bergsturz oder sind kurzfristige
Auslöser. Während kleinere Ereignisse unter 100 000 Kubikmeter bereits auf den
Frost-Tau-Wechsel reagieren und vermehrt im Frühling oder/und in den Sommermonaten
auftreten, braucht es für grössere Ereignisse starke und anhaltende Niederschläge,
bis die Felsmassen zum Sturz bereit sind. Eine Häufung dieser grossen
Ereignisse ergibt sich dadurch Ende Sommer und im September.
Doch letztlich ist das Studium der Bergstürze n icht nur eine Beschäftigung mit
den Ursachen und Vorgänge n, sondern auch mit den vielfältigen Landschaftsformen,
die entstehen. Dies zeichnet den Bergsturz aus und macht ihn einzigartig.
Hier setzt auch die überaus erstaunliche Fähigkeit der Menschen an, die Auswirkungen
der Bergstürze zu bewältigen und die Natur und Landschaft unter veränderten
Bedingungen zu beleben und zu nutzen. Von diesen ebenso heilsamen wie wunder-
und fantasievollen Eigenschaften von Natur und Mensch erzählt dieses Buch.
14
Glossar
Abbruchnische: Die Abbruchnische ist durch die Abbruchränder und -kanten
begrenzt. Das Volumen der Abbruchnische berechnet sich durch den Höhenunterschied
von Ober- und Unterkante, die Breite, Tiefe sowie die Fläche.
Ablagerungsgebiet: Das Ablagerungsgebiet eines Bergsturzes ist scharf umgrenzt,
der Schuttstrom ist in sich geschlossen und weist keine Spritzzonen auf. Charakteristisch
ist das kleinhügelige Relief im Ablagerungsgebiet. Der Ausbreitungsgrad
der Trümmer und deren Mächtigkeit ergeben sich durch das ursprüngliche Gelände,
in das hinein der Bergsturz gleitet oder fällt.
Altersangaben: Die Altersbestimmung von prähistorischen Bergstürzen ist in der
Regel schwierig. Findet sich aber ein Stück Holz oder anderes organisches Material
zwischen den Trümmern, so kann das Alter mittels der 14 C-Methode bestimmt werden.
Dabei wird die Zerfallsrate der gebundenen radioaktiven 14 C-Atome gemessen
und als gemessenes 14 C-Alter «vor heute» ( 14 C Jahre bp, für «before present») eruiert.
Da jedoch der 14 C-Gehalt der Atmosphäre sich nicht linear entwickelte, sondern
über die Erdgeschichte grossen Schwankungen ausgesetzt war, müssen die 14 C-Rohdaten
mit dem 14 C-Gehalt zu Lebzeiten des organischen Materials kalibriert werden.
Dann wird das Alter als kalibriertes Alter (cal Jahre bp) angegeben und kann mehrere
Hundert bis mehrere Tausend Jahre vom gemessenen 14 C-Alter abweichen.
Bergsturzbrekzie: Brekzien sind verfestigte Trümmergesteine. Bergsturzbrekzien
zeichnen sich durch die Einheit des Materials und die Zersplitterungsstruktur der
Bruchstücke aus, die umgeben sind von Zermalmungsstaub. Bei Bergstürzen sind
die Bruchstücke eckig-kantig ausgebildet, im Gegensatz zur Moräne, deren Bruchstücke
zum Teil Rundungen und Polituren aufweisen.
Brandung und Ablenkung: Wo die Bergsturzmasse nicht frei fliessen kann, brandet
sie an ihren Hindernissen auf. Mit einer starken Brandung ist oft auch eine Teilung
des Schuttstroms verbunden. Langsame Bergstürze branden nicht auf, sondern
stauen sich und ertasten den tiefsten Abflussweg.
Fahrbahn/Sturzbahn: Die Fahr- und Sturzbahn umfasst den ganzen Bereich der
Bergsturzbewegung vom obersten Abbruch bis zum äussersten Ende der Trümmer.
Fahrbahnlänge: Die Länge der Fahrbahn wird entlang des Stromstrichs gemessen.
Sie ist beeinflusst vom Volumen der Sturzmasse, der Steilheit der Fahrbahn und der
Vorform des Ablagerungsgebiets. Die Trümmer strömen, bis sich ihre kinetische
Energie erschöpft. Regel: Je grösser das Volumen, desto grösser die Energie.
Fahrböschungswinkel: Der Fahrböschungswinkel ist der Winkel, der die in Schussrichtung
verlaufende und zur Geraden gestreckte Verbindungslinie von der Oberkante
der Abbruchnische bis zum äussersten Endpunkt der Ablagerung mit der Horizontalen
bildet (Def. Abele nach Heim). Der Fahrböschungswinkel ist ein Mass für
die Beschreibung der bergsturzmechanischen Auswirkungen. Als Regel gilt: Je
grösser die Masse, desto geringer der Fahrböschungswinkel.
15
Der Erosionsprozess in den Bergen ist stetig, wie hier in
den Alpe Marittime im Hinterland von Cuneo. Eine Herzjesu-
Statue soll die Gefahr vor stürzenden Steinen abwenden.
Gleitfläche: Beschreibt die Fläche, auf denen die Bergsturzschollen nach ihrer
Abtrennung abgleiten. Die Gleitfläche besitzt ein mehr oder weniger einheitliches,
stetiges Gefälle.
Luftsprung: Trifft der Trümmerstrom nach einem steilen Stück auf eine Terrassenkante,
nimmt er diese als Sprungschanze und fliegt horizontal durch die Luft. So
geschehen in Goldau und Elm, als die Landschaft unter dem Schuttstrom hindurch
sichtbar war. Mit dem freien Luftsprung verkleinert sich der Fahrwinkel, was wiederum
eine Verlängerung des Schussstroms mit sich bringt.
Randwälle und Ausschürfung: Die grossen Sturzströme weisen in der Regel keine
Streuung der Trümmer und keine Spritzzonen auf. Der untere Rand und die seitlichen
Ränder sind stark ausgeprägte, geschlossene Randwälle, die plötzlich aus
dem Untergrund hervortreten. Grund dafür ist einerseits die gemeinsame Bewegung
der Trümmer, andererseits das Aufschürfen des Trümmerstroms, der wie ein Schneepflug
das Ausschürfungsmaterial an seinen Rändern absetzt. Am Rand des Trümmerstroms
sammelt sich oft die zusätzliche Fracht des Bergsturzes: zerstörte Häuser,
Gegenstände, Fetzen von Menschen oder Tieren.
Stillstand: Es wird in der Regel keine Verlangsamung der Bewegung erkannt. Der
Bergsturz strömt, bis die Kraft der stürzenden Masse aufgebraucht ist. Dann steht
der Trümmerstrom plötzlich und unvermittelt still und bewegt sich nicht weiter. Der
Grund: Solange die Geschwindigkeit gross ist, ist der Faktor Reibung unwesentlich.
Wenn die Geschwindigkeit aber abnimmt, tritt sofort die verstärkte Reibung ins
Spiel und verlangsamt die Bewegung abprubt.
16
Strombild, Stromform, Stromstrich: Während der Talfahrt zerbricht die Bergsturzscholle
in viele Blöcke unterschiedlichster Grösse. Die Trümmer nehmen die Form
eines grossen Stroms, eines Gletschers oder Lavastroms an, der die Trümmer in
langgezogene, der Talform angeschmiegte Schlieren und Streifen gliedert. Der
Schuttstrom passt sich seiner Umgebung und seinem Untergrund an. Wenn sich das
Tal verbreitert, verliert die Oberfläche an Wölbung, und die Wellen verflachen sich.
Die Fluidalstruktur gleicht sich bei langsamen und schnellen Ereignissen.
Volumen, Bergsturzmasse: Nur wenn das Gebirge vor dem Bergsturz vermessen
wurde, kann das Volumen genau bestimmt werden. In der Regel haben wir es mit
einer Schätzung zu tun. Dann ermittelt sich das Volumen entweder durch das Hohlvolumen
im Abbruchgebiet oder durch den Rauminhalt der abgelagerten Trümmermasse.
Jede Berechnung bleibt aber eine Annäherung wegen nachträglicher Erosion,
unklaren Umrissen der Abbruchnische oder unbekannter Lockerung des
Mate rials beim Absturz. Die folgende Liste veranschaulicht die Mächtigkeit der
jeweiligen Bergsturzmasse.
Berechnung der Volumina:
50000 m 3 0,00005 km 3 0,037 km 0,037 km 0,037 km
100000 m 3 0,0001 km 3 0,047 km 0,047 km 0,047 km
500000 m 3 0,0005 km 3 0,079 km 0,079 km 0,080 km
1000000 m 3 0,001 km 3 0,100 km 0,100 km 0,100 km
2000000 m 3 0,002 km 3 0,126 km 0,126 km 0,126 km
5000000 m 3 0,005 km 3 0,170 km 0,170 km 0,170 km
10000000 m 3 0,01 km 3 0,215 km 0,215 km 0,215 km
50000000 m 3 0,05 km 3 0,370 km 0,370 km 0,370 km
100000000 m 3 0,1 km 3 0,465 km 0,465 km 0,465 km
500000000 m 3 0,5 km 3 0,800 km 0,800 km 0,800 km
1000000000 m 3 1 km 3 1 km 1 km 1 km
2000000000 m 3 2 km 3 1,260 km 1,260 km 1,260 km
3500000000 m 3 3,5 km 3 1,520 km 1,520 km 1,520 km
9000000000 m 3 9 km 3 3 km 3 km 3 km
LITERATUR
Abele, Gerhard (1974): Bergstürze in den Alpen, ihre Verbreitung, Morphologie und Folgeerscheinungen.
Wissenschaftliche Alpenvereinshefte, Heft 25, München.
Gruner, Ueli (2006): Bergstürze und Klima in den Alpen – gibt es Zusammenhänge? In: Bull.
Angew. Geol., Vol. 11/2, Dezember 2006, S. 25–34.
Gruner, Ueli (2008): Klimatische und meteorologische Einflüsse auf Sturzprozesse. Conference
proceedings 26 – 30 May 2008, Dornbirn, Vorarlberg Austria. Online: www.interpraevent.at
[18. 1. 2011].
Heim, Albert (1932): Bergsturz und Menschenleben. Vierteljahrsschrift der Naturforschenden
Gesellschaft Zürich, Zürich.
17
Bergstürze im Vergleich
Bergsturz Länge
Fahrb.
(km)
Fläche Masse Abbruchkante
(km 2) (km 3) m ü. M.
Schutt Schutt
Abl. Max Abl. Min Gleitfläche
(°)
Fahrböschung
(°)
Datierung
1 Diablerets 5,7 2,2 0,05 3120 1830 1200 40 19,5 1714/1749
1 Tête Ronde 4 1 3210 2099 1862 19 spätglazial
2 Siders 12 24 1 2100 800 510 28 6 – 6,5 postglazial
3 Daubensee 2,6 0,04 2900 2500 2230 20 postglazial
3 Chli Rinderhorn
ohne Spittelmatte
1,8 1 0,04 2975 2183 1884 26 postglazial
3 Fisistock 12,5 6,8 0,8 2829 1340 830 25 9 9600 – 9100 bp
3 Oeschinensee 2 1,7 0,13 2240 1750 1250 15 postglazial
4 Eiger 0,2 ca. 0,01 0,002 1680 1350 1400 80 ab 2006
5 Kernwald 4,5 6 0,095 1800 780 480 13 < 2530 bp
6 Engelberg 7,1 14,9 2,5 2445 1600 670 34 14 15 000 bp
7 Goldau 4,5 6,5 0,036 1587 1100 510 22 12,5 1806
7 Oberarther Bergsturz 5 7 0,1 1533 960 480 22 12 postglazial
8 Rautispitz 6 2,5 0,12 2100 1080 435 17 postglazial
8 Platten 1,4 0,7 0,03 1000 791 450 23 postglazial
8 Deyen-Wiggis-Kette 7,5 6,4 0,8 2010 1100 470 35 12,5 > 11 500 bp
8 Guppen 7 10 0,8 2400 750 510 20 spätglazial
9 Elm 2,4 0,6 0,01 1380 1030 940 16 11. 9. 1881
10 Flims 16 52 9 2650 1275 710 15 7 – 8 9200 – 9100 bp
10 Kunkelspass 14 17 1,6 1907 710 655 24 5,5 > 9200 bp
10 Calanda 0,5 1700
10 Fidaz 1,35 0,2 0,0001 1800 1500 1075 27,5 1939
Quellen: Abele 1974, div.
18
1
Derborence –
für botanisierende
Pioniergeister
Die Trümmer der Diablerets-Bergstürze breiteten
sich im Hochtal von Derborence aus und reichen
bis auf die Höhe von Besson im Tal der Lizerne.
20
Mit 50 Millionen Kubikmeter Trümmermasse ist der Bergsturz der Diablerets das
grösste historische Ereignis in den Schweizer Alpen. Doch eigentlich handelt es
sich um zwei Bergstürze, um den Hauptsturz von 1714 und den Nachsturz von
1749. Seither gab es weitere Ereignisse. Auch ein früherer, sehr grosser Bergsturz
wird vermutet. Die Bergstürze haben viel zur botanischen Attraktivität des
Gebiets beigetragen: Sie lieferten den Untergrund für eine wunderschöne
Pioniervegetation und erschwerten den Zutritt zum Wald, sodass wir heute in
Derborence einen der wenigen Urwälder der Schweiz antreffen. Bekannt gemacht
hat den Ort jedoch C. F. Ramuz mit seinem Roman Derborence, in dem er in dichter,
erdiger Sprache die Geschichte des Antoine Pont erzählt, der, während sieben
Wochen unter den Trümmern begraben, die Katastrophe überlebte.
21
22
Zur Linken die schroffen Felsen der Diablerets, zur Rechten die Muveran-Kette,
führt diese Wanderung am ersten Tag von den Waadtländer Alpen über die Wasserscheide
Pas de Cheville ins Wallis. Anschliessend überqueren wir den Trümmerhaufen
und verlassen anderntags den Schauplatz des Bergsturzes durch das
Tal der Lizerne. Der Ausflug nach Derborence ist während des Bergfrühlings am
schönsten, wenn der Wald mit seinem Unterwuchs spriesst und der Frühling
seine ganze Blumenpracht entfaltet. Weil der öffentliche Verkehr in die Alpentäler
zu dieser Jahreszeit nur beschränkt verkehrt, empfiehlt es sich, für die
Wanderung zwei Tage einzuplanen.
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE
Ausgangspunkt Solalex, Busverbindungen von Aigle oder Bex erst Anfang Juni. Alpen-
Taxi La Barboleusaz–Solalex ca. Fr. 35.– bis 40.– (www.alpentaxi.ch)
Endpunkt
Ardon, Bus (an der Hauptstrasse) oder Bahn (einen Kilometer ausserhalb
des Dorfs)
Einkehren
Solalex, Anzeindaz (Gebirgshütten), Le Grenier, Derborence, Ardon
Übernachten Auberge du Godey, Tel. 027 346 31 41 (Zimmer und Massenlager.
Empfehlung)
Refuge du Lac, Tel. 027 346 14 28 (Massenlager)
Karten Les Diablerets 1285, LK 1 : 25000; St-Maurice 272 T, LK 1 : 50000
Beste Jahreszeit Im Bergfrühling, ab zweiter Hälfte Mai bis Juni (Fahrpläne beachten! Die
Postautokurse fahren noch nicht. Dann kann das AlpenTaxi aushelfen.)
Reine Wanderzeit 1. Tag: 3,5 Std.; 2. Tag: 5 Std.
Distanz
1. Tag: 8 km; 2. Tag: 13 km
Höhendifferenz 1. Tag: 570 m 670 m; 2. Tag: 300 m 1200 m
Anforderungen
Bergwanderung auf gut markierten Pfaden. Auf dem Weg nach Ardon ist
Trittsicherheit gefragt (T3).
WEGBESCHREIBUNG
1. Tag
Von Solalex (1469 m) wandern wir auf dem Fahrweg Richtung Anzeindaz (1876 m).
Nach einem Kilometer nehmen wir in einer scharfen Linkskurve (1540 m) den Pfad
entlang des Avançon d’Anzeindaz zur Alp Anzeindaz. Von hier geht es über die
weite Ebene Richtung Pas de Cheville. Rechts türmen sich die Bergsturztrümmer
Bas Crots und Hauts Crots des nacheiszeitlichen Bergsturzes von der Tête Ronde.
Auf der Passhöhe führen rote Punktmarkierungen auf dem Sentier Ramuz an den
Quellen der Chevilleince vorbei zu P. 2082. Hier, nur einen «Steinwurf» entfernt,
überblicken wir die Abbruchstelle und die Trümmer und hören die Steine kollern –
akustisches Wandern mit klangvollem, lebendigem Steinkonzert.
Zurück am Pas de Cheville, steigen wir zur Alp Plan du Sex (2001 m) ab, wir überqueren
die Chevilleince (1880 m) und gehen dann steil hinunter nach Le Grenier
(1744 m) und weiter zur Alp Les Penés (1660 m), der Abzweigung nach Godey.
Nach erneutem Überqueren der Chevilleince (1550 m) sind wir im Bergsturzgebiet
und somit bis kurz vor La Combe im Pionierwald. Auf immer gleicher Höhe geht es
23
Pelzanemonen auf den Hügeln Hauts Crots.
Auch verblüht sind sie von grosser Anmut.
über den Trümmerstrom und zwei Wildbäche mit Murgängen weiter. Nach dem zweiten
Murgang nehmen wir den unteren Weg Richtung La Combe (1416 m) und gelangen
so auf der Fahrstrasse nach Godey (1363 m).
2. Tag
Von Godey (1363 m) wandern wir zurück nach La Combe (1416 m). Nach 200 m
verzweigt sich der Weg. Der untere führt durch den Pionierwald Le Liapey, über Murgänge
und auf Bergsturztrümmern zum Lac de Derborence (1449 m). Wir umrunden
den See im Gegenuhrzeigersinn und überqueren dabei den Schwemmkegel der Derbonne.
Am Hangfuss beginnt ein bezeichneter Weg, der zur oberen Alp Le Grenier
(1849 m) führt, ein lohnender Abstecher durch den Urwald von eineinhalb Stunden,
für den die Zeit reicht und der mit grossartigen Blicken auf die Abbruchstelle
an den Diablerets, Derborence, das Haupttal und die gegenüberliegenden Berge
belohnt wird (vgl. Text L’Ecorcha, S. 34).
Zurück am Lac de Derborence, setzen wir unseren Weg rechtsufrig entlang der
Derbonne fort, bis der weite Talkessel von Derborence sich verengt (1360 m). Talauswärts
wandern wir auf dem konvexen Bergsturzhaufen bis Motélon (1254 m).
Rechts liegt das Randtälchen zwischen Bergsturzzunge und Felswand. Auf der Höhe
von Besson befinden sich die letzten Trümmer und somit das äusserste Ende des
Bergsturzes. Auf der westlichen Talflanke führt der Weg durch Tannen- und Buchen-
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wälder, über schmale Pfade und eindrückliche Wildbäche. Nach halbem Weg hat uns
die Waldstrasse bis nach Isières (800 m), von wo ein Pfad nach Ardon (490 m) hinunterführt.
VARIANTEN
Wanderung zur Quille du Diable: Von der Bergstation der Diablerets erreicht man in
einer knappen Stunde den markanten Felsen der Quille du Diable, an sichtigen
Tagen ein Hochgenuss mit weiten Blicken in die Walliser Alpen. Die Wanderung ist
nur bei aperen und guten Verhältnissen (spärliche Markierung und Karst) zu empfehlen.
In der Prarochet-Hütte gibt es etwas zu essen und zu trinken oder die Möglichkeit
zu übernachten. Bis Prarochet ca. zwei Stunden. Alternative: ab Gsteig mit
Bahn zum Sanetschsee oder ab Sitten mit Postauto zum Sanetschpass. Aufstieg in
zwei bis drei Stunden.
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Die Bergsturzhügel von Hauts Crots und Bas Crots ragen unvermittelt aus der
Hochebene Le Plat heraus. Die Abbruchstelle liegt an der Tête Ronde der
Diablerets. Im Hintergrund sieht man die Gipfel nordöstlich des Grand Muveran.
Die Bergstürze von Derborence
Im Süden des Diablerets-Massivs hat es eine Folge von Bergstürzen gegeben. Die
Ursache finden wir in der horizonalen Schichtung der Felsen, welche an vielen
Stellen senkrecht zur Schichtebene durchklüftet sind. Entlang dieser Klüfte lösten
sich wiederholt Gesteinsmassen. Von den zahlreichen Ereignissen ist jedoch nur der
Bergsturz von 1714 genau und zuverlässig dokumentiert. Der Zürcher Naturgelehrte
Johann Jakob Scheuch zer beschrieb ihn in seiner Schweizer Naturgeschichte ausführlich.
Das Buch erschien zwei Jahre nach dem Ereignis. Scheuchzer stützte sich
dabei auf den Bericht des Pfarrers von Ardon sowie einen lateinischen Text, die
beide kurz nach der Kata stro phe verfasst wurden und in Wissenschaftskreisen kursierten.
Nach 1881 inte res sierte Derborence, um Rückschlüsse auf die weitere Entwicklung
in Elm zu ziehen. Die heute wissenschaftliche anerkannte Version stammt
von Albert Heim von 1932.
TÊTE RONDE
Abbruchnische und Zeitpunkt
Die Abbruchstelle befindet sich zwischen der Tête Ronde (3037 m) und dem Sommet
des Diablerets (3210 m). Der Bergsturz ist prähistorisch und ereignete sich am
26
Ende der letzten Eiszeit, spätestens aber während eines kurzen Vorstosses der
Gletscher.
Bergsturzhügel
Die Trümmer fuhren quer zur Talrichtung auf einen abschmelzenden Gletscher der
Muveran-Kette, der die Trümmer in einem Kilometer Distanz zum Diablerets-Massiv
absetzte. Sie liegen bei Bas Crots und Haut Crots als Blockdecke bis Blockstreu auf
dem Untergrund auf und bilden, ohne eigene innere Struktur, ein kleinhügeliges
Relief. Zwischen der Abbruchstelle und den Trümmern wurde der sanft geneigte
Schuttkegel aufgeschüttet, sodass die Bergsturztrümmer unvermittelt und ohne
Übergang aus der weiten Ebene Le Plat herausragen. Einen kleinen Teil der Trümmer
sandte der Bergsturz über die Geländestufe Teppes Vertes hinaus, wo sie westlich
von Le Grenier bei P. 1862 liegen.
BERGSTURZ VON 1714
Das Ereignis
Der Bergsturz ging am Sonntag, 23. September, zwischen zwei und drei Uhr nachmittags
nieder. Dabei wurde der helle Tag zur dunklen Nacht, und die umliegenden
Alpweiden wurden so stark mit Steinstaub überschüttet, dass man das Vieh wegtreiben
musste. Der Bergsturz tötete 15 Personen – Kinder, Frauen und Männer –,
begrub 55 Sennhütten, drei Wälder und überdeckte zwei Drittel der Alp Chevilleince,
die nach dem Bergsturz statt der 140 nur noch 40 Stösse bot. Über einen
Verlust an Ziegen, Schafen oder Schweinen ist nichts bekannt.
Die Académie Royale des Sciences von Frankreich berichtet in ihren Mémoires
zum Jahre 1714 von der Katastrophe und nennt, im Gegensatz zu Scheuchzer, den
23. Juni als Datum des Bergsturzes. Auch Ramuz verlegt den Bergsturz in seinem
Roman Derborence auf den Anfang des Alpsommers. Beides ist möglich, denn der
Alpsommer auf Derborence dauert von Anfang Juni bis Anfang Oktober. Doch ist
der September als Datum für den Bergsturz wahrscheinlicher. Bei der Académie
Royale dürfte sich ein Schreibfehler eingeschlichen haben, Ramuz hatte eher dramaturgische
Gründe, das Datum vorzuverlegen.
Abbruchnische
Die obere Abbruchkante der Diablerets-Bergstürze befindet sich auf 3120 m ü. M.
zwischen der Tête de Barme (3185 m) und P. 3041. Wie bei der Tête Ronde hinterliess
der Bergsturz auch hier treppenförmige Abfolgen von Ablösungsklüften und
Schichtflächen. Die Abbruchnische beschreibt einen rund 500 m weiten Bogen. Der
Bergsturz von 1714 betraf die untere Partie der Diablerets-Felsen. Er schwächte die
Felsbänke an der Tête de Barme und bereitete den Bergsturz von 1749 vor.
Gleitfläche
Die Gleitfläche umfasst die ersten eineinhalb Kilometer, auf denen der Schuttstrom
bis auf die Höhe von 1830 m ü. M. mit einem Gefälle von mindestens 40° ins Tal
donnerte. Sie trägt den Namen Dérochoir, was sich aus dem französischen «dérocher»,
«sich vom Fels ablösen», ableitet. In Bergsturzgebieten des französischsprachigen
Raums ist dieser Lokalname öfter anzutreffen.
27
Die Bergstürze von 1714 und
1749 haben eine breite Kerbe in
den Berg geschnitten. Die obere
Abbruchkante befindet sich
zwischen P. 3041 und der Tête de
Barme (3185 m). Darunter liegt
Le Dérochoir, die Gleitfläche. Auf
ihr stürzte der Trümmerstrom bis
auf 1830 m ü. M. fast senkrecht
zu Tal. Auf seiner weiteren
Talfahrt wurde er dreimal
abgelenkt: erst am Six Blanc,
dann am gegen überliegenden
Berghang des Vérouet und
schliesslich am Montbas.
Die Berge sind Wind und Wetter
ausgesetzt. Laufend bricht
neues Material aus der
Abbruchstelle und dem
Dérochoir. Bei grösseren
Niederschlägen wandelt es sich
zu gewaltigen Murgängen –
Steinfluten –, die den
Trümmerhaufen überprägen wie
der Murgang, der sich in den
Lac de Derborence (im Bild)
ergiesst, oder derjenige, der
vom Dérochoir bis nach Godey
reicht. Hier stösst auch der
Schwemmkegel des Pessot bis
zu den Trümmern vor. Im
Hintergrund sieht man den
Hangfuss des Urwalds L’Ecorcha.
Von den ehemals zwölf
Bergsturzseen sind vier erhalten.
Der grösste ist der Lac de
Derborence, der die Derbonne aus
dem Derbontal staut. Am Ufer der
Derbonne und entlang der
Bachläufe finden wir Weiden.
Studentenröslein, Seggen,
Sumpfwurz oder Mehlprimel deuten
auf einen vernässten Untergrund
hin. Seit einigen Jahren ist eine
Verlandung des Sees festzustellen.
Im Spätsommer liegen Teile davon
sogar trocken.
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Im Tal der Lizerne
Das Tal der Lizerne steigt als enge Schlucht vom Rhonetal bis zu den Felsen der
Diablerets auf. An seinem oberen Ende, bei 1350 m ü. M., breitet es sich zu einem
weiten Talkessel aus und vereinigt vier Gebirgsbäche: die Derbonne aus dem Val
Derbon, die Chevilleince, die am Col de Cheville entspringt, den Pessot des Glacier
de Tschiffa und die Lizerne de la Mare, die einen Teil des Schmelzwassers des Tsanfleuron-Gletschers
führt. Am Talausgang vereinigen sich die Bäche zur Lizerne. In
ihrem Einzugsgebiet liegen somit die Alpen Cheville, Genechyr, Vosé, Fenadze,
Lodze, Cindo, Derbon, Antagnet und Champrion. Bis zum Erscheinen des Romans
von Ramuz bezeichnete «Derborence» einzig die Alp am Ausgang des Derbontals.
Das Tal der Lizerne trug den Namen Val de Triqueut (Trois Cœurs), ein Name der die
kleeblattförmige Talausweitung treffend umschreibt, jedoch gemäss der Karte der
Landestopografie heute nicht mehr gebräuchlich ist.
Sturzbahn
Im Jahr 1714 stürzten die Felsen der Diablerets gegen den Grat des Six Blanc
(1826 m) nördlich des Tälchens, das von der Chevilleince durchflossen wird. Hier
brandeten sie auf, wurden um 60° nach links abgelenkt und fuhren weiter nach
Südosten. Kurze Zeit später brandeten sie erneut auf, erst am Fuss des Vérouet,
dann am Montbas. Im weiten, flachen Kessel zwischen diesen beiden Bergen blieb
der Grossteil der Trümmer liegen. Der restliche Teil der Trümmer bahnte sich
anschliessend den Weg weitere 1,75 km talwärts bis 1200 m ü. M. bei Besson.
Wegen der vielen Ablenkungen und der plötzlichen Verbreiterung des Tals vermochte
der Strom trotz grosser Masse und steiler Sturzbahn nur knappe sechs Kilometer
weit zu strömen.
Trümmer und sekundäre Prozesse
Die Bergsturzschollen wurden auf ihrer steilen Fahrt fast durchweg zu Lockerschutt
und Blöcken zerschlagen und blieben nicht im Verbund bestehen. Die Trümmer
bedecken eine Fläche von 220 ha und sind zwischen der Alp Derborence und Godey
60 bis 70 m mächtig. Im Trümmerhaufen wechseln sich konvexe Bergsturzwälle und
konkave Tälchen ab. Ausgangs Derborence, wo das Tal enger und das Gefälle steiler
wird, erhalten die Trümmer erst ein konvexes und gegen Ende des Stroms ein
konkaves Querprofil. Die konvexe Trümmerzunge hebt sich durch ein Randtälchen
vom anstehenden Fels ab.
Die stete Erosion der Diablerets durch Wasser, Wind und Wetter sorgt ständig für
Nachschub von neuem Gesteinsmaterial. Unterhalb des Dérochoir liegt ein einen
Kilometer langer Schuttfächer, der sich bei starken Niederschlägen periodisch zum
zerstörerischen Murgang wandelt. Auf 1620 m ü. M. teilt er sich. Der westliche Arm
reicht in den Lac de Derborence, der östliche Arm fliesst in Richtung P. 1545. Bei
Godey schliesslich staut sich der Schuttfächer des Pessot hinter den Trümmern.
Bergsturzseen
Der Bergsturz behinderte und veränderte die Bachläufe. In der Folge staute sich
gemäss den Angaben von Scheuchzer das Wasser in neun Bergsturzseen. Der Pessot
und die Lizerne fanden neue Wege zwischen den Felsen und stauten sich in fünf
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