eiszeitalter
Kalt-/Warmzeit-Zyklen und Eistransport
im alpinen und voralpinen Raum
René Hantke
In dankbarer Erinnerung
meiner lieben Tochter Christine gewidmet
Inhaltsverzeichnis 5
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
15
1 Die alpinen Eiszeiten und ihre Grundlagen
1.1 Zur Erforschung des Eiszeitgeschehens
1.2 Zum Wechsel von Kalt- und Warmzeiten und zu ihren Ursachen
1.3 Elemente zur Festlegung der Randlagen einzelner Gletscherstände
1.4 Das Quartär : Eiszeitalter ( Pleistozän ) und Jetztzeit ( Holozän )
1.5 Auf Albrecht Penck zurückgehende Thesen auf dem Prüfstand
1.5.1 Mittelmoränen
1.5.2 Drumlins, meist Pseudo-Drumlins : oft Mittelmoränen
1.5.3 Der Schutttransport auf dem Gletscherboden und die glaziale Übertiefung
1.5.4 Kame-Schotter, frontale Schotterfluren und randliche Schmelzwasserrinnen
1.5.5 Zur Genese der Schweizer Deckenschotter
1.6 Das tektonische Geschehen zwischen Alpen und Jura im Eiszeitalter
1.7 Letzteiszeitliche Eisoberfläche zwischen Unterengadin und Goms
1.8 Gletscherschwankungen vom letzten Glazial ins Holozän
1.9 Rückschlüsse auf Temperatur und Niederschlag aus rekonstruierten Gletschern
1.10 Fossile Blockgletscher
1.11 Zur pleistozänen Vegetationsgeschichte Mitteleuropas
1.12 Zur Faunenentwicklung im Pleistozän
1.13 Mittel- und jungpleistozäne Säuger in den insubrischen Voralpen
1.14 Frühe Jäger im Eiszeitalter Mitteleuropas
1.15 Das schweizerische Alpine Paläolithikum
1.16 Die holozäne Einwanderung der verbreitetsten Baumarten
1.17 Die Klimaentwicklung im Holozän
Literatur
17
18
21
24
25
28
28
31
31
32
32
33
34
35
37
39
39
42
45
45
46
47
48
49
2 PrÄquartäre Kaltzeiten
2.1 Älteste Kaltzeiten, Anzeichen einer Vergletscherung an der Oligozän/Miozän-Grenze
2.2 Begrabene alpine und voralpine Täler im Tessin
2.3 Das tektonische Geschehen und die Abfolgen am Südalpen-Rand
2.4 Das Klima des Südtessins im Pliozän
2.5 Tal- und Flussgeschichte auf der Alpen-Nordseite
2.6 Kaltzeiten an der Miozän/Pliozän-Grenze :
Jura-Nagelfluh und Wanderblockbildungen
2.7 Kaltzeiten an der Pliozän/Pleistozän-Grenze : Die Sundgau-Schotter
2.8 « Präglaziale Landoberfläche »
2.9 Das plio-pleistozäne Geschehen zwischen Oberem Zürichsee und Zugersee
2.10 Jungtertiäre Relikte von Alpenpflanzen
57
58
59
60
61
61
64
65
65
66
67
6
Eiszeitalter
2.11 Die bedeutendsten Mittel- und Kollisionsmoränen beidseits der Alpen
2.11.1 Mittelmoränen des Dora-Baltea-Gletschers
2.11.2 Mittelmoränen im Alpstein, in der Zentralschweiz und den Romanischen Voralpen
2.12 Kollisionsmoränen N und S der Alpen
2.12.1 Kollisionsmoränen im Berner Oberland
2.12.2 Unterseeische Moränen im Vierwaldstättersee : Kollisions- und Mittelmoränen
2.12.3 Die Kollisionsmoräne am N-Ende des Sihlsees SZ
2.12.4 Die grossen südalpinen Seen
2.12.5 Die Kollisionsmoränen im Luganersee
2.12.6 Moränen und Felsstrukturen um die Borromäischen Inseln im Lago Maggiore
Literatur und Karten ( K )
70
70
70
72
72
73
75
75
75
77
77
3 Früh- bis Frühmittelpleistozäne Kaltzeiten
3.1 Die Abfolge von Ecoteaux VD
3.1.1 Der Polleninhalt der Abfolge des Ecoteaux-Sees
3.1.2 Chronologie der Ecoteaux-Abfolge
3.2 Die Deckenschotter der N- und NE-Schweiz
3.3 Höhere, « Mittlere » und Tiefere Deckenschotter im Hochrhein-Gebiet
3.4 Die Höheren Deckenschotter des Irchel ZH
3.5 Deckenschotter im Limmattal und im untersten Aaretal
3.6 Höhere Deckenschotter auf dem Albis und der Zürichberg-Altberg-Kette
3.7 Ältere Schotter zwischen Zugersee und Zürcher Oberland
3.8 Die Stauschotter von Grub SG
3.9 Die Deckenschotter im deutschen Alpenvorland, verglichen mit denen der Schweiz
3.10 Höhenschotter zwischen Aare und Emme, Zelg-Schotter zwischen Aare und Sense
3.11 « Jüngere Deckenschotter » um Schaffhausen
3.12 Tiefenverwitterung in hoch gelegenen alten Schottern
3.13 Zu absoluten Altersdatierungen
Literatur und Karten ( K )
81
82
83
85
86
87
89
91
93
95
96
97
98
99
100
100
103
4 Die grössten pleistozänen Kaltzeiten
4.1 Die äussersten Moränen im Genfer Arm des Rhone-Gletschers
4.2 Das Jura-Gebirge in den grössten Kaltzeiten und in der Jungriss-Eiszeit
4.3 Das Mittelpleistozän in der N-Schweiz
4.4 Das Hochrheintal Koblenz–Möhlin in den « risszeitlichen » Höchstständen
4.5 Die Endlagen von Möhlin des Wehra-Gletschers und des Helvetischen Gletschers
4.6 Das untere Wehratal, ein eisbedecktes Dinkelberg-Plateau ?
4.7 Die jungrisszeitliche Randlage im untersten Aaretal und am S-Rand des Ruckfelds
4.8 Franches-Montagnes und Ajoie in den grössten Kaltzeiten und im Jungriss
4.9 Vegetation und Klima in den grössten Kaltzeiten
4.10 Die grössten Vergletscherungen am Südalpen-Rand und höchste Eisrandlagen
Literatur und Karten ( K )
107
108
110
112
117
118
120
122
122
124
124
125
Inhaltsverzeichnis 7
Das spätmittel- und jungpleistozäne
sowie das holozäne Geschehen in den Gletschersystemen
Das spätmittel- und jungpleistozäne sowie das holozäne Geschehen in den Gletschersystemen
127
129
5 Rhone-Gletscher
5.1 Genfer Arm
5.1.1 Der Felsuntergrund des Rhone-Gletschers um Genf
5.1.2 Der Ursprung des Genfersee-Beckens und das Jungpleistozän im Waadtland
5.1.3 Die Pollenabfolge von Montfleury W von Genf
5.1.4 Würmzeitliche Vorstösse und erstes Zurückschmelzen rhoneabwärts
5.1.5 Der Dranse-Gletscher und seine Mittelmoränen
5.1.6 Der Arve-Gletscher
5.1.7 Der Giffre-Gletscher, seine Zuflüsse und Mittelmoränen
5.1.8 Jung- und spätpleistozäne und holozäne Ablagerungen im Genfersee
5.2 Der ins Schweizer Mittelland übergeflossene Rhone-Eisarm
5.2.1 Schon im frühen Pleistozän floss Rhone-Eis ins Mittelland über
5.2.2 Pollenprofile von Meikirch und Thalgut
5.2.3 Westschweizer Seeland
5.2.4 Frontlappen des Mittelland-Arms des Rhone-Gletschers
5.2.5 Der zurückschmelzende Mittelland-Arm des Rhone-Gletschers und die Zeit danach
5.2.6 Mittelmoränen im Bereich des ins Mittelland übergeflossenen Rhone-Gletschers
5.2.7 Der würmzeitliche Höchststand und erste Wiedervorstösse am Jura-Rand
5.2.8 Spätglazial und Holozän im westlichen Mittelland
5.2.9 Das Spätglazial in Hauterive-Champréveyres, Monruz und das Holozän von Yverdon
5.2.10 Der Klimaablauf im Lac Loclat und Lobsigensee, subfossile Hölzer E von Solothurn
5.2.11 Terraininstabilitäten in den Freiburger Voralpen
5.2.12 Die Fauna des Bärenlochs in den Freiburger Voralpen
5.2.13 Die Greyerzer Seen im Spätglazial und im Mesolithikum
5.2.14 Paläoökologie des Lac de Seedorf W von Fribourg
5.2.15 Pollenprofile im Schwarzenburgerland und auf dem Frienisberg-Plateau
5.3 Die Zuflüsse des Rhone-Gletschers im Wallis und im Chablais
5.3.1 Eishöchststände im Gebiet des heutigen Rhone-Gletschers
5.3.2 Die Gommer Gletscher im mittleren und jüngeren Spätglazial und im Holozän
5.3.3 Die Gegend um Brig und Visp im ausgehenden Spätglazial
5.3.4 Das Saastal im Spätglazial und im Holozän
5.3.5 Die Entwicklung des Thermokarst-Sees am Gruben-Gletscher
5.3.6 Das Mattertal im Spätglazial und im Holozän
5.3.7 Der Bergsturz von Randa vom Längenflueberg ( 1991 )
5.3.8 Das Lötschental im Spätglazial und im Holozän
5.3.9 Rhone-, Ill- und Dala-Gletscher im Leuk-Stadium und bei jüngeren Vorstössen
131
132
132
133
138
140
142
144
148
148
150
150
150
155
157
158
160
161
162
163
165
165
167
167
168
168
170
170
171
174
176
177
178
181
182
183
8
Eiszeitalter
5.3.10 Spätglaziale Stände rechtsseitiger Gletscher zwischen Leuk und Martigny
5.3.11 Navisence- und Borgne-Gletscher im Val d’Anniviers und im Val d’Hérens
5.3.12 Der Printse-Gletscher im Val de Nendaz und die Gletscher in der Vallée des Fares
5.3.13 Die Gletscher in den Vallées des Drances
5.3.14 Das spät- und nacheiszeitliche Geschehen im Mont-Blanc-Gebiet
5.3.15 Die Gletscher im Val d’Illiez und im oberen Val d’Abondance
5.3.16 Moränen in den Tälern von Avançon, Gryonne und Grande-Eau
5.3.17 Das Zurückschmelzen des Grande-Eau-Gletschers
5.3.18 Spät- und postglaziale Vegetationsgeschichte zwischen Martigny und Genfersee
5.3.19 Heutige Gletscher in den Berner, Waadtländer und nördlichen Walliser Alpen
5.3.20 Permafrost in den westlichen Hautes-Alpes calcaires
5.3.21 Die Besiedlung des Wallis und des Chablais vom Paläolithikum zur Römerzeit
Literatur und Karten ( K )
183
184
187
187
189
190
190
192
194
194
195
195
196
6 Aare-Gletscher
6.1 Paläoklimainterpretation der St.-Beatus-Höhlen und des Bärenschachts
6.2 Das ins Mittelland übergeflossene Rhone-Eis staute den Aare-Gletscher
6.3 Das Aaretal zwischen Thun und Bern : Thalgut-Interglazial mit Pterocarya
6.4 Pollenabfolgen in den Schieferkohlen im Glütschtal und in der Kanderschlucht
6.5 Die Schieferkohlenabfolge von Mutten-Signau im Emmental
6.6 Die altersdatierte Abfolge der Kiesgrube Mattstetten NE von Bern
6.7 Die Mündung des Aare-Gletschers in den Mittelland-Arm des Rhone-Gletschers
6.8 Murifeld bei Bern, Lörmoos NW von Bern und Wachseldorn-Untermoos
6.9 Spätglaziale Floren und Faunen im Faulenseemoos, Gerzen- und Amsoldingersee
6.10 Genese der Aareschluchten und der Talung von Brienzer- und Thunersee
6.11 Spätglaziale Gletscherstände und Mittelmoränen im Berner Oberland
6.12 Der Simmen-Gletscher im Spätglazial
6.13 Zur Vegetationsgeschichte im Simmental
6.14 Die Funde vom Schnidejoch ( 2756 m ) W des Rawilpasses
6.15 Der Saanen-Gletscher im Spätglazial
6.16 Jüngste erdgeschichtliche Ereignisse im Berner Oberland
Literatur und Karten ( K )
205
206
206
206
211
213
213
215
218
219
220
221
230
231
232
233
236
237
7 Zentrales Schweizer Mittelland
7.1 Das Napf-Gebiet zur Zeit der grössten Vergletscherungen
7.2 Das nördliche Napf-Vorland
7.2.1 Zeller Schotter
7.2.
2 Schieferkohlen zwischen Huttwil und Zell
7.2.3 Schieferkohlen von Schweinbrunnen SW von Huttwil
7.3 Das Napf-Bergland und der Emmen-Gletscher in der letzten Kaltzeit
7.4 Paläolithikum und Mesolithikum im Wauwilermoos
Literatur und Karten ( K )
241
242
244
244
246
250
254
257
258
Inhaltsverzeichnis 9
8 Reuss-Gletscher
8.1 Präwürmzeitliche Ablagerungen im frontalen Reuss-Gletscherbereich
8.2 Höchste Lagen der Eisoberflächen im Gotthard- und Furka-Gebiet
8.3 Mittelmoränen im Urner Reusstal
8.4 Schächen-, Riemenstaldner und Muota-Gletscher mit ihren Mittelmoränen
8.5 Mittelmoränen zwischen Reuss- und Engelberger Eis, diesem und Brünig-Aare-Eis
8.6 Felsrelief und « übertiefte » Täler
8.7 Eisoberflächen am Schwyzer Alpenrand
8.8 Rümlig-Gletscher, Wolhuser Arm des Aare/Reuss-Eises, Kleiner Emmen-Gletscher
8.9 Vierwaldstättersee- und Zugersee-Gebiet in den Kaltzeiten
8.10 Mittelmoränen zwischen Ägeri- und Rothenthurmer Reuss-Eisarm
8.11 Mittelmoränen und Rückschmelzlagen im Aargauer Reusstal
8.12 Zur spät- und nacheiszeitlichen Vegetationsgeschichte im Vierwaldstättersee-Gebiet
8.13 Spät- und frühpostglaziale Grosssäugerreste aus dem Gebiet des Reuss-Gletschers
8.14 Die Bergstürze von Goldau : Zeitpunkte und Klima während ihres Niedergangs
8.15 Jüngste Rutschungen, Hangmuren und Felsstürze : Prognosen und Sicherungen
Literatur und Karten ( K )
261
262
262
263
265
266
267
268
269
270
274
275
277
279
280
282
283
9 Rhein-Gletscher
9.1 Der Linth/Rhein-Gletscher
9.1.1 Pollenprofil vom Sulperg E von Wettingen AG
9.1.2 Mammutfunde von Niederweningen
9.1.3 Der frontale Linth/Rhein-Gletscher
9.1.4 Die Abfolgen in der Glatttal-Felsrinne, Aathal-Schotter und jüngere Füllung
9.1.5 Schieferkohlen von Gossau ZH
9.1.6 Weitere Schieferkohle führende Abfolgen im Zürcher Oberland
9.1.7 Schieferkohlen am Walenberg und im Teufwinkel am Walensee
9.1.8 Vorstossschotter beidseits des Zürichsees
9.1.9 Töss- und Hörnli-Bergland in den grössten Kaltzeiten und in der Würm-Eiszeit
9.1.10 Schlieren-, Zürich- und Hurden-Stadium
9.1.11 Sedimente im Zürich- und im Greifensee
9.1.12 Die spätglazialen Wälder am Üetliberg W von Zürich
9.1.13 Vegetation an der Grenze Mesolithikum/Neolithikum im Langachermoos
9.1.14 Das Sihltal in der vorletzten und letzten Eiszeit, im Spät- und im Postglazial
9.1.15 Wägital-Gletscher und weitere Zuflüsse zum Linth/Rhein-Gletscher
in der Linthebene
9.1.16 Die spät- und frühpostglaziale Vegetation in der Linthebene
9.1.17 Walensee-Arm des Rhein-Gletschers, Walensee-Talung und Seeztal
9.1.18 Spätglaziale Gletscherstände, Mittelmoränen und Baumgrenze im Schilstal
9.2 Der Linth-Gletscher
9.2.1 Eiszuschüsse von Nieder- und Oberurnertal, Schwändi- und Ahornen/Oberseetal
9.2.2 Der Klön-Gletscher und seine Mittelmoränen
287
288
289
290
292
293
294
296
298
298
300
301
302
303
305
305
308
309
309
310
312
312
313
10
Eiszeitalter
9.2.3 Bergstürze im mittleren und vorderen Glarnerland
9.2.4 Spätglaziale und holozäne Gletscherstände im Linthtal
9.2.5 Bergstürze, Sackungen und Mittelmoränen im Glarner Hinterland
9.2.6 Sernf-Gletscher und seine Mittelmoränen
9.2.7 Bärenhöhlen im Kanton Glarus
9.3 Der Bodensee-Rhein-Gletscher
9.3.1 Anlage des Bodensee-Beckens
9.3.2 Rinnenschotter um Schaffhausen
9.3.3 Pollenabfolgen in Wildhaus-Egg und in der Wildkirchli-Höhle S von Appenzell
9.3.4 Die jüngere Geschichte des Bodensee-Rhein-Gletschers
9.3.5 Letzteiszeitliche Höchststände und die Stadien von Stein am Rhein und Konstanz
9.3.6 Pollenprofile im westlichen Bodensee-Gebiet
9.3.7 Umlenkung der Radolfzeller Aach bei Rielasingen
9.3.8 Gebiet zwischen Thur, Seebach–Stammheimer Tal und Rhein
9.3.9 Die Gegend um Bischofszell
9.3.10 Landschaftsgeschichte zwischen Rhein- und Thur-Eis und im Töss-Bergland
9.3.11 Laacher-See-Bimstuffe in der NE-Schweiz und die Nussbaumer Seen
9.3.12 Archäologie im Thurgau
9.3.13 Mittelmoränen im Säntis-Gebirge und im oberen Toggenburg
9.3.14 Der Zerfall des letzteiszeitlichen Rhein-Gletschers
9.3.15 Randliche Schmelzwasserrinnen im Alpenrheintal
9.3.16 Mittelmoränen im Alpenrheintal und im Bregenzerwald
9.3.17 Vorstoss- und Rückschmelzlagen von Bodensee- und Linth/Rhein-Gletscher
9.3.18 Die Oberstaufer Nagelfluhberge im Spätglazial
9.3.19 Mittelmoränenansätze bei Samina- und Ill-Gletscher
9.3.20 Bergstürze im Alpenrheintal
9.3.21 Zur Ur- und Frühgeschichte des Alpenrheintals
9.3.22 Seespiegelschwankungen und Rhein-Mündungen in den Bodensee
9.3.23 Sedimentabfolge der beiden Schwendiseen ( 1159 m ) SW von Wildhaus
9.3.24 Die jüngste Veränderung der Schneegrenze im nördlichen Alpstein
9.4 Der Bündner Rhein-Gletscher und seine Zuflüsse
9.4.1 Eishöhen im Firngebiet des Vorderrhein-Gletschers
9.4.2 Späteiszeitliche Moränen im Tavetsch und in der Val Medel
9.4.3 Holozäne Vegetationsgeschichte im Quellgebiet des Vorderrheins
9.4.4 Sumvitg-, Gronda-, Glenner und Valser Rhein-Gletscher
9.4.5 Rabiusa-Gletscher
9.4.6 Punteglias-, Frisal-, Flem-, Ladral-, Schmuer- und Siat-Gletscher
9.4.7 Flimser und Taminser Bergsturz
Sturzereignis
Bergsturzseen
Ausbruch des Ilanzer Sees
Kiese von Bonaduz
314
315
316
317
317
318
318
318
320
321
326
328
328
329
330
331
332
333
333
334
335
335
337
338
339
339
340
341
343
343
344
344
344
345
346
348
348
349
351
351
352
354
Inhaltsverzeichnis 11
9.4.8 Mittelmoränen im Calfeisen- und Taminatal
9.4.9 Hinterrhein-Gletscher
Die Stadien von Thusis und Andeer
Der ehemalige Schamser See
Das Stadium von Sufers und jüngere Gletscherstände
Das Pollenprofil am Lai da Vons ( 1991 m )
9.4.10 Eistransfluenz über die Lenzerheide, Plessur-Gletscher, Chur im Spätglazial
9.4.11 Albula-Gletscher
9.4.12 Totalp-Bergsturz und Davoser See
9.4.13 Landquart-Gletscher
9.4.14 Vegetationsentwicklung im Rhein-Gebiet seit dem Spätglazial
Literatur und Karten ( K )
356
356
356
357
357
358
359
360
362
362
366
368
10 Der Jura im jüngeren Pleistozän und im Holozän
10.1 Klusen und verwandte Formen im Schweizer Jura
10.2 Vallées sèches im Tafeljura der Ajoie/Elsgau
10.3 Tektonische Vorzeichnung, Auskolkung und pleistozäne Sedimente um Grandson
10.4 Höchste würmzeitliche Erratiker und Moränen im Jura
10.5 Der Hochjura in der letzten Kaltzeit
10.6 Letzteiszeitliche Vergletscherung der zentralen und nordwestlichen Jura-Höhen
10.7 Fossile Floren in Jura-Mooren
Literatur und Karten ( K )
379
380
380
383
383
384
388
392
393
11 Nördliche und nordöstliche Nachbargebiete der Schweiz
11.1 Der Süd-Schwarzwald im jüngeren Pleistozän und im Holozän
11.1.1 Letzteiszeitliche Gletschervorstösse im Süd-Schwarzwald
11.1.2 Vegetations- und Landschaftsgeschichte im Süd-Schwarzwald
11.1.3 Neuere 14 C-Daten zum Jungpaläolithikum im Süd-Schwarzwald
11.2 Schwäbisch-bayerisches Alpenvorland
11.2.1 Das süddeutsche Alpenvorland, die Wiege der voralpinen Quartärforschung
11.2.2 Älteste Schotterfluren zwischen Iller- und Lech-Gletscher
11.2.3 Donau-Kaltzeit
11.2.4 Warmzeit von Buch und Uhlenberg-Interglazial
11.2.5 Günz-Eiszeit
11.2.6 Schmelzwasserablagerungen und Periglazialschotter im Riss–Iller– Gebiet
11.2.7 Unterteilung der Mindel-Kaltzeit in Haslach- und Mindel/Hosskirch-Eiszeit
11.2.8 « Nibel »- und « Paar-Eiszeit »
11.2.9 Riss-Kaltzeiten
« Älteres Riss » ( = « Zungen-Riss »)
« Mittleres Riss » ( = « Doppelwall-Riss »)
« Jüngeres Riss » ( = Jungriss )
395
396
396
397
399
399
399
400
401
402
402
404
405
409
409
410
411
413
12
Eiszeitalter
11.2.10 Chronologie der Mindel/Riss-Warmzeit und der Riss-Kaltzeit
11.2.11 Riss/Würm- ( = Eem- )Warmzeit
11.2.12 Würmzeitliche Interstadiale mit Schieferkohlebildung
11.2.13 Gliederung der Würm-Kaltzeit
11.2.14 Würm-Hochglazial
11.2.15 Der Iller-Gletscher im Hoch- und Spätwürm
11.2.16 Spätwürm und Holozän im Alpenvorland
11.2.17 Die Vegetationsentwicklung im Ammergebirge
11.2.18 Zur Flussgeschichte der Donau um Ingolstadt
11.2.19 Morpho- und Lithostratigrafie, absolute Datierungen
11.3 Mitteldeutsches Periglazialgebiet
11.3.1 Heidelberger Senke im Oberrheingraben : das vollständigste Quartärprofil
11.3.2 Periglazialbereiche in südlicheren deutschen Mittelgebirgen
11.3.3 Spätholozäne Vegetationsgeschichte des Pfälzerwaldes
11.3.4 Klimaereignisse in der Lössabfolge im Nusslocher Aufschluss
Literatur und Karten ( K )
413
414
415
418
418
419
420
421
421
422
423
423
424
425
426
427
12 Inn-Gletscher
12.1 Das Oberengadin im Spätglazial und im Holozän
12.2 Mittelmoränen und spätglaziale Wiedervorstösse im Unterengadin
12.3 Der Spöl-Gletscher
12.4 Zukunftsvisionen für die Bündner Gletscher
12.5 Pollenabfolgen im Unterengadin und SW von Nauders
12.6 Die Moore von Il Fuorn ( 1805 m ), Jufplaun ( 2225 m ) und Trepalle ( 2030 m )
12.7 Der Inn-Gletscher im Spätwürm und die selbstständig gewordenen Zulieferer
12.8 Pollenabfolgen in Mooren im Tirol : Inntal, Ötztal, Kitzbühel, Pinzgau
12.9 Transfluenzen von Inn-Eis zum Lech- und zum Isar/Loisach-Gletscher
12.10 Die Gebiete zwischen den ins Vorland ausgetretenen Gletschern
12.11 Der Bereich Unterinntal–Hopfgarten–Wilder Kaiser
12.12 Der Frontbereich des würmzeitlichen Salzach-Gletschers
12.13 Siegsdorf im ausgehenden letzten Hochglazial
12.14 Bruchverformung in den zentralen Ostalpen
12.15 Präwürmzeitliche Abfolgen im Bereich des Inn-Gletschers
12.16 Das Interglazial vom Mondsee und der Traun-Gletscher
12.17 Ostalpine Eismächtigkeiten in den Eiszeiten
12.18 Bergstürze im Tirol und in den Bayerischen Alpen
12.19 « Ötzi », der Eismann
Literatur und Karten ( K )
435
436
440
442
443
443
446
446
447
448
449
450
452
453
454
454
455
458
459
460
461
Inhaltsverzeichnis 13
13 Etsch-Gletscher
13.1 Die Einzugsgebiete im obersten Vinschgau
13.2 Massenbewegungen in den Südalpen
13.3 Begrabene Täler im südlichen Trentino
13.4 Das Becken von Brixen/Bressanone in der letzten Eiszeit
13.5 Zur Vegetationsentwicklung im Spätglazial und im Holozän am Südalpen-Rand
Literatur und Karten ( K )
465
466
469
470
470
471
472
14 Oglio-, Serio- und Brembo-Gletscher
14.1 Endlagen des Oglio-Gletschers um den Lago d’Iseo
14.2 Das spätglaziale Paläomilieu des Oglio-Gletschers in der Val Camonica
14.3 Die ältere Pollenabfolge von Leffe in der Val Seriana
14.4 Höchststände und Rückschmelzlagen von Serio- und Brembo-Gletscher
Literatur
473
474
474
476
476
476
15 Adda-Gletscher
15.1 Der Maira-Gletscher, der letzte bedeutende Zuschuss des Adda-Gletschers
15.2 Spät- und postglaziale Vegetationsgeschichte zwischen Comersee und Splügenpass
15.3 Der vereinigte Maira/Adda-Gletscher
15.4 Letzteiszeitliche Zungenenden von Adda- und Adda/Tessin-Gletscher
15.5 Der spätglaziale Adda-Gletscher im unteren Veltlin
15.6 Màllero- und Venina-Gletscher im Spätglazial
15.7 Das Veltlin zwischen Chiuro und der Mündung des Poschiavino-Gletschers
15.8 Der Poschiavino-Gletscher
15.9 Der Adda-Gletscher oberhalb der Mündung des Poschiavino-Gletschers
15.10 Pollenabfolgen auf Paluccia d’Oga ( 1730 m ) und Dossaccio W von Bormio
Literatur und Karten ( K )
477
478
479
481
482
483
483
484
485
486
487
488
16 Tessin-Gletscher
16.1 Hauptarm des Tessin-Gletschers
16.1.1 Hochglaziale Eisstände im Gotthard-Gebiet
16.1.2 Leventina, Val Blenio, Riviera und Magadino-Ebene im Jungpleistozän
16.1.3 Verzasca- und Maggia-Gletscher und ihre Zuflüsse
16.1.4 Der Tessin-Gletscher im Becken des Lago Maggiore, im Tresa-Tal
und im Luganersee-Becken
16.1.5 Tessin/Adda- und Adda-Gletscher im Mendrisiotto, Comasco und Milanese
16.1.6 Spätglaziale und holozäne Sedimentationsgeschichte im Luganersee
16.1.7 Spät- und postglaziale Vegetationsentwicklung am Südalpen-Rand
489
490
490
490
493
495
498
499
500
14
Eiszeitalter
16.2 Toce/Tosa-Arm
16.2.1 Die Firngebiete des Toce-Gletschers
16.2.2 Bogna- und Ovesca-Gletscher aus der Valle di Bognanco und der Valle d’Antrona
16.2.3 Valle Vigezzo-Centovalli ( Domodossola–Locarno ), die interglaziale Flora von Re
16.2.4 Eisüberprägungen und Mittelmoränen in der Valle Anzasca
16.2.5 Der Mündungsbereich des Toce-Armes in den Lago Maggiore
Literatur und Karten ( K )
503
503
506
507
507
508
509
17 Sesia-Gletscher
17.1 Die Anlage der Val Sesia
17.2 Letzte Höchststände, Rückschmelzlagen und Mittelmoränen im Konfluenzbereich
17.3 Ausgehendes Spätglazial und Kleine Eiszeit in der obersten Val Sesia und ihren Quellästen
Literatur
511
512
512
514
514
18 Dora-Baltea-Gletscher
18.1 Das Moränen-Amphitheater von Ivrea und seine Mittelmoränen
18.2 Spät- und postglaziale Vegetationsentwicklung im Zungenbereich
18.3 Talanlagen und Mittelmoränen bei Zuflüssen des Dora-Baltea-Gletschers
18.4 Holozänes Gletschergeschehen in den Quelltälern der Dora Baltea
18.5 Italienische Alpengletscher in der Kleinen Eiszeit und danach
Literatur
515
516
516
518
519
520
520
19 Ergebnisse, Erkenntnisse und Ausblick
19.1 Schutttransport auf der Gletscheroberfläche, Mittel- und Obermoränen
19.2 Kollisionsmoränen
19.3 Glaziale Übertiefung (?), Kame-Schotter
19.4 Fossile Floren, Pollenabfolgen
19.5 Künftige Forschungsziele
19.5.1 Ergründung des prä- und altquartären Geschehens
19.5.2 Präzisierung der Altersdatierungen
19.5.3 Bereinigung der Kartenlegenden
Literatur
521
522
523
523
525
525
525
526
526
532
Register
Geografisches Register
Sachregister
533
534
552
Vorwort 15
VORWORT
Nach Abschluss des 3. Bandes von Eiszeitalter ( 19831 ) wurde neben dem Quartär die
Geomorphogenese angegangen, da mit dem Tod meines Kollegen Fritz Müller das
Thema Geomorphologie an der Eidg. Techn. Hochschule verwaist war. Dabei hat sich
gezeigt, dass manche der aus der 2. Hälfte des 19. Jhs. stammenden Thesen einer kritischen
Überprüfung nicht standhielten und sich mit Erkenntnissen von Geologie, Geophysik
und Paläontologie nicht in Einklang bringen liessen. In Vorlesungen an der ETH
und der Universität Zürich wurde versucht, zur Landschaftsgeschichte der Schweiz und
ihrer Nachbargebiete ( 1991 ) und zur Flussgeschichte Mitteleuropas ( 1993 ) neue Fakten
und Überlegungen darzulegen, wohl wissend, dass dies erste Versuche wären. Seither
hat sich das Wissen um die jüngste Erdgeschichte weiterentwickelt ; die Erkenntnisse
sind in den Alpenländern mächtig gewachsen. Dazu beigetragen haben neben den
Tagungen der Deutschen Quartärvereinigung DEUQUA in Zürich ( 1982 ) und Bern
( 2000 ) die mit Ch. Schlüchter in Bern und W. Wildi in Genf neu geschaffenen Professuren
für Quartär- und Umweltgeologie und die damit in Gang gekommenen Diplomund
Doktorarbeiten. An den Geografischen Instituten der Universitäten Zürich und
Lausanne sind mit G. Furrer und J. Winistörfer, ihren Schülern und Nachfolgern, die
Kenntnisse über das Jungquartär vertieft und durch pollenanalytische Forschungen
nach W. Lüdi von H. Zoller, M. Welten, S. Wegmüller, B. Ammann, C. A. Burga, M.-J. Gaillard,
A. F. Lotter und R. Drescher-Schneider vorangetrieben worden. Ferner brachten
die seit 1982 erschienenen Blätter des Geologischen Atlas der Schweiz 1 : 25 000 und
Erläuterungen Informationen zum Eiszeitalter, wenn auch Erkenntnisse über Mittelund
Obermoränen mit ihren Konsequenzen erst in Ansätzen Akzeptanz gefunden
haben.
Um den vorliegenden Band nicht nur zur Ergänzung zu den 3 seit Jahren vergriffenen
Bänden werden zu lassen, sondern ihm eine gewisse Eigenständigkeit zu verleihen,
wurde da und dort etwas ausgeholt. Bei der Lektüre ist neben den zu er gänzenden
Karten in Band 3 ( Hantke 1983 ) die Konsultation der Landeskarten un umgänglich.
Da zu Randgebieten seither Zusammenfassungen erschienen sind ( Kahlke 1982,
Schreiner 1992, Jerz 1993, Ehlers 1994, Kohl 1983, 1997, 1998, 1999, van Husen 1987, Bini
1987, 1997, Felber 1993, Felber & Bini 1995, Schaefer 1995, Benda 1995 ), wurden diese nur
gestreift. Schreiner und Habbe † et al. ( 2007 ) haben die Gliederung Pencks ( 1901 :
107–13 ) im klassischen süddeutschen Raum überarbeitet, Ch. Schlüchter, F. Preusser und
H. R. Graf suchen das Schweizer Mittel- und Jungpleistozän mit absoluten Daten neu
zu umreissen und für die Kaltzeiten neue Namen einzuführen.
Durchhaltende, konkordante Quartärabfolgen liegen nur im marinen Bereich vor.
Auf dem Festland sind sie wegen des Reliefs, selbst im flachen Alpenvorland, und des
1 Die Ausgabe 1991 ist ein unveränderter Neudruck der Bände 1 bis 3 in einem einzigen Band.
16
Eiszeitalter
laufend sich wandelnden Klimas von vielen Hiaten durchsetzt, oft eine « Stratigrafie
der Schichtlücken ». Es sind Abfolgen der Hochstände der Gletscher und Ausschnitte
aus ihrem Rückzug. So ist es sinnvoll, Kaltzeitabfolgen durch trennende Warmzeiten
und wärmere Phasen beim Vorstoss und Zurückschmelzen durch Änderungen in
Klima und Vegetation mit Paläofloren und Paläoböden zu ergründen und in den verschiedenen
Gletschersystemen nachzuzeichnen.
Neue Ergebnisse der Ur- und Frühgeschichte konnten aus Raumgründen nur
eingeschränkt berücksichtigt werden ; es sei auf das Jahrbuch Archäologie Schweiz,
archäologie schweiz, helvetia archaeologica und Spezialpublikationen verwiesen.
J. M. Le Tensorer und M. Primas ( in Burga, Perret et al. 1998 ) haben diese Erkenntnisse
zum ur- und frühgeschichtlichen Menschen resümiert.
Wie bei den Bänden 1–3 habe ich vielen Fachkollegen zu danken, sei es für überlassene,
noch nicht in extenso publizierte Texte, die Erlaubnis zur Reproduktion von
Graphica, die Durchsicht von Textstellen und anregende Kritik. Gerne erinnere ich mich
all der vielen nicht namentlich genannten Helfer, die zu diesem Band beigetragen
haben. Dank schulde ich den Herren Prof. Dr. H. Jerz, Grünwald, Dr. Dr. h. c. Gerhart
Wagner, Stettlen, Albert Wiesmann, Lengwil-Oberhofen, und Heinz Winterberg, Studen
SZ. Für technische Hilfe und Einarbeitung der Figuren bin ich Fred Stauffer, Huttwil, für
bibliografische den Damen der ETH-Bibliothek Erdwissenschaften, Zürich, M. Barengo,
H. Boedecker und besonders C. Niemz, für die textliche Durchsicht Dr. S. Wyder, Forch,
und K. Meier, Meilen, verbunden.
An die Druckkosten steuerten bei : die Eidg. Techn. Hochschule und das Geologische
Institut, dank Frau Rektorin Prof. Dr. H. Wunderli-Allenspach und Herrn Prof. Dr. G. Haug ;
sodann meine Wohngemeinde Stäfa, Herr Gemeindepräsident K. Rahm, die Bank
Clariden-Leu, Zürich, Herr Dir. J. Gadient, sowie die Herren A. Rissi, Geol. Büro, Zürich,
und S. Ryter, Bern, und ganz besonders mein Weggefährte und Fahrer, Herr Heinz
Winterberg, Studen SZ.
René Hantke
Stäfa, März 2011
Die alpinen Eiszeiten
und ihre Grundlagen
Fotografie oben :
Grindel Beesbrägli. Foto : Ronny Lechbruck
1
18 Die alpinen Eiszeiten und ihre Grundlagen
1.1
Zur Erforschung des Eiszeitgeschehens
Erste, noch dürftige Kenntnisse über Gletscher reichen bis ins frühe 16. Jh. Die Ansichten
aus der Frühzeit von Aegidius Tschudi bis Gottlieb Sigmund Gruner fasste Vögele
( 1987 ) zusammen. In weitgespanntem Rahmen hat jüngst Krüger ( 2008 ) die Geschichte
um die Entdeckung der Eiszeiten und ihre Konsequenzen für das Verständnis der
Klima geschichte geschildert. Dabei hat Krüger sowohl Befürworter als auch wichtige
Gegner der Eiszeittheorie in einen internationalen Zusammenhang damaliger Auffassungen
der Erdgeschichte gestellt.
Mit Johann Jacob Wagner ( 1680 ) und Horace Bénédict de Saussure ( 1779 – 96 ) begannen
Gletscherbeschreibungen wissenschaftlich zu werden. Bernhard Friedrich
Kuhn ( 1787, 1789 ) erkannte im Tal von Grindelwald, Karl Schimper 1837 im Schwarzwald,
am Titisees und bei Hinterzarten, Erratiker – Findlinge – als Spuren einer einstigen
Vergletscherung. Schimper verwendete hiefür wie später Louis Agassiz ( 1837, 1840 ) die
Bezeichnung Eiszeit ( Liehl 1980 ). Aufgrund über das Schweizer Mittelland verteilter
Findlinge fanden Jean de Charpentier ( 1841 ) und Ignaz Venetz ( 1833, 1861a, b ), dass die
Alpengletscher einst viel ausgedehnter gewesen sein müssen. Beide bestätigten, dass
schon J. K. W. Voigt ( 1780 ) und Johann Wolfgang von Goethe ( 1829 ) in « Wilhelm Meisters
Lehrjahre » erwähnt hätten, dass in einer Epoche grimmiger Kälte skandinavische Gletscher
Ge steine nach N-Deutschland, Granitblöcke nach Thüringen und Gletscher aus
den Alpen Gesteine an den Genfersee transportiert hätten ( Portmann 1975, v. Engelhardt
1999, Schaer 2000 ).
Fig. 1.1
Der 100 m über der Niederterrasse der Talsohle gelegene « Höhere Deckenschotter » am Falken E
von Grönenbach mit der Albrecht-Penck-Gedenktafel.
Zur Erforschung des Eiszeitgeschehens
19
Fig. 1.2
Glaziologische Grundbegriffe am Tschierva- und Roseg-Gletscher, aus M. Maisch et al. 1998, Abb. 5.
Adolphe Morlot ( 1855, 1861 ) und Oswald Heer ( 1858, 1865 ) fanden, die verursachende
Kaltzeit müsse durch eine eisfreie, um 5 °C kühlere Zeit als heute mit Schotterschüttung
und Moorbildung getrennt gewesen sein, da damals im Mittelland Birken,
Föhren und Fichten wuchsen. Burga ( 2009 ) hat Heers Schaffen zum Quartär in heutiger
Sicht dargestellt.
Mit der Kenntnis der Schotterfluren im Alpenvorland, die sich in Geröllinhalt, Lage
im Tal, Verwitterung der Deckschichten unterscheiden, mehrten sich die Kaltzeiten.
Bei Penck ( 1882 ) waren es 3, bei Penk 1899 und Penck & Brückner ( 1901 ) am Falken bei
Grönenbach ( Fig. 1.1 ), 4, bei Eberl ( 1930 ) 5, bei Schaefer ( 1956 ) 6. 1957 erweiterte er
seine 1. auf 8 ; Scheuenpflug ( 1991 ) reduzierte sie auf 3, Becker-Haumann auf 5. Schaefer
( 1975, 1995 ) führte zwischen Mindel- und Riss-Kaltzeit Nibel- und Paar-Eiszeit, Schreiner
( 1981 ) davor die Haslach-Eiszeit ein.
In den Ostalpen hat sich schon früh gezeigt, dass das Zurückschmelzen der Gletscher
von Vorstössen unterbrochen war ( Penck & Brückner 1901/09, Heuberger 1966,
Gross et al. 1978, Maisch 1981, M. et al. 2000 ). Holozäne Vorstösse sind Thema bei Röthlisberger
& Geyh ( 1986 ), Furrer ( 1991 ), Maisch ( 1995 ) und Maisch et al. ( 2000 ). Die Vorstösse
in der frühen Neuzeit dürften zur Entstehung von Blüemlisalp-Sagen, so der
Sardona-Sage ( Senti 2008 ), geführt haben.
20 Die alpinen Eiszeiten und ihre Grundlagen
Fig. 1.3a
Der Morteratsch-Gletscher 1896,
aus WWF-Schweiz, Magazin 4/2008.
Fig. 1.3b
Der Morteratsch-Gletscher 2004,
aus WWF-Schweiz, Magazin 4/2008.
Wurde das Gletschervolumen früher nur geschätzt, lässt es sich heute präziser
fassen. Die Gleichgewichtslinie, an der Zuwachs und Verlust sich über Jahre die Waage
halten – im Verhältnis 2 : 1 von Nähr- zu Zehrgebiet ( Fig. 1.2 ) –, hängt mit dem Volumen
zusammen. Dabei sind auch Exposition und Windverfrachtung zu berücksichtigen.
Zurückschmelzende Gletscher belegen die aktuelle Klimagunst ( Fig. 1.3a, b ). Neben
datierten Stichen und Gemälden von Zungenlagen ( Zumbühl 1980 ) zeugen Weinlesedaten
und Ernteerträge ( Pfister 1984, 1988, 1999 ) von Auswirkungen des Klimas auf den
Menschen.
Nach den Wärmephasen im Römischen Optimum und im Hochmittelalter ereigneten
sich in der Kleinen Eiszeit 1300–1860 ( Matthes 1939 ) Vorstösse in drei Schüben,
um 1300–1350, 1600–1700 und 1810–1860 ( Wanner et al. 2009 ). Ihre Entstehung steht
noch offen, allenfalls ein Zusammenspiel schwacher Insolation im Nachsommer mit
Ein brüchen in der Solaraktivität und einer Häufung klimawirksamer Vulkaneruptionen.
Behringer ( 2009 ) weist darauf hin, dass zum Verständnis der Klimageschichte eine
Kulturgeschichte des Klimas gehört. Nach Darlegung der Klimageschichte der Erde
mit ihren Massenaussterben in früheren Kaltzeiten zeigt Behringer auf, wie am Beispiel
der Kleinen Eiszeit sich Antworten auf die jetzige Klimakrise, die globale Erwärmung,
finden lassen. Schon geringe Klimaänderungen haben oft zu sozialen, politischen und
religiösen Erschütterungen geführt.
Zum Wechsel von Kalt- und Warmzeiten und zu ihren Ursachen
21
Im Eiszeitalter schwankte die Mitteltemperatur in mittleren Breiten zwischen + 11
und – 6 °C. In Kaltzeiten war auf den Kontinenten vermehrt Wasser als Eis gebunden :
Der Meeresspiegel sank ; polare und alpine Eisdecken dehnten sich aus. Die Alpengletscher
traten ins Vorland aus ; der im Mittelland auf ihnen sommersüber ver bliebene
Schnee liess sie weiter vorrücken. Das Klima wurde kontinentaler. Der Nordische Eisschild
bedeckte die N-deutsche Ebene und staute die mitteldeutschen Flüsse zu Seen,
die durch Urstromtäler nach NW entwässerten.
Das mehrfach ähnlich ablaufende Klimageschehen schlug sich auch im Alpenvorland
in Ablagerungen, vergleichbaren Floren, Faunen und Paläoböden nieder. Da
Organismen nur in engen Umweltbereichen gedeihen und ihre Ansprüche sich selbst
langfristig kaum ändern, liefern Hölzer, Blätter, Pollen, Samen, Schalen, Skelette, Zähne,
Fährten, zusammen mit der Temperatur des Oberflächenwassers der Ozeane, den
Meeresspiegelschwankungen und den Ergebnissen von Eisbohrkernen Grundlagen
zur Rekonstruktion des Paläoklimas.
1.2
Zum Wechsel von Kalt- und Warmzeiten
und zu ihren Ursachen
Die Milanković-Theorie erklärt zunächst die Ursachen des globalen Klimawandels und
damit der Eiszeiten durch Variationen der Erdbahnelemente : elliptische Umlaufbahn,
Ekliptikschiefe, Wanderung des Frühlingspunkts. Diese bewirken Temperaturdifferenzen
bis 8 °C. Im Eiszeitalter waren sie Motor für den Kaltzeit/Warmzeit-Wechsel. Sauerstoffisotopwerte
und Pollenabfolgen zeigten, dass die Milanković-Theorie den Klimawandel
nur unvollständig wiederzugeben vermag ( Turner 1996 ). Dazu kommen :
vermehrt Kontinente in polarer Lage ; bei der Orogenese in Hochlagen gelangte Bereiche,
welche Eisflächen aufbauen, die Rückstrahlung des auftreffenden Sonnen lichts
erhöhen und das Kältehoch der Hochgebirge stabilisieren, sowie Schwankungen in
dieser Strahlung, kosmischer Staub, Änderungen in der Erdatmosphäre, ihres CO2-
Anteils, Änderungen von Meeresströmungen und vorherrschenden Windrichtungen
durch Plattentektonik, Ausbrüche von Supervulkanen.
So dürfte die Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika das Eiszeitalter eingeleitet
haben. Die Meeresströmungen mussten sich neue Wege suchen. Es entstand
der Golfstrom, der Europa Wärme zuführt. Im N-Atlantik sinkt abgekühltes Golfstrom-
Wasser in die Tiefe und nimmt aus der Atmosphäre gelöstes CO2 auf. Weniger CO2
in der Atmosphäre deutet auf kühleres Klima. Vor Namibias Küste zeichneten sich
Änderungen in umgekehrter Richtung ab. Dort wehten kräftigere Passatwinde als
zuvor. Aus Tiefen um 200 m wurde kühles, nährstoffreiches Wasser an die Oberfläche
gepumpt. In diesem blühten die Meeresalgen auf und entzogen der Atmosphäre
weiteres CO2, was die Abkühlung verstärkt ( Tillemans 2001 ).
22 Die alpinen Eiszeiten und ihre Grundlagen
Fig. 1.4
Änderungen der Exzentrizität der
Erdbahn, verursacht durch Gravitationswechselwirkung
mit andern
Planeten. Die Änderungen
verlaufen annähernd zyklisch
mit einer Periode um 100 ka. Bei
der Exzentrizität ergeben sich
Einstrahlungs unterschiede zwischen
Perihel und Aphel, der
kleinsten und grössten Entfernung
von der Sonne.
Fig. 1.5
Die Konstellation der Erdbahnelemente
führt zu einem Anwachsen
bzw. Abschmelzen des
Eises : Milde Winter und kühle
Sommer begünstigen das Wachsen
der Eisdecke ; Verhältnisse,
wie sie am Ende der letzten Eiszeit
geherrscht haben, fördern
das Abschmelzen von kontinentalem
Eis. Fig. 1.4 und 1.5 nach
Chorlton aus Oeschger 1987.
In letzter Zeit haben zyklische Variationen von 18O/16O in Bohrkernen, die kontinentale
Eisabfolgen wiedergeben, an Aktualität gewonnen ( Oeschger 1987 ). Der
CO2-Gehalt hat in den letzten 160 ka konform zum globalen Klima geschwankt. Aufgrund
von Modellen haben CO2-Schwankungen die Kopplung von Klimaereignissen
zwischen N- und S-Hemisphäre bewirkt. Zirkulationsmodelle lieferten bei kontinentaler
Eisbedeckung, Sonneneinstrahlung, Land-Albedo, reduziertem CO2-Gehalt den
Rahmen für Temperaturverteilungen der kältesten Phase der letzten Eiszeit, die mit aus
Sedimenten und Fossilinhalt rekonstruierten übereinstimmt. Kometen- und Asteroideneinschläge
wirkten nur kurzfristig. Von Bedeutung sind sodann die Änderungen der
Erdbahnelemente ( Fig. 1.4 und 1.5 ).
Gegenwärtig vollzieht sich ein Klimawandel mit erheblichen Auswirkungen ( Klostermann
1999 ). Die bodennahen Temperaturen sind in den letzten 120 a weltweit um
0,8 °C gestiegen, in den letzten 30 a sogar beschleunigt. In den Alpen hat die Tempe-
Zum Wechsel von Kalt- und Warmzeiten und zu ihren Ursachen
23
Fig. 1.6
Temperaturänderungen der
Erdoberfläche von 1000 – 2100,
Intergovernmental Panel
on Climate Change Public. :
Climate Change 2001 Synthesis
report, aus W. Seiler 2006.
ratur in den letzten 50 a bis 1,5 °C, von 1988 bis 1997 um gut 1 ° zugenommen ( Pfister
1999 ). Die Differenz zwischen heutiger und plio-pleistozänen Warmzeiten bewegt sich
um 2 bis 3 °C, jene der Warmphasen im mittleren Spätglazial um – 3 bis – 5 °C. Zugleich
haben sich die Niederschläge und ihre saisonale Verteilung verändert ( W. Seiler in Frey &
Neuhäuser 2006, Fig. 1.6 ). In den Alpen zeigen sich : Rückgang der Schneedecke, Auftreten
von « 300- und 400-jährigen » Hochwassern innert weniger Jahre, häufige Muren,
Abtauen des Permafrosts – noch liegen 5 % der Schweiz in dessen Bereich –, steigendes
Risiko für Rutschungen, Fels- und Bergstürze. Der Anstieg des Meeresspiegels kann
schon im 21. Jh. zu Problemen führen. Bei Prognosen von drastischen Temperaturänderungen
an der Erdoberfläche von heute bis 2100 ist aber Vorsicht angezeigt.
Seit der Industrialisierung ist die durch den Energieverbrauch bedingte CO2-
Emission exponentiell angestiegen. Ebenso hat der Ausstoss an Methan zugenommen,
obwohl 70 % durch Bakterien produziert wird ; für den Treibhauseffekt ist der Mensch
mitverantwortlich. Selbst wenn der Ausstoss massiv reduziert wird, ist ein Temperaturanstieg
wegen der Trägheit der Systeme kaum aufzuhalten ( Bachofen et al. 2006 ). Bis
2100 wird er auf 1,4 bis 5,8 °C geschätzt. Um dies zu verhindern, bedürfe es einer Reduktion
der Emission gegenüber 1990 global um 50, in Industrieländern um 80 % ; sonst
ständen katastrophale Folgen bevor. Nur 30 % haben sich in der jüngsten Zeit « naturbedingt
» ereignet und « selbst korrigiert ».
Rothenbühler ( 2000, 2006 Abb. 27 ) sucht Gletscherendlagen im Oberengadin
als Folge des aktuellen Klimawandels für die nächsten 100 a zu eruieren. Das GIS
24 Die alpinen Eiszeiten und ihre Grundlagen
( Geografisches Informationssystem ) kann durch Verknüpfung vegetationskundlicher,
geomorphologischer, glaziologischer und pedologischer Modellierungen temperaturabhängige
Szenarien liefern.
Wanner ( 2006, 2008 ) sieht das bedrohlichste Klimaszenario im Zusammenbruch
des Golfstromes. Hohe Niederschläge und Eisschmelze im N-Polarraum könnten Europas
Wärmepumpe lahmlegen ; Europa bekäme ein kühl-frostiges Klima wie Labrador,
was zur Austrocknung der bevölkerungsreichen Subtropen führen würde. Auf der
Alpen-N-Seite würden die Niederschläge im Winter zunehmen, inneralpin und auf der
S-Seite sich verringern. Aufgrund der N-Verschiebung aktiver werdender W-Winde
würden weniger Sturmereignisse auftreten ; doch sollte ein Sturm uns tangieren, wäre
er heftiger.
1.3
Elemente zur Festlegung der Randlagen
einzelner Gletscherstände
Um die Randlagen der einzelnen Gletscherstände festlegen zu können, helfen mehrere
Elemente. Keller & Krayss ( 2000 ) und Benz ( 2003 ) haben diese für Akkumulations- und
Ablationsgebiete aufgelistet : einerseits Schliffgrenzen, Rundhöcker, Transfluenzen,
Trogtalbildung ( ? ), anderseits Moränen – Ufer-, End-, Mittel-, Ober- und Kollisionsmoränen,
Drumlins, Grundmoräne –, Schotterfluren, Entwässerungsrinnen, Eisrandseen,
Erratiker, Auftrennung in Gletscherzungen, Bodenbildung. Andersen & Borns ( 1997 )
haben ein Glossary erarbeitet, Heim ( 1885 : 345 ff., 1919 ) und Baltzer ( 1896 ), Small et al.
( 1979 ), Burri ( 1963, 1974 ), Wagner und Hantke erneut auf die schon von Agassiz ( 1840 ;
Fig. 1.7 ) erkannte Bedeutung der Mittelmoränen hingewiesen. Bei heutigen Gletschern
ist ihre Existenz unbestritten. Ein aus n Armen gebildeter Gletscher enthält bis n-1
Mittel moränen. Ihre Ansätze sind auch bei fossilen Gletschern erhalten ; ihre Fazies
variiert mit dem Frostwechsel von Oberflächenschmelzwässern auf engem Raum von
blockiger Moräne zu Schotterlagen. Als Schuttförderbänder gleiten sie auf dem Gletscher,
werden oft seitwärts abgedrängt und zu sekundären Ufermoränen, oft halten
sie durch, werden flacher, breiter und vereinigen sich zungenwärts zu Obermoräne.
Beim Auf einandertreffen gegenströmiger Gletscher stellen sich Kollisionsmoränen ein
( vgl. Kap. 2.12 ), die, wie oft als Ufermoränen gedeutete Mittelmoränen, sich durch bedeutende
Mächtigkeiten auszeichnen.
Leider schleichen sich bei der Deutung als Mittelmoränen zuweilen Fehler ein
( Wagner 2002, Hantke & Wagner 2005 ) ; sie gilt es zu korrigieren. Umgekehrt sind
manche als Seitenmoränen betrachtete Wälle Mittelmoränen.
Wilhelm, King, Pult, Michler, Winistörfer in Bachmann ed. ( 1978, 1979 ) und Maisch
et al. ( 2000 ) haben Grundbegriffe zum alpinen Gletschergeschehen mit aktuellen und
historischen Bildern und alten Karten illustriert, Jost & Maisch ( 2006 ) mit Figuren erläutert.
Sie alle sind im Feld, durch Bohrungen – frei von als erwiesen betrachteten Ansich-
Das Quartär : Eiszeitalter ( Pleistozän ) und Jetztzeit ( Holozän )
25
Fig. 1.7
Tafel 14 in Agassiz’ « Etude sur les
glaciers » 1840 ( nach einer Lithografie
von J. Betannier ) zeigt
neben kleinen Mittelmoränen auf
den Teilgletschern die grosse Mittelmoräne
des Unteraar-Gletschers.
Die Steinhütte beim grossen
Granit block war von F. J. Hugi 1827
an der Vereinigung von Finster aarund
Lauteraar-Gletscher erstellt
worden. Bei Agassiz ’ Ankunft 1839
hatte sie auf der Moräne in
12 Jahren 1320 m zurückgelegt.
ten über Mechanismen – kritisch zu prüfen, auf Gesteins- und Schwermineralinhalt
zu untersuchen und wenn immer möglich zu datieren. Mit GIS ArcInfo ( Burrough &
McDonnell 1998, Longley et al. 1999 ) ausgewertet, führt dies zu realistischen Aussagen
über Eisoberfläche, Basis und Inhalt. Für den letzten Höchststand des Rhein-
Gletschers ist dies Benz ( 2003 ) geglückt ; für weitere Stände und Gletscher hat es noch
zu geschehen.
1.4
Das Quartär :
Eiszeitalter ( Pleistozän ) und Jetztzeit ( Holozän )
Das Eiszeitalter ist als chronostratigrafische Einheit durch Klimaextreme – Kalt- ( Glaziale )
und Warmzeiten ( Interglaziale ) – gekennzeichnet. Während sich sein Beginn im marinen
Bereich durch die Isotopenstadien auszeichnet, bietet der terrestrische Bereich
weit grössere Schwierigkeiten. In NW-Europa wird die Untergrenze des Pleisto zäns an
die erste Abkühlungsphase gelegt ; diese bewirkte am Ende des Neogens, im Reuverian,
eine markante Änderung der Flora ; sie führte im Laufe der jüngsten Erd geschichte
zu einem sukzessiven Auslöschen ( typischer ) Tertiärgehölze – Sequoia, Nyssa – Tupelobaum,
Liquidambar – Amberbaum, Sciadopitys – Schirmtanne ( Zagwijn 1974 ) und
spättertiärer Faunenelemente.
Am 27. Internationalen Geologenkongress wurde 1984 noch im Profil Vrica ( Italien )
die Obergrenze der Olduvai-Magnetozone, 1,8 Ma, als Pleistozänuntergrenze festgelegt
( Aguirre & Pasini 1985 ). Da damit nicht das erste kalte känozoische Klimaereignis erfasst
wird, ist dies wiederholt kritisiert worden ( Zagwijn 1992, Partridge 1997, Suc et al. 1997,
Mauz 1998 ). Nach der International Commission on Stratigraphy ( ICS ) und jüngst ratifiziert
durch die International Union of Geological Sciences ( IUGS ), beginnt der jüngste
26 Die alpinen Eiszeiten und ihre Grundlagen
Abschnitt der Erdgeschichte, das Quartär mit Pleistozän und Holozän, als eigenständiges
System nach dem jüngsten Tertiär, dem Pliozän, nach dem präzis bekannten
Datum des weltweit zeitgleich erfolgten Paläomagnetikereignisses zwischen dem
normal magnetisierten Gauss- und dem inversen Matuyama-Chron vor 2,588 Ma. Die
Grenze zwischen Früh- und Mittelpleistozän wurde am 12. INQUA-Kongress in Ottawa
zwischen Matuyama- und dem wieder normal magnetisierten Brunhes-Chron mit
0,781 Ma vorgeschlagen ( Richmond 1996, Gibbard & Cohen 2008 ). Die Grenze Mittel/
Jungpleistozän ist formell noch nicht definiert. Seit Woldstedt ( 1958 ) und Zeuner ( 1959 )
umfasst das Jungpleistozän in Europa das letzte Interglazial ( Eem ) und das letzte
Glazial ( Weichsel bzw. Würm ), die letzten 126 ka ( Litt 2007 ). Für das jüngste Quartär,
Spätglazial und Holozän, die jetzige Warmzeit, liegen dendrochronologisch kalibrierte
14C-Alter vor.
Kaltzeiten, Vorstoss- und Rückzugslagen von Gletschern werden nach Ständen im
gleichen Gletschersystem bezeichnet. Rhein- und Iller-Gletscher, dem Riss-Mindel-
Gebiet, kommt durch Penck, Eberl, Graul, Schaefer und Schreiner wissenschaftshistorisch
eine Vorzugsstellung zu ( vgl. Kap. 11.1 ). Die alpinen Kaltzeiten sind dort nach
Flüssen als Biber-, Donau-, Günz-, Haslach-, Mindel-, ( Paar- ), Riss- und Würm-Eiszeit benannt
worden.
Pollen und Grossreste in feinkörnigen Sedimenten und Schieferkohlen, einst Seeund
Moorsequenzen, erlauben, Warmzeiten zu belegen. Ihre Abfolgen werden von
Produktion, Höhenlage und Klima beeinflusst, Samenassoziationen durch Frass und
Verfrachtung verzerrt. Produktionsmaxima deuten auf das Ende einer Klimagunst.
Konkurrenz und Rückwandertempo kennzeichnen Floren und Faunen der einzelnen
Warmzeiten.
Wie für die Warmzeiten der Nordischen Vereisung – Eem, Holstein, Cromer – sind
auch im alpinen Raum für die als Donau/Günz-, Günz/Mindel-, Mindel/Riss- und Riss/
Würm- Interglazial bezeichneten Warmzeiten eigene Namen anzustreben. In ihren
Optima wurden oft die heutigen Klimawerte erreicht. Als « Interstadiale » werden etwas
kühlere Abschnitte bezeichnet, die entweder zu kurz oder zu kühl waren, um das Interglazialniveau
zu erreichen ; sie werden nach paläobotanischen Kriterien definiert
( Jessen & Milthers 1928 ).
Die Unterteilung warmzeitlicher Begriffe – Interglazial, Interstadial, Intervall, Subintervall
– und kaltzeitlicher – Glazial, Stadium, Phase, Staffel ( Lüttig 1965 ) – wird unterschiedlich
verwendet, da Grösse und Dauer oft wenig bekannt sind.
Kalt- und Warmzeiten variieren in Intensität und Dauer von relativem Alter ; erst
absolute Daten ( vgl. Kap. 3.12 ) erlauben ein Einstufen in die erdgeschichtliche Skala.
Weder Sediment- noch Pollenabfolgen belegen lückenlose Überlieferung. Ältere Fossilien
wurden mit jüngeren resedimentiert, was Altersaussagen erschwert ; selbst über
flachstem Relief stellen sich Hiaten ein.
Kaltzeiten begannen im N früher als im S. Die aus Sauerstoffisotopen-Spitzen an
marinen Mikroorganismen ( MIS, Marines Isotopenstadium ) resultierenden 25 Eis zeiten
Das Quartär : Eiszeitalter ( Pleistozän ) und Jetztzeit ( Holozän )
27
sind als eigenständige Kaltzeiten zu viel, das Festhalten an den 4 klassischen – Günz,
Mindel, Riss, Würm – ist überholt. Selbst wenn der Beginn des Pleistozäns paläontologisch
an die paläomagnetisch definierte Brunhes/Matuyama-Grenze gelegt wird, sind
es 6 – 7. Ihnen gingen nicht weniger wirksame, durch Sedimente belegte, durch Floren
und Faunen zu trennende ältere Kaltzeiten voraus. Mit dem Auftreten nordischer Arten
im Mittelmeer vor 1,7 bzw. 2,6 Ma hat sich ihre Zahl auf 8 – 15 erhöht, was marine Sedimente
bestätigen.
Stabile Isotopen mariner Mikroorganismen geben Hinweise auf Meerwassertemperaturen,
Pflanzen- und Faunenassoziationen auf festländische Warmzeiten. Da
Kalt-/Warmzeit-Zyklen mit Erosionsphasen beginnen und enden, zeigen Anfang und
Ende paläontologische Lücken. Die alpine Abfolge sollte sich auch in N-Europa und
N-Amerika bestätigen.
Ihre Anzahl und die Versuche einer Chronologie haben sich im Laufe der letzten
160 Jahre gemehrt. Schlüchter ( 1988, 1991, Sch. & Röthlisberger 1995, Sch. & Müller-Dick
2000 ) haben, gestützt auf sich mehrende palynologische Kenntnisse der Warmzeiten
( Welten 1982, † 1988, Wegmüller 1992, 1995, 2000, Ammann 1993, Drescher-Schneider
2000 ) und kaltzeitlichen Abfolgen ( Schlüchter 1987, Sch. & Wohlfarth 1993, Graf 1993 )
versucht, unter Vermeidung traditioneller Begriffe und Überwinden des Rückwärtszählens
der Kaltzeiten, eine neue Gliederung des Eiszeitalters aufzustellen ( Schlüchter
& Kelly 2000 ). Dabei wird ein mittelpleistozänes « morphologisch-tektonisches
Ereignis » postuliert, dem Ausräumung und Eintiefung im Schweizer Mittelland unter
das Deckenschotterniveau zugeschrieben werden. Dieses würde 6 jüngere Vergletscherungen
( < 800 ka ) mit Referenzprofilen von den 8 Schweizer Deckenschottervereisungen
trennen. Doch innerhalb des äussersten Eisrandes waren eisgefüllte Hohlformen
unter das Niveau des Höheren Deckenschotters im ausklingenden Tertiär
durch Subsidenz, sanftes Absinken der Alluvionen von Rhone, Donau und Po, alpintektonisch
gegeben. Zwischen der letzten und der an der Typlokalität der Riss-Eiszeit
( Risstal, Biberach-Warthausen ) belegten Kaltzeit wird eine vorletzte, zwei grosse und
eine « Grösste Vergletscherung » eingelegt. Noch älter sind die durch Warmzeiten mit
Caliche-Bildung getrennten Schweizer Deckenschotter-Kaltzeiten ; in der ältesten wird
die Wanderblockbildung erwähnt und vielleicht ins Pliozän gestellt ( vgl. Kap. 2.2 ).
Jüngst hat Graf ( in Bitterli-Dreher et al. 2007, G. 2009 ) die Eiszeitgliederung erneut
aufgegriffen und für die jüngeren Kaltzeiten neue Namen eingeführt, da die Abfolge
um Biberach als Riss-Eiszeit zusammengefasste Kaltzeit, eine Kaltzeiten-folge darzustellen
scheint. Die dem Eem des Nordens entsprechende Warmzeit ist zwischen letztem
prä- und maximal-würmzeitlichem Vorstoss einzustufen. Im Typusgebiet käme
sie zwischen Lindele- ( nicht Doppelmoränenwall von Biberach-Wart hausen, vgl. Kap.
11.2.9 ) und Endlage von Winterstettenstadt zu liegen. Am Rhein würde diese nicht den
Ständen von Möhlin, sondern dem Zungenende bei Mellikon entsprechen, im untersten
Aaretal, nach Konfluenz von Reuss- und Linth/Rhein-Gletscher, den von der Surb
begrenzten Ruckfeld-Schottern und äussersten Würm-Moränen. In der N-Schweiz
28 Die alpinen Eiszeiten und ihre Grundlagen
wurde schon früh versucht, die « Riss-Eiszeit » durch mehrere Vorstösse zu gliedern
( Hantke 1965 ).
Für den erdgeschichtlichen Ablauf sind bioklimastratigrafische und verlässliche
absolute Altersdaten wichtig, um die einzelnen Regionen miteinander vergleichen und
eine Landschaftsgeschichte zeichnen zu können. Mit einer Halbwertszeit von 5730 a
stossen 14C-Daten rasch an ihre Grenze. Thermolumineszenzdaten und solche kosmogener
Isotope von 10Be ( HwZ : 1,4 Ma ), 26Al ( HwZ : 0,7 Ma ) und 36Cl ( aus Ar ; HwZ 0,3 Ma,
v. Blanckenburg 2008 ) sind oft schwer korrekt zu deuten.
Während der von Warmphasen unterbrochene letzteiszeitliche Vorstoss bei einigen
Gletschersystemen geglückt ist, steht jener der vorletzten und die Korrelationen mit
der Nordischen Vereisung noch in Lösungsanfängen. Da die Eismassen dort weit mächtiger
waren, haben Rückschmelzphasen im Norden auf das Klimageschehen träger
reagiert als im Alpenvorland, sodass die alpine Gliederung sich als detaillierter erweist.
S-Lagen boten sich als Reliktstandorte an, und Wiedereinwanderungen konnten rascher
erfolgen.
Typusprofile sind für die von Schichtlücken geprägten Eiszeiten nur lokal sinnvoll ;
die vollständige Abfolge wird noch immer gesucht. Eine Chance hat die Heidelberger
Senke im Oberrhein-Graben ( vgl. Kap. 11.2.1 ). Da die jüngste Erdgeschichte Thema vieler
Wissens gebiete ist, lassen sich die Resultate gegenseitig abstützen. Im schwäbischbayerischen
Alpenvorland wurde versucht, Paläomagnetik und Sauerstoffisotope einzubauen.
Leider ist eine endgültige Gliederung des Eiszeitalters trotz vieler Versuche noch
immer Wunschdenken. Von einer solchen, welche die marine Gliederung für jede
Warmzeit durch « charakteristische Pollenabfolge » getrennte Kaltzeiten mit präalpinen
Eisrandlagen festlegt, sind wir noch weit entfernt. Nur für das Holozän und das Spätglazial
ist die Chronologie einigermassen gesichert. Doch je weiter die Ereignisse zurückliegen,
umso grösser werden die Unsicherheiten – schon bei den Eisvorstössen
der letzten Kaltzeit. Die « im Allgemeinen bewährte und erweiterte Gliederung von
Penck & Brückner » ( Schreiner 1992 ) genügt nicht. Nur eine auf Fakten aufbauende
Betrachtung vermag unter Einbezug des tektonischen Geschehens – Mulden, aufgebrochene
Gewölbe, Deckenränder, Blatt verschiebungen – weiterzuhelfen.
1.5
Auf Albrecht Penck zurückgehende Thesen
auf dem Prüfstand
1.5.1
Mittelmoränen
Bei Penck ( 1882 ) und Penck & Brückner ( 1901/09 ) fanden Mittelmoränen – mit Ausnahme
des Frontbereichs des Dora-Baltea-Gletschers – keine Existenzberechtigung, da Penck
den Schutttransport als am Grunde der Gletscher erfolgt sah. Nach ihm waren Mittel-
Auf Albrecht Penck zurückgehende Thesen auf dem Prüfstand
29
Fig. 1.8
Findlinge auf dem Pers-Gletscher mit Piz Palü, Aufnahme F. Freimoser.
moränen kein Thema ; sie treten in der alpinen Quartär-Literatur auch nur sporadisch
auf ( Jayet 1966, Burri 1974, Winistörfer 1977, Small et al. 1979, Hantke 1980, Small &
Comez 1985 ). Wagner ( 1986 ) hat erneut auf sie aufmerksam gemacht, da der Schutttransport
grösstenteils nicht unter dem Gletscher, sondern auf dem Eis erfolgt ( Fig. 1.8 ).
« C’est un fait connu de tous les habitans des Alpes, que le glacier ne souffre aucun
corps étranger dans son intérieur, et qu’il repousse à la surface toutes les pierres qui
tombent dans son intérieur » ( Agassiz 1840 : 104 ). Doch finden sich zuweilen noch
wenige im Eis. Als rezente Mittel- und Obermoränen sieht der Autor vor allem die
Schuttbildungen auf dem Griessfirn SW des Klausenpasses UR.
Wo zwei Gletscher zusammenfliessen, bilden die beiden inneren Ufermoränen
eine Mittelmoräne, meist mit dem Gesteinsinhalt der beiden. In den Tälern fliessen die
durch sie getrennten Bereiche oft bis ans Zungenende.
Schon Heim erkannte die Bedeutung der Mittelmoränen und dass n Stammgletscher
n-1 Mittelmoränen bilden. Er verfolgte sie gletscheraufwärts, anerkannte die von
Agassiz am Unteraar-Gletscher gemessenen Dimensionen von 42 m Höhe und 200 m
Breite, glaubte aber noch, dass der Schutt bei Eisabbrüchen in Spalten verschwinde
und am Grund weiter verfrachtet werde. Bei heutigen Gletschern bewegen sich Mittelmoränen
als Fliessband auf der Oberfläche, flachen ab und verbreitern sich. Bei ungleichem
Nachschub aus benachbarten Einzugsgebieten bewegen sie sich gegen den
Gletscherrand, ufern aus, sodass sekundäre Ufermoränen entstehen, was ihr Gesteins-
30 Die alpinen Eiszeiten und ihre Grundlagen
Fig. 1.9
Die linke Ufermoräne des Finsteraar-Gletschers
ist schon vor der
Vereinigung mit dem Lauteraar-
Gletscher ( rechts ) zum Unteraar-
Gletscher zu einer sekundären
Ufermoräne geworden. Auf
der schuttbedeckten Stirn vor
dem Grimselsee hat sich eine
« hummocky-moraines »-Landschaft
gebildet, aus Hantke &
Wagner 2005.
inhalt aufzeigt. Primäre Ufermoränen bestehen aus Schutt der letzten Talflanken. Am
Zungenende stellen sich Mittelmoränen oft als Endaufschüttungen ein, vereinigen sich
zu Obermoräne und bilden « hummocky-moraines »-Landschaften. Ist die Schuttdecke
30 – 40 cm mächtig, wirkt sie ablationshindernd : Auf dem Gletscher bilden sich moränenbedeckte
Eisrücken ( Fig. 1.9 ).
Ausgeschmolzene Obermoräne wird von den Schmelzwässern weggeführt und
bildet ausgedehnte Schotterfluren, die bei weiterem Zurückschmelzen von an den
Gletschertoren austretenden Schmelzwässern zu Terrassen zerschnitten werden.
Das Zu-Ende-Denken der Bedeutung der Mittelmoränen durch Wagner ( Barben
2008 ), deren Formen Wagner ( 1997, 2001 ) in Skizzen dargelegt hat, ihr Zurückverfolgen
ins Einzugsgebiet, ihr Ausufern und Auffahren auf das Relief zeigen, dass das sukzessive
Eintiefen von Mittelland- und Jura-Tälern zu überprüfen ist. Die Täler waren
tektonisch vorgezeichnet, wurden kaum erosiv tiefer gesägt, aber längs Klüften durch
Frost erweitert.
Auf Albrecht Penck zurückgehende Thesen auf dem Prüfstand
31
Durch Eindringen von Eis in Seitentäler wurden zufliessende Gletscher gestaut,
und die Tiefenerosion beider wurde reduziert. Dabei haben sich oft Kollisionsmoränen
ge bildet ( vgl. Kap. 2.12 ).
1.5.2
Drumlins, meist Pseudo-Drumlins : oft Mittelmoränen
Die Überprüfung der Schweizer Drumlins ( Wagner 2001, Hantke & Wagner 2005 ) hat
gezeigt, dass im Schweizer Mittelland als Drumlin bezeichnete Schutthügel oft Pseudo-
Drumlins sind, verschwemmte, auf dem Eis abgerutschte Mittelmoränen. Echte Drumlins
sind hier eher selten, am S-Rand der Nordischen Vereisung, wo eine flächenhafte
Überfahrung von älterem Ausschmelzgut durch mächtiges Eis stattfand, jedoch verbreitet.
1.5.3
Der Schutttransport auf dem Gletscherboden und die glaziale Übertiefung
Der Oberflächenschutt der Gletscher wäre durch Spalten auf den Gletscherboden gelangt
und zu Grundmoräne « zerdrückt » worden, das gilt vor allem für von Schmelzwasser
bewegtes Feingut mit kleineren Geröllen, das in Spalten verschwindet und am
Gletschertor wieder austritt.
Beim Zurückschmelzen der Eiszungen liefert ausgeschmolzenes, von Schmelzwässern
verfrachtetes Obermoränengut das Material der frontalen Schotterfluren. Ihr
Feingut, und nach Umlagerung jenes von Feingutlagen in Schotterfluren, kann Fossilreste
– Pollen, Sporen und Kleinsäugerzähne – enthalten, die eine Relativdatierung
erlauben ; standfeste Blöcke können mit kosmogenen Nukliden absolute Alter liefern
( vgl. Kap. 3.1 ). Damit ist auch die auf Penck zurückgehende These, die Gletscher hätten
sich in den Kaltzeiten mit Grundmoräne als Agens sukzessive eingetieft, was zu einer
Übertiefung geführt hätte, zu überprüfen. Doch die Täler sind meist tiefgründig tektonisch
bedingt. Dass Gletscher an der Talbildung mitbeteiligt waren und, je nach
Erosions anfälligkeit, die Täler weiter ausgeräumt haben, ist unbestritten ; sie brachten
den letzten Schliff an. Weder sie noch die Flüsse räumten Täler aus dem Fels aus ; Eis
und Wasser folgten mit der Platznahme der Decken tektonischen Anlagen, haben
diese benutzt ; Schmelzwässer haben sie oft eingeschottert ( vgl. Kap. 5.2.1 ).
Penck und Brückners ( 1901 : 16 ff., Schaefer 1995 : 303 ) glaziale Serie, die Verknüpfung
von « Grundmoräne », Endmoräne und distalen Schotterfluren, Grundlage für einen
Kaltzeitzyklus, ist dahin umzudeuten, dass nicht « Grundmoräne », sondern ausgeschmolzene
Ober- und terminal ausufernde Mittelmoränen von wieder vorgestossenem
Eis überfahren wurden. Für eine Kalt-/Warmzeit-Folge sind trennende, fossilbelegte
Warmzeitabfolgen oder Paläoböden notwendig. Erosion zwischen glazialen Serien
reicht kaum aus ; in Subsidenzgebieten kann sie auch Vorstösse in einer durch Intervalle
( vgl. Kap. 1.5.3 ) getrennten Kaltzeit bekunden.
32 Die alpinen Eiszeiten und ihre Grundlagen
1.5.4
Kame-Schotter, frontale Schotterfluren und randliche Schmelzwasserrinnen
Neben Moränen und an der Gletscherfront einsetzenden Schotterfluren weisen Kame-
Schotter, Eisrandschotter, eisverfrachtetes Schuttgut auf. Wie Ufermoränen vermitteln
sie Hinweise zur Lage des jeweiligen Gletscherrandes. Die Zerschneidung der Schotterfluren
zeichnet das von Intervallen mit Wiedervorstössen unterbrochene Zurückschmelzen
nach.
Oft werden Schmelzwasserrinnen mit Rückschmelzlagen in Verbindung gebracht.
Auch sie sind tektonisch angelegt und haben schon beim Vorstoss und bei höheren
Eisständen subglaziär gewirkt. Da das Geschehen sich mehrfach wiederholt hat,
kommt ihnen oft ein weit höheres Alter zu als nur das des letzten Abschmelzens.
1.5.5
Zur Genese der Schweizer Deckenschotter
Für die Genese der nie befriedigend erklärten Schweizer Deckenschotter innerhalb des
Eisstromnetzes drängt sich eine neue Deutung auf ( vgl. Kap. 3.1 – 9 ). Bei Schweizer Vorkommen
ist oft auf ihre Eisrandnähe hingewiesen worden. Nach Lage, Geröll- und
Schwer mineralinhalt scheint es sich aufzudrängen, eine solche als verschwemmte
Mittel- und Obermoräne zu bezeichnen. Im Frontbereich der Gletscher wurden schon
in früheren Kaltzeiten Schotterfluren geschüttet, nicht vom Gletschergrund, sondern
von aus geschmolzener Obermoräne. Der alpenwärtige Anstieg der Deckenschotter
stimmt schlecht mit ins Vorland geschütteten Schotterfluren überein, doch gut mit dem
von Gletscheroberflächen. Fission-track-Messungen ( Jäger & Hantke 1983, 1984 ) belegen
Standard-Modell
Gletscher in hochgelegener Talung,
Deckenschotter weitflächig aus Grundmoräne
Mittelmoränen-Modell
Gletscher in vorgegebener tiefer Talung,
Deckenschotter randlich aus Obermoräne
keine Obermoräne
alteiszeitlicher Gletscher
Deckenschotter
Obermoränenstränge
Deckenschotter
Deckenschotter
Deckenschotter
alteiszeitlicher Gletscher
zuerst « glaziale Übertiefung »
nach « mitteleiszeitlicher Wende »
Auffüllung durch Grundmoräne
Auffüllung durch
Ober- und Grundmoräne
aller Kaltzeiten
voreiszeitlicher Felsuntergrund
heutiger Felsuntergrund
eiszeitlicher Abtrag
Fig. 1.10
Deckenschotterschüttung nach bisheriger Auffassung ( Standard-Modell ) und Mittelmoränen-Modell. Die
Deckenschotter belegen nicht die Gletscherbasis, sondern ihre Oberfläche, aus Hantke & Wagner 2005. Die von
Graf als Gegenargument betrachtete Auenfazies ( in Bolliger et al. 1996 ) kann sich nach dem Zurückschmelzen
des Eises auch auf Stauhorizonten auf Deckenschottern konform dem ehemaligen Eisrand entwickelt haben.
Das tektonische Geschehen zwischen Alpen und Jura im Eiszeitalter
33
eine bedeutende Hebung des Alpenkörpers im Mittel- ( Bergeller Massiv ) und durch
Überschiebungen im Jungtertiär ( Helvetische Kalkalpen ). Ein erst im Pleistozän erfolgter
Emporstau vom Mittel- zum Hochgebirge ( Penck & Brückner 1909 ) ist nicht
belegt. Deckenschotter liegen oft in seichten Rinnen. Dies sind nicht Füllungen alter
Flussläufe ( vgl. Kap. 9.1.8 ), sondern von randglaziären Schmelzwasserrinnen.
Pencks Auffassung trifft nur für die Nordische Vereisung zu. In ihr war das Eis liefernde
Skandinavien bis ins ausgehende Hochglazial von einem Firnschild bedeckt,
aus dem – wie in den Mittelgebirgen – kaum Moränen liefernde Spitzen und Grate
emporragten ( Fig. 1.10 ).
1.6
Das tektonische Geschehen zwischen
Alpen und Jura im Eiszeitalter
Im Eisstromnetz, innerhalb der äussersten Gletscherstände, ist die alpine Tektonik
für die Talbildung verantwortlich. Sie hat auch das mit mächtigen Molasseabfolgen
gefüllte Mittelland erfasst und zeichnet sich noch am äusseren Jura-Rand ab ( Diebold
et al. 1963K ; Fig. 1.11 ).
Fig. 1.11
Die Süd-Nord-Bruchstörungen
zwischen La Caquerelle und
Charmoille ( Jura ).