Citylife_Ausgabe_3_2020
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50°55N street
Text: Michelle Tief, Fulda | Fotos: Max Dellemann, Fulda
LETZTE
RUHE
DER ALTE STÄDTISCHE FRIEDHOF MIT
SEINEM FRANZOSENWÄLDCHEN
Südöstlich des alten Stadtkerns liegt eine Parkanlage, an der mit Sicherheit schon viele
vorbeigefahren sind, sie aber bisher nicht unbedingt besucht haben: der alte Städtische Friedhof.
Das denkmalgeschützte Gesamtkonstrukt wird auch gern als Franzosenwäldchen betitelt.
Woher der Name stammt, weiß aber auch nicht jeder.
An der heutigen Goethestraße gelegen, wurde der
Friedhof 1531 angelegt, die erste Bestattung fand
allerdings erst 1540 statt. Zuvor wurde 1537 die
Hl.-Kreuz-Kapelle vom Friedhof vor dem Kohlhäuser Tor
an den „Neuen Kirchhof“, der später „Kirchhof vor dem
Peterstor“ hieß, versetzt. 1689 wurde die Kapelle erweitert,
bekam den Titel „Maria vom Rosenkranz“ und ist seit
dem Zweiten Weltkrieg profaniert. Der neue Totenhof war
hauptsächlich wegen der hohen Sterblichkeitsrate während
des Bauernkrieges notwendig geworden. Noch heute ist er
von einer mittelhohen, in großen Abschnitten noch alten
Sandsteinmauer umgeben. An der Nordseite befindet sich
der Haupteingang mit von Ananas bekrönten Pfeilern. Am
Südostende war zudem früher die Grablege der Stiftsdamen
des Adligen Stifts Wallenstein, das aufgrund einer Straßenverbreiterung
nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Neuen
Dompfarrlichen Friedhof verlegt wurde.
Schlendert man durch die Anlage, findet man nicht nur einige
Grabmäler berühmter Fuldaer Familien wie zum Beispiel
den Vater des Rhönklubs, Dr. Justus Schneider, oder Johann
Andreas Mollenhauer, dessen Familienunternehmen noch
heute jedem Fuldaer ein Begriff sein dürfte. Daneben ziehen
etwa neunzig, unregelmäßig angeordnete, teils bildhauerisch
aufwendig gearbeitete Grabdenkmäler des 18. und 19. Jahrhunderts
die Blicke auf sich. Interessant sind auch das monumentale
Friedhofskreuz von 1798, ein barocker Bildstock
– ovaler Aufsatz mit Kreuzigungsgruppe und Pietà im Relief
– aus dem Jahr 1718 sowie der Brunnenstock des ehemaligen
Marktbrunnens von 1860.
Doch wie wurde der Friedhof nun zum Franzosenwäldchen?
Die Herleitung ist simpel: Als Napoleons Grande Armée in
der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 geschlagen war, kamen
die kranken und geschwächten Soldaten auf ihrem Rückzug
auch durch Fulda. Hier sind viele an Typhus gestorben und
wurden am alten Städtischen Friedhof beigesetzt. Als „Franzosenwäldchen“
erinnert der Name dieses Bereichs noch
heute daran, sodass der Totenhof nicht nur denkmalerische,
sondern auch stets geschichtliche Bedeutung für Fulda hat.
Die Kapelle „Maria vom Rosenkranz“
wurde 1537 auf den alten Städtischen Friedhof versetzt
und ist bis heute das einzige Gebäude auf der Anlage [oben].
In der Parkanlage finden sich viele, teils
bildhauerisch aufwendig gestaltete Grabdenkmäler bekannter
Fuldaer Familien. Sie sind unregelmäßig angeordnet und
ziehen bei einem Spaziergang regelmäßig die Blicke
auf sich [unten].
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