DIVERSITÄT DIVERSITÄT
philou.
Ausgabe 7
Thema: urbanität
RBEITEN ARBEITEN ARBEITEN ARBEITEN
RBEITEN ARBEITEN ARBEITEN ARBEITEN ARBEITEN
DIVERSITÄT DIVERSITÄT
DIVERSITÄT DIVERSITÄT DIVERSIT
DIVERSITÄT DIVERSITÄT DIVERSITÄT DIVERS
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DIVERSITÄT
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DIVE
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DIVERSITÄT DIVERSITÄT
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SITÄT DIVERSITÄT
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SITÄT
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SITÄT
OLUNG ERHOLUNG ERHOLUNG ERHOLUNG ERHOLUNG ERHOLUNG ERHOLUNG ERHOLUNG
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INFRASTRUKTUR INFRASTRUKTUR
INFRASTRUKTUR INFRASTRUKTUR
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INFRA
INFRA
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INFRASTRUK
INFRASTRUKTUR
INFRASTRUKTUR INFRA
INFRASTRUKTUR INFRASTRUKTUR INFRAS
INFRASTRUKTUR INFRA
INFRASTRUKTUR
INFRASTRUK
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UNABHÄNGIGES STUDIERENDENMAGAZIN AN DER RWTH AACHEN UNIVERSITY
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ERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR
ERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR VERKEHR
KEHR VERKEHR
KEHR VERKEHR
UMWELT UMWELT UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT UMWELT UMWELT
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UMWELT UMWELT UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT UMWELT UMWELT
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UMWELT UMWELT UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT UMWELT UMWELT
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UMWELT UMWELT UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT UMWELT UMWELT
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UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
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UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
UMWELT UMWELT
BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG
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BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG
BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG
BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG
Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
dann zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? Vielleicht dein Lebensglück...
vorbei, verweht, nie wieder.
Du gehst dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang,
die dich vergaßen.
Ein Auge winkt, die Seele klingt;
du hast’s gefunden,
nur für Sekunden...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück...
vorbei, verweht, nie wieder.
Du musst auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Es sieht hinüber
und zieht vorüber...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.
A
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G
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1890–1935
Editorial
Liebe Leser_innen,
die gegenwärtige Stadt weist ein beispielloses Wachstum
auf: Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten
und bis 2030 wird ein Anstieg auf 5 Milliarden Menschen
erwartet. Damit sind zahlreiche Herausforderungen
verbunden, die in Zeiten der rasant fortschreitenden Globalisierung
zunehmend an Komplexität gewinnen. Als Drehund
Angelpunkt anthropogener Einflüsse stellt die Stadt ein
hochkomplexes Wirkungsgefüge zwischen wirtschaftlichen,
sozialen und ökologischen Faktoren dar.
Stadt wird sowohl als Lebens- als auch als Arbeitswelt verstanden,
als Heimat und Fremde zugleich. Der Drang nach
einem urbanen Leben offenbart die Sehnsucht nach Individualisierung,
Autonomie, nach Öffentlichkeit und Gemeinsamkeit.
Zwischen Sehnsuchtsort und Flüchtigkeit wird
das Leben in der Stadt von kultureller Vielfalt bestimmt
und kennzeichnet das Zentrum menschlicher Interaktion.
Dabei gehen Distanz und Entfremdung, Vereinzelung und
Gemeinschaft Hand in Hand.
Stadt & Mensch: „Die Städte aber wollen nur das Ihre“,
wie Rilke 1903 bezeichnend schrieb. Was macht eine Stadt
besonders, was ist ihr Alleinstellungsmerkmal? (S. 10) Zwischen
Distanz und Nähe, Vereinzelung und Gemeinschaft
liegt das urbane Dilemma: ein Kampf gegen die Entfremdung.
(S. 14)
Stadt & Umwelt: Das hochkomplexe Wirkungsgefüge und
die zahlreichen diversen Einflüsse, denen eine Stadt ausgesetzt
ist, erhöht auch das Gefahren- und Störungs potential.
Kann eine Stadt robust und widerstandsfähig auf Störungen
reagieren? (S. 20) Als dominierender Lebensraum des
Menschen sind die anthropogenen Einflüsse entsprechend
bedeutend – es bedarf Schutzmechanismen, die ein lebenswertes
Leben in der Stadt in Zeiten des Klimawandels und
der Ressourcenverknappung gewährleisten können. (S. 25)
Bedeutende Umweltbelastungen sind beispielsweise neben
der verstärkten Feinstaubbelastung auch die erhöhte Lärmbelastung
(S. 28) sowie die mit einem zunehmenden Bevölkerungswachstum
einhergehende Flächeninanspruchnahme.
Mobilität bleibt ein relevantes Thema für die Zukunft der
Städte. Der Ausbau von Straßen und Parkflächen erhöht
das Verkehrsaufkommen proportional. Können Radfahren
und Sharing-Angebote die Flächennutzung nachhaltig und
effizient gestalten? (S. 31)
Stadt & Gesellschaft: Neben dem alltäglichen Leben
in der Stadt gilt es ebenso, selbiges bewusst zu gestalten,
wahrzunehmen und aktiv darin teilzunehmen. Dabei haben
Bürger_innen häufig die Möglichkeit, an Entscheidungsprozessen
mitzuwirken und mitzubestimmen. Sind diese Beteiligungsverfahren
wirklich demokratisch oder eine Illusion
von Partizipation? (S. 36) Bezeichnet als Gentrifizierung
wird das städtische Bild zwischen Aufwertung und Verdrängung
durch Umstrukturierungsprozesse geprägt – forciert
durch wirtschaftliche und politische Akteure. (S. 40) Neben
den Verdrängungsprozessen gehört die Anonymität zu
den urbanen Phänomenen: Zwischen Verwahrlosung und
Dunkelheit wirkt die Stadt nicht nur als Sehnsuchtsort, als
Zentrum der Selbstverwirklichung, sondern auch als Angstraum.
(S. 43)
Was ist einer Stadt, dem dominierenden Lebensraum der
Menschen, immanent? Was ist Stadt?
Wir freuen uns, diese und weitere Fragen sowie Problemstellungen
mit euch teilen zu können und präsentieren euch
nun die siebte philou. Durch den Fokus auf die Diversität
und Interdisziplinarität der Themen wollen wir zeigen, dass
das inneruniversitäre Gespräch eine der höchsten Prioritäten
im Studium genießen muss. Wir wollen euch hiermit Anreize
zu neuen Überlegungen liefern und hoffen, dass euch
die siebte Ausgabe genauso gefällt wie uns!
Eure philou. Redaktion
Verfasst von Ann-Kristin Winkens
philou.
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Inhalt
06 Urbanität in Zahlen
STADT & Mensch
10 Bilder einer Stadt
Cristina García Mata
Wie ein Leuchtturm-Projekt die Entwicklung
einer Stadt zum Positiven verändern kann.
14 Das Schöne an der Wüste ist,
dass sie irgendwo einen
Brunnen versteckt hält
Thomas Sojer
Über den Kampf gegen die Entfremdung im
Stadtleben.
STADT & Umwelt
20 Die Grenzen der Stadt –
Urbane Resilienz
Ann-Kristin Winkens
What doesn‘t kill you makes you stronger: Wie
resiliente Strukturen Städten dabei helfen, mit
Katastrophen umzugehen.
25 Der Lebensraum des Menschen –
eine ökologische Betrachtung
der Stadt
Aaron Förderer
Mensch versus Umwelt. Wie Städte
Ökosysteme zerstören und erschaffen.
STADT & Gesellschaft
36 Mit weichem Knüppel in die
Mitmachfalle – wie politische
Mediation bürgerliche
Selbstorganisation imitiert
Nils Honkomp & Frédéric Falter
Urbane Demokratie – zwischen Partizipation
und Illusion.
40 Immer diese Künstler... –
Kritik eines eindimensionalen
Gentrifizierungsbegriffes
Moritz Hirmer
Von Künstlern, Yuppies und Investoren – wer
steckt hinter der Gentrifizierung der Stadt?
43 Urbane Angsträume und
rechte Diskurse
Sonja Gaedicke
Angst essen Räume auf. Wie der Diskurs
die Realität überdeckt.
48 Stadt vs. Land
Januskopf
Thomas Ruddigkeit
28 Viel Lärm um nichts?
Merle Riedemann
Von Einflugschneisen und Amateurtrompetern:
Wie Lärm die Gesundheit beeinflussen kann.
31 Copenhagenize – das Fahrrad als
Verkehrsmittel der Zukunft?
Anonym
Wem gehört die Straße? Wie es dazu kam,
dass das Auto Vorfahrt erhielt.
philou.rwth-aachen.de
facebook.com/philoumagazin
info@philou.rwth-aachen.de
philou.
Zahlen
URBANITÄT
in Zahlen
Top 5 Megacities
Gegenwärtig gibt es weltweit 33 Megacities (städtische Agglomerationen mit mehr als
10 Mio. Einwohner). Die meisten von ihnen liegen in Asien (19) und Latein amerika (6). 1,2)
2005 2018
Tokio
35,2
1.
37,6 +2,4
Tokio
Mexiko-Stadt
19,4
2.
28,9 +10,7
Mumbai
New York
18,7
3.
21,6 +3,3
São Paolo
São Paolo
18,3
4.
20,3 +1,6
New York
Mumbai
18,2
5.
20,1 +0,7
Mexiko-Stadt
ANTEIL VON STADT- UND
LANDBEWOHNERN IN DEUTSCHLAND 4)
2020
NATURAL URBAN MODEL
2010
nach Burgess/Park 3) 0,00% 20,00% 40,00% 60,00% 80,00% 100,00% 120,00%
V. PENDLERZONE
2000
IV. MITTELSCHICHT
(EINFAMILIENHÄUSER)
1990
0% 20% 40% 60% 80% 100%
III. ARBEITERWOHNGEBIET
(MIETSKASERNEN)
Stadtbewohner
Landbewohner
II. ÜBERGANGSZONE
Stadt- und Gemeindetypen in
Deutschland 5)
• Landstadt: 2.000–5.000 Einwohner
I. STADTKERN/
GESCHÄFTS-
VIERTEL
• Kleinstadt: 5.000–20.000 Einwohner
• Mittelstadt: 20.000–100.000 Einwohner
Afrika
• Großstadt: > 100.000 Einwohner
Asien
6
Weltweit
Ozeanien
São Paolo
176m 2
Berlin
Peking
58m 2
Genf
42m 2
Singapur
43m 2
Hong
Kong
30m 2
London
30m 2
Monaco
17m 2
New
York
26m 2
WIE
2020 VIEL
WOHN-
FLÄCHE
BEKOMMT
2010
MAN
FÜR
1 MILLION
2000
DOLLAR? 6)
Kapstadt
209m 2
Tokio
91m 2
176m 2 Istanbul
102m 2
Sydney
59m 2
Dubai
162m 2
Miami
79m 2
Paris
55m 2
Shanghai
46m 2
Los Angeles
61m 2
Mumbai
99m 2
Melbourne
110m 2
1990
79
0,00% 20,00% 40,00% 60,00% 80,00% 100,00% 120,00%
Großstädte Stadtbewohner
gibt es
84%
Landbewohner
in Deutschland. 7)
Vier deutsche
Millionenstädte: 7)
Prognostizierter Urbanisierungsgrad
Berlin 3,5 Mio.
in Europa im Jahr 2050 8)
Hamburg 1,7 Mio.
München 1,4 Mio.
Köln 1,05 Mio.
QUELLEN
1) Bundeszentrale für politische
Bildung 2008
2) UN 2018: World Urbanization Prospects
3) Burgess/Park (1925): The City:
Suggestions for Investigation of Human
Behavior in the Urban Environment
4) Statista 2018
5) Bundesinstitut für Bau- und
Raumforschung 2015
6) Statista 2016
7) Statistisches Bundesamt; Statistische
Ämter des Bundes und der Länder 2016
8) UN 2015: World Population Prospects,
the 2015 Revision
URBANISIERUNGSGRAD
Anteil der Stadtbewohner in den Weltregionen im Jahr 2018 4)
Afrika
Asien
Weltweit
Ozeanien
Europa
Lateinamerika und Karibik
Nordamerika
0,00% 0% 20,00% 20% 40,00% 40% 60,00% 60% 80,00% 80% 100,00% 100%
7 philou.
Die kleinen Zimmer oder
Behausungen lenken den
Geist zum Ziel, die großen
lenken ihn ab.
Leonardo Da Vinci
1452–1519
Foto: Sarah Hilker
8
Stadt & Mensch
Charta von Athen
Die funktionale Stadt
Die Charta von Athen ist ein städtebauliches Manifest,
das 1933 im Rahmen des IV. Kongress
der Congrès Internationaux d‘Architecture Moderne
(CIAM) in Athen zum Thema „Die funktionale
Stadt“ verabschiedet wurde. Mit dem Ziel einer
geordneten Stadtentwicklung wird in dem Manifest
eine grundsätzliche Trennung der urbanen Nutzflächen
nach Wohnen und Arbeiten gefordert.
„Stadtbau kann niemals durch ästhetische Überlegungen
bestimmt werden, sondern ausschließlich
durch funktionelle Folgerungen.“ – eine der Forderungen
im Manifest.
Vitruv
Prinzipien der Architektur
Vitruv war ein Architekturtheoretiker, dessen Werk
De architectura libri decem im gesamten Mittelalter
bekannt war und das seit der Renaissance einen
wesentlichen Einfluss auf architektonische Konzepte
aufwies. Nach ihm gibt es drei Hauptanforderungen
an die Architektur: Firmitas (Festigkeit),
Utilitas (Nützlichkeit) und Venustas (Schönheit).
Diese drei Begriffe galten als die grundlegenden
Maßstäbe für die Bewertung von Architektur – sie
mussten alle drei gleichermaßen erfüllt sein.
Nur 21% der Deutschen
möchten in einer Großstadt
leben. Tatsächlich leben
allerdings 31% der Deutschen
in den Großstädten.
1,8 Millionen Wohnungen
in Deutschland stehen leer,
während 860.000 Menschen in
Deutschland wohnungslos sind.
YUPPIE
young urban professional (people)
Junger, karrierebewusster, großen Wert auf seine
äußere Erscheinung legender Stadtmensch,
Aufsteiger. (Duden)
Anleitung: Wie werde ich ein Yuppie
https://de.wikihow.com/Sich-wie-ein-
Yuppie-kleiden
Suburbanisierung
Suburbanisierung beschreibt den Abwanderungsprozess
der Stadtbevölkerung, der Industrie
und des Dienstleitungsgewerbes ins städtische
Umland. Die Zentralität der Stadt wird in Frage
gestellt und nimmt ab.
9 philou.
Opener
Cristina García Mata
TEchnik-kommunikation
philou.
10
Stadt & Mensch
Wäre der Autor des Romans Die unsichtbaren Städte,
Italo Calvino, in seinem Leben jemals in Bilbao gewesen,
hätte er wahrscheinlich nicht gewusst, ob er sie als eine
verborgene oder als eine zusammenhängende Stadt einstufen
sollte. Wahrscheinlich hätte er von einer Wasserzunge gesprochen,
die eine Bevölkerung in zwei aufteilt, von einer
Bergwand, die die Stadt schützt und gleichzeitig isoliert,
und von der Art und Weise, wie die Erde sich zum Meer
hin öffnet. Er hätte mit Sicherheit den konstanten und unaufhaltsamen
Rhythmus des Regens bemerkt, der sogar den
Himmel verwischt und ihn in die Farbe des Stahls verwandeln
kann – derselbe, der aus dieser Erde gekommen ist und
seine Bewohner reich gemacht hat.
In den achtziger Jahren blieben vom goldenen Zeitalter der
Stahlindustrie und des Schiffbaus jedoch nur geschwärzte
Gebäude, eine Ria voll chemischen Abfalls, eine hohe Arbeitslosigkeit,
und die Introvertiertheit und Angst, die durch
politische Instabilität hervorgerufen wurde. Bilbao benötigte
dringend einen Richtungswechsel, einen Wandel von einer
Industrie- zur Dienstleistungs- und Kulturstadt.
Die Lösung der bilbaínos (die Einwohner Bilbaos), wenn
auch utopisch, bestand darin, den Architekten Frank Gehry
mit dem Bau eines völlig bahnbrechenden Gebäudes zu beauftragen:
das Guggenheim Museum Bilbao. Diese Kreuzung
aus Palazzo und Schiff aus Stein und Titan sollte die
Transformation der Stadt repräsentieren und gleichzeitig
der Motor der wirtschaftlichen Erneuerung sein.
Die Einweihung des Museums veränderte die Geschichte
der Stadt schlagartig: Dank des katalytischen Impulses erlebte
Bilbao in den Folgejahren eine für eine Stadt dieser Größenordnung
nie zuvor gesehene urbane und wirtschaftliche
Renaissance, die heute als Bilbao-Effekt bekannt ist. Viele
andere postindustrielle Städte wie Wolfsburg, Graz oder Luzern
haben versucht, den Erfolg, der durch die sogenannte
Star-Architektur erzielt wurde, nachzuahmen. Nach einer
aktuellen Forschung der Technischen Universität München
hatten alle ikonischen Projekte jeweils positiv wirtschaftliche
und soziale Auswirkungen für die Städte, obwohl ein
Erfolg wie in der spanischen Gemeinde sicherlich nicht erreicht
wurde.
Die Wahrheit ist, dass ein einzelnes Gebäude, egal wie
ikonisch es ist, die Zukunft einer Stadt nicht ändern kann.
Frank Gehry selbst hat während des Baus seines Guggenheim
Museums seine Zweifel eingestanden. Der Schlüssel
zum Erfolg von Bilbao liegt in einer Mischung aus einem
gelungenen lokalen und regionalen Kontext, einer wirksamen
Umweltpolitik und einer kontinuierlichen Investition
in neue Infrastrukturen, von denen viele von anderen bekannten
Star-Architekten wie Zaha Hadid, Norman Foster
oder Santiago Calatrava entworfen wurden. All dies
geschah, ohne die Geschichte der Stadt und die dazugehörigen
Gebäude zu vergessen. Das Guggenheim Museum
war schließlich nicht die einzige Maßnahme gewesen, mit
der sich Bilbao erneuert hat.
Jede Stadt, die besonders sein will, muss mit dem arbeiten,
„was an Materialitäten, Praktiken und Repräsentationen
bereits vorhanden [sei]“, wie der Kultursoziologe Andreas
Reckwitz in seinem Buch „Die Gesellschaft der Singularitäten“
schreibt. Jede Stadt, die international anerkannt werden
will, muss auch die lokalen Eigenlogiken kennen und
nicht nur die Formel des Bilbao-Effekts. Möglicherweise
kann der Bilbao-Effekt nur an einem Ort funktionieren:
in Bilbao.
Weiterführende Literatur
Sklair, L. (2017): The Icon Project: Architecture,
Cities and Capitalist Globalization. Oxford: Oxford
University Press.
Ponzini, D.; Nastasi, M. (2016): Starchitecture:
Scenes, Actors and Spectacles in Contemporary
Cities. Turin: The Monacelli Press.
11 philou.
12
13 philou.
Artikel
Das Schöne an
der Wüste ist,
dass sie irgendwo
einen Brunnen
versteckt hält
THOMAS SOJER
THEOLOGIE/RESONANTE WEltBEZIEHUNGEN (ERFURT/GRAZ)
Der Soziologe und katholische Priester Pierre-Marie
Delfieux (1934–2013) wurde 1965 als Studentenseelsorger
an die Sorbonne bestellt. Am 3. Mai 1968 begannen
die Universitätsbesetzungen und es kam zur Geburt der
68er-Revolution in Frankreich. Delfieux war innerlich zerrissen:
Zwar war er den Anliegen der Studierenden wohlgesonnen.
Die sozialphilosophischen Erklärungsmodelle der
Bewegung erschienen ihm jedoch zu seicht, als unmittelbare
Reaktion und nicht als längerfristige Lösung. Im selben Jahr
verließ er die französische Hauptstadt und zog sich für sieben
Jahre in eine Steinbaracke auf dem Assekrem-Plateau
im Ahaggar-Gebirge im Süden Algeriens abseits jeder Zivilisation
zurück. Ausgehend von einer systematischen, jahrelangen
Reflexionspraxis wie sie auf die antiken Wüstenväter
zurückgeht, meditierte er darüber und versuchte all dem,
was er im Herzen von Paris miterlebt hatte, einen Sinn
zu geben. Schließlich gelang er zu einer bemerkenswerten
Beobachtung: Die vollkommene Menschenleere der algerischen
Wüste und die „Monotonie der Fensterreihung der
Hochhäuser und der starren Addition von Siedlungshäusern“
(Mitscherlich 1965: 19) hatten paradoxerweise eine ähnliche
Wirkung auf ihn, nämlich Vereinsamung und Verrohung.
Gleichzeitig machten ihm beide Lebensräume ununterbrochen
das Angebot, Neues zu schaffen und alte Strukturen
zu überwinden.
In dieser Ambiguität schreibt einerseits Hannah Arendt dem
Lebensraum Wüste eine transformierende Qualität zu, und
begründet es damit, „daß wir, die wir nicht der Wüste entstammen,
aber in ihr leben, in der Lage sind, die Wüste in
eine menschliche Welt zu verwandeln“ (Arendt 2003: 181).
Auf der anderen Seite beleuchtet Georg Simmel die Ambiguität
der Stadt in seiner Studie Die Großstädte und das
Geistesleben, indem er ungeahnte Möglichkeiten subjektiver
Beziehungsgestaltung moderner Urbanität herausschälte
und ebenfalls die Gefahr der Melancholie aufgrund einer
damit einhergehenden Reizüberflutung skizzierte. Für Simmel
war es eben diese Ambivalenz, die das städtische Leben
zum Heilsversprechen der Moderne werden ließ, jedoch seine
Bewohner_innen stattdessen mit einer Realität beerbte,
die Simmel subsummierend mit dem Begriff Blasiertheit
bezeichnete (vgl. Simmel 2006: 28).
Wüste und Großstadt vereinen es somit, Hindernis und
Chance in einem zu sein. Als Antwort auf diese coincidentia
oppositorum [gleichzeitige Gültigkeit von Widersprüchen]
formulierte Delfieux eine raumtheoretische Anthropologie, die
Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen
nicht nur auf einer diskursiven oder praktischen Ebene verwurzelt,
sondern sich vor allem ausgehend von den konkreten,
aber meist unbewussten Raumverhältnissen derselben
bestimmt (vgl. Delfieux 2014).
Als François Marty, der damalige Erzbischof von Paris, von
Delfieuxs Beobachtungen erfährt, beordert er ihn 1975 zurück
in die französische Hauptstadt und erteilt ihm den
Auftrag, eine kirchliche Antwort auf die Herausforderung
der Urbanität zu erarbeiten. Mit einer Gruppe ehemaliger
14
Stadt & Mensch
Studierender aus seiner Sorbonnezeit gründete Delfieux im
selben Jahr die Fraternités monastiques de Jérusalem; in Anspielung
an Jerusalem als die Stadt der Städte der drei großen
Buchreligionen. Als Gegenprogramm zu einer „Vertreibung
menschlicher Erlebniserwartungen aus dem aktuellen Bild
unserer Städte“ und einem „umfassenden Prozess der Enthumanisierung
der Lebenswelt“ (Lorenzer 1981: 19), den der
Psychoanalytiker und Soziologe Alfred Lorenzer moniert,
wollte Delfieux Oasen der Ambiguität in der urbanen Monotonie
schaffen. Als Mönche und Nonnen leben die Mitglieder
in gewöhnlichen Wohnhäusern (seit 2009 auch in
Köln) und arbeiten tagsüber im Ordensgewand in besonders
‚urbanen Berufen‘ wie zum Beispiel Metrofahrer_in
oder Stadtparkgärtner_in. Den Rest des Tages bieten sie in
zentralen Stadtkirchen ein öffentliches religiös-künstlerisches
Programm an, das in Anklang an die antike Wüstenvätertradition
die Möglichkeit bietet, in einer kulturellen
(Neu-)Aufladung der Großstadt als Wüste von den „vormodernen
Gesellschaften [zu] lernen, in denen über lange
Zeit eine sehr ambiguitätstolerante Mentalität herrschte“
(Bauer 2018: 95).
Durch ihre Lebensform versuchen sie täglich bewusst Ambiguität
zu verwirklichen und „eine moderne Disposition
zur Vernichtung von Vielfalt“, dessen Kulmination Thomas
Bauer im Urbanen erkennt (Bauer 2018: 12), prismatisch
in Farbfacetten zu brechen. Schon Stefan Zweig verspürte
zum Fin de Siècle hin „ein leises Grauen vor der Monotonisierung
der Welt“, wenn „immer mehr die Städte einander
äußerlich ähnlich“ werden und „dieser Niedersturz in
die Gleichförmigkeit der äußeren Lebensformen“ (Zweig
1990: 33) sichtbar werde. Trotz der unüberschaubaren Anzahl
neuer Initiativen – vom urban gardening bis Skylines,
die dank augmented reality zu gigantischen Kinoleinwänden
werden – bleiben die Bemühung vor dem Hintergrund
der alltäglichen Dynamisierung und Beschleunigung des
städtischen Tagesablaufs wie Baudelaire im Gedicht À une
Passante schreibt „Un éclair... puis la nuit!“ [ein Blitz, dann
wieder Nacht].
Eine recht junge Antwort auf das städtische Entfremdungsproblem
bietet Hartmut Rosa mit seiner Resonanztheorie,
in der er Resonanz als ein Konzept der ‚Nicht-Entfremdung‘
elaboriert (vgl. Rosa 2018: 284). Rosa kommt analog zu Delfieux
zum Schluss, dass Resonanz stets vom entgegenkommenden
Resonanzraum, einer antwortenden Umwelt abhängig ist,
die Resonanzwirkungen zulässt und aktiv fördert; ja, „dass
die materielle und figurative räumliche Umgebung jeweils
einen beträchtlichen Einfluss darauf haben kann, ob sich in
15 philou.
Dicht wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.
einer bestimmten Interaktionssituation horizontale, diagonale
oder vertikale Resonanzen ausbilden oder ob stumme
Beziehungen dominieren“ (Rosa 2018: 642). Steife Räume
resonieren nicht, ist somit Rosas Kurzformel. Interessant ist
hier besonders Rosas Einsicht, dass die disponierende Wirkung
von Räumen Konsequenz „ihrer kulturellen Aufladungen
im Rahmen der affektiven und kognitiven Bedeutungen“
(Rosa 2018: 646) ist.
Den urban sisters und monks können im Anschluss an Rosa
kulturelle Aufladungen des städtischen Lebens im doppelten
Sinn attestiert werden: Einerseits geben sie dem Resonanzraum
Großstadt die affektive und kognitive Bedeutung
einer Wüste, indem sie sakrale Räume als Oasen und damit
lebensnotwendige Orte der Gastfreundschaft (neu-)aufladen.
Diametral zur hostile architecture (vgl. De Fine Licht 2017:
28), die durch bauliche Maßnahmen zweckfremde Verwendung
ausschließt (z. B. Stahlstacheln auf Lüftungsgittern mit
warmer Luft gegen Obdachlose), dürfen die Besucher_innen
die ‚Jerusalemer‘ Kirchen auch als ambigue Orte z.B. für
körperliche Erholung in Gebrauch nehmen. Andererseits
durchbrechen sie affektive und kognitive Bedeutungsparameter
im öffentlichen Raum, indem sie in ihrem sakralen
Erscheinungsbild des Ordensgewandes in säkularen, öffentlichen
Berufsbildern auftreten und damit den öffentlichen
Raum zum ambiguen Raum werden lassen.
Vor fünfzig Jahren interpretierte Delfieux die sozialphilosophischen
Erklärungsmodelle der 68er-Bewegung als unmittelbare
Reaktion und nicht als längerfristige Lösung und
versuchte selbst mit der (Neu-)Aufladung des urbanen Raumes
als Wüste täglich ein anthropologisches Modell zu leben,
das zwar noch nicht konkret auf die sozialpolitischen
Probleme eingeht, aber jenen ambiguen Raum sicherstellt,
der es erst zulässt, „die Wüste in eine menschliche Welt zu
verwandeln“ (Arendt 2003: 181) oder wie der Kleine Prinz
resümiert: „Das Schöne an der Wüste ist, dass sie irgendwo
einen Brunnen versteckt hält.“
Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, ihre nahen Blicke baden
Ineinander, ohne Scheu befragt.
Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
Unser Flüstern, Denken... wird Gegröle...
Und wie still in dick verschlossner Höhle
Ganz unangerührt und ungeschaut
Steht ein jeder fern und fühlt: alleine.
– Städter, Alfred Wolfenstein
1883–1945
Arendt, H. (2003): Was ist Politik? Fragmente aus dem
Nachlaß. München: Pieper.
Bauer, T. (2018): Die Vereindeutigung der Welt. Über den
Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt. Ditzingen: Reclam.
De Fine Licht, K. P. (2017): Hostile urban architecture:
A critical discussion of the seemingly offensive art of
keeping people away. In: Etikk I Praksis – Nordic Journal
of Applied Ethics. 11. Jg. 2017/2. S. 27–44.
Delfieux, P.-M. (2014): Jérusalem, livre de vie: Par la Fraternité
monastique de Jérusalem. Paris: Cerf.
Lorenzer, A. (1981): Das Konzil der Buchhalter. Die Zerstörung
der Sinnlichkeit. Eine Religionskritik. Frankfurt
a.M.: Europäische Verlagsanstalt.
Mitscherlich, A. (1965): Die Unwirtlichkeit unserer Städte.
Anstiftung zum Unfrieden. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Rosa, H. (2017): Für eine affirmative Revolution. In: C.
Helge & P. Schulz (Hg.), Resonanzen und Dissonanzen.
Hartmut Rosas kritische Theorie in der Diskussion. Bielefeld:
transcript. S. 311–329.
Rosa, H. (2018): Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung.
Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Simmel, G. (2006): Die Großstädte und das Geistesleben.
Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Zweig, S. (1990): Die Monotonisierung der Welt. Frankfurt
a.M.: Suhrkamp.
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New york. Originalfoto: Tom adams via unsplash
Stadt & Umwelt
New Clark City
„Die Stadt der Zukunft“
Manila, die dicht bevölkerte Hauptstadt der Philippinen,
ist sowohl bekannt für ihren immerwährenden
Stau als auch für ihre Luftverschmutzung.
2016 wurde Manila als die Stadt mit dem
„schlechtesten Verkehr weltweit“ bewertet.
Um dem entgegenzuwirken, plant das Land eine
komplett neue, nachhaltige Stadt zu bauen –
New Clark City. Die Pläne für die 14 Milliarden
Dollar teure Vision, die mit rund 9450 Hektar
größer als Manhattan werden und 1,2 Millionen
Menschen beherbergen soll, beinhalten Drohnen,
autonome Autos, energie- und wasserreduzierende
Technologien und vor allem viel Grün.
Die Stadt der Brücken
Berlin ist eine grüne Oase: Mehr als 44 Prozent
der Stadt bestehen aus Wasserstraßen, Wäldern,
Flüssen und Grünanlagen. Berlin hat sogar mehr
Brücken als Venedig: Insgesamt zieren 1.700
Brücken das Stadtbild.
Regionale Resilienz Aachen e.V.
Der Verein wurde mit der Zielsetzung gegründet,
die StädteRegion Aachen resilienter und nachhaltiger
zu gestalten. Durch eine Zusammenarbeit
mit Partnern aus der Wissenschaft, Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft soll auf kommunaler
Ebene ein ganzheitliches und interdisziplinäres
Transformationskonzept entwickelt werden, das
sich den Nachhaltigkeitszielen auf ökologischer,
ökonomischer und sozialer Ebene verpflichtet:
„Mit dem Ziel, die StädteRegion auf Dauer zu einem
l(i)ebenswerten, ökologisch gesunden und
wirtschaftlich stabilen Raum zu gestalten, möchten
wir – gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren
– die Potentiale und Chancen, aber auch
die Verletzlichkeiten unserer Region ausloten,
Visionen und Projekte zu ihrer Entfaltung entwickeln
und diese in einem partizipativen und
transparenten Resilienz-Prozess engagiert umsetzen.“
(Regionale Resilienz Aachen e.V. 2017)
19 philou.
Opener
Urbane Resilienz
Die Grenzen der Stadt
Ann-Kristin Winkens
Umweltingenieurwissenschaften
In Zeiten eines globalen und komplexen Wandels müssen
sich auch Städte an die damit verbundenen Auswirkungen
anpassen, Veränderungen zulassen und plötzlichen Störungen
entgegentreten. Die Herausforderungen des Klimawandels,
der zunehmenden Verstädterung, des demografischen
Wandels sowie des technologischen Fortschritts sind in urbanen
Räumen besonders prägnant. Städte fungieren als
Drehscheibe für wirtschaftlichen Aufschwung, Zentren des
Wohlstands, der Innovation, Produktion und kultureller Interaktion
– gleichzeitig symbolisieren sie die Schere zwischen
Armut und Reichtum, systematischer Ungleichheit
und den anthropogenen Eingriffen in die Natur.
Städte sind hochkomplexe Systeme, die zahlreiche wirtschaftliche,
soziale und ökologische Faktoren miteinander
verknüpfen, wodurch sie extrem anfällig für Bedrohungen
durch beispielsweise Naturkatastrophen sind. Die Merkmale
einer Stadt, wie ihre Architektur, Bevölkerungsstrukturen
sowie Infrastruktursysteme erhöhen gleichzeitig die
Anfälligkeit für Erdbeben, Hochwasser oder Terroranschläge.
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten.
Die Vereinten Nationen sprechen von einem beispiellosen
Wachstum in der Stadt: 2015 lebten knapp 4 Milliarden
Menschen – 54 Prozent der Weltbevölkerung – in Städten
und bis 2030 wird ein Anstieg auf 5 Milliarden Menschen
prognostiziert.
Nach aktuellen Schätzungen einer Studie des Schweizer
Rückversicherungsunternehmens Swiss RE traten im Jahr
2017 301 Katastrophenereignisse auf, von denen 183 als
Naturkatastrophen deklariert wurden, die hauptsächlich auf
schwere Stürme, Niederschlag und Erdbeben zurückzuführen
waren. Insgesamt kamen mehr als 11.000 Menschen
COLONIAL QUITO
1534 Spanish Foundation of San
Francisco de Quito
1534 Checkboard layout of the
new “village”
1541 Quito declared as city
1563 Quito named as a Royal
Audience
QUITO Revolution
1809 First independence uprising
in South America
1822 Battle of Pichincha
Independence
1830 The Republic of Ecuador
is born, with Quito as its
capital city
Global Reference
1736 French Geodesic Mission Visit
defined the location of the
Equator
1978 Declared a World Heritage
Site
1989, 1996 Tumbes-Chocó-
Magdalena and the Northern
Andes declared as biodiversity
hotspots
2012 First Declaration of Areas for
Conservation and Sustainable
Use in the Metropolitan
District of Quito
Seismic
Territory
1541 Mount Antisana • MSK: 8
1587 San Antonio de Pichinch •
Richter: 6,3; MSK: 8
1627 Quito • MSK: 7
1755 Quito • Richter: 7,0; MSK: 9
1797 Riobamba • Richter: 8,3; MSK: 8
1859 Quito/Ibarra • MSK: 9
1868 Ibarra • Richter: 6,3 and 6,7;
MSK: 10
1919 Tambillo/Uyumbicho • MSK: 8
1938 Los Chillos Valley • Richter: 7,1;
MSK: 5
1949 Ambato • Richter: 6,8
1987 Sucumbíos • Richter: 6,9;
MSK: 9
1990 Pomasqu • Richter: 5,0; MSK: 7
2014 Quito • Richter: 5,1
2016 Pedernales • Richter: 7,8
2016 Quito • Richter: 4,7
Rainy Season
1975 Mudslide La Gasca • La Mariscal
1983 Mudslides Cotocollao and
former Quito Airport
1986 Mudslide La Raya
1997 Mudslide Santa Clara de San
Millán
2008 Floods and landslides El Recreo
2009 Mudslide Rumihurco
2010 Landslides and floods across
the city
2011 Landslide La Forestal
2012 Mudslide Ibarra neighborhood
2013 Mudslide Pomasqui
2017 Quito declares an emergency
for rains • Record rains: May
15mm
20
Stadt & Umwelt
durch Katastrophen ums Leben oder gelten seitdem als vermisst,
Millionen Menschen verloren ihr Zuhause. Weiterhin
haben sich die gesamtwirtschaftlichen Verluste 2017 im
Vergleich zu 2016 beinahe verdoppelt (2016: 180 Milliarden
USD; 2017: 337 Milliarden USD) – der zweithöchste weltweite
Gesamtschaden, der je verzeichnet wurde.
Um diesen Herausforderungen auch in urbanen Räumen
entgegenzutreten, wurde im Jahr 2013 von der Rockefeller
Stiftung die Initiative „100 Resilient Cities (100RC)“ ins Leben
gerufen. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, Städte weltweit
dabei zu unterstützen, resilienter gegenüber den physischen,
sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen des 21.
Jahrhunderts zu werden. 100RC definiert urbane Resilienz als
“the capacity of individuals, communities, institutions, businesses,
and systems within a city to survive, adapt, and grow
no matter what kinds of chronic stresses and acute shocks
they experience.”
United Nations
Sustainable Development Goals
Goal 11: Make cities and human
settlements inclusive, safe, resilient
and sustainable.
Eine Stadt kann entsprechend als resilient bezeichnet werden,
wenn sie fähig ist, externe oder interne Störungen vorherzusehen,
diese vorzubeugen, sich von ihnen zu erholen und
aufgrund dieser Erfahrung im besten Fall ihre Strukturen
und Funktionen zu verbessern. Um urbane Resilienz generieren
zu können, muss eine Stadt ganzheitlich betrachtet
werden. Das heißt, die inneren Strukturen sowie die interdependenten
Systeme gilt es gleichermaßen zu erkennen
und zu verstehen wie auch die daraus resultierenden Abhängigkeiten
und verbunden
Risiken. Die 100RC unterscheidet
zwischen „chronic
stresses“ und „acute shocks“:
Unter ersterem werden langsam
voranschreitende Katastrophen
verstanden, die das Gefüge einer Stadt schwächen.
Darunter fallen beispielsweise hohe Arbeitslosigkeit, endemische
Gewalt, chronischer Nahrungs- und Wassermangel
sowie ein ineffizientes oder überlastetes Verkehrssystem.
Acute shocks hingegen sind plötzliche, tief eingreifende Ereignisse,
wie beispielsweise Erdbeben, Überschwemmungen
oder Terroranschläge. Die meisten Städte erfahren jedoch
eine Kombination dieser Ereignisse, wie beispielsweise die
Folgen des Hurrikans Katrina in New Orleans im Jahr 2005
veranschaulicht haben. Die Auswirkungen des Sturms wurden
durch Gewalt, Armut, Umweltzerstörung und andere
chronic stresses verstärkt, wodurch letztlich ein Großteil
der Widerstandsfähigkeit New Orleans eingebüßt wurde.
Durch ein solch verheerendes Ereignis werden die Schwächen
einer Stadt nicht nur sichtbar gemacht, sondern auch
ervhöht – was den Aufbau von resilienten Strukturen erheblich
erschwert.
Städte sind gekennzeichnet von menschlichen Gemeinschaften
sowie physischen Systemen. Darunter sollen alle
konstruierten und natürlichen Komponenten verstanden
werden: Straßen, Gebäude, Infrastruktur, Energieeinrichtungen,
Kommunikationsnetzwerke, Wasser- und Abfallversor-
Volcanic Threat
1534 Mount Cotopaxi eruption
1566 Mount G. Pichincha eruption
1575 Mount G. Pichincha eruption
1582 Mount G. Pichincha eruption
1660 Mount G. Pichincha eruption
1734 Mount Cotopaxi eruption
1742 Mount Cotopaxi eruption
1744 Mount Cotopaxi eruption
1768 Mount Cotopaxi eruption
1802 Mount Reventador eruption
1856 Mount Reventador eruption
1877 Mount Cotopaxi eruption
1894–1898 Mount Reventador eruption
1998–1999 Mount G. Pichincha
eruptions
2000–2002 Mounts Reventador and G.
Pichincha eruptions
2015 Mount Cotopaxi reactivates
ECONOMIC
CRISES
1914 Cocoa crisis
1970 Oil Boom
1999 Financial Crisis/Banking Holiday
2000 Dollarization
2009–2014 Second oil boom
Hotspot for Protest
1592 Tax Revolution
1765 Quito’s Neighborhoods revolution
1875 Assassination of President G.
Moreno
1895 Liberal Revolution
1912 President Eloy Alfaro’s body
dragged through town
1932 Four-day war
1976–1979 Military dictatorship
1990 First indigenous uprising
1997 Fall of President Abdalá Bucaram
1997 Rosalía Arteaga takes power as
president and then is removed
from power in a period of 2 days
1999 Taxi drivers’ demonstration blocks
the streets of the entire city
2000 Fall of President Jamil Mahuad
2000 Military triumvirate takes power
for a few hours
2005 Forajidos Revolution
2005 Fall of President Lucio Gutierrez
2013 Protests against oil exploitation in
the Yasuni National Park
2015 Indigenous protests
2017 Post-presidential election protests
FOREST FIRES
1991 1.231 forest fires
1999 1.567 forest fires
2009 2.700 ha burned
2012 3.796 ha burned •
Quito declares a state
of emergency
2015 3.102 ha burned
INNOVATING
MOBILITY
1908 Guayaquil-Quito Railroad
Route
1914 Electric trams
1995 Trolley (first Bus Rapid Transit
[BRT] line)
2000 Ecovía (second BRT line)
2013 New Airport
2019 Quito Metro
21 philou.
“Resilience is what
helps cities adapt and
transform in the face
of these challenges,
helping them to prepare
for both the expected
and the unexpected.”
100
Resilient
Cities:
Quito,
Ecuador
(100 Resilient Cities)
zersiedlung in quito
1822
1921
1946
1978
1995
2016
Bei dem im Jahre 2013 ausgeschriebenen Wettbewerb
„100 Resilient Cities“ haben sich international
400 Städte beworben, um durch einen unterstützten
Prozess drei Jahre lang ihre jeweilige urbane Resilienz
strategisch verbessern zu können. Ein Beispiel hierfür
ist Quito, die Hauptstadt Ecuadors. Eingebettet in
den Anden, liegt Quito auf einer Höhe von 2850 Metern
– und damit die höchste Hauptstadt der Welt –
nur knapp 20 Kilometer südlich des Äquators. Quito
ist von 14 Vulkanen umgeben und der Großteil der
Stadt befindet sich auf sandigen Böden vulkanischen
Ursprungs. Die Stadt wurde 1978 aufgrund ihrer Architektur
und biologischen Vielfalt zum UNESCO Weltkulturerbe
ernannt. Gleichzeitig ist dieser kulturelle
und natürliche Reichtum durch verschiedene ökologische,
wirtschaftliche und soziale Herausforderungen
bedroht.
Der Großstadtbezirk ist täglich durch massive seismische
Bewegungen, Überschwemmungen und Waldbrände
einem Risiko ausgesetzt – allein im Jahr 2012
wurden 2.600 Waldbrände gemeldet. In den vergangenen
Jahrzehnten wurde die Stadt auch regelmäßig
Erdbeben und Vulkanausbrüchen ausgesetzt. Der Ausbruch
des Vulkans Pichincha im Jahr 1999 zwang den
Flughafen Quito zum Schließen, mit entsprechenden
wirtschaftlichen Folgen. Im Jahr 2011 führten knapp
144 Erdrutsche während der Regenzeit zu zahlreichen
Todesfällen und Schäden an Häusern in den am
stärksten gefährdeten Teilen der Stadt. Insbesondere
die ärmeren Regionen am Stadtrand – kaum stabile
Blechhütten gebaut auf rutschigen Steilhängen – sind
gefährdet, wenn ein Starkbeben auftritt, das die Siedlungen
sofort zerstören würde. Zuletzt im August 2015
wurde für ganz Ecuador der Ausnahmezustand verhängt,
da der Cotopaxi – ein 6.000 Meter hoher Vulkan
bei Quito – nach 75 Jahren tagelang Asche bis zu
22
Stadt & Umwelt
ECUADOR
16,5 Mio.
bevölkerung
fünf Kilometer in die Luft schleuderte, ein Ausbruch
war zur damaligen Zeit ungewiss. Trotz Ausnahmezustand
fand keine Aufklärung beispielsweise an den
Flughäfen statt, die Menschen trugen keine Atemmasken,
obwohl die Luft rußverschmutzt und die Gesichter
schwarz waren – was das Atmen in 2.800 Meter
Höhe beinahe unmöglich machte.
quito
Aktuell: 2,6 Mio.
2020: 2,8 Mio.
2040: 3,4 Mio.
Die Resilienzstrategie Quitos basiert auf einer Analyse
der Stärken und Chancen, die diese Herausforderungen
darstellen. Sie beinhaltet einen integrierten und
interdisziplinären Ansatz für die wichtigsten akuten
Schocks und chronischen Belastungen der Stadt. Bis
2040 soll die Strategie umgesetzt werden – basierend
auf der Vision of Quito 2040:
58
66
Bewohner/km 2 Gemeinden
“Quito in 2040, will be a city with a high quality of life,
capable of successfully facing all the challenges that
arise in the social, cultural, economic and environmental
fields and in the territory. It will thus become
a resilient city and will have ensured the sustainable
development of its population.”
Beispiele für chronic stresses der Hauptstadt Ecuadors
sind Siedlungen in risikoreichen Gebieten, Umweltzerstörung
oder Verlust der biologischen Vielfalt. Acute
shocks sind unter anderem Starkregenfälle, Erdbeben,
Waldbrände oder vulkanische Eruptionen. Interessant
dabei ist jedoch der Fokus auf die weitestgehend externen
Einflüsse, wie Naturkatastrophen.
Auf knapp 70 Seiten wird die Resilienzstrategie der
Stadt unter Einbindung verschiedener Akteure wie Politik
und Wirtschaft dargestellt und erläutert.
Quelle (Informationen & Daten zu Quito):
http://www.100resilientcities.org/strategies/quito/
Jeder zweite Quinteño ist
unter 29 Jahre alt
2,08 Tonnen
C0 2
pro Kopf
14,78ºC
durchschnittliche
Temperatur
16
Vulkanausbrüche in
den letzten 500 Jahren
60%
Jugendarbeitslosigkeit
2,037 Tonnen
Müll pro Tag
1,2ºC
Temperaturanstieg in
den letzten 100 Jahren
23 philou.
gung, Geologie und Topografie. Diese physischen Systeme
halten die Stadt in ihrem Ganzen zusammen und bilden das
Grundgerüst für das menschliche Leben innerhalb der Stadt.
Diese Systeme müssen während einer Belastung standhalten
und funktionieren – ein fragiles Stadtgerüst kann nicht
resilient sein und erhöht die Anfälligkeit für Katastrophen.
Die Hoffnung, die Lösung im technologischen Fortschritt
von Frühwarnsystemen zu finden, bleibt unerfüllt. Präzise
und verlässliche Frühwarnsysteme für Naturkatastrophen
stecken nach dem heutigen Stand der Wissenschaft noch
in den Kinderschuhen. Insbesondere Erdbeben sind unberechenbar,
wie beispielsweise das Starkbeben in Mexiko City
2017 gezeigt hat – ein Hochrisikogebiet für Erdbeben. Die
Vorwarnzeit betrug knapp 20 Sekunden – von Vorhersage
kann hier nicht gesprochen werden, was eine Evakuierung
unmöglich macht. Prognosen sind hier nicht nur unzuverlässig,
sondern auch schlichtweg nicht machbar. Deshalb
müssen Städte, urbane Strukturen und Systeme per se resilient
geplant, konstruiert und betrieben werden – der Fokus
sollte auf Prävention und nicht auf Schadensbehebung
bzw. Nachsorge liegen.
Wenn wir genau wüssten, wann, wo und wie sich Katastrophen
in der Zukunft ereignen würden, könnten Systeme
so entwickelt und geplant werden, dass sie Störungen wiederstehen.
Katastrophen- und Risikomanagement zeichnet
sich jedoch durch Unsicherheiten und Ungewissheiten aus,
entsprechend müssen Städte so entworfen werden, dass sie
mit Eventualitäten effektiv umgehen können. Städte sind
komplexe und dynamische Systeme, in denen technologische
und soziale Komponenten interagieren, wodurch
die Schwierigkeiten in der Planung weiter erhöht werden.
Die Planung einer resilienten Stadt erfordert dichotome
Konzepte, die in sich greifen: Zwischen Redundanz und
Effizienz, Diversität und Interdependenz, Stabilität und
Flexibilität, Autonomie und Zusammenhalt, Kontrolle und
Unvorhersehbarkeit.
Weiterführende Literatur
Figueiredo, L.; Honiden, T.; Schumann, A. (2018): “Indicators
for Resilient Cities”, OECD Regional Development
Working Papers, 2018/02, OECD Publishing, Paris.
Holling, C. S. (1973): Resilience and stability of ecological
systems. In: Annual Review of Ecology and Systematics.
4/1973. Vancouver: Institute of Resource Ecology, University
of British Columbia.
ICLEI – Local Governments for Sustainability (2018): ICLEI
in the urban era. Bonn, Germany.
Institutionelle Trends mit dem
Thema urbane Resilienz
••
Das United Nations Development Programm (UNDP) veröffentlichte
2012 das Community-Based Resilience Analysis tool, mit
dem Ziel, die Schlüsselkomponenten der Community Resilience
zu messen und zu identifizieren sowie verschiedene humanitäre
Maßnahmen zur Umsetzung dieser Merkmale zu bewerten.
••
Die Kampagne der United Nations for Disaster Risk Reduction
(UNISDR) Making Cities Resilient (seit 2010) unterstützt eine
nachhaltige Stadtentwicklung, indem sie Maßnahmen zur Resilienz
fördert sowie das Verständnis für Katastrophenrisiken
vor Ort verbessert.
••
Die Weltbank hat 2013 das Resilient Cities Programm ins Leben
gerufen, eine mehrjährige Initiative, mit deren Hilfe Städte
urbane Resilienz stärken können, die mit dem Klimawandel,
Naturkatastrophen und anderen systemischen Störungen zusammenhängen.
Im Jahr 2016 veröffentlichte die Weltbank in
Zusammenarbeit mit Global Facility for Disaster Reduction and
Recovery den Bericht Investing in Urban Resilience: Protecting
and Promoting Development in a Changing World.
••
Der City Resilience Index der Rockefeller Stiftung (2016) enthält
Grundsätze, Indikatoren und Praktiken zur Bewertung und
Förderung von Resilienz. Dabei wird die Bedeutung eines umfassenden
und ganzheitlichen Rahmens zur Verbesserung der
Funktion von Städten hervorgehoben.
••
Das 100 Resilient Cities Programm wurde 2013 von der Rockefeller
Stiftung mit Unterstützung eines breiten Netzwerks globaler
Partner ins Leben gerufen. Das Programm unterstützt die Entwicklung
neuer Resilienzstrategien und unterstützt die Einstellung
eines Chief Resilience Officer für jede teilnehmende Stadt.
••
ICLEI – Local Governments for Sustainability verfügt über ein
übergreifendes Programm für Resilienz in Städten, Resilient Cities,
das sich mit Fragen der Abschwächung und Anpassung
an den Klimawandel, der Minderung von Katastrophenrisiken
und der Lebensmittelsicherheit befasst. Das Programm bietet
eine Reihe von Konferenzen, Seminaren, Netzwerken, Tools
und Leitfäden an, um sowohl zu informieren als auch direkt von
Führungskräften über Bemühungen zur Stärkung der Resilienz
auf allen Regierungsebenen zu lernen.
••
Die Europäische Kommission hat im Jahr 2016 das Projekt
RESCCUE – RESilience to cope with Climate Change in Urban
arEas – ins Leben gerufen, mit dem der Klimawandel im städtischen
Bereich bewältigt werden soll: ein multisektoraler Ansatz,
der sich auf Wasser konzentriert. Es zielt darauf ab, Städte auf
der ganzen Welt dabei zu unterstützen, physischen, sozialen
und wirtschaftlichen Belastungen oder Schocks zu begegnen,
und den Wassersektor als Einstiegspunkt in die städtischen Systeme
heranzuziehen.
24
Artikel
Stadt & Umwelt
Der Lebensraum
des Menschen
Eine ökologische Betrachtung der Stadt
Aaron FördereR
Angewandte GEowissenschaften
„Hörst du die Sträucher rascheln
Hörst du die Äste knacken
wenn wir die Bäume fällen
Platz für die Städte schaffen“
– Antilopen Gang: Beton
Seitdem der Mensch wie wir ihn kennen vor ca. 300.000
Jahren zum ersten Mal die Erde bevölkerte, ist er einen beeindruckenden
Wandel durchlaufen. Wie auch für andere
Spezies änderten sich die Lebensumstände und -gewohnheiten
des Homo sapiens im Laufe der Zeit. Doch die Geschwindigkeit,
mit der dieser Wandel voranschritt, ist, genau
wie dessen Ausmaße, gewaltig. Innerhalb kürzester Zeit verwandelte
der Mensch das Antlitz der Erde. Er grub Tunnel,
leitete Wasser, bändigte Tiere, stellte Fahrzeuge her und
riss Berge und Wälder nieder, um daraus Städte aufzubauen.
Mittlerweile wird sogar vom Anthropozän gesprochen – das
Erdzeitalter des Menschen.
Bis Anfang dieses Jahrtausends wurden anthropogene (griechisch:
„vom Menschen gemachte“) Aktivitäten in der Erforschung
von Ökosystemen als störend empfunden. Wenn
es um die Erforschung von Lebewesen und deren Lebensräume
ging, wurde von Ökologen zumeist der „natürliche
Zustand“ gesucht, was Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts
wie Charles Darwin an die abgelegensten Orte dieser
Welt führte.
Doch der anthropogene Einfluss steigt mit dem Wachstum
unserer Städte stetig an und es zeigt sich ein Paradigmenwechsel
in der Ökologie. Mittlerweile interessieren sich immer
mehr Forscher für unseren eigenen Lebensraum und
wie dieser mit seiner Umwelt interagiert (vgl. Collins et al.
2000: 416).
Mit dem Bau von Städten gestaltet der Mensch sein Habitat
selber und passt seine Umwelt radikal an seine individuellen
Bedürfnisse an. Dabei werden ganze Landschaften verändert,
Nähr- und Gefahrenstoffe mobilisiert und umgewandelt,
das Überleben anderer Spezies wird gesichert und das
Aussterben anderer Arten wird vorangetrieben. Dies macht
den Homo sapiens zu einem mächtigen, global agierenden
Spieler im Bereich der Ökosysteme. Und hier kommt das
relativ junge Forschungsfeld der urbanen Ökologie ins Spiel:
Dieses erforscht die Organismen in urbanen Lebensräumen
und wie sie miteinander und mit ihrer Umwelt interagieren
(vgl. Niemelä 1999: 119).
Städte sind mittlerweile der dominierende Lebensraum des
Menschen. Ihr Wachstum scheint mit unserem schnellen
technologischen Fortschritt zu korrelieren: Während 1950
bereits 751 Millionen Menschen weltweit in Städten lebten,
wohnen 2018 4,2 Milliarden Menschen im urbanen Raum
– das entspricht 55% der Weltbevölkerung. Die Prognosen
für die Zukunft folgen diesem Trend: Bis 2050 soll der Anteil
der urbanen Bevölkerung auf 68% ansteigen (vgl. United
Nations 2018). Immer mehr Menschen ziehen in Städte, und
wie diese wachsen, so wächst auch der Einfluss, den sie auf
ihre Umwelt haben. In kaum einem anderen Lebensraum hat
der Mensch seine Umwelt so radikal an sich angepasst wie in
der Großstadt. Und diese Anpassung hat Erfolg, denn Städte
erfüllen viele menschliche Bedürfnisse sehr effektiv. Eine
flächendeckende medizinische Versorgung führt zu höheren
Überlebenschancen. Vielfältige Berufsfelder, eine hohe kulturelle
Diversität und leichte Kommunikation durch kurze
Wege machen den urbanen Lebensraum für viele Menschen
attraktiv. Neben diesen Vorteilen ergeben sich allerdings
auch neue Herausforderungen: Durch die mit der Urbanisierung
einhergehende Ballung von Industriestandorten
25 philou.
werden Schadstoffe in Boden, Wasser und Luft freigesetzt,
die dem Menschen und seiner Umwelt großen Schaden zufügen
können. Die Flächenversiegelung durch Beton und
andere Baustoffe verändert den Wasserkreislauf und steigert
die Temperaturen in Städten in erheblichem Ausmaß
(vgl. Murakami et al. 2000; Umweltbundesamt 2013). Die
Zufuhr von Energie und Nährstoffen aus entfernten Gebieten
wird notwendig. In Zeiten der Globalisierung hat dies
Auswirkungen auf weit entfernte Ökosysteme. Menschliche
Ballungsgebiete stören natürliche Abläufe massiv – es wird
sogar vermutet, dass natürliche Niederschlagszyklen durch
unsere Aktivitäten geändert werden (vgl. Cerveny/Balling
1998: 562).
Diese Eingriffe in unser Umfeld bleiben nicht folgenlos. In
2013 führte ein Starkregenereignis in Uttarakhand (Indien)
zu Überflutungen und Landrutschungen, die zu mindestens
5700 Toten führte. Für die katastrophalen Ausmaße
der Flut waren vor allem menschliche Strukturen verantwortlich.
Durch jahrelange Waldrodung sowie den schlecht
durchdachten Bau von Straßen, Hotelanlagen und Dämmen
wurden die Fließwege von Flüssen und Niederschlägen verändert.
Als dann am 16. Juni 2013 besonders viel Wasser auf
die Erde traf, entfaltete es aufgrund neuer Abflusswege eine
ungeahnte Zerstörungskraft (vgl. Shadbolt 2013). Es scheint,
als wäre der technische Fortschritt hier auf Kosten langfristiger
ökologischer Planung bevorzugt worden zu sein – mit
verheerenden Folgen.
Die südafrikanische Wasserkrise ist ein weiteres Beispiel
dafür, dass das Tempo der Urbanisierung oftmals nicht im
Einklang mit den natürlichen Systemen ist, auf die sich unsere
Städte stützen. Seit 1995 ist die Zahl der Bewohner von
Kapstadt um 79% gestiegen, die Wasserspeicherkapazitäten
jedoch nur um 15%. Dies führte immer wieder zu Einschränkungen
des individuellen Wassergebrauchs. 2018 erreichten
die Speicher erneut kritische Werte, sodass vom Eintreffen
des „Day Zero“, dem Tag, an dem der 4,3-Millionen-Stadt
das Wasser ausgeht, gesprochen wurde. Das Desaster wurde
nur abgewandt, indem die Bewohner selbst ihren Wasserverbrauch
limitierten (vgl. Bohatch 2017).
Aus einer größeren Perspektive sind dramatische ökologische
Ereignisse nicht ungewöhnlich: Die Lebensbedingungen
verändern sich und die davon betroffenen Lebewesen müssen
sich anpassen. Die Urbanisierung ist im Vergleich mit
anderen großen Ereignissen der Erdgeschichte gar nicht so
signifikant – der Meteoriteneinschlag zum Ende der Kreidezeit
oder das Massensterben zum Ende des Perms führten
zu weitaus dramatischeren Veränderungen der Lebensräume
als die Urbanisierung heute. Sie sticht jedoch gegenüber
diesen anderen dramatischen Ereignissen der Erdgeschichte
dadurch hervor, dass sie vom Menschen bewusst geschaffen
wird – anders, als die Evolution oder ein großer Vulkanausbruch.
Die Inanspruchnahme der Natur durch den
Menschen scheint zudem in einem unnatürlich schnellen
Tempo voranzuschreiten. Wirtschaftliches Wachstum steht
an erster Stelle und die dramatischen Folgen, die damit einhergehen,
werden häufig erst im Nachhinein beobachtet anstatt
bereits vorher antizipiert zu werden.
Doch ist das Ökosystem der Stadt nun mal auf andere Systeme
angewiesen, die Rohstoffe wie Wasser, Essen und Baumaterial
liefern. Die Betrachtung des urbanen Lebensraumes
aus diesem Standpunkt heraus zwingt uns somit, unsere Rolle
zu hinterfragen. Sehen wir uns als Lebewesen, die in ihrem
urbanen Lebensraum allen anderen Spezies überlegen sind?
Oder verstehen wir uns als Bewohner eines urbanen Ökosystems,
welches Teil eines großen Flickenteppichs voller miteinander
interagierender Systeme ist? Hier zeigt sich einer
der wertvollen Aspekte, den die Stadtökologie beleuchtet.
Den Lebensraum des Menschen zu erforschen heißt, dessen
Rolle in Bezug auf die Pflanzen und Tiere, mit denen
er interagiert, zu erforschen. So entsteht die Notwendigkeit
unser anthropozentrisches Denken zu verlassen und uns als
integralen Teil unserer Umwelt zu sehen. Das bedeutet einerseits,
unsere grundlegenden Bedürfnisse wie Nahrung,
Schutz und soziale Interaktion zu verstehen. Wir passen
die Städte kontinuierlich daran an, um diese Bedürfnisse
zu erfüllen. Deshalb müssen andererseits auch die Folgen
26
Stadt & Umwelt
verstanden werden, die daraus resultieren. Aus Ereignissen
wie der Flut in Uttarakhand muss der Mensch lernen, die
Zusammenhänge zwischen seinem Siedlungsbau und seiner
Umwelt zu verstehen.
Manche Entscheidungsträger in der Stadtentwicklung
haben dies erkannt und ziehen aus neuen Erkenntnissen
Konsequenzen. „Green Citiy“-Initiativen sind ein aktuelles
Beispiel, wie der urbane Raum aus einer umweltbewussteren
Perspektive gestaltet werden kann (vgl. Rosemont 2018).
Neben innovativen Technologien wie neuen Baustoffen ist
hier vor allem intelligente Planung gefordert. Das Städtewachstum
muss in den nächsten Jahrzehnten auf intelligentere
Planung setzen. Von Versorgung über Mobilität bis zu
Grünflächen müssen integrative Konzepte erstellt werden.
Das bedeutet, dass die Konsequenzen der Gestaltung unseres
Lebensraumes sowohl lokal als auch (über-)regional in
Betracht gezogen werden müssen. Durch Ansätze wie diese
werden ökologische Probleme der Stadt bekämpft und
so die Lebensqualität erheblich gesteigert – getrieben von
einem Selbstverständnis des Menschen als Teil eines größeren,
komplexen Systems. In Zeiten des globalen Wandels
ist das sicherlich ein Konzept, dem mehr Beachtung
gebührt.
Bohatch, T. (2017): What’s causing Cape Town’s
water crisis? In: GroundUp. Online verfügbar
unter: https://www.groundup.org.za/article/
whats-causing-cape-towns-water-crisis/ [Zugriff:
05.12.2018].
Cerveny, R. S.; Balling, R. C. (1998): Weekly cycles
of air pollutants, precipitation and tropical
cyclones in the coastal NW Atlantic region. In: Nature.
394. Jg. 1998/6700. S. 561–563.
Collins, J. P. et al. (2000): A New Urban Ecology.
In: American Scientist 5. Jg. 2000/88. S. 416ff.
Murakami, S. et al. (2000): Development of
software platform for total analysis of urban heat
island. In: 14th JSCFD Symposium, D08–3, (in Japanese
with English abstract).
Niemelä, J. (1999): Ecology and Urban Planning.
In: Biodiversity and Conservation. 8.Jg. 1999. S.
119–131.
Rosemont, S. (2018): Earth Day 2020 Cities. In:
Earth Day. Online verfügbar unter: https://www.
earthday.org/campaigns/green-cities/earth-day-
2020-cities/ [Zugriff: 20.11.2018].
Shadbolt, P. (2013): Indian floods a man-made
disaster, say environmentalists. In: CNN,
25.06.2013. Online verfügbar unter: https://
edition.cnn.com/2013/06/25/world/asia/india-floods-development/index.html
[Zugriff:
05.12.2018].
Umweltbundesamt (2013): Flächenversiegelung.
In: Umweltbundesamt, 08.10.2013. Online verfügbar
unter: https://www.umweltbundesamt.de/
daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/boden/bodenversiegelung
[Zugriff: 10.11.2018].
Umweltbundesamt (2018): Feinstaub-Belastung.
In: Umweltbundesamt, 12.09.2018. Online verfügbar
unter: https://www.umweltbundesamt.de/
daten/luft/feinstaub-belastung#textpart-1 [Zugriff:
10.11.2018].
United Nations (2018): Revision of world urbanization
prospects. In: UN, 16.05.2018. Online verfügbar
unter: https://www.un.org/development/desa/
en/news/population/2018-revision-of-world-urbanization-prospects.html
[Zugriff: 01.11.2018].
27 philou.
Artikel
Viel Lärm um nichts?
Merle Riedemann
Medizin
Ob Hauptstraße, feiernde Nachbarn oder kläffende Hunde
– mit der Großstadt kommt der Krach, aber ist dieser
nur lästig oder tatsächlich eine gesundheitsgefährdende
„Geräusch-Verschmutzung“?
Mit dieser Frage beschäftigte sich auch die World Health
Organisation im Jahr 2011 (WHO 2011). Sie wollte herausfinden,
wie viele gesunde Lebensjahre in Europa durch
Lärm „verloren gehen“ und erörterte in einer Übersichtsarbeit
unter anderem die Auswirkungen, welche Lärm auf
das Herzkreislauf-System sowie die kognitive Leistungsfähigkeit
von Kindern hat.
Herzkreislauf-Erkrankungen
Aus medizinischer Perspektive ist ein hoher Geräuschpegel
ein „nicht-spezifischer Stressor“ (vgl. WHO 2011), also ein
Reiz, der das vegetative Nervensystem und das hormonelle
System, welche die Funktionen des Körpers kontrollieren,
aktiviert und in Alarmbereitschaft versetzt (vgl. Maschke
et al. 2000). Dies äußert sich durch einen schnelleren Puls
und einen höheren Blutdruck – eigentlich völlig gesunde
Reaktionen auf Stress. Geschieht dies jedoch immer wieder,
kann es zu einer Dysregulation der normalen Körperfunktionen
kommen, was unter anderem mit Herz- und Gefäßerkrankungen
in Zusammenhang steht (vgl. Sabbah et al.
2008). Die kurzfristigen Auswirkungen von Lärm auf das
Herzkreislaufsystem ließen sich, wenn auch in einem etwas
befremdlich anmutenden Versuch, schon vor 30 Jahren im
Labor nachweisen (vgl. Flynn et al. 1988). So konnte man
bei narkotisierten Meerschweinchen, welche fünf Minuten
lang über Kopfhörer einem Geräuschpegel von 115 Dezibel
Die WHO gibt die Anzahl der verlorenen Lebensjahre
in DALY (Disability Adjusted Live Years) an. Der
Wert setzt sich sowohl aus den Lebensjahren zusammen,
die durch frühzeitigen Tod verloren gehen, als
auch aus den Jahren mit eingeschränkter Lebensqualität
auf Grund von Krankheit. Unterschiedlichen Krankheiten
werden dabei in Abhängigkeit ihrer Schwere
ein „disability weight“ beigemessen, welches durch
das Global Burden of Disease Project (GBD)
festgelegt wird. Als Maßstab für die „maximale Lebenserwartung“
gilt dabei die durchschnittliche Lebenserwartung
der Bürger Japans (vgl. WHO 2018).
(dB), in etwa die Lautstärke einer Hupe, ausgesetzt wurden,
einen deutlichen Anstieg des Blutdrucks messen. In Abhängigkeit
des Narkosemittels kam es initial sogar fast zu einer
Verdopplung des Ausgangwertes.
Selbstverständlich lassen sich derartig künstliche Umstände
nicht eins zu eins auf die tatsächliche Lebensrealität von
Menschen übertragen, doch auch im echten Leben lassen
sich Auswirkungen von Lärm, etwa durch einen Flughafen,
bemerken. Beispielsweise wurde im Rahmen einer Studie
aus dem Jahre 2002 untersucht, wie sich der Blutdruck der
Anwohner nahe des Flughafens Schiphol in Amsterdam zu
dem Blutdruck von Einwohnern in weniger lauten Regionen
verhält (vgl. Franssen et al. 2002). Dabei wurde festgestellt,
dass die Anwohner rund um den Flughafen, welche dauerhaft
einem Geräuschpegel über 55dB (etwa Zimmerlautstärke)
ausgesetzt waren, pro 5dB über 55dB, ein 26% höheres
Risiko hatten, an Bluthochdruck zu erkranken.
Auch die WHO kommt in ihrem Report (2011) unter Berücksichtigung
zahlreicher Untersuchungen zu dem Schluss,
dass etwa 1,8% der DALYs in der EU, welche durch Her-
28
Stadt & Umwelt
zerkrankungen entstehen, auf die Auswirkungen von Lärm
zurückzuführen sind. (3,4 Mio. DALYs insgesamt durch
Herzerkrankungen auf 4,1 Mio. Einwohner in High Income
Ländern der EU)
Kognitive Beeinträchtigung bei Kindern
Ob Musik hören beim Lernen hilft oder stört, darüber scheiden
sich die Geister. Gut erforscht ist jedoch, welchen Effekt
Lärm auf die Leistungsfähigkeit von Kindern hat – von
der WHO definiert als:
„Reduktion der kognitiven Leistungsfähigkeit von Schulkindern,
welche während der Exposition von Lärm auftritt
und für einige Zeit nach Beendigung der Exposition anhält.“
(WHO 2011)
Um die Effekte von Lärm in einem möglichst natürlichen
Setting zu beobachten, führte ein internationales Team von
Psychologen 1992 ein Feldexperiment am damals neu eröffneten
Flughafen in München durch. Sie untersuchten in
mehreren Studien, welche Einschränkungen die Kinder im
Einzugsgebiet des alten Flughafens hatten, wie sich diese
nach dessen Schließung verhielten und wie sich die Leistungsfähigkeit
der Kinder entwickelte, welche in der Nähe
des neu in Betrieb genommenen Flughafens wohnten. Es
zeigte sich, dass in beiden Fällen ein hoher Lärmpegel zu
der gleichen Einschränkung des Langzeitgedächtnisses und
des Leseverständnisses führte, der Effekt aber reversibel war
und bei den Kindern um den alten Flughafen zwei Jahre
nach Wegfall des Lärms nicht mehr auftrat (vgl. Evans et
al. 1995–2002).
Dass es durchaus einen Unterschied zwischen Fluglärm und
Straßenlärm geben könnte, zu diesem Schluss kam die großangelegte
RANCH-Studie (Road traffic and Aircraft Noise
exposure and Childrens cognition and Health) von 2005,
an der über 2.800 Kinder aus drei Ländern teilnahmen (vgl.
Stansfeld et al. 2005/2010). Sie bezog unter anderem die
sozioökonomische Situation, Ausbildung und Herkunft der
Eltern mit ein, um zu verhindern, dass es zu einer Verzerrung
der Ergebnisse kommt, etwa weil sozial schwächere Menschen
eher in der Nähe von Flughäfen wohnen. So schien
es einen linearen Zusammenhang zwischen der Exposition
zu Flugzeuglärm und Defiziten im Leseverständnis und
dem Langzeitgedächtnis zu geben, in Zusammenhang mit
Straßenlärm ließ sich dieser Effekt aber nicht feststellen.
Tatsächlich zeigte sich das episodische Gedächtnis bei Kindern,
welche in viel befahrenen Gegenden wohnten, sogar
29 philou.
Leiseste Großstädte
Lauteste Großstädte
Zürich CH
0,02
10,63
Guangzhou CN
1,82
17,43
Wien AT
0,07
10,59
Delhi IN
1,72
19,34
Oslo NO
0,23
11,94
Kairo EG
1,70
18,03
München DE
0,24
12,02
Mumbai IN
1,67
18,58
Stockholm SE
0,26
11,86
Istanbul TR
1,57
18,33
Düsseldorf DE
0,30
12,56
Peking CN
1,41
16,18
Hamburg DE
0,37
11,46
Barcelona ES
1,36
16,01
Portland US
0,41
11,81
Mexiko-Stadt MX
1,32
16,19
Köln DE
0,42
12,01
Paris FR
1,31
15,26
Amsterdam NL
0,43 12,59
Buenos Aires AR
1,30
16,54
Die 10 leisesten/lautesten Großstädte im Mimi Hör-Index.
Daten: mimi.io Hör-Index 2017, via Statista.
GESAMT-HÖRVERLUST
(Index-Wert) 10 HÖRVERLUST IN JAHREN 20
Das zusätzliche, durchschnittliche Höralter,
welches ein Bewohner einer der jeweiligen
Großstädte im Vergleich zu seinem tatsächlichen
Alter aufweist.
als besser ausgeprägt, als das der Kontrollgruppe. Die Wissenschaftler
der RANCH Studie vermuteten daher, dass
Flugzeuglärm durch seine Unvorhersehbarkeit und höhere
Lautstärke einen negativeren Effekt auf die Leistungsfähigkeit
habe, als konstanter Straßenlärm.
Unter Bezugnahme auf weitere Studien errechnete die
WHO 2011 mit den Daten Schwedens als Beispiel für ein
wohlhabendes europäisches Land, dass etwa 107 DALYs
pro 1 Million Einwohner durch kognitive Einschränkungen
bedingt durch Lärmbelästigung verloren gehen.
Störend ist immer der Lärm, den man nicht selbst verursacht
und mitten in der Stadt gibt es unter Umständen mehr davon,
als erträglich ist. Solange man jedoch nicht in der Einflugschneise
eines Flughafens lebt oder einen hauptberuflichen
Trompeter zum Nachbarn hat (vgl. Pressemitteilung Bundesgerichtshof
Nr. 171/2018), halten sich die gesundheitlichen
Einschränkungen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit
von Hirn und Herz in Grenzen. Wird man durch anhaltenden
Lärm merkbar am konzentrierten Arbeiten oder im
Schlaf gestört, Schnarchen kann durchaus eine Lautstärke
von 60dB erreichen (vgl. Lee et al. 2016), sollte man über
die Verwendung von Ohrstöpseln oder gegebenenfalls einen
Umzug nachdenken.
Bundesgerichtshof (2018): Trompetenspiel in einem Reihenhaus.
Mitteilung der Pressestelle. Nr. 171/2018. Online verfügbar unter:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&pm_nummer=0171/18
[Zugriff:
16.12.2018].
Evans, G. W. et al. (1995): Chronic noise and psychological stress.
In: Psychological Science. 6. Jg. 1995/6. S.333–338.
Evans, G. W. et al. (1998): Chronic noise exposure and physiological
response: a prospective study of children living under environmental
stress. In: Psychological Science. 9. Jg. 1998/1. S. 75–77.
Evans, G. W. et al. (2002): A prospective study of some effects of
aircraft noise on cognitive performance in school children. In: Psychological
Science. 13. Jg. 2002/5. S 469–474.
Flynn, A. J. et al. (1988): Blood pressure in resting, anesthetized and
noise-exposed guinea pigs. In: Hearing Research. 34. Jg. 1988/2. S.
201–206.
Franssen, E. A. et al. (2002): Assessing health consequences in
an environmental impact assessment. The case of Amsterdam Airport
Schiphol. In: Environmental Impact Assessment Review. 22. Jg.
2002/6. S. 633–653.
Lee, G. S. et al. (2016): The Frequency and Energy of Snoring
Sounds Are Associated with Common Carotid Artery Intima-Media
Thickness in Obstructive Sleep Apnea Patients. In: Scientific Reports.
6. Jg. 2016/30559.
Maschke, C. et al. (2000): The influence of stressors on biochemical
reactions – a review of present scientific findings with noise. In:
International Journal of Hygiene and Environmental Health. 203. Jg.
2000/1. S. 45–53.
Sabbah, W. et al. (2008): Effects of allostatic load on the social gradient
in ischaemic heart disease and periodontal disease: evidence
from the Third National Health and Nutrition Examination Survey. In:
Journal of Epidemiology and Community Health. 62. Jg. 2008/5.
S.415–420.
Stansfeld, S. A. et al. (2005): Aircraft and road traffic noise and
children’s cognition and health: a cross-sectional study. In: Lancet.
365. Jg. 2005/9475. S. 1942–1949.
Stansfeld, S. A. et al. (2010): The effects of road traffic and aircraft
noise exposure on children´s episodic memory: the RANCH project.
In: Noise and Health. 49. Jg. 2010/12. S. 244–254.
WHO (2011): Burden of Disease from Environmental Noise. Quantification
of Healthy Life Years Lost in Europe. Geneva.
WHO (2018): About the Global Burden of Disease (GBD) project.
Online verfügbar unter: http://www.who.int/healthinfo/global_burden_disease/about/en/
[Zugriff: 01.12.2018].
30
Artikel
Stadt & Umwelt
Copenhagenize
Das Fahrrad als Verkehrsmittel der Zukunft?
Anonym
Mobilität ist ein zentrales und relevantes Thema im Diskurs
um nachhaltige Stadtgestaltung. Neben den Aspekten
wie Nutzerfreundlichkeit, Digitalisierung und städtebaulicher
Umsetzung haben verschiedene Mobilitätskonzepte
auch entsprechend Einfluss auf die Umwelt. Der Ausbau
von Straßen und die Flächeninanspruchnahme durch die
Ausgestaltung weiterer Parkflächen erhöhen das Verkehrsaufkommen
proportional. Damit sind wiederum entsprechend
hohe Feinstaub- und Lärmbelastungen verbunden,
die das Leben in der Stadt enorm beeinträchtigen. Doch
kann ein Verzicht einer privilegierten – automobilen – Verkehrsauswahl
Fußgänger, Radfahrer sowie den öffentlichen
Nahverkehr tatsächlich begünstigen?
Kopenhagen, Utrecht, Amsterdam – laut dem Copenhagenize
Index 2017 sind das die drei fahrradfreundlichsten Städte
weltweit (vgl. Copenhagenize Design Company 2017). Hier
teilen sich sowohl Autos als auch Fahrradfahrer gleichwohl
den Platz auf kommunalen Straßen und Fahrradfahrer sind
sicher vor zu schnell fahrenden oder zu hastig abbiegenden
PKWs. Diese werden wiederum im fließenden Verkehr
nicht aufgehalten und können auf ihrer Spur im vorgegeben
Tempo fahren. Eine solch ausgeglichene Verkehrssituation
ist kaum vorstellbar auf deutschen Straßen. In vielen
deutschen Städten dominieren innerorts PKWs auf der
Straße, Fahrradfahrer werden als der Feind des fließenden
Verkehrs deklariert. Doch wieso ist das so? Warum ist, statistisch
gesehen, das Fahrrad kein sicheres Verkehrsmittel?
Im 21. Jahrhundert, einem Jahrhundert der (verstärkt) voranschreitenden
Urbanisierung, in dem immer mehr Menschen
in die Stadt ziehen, scheinen die Antworten auf diese
Fragen längst überfällig.
In Kopenhagen gibt es für den beispiellosen Wandel der
Infrastruktur in und um die Innenstadt herum sogar einen
Namen: Copenhagenize it! Wer schon einmal in Kopenhagen
oder einer beliebigen Stadt in den Niederlanden gewesen
ist, dem fiel sofort eins auf: Fahrräder sind überall. Wenn
man genauer hinschaut, oder sogar selbst in den Fluss des
31 philou.
3
1
25 27
28
37
2
21
35
12
30
15
14
21
42
52
3
32
KOPENHAGEN MÜNCHEN LONDON PARIS
4
5
1 3 7
9
11
22 29
42
1
78
44
44
LOS ANGELES SINGAPUR JOHANNESBURG
MOTORISIERTER
INDIVIDUALVERKEHR
ÖFFENTLICHER VERKEHR
FAHRRADVERKEHR
FUßGÄNGERVERKEHR
SONSTIGES
Mobilität in Städten. Anteile zurückgelegter Wege nach Fortbewegungsmittel in Großstädten in Prozent (Modal Split).
Eigene Darstellung. Daten: [alle außer Paris] Wulfhorst, G., Priester, R. und Miramontes, M. (2013): What Cities Want, MAN SE
(Auftraggeber und Herausgeber). [Paris] Observatoire de la mobilité en Île-de-France (2012): Enquête Globale Transport (EGT).
Fahrradverkehrs kommt, wird schnell klar, warum sich hier
so viele Menschen auf zwei Rädern fortbewegen: es ist die
Infrastruktur. Allein in Kopenhagen, einer Stadt mit rund
793.500 Einwohnern, ergibt die Strecke aller Fahrradwege
454 km, die allesamt beschildert und mit speziellen Ampeln
ausgestattet sind. Diese systematische Infrastruktur erlaubt
es Fahrradfahrern, sich mit einer Geschwindigkeit von bis
zu 25 km/h durch die Stadt zu bewegen. Aufgrund dessen
wählen lediglich 9% aller Einwohner ihren PKW, um in die
Stadt zu fahren. 62% tun dies lieber auf ihrem Fahrrad (vgl.
Cycling Embassy of Denmark 2015). Verglichen mit München,
einer Stadt mit 1,4 Mio. Einwohnern, liegt die Länge
aller Radwege zwar bei ca. 1.200 km, davon sind jedoch nur
350 km beschildert. Auf ihrer Webseite gibt die Stadt München
an, dass ca. 20% der sich fortbewegenden Menschen
auf ihr Fahrrad zurückgreifen, so viel wie in keiner anderen
deutschen Stadt. In den kommenden Jahren soll München
zur Vorzeigestadt für eine fahrradfreundliche Infrastruktur
werden. Schon jetzt gibt es hier die meisten 30er-Zonen.
Zudem sollen 14 Schnellstraßen mit intelligenten Ampeln
gebaut werden (vgl. Copenhagenize Index 2017). Auch der
Copenhagenize Index, der Städte weltweit nach ihrer Fahrradfreundlichkeit
bewertet, sieht in München großes Potential
und platziert sie als zweitbeste deutsche Stadt auf Rang
15 (hinter Berlin auf Rang 10).
Der Infrastrukturwandel in vielen Innenstädten dieser Welt
wird zu einem großen Teil durch mangelnde Sicherheit für
Radfahrer angetrieben. Als Autos vor 100 Jahren immer präsenter
auf den Straßen wurden, die auch von Fußgängern,
Kutschen und spielenden Kindern genutzt wurden, wurde
beschlossen, für alle jeweils getrennte Bereiche einzurichten.
So wäre es zeitgemäß, diesen Beschluss auf die heutige
Zeit bezüglich der Sicherheit vieler Radfahrer anzuwenden.
Auto vs. Fahrrad – Platz vs. Sicherheit
Auch der so drastisch ansteigende Platzmangel in zahlreichen
Innenstädten bewirkt das Umdenken vieler Städteplaner.
In Deutschland sind etwa 45,5 Mio. PKW zugelassen
(vgl. Destatis 2018). Rund die Hälfte aller Autofahrten wird
von nur einer Person pro PKW angetreten (vgl. BMVI 2018).
Dieselbe Anzahl an Alleinreisenden würde auf einem Fahrrad
also eine sehr viel kleinere Fläche in Anspruch nehmen.
Das Umsatteln aufs Fahrrad würde jedoch nicht nur auf Straßen
zu mehr Platz führen – auch müssten in Zukunft weniger
Parkplätze für PKW errichtet werden – ein Paradigma,
das bereits 1939 gesetzlich festgelegt wurde. Die damalige
Reichsgaragenverordnung sicherte nach dem Auto-Boom,
ausgelöst durch Volkswagen, jeder neu erbauten Wohneinheit
einen PKW-Stellplatz zu. Eine ähnliche Verordnung
für Fahrradstellplätze wurde erstmals 1993 festgelegt. Viele
Städte versuchen durch Zuschüsse bei neu geplanten Bürogebäuden
dem Parkplatzausbau entgegenzusteuern. So hat
die Stadt Dortmund ein Konzept ins Leben gerufen, bei
dem die Stadt die Kosten für teure Stellplätze bezuschusst,
wenn auf gleichem Gelände eine Mindestanzahl an siche-
32
Stadt & Umwelt
ren Fahrradstellplätzen errichtet wird. Auch werden diese
Zuschüsse verteilt, wenn der Arbeitgeber kostengünstige
Jobtickets für den ÖPNV an seine Arbeitnehmer garantiert.
Ein größer aufgestelltes Carsharing-Angebot könnte dem
Platzmangel ebenfalls entgegenwirken. Laut Angaben der
Stadt Aachen könnte ein Carsharing-PKW durchschnittlich
sieben private PKW ersetzen, die sonst rund 23 Stunden
am Tag im Parkmodus stehen (vgl. Brockmeier et al. 2014).
Neuer Raum, der für neue Wohneinheiten, Kindergärten,
Parks, usw. genutzt werden könnte.
In Zeiten der Urbanisierung spielt vor allem Platz für die
stetig wachsende Bevölkerung eine große Rolle. Dieser kann
nur gewährt werden, wenn durch Sharing-Angebote und
intelligente Systeme für diese moderne Art unserer Alltagsgestaltung
gemeinschaftliche Flächen effizient genutzt
werden. Diese können gleichzeitig zu mehr Sicherheit im
Verkehr führen und uns dazu anhalten, auf umweltfreundlichere,
weniger lärmintensive und platzsparende Alternativen
umzusteigen.
BMVI (2018): Mobilität in Deutschland 2017. Tabellarische
Grundauswertung Deutschland. Bonn.
Brockmeier, F. et al. (2014): Urbane Mobilität im
Umbruch? Verkehrliche und ökonomische Bedeutung
des Free-Floating-Carsharing. In: Internationales
Verkehrswesen. 66. Jg. 2014/3.
Copenhagenize Design Company (2017): The
Copenhagenize Bicycle Friendly Cities Index
2017. Online verfügbar unter: http://copenhagenizeindex.eu
[Zugriff: 18.11.2018].
Cycling Embassy of Denmark (2015): Bicycle
Statistics from Denmark.
Danmarks Statistik (2018): Injured and killed
in road traffic accidents 2017. Online verfügbar
unter: https://www.dst.dk/en/Statistik/emner/
levevilkaar/trafikulykker/faerdselsuheld [Zugriff:
23.12.2018].
Statistisches Bundesamt (Destatis) (2018): Unfallentwicklung
auf deutschen Straßen 2017. Statistisches
Bundesamt (Hg.). Wiesbaden.
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34
Originalfoto: Yiran Ding via unsplash
Stadt & Gesellschaft
Städte sind Orte,
an denen zusammenkommt,
was nicht zusammengehört.
Urbanisierung
– Armin Nassehi
*1960 (Soziologe, LMU München)
Im Vergleich zur Verstädterung, die nur demografische
und siedlungsstrukturelle Aspekte beinhaltet,
bezeichnet der Begriff der Urbanisierung zusätzlich
aus sozioökonomischer und sozialpsychologischer
Sicht die Ausbreitungs- und Diffusionsprozesse
städtischer Lebensformen, die sich z.B. in Haushaltsstrukturen,
beruflicher Differenzierung, Konsummustern
und Wertvorstellungen der Einwohner
in Städten ausdrücken.
Megacity
Stadt mit mehr als 10 Millionen Einwohnern.
Weitergeht der unscharf definierte Begriff
„Gigacity“. Er beschreibt zum Beispiel die geplante
Verbindung der Megacities Peking,
Tianjin und Hebel zu einer Metropole mit 130
Millionen Einwohnern und einer Fläche doppelt
so groß wie Bayern.
Segregation
Räumliche Trennung der Wohngebiete von sozialen
(Teil-)Gruppen in einer Stadt oder Region.
Der Grad der Segregation ist umso höher,
je stärker die räumliche Verteilung der Wohnstandorte
einer Gruppe von der Verteilung der
Gesamtbevölkerung abweicht. Das Ghetto stellt
eine extreme Form der Segregation dar.
Metropole
Eine Metropole ist historischer, kultureller, politischer,
sozialer und wirtschaftlicher Mittelpunkt einer
Region, der sogenannten Metropolregion. Die
Konzentration einzelner oder mehrerer genannter
Faktoren bezeichnet man als Metropolisierung. Metropolen
zeichnen sich auch immer durch verhältnismäßige
Größe aus, die sich sowohl auf die Fläche
als auch auf die Anzahl der Einwohner bezieht. Millionenstädte
sind deshalb fast schon zwangsläufig
auch Metropolen.
Glokalisierung
Ist ein Neologismus bzw. ein Kofferwort und
wird aus den Begriffen Globalisierung und Lokalisierung
gebildet. Der Begriff Globalisierung
bezeichnet den Vorgang, dass internationale
Verflechtungen in vielen Bereichen des alltäglichen
Lebens eine Rolle spielen. Die Lokalisierung
bezeichnet das Anpassen an die lokalen
Gegebenheiten eines Ortes. Beide Begriffe stehen
dabei nicht im Gegensatz zu einander, sondern
im Gleichgewicht.
35 philou.
Opener
Mit weichem Knüppel
in die Mitmachfalle
Wie politische Mediation bürgerliche
Selbstorganisation imitiert
Nils Honkomp & FréDéRic Falter
Politikwissenschaft, Gesellschaftswissenschaften
„Hatten Investoren und Eigentümer in früheren Jahren sehr schnell nach der Polizei
gerufen, um ihre Interessen gegen widerständige Bürger durchzusetzen, haben
sie mittlerweile gelernt, die Protestbewegungen mit ihren eigenen Mitteln
zu schlagen.” (Wagner 2013a: 54) So lautet die Analyse des Kultursoziologen
Dr. Thomas Wagner, die er am 31.10.2018 im Kontext der Veranstaltungsreihe
„Demokratie leben“ vom Resilienz Verein Aachen vorgetragen hat.
Dr. Thomas Wagner begreift sich selber Obwohl Wagner die Forderung nach Basisdemokratie frühzeitig als
als politisch links und war Autor für die linke Forderung verstand, konstantiert er, dass vorgefertigte Partizipationsangebote
und Konsultationsverfahren sukzessive zur Aushöhlung
anarchopazifistische Zeitschrift „Graswurzelrevolution“.
Des Weiteren schrieb
er als freier Autor für die deutsche und bürgerlicher Mitbestimmung führen. Unter den Stichworten „politische
Mediation”, „strategische Dialoge“, „Akzeptanzbeschaffung“ und
internationale Presse: unter anderem junge
Welt, Die Zeit, Süddeutsche Zeitung,
Neue Züricher Zeitung, der Freitag etc. „kollaborative Demokratie“ versteht der Soziologe, den spezialisierten
Nach eigenen Angaben hat er auch Anfänge
der Studentenbewegung in seinem Planungsprozesse von Großbauprojekten miteinzubeziehen und das
Einsatz von Dienstleistungsunternehmen um Bürger_innen in die
eigenen Seminar an der RWTH Aachen
Ergebnis in Richtung der Interessen von Wirtschaft und Politik zu
beobachten können.
beeinflussen. Bürger_innenbeteiligung würde damit Teil des Repertoires
an Herrschaftsinstrumenten, die den Politiker_innen, neben dem Einsatz
von Polizeikräften, zur Verfügung stehe. Im Vortrag schlussfolgert Wagner, dass
politische Mediation damit auch als „weicher Knüppel“ der Staatsgewalt bezeichnet
werden könne: Sein erstes zentrales Argument lautet daher, dass politische
Mediation das Kriterium der Ergebnisoffenheit nicht erfülle. In erster Linie gehe
es darum, Diskussionen zu „versachlichen“ und die Politisierung der Projekte im
Vorfeld zu verhindern, indem die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in vorstrukturierte
Diskussionsangebote eingeladen werden. Im Sinne der Investoren
sollen hier größere Proteste, also Verzögerungen und steigende Kosten, möglichst
vermieden werden. Daher seien sie per se nicht ergebnisoffen und in die
Landschaft der erwerbbaren Dienstleistungen einzuordnen. Sein zweites Argument
bezieht sich auf die Verbindlichkeit der Ergebnisse des zu durchlaufenden
Beteiligungsprozesses: Werden sie in den Entscheidungen von den gewählten
Volksvertrer_innen berücksichtigt? Oder taktieren sie zusammen mit Unternehmer_innen,
doch im geheimen Hinterzimmer? Rechtlich seien sie, nach Wagner,
zumindest nicht bindend.
Belege dafür findet der Vortragende in der systematischen Auswertung von diversen
Studien und Zeitungsartikeln. Zum Beispiel solle laut einer Studie des
RWE-Konzerns Bürger_innenbeteiligung zum selbstverständlichen Teil von
36
Stadt & Gesellschaft
Großbauprojekten werden. Auch im Manager-Magazin werde
in diesem Kontext empfohlen, den Dialog mit den Bürger_innen
zu forcieren. Aus der Perspektive des Kultursoziologen werden
hier ursprünglich linke Ansätze, Verfahren und Ideen von großen
Unternehmen genutzt und sind folglich als Mittel zur Erreichung
des zugrundeliegenden Zwecks, also der kostengünstigen
Realisierung der Investitionsmittel, zu verstehen.
NIMBY
Als Gegenbeispiel für eine funktionierende politische Mediation
gelte das umstrittene Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart
21. Im Verlauf des Projektes formierten sich Proteste, an denen
sich zehntausende Menschen beteiligten. Im Zuge dessen kam
es auch zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei sowie
einer kontroversen, öffentlichen Debatte. Schon lange bevor
der Moderator Heiner Geißler im Stuttgarter Rathaus mit dem
Schlichtungsverfahren beginnen konnte, sei, nach Wagner, „das Kind schon in den
Brunnen gefallen.“ In diesem Sinne hätte eine politische Mediation, die gelingen
soll, schon im Vorfeld ansetzen müssen, um jene Menschen in die Verfahren miteinzubeziehen,
die sich im Zuge der Proteste politisch selbst organisiert haben.
Wenn Wagner versucht, die Ungerechtigkeiten in Mitbestimmungs- und Partizipationsverfahren
als Mitmachfalle zu demaskieren, analysiert er sehr präzise
die einzelnen Missstände, die aus der Weiterentwicklung von Herrschaftstechniken
des politischen Establishments resultieren. So genau er auch den Fokus
darauflegen kann, was moralisch nicht wünschenswert ist, so schwer fällt es ihm,
Alternativen aufzuzeigen: Wie soll die Partizipation in einer gut funktionierenden
Demokratie aussehen? Wenn sie sich nicht – wie Ingolfur Blühdorn passend
beschrieben hat – zur simulativen Demokratie entwickeln soll, müssen wir
darüber sprechen, wie im Detail vernünftige politische Aushandlungsprozesse
strukturiert werden können. Zum Beispiel beim Bau eines Flughafens, der Planung
einer Stromtrasse oder der Errichtung eines Windparks.
Wie finde ich die Balance zwischen einer der Allgemeinheit dienenden, rationalen
Entscheidung und der angemessenen Berücksichtigung einzelner Menschen?
Und vielleicht als letzte Frage: Wer wird überhaupt berücksichtigt? Wer ist betroffen
von einer Entscheidung, wer nicht? Fest steht, dass diese Fragen kaum
allgemeingültig beantwortet werden können. Sie müssen detailliert aus den un-
Häufiges, aber nicht alleiniges Argumentationsmuster
in lokalen Entscheidungsprozessen:
NIMBY. Das
englischsprachige Akronym steht für Not
In My Backyard („Nicht in meinem Hinterhof“).
Es bezeichnet eine ethische
und politische Position von Menschen,
die sich gegen Entwicklungen richten,
die ihre Nachbarschaft und damit ihre
eigene Lebensqualität beeinträchtigen
könnten. Meist wird eine generelle Zustimmung
für politische Vorhaben unterstellt,
solange diese nur weit genug
weg von der eigenen Haustür realisiert
werden.
Der NIMBY-Ansatz wird besonders in Diskussionen
um die Ansiedlung von marginalisierten
und diskriminierten Gruppen
(Obdachlose, Flüchtlinge usw.), aber
auch um den Aufbau von Industrie-Standorten,
Mülldeponien, Lagerung radioaktiven
Abfalls, Mobilfunkmasten oder
Stromtrassen etc. verfochten. Dabei kommen
teilweise auch soziale oder ökologische
Argumente zum Einsatz, die aber
fadenscheinig sind, solange es nur um
die Verlagerung eines Problems geht.
37 philou.
philou. im Gespräch
Von der Zähmung
unzähmbarer Herdentiere
Ob Bürgerbeteiligungsverfahren wirklich zur Mitmachfalle werden und was
sie vielleicht doch für Chancen für alle Beteiligten bieten, haben wir für euch
mit Dr. Oliver Märker (Foto) besprochen. Er ist Mitbegründer von Zebralog
GmbH & Co. KG und leitet seit 2007 das Bonner Büro. Die Agentur bietet
crossmediale Beteiligungsangebote – also die Verknüpfung von klassischen
und elektronischen Beteiligungsinstrumenten – vor Ort und im Netz an. Kunden
von Zebralog sind diverse Bundesministerien, Kommunen, Unternehmen und
Vereine. Märker ist als Geograph Spezialist in verschiedenen Themenfeldern.
Außerdem ist er reger Twitter-Nutzer und passionierter Mountainbikefahrer.
philou. Was ist „Zebralog“ und was hat das Ganze mit
Zebras zu tun?
Märker: Wir sind eine Agentur für verständigungsorientierte
Kommunikation und Beteiligung. Seit 10 Jahren realisieren wir
partizipative Dialogprozesse, etwa im Auftrag von Kommunen,
Unternehmen oder Ministerien. Was das mit Zebras zu tun hat?
Zebras sind soziale Herdentiere, sie sind aber auch eigenwillig,
wild und nicht zähmbar.
p. Wer ist die Zielgruppe Ihres Beteiligungsangebots?
M.: Das hängt immer von der Zielsetzung des Beteiligungsverfahrens
ab. Wenn wir ein Beteiligungsverfahren planen, fragen
wir daher immer zuerst: Was ist die Zielsetzung? Welche Beteiligungsspielräume
gibt es? Wer ist von dem Beteiligungsthema
betroffen? Je nach Beteiligungsthema variieren daher die
Zielgruppen stark. Mal können es bestimmte Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in einem Unternehmen sein, ein anderes Mal
Bewohnerinnen und Bewohner eines Quartiers oder einer ganzen
Region, oder auch Anwohner entlang einer in Planung befindlichen
Straßenbahntrasse.
p. Wie läuft ein Beteiligungsverfahren in der Regel ab?
M.: Am Anfang steht immer die Konzeption der Beteiligung,
in der zentrale Fragen nach den Zielsetzungen, Spielräumen
oder Zielgruppen geklärt werden, ebenso Fragen, bis wann
Beteiligungsergebnisse vorliegen sollen, in welcher Form sie
dokumentiert und wie sie anschließend – vielleicht die zentralste
Frage überhaupt – verwendet werden. Letztlich geht es um
die Frage, wie ein fachlicher Planungsprozess zum dem beteiligt
werden soll und Beteiligungsangebote sinnvoll miteinander
verwoben werden. Dazu erstellen wir einen Verfahrensplan aus
dem hervorgeht, in welchen Schritten zu welchen Themen und
Fragestellungen welche Zielgruppen zu welchen Zeitpunkten
mit welchen Formaten beteiligt werden. Hört sich kompliziert
an, ist es aber nicht. Wichtig ist es aber, dass eine Beteiligung
„von der Stange“ in der Regel nicht weiterhilft. Gibt es einen
Plan, dann kann die Beteiligung einfach umgesetzt werden, vor
Ort, online oder crossmedial. Ein Beteiligungsverfahren läuft
also nach einem verlässlichen Plan ab, mit einem klaren Startund
Endzeitpunkt und es ist in Schritte untergliedert, manchmal
auch mit längeren Beteiligungspausen, um Zwischenergebnisse
für die weitere Planung nutzen zu können. Wichtig ist, dass
sich alle darauf verlassen können, damit keine falschen Erwartungen
geweckt, kommunizierte Spielräume der Einflussnahme
aber auch eingelöst werden.
p. Wie sehen die Möglichkeiten und Grenzen der
Beteiligung konkret aus?
M.: Das ist die Kernfrage überhaupt, die es für jede Beteiligung
zu klären gilt. Je nachdem wo eine Planung (zu der beteiligt
werden soll) im Prozess steht, wird diese Frage anders zu beantworten
sein. Steht die Planung noch am Anfang, sind Spielräume
naturgemäß größer als am Ende, wenn beispielsweise
nur noch wenige Alternativen einer schon konkretisierten Planung
zur Diskussion stehen. Die Möglichkeiten und Grenzen
müssen daher geklärt und ohne ehrlich kommuniziert werden.
Gibt es keine Beteiligungsspielräume, dann darf auch keine
Beteiligung angeboten werden.
p. Welches ist das prominenteste Projekt, das Sie
begleitet haben?
M.: Welches das prominenteste ist, das müssen andere entscheiden.
Aber ich habe ein Lieblingsprojekt: www.ludwigshafen-diskutiert.de,
ein Informations-, Dialog- und Beteiligungsangebot,
das die Stadt Ludwigshafen am Rhein mit unserer Unterstützung
etabliert hat, in der sie seit vielen Jahren zu großen Stadtentwicklungsprozessen
immer wieder auf die Öffentlichkeit zugeht und
zu zentralen Fragestellungen Bürgerbeteiligungen durchführt.
Dabei wird immer darauf geachtet, welche Beteiligungsspielräume
es gibt und dies klar kommuniziert. In Ludwigshafen am
Rhein hat sich daher eine vorbildliche Kommunikations- und
Beteiligungskultur entwickelt, die aus meiner Sicht Vorbildcharakter
hat.
38
Stadt & Gesellschaft
p. Was sind die größten Herausforderungen, die sich bei
solchen Projekten herauskristallisieren?
M.: Die größte Herausforderung scheint mir die zu sein, dass
Partizipationsprozesse von denjenigen, die sie anbieten, seien
es Unternehmen, Kommunen, Landkreise, Landes- oder Bundesministerien,
abverlangen, selbst partizipativer zu werden.
Partizipationsprozesse sind so gesehen immer auch mit Veränderungsprozessen
aufseiten der beteiligten Institutionen verbunden.
p. Wie reagieren Sie, wenn die Wertevorstellungen der
Teilnehmenden nicht mit Ihren vereinbar sind?
M.: Das kommt sehr häufig vor. Wenn wir vor Ort oder online
moderieren, dann tun wir das wertschätzend und offen: Wir geben
Räume für viele Perspektiven und Wertesysteme, aber wir
setzen gleichzeitig auch klare Spielregeln, um einen wertschätzenden
und verständigungsorientierten Dialog zu ermöglichen.
Ich würde das mal „souveräne Offenheit“ nennen.
p. Auf ihrer Internetseite sprechen Sie im Hinblick
auf ihre „12 Grundsätze für gute Partizipation“ von
Entscheidungsspielräumen. Was meinen Sie konkret
damit? Sind die getroffenen Entscheidungen rechtlich
bindend?
M.: Nein, rechtlich bindend sind Bürgerbeteiligungen nicht –
das können und sollten sie auch nicht sein. Denn durch sie wird
keine Entscheidungsmacht – im Unterschied zu Bürger- oder
Volksentscheiden – an die Bürgerinnen und Bürger delegiert,
nach dem Motto: „Entscheidet ihr jetzt doch mal!“. Stattdessen
wird – wenn es gut läuft – der fachpolitische Abwägungsprozess
zu komplexen Fragestellungen durch Bürgerbeteiligung
unterstützt. Also zu komplexen Planungen, die nicht mit einem
einfachen „Ich bin dafür“ oder „Ich bin dagegen“ abgehandelt
werden können. Bürgerinnen und Bürger werden also konsultiert
und am Ende entscheiden die, die durch Wahlen legitimiert
wurden. Aber: Bürgerbeteiligung macht nur Sinn, wenn
es fachliche und politische Entscheidungsspielräume gibt, also
die Möglichkeit und den Willen, zuzuhören und sich durch
Ergebnisse aus der Bürgerbeteiligung bereichern zu lassen.
Alles andere wäre „Particitainment“ (so wie es Klaus Selle formulieren
würde).
p. Außerdem sprechen Sie davon „ePartizipations-
Dienstleister“ oder „Partizipationsallrounder“ zu sein. Sind
Sie nicht vielmehr Akzeptanzbeschaffer für Politik und
zahlende Unternehmen?
M.: Wir würden immer dann in Gefahr laufen, zum Akzeptanzbeschaffer
zu werden, wenn wir uns und unseren Kunden
nicht immer wieder genau diese Frage stellen würden. Daher
gehört vor die weiter oben angesprochene Verfahrensplanung
die zentralste Frage überhaupt: Was wird mit der Beteiligung
bezweckt? Hier einfach voran zu gehen, ohne diese Frage (an
der noch viele weitere hängen) zu beantworten, wäre fahrlässig.
Ebenso klären wir immer unsere Rolle: Denn zur Gestaltung
eines Verfahrens gehört, dass wir auch eigenständig agieren
können um unserer Verantwortung als Verfahrensgestalter und
-unterstützer, Moderatoren und Berater gerecht zu werden.
p. Was möchten Sie jungen Menschen mit auf den
Weg geben?
M.: Überlasst den Vereinfachern und Empörten dieser Welt
nicht die Bühne.
terschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden und die
verschiedenen Interessensgruppen müssen miteinander
sprechen lernen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt
auch eine in Auftrag gegebene Studie des Umweltbundesamtes
mit dem Aufgabenschwerpunkt Konfliktdialog.
Es gehe um das Verständnis des Konfliktes, so die Studie:
die genaue Analyse der jeweilig unterschiedlichen Hintergründe.
Sonst sei es kaum möglich ein passendes Format
zur Konfliktminderung zu finden.
Ein Bericht des Lehrstuhls für Methoden der empirischen
Sozialforschung an der Universität Potsdam liefert sogar
theoretische Ansätze zur Bewertung von abgeschlossenen
Beteiligungsverfahren: den sogenannten Beteiligungs-Bias.
Er widmet sich der Frage, inwieweit die Meinungen
der Beteiligten an einem Bürger_innenbeteiligungsverfahren
von den übrigen Meinungen der nicht teilnehmenden
Bürger_innen auseinandergeht. Dieses Instrument
entstammt dem aus der Survey-Forschung bekannten
Konzept der Verzerrung (Bias). Darüber hinaus sei er
auch als Auswahlkriterium für zu planende Verfahren
anwendbar. Auch wenn es sich bei letzterem Beispiel nur
um theoretische Ansätze handelt, zeigen sie doch die
Aktualität und Relevanz des Themas für die Gesellschaft
eindrucksvoll auf. Welche Verfahren werden zukünftig
angewandt, damit wir in unserer Demokratie auch wirklich
demokratisch entscheiden?
Weiterführende Literatur
Blühdorn, I.: (2013): Simulative Demokratie. Neue Politik nach
der Postdemokratischen Wende. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare
Sicherheit (2014a): Bürgerbeteiligung bei umweltrelevanten
Großprojekten. Der Beteiligungs-Bias als methodisches Instrument
zur Bewertung von Beteiligungsverfahren, 20.11.2014. Online
verfügbar unter: https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/
Pools/Forschungsdatenbank/fkz_um_13_12_934_umweltrelevante_grossvorhaben_bf.pdf
[Zugriff: 05.01.2019].
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
(2014b): Neuartiger Öffentlichkeitsdialog in Verfahren
mit Umweltprüfung am Beispiel bestimmter Vorhabentypen/
Vorhabeneigenschaften. Leitfäden für Behörden und rechtliche
Verankerung, 18.03.2015. Online verfügbar unter: https://www.
bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Forschungsdatenbank/
fkz_3712_13_101_umweltpruefung_schlussbericht_bf.pdf [Zugriff:
05.01.2019].
o.V. (2013): Ein Gespräch mit Ingolfur Blühdorn. Das etablierte
Lamento trägt nicht zur Veränderung bei. In: INDES. Zeitschrift
für Politik und Gesellschaft. 2013/3. S. 131.
RWE Aktiengesellschaft (2012): Akzeptanz für Großprojekte.
Eine Standortbestimmung über Chancen und Grenzen der Bürgerbeteiligung
in Deutschland. Essen.
Wagner, T. (2013a): Die Mitmachfalle. Bürgerbeteiligung als Herrschaftsinstrument.
Köln: PapyRossa Verlag.
Wagner, T. (2013b): Bürgerprotest in der Mitmachfalle. Wie aus
Partizipation eine Herrschaftsmethode gemacht wird. In: PROK-
LA, Zeitschrift für Kritische Sozialwissenschaft. 43. Jg. 2013/2.
S.297–304.
39 philou.
Artikel
Immer diese Künstler ...
Kritik eines eindimensionalen
Gentrifizierungsbegriffes
Moritz Hirmer
historische Urbanistik (Berlin)
Ob in medialen Berichterstattungen zu städtischem Wandel,
als Thema kommunalpolitischer Veranstaltungen oder
als Diskussionsgegenstand in der WG-Küche – der Begriff
Gentrifizierung und der damit bezeichnete Trend hat in zahlreichen
Städten seinen Weg in die Lebenswelt vieler Menschen
geschlagen. So viele diesen Begriff zur Erklärung von
steigenden Mietpreisen und Veränderungen in Sozial- und
Baustruktur verwenden, so wenige treffen dabei den Kern
dieses sozialräumlichen Prozesses. Gentrifizierung wird hierbei
oftmals mit Yuppisierung und Subkulturalisierung von ehemals
kiezigen Stadträumen assoziiert, in denen Pioniere und
Gentrifier die antreibenden Akteure sind. Dies impliziert eine
Konkurrenzsituation auf dem freien Markt, infolgedessen
beispielsweise Studierende (Pioniere) durch ihr kulturelles
Kapital oder alternative Wohnformen (Wohngemeinschaften)
Altmieter verdrängen, daraufhin einkommensstärkere
Haushalte anziehen (Gentrifier) und somit Viertel grundlegend
verändern. Jedoch ist diese idealtypische Darstellung
oftmals blind gegenüber strukturellen Bedingungen und einflussreichen
Akteuren wie Eigentümerkonstellationen oder
politischen Institutionen. Vielerorts sind es heute zusätzlich
durchgeführte Aufwertungen, wie Luxussanierungen oder
gezielte Investitionsstrategien zur Profitmaximierung, die
ganz unterschiedliche Formen von Gentrifizierung implizieren.
Marktbedingte wie politische-administrative Entscheidungen,
privatwirtschaftliche Akteure und globales Kapital
spielen demzufolge eine immense Rolle bei der Betrachtung
von Gentrifizierung. Wie könnte also eine angemessene und
zeitgemäße Beschreibung des Begriffes lauten?
Gentrifizierung soll in diesem Artikel als ein städtischer
Umstrukturierungsprozess verstanden werden, welcher sich
durch Formen der Aufwertung (physisch-baulich, funktional,
symbolisch) und Verdrängung kennzeichnet (vgl. u.a. Krajewski
2006; Holm 2011; Bouali/Gude 2014). Derweilen
existieren in der Forschung zu Gentrifizierung zahlreiche
Definitionen, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte
markieren. Hartmut Häußermann erläuterte in den 90er
Jahren, dass wir von „Gentrification sprechen [...], wenn
in einem Stadtgebiet die Bewohner mit niedrigem Einkommen
durch Bewohner mit höherem Einkommen und/
oder anderen Konsumstilen ersetzt werden“ (Häußermann
1990: 35) und versteht so Gentrifizierung als sozialökologische
Dominanzsituation zwischen Bevölkerungsgruppen.
Überspitzt gesagt: Reiche verdrängen Arme aufgrund ihres
ökonomischen Kapitals. Daran anschließende nachfrageorientierte
Erklärungsansätze, die, wie in der Einleitung
beschrieben, Gentrifizierung als Resultat von Konkurrenz
unter Gruppen mit unterschiedlichem ökonomischen, kulturellen
und sozialen Kapital erklären, waren dabei treffend
und wichtig. Die Herausbildung als Forschungsgegenstand
in den 60er Jahren durch die britische Soziologin Ruth
Glass und die ersten wissenschaftlichen Arbeiten in den
70er Jahren gründeten sich explizit auf Beobachtungen,
dass der innerstädtische Wohnraum massiv an Relevanz
und Attraktivität gewonnen hat. Das Aufkommen neuer
Lebensstile, Konsum- und Haushaltstypen und der Bedeutungswandel
von Gebäudetypen (Altbau/Neubau) hat
sich in den 80er und 90er Jahren nochmals gesteigert. Die
ehemals von der Arbeiterklasse bewohnten innerstädtischen
Viertel wurden von der Mittelschicht (wieder-)entdeckt, die
zuvor maßgeblich in der Peripherie lebten (Suburbanisierung).
Die Funktion der Stadt veränderte sich im Kontext
des Strukturwandels, welcher sich durch eine Tertiärisierung
(Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft) und allmählich
flexibilisierten Formen der Arbeit, des Lebens und
des Wohnens kennzeichnete. Diese neue Nachfrage, heutzutage
in vielen Großstädten auf ihrem Höhepunkt, ist eine
konkrete Folge dieses fortlaufenden Bedeutungswandels
des Urbanen.
40
Stadt & Gesellschaft
Die Beschreibung von Gentrifizierung alleinig über eine
veränderte Nachfrage und im Besonderen durch kulturelle
Kapitale (Künstler, Studenten etc.), lässt jedoch außer Acht,
dass die Stadt zunehmend global-ökonomisch durchdrungen
ist. Ein immer stärker werdender, globalisierter Wirtschafts-,
Finanz- und vor allem Wohnungsmarkt hat Städte
weltweit in ihren Handlungsansätzen wie auch Eigentumsstrukturen
transformiert. Die Kategorien Pioniere und Gentrifier
spielen dabei kaum noch eine (aktive) Rolle (siehe
Neubau-/Super-Gentrification; Symbolische Gentrification bei
Holm 2011). Dennoch sind sie bis heute beliebte Erklärungsmuster
in der öffentlichen Diskussion und werden vor
allem von immobilienwirtschaftlichen Akteuren genutzt, da
strukturelle und marktbedingte Kontexte ausgeblendet werden.
Angebotsseitige Ansätze, die die ökonomisch-strukturellen
Bedingungen in den Vordergrund ihrer Analyse stellen
und somit die Bereitstellung eines speziellen Angebots fokussieren,
sind demzufolge essentiell. Denn die Grundbausteine
für Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse liegen
heute in der Beschaffenheit von Wohnungsmärkten (z.B.
de-/reguliert), spezifischen Inwertsetzungsstrategien von
Eigentümergruppen (v.a. Investoren, Pensionskassen, Fonds)
und generell Maßnahmen politischer Administrationen.
Städte sind nicht mehr nur aus ihrem lokalen, regionalen
oder nationalen Kontext heraus zu erklären. Vielmehr spielen
globales Kapital und institutionelle Investoren eine verstärkte
Rolle im städtischen Wandel, da Wohnungen als
vergleichsweise sichere und dennoch gewinnversprechende
Geldanlage gelten. Ein gegenwärtiges Beispiel in Deutschland
ist das Wohnungsunternehmen Vonovia SE, welche ihren
ursprünglichen Namen Deutsche Annington wohl nicht
nur aus ästhetischen Gründen, sondern wegen ihres schlechten
öffentlichen Rufs ablegte. Bei diesem und ähnlichen
Unternehmen steht das Profitstreben im Vordergrund. Die
Problematik eines privatwirtschaftlich dominierten Wohnungssektors
bedingt sich explizit durch die soziale Blindheit
des Marktes: „Auf dem Markt zählen weder Bedürfnis
noch Bedarf, sondern nur die kaufkräftige Nachfrage zahlungswilliger
Konsumenten.” (Krätke 1995: 196 [hervorgehoben
im Original])
Der Einfluss der bereits angesprochenen politisch-administrativen
Akteure wird vor allem hinsichtlich steuerlicher
Subventionen, Mietpreiseinflussnahme und Bestandsentwicklung
sichtbar. Die Herausbildung der unternehmerischen
Stadt, welche unter den Prämissen des neoliberalen Handels
agiert und Städte in einen Wettbewerb um Investoren
treten lässt, führte vielerorts zum Verlust kommunaler und
städtischer Autonomie. Großflächige Privatisierungsmaßnahmen
(besonders drastisch ist die En-bloc-Strategie, mit
welcher u.a. in Berlin in der Vergangenheit mehrere Häuserblöcke
als Paket verkauft wurden, vgl. hierzu Uffer 2014: 68)
und die Beendigung des sozialen Wohnungsbauprogramms
sind zwei entscheidende Entwicklungen gewesen. Teure Rekommunalisierungsprozesse
und fehlende Steuerungsmöglichkeiten
(z.B. Bestandsschutz) sind heutige Folgen dieser
politischen Entscheidungen.
41 philou.
Insbesondere gilt es, sich bewusst zu machen, dass Wohnungen
in stark kapitalistisch formierten Gesellschaften
als Kapitalanlage und Ware fungieren. Damit verknüpfte,
folgenreiche immobilienwirtschaftliche Strategien zur Ertragssteigerung
verdeutlichen diesen Umstand – Luxuswohnungen
bringen mehr Ertrag als Sozialwohnungen. Durch
die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen werden
dringend benötigte Mietwohnungen dem Markt entzogen.
Auch das Zusammenlegen von einzelnen kleineren
Wohnungen, um diese in einem höheren Preissegment anzusiedeln,
gehört zu diesen Strategien. Luxussanierungen
beeinflussen zudem nicht nur den Bestand, sondern auch
die kleinräumliche Mietentwicklung, denn sie wirken auf
den Mietspiegel. Dieser wiederum dient als Faktor bei der
Rent-Gap, welche die „Ertragslücke zwischen der aktuellen
und potentiell möglichen Nutzung“ (Holm 2014: 102f.) einer
Wohnung darstellt, maßgeblich also das Potential zur
Ertragssteigerung definiert.
Wie zuvor geschildert, gibt es gegenwärtig verschiedene
Hinweise darauf, Abstand zu nehmen von vereinfachten
und idealtypischen Gentrifizierungserklärungen. Die Reduktion
des Begriffes auf veränderte Lebensstile oder Wohnpräferenzen
lässt oftmals die grundlegenden Strukturen des
Wirtschaftssystems und Maßnahmen einzelner privatwirtschaftlicher
und politischer Akteure aus dem Blickfeld verschwinden.
Daher wundert es kaum, dass das framing von
Gentrifizierung als natürlich-positiver Prozess vor allem von
immobilienwirtschaftlichen wie neoliberalen Akteuren vorangetrieben
wird. Doch betrachtet man die Strategien von
immobilienwirtschaftlichen Akteuren zur Ertragssteigerung,
analysiert politisch-administratives Vorgehen zur Strukturierung
des urbanen Raumes und verfolgt das Einwirken
globalen Kapitals auf heutige Städte, kommt man zu einer
anderen Auffassung. Dennoch spielen weiterhin auch
soziodemografische und kulturelle Aspekte eine immense
Rolle. Gegenwärtige Gentrifizierungsforschung impliziert
daher auch eine Verzahnung der vorgestellten theoretischen
Stränge (nachfrage- und angebotsseitige Erklärungsansätze)
und sichert eine zunehmend gesamtheitliche, mehrdimensionale
Analyse. Das Einnehmen einer solchen Perspektive
ist wesentlich, um die gegenwärtigen Auswirkungen auf die
Stadt und ihre Bewohnerschaft in Form von Verdrängung,
Verknappung von Wohnraum und fortschreitender Segregation
gehaltvoll zu adressieren.
Bouali, K.; Gude, S. (2014): Gentrifizierung
oder Wiederkehr der Wohnungsnot? Sozialstrukturelle
Entwicklungstendenzen in Berliner
Innenstadtwohngebieten. In: Holm, Andrej (Hg.)
(2014): Reclaim Berlin. Soziale Kämpfe in der
neoliberalen Stadt. Berlin/Hamburg: Assoziation
A. S. 27–49.
Häußermann, H. (1990): Der Einfluß von ökonomischen
und sozialen Prozessen auf die Gentrification.
In: Blasius, Jörg; Dangschat, Jens S.
(Hg.): Gentrification. Die Aufwertung innenstadtnaher
Wohnviertel. Frankfurt/New York: Campus
Verlag. S. 35–50.
Holm, A. (2011): Gentrification in Berlin: Neue
Investitionsstrategien und lokale Konflikte. In:
Herrmann H., Keller C., Neef R., Ruhne R.
(Hg.): Die Besonderheit des Städtischen. Wiesbaden:
VS Verlag für Sozialwissenschaften. S.
213–232.
Holm, A. (2014): Gentrification. In: Belina,
Bernd; Naumann, Matthias; Strüver, Anke (Hg.)
(2014): Handbuch Kritische Stadtgeographie.
Münster: Westfälisches Dampfboot. S. 102–107.
Krajewski, C. (2006): Urbane Transformationsprozesse
in zentrumsnahen Stadtquartieren:
Gentrifizierung und innere Differenzierung am
Beispiel der Spandauer Vorstadt und der Rosenthaler
Vorstadt in Berlin. Münster: Institut für
Geographie der Westfälischen Wilhelms-Universität
Münster.
Krätke, S. (1995): Stadt – Raum – Ökonomie:
Einführung in aktuelle Problemfelder der Stadtökonomie
und Wirtschaftsgeographie. Basel/
Boston/Berlin: Birkhäuser Verlag.
Uffer, S. (2014): Wohnungsprivatisierung in
Berlin – Eine Analyse verschiedener Investitionsstrategien
und deren Konsequenzen für die
Stadt und ihre Bewohner. In: Holm, Andrej (Hg.)
(2014): Reclaim Berlin. Soziale Kämpfe in der
neoliberalen Stadt. Berlin/Hamburg: Assoziation
A. S. 64–82.
42
Artikel
Stadt & Gesellschaft
Urbane Angsträume
und rechte Diskurse
Sonja Gaedicke
Soziologie
„Wie eine Bausünde zur No-go-Area wurde“ (Schmidt
2018), „Ebertplatz wird zur No-go-Zone – und die Polizei
ist machtlos“ ( Jedicke 2017), „Ebertplatz – Eine No-go-
Zone im Herzen von Köln?“ (afd-fraktion.nrw 2018). Eine
schnelle Google-Suche unter Verwendung der Suchbegriffe
‚Ebertplatz Köln No-go-Area‘ zeigt, wie dieser urbane Raum
als No-go-Zone, teilweise auch als Angstraum bezeichnet wird.
Auffällig ist dabei, dass sich unter den ersten fünf angezeigten
Suchtreffern ein Link zur AfD-Fraktion NRW befindet.
Unter den drei Videovorschlägen, die Google anzeigt,
taucht zudem ein Video der vom Bundesamt für Verfassungsschutz
unter Beobachtung stehenden rechtsextremen
Identitären Bewegung auf.
In dem vorliegenden Beitrag wird die soziale Konstruktion
von sogenannten Angsträumen beleuchtet und die exkludierende
Wirkung dieser Begrifflichkeiten auf unterschiedliche
Personengruppen aufgezeigt. Außerdem wird in diesem Beitrag
erläutert, wie Angsträume von rechten Gruppierungen
instrumentalisiert werden, um ohnehin schon marginalisierte
Personen(gruppen) zu stigmatisieren.
Nachfolgend werden die Begriffe No-go-Area und Angstraum
näher beleuchtet und es wird dargelegt, warum hier der
Begriff Angstraum Verwendung findet. Vorab wird auf den
Zusammenhang zwischen Urbanität und Angsträumen eingegangen.
Auch wenn die Wahrnehmung von Angsträumen
subjektiv ist, werden in der Forschung gewisse Phänomene
genannt, die oftmals charakteristisch für Angsträume sind.
Dazu gehört ein Aspekt der Fremdheit, der sich sowohl auf
fremde Personen beziehen kann als auch auf die Fremdheit
oder Unübersichtlichkeit eines Raumes. Fremde Personen
können in dem hier analysierten Zusammenhang (also in
westlichen, kapitalistischen Industrienationen) all jene sein,
die bspw. aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Handlungen
nicht der weißen, bürgerlichen Mittelschicht entsprechen.
Darunter fallen Personen mit dunkler Hautfarbe ebenso wie
Drogenkonsumierende oder heruntergekommen aussehende
Menschen. Fremde und Anonymität gelten gleichzeitig als
Merkmale urbaner Räume [Anm. d. Verf.: Eine Bestimmung
des Urbanen ist allerdings kaum möglich, da das Urbane
nicht existiert. Bei dem Versuch, Urbanität auf einige
Charakteristika herunter zu brechen, besteht die Gefahr des
Essentialismus sowie einer Simplifizierung der komplexen,
heterogenen Mechanismen, die Urbanität(en) prägen.] (vgl.
Siebel 2015). Auch sogenannte Dis-Order Phänomene, die
in Angsträumen zutage treten, sind charakteristisch für urbane
Räume: Hierzu zählen Verschmutzung, Verwahrlosung,
Betteln, Vandalismus, Drogen- und Alkoholkonsum (vgl.
Wehrheim 2006; Stiegler 2017). All diese Merkmale sind
urbanen Räumen inhärent. Auch wenn Angsträume sicherlich
in suburbanen Bereichen auftreten, so können sie doch
als dem Urbanen immanent angesehen werden.
Die Bezeichnung No-go-Area kommt aus dem Militärbereich
und wurde bspw. im Vietnamkrieg verwendet (vgl.
Clark 1990). Vor gut zehn Jahren wurden in öffentlichen
Debatten Räume als No-go-Area bezeichnet, in denen insbesondere
Personen mit dunkler Hautfarbe vor rechter Gewalt
nicht sicher waren (vgl. Begrich/Weber 2007). Umgangssprachlich
findet der Begriff heutzutage im Zusammenhang
mit urbanen Räumen als Steigerung des Angstraum-Begriffs
Verwendung. Die Nutzung des Begriffs kann einen Framing-Effekt
auslösen, wonach angeblich unsichere Stadtteile,
die eine hohe Migrant_innendichte aufweisen, mit einer
(militärischen) Invasion in Verbindung gebracht werden.
Auch wenn sich die Bedeutung des Begriffs über die Jahre
gewandelt hat, so scheint ihm die Abwesenheit des staatlichen
Gewaltmonopols (vgl. Begrich/Weber 2007) inhärent
zu sein. Deshalb ist die Verwendung dieses Begriffs für
Räume wie den hier beispielhaft genutzten Kölner Ebertplatz
nicht passend, denn dieser ist kein rechtsfreier Raum,
in dem das Gewaltmonopol des Staates keine Wirkmacht
mehr besitzt.
Seit den 1980er Jahren wird der Begriff Angstraum innerhalb
feministischer Strömungen in Geographie, Stadt- und
Raumsoziologie und ähnlichen Disziplinen im deutschsprachigen
Raum kritisch diskutiert (vgl. Ruhne 2011). Diese
Ansätze weisen darauf hin, dass Angst räume angeblich insbesondere
für Frauen existieren. Dabei werden Frauen als
Opfer dargestellt, während Männern eher die Rolle von Tä-
43 philou.
tern oder Beschützern zugeschrieben wird [Anm. d. Verf.:
In diesem Zusammenhang wird sich hier ausschließlich auf
Frauen und Männer bezogen, obwohl dadurch die binäre
Geschlechterordnung reproduziert wird und Personen, die
sich dieser binären Ordnung nicht zugehörig fühlen, unsichtbar
gemacht werden. Dies ist dem Umstand geschuldet,
dass im deutschsprachigen Raum Studien zu Gewalt im
öffentlichen Raum gegen Trans*Personen immer noch sehr
selten sind.]. Angst wird zu einer typisch weiblichen Eigenschaft
und in diesem Angstraum-Verständnis wird eine über
die Kategorie Geschlecht transportierte Machtasymmetrie
deutlich, die Ausschlüsse vom öffentlichen Raum zur Folge
hat. Frauen verlassen in Deutschland das Haus in der Dunkelheit
dreimal seltener als Männer (vgl. Infratest Dimap
2017), was auf eine eingeschränkte Mobilität schließen lässt.
Dass auch andere Personengruppen von Gewalt oder Angst
im öffentlichen urbanen Raum betroffen sein können, wird
durch den Angstraum-Begriff ausgeblendet. Demnach werden
negative Zuschreibungen zu Räumen reproduziert und
die Fakten verschleiert: Frauen sind öfter Gewalt im privaten
Raum ausgesetzt, während Männer eher im öffentlichen
Raum Gewalt erleben (vgl. Ruhne 2011). Angst räume werden
mit räumlichen Merkmalen wie dunklen, verwinkelten
Ecken, Zuständen wie Verwahrlosung und städtebaulichen
Situationen wie Unterführungen in Verbindung gebracht
(vgl. Sailer 2003). Der Angstraum-Begriff weist auch auf eine
Raum-Zeit-Dimension hin, da Angsträume häufig mit Dunkelheit
assoziiert werden (vgl. Zinganel 2003). Jeder Raum
kann für ein Individuum einen Angstraum darstellen. Demnach
erfolgt diese Zuschreibung subjektiv und es sind weniger
die baulichen Strukturen, die Angst vermitteln, sondern
die sozialen Komponenten – also die Menschen, die sich in
Räumen aufhalten und ihr Verhalten (vgl. Sailer 2003). Die
Umsetzung städtebaulicher Maßnahmen gegen Angsträume
kann lediglich oberflächliche Erfolge erzielen, denn „Angst,
ebenso natürlich wie menschlich, wird auf einen Raum projiziert,
sie wird nicht ursächlich von diesem Raum produziert“
(Sailer 2003: 12). Nachhaltiger wäre es, strukturelle
Ungleichheiten und Probleme anzugehen und die Stigmatisierung
bestimmter Personen(gruppen) und Räume einzudämmen,
anstatt diese in medialen Berichterstattungen
zu reproduzieren.
In dem hier vorliegenden Beitrag wird davon ausgegangen,
dass Raum kein starrer Behälter ist, sondern sozial produziert
wird (vgl. Lefebvre 1991). Er wird durch Personen und
deren Handlungen hergestellt und wirkt gleichzeitig auf
diese Personen und Handlungen ein. Somit sind Räume
eher fluide statt starr und unbeweglich. Stark verkürzt dargestellt,
wird Raum als mehrdimensional verstanden. Diese
Herangehensweise an Räume teilt Hille Koskela, die sich
(kameraüberwachten) Räumen mithilfe unterschiedlicher
Raumdimensionen nähert (vgl. Koskela 2000). Auf Angsträume
lassen sich insbesondere zwei von Koskelas Raumdimensionen
anwenden: der power-space und der emotional
space. Machtstrukturen werden in Angsträumen auf vielfältige
Art sichtbar. Die Nutzung oder Aneignung eines (Angst)
Raumes – bspw. durch Polizist_innen, Überwachungstechnologien,
bestimmte Personen(gruppen) – ist nicht frei von
gesellschaftlich vorherrschenden Machtstrukturen. Das
Konzept des emotional space hebt auf die paradoxen Gefühle
ab, die mit einem Raum verknüpft sein können (vgl.
Koskela 2000). Die Nutzung eines Raumes kann Angst oder
Unbehagen auslösen, falls dieser typische Merkmale von
Angsträumen aufweist, selbst wenn dieser Raum statistisch
gesehen nicht als unsicher gilt. Auch die Anwesenheit von
Polizist_innen kann mit ambivalenten Gefühlen einhergehen:
Nutzer_innen können sich gleichzeitig sicherer durch
ihre Anwesenheit fühlen aber auch dafür sensibilisiert werden,
dass dieser Raum scheinbar gefährlich ist, denn wie
sonst wäre die Anwesenheit von Polizist_innen zu erklären?
Gefühle wie Angst sind stark mit Körpern verbunden, da
sie einerseits körperliche Reaktionen, wie einen schnelleren
Herzschlag, hervorrufen können und „fear is felt differently
by different bodies“ (Ahmed 2014: 68). Sara Ahmed
weist darauf hin, dass Körper durch Angst eingedämmt werden,
schrumpfen und somit weniger Raum einnehmen: „fear
works to restrict some bodies through the movement or expansion
of others“ (Ahmed 2014: 69).
Werden (Angst-)Raumkonstruktionen aus einer diskurstheoretischen
Perspektive betrachtet, kommt Sprache eine zentrale
Funktion zu, da sie durch Diskurse Wirklichkeit herstellt
(vgl. Kutschinske/Meier 2000). Diskurse produzieren Wissen
mithilfe von Sprache und beeinflussen unsere Weltsicht.
Insbesondere im Zusammenhang mit der Instrumentalisierung
von Angsträumen durch rechte Gruppierungen muss
danach gefragt werden, wer Wissen produziert und wer entscheidet,
welches Wissen als wahr und gültig verstanden
wird und in Diskurse einfließt. Nach Michel Foucault können
Wissen – und demnach auch Diskurse - nicht neutral
sein (vgl. Foucault 1974; Marquardt/Schreiber 2015). In
postkolonialen Theorien werden diese Überlegungen zu Diskursen
bspw. von Edward Said mit dem Konzept des Anderen
verknüpft. Dabei wird die soziale Konstruiertheit der Kategorien
des Orients und des Westens betont. Diese Konzepte
können genutzt werden, um Menschen zu manipulieren
und Angst sowie Hass gegenüber den Anderen zu schüren.
44
Stadt & Gesellschaft
(vgl. Said 1978). Said und Chandra Mohanty warnen davor,
Personengruppen eine kollektive Identität zuzuschreiben,
anstatt sie als heterogene Gruppen von Individuen wahrzunehmen.
In Mediendiskursen wird diese Heterogenität
häufig nicht beachtet, insbesondere wenn über den Islam,
den Westen, muslimische Männer und deutsche Frauen berichtet
wird. (vgl. Said 1978; Mohanty 1984). Demnach sind
Sprache und Diskurse nicht neutral, sondern von Machtverhältnissen
beeinflusst.
Die AfD NRW schreibt in einer kleinen Anfrage an die
Landesregierung, dass „Einheimische versuchen, den „Krieg
zwischen Schwarzafrikanern und Marokkanern“ auf dem
Ebertplatz zu „meiden“ und dass „insbesondere für Frauen
[…] hier offensichtlich eine größere No-go-Zone in Köln
entstanden“ ist (afd-fraktion.nrw 2018) und bezieht sich
dabei auf Berichterstattungen überregionaler Medien. Mit
derlei Aktionen macht die AfD Angsträume zu einem zentralen
Thema ihrer politischen Agenda. Wenn auch Medienberichte
bestimmte urbane Räume als Angsträume labeln und
dabei insbesondere nordafrikanische, muslimische, zugewanderte
Männer als Täter(gruppe) stigmatisiert werden, dann
hat dies Einfluss auf die gesellschaftliche Wahrnehmung
dieser Personen(gruppen) und dieser Räume. Machtstrukturen
werden dabei insbesondere durch eine postkoloniale
Betrachtungsweise sichtbar (vgl. Said 1978; Hall 1996):
Diejenigen, die Angstraum-Diskurse bestimmen, sprechen
und schreiben über die Anderen, aber lassen sie selber kaum
zu Wort kommen. Die Anderen sind in diesem Fall nordafrikanische
Männer, die objektiviert, stigmatisiert und einer
eigenen Stimme beraubt werden. Demnach werden nicht nur
asymmetrische Machtstrukturen zwischen den Geschlechtern
in Angstraum-Diskursen sichtbar, sondern auch hegemoniale,
(post)koloniale Machtpositionen verfestigt und
reproduziert. Gleichzeitig wird ein Narrativ von den fremden
Männern sowie von Angsträumen durch Diskurse sozial konstruiert.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass Erfahrungen mit
Gewalt oder Kriminalität bspw. am Kölner Ebertplatz nicht
real sind. Dieses dialektische Verhältnis zwischen sozialer
Konstruktion und realen Erfahrungen soll am Beispiel von
Frauen als Analysekategorie beleuchtet werden. Mohanty
schreibt dazu, dass Frauen in feministischen Analysen oftmals
durch ihre vermeintlich geteilte Unterdrückungserfahrung
charakterisiert werden. Die angebliche Gleichheit der
Form ihrer Unterdrückung ist das, was sie ausmacht. Durch
diese Sichtweise wird verschleiert, dass Frauen sowohl als
diskursiv konstruierte Gruppe existieren, als auch als materielle
Subjekte ihre individuellen Geschichten verkörpern.
Dadurch wird die diskursiv hergestellte homogene Gruppe
von Frauen mit der individuellen materiellen Realität unterschiedlicher
Gruppen von Frauen verwechselt (vgl. Mohanty
1984). Die diskursive Konstruktion von Frauen und ihre
Rolle als materielle Subjekte ihrer individuellen Geschichte
zeigen, dass Angsträume sozial konstruiert sein können, ohne
tatsächlich stattgefundene Übergriffe in diesen Räumen zu
negieren (vgl. Gaedicke, im Erscheinen). Somit werden individuelle
Erfahrungen auf der Mikroebene zu einer (Massen-)Erfahrung
auf der Makroebene.
45 philou.
Die teilweise durch mediale Berichterstattung vermittelte
eindimensionale Sicht auf Angsträume lässt verschiedene
Personen(gruppen) besonders sichtbar in Räumen werden –
bspw. nordafrikanische, fremde Männer – während andere
Personen(gruppen) evtl. unsichtbar im öffentlichen Raum
werden, da sie ihn aus Angst kaum noch (alleine) benutzen
– wie bspw. Frauen. Damit einhergehen Formierungen,
die an Bürger_innenwehren erinnern: Der Begleitschutz
Köln e.V. wirbt damit, dass insbesondere ältere Menschen,
Frauen und Kinder der Anonymität der Großstadt hilflos
ausgeliefert sind und es daher dem Service des Begleitschutzes
bedarf, um diese Personengruppen sich an ihr Ziel zu
bringen (vgl. begleitschutz-koeln-ev.de). Der Verein sowie
sein erster Vorsitzender werden der rechten Szene in Köln
zugeordnet (vgl. Marken 2018). Gruppierungen wie diese
können als anti-urban bezeichnet werden, da Merkmale der
Großstadt wie Anonymität und Fremde zu Problemen gemacht
werden (vgl. Wehrheim 2006). Demnach muss ihre
Legitimation in Frage gestellt werden.
“Finally, the discourse of ‘the West and the Rest’ could not
be innocent because it did not represent an encounter between
equals. (…) the Europeans stood, vis-à-vis the Others,
in positions of dominant power. This influenced what they
saw and how they saw it, as well as what they did not
see.” (Hall 1996: 204)
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Zinganel, M. (2003): Real Crime: Architektur, Stadt & Verbrechen, Wien:
edition selene.
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Stadt oder Land – wo wollen wir zukünftig eher leben? Natürlich in den
Großstädten und deren Ballungsgebieten! Klar, hat das naturnahe dörfliche Idyll auch seinen
Reiz, aber wo sonst werden so viele menschliche Bedürfnisse durch schnelle Erreichbarkeit
so effizient und vielseitig befriedigt? Sei es in kultureller, gesundheitlicher, beruflicher
oder vielerlei sonstiger infrastruktureller Hinsicht.
Was will man denn bitte in einem 3.000-Seelen-Dorf mit Schützenverein und Maibaum in der
Mitte sowie angestaubter Mentalität in den Köpfen, wo sich zwar alle kennen mögen, sich aber
auch hinter der Fassade einer sich höflich grüßenden dörflichen Gemeinschaft meist nur die
konservativen Überreste einer längst vergangenen Zeit befinden, die in ihren Einfamilienhäusern
bloß ihre Ruhe haben wollen und beim Stammtisch mit ein und denselben Menschen im
jahrzehntelangen geistigen Inzest ihre Angst vor dem Fremden, Neuen und Andersartigen kultivieren.
Wer nicht in diese Welt reinpassen kann oder will, wird ausgeschlossen und ergreift
verstärkt durch den Mangel an beispielsweise Verkehrsanbindung und einem diverseren Freizeitangebot
die Flucht in die Stadt.
Verständlich, dass man sich, eingeengt durch den fast wie eine omnipräsente Überwachungsinstanz
wirkenden Dorfgossip und den sich so festfahrenden Fremdwahrnehmungen der eigenen
Person, in der großstädtischen Anonymität durch die zahlreichen diversen Möglichkeiten
neu kennenlernen und vor allem neu erfinden will.
Die Landflucht kommt auch nicht von ungefähr. Die Dorfromantik ist schlichtweg vorbei. In den
Dörfern sind viele traditionelle Begegnungsräume verloren gegangen. Kleine Dorfläden oder
Postschalter werden zunehmend geschlossen, die alte Dorflinde ist längst gefällt. Viele Dörfer
sind eher Ansammlungen von lieblos dahingeworfenen Nachkriegsbauten an sich kreuzenden
Hauptstraßen. Auch ist das kulturelle Leben nicht ansatzweise so divers, wie in den Großstädten,
wo neben beispielsweise Cafés oder verschiedenen anderen gemeinschaftsstiftenden Vereinen
und Initiativen auch klassisch dörfliche Institutionen, wie Wochenmärkte Einzug halten.
Es ist ja auch nicht so, dass man in der Großstadt vollständig auf die Vorteile des Landes verzichten
müsste. Die Natur ist im Umland durch die gute Verkehrsinfrastruktur meist zügig zu
erreichen und selbst innerstädtisch bieten sich durch Parkanlagen oder Urban Gardening diverse
Möglichkeiten an.
Und durch die Digitalisierung und den mit ihr einhergehenden Smart-City-Konzepten werden
in naher Zukunft zahlreiche strukturelle Probleme der heutigen Großstädte lösbar. Durch eine
digitalisiert effizientere Wasser- und Energiewirtschaft, abgasfreie Elektromobilität, unterirdisch
roboterbetriebene Paketliefer- und Abfallentsorgungsdienste sowie zahlreichen weiteren innovativen
Zukunftskonzepten und wegweisenden Anpassungen der Städtelandschaft können wir
diesen Lebensraum noch effizienter als bisher und vor allem deutlich ökologischer gestalten.
Ob fahrradfreundliche Verkehrsinfrastruktur, smarte Energienetze oder appbasierte Vernetzungen
– die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt. Und dabei befinden wir uns erst am Beginn
einer spannenden Entwicklung. Smart Cities sind die Zukunft!
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Januskopf
Thomas Ruddigkeit
Stadt oder Land – wo wollen wir zukünftig eher leben? Natürlich auf dem
Land und den kleineren Städten und Gemeinden! Klar, bieten Großstädte zahlreiche Angebote
und komfortable Annehmlichkeiten, doch treten vor allem heutzutage auch zunehmend
ihre negativen Kehrseiten zu Tage – sei es in ökologischer, sozialer, gesundheitlicher
oder vielerlei sonstiger infrastruktureller Hinsicht.
Was will man denn bitte in den überfüllten Metropolen dieser Welt inmitten einer durch kalte
Anonymität voneinander entfremdeten Menschenmasse, die dauergestresst durch die feinstaubbelastete
Betonwüste hastet, um die wenigen Quadratmeter Wohnung in ihrer zunehmenden
Unbezahlbarkeit doch noch finanzieren zu können, während sie zwischen den unzähligen
flüchtigen und oberflächlichen Bekanntschaften die innere Leere im deprimierenden Tinderverschleiß
mit etwas zu füllen sucht, was die zwischenmenschliche Kälte zumindest kurzzeitig
aufzutauen vermag? Wer schließlich im Konkurrenzkampf um den kostbaren Wohnraum den
Kürzeren zieht – gentrifiziert wird – muss noch stärker im Hamsterrad rennen oder letztendlich
den Ausstieg suchen.
Verständlich, dass man diese kalten Moloche nicht mehr ertragend eine Sehnsucht nach zwischenmenschlicher
und regionaler Verbundenheit entwickelt. Dorf bedeutet – vielmehr als
die Großstadt, in die man häufig auch nur aus beruflichen Gründen ziehen muss – Heimat.
Es bedeutet Verwurzelung.
Die Stadtflucht kommt auch nicht von ungefähr. Wohnungsnot und Mietpreisexplosionen zwingen
immer mehr Menschen in die Peripherie. Die Höhe des Anteils an Mietkosten in den Lebenshaltungskosten
von so manchem Städter schmälert deren Kaufkraft enorm und wird dazu
führen, dass sich Armut immer stärker in Städten konzentrieren wird, während die beruflichen
Möglichkeiten sich zunehmend auf dem Land eröffnen, wo zahlreiche Regionen händeringend
nach Fachkräften und Auszubildenden suchen.
Es ist ja auch nicht so, dass man auf dem Land vollständig auf die Vorteile der Stadt verzichten
müsste. Schließlich verliert der Raum zunehmend an Bedeutung im Rahmen der Digitalisierung,
die zu einer Dezentralisierung von Leben und Arbeiten führt. Viele kulturelle Angebote sind
online zugänglich und zahlreiche Arbeiten können im Home Office erledigt werden – regelmäßiges
langes Pendeln ist nicht mehr nötig.
Solange die Digitalisierung auch auf dem Land Einzug hält durch die Etablierung entsprechender
Infrastrukturen, erübrigen sich damit auch viele Gründe für Landflucht. Auf dem Land bedeutet
die Digitalisierung wirklich Freiheit im Gegensatz zu den Großstädten, in denen Smart-City-Konzepte
zwar das Blaue vom Himmel versprechen, aber gerne unter den Tisch fällt, wie viele private
Daten dafür angehäuft werden müssen. Zweifellos wird die Smart City die Abhängigkeit
vieler Städte von der Technologie und privatisierten Infrastruktur datensammelnder Konzerne
befördern, die die Errichtung von hochtechnisierten Wohlhabenden-Enklaven vorantreiben –
Silicon Valley lässt grüßen! Es braucht Alternativen! Das digitalisierte Land ist die Zukunft!
49 philou.
Impressum
philou.
Das unabhängige wissenschaftliche Studierendenmagazin
an der RWTH Aachen University.
Kontakt
http://philou.rwth-aachen.de
info@philou.rwth-aachen.de
Ausgabe 7, 2019
Auflage: 3.000
Mitwirkende
Bendler, Karl
Dogan, Caner
Eleftheriadi-Z., Sofia
Falter, Frédéric
García Mata, Cristina
Hilker, Sarah
Honkomp, Nils
Korr, Jan
Lentzen, Nina
Oschmann, Oliver
Ruddigkeit, Thomas
Winkens, Ann-Kristin
Layout
García Mata, Cristina (Konzept, Illustration, Layout)
Hilker, Sarah (Layout)
Credits
S. 29: Originalbild Jon Tyson via Unsplash
S. 45: Originalbild Freepik.com
S. 48f.: Originalgrafiken von vectorpouch via Freepik.com
Texturen: texturefabrik.com
V.i.S.d.P
Ann-Kristin Winkens
Studierendenmagazin Philou. e.V.
Robensstraße 65
52070 Aachen
Im Namen der gesamten Redaktion bedanken wir uns
herzlichst bei dem AStA, dem VDI Bezirksverein Aachen,
Katrin Klubert, Defne Erel, Tobias Braun, Annika Siepe und
allen anderen Mitwirkenden, die Zeit, Rat und Geld zur
Verfügung gestellt haben.
Diese Ausgabe und die vorigen Ausgaben der philou. können
auch online unter philou.rwth-aachen.de eingesehen werden.
Die Redaktion behält sich das Recht vor, Artikel redaktionell
zu bearbeiten. Eine Abdruckpflicht für eingereichte Beiträge
gibt es nicht. Die in der philou. veröffentlichten, namentlich
gezeichneten Beiträge geben die Meinungen der Autoren
wieder und stellen nicht zwangsläufig die Position der
Redaktion dar.
Nachdruck und Wiedergabe von Beiträgen aus der philou.
sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion
erlaubt.
Ausblick: Ausgabe 8
Identität
Wer bin ich und wenn ja,
bin ich morgen noch dieselbe Person?
Der Duden definiert „Identität“ folgendermaßen:
Echtheit einer Person oder Sache; völlige Übereinstimmung mit
dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird.
Descartes stellte fest: „Ich denke, also bin ich“.
Offen blieb: Bin ich immer dieselbe Person?
Und was ist das „Ich“? Zahlreiche Philosoph_innen,
Psycholog_innen, Soziolog_innen wie auch Biolog_innen
zerbrechen sich seit Jahrhunderten den Kopf darüber. Und wie
verändert sich die eigene Identität in Zeiten des technologischen
Fortschritts, der Digitalisierung und der Entfremdung? Mit
welchen Werten, Kulturen, Beziehungen, Lebensformen
identifizieren wir uns und warum? Und wer sind „Wir“?
Mit diesen und vielen weiteren Aspekten soll sich die nächste
Ausgabe beschäftigen – dabei geht es um einen interdisziplinären
Diskurs.
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