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Junia Ausgabe 2/2021

Junia ist das Mitgliedermagazin des kfd-Bundesverbandes. Mehr unter: www.junia-magazin.de

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02/21<br />

Mitgliedermagazin der kfd –<br />

Katholische Frauengemeinschaft<br />

Deutschlands<br />

FRAU UND MUTTER HAT JETZT EINEN NAMEN –<br />

Lasst<br />

uns ins<br />

Licht!<br />

Frauen berichten von ihren Berufungen<br />

MÜTTER IN DER KRISE<br />

Was das Corona-Jahr<br />

unseren Familien abverlangt<br />

LOHNLÜCKE<br />

Der weite Weg zur<br />

gerechten Bezahlung<br />

AUFERSTEHUNG<br />

Keine Ostergeschichte<br />

ohne die Frauen


„Mir geht ein<br />

Licht auf!“<br />

Redensart,<br />

geht auf die Bibel zurück<br />

(Matthäus 4,16)<br />

Erhellung des menschlichen Geistes<br />

durch das Licht des Glaubens – wird<br />

heute oft mit plötzlicher Erleuchtung/<br />

Erkenntnis gleichgesetzt.<br />

Macht<br />

Licht<br />

Das ewige<br />

Licht steht in<br />

katholischen<br />

Kirchen im<br />

Altarraum<br />

nahe dem<br />

Tabernakel, in<br />

dem die geweihte<br />

Hostie<br />

aufbewahrt<br />

wird. Nur an<br />

Karfreitag ist<br />

im Gedenken<br />

an die<br />

Kreuzigung<br />

Jesu das Licht<br />

erloschen. Erst<br />

in der Osternacht<br />

wird<br />

erneut das<br />

Brot geweiht<br />

und dann das<br />

Licht wieder<br />

entzündet.<br />

an!<br />

Licht, das (n.)<br />

Licht am Ende des Tunnels<br />

Geflügeltes Wort, das in der Corona-Krise stark beansprucht wurde und wird.<br />

Lichtgeschwindigkeit<br />

Schnellster Mensch<br />

Formel 1 Rennwagen<br />

Schallwellen, Töne<br />

Überschall-Düsenjet<br />

Licht<br />

88<br />

%<br />

der<br />

ca. 10 m/s<br />

ca. 100 m/s<br />

ca. 343 m/s<br />

ca. 400 m/s<br />

ca. 300.000.000 m/s<br />

genaue Zahl: 299.792 km/s<br />

MEHR<br />

LICHT!<br />

Goethes letzte Worte<br />

Ozeane sind Tiefsee und<br />

gehören laut Definition zum<br />

lichtlosen Bereich<br />

des Meeres. (Wikipedia)<br />

Unser aller<br />

Lebensgrundlage:<br />

Licht her für die<br />

Photosynthese<br />

Photographie<br />

(aus altgriechisch phós,<br />

im Genitiv photós ‚Licht‘,<br />

und graphein ‚schreiben‘,<br />

‚malen‘, ‚zeichnen‘, also<br />

„zeichnen mit Licht“)<br />

Millionen<br />

Lichter<br />

Song der österreichischen<br />

Sängerin Christina Stürmer.<br />

Wurde mit dem – wie<br />

passend – „Radio<br />

Regenbogen Award“ als<br />

bester Song 2013<br />

ausgezeichnet.<br />

Die kfd setzt sich vehement<br />

für die Aufklärung<br />

im Missbrauchsskandal<br />

und die Erneuerung der<br />

katholischen Kirche ein.<br />

LEGENDÄR!<br />

Licht<br />

aus,<br />

Spot<br />

an!<br />

Von 1971 bis 1982<br />

moderierte Ilja Richter<br />

133 Mal die Musikshow<br />

„Disco“ im ZDF.<br />

Die<br />

Erschaffung<br />

der Welt<br />

Gen 1,1<br />

Im Anfang schuf<br />

Gott Himmel und<br />

Erde; Gen 1,2<br />

die Erde aber war<br />

wüst und wirr,<br />

Finsternis lag<br />

über der Urflut<br />

und Gottes Geist<br />

schwebte über<br />

dem Wasser;<br />

Gen 1,3 Gott<br />

sprach: Es<br />

werde Licht.<br />

Und es wurde<br />

Licht<br />

Lichterloh!<br />

Wer<br />

erinnert<br />

sich noch<br />

an den<br />

Struwwelpeter<br />

und<br />

das arme<br />

Paulinchen<br />

…?<br />

So wurden im<br />

19. Jahrhundert<br />

Kinder vor dem Spiel mit<br />

dem Feuer gewarnt.<br />

LEUCHTTURM<br />

Der älteste, noch heute in Betrieb befindliche<br />

Leuchtturm ist der im 1. Jahrhundert nach Christus<br />

errichtete römische Herkulesturm an der spanischen<br />

Nordwestküste, nahe der Stadt La Coruña.<br />

Sonnenlicht • Osterlicht • Kerzenlicht • Nordlicht • Straßenlicht • Bühnenlicht • Mondlicht • Scheinwerferlicht • Abblendlicht • Flutlicht • Rotlicht<br />

Zusammengetragen von Jutta Laege, lllustration: Christina Claßen<br />

MUTTERSPRACHE


Editorial<br />

Dank für Austausch<br />

und Anerkennung<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

„Dem Vergangenen: Dank. Dem Kommenden: Ja!“<br />

Mit diesen Worten des schwedischen Friedensnobelpreisträgers<br />

Dag Hammerskjöld kommentierte kürzlich eine<br />

Leserin den Namenswechsel von „Frau und Mutter“ zu<br />

<strong>Junia</strong>. Diese Zeilen können wir nur weitergeben: an alle,<br />

die uns zum Start des neuen kfd-Mitgliedermagazins so<br />

zahlreich geschrieben und mit uns telefoniert haben.<br />

Das hat gutgetan, nicht nur, weil so viele Zuschriften mit<br />

Glückwünschen und anerkennenden Worten versehen<br />

waren. Sondern auch, weil wir bei Unverständnis oder<br />

Befremden gegenüber dem neuen Titel direkt in Kontakt<br />

treten, Fragen beantworten und Anregungen entgegennehmen<br />

konnten. Danke dafür!<br />

Kontakt bleibt ein Schlüsselwort dieser Tage. Diese<br />

<strong>Junia</strong>-<strong>Ausgabe</strong> wurde in der Hoffnung konzipiert, dass<br />

wir uns bei Erscheinen möglicherweise am Ende der Corona-Pandemie<br />

befinden. Der Frühling und das Osterfest<br />

nahen. Leider muss unser Leben weiterhin, so ist jedenfalls<br />

der Stand zu Redaktionsschluss, unter deutlichen Beschränkungen<br />

stattfinden. Wir bleiben – nicht nur dem<br />

Kirchenjahr entsprechend – im Fasten-Modus.<br />

Vielleicht können wir Ihnen aber mit dem ein oder<br />

anderen Impuls oder Text helfen, nach neuen Kraftquellen<br />

zu suchen, um die Zeit der Entbehrungen besser zu<br />

überstehen. Vielleicht werden wir trotz der eigenen Einschränkungen<br />

doch gelassener, wenn wir lesen, was zum<br />

Beispiel junge Mütter in der Coronakrise alles meistern<br />

müssen (S. 6). Sie spielen auch eine wichtige Rolle im Interview<br />

mit der Wirtschaftsforscherin Katharina Wrohlich<br />

(S. 16), die die weiterhin eklatante Ungleichbehandlung<br />

von Männern und Frauen<br />

aufzeigt. Eine von der kfd<br />

in Auftrag gegebene Umfrage<br />

untermauert, worum<br />

es für Frauen in dieser<br />

Gesellschaft in Zukunft<br />

gehen muss: „Was Frauen<br />

fordern“ finden Sie auf<br />

den Seiten 17/18.<br />

Vielleicht erfahren wir<br />

auch Stärkung durch die<br />

Autorin und katholische Theologin Jacqueline Straub aus<br />

unserer „Generation K“. Berufungen kann man nicht wegreden,<br />

ist ihre feste Überzeugung (S. 22). Sie teilt sie mit<br />

weiteren Frauen unterschiedlicher Generationen, deren<br />

Berufungsgeschichten wir in Auszügen abdrucken (S. 24).<br />

Die Ostergeschichte rund um die Auferstehungszeugin<br />

Maria Magdalena vervollständigt dieses Heft voller Frauen-Perspektiven<br />

und steht wunderbar, pur und klar für die<br />

Hoffnung und das Licht.<br />

Natürlich kommen in <strong>Junia</strong> auch Männer zu Wort.<br />

Der Entertainer Hape Kerkeling beantwortet – wohltuend<br />

schlagfertig und selbstironisch – unseren <strong>Junia</strong>-Fragebogen<br />

„Die zehn Gebote“ (S. 29). Und dann lauschen wir<br />

in Gedanken noch William Anders, Jim Lovell und Frank<br />

Borman (S. 12) beim Vorlesen der ersten Worte der Bibel<br />

aus dem Orbit. Die drei US-Astronauten waren die ersten<br />

Menschen, die 1968 die Erde aus dem All sehen und bestaunen<br />

konnten. Das Foto des aufgehenden blauen Planeten<br />

im Dunkel des Weltalls verursacht bis heute Gänsehaut<br />

und ist ein wahrhaftiger Lichtblick.<br />

In diesem Sinne ... eine schöne<br />

vorösterliche und österliche Zeit!<br />

Ihre Jutta Laege<br />

Chefredakteurin<br />

Folgen Sie uns<br />

Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands


6<br />

KATEGORIE


FRAUENFRAGEN<br />

Was das<br />

Corona-Jahr über<br />

den Zustand des<br />

Familienalltags in<br />

Deutschland ans<br />

Licht brachte,<br />

wie Frauen die<br />

Belastung erleben<br />

und warum wir<br />

daran etwas<br />

ändern müssen.<br />

VON<br />

ISABELLE<br />

DE BORTOLI<br />

Es ist 21 Uhr, ein Abend im Lockdown, als sich Jennifer<br />

Schmitt (Name von der Redaktion geändert) an den<br />

Schreibtisch setzt. Am Morgen hat sie ihre Zwillinge<br />

beschult, das kleine Einmaleins stand auf dem Plan. Der<br />

Stoff war den Kindern unbekannt, permanente Erklärung<br />

vonnöten. Anschließend musste das Mittagessen gekocht<br />

werden, dann hatte Jennifer Schmitt ein paar ruhige Minuten,<br />

um wenigstens schon mal Mails zu beantworten.<br />

Dann hieß es: Nachmittagssnack, basteln mit den Kindern<br />

und einkaufen. Nun sind die Kinder im Bett und Jennifer<br />

Schmitt beginnt mit der Arbeit, die sie eigentlich tagsüber<br />

erledigen wollte: Die Frankfurterin arbeitet in der Marketing-Abteilung<br />

eines Museums. Obwohl wegen Corona<br />

keine Ausstellungen stattfinden, müssen doch künftige<br />

Programme aufgelegt und beworben werden. Manchmal<br />

fährt sie erst um 24 Uhr den PC runter. „So habe ich mir<br />

das natürlich nicht vorgestellt. Doch schon am ersten<br />

Lockdown-Tag hat mein Mann das Arbeitszimmer für sich<br />

beansprucht, ist mit sämtlichem technischen Gerät dort<br />

eingezogen. Für mich bleibt der Laptop am Küchentisch.<br />

Und weil er Vollzeit arbeitet, bleiben irgendwie auch das<br />

Homeschooling und die Kinderbetreuung an mir hängen.“<br />

So wie Jennifer Schmitt geht es vielen Frauen in<br />

der Corona-Krise. Umfrageergebnisse der Bertelsmann<br />

Stiftung zeigen, dass die Verteilung der Aufgaben im<br />

eigenen Zuhause vorwiegend klassischen Rollenbildern<br />

zwischen Mann und Frau folgt. Während in der Wahrnehmung<br />

der Männer Kinderbetreuung und Hausarbeit<br />

gerecht aufgeteilt sind, leiden viele Frauen unter der aktuellen<br />

Krisensituation. So geben 69 Prozent der Frauen an,<br />

dass sie die generelle Hausarbeit erledigen, während das<br />

unter den Männern gerade einmal elf Prozent von sich behaupten.<br />

Ähnlich verhält es sich bei Kinderbetreuung und<br />

beim Homeschooling: Während laut Auskunft der Frauen<br />

jeweils mehr als die Hälfte von ihnen die hier anfallenden<br />

Aufgaben übernimmt, sind es bei den Männern nur 13<br />

und 15 Prozent.<br />

Auffällig ist ein Bruch in der Wahrnehmung der Hausarbeit<br />

und der damit einhergehenden Arbeitsbelastung<br />

zwischen Frauen und Männern. Obwohl den Männern<br />

auffällt, dass viele der genannten Aufgaben bei den Frauen<br />

liegen, sind sie dennoch zu 66 Prozent der Ansicht, die<br />

Aufgaben der Kinderbetreuung und Hausarbeit seien gerecht<br />

aufgeteilt. Die Antworten der Frauen vermitteln hingegen<br />

ein anderes Bild: Noch nicht einmal jede zweite Befragte<br />

ist der Meinung, dass die Hausarbeit gerecht verteilt<br />

ist. 43 Prozent geben an, dass ihnen die Vereinbarkeit von<br />

Familie und Beruf schwerer falle als zu normalen Zeiten.<br />

Fast die Hälfte der Frauen fühlt sich außerdem durch die<br />

Situation an ihre körperliche, psychische und emotionale<br />

Grenze gebracht.<br />

„Vor diesem Hintergrund sollten sich sowohl Frauen<br />

als auch Männer mit ihren privaten und beruflichen Rollen<br />

auseinandersetzen, die Aufgabenverteilung in der Familie<br />

zur Sprache bringen und mit Rücksicht auf die Belastungen<br />

und Bedürfnisse des Partners oder der Partnerin aus-<br />

FRAUENFRAGEN<br />

7


handeln“, fordert Barbara von Würzen, Expertin<br />

für Führung und Unternehmenskultur bei der<br />

Bertelsmann Stiftung. In Krisenzeiten, in denen<br />

Schulen, Kitas und andere Betreuungseinrichtungen<br />

geschlossen sind, ist es somit schwieriger geworden,<br />

das Bild der funktionierenden Karrierefrau<br />

aufrechtzuerhalten, die immer und jederzeit<br />

für den Arbeitgeber zur Verfügung steht.<br />

Auch Vera Sydow (Name von der Redaktion<br />

geändert) wurde während der Corona-Krise den<br />

eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht. Die<br />

Mutter zweier Söhne im Kindergartenalter ist<br />

Lehrerin an einem Gymnasium. „Plötzlich sollte<br />

ich meine Schüler digital unterrichten, während<br />

ich zwei Kleinkinder zu betreuen hatte. Eltern<br />

riefen mich an, stellten Fragen. Währenddessen<br />

zankten sich meine Söhne im Hintergrund. Ich<br />

war einem Nervenzusammenbruch nahe. Mit<br />

der Notbetreuung in der Kita wurde es etwas<br />

besser. Allerdings zucke ich auch heute noch bei<br />

jedem Handy-Klingeln zusammen: Mich hat jetzt<br />

schon so oft der Kindergarten angerufen, weil die<br />

Nase meines einen Sohnes lief oder in der Gruppe<br />

des anderen ein Corona-Verdachtsfall war.<br />

Immer musste ich quasi aus dem Klassenzimmer<br />

herausrennen und zur Kita fahren. Das war mir<br />

gegenüber den Schüler*innen und Kolleg*innen<br />

natürlich sehr unangenehm.“<br />

Wie angespannt viele Mütter sind, erlebt<br />

Karella Easwaran täglich in ihrer Kölner Kinderarztpraxis.<br />

Viele haben große Sorgen, der Stress<br />

nimmt zu. „Das positive Gefühl, Mutter zu sein,<br />

wird oft überschattet von negativen Gedanken.<br />

Für die Gesundheit der Kinder ist es aber wichtig,<br />

dass ihre Mütter gesund sind. Deshalb behandle<br />

ich nicht nur die Kinder, sondern habe auch die<br />

Mütter in den Blick genommen. Ich spreche mit<br />

ihnen, denn Worte haben oft schon eine heilende<br />

Wirkung. Die Frauen schauen auf die Gesundheit<br />

ihrer Kinder, ihren Partner – aber achten zu<br />

wenig auf sich selbst.“<br />

Die Pandemie habe die Frauen stark belastet.<br />

„Eine berufstätige Mutter mit Kita-Kind hatte puren<br />

Stress durch das Wegfallen der verlässlichen<br />

Betreuungsstruktur. Die Nerven lagen auch deshalb<br />

blank, weil nicht klar kommuniziert wurde,<br />

wann die Kinder wieder betreut werden. Der<br />

Wegfall von Konstanz und Verlässlichkeit ist für<br />

uns Menschen enorm verunsichernd“, erklärt die<br />

Medizinerin. Aber auch Mütter mit älteren Kindern<br />

hätten Probleme: Sportmöglichkeiten fielen<br />

weg, Teenager hingen seit Monaten unausgeglichen<br />

zu Hause am Handy. „Und selbst ich mache<br />

mir Gedanken um meinen ältesten Sohn, der<br />

schon studiert: Da alles online stattfindet, sitzt er<br />

allein in seinem Zimmer in seiner Uni-Stadt. Und<br />

ich denke als Mutter: Komm nach Hause!“ Aber<br />

Ich leide sehr unter der aktuellen Situation. Die hohe Belastung<br />

bringt mich psychisch, emotional und körperlich an meine Grenzen.<br />

Die körperliche und psychische Belastung ist hoch.<br />

Frauen<br />

Mutter sei eben nicht gleich Mutter: „Ich habe<br />

auch Frauen mit Neugeborenen erlebt, die diese<br />

Zeit entspannt in der Geborgenheit ihres Zuhauses<br />

erleben konnten, ohne Terminstress.“<br />

Frauen stünden heute vor vielen Herausforderungen:<br />

Erkrankungen, Belastung durch den<br />

Job, finanzielle Schwierigkeiten, Angst in der<br />

Pandemie, vielleicht auch eine aggressive Stimmung<br />

in der Familie. Deshalb hat Karella Easwaran<br />

ein Buch geschrieben, das einen Ausweg<br />

aus Erwartungsdruck, Erschöpfung und Stress<br />

aufzeigen soll. In „Das Geheimnis ausgeglichener<br />

Mütter“ geht es auch darum, negative Gedanken<br />

zu stoppen. „Ein Mensch, der viel zu tun<br />

hat, viel arbeitet, ist nicht direkt ein gestresster<br />

Mensch. Der Stress entsteht durch das, was wir<br />

denken“, so die Kinderärztin. Neue Denkstrategien<br />

entwickeln und damit Wahrnehmung und<br />

Handeln ändern, um mehr Kraft und Energie zu<br />

haben, ist ihre Empfehlung.<br />

Dazu gehört auch, gemeinsam mit dem Partner<br />

das Familienleben neu aufzustellen. „Mein<br />

Rat ist: Gebt etwas ab! Fangt neu an! Holt euch<br />

Unterstützung, plant die Woche mit dem Partner<br />

und regelt die Betreuung der Kinder gemeinsam.<br />

Und wenn es keinen Papa gibt, dann sucht euch<br />

andere Mütter, Freundinnen oder Verwandte. Alleine<br />

lässt sich kein Kind großziehen. Das alles<br />

sind Kleinigkeiten – Frauen müssen sich trauen,<br />

diese zu kommunizieren und auch einmal laut<br />

auszusprechen, was sie wollen. Für sich, für die<br />

Familie, mit dem Partner, für die Zukunft.“<br />

Ohne starke Mütter könnten weder Familien<br />

noch Gesellschaft stark sein, so Karella Easwaran.<br />

„Ist die Mutter schwach, unausgeglichen,<br />

Männer<br />

stimme zu stimme nicht zu nicht relevant<br />

Bertelsmann Stiftung 2020, Umfrage „Traditionelle Rollenverteilung in Corona-Krisen belastet Frauen“.<br />

„Mein Rat ist:<br />

Gebt etwas<br />

ab! Fangt neu<br />

an! Holt euch<br />

Unterstützung,<br />

plant die Woche<br />

mit dem Partner<br />

und regelt die<br />

Betreuung der<br />

Kinder gemeinsam!“<br />

Dr. Karella<br />

Easwaran<br />

8<br />

FRAUENFRAGEN


kraftlos, wirkt sich dies auch auf die Kinder aus.<br />

Ein Kind kann die Gesellschaft nur tragen, wenn<br />

es selbst getragen worden ist.“ Die Gesellschaft<br />

müsse die Erziehungsarbeit, die Eltern leisten,<br />

sehr viel stärker wertschätzen, als dies bislang<br />

der Fall sei, sagt die Ärztin. „Insgesamt muss sich<br />

der Blick auf die Kinder verändern: In Deutschland<br />

werden Kinder immer noch viel zu sehr<br />

als Störfaktor gesehen. Die Gesellschaft, insbesondere<br />

Arbeitgeber, zeigt sich oft genervt von<br />

Schwangeren, von Müttern und ihren Kindern<br />

– das darf nicht sein. Wir müssen Müttern mit<br />

Respekt begegnen – und ihnen zuhören.“<br />

Ein weiterer Impuls der Ärztin an die Mütter:<br />

Zuversicht! „Die Zeiten werden sich ändern.<br />

Und: Man sollte lernen, aus Dankbarkeit positive<br />

Gedanken zu schöpfen. Dankbarkeit kann<br />

uns helfen. Das Mittelhirn reagiert auf unsere<br />

Dankbarkeit mit Glückshormonen. Dann kommt<br />

man aus dem Stress heraus und findet so auch<br />

Lösungen. Stress bedeutet: Ich kann nicht mehr<br />

denken. Ich habe eine Blockade. Mit mehr Dankbarkeit<br />

kann ich neue Wege erkennen.“<br />

Und tatsächlich: Ob im Freundeskreis, in<br />

der Gemeinde oder in Mütter-Gruppen in den<br />

Sozialen Netzwerken – bei all dem Stress, der Erschöpfung<br />

und der Unsicherheit in der Zeit der<br />

Pandemie überwiegt bei den Familien doch vor<br />

allem das Gefühl der Dankbarkeit. Dankbarkeit<br />

nicht nur für die eigene Gesundheit, die Wohnung,<br />

den Garten, sondern vor allem für die gemeinsame<br />

Zeit, die Corona den Müttern, Vätern<br />

und Kindern geschenkt hat. Denn durch den<br />

Wegfall von Kita, Fußballtraining, Gitarrenunterricht,<br />

Ganztagsschule und dem Pendeln ins Büro<br />

blieb plötzlich Zeit zum Vögel beobachten, Steine<br />

sammeln, Vorlesen, Kuscheln – einfach zum Zusammensein.<br />

DAS GEHEIMNIS<br />

AUSGEGLICHENER<br />

MÜTTER<br />

Von Dr. Karella Easwaran<br />

Kösel Verlag, 16 Euro<br />

ISBN: 978-3-466-31151-4<br />

Mutter-Sein ist der schönste Job der Welt – aber<br />

auch der härteste. In herausfordernden Zeiten<br />

sind Erwartungsdruck, hohe Verantwortung und<br />

Erschöpfung nur einige der Stressfaktoren, die zu<br />

gesundheitlichen Schäden wie Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen und Depression führen. Doch wie<br />

kann man den Frauen am besten helfen? Karella<br />

Easwaran setzt bei den Vorgängen in unserem<br />

Hirn an: Wenn wir kraftraubende Denkmuster<br />

überwinden, können wir zuversichtlich und entspannt<br />

unseren Alltag gestalten.<br />

Wie Mütter weiter gestärkt werden können<br />

NEUE KRAFT FÜR FRAUEN:<br />

JETZT ONLINE BERATEN LASSEN!<br />

Die Katholische Arbeitsgemeinschaft (KAG) Müttergenesung, die seit 90 Jahren<br />

Kuren für Mütter und Kinder anbietet (inzwischen auch für Väter und pflegende<br />

Angehörige), stellt in der Pandemie einen zunehmenden Grad der Erschöpfung<br />

unter den Müttern fest, die eine Kur antreten. Lucia Lagoda, kfd-Bundesvorstandsmitglied<br />

und Bundesvorsitzende der KAG Müttergenesung, rät Frauen, sich Hilfe<br />

zu suchen und sich über eine Kur zu informieren: „Die Beratungsstellen der KAG<br />

Müttergenesung beantworten derzeit auch online alle Fragen.“<br />

Mehr Infos sowie Erfahrungsberichte von Müttern unter:<br />

www.kag-muettergenesung.de und www.kfd.de/muettergenesung<br />

„Working Moms“ mahnen:<br />

FRAUEN DÜRFEN IN DER<br />

PANDEMIE NICHT VERSCHWINDEN<br />

Sie kämpfen bundesweit für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für mehr<br />

Frauen in Führungspositionen und denselben Lohn für gleiche Arbeit: Das Netzwerk<br />

„Working Moms“ ist seit seiner Gründung im Jahr 2007 auf rund 600 Mitglieder<br />

an zehn Standorten in Deutschland gewachsen. „Wir alle arbeiten in verantwortungsvollen<br />

Positionen und haben Kinder“, sagt Clara Gruitrooy, Vorsitzende<br />

der Berliner „Working Moms“, Generalsekretärin des Euro-Mediterran-Arabischen<br />

Ländervereins und Mutter von zwei Töchtern (6<br />

und 10 Jahre). „Ich möchte mich nicht rechtfertigen müssen, dass<br />

ich Vollzeit arbeite. Deshalb bin ich ja nicht weniger gern Mutter“,<br />

erklärt die Professorin und Architektin Christine Kappei, 2. Vorsitzende<br />

der „Working Moms“ in Stuttgart, den Sinn des Netzwerks,<br />

in dem sich gleichgesinnte beruflich ambitionierte Mütter austauschen.<br />

Sie hat einen elfjährigen Sohn.<br />

Dass Frauen in der Pandemie nicht zu Hause verschwinden,<br />

Christina Kappei<br />

sondern dass die Relevanz der Care-Arbeit zu Hause im Blickpunkt<br />

der Gesellschaft bleibt, ist den „Working Moms“ wichtig. „Homeoffice“<br />

in Pandemie-Zeiten müsse mehr sein als eine Art Krisenmodus:<br />

Es geht ja eigentlich darum, sich intensiv und ohne Störungen Aufgaben<br />

widmen zu können, die einer tieferen Reflektion bedürfen.<br />

Derzeit läuft aber alles gleichzeitig: Arbeit, Kinderbetreuung, Schulaufgaben,<br />

Haushalt“, sagt Clara Gruitrooy. Dennoch: Das selbstverständliche<br />

flexible Arbeiten von zu Hause, der Abschied von der Präsenzkultur<br />

hat durch die Pandemie einen großen Schub bekommen.<br />

„Das können wir durchaus als Erfolg feiern“, sagt Christine Kappei. Clara Gruitrooy<br />

„Von der neuen Vertrauenskultur in den Unternehmen profitieren<br />

Mütter. Es geht nun nicht mehr nur darum, wer am längsten bleibt und wer die<br />

größte Show abliefert – sondern um die Ergebnisse. Weil wir Frauen uns oft zurückhaltend<br />

geben, sind wir oft neben dominanter auftretenden Männern weniger<br />

sichtbar. Nun sind bei der Video-Konferenz alle eine gleich große Kachel. Es kommt<br />

auf gute Ideen und Gedanken an.“<br />

Insgesamt plädieren die „Working Moms“ dafür, dass Unternehmen für Familien<br />

individuelle Lösungen finden. „Das erfordert eine gesamtgesellschaftliche<br />

Wertschätzung.“ Clara Gruitrooy ist sicher, dass Mütter in Führungspositionen den<br />

Weg für mehr arbeitende Mütter – und Väter – ebnen können. Christine Kappei<br />

ergänzt: „Mutter- oder Vater-Sein sollte in der Arbeitswelt selbstverständlich sein.“<br />

www.workingmoms.de<br />

FRAUENFRAGEN 9


VOM<br />

UMGANG MIT<br />

UNSERER<br />

SCHÖPFUNG<br />

Als wohlgeordneten<br />

Kosmos (= „Ordnung“)<br />

und als Gottes<br />

gute Schöpfung<br />

beschreibt die Bibel<br />

unsere Welt in den<br />

Weltbildern ihrer Zeit.<br />

Doch spätestens seit<br />

Beginn der Industrialisierung<br />

vor gut 200<br />

Jahren beuten insbesondere<br />

die Nationen<br />

der Nordhalbkugel die<br />

Schätze der Erde auf<br />

der Suche nach Profit<br />

aus. Die durch Treibhausgase<br />

verursachte<br />

Erdüberhitzung (=<br />

Klimawandel) ist die<br />

aktuell gravierendste<br />

Folge. Kann uns die<br />

Bibel für diese Fragen<br />

unserer Zeit Impulse<br />

geben? Was sagt sie<br />

zu Naturkatastrophen,<br />

Ausbeutung und<br />

Verschwendung von<br />

Ressourcen und zum<br />

guten Miteinander der<br />

Menschen?<br />

Im Anfa<br />

Staunen<br />

VON SONJA ANGELIKA STRUBE<br />

„Im Anfang<br />

erschuf Gott<br />

Himmel und<br />

Erde. Die Erde<br />

war wüst und<br />

wirr und Finsternis<br />

lag über<br />

der Urflut, und<br />

Gottes Geist<br />

schwebte über<br />

dem Wasser.<br />

Gott sprach: Es<br />

werde Licht.<br />

Und es wurde<br />

Licht.“<br />

12<br />

MUTTER ERDE


MUTTER ERDE<br />

ng war das<br />

Am 24. Dezember 1968 hörten zirka<br />

eine Milliarde Menschen auf der Erde<br />

diese ersten Worte der Bibel, vorgelesen<br />

in einer Live-Übertragung aus der Apollo-8-Raumkapsel.<br />

Die US-Astronauten William<br />

‚Bill‘ Anders, Jim Lovell und Frank Borman<br />

hatte der Anblick der unvermittelt hinter der<br />

kargen Mondoberfläche aufgehenden Erde so<br />

tief berührt, dass sie ihre Live-Bilder aus dem<br />

All mit dem Verlesen von Genesis 1,1-9 untermalten.<br />

Ihre naturwissenschaftliche und technische<br />

Bildung hinderte sie nicht daran, einen<br />

Bibeltext zu zitieren, denn sie verstanden<br />

ihn als das, was er ist: Ein Lobgesang auf die<br />

Schöpfung (und kein naturwissenschaftlicher<br />

Bericht über die Entstehung der Welt). Ihr<br />

Wissen um die schier unendlichen Ausmaße<br />

des Alls vergrößerte ihr Staunen noch.<br />

Nie zuvor hatten Menschen einen Blick<br />

auf die Erde als Ganzes werfen können. Nie<br />

zuvor hatten sie ihren Heimatplaneten geradezu<br />

wie einen einzigen lebendigen Organismus<br />

in den Tiefen des Alls schweben sehen.<br />

Nie zuvor stand uns Menschen so klar vor<br />

Augen, dass die Menschheit eine Schicksalsgemeinschaft<br />

ist, die auf ihrem lebensfreundlichen<br />

Planeten wie auf einem Raumschiff in<br />

den Weiten eines faszinierenden, aber weitgehend<br />

lebensfeindlich ausgestatteten Weltalls<br />

treibt. „Wir machten uns auf den Weg, den<br />

Mond zu erforschen, und das Wichtigste war,<br />

dass wir die Erde entdeckt haben“, fasste Bill<br />

Anders später die zentrale Erfahrung seiner<br />

Weltraummission zusammen. Für den tiefen<br />

und bleibenden Eindruck, den der erste selbst<br />

erlebte Erdaufgang bei Raumfahrern und<br />

Raumfahrerinnen mit und ohne religiösen<br />

Hintergrund hinterlässt, gibt es inzwischen einen<br />

Fachbegriff. Als Overview-Effekt bezeichnet<br />

man „ein Gefühl der Ehrfurcht, ein tiefes<br />

Verstehen der Verbundenheit allen Lebens auf<br />

der Erde und ein neues Empfinden der Verantwortung<br />

für unsere Umwelt“ (Wikipedia:<br />

Overview-Effekt), das sowjetische Kosmonauten<br />

ebenso erlebten wie westliche Astronautinnen<br />

oder chinesische Taikonauten.<br />

Obwohl sich im Laufe des naturwissenschaftlichen<br />

Fortschritts unsere Vorstellungen<br />

von Erde, Sonnensystem und Weltall mehrfach<br />

grundlegend verändert haben, verbindet<br />

ein solches Staunen angesichts der Größe und<br />

Schönheit des Alls die Menschheitsgenerationen.<br />

Den beschriebenen Dreiklang aus Ehrfurcht,<br />

Verbundenheit und Verantwortung<br />

haben auch Menschen früherer Jahrhunderte<br />

beim Blick zum Sternenzelt schon erlebt. Der<br />

Philosoph Immanuel Kant etwa schrieb 1788:<br />

„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer<br />

neuer und zunehmender Bewunderung und<br />

Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das<br />

Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte<br />

Himmel über mir und das moralische Gesetz<br />

in mir.“<br />

Auch die Bibel besingt dieses Staunen in<br />

poetischen Bildern. Neben den beiden Schöpfungserzählungen<br />

in Genesis 1-3 (Sieben-Tage-Hymnus<br />

und Paradieserzählung) tun dies<br />

auch einige Psalmen, zum Beispiel Psalm 19.<br />

In der Schönheit der Schöpfung und durch sie<br />

hindurch sieht er das Wirken des Schöpfers:<br />

„Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes<br />

und das Firmament kündet das Werk seiner<br />

Hände.“ Die Schöpfung selbst verweist ganz<br />

ohne Worte auf den Gott, der sie schuf: „Ein<br />

Tag sagt es dem andern, eine Nacht tut es der<br />

andern kund, ohne Rede und ohne Worte, ungehört<br />

bleibt ihre Stimme. Doch ihre Botschaft<br />

geht in die ganze Welt hinaus, ihre Kunde bis<br />

zu den Enden der Erde.“ Den Lauf der Sonne<br />

besingt der Psalm in Bildern einer Hochzeit:<br />

„Dort hat er (= Gott) der Sonne ein Zelt gebaut.<br />

Sie tritt aus ihrem Gemach hervor wie<br />

ein Bräutigam; sie frohlockt wie ein Held, ihre<br />

Bahn zu laufen. Am einen Ende des Himmels<br />

geht sie auf und läuft bis ans andere Ende;<br />

nichts kann sich vor ihrer Glut verbergen.“<br />

Und wie bei Immanuel Kant und bei heutigen<br />

Astronauten und Astronautinnen führt<br />

der staunende Blick ins All die Dichterin/den<br />

Dichter des Psalms zum Nachdenken über<br />

moralische Verantwortung: „Die Weisung des<br />

EWIGEN ist vollkommen, sie erquickt den<br />

Menschen. [...] Das Gebot des EWIGEN ist<br />

rein, es erleuchtet die Augen. [...] Die Worte<br />

meines Munds mögen dir gefallen; was ich im<br />

Herzen erwäge, stehe dir vor Augen, GOTT,<br />

mein Fels und mein Erlöser.“<br />

Seit den ersten Fotos des Erdaufgangs haben<br />

wir alle Teil an dem veränderten Blick der<br />

Raumfahrerinnen und Raumfahrer auf unsere<br />

Menschheitsheimat – unser gemeinsames<br />

Haus – und an den Gefühlen von Ehrfurcht<br />

und Verantwortung. Das weltberühmte erste<br />

Farbfoto vom Erdaufgang wurde zum Symbolbild<br />

schlechthin für die Schönheit, Einzigartigkeit<br />

und Verletzlichkeit unseres ‚Blauen Planeten‘.<br />

Und zu einem der einflussreichsten Fotos<br />

aller Zeiten, denn es entfaltete eine starke umweltpolitische<br />

Wirkung. Infolge dieses neuen<br />

Blicks auf unseren Planeten gründete sich<br />

1968 der Club of Rome, der sich als gemeinnützige<br />

Organisation für Nachhaltigkeit einsetzt.<br />

Bereits 1972 wies er in einer Studie zur<br />

„Lage der Menschheit“ auf die ökologischen<br />

Grenzen des Wachstums hin. 1971 wurde<br />

die Umweltschutzorganisation Greenpeace<br />

gegründet; 1972 fand die erste UN-Umweltkonferenz<br />

statt. Doch trotz dieses Wissens<br />

und aller ökologischen Bemühungen produzierten<br />

wir in den vergangenen 50 Jahren immer<br />

mehr CO 2<br />

, immer mehr Plastik, immer<br />

mehr Konsumgüter, die nach immer kürzerer<br />

Zeit kaputtgehen oder weggeworfen werden.<br />

Wir verbrauchen in wenigen Jahrzehnten natürliche<br />

Ressourcen, die in Jahrmillionen entstanden<br />

sind. Unsere Freude an der Schönheit<br />

der Schöpfung und unsere Dankbarkeit für<br />

ein gutes Leben sind daher heute weit mehr<br />

als zu biblischen Zeiten an die Verantwortung<br />

für die Bewahrung der Schöpfung gekoppelt.<br />

Papst Franziskus brachte dies 2015 durch den<br />

Titel seiner Umwelt-Enzyklika zum Ausdruck.<br />

„Laudato Si‘“ – Gelobt seist du – ist der bekannte<br />

(und gern gesungene) Anfang des Sonnengesangs<br />

des Heiligen Franz von Assisi. Der<br />

Untertitel weist dann auf unsere Verantwortung<br />

hin: „Über die Sorge für das gemeinsame<br />

Haus“.<br />

MUTTER ERDE 13


GENERATION<br />

Sie sind katholisch (nicht nur), kritisch, konstruktiv, kirchennah und<br />

kirchenfern: Die Serie „Generation K“ widmet sich jungen Frauen, die<br />

sich die Fragen von Kirche, Glauben und Gesellschaft neu stellen.<br />

BERUFUNG<br />

LÄSST SICH<br />

NICHT<br />

WEGREDEN<br />

Berufen. Bezeugen. Begeistern. Drei Worte bringen Botschaft<br />

und Wirken von Jacqueline Straub auf den Punkt. Die<br />

30-jährige Autorin ist kfd-Mitglied, hat katholische Theologie<br />

studiert und gehört zu den bekanntesten Gesichtern der neuen<br />

kirchlichen Frauenbewegung, weil sie öffentlich einfordert,<br />

katholische Priesterin werden zu dürfen. 2018 wurde sie von<br />

der BBC zu den 100 einflussreichsten Frauen gewählt. Im dem<br />

jüngst erschienen Sammelwerk von Schwester Philippa Rath<br />

„Weil Gott es so will“ gehört sie zu 150 Frauen, die über ihre<br />

Berufung berichten. Ein Gespräch über Vorbilder, Hassmails<br />

und das Gottesgeschenk der Berufung.<br />

VON JUTTA LAEGE<br />

<strong>Junia</strong>: Was bedeutet es für<br />

Sie, Teil dieses Buches zu<br />

sein?<br />

Jacqueline Straub: Es war für<br />

mich ein echter Glücksmoment.<br />

Die Idee zum Buch ist meines<br />

Wissens während des Synodalen<br />

Weges im vergangenen Jahr entstanden.<br />

Schwester Philippa suchte<br />

nach Frauen, die über ihre Berufungen<br />

Auskunft geben wollen.<br />

Die Resonanz war so groß, dass daraus<br />

dieses Buch wurde. Ich habe<br />

gedacht: Es ist großartig! Ich bin<br />

nicht die einzige, die ihre Berufung<br />

öffentlich macht. Jetzt haben wir es<br />

schwarz auf weiß.<br />

Sie sind eine junge Frau. Wie<br />

geht es Ihnen, wenn Sie von den<br />

anderen Berufungsgeschichten<br />

und Gleichberechtigungskämpfen<br />

– der Älteren – lesen?<br />

22<br />

GENERATION K


„Ich<br />

Diakone. Aber es gibt auch Hass<br />

und Hetze. Leider muss ich sagen:<br />

Die schlimmsten Kommentare<br />

kommen von Frauen. Sie<br />

sind emotionaler, beleidigender<br />

und irgendwie stereotypisch. Eine<br />

schrieb mal, meine Bestimmung<br />

sei doch, eine aufopfernde Mutter<br />

und treue Ehefrau zu sein. Eine<br />

andere prophezeite mir, dass ich<br />

in die Hölle komme. „Ich bete einen<br />

Exorzismus für Sie“, hat mir<br />

auch mal eine Frau mitgeteilt. Ich<br />

habe ihr geantwortet: „Sorry, hat<br />

leider nicht geklappt.“<br />

würde Gott<br />

verleugnen,<br />

würde ich<br />

aufhören<br />

zu kämpfen.“<br />

So viele Frauen aller Generationen<br />

kommen im Buch zu<br />

Wort. Das macht Mut für die<br />

nächste Generation. Mein ältestes<br />

Vorbild ist die Theologin Ida<br />

Raming. Sie hat vor 60 Jahren, im<br />

selben Alter wie ich, angefangen,<br />

für die Frauenordination und die<br />

gleichberechtigte Rolle der Frauen<br />

in der Kirche zu kämpfen. Sie<br />

wurde exkommuniziert, sie ist<br />

trotzdem Priesterin (Anm. der<br />

Red.: von der katholischen Kirche<br />

nicht anerkannt) geworden. Sie<br />

hat nicht aufgegeben, ihr ganzes<br />

Leben lang geforscht, ihr Wissen<br />

in Büchern an uns weitergegeben<br />

und jungen Frauen wie mir den<br />

Weg geebnet. Ich bin ihr außerordentlich<br />

dankbar.<br />

Sie erwähnen in Ihrem Beitrag<br />

für „Weil Gott es so will“ den<br />

feierlichen Akt einer Priesterweihe<br />

eines Freundes, in der<br />

der Bischof für mehr männ-<br />

liche Berufungen betet. Wie<br />

klingt das für Sie mit Blick auf<br />

die heutige Kirchensituation?<br />

Das war vor etwa drei Jahren<br />

in Österreich, und ich wusste<br />

ehrlich gestanden nicht, ob ich<br />

vor Entsetzen lachen oder weinen<br />

sollte. Angesichts der ja auch<br />

damals schon akuten Situation<br />

des Priestermangels empfand ich<br />

das als unsensibel und respektlos<br />

gegenüber Frauen und absolut<br />

an der Realität vorbei. Ich habe<br />

mit diesem Freund, einem Ordensbruder,<br />

eigentlich auch eher<br />

konservativ, später auch darüber<br />

diskutiert. Er hat das damals nicht<br />

so empfunden. Auch er ist der<br />

Meinung, dass man Berufungen<br />

nicht einfach wegreden kann.<br />

Wer ist eigentlich schwieriger<br />

zu überzeugen: Männer oder<br />

Frauen?<br />

Ich bin jetzt ungefähr seit<br />

zehn Jahren in der Öffentlichkeit<br />

unterwegs mit meinem Wunsch,<br />

Priesterin zu werden. Ich bekomme<br />

sehr viel Unterstützung über<br />

die Sozialen Medien und andere<br />

Wege. An der Basis sind darunter<br />

auch viele Männer, Priester und<br />

Männer machen<br />

das anders, oder?<br />

Ja, sie versuchen es mit althergebrachten<br />

Auslegungen und<br />

Erklärungen, bei denen ich zwar<br />

den Kopf schütteln muss, denen<br />

ich aber argumentativ begegnen<br />

kann. Leider gibt es auch die Sorte<br />

sexistischer Kommentare, mit<br />

denen ich am Anfang nicht wirklich<br />

umgehen konnte. Da hatte<br />

ich auch schlaflose Nächte. Damit<br />

umzugehen, musste ich erst<br />

lernen.<br />

Ihre Berufungsgeschichte haben<br />

Sie mit dem Wort „Brennen<br />

im Herzen“ beschrieben.<br />

Ist die Flamme noch da?<br />

Ja, die Flamme im Herzen ist<br />

noch da. Ich glaube auch nicht,<br />

dass sie ausgehen wird. Sie ist ja<br />

ein Gefühl, manchmal spürt man<br />

es mehr, manchmal ist es zurückgesetzt.<br />

Ich glaube nicht, dass ich<br />

meine Berufung verlieren kann,<br />

sie ist Teil von mir, sie treibt mich<br />

an, gibt mir Mut, Kraft und Hoffnung.<br />

Auch wenn Sie in absehbarer<br />

Zeit Ihr Ziel, Priesterin zu werden,<br />

nicht erreichen, machen<br />

Sie weiter?<br />

2.000 Jahre wurde Theologie<br />

von Männern für Männer<br />

gemacht. Aber wir reden von<br />

Grundrechten! Heute denke ich:<br />

Ich habe jede erdenkliche Auslegung<br />

gegen die Frauenordination<br />

schon einmal gehört. Ich fühle<br />

mich eher bestärkt, im Kampf für<br />

die Weihe für alle weiterzumachen.<br />

Natürlich bin ich realistisch.<br />

Schnelle Veränderungen sehe ich<br />

nicht, wenn ich auf den Vatikan<br />

schaue. Ich arbeite also weiter als<br />

Autorin und Journalistin und halte<br />

mich an den Leitsatz: Du hast<br />

keine Chance, nutze sie! Meine<br />

Berufung ist ein Gottesgeschenk.<br />

Gott möchte, dass wir aus unseren<br />

Talenten etwas machen. Ich<br />

würde ihn verleugnen, würde ich<br />

aufhören zu kämpfen.<br />

Gibt es eine Bibelstelle oder<br />

eine biblische Figur aus der Bibel,<br />

an der Sie sich orientieren,<br />

die Sie durchs Leben trägt?<br />

Tatsächlich ist meine Lieblingsstelle<br />

die vom Ostermorgen:<br />

Maria Magdalena am leeren Grab<br />

Christi. Die frohe Botschaft hat<br />

dank ihr überlebt, sie hat sie weitergetragen<br />

an die Jünger. Sie hat<br />

Jesus erkannt und seinen Hinweis<br />

verstanden: Gib Zeugnis ab! Und<br />

so sehe ich 2.000 Jahre später<br />

meine Aufgabe: Berufen. Bezeugen.<br />

Begeistern.<br />

Die Generation K<br />

finden Sie auch hier:<br />

www.kfd.de/generation-k<br />

GENERATION K 23


IMPRESSUM<br />

104. JAHRGANG | MITGLIEDERMAGAZIN DER kfd<br />

Herausgeberin: Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) –<br />

Bundesverband e.V., Düsseldorf, vertreten durch Bundesvorsitzende Mechthild Heil<br />

Redaktion: Jutta Laege (Chefredakteurin, viSdP), Isabelle De Bortoli, Kim Theyssen<br />

Mitarbeit/Social Media: Corinna Fleuren, Romina Carolin Stork, Melanie Walfort<br />

Kontakt zur Redaktion<br />

Prinz-Georg-Straße 44, 40477 Düsseldorf<br />

Telefon 0211 44992-43 oder -40, Telefax 0211 44992-89<br />

E-Mail: redaktion@junia-magazin.de und leserbriefe@junia-magazin.de<br />

Internet: www.kfd.de, www.junia-magazin.de<br />

Vertrieb<br />

Telefon 0211 44992-34<br />

Gestaltung<br />

Das weite Feld, Design Direction<br />

Christina Claßen, Köln<br />

Lektorat<br />

Petra Richter, Köln<br />

Gesamtherstellung<br />

Westend Druckereibetriebe GmbH<br />

WKS Druckholding, Essen<br />

Datenschutz<br />

Vollständige Informationen zur Verarbeitung Ihrer<br />

personenbezogenen Daten sind unter www.kfd.de/datenschutz (§ 14) abrufbar.<br />

Datenschutzbeauftragter: datenschutzbeauftragter@kfd.de<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Bilder oder Rezen sions exemplare<br />

wird keine Gewähr übernommen. Namentlich gezeichnete Beiträge stellen nicht unbedingt<br />

die Meinung der Redaktion dar. Nachdruck, auch aus zugsweise, nur mit Genehmigung und<br />

Quellenangabe. Die Zeitschrift wird sechs Mal jährlich ausgeliefert, wenn der Beitragsanteil für<br />

den Bundesverband e.V. gezahlt wird. Die Zustellung erfolgt durch ehrenamtliche<br />

Mitarbeiterinnen.<br />

Darlehenskasse im Bistum Münster<br />

IBAN DE22 4006 0265 0003 1974 00<br />

BIC GENODEM1DKM<br />

„Im nächsten Heft<br />

wird es wieder<br />

Neues von der<br />

Generation K geben.<br />

Ich freue mich<br />

darauf, eine weitere<br />

junge, engagierte<br />

Frau kennenzulernen<br />

und mehr über<br />

ihren Einsatz für die<br />

Kirche zu lesen.”<br />

Romina<br />

Carolin Stork<br />

Social-Media-<br />

Redakteurin<br />

Im<br />

nächsten<br />

Heft<br />

MAI<br />

<strong>2021</strong><br />

FRAUENFRAGEN<br />

FEMINISMUS<br />

HEUTE<br />

Was hat sich im<br />

feministischen Denken<br />

und Handeln verändert?<br />

Brauchen wir heute<br />

noch Feminismus?<br />

SCHWESTERHERZ<br />

EINE<br />

MUSIKALISCHE<br />

LIEBESERKLÄRUNG<br />

Vera Klima macht mit ihrer<br />

Schwester Musik – und<br />

singt auch über ihre<br />

Geschwisterbeziehung.<br />

Fotonachweise / Copyrights<br />

Titel: Adobe/Stock/Jürgen Fälchle; Adobe Stock/Annett Seidler S. 2: Adobe Stock/Sumstock;<br />

Adobe Stock/nadiinko; Adobe Stock/Yurii S. 3: Harald Opitz S. 4 – 5: © Christina Claßen; Adobe<br />

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Ferienwelt Winterberg S. 6 – 7: © Christina Claßen S. 8-9: © Amanda Dahms; © EMA e.V.;<br />

© Stefan Senf S. 10 – 11: picture alliance/ZB/Sascha Steinach; KNA/Julia Steinbrecht; WDR/<br />

Michael Schwettmann; Adveniat/Steffen; Adobe Stock/Graficriver S. 12 – 13: picture alliance/<br />

ZUMAPRESS.com/NASA S. 14 – 15: picture alliance/AP Photo/Nick Perry; Adobe Stock/<br />

pomogayev; WGT/Juliette Pita S. 16 – 17: Adobe Stock/lidiia; DIW Berlin; kfd S. 18 – 19: kfd; DV<br />

Münster/Foto privat; Adobe Stock/Nataliya S. 20 – 21: Adobe Stock/New Africa S. 22 – 23:<br />

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26 – 27: © Christina Claßen; Albani Psalter. Dombibliothek Hildesheim, HS St.God. 1 (Eigentum<br />

der Basilika St. Godehard, Hildesheim), S.51. S. 28: kfd S. 29: kfd; © Stephan Pick/Piper Verlag<br />

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alliance / Klaus Rose; picture alliance/ZUMAPRESS.com/Kevin Lowery S. 32 – 33: © ZDF/<br />

Michael Schreitel/Boris Laewen/Thorsten Wiemer; picture alliance/Everett<br />

Collection/©Netflix/Courtesy Everett Collection; ullstein bild/Heritage Images/Ricarda<br />

Schwerin S. 34 – 35: Ferienwelt Winterberg; Novosights ; kfd Elspe; Adobe stock/derplan13; Ruhr<br />

Tourismus/Ralph Lueger S. 36 – 37: © Ariane Bille für BVEO S. 38 – 39: kfd;<br />

© Deutscher Bundestag/Inga Haar; kfd<br />

Quellennachweis Mittelseite: Nabila Nayebi/www.thepoetryproject.de<br />

Quellennachweis Rezept: S. 36 – 37 © Pressebüro Deutsches Obst und Gemüse<br />

TAG DER JUNIA<br />

kfd-FRAUEN<br />

PREDIGEN IN GANZ<br />

DEUTSCHLAND<br />

Im Mai findet wieder der<br />

kfd-Predigerinnentag statt.<br />

Außerdem: Wo <strong>Junia</strong><br />

schon verehrt wird.<br />

Außerdem im Heft:<br />

Omas Beste<br />

Mme X & Mrs. Y<br />

<strong>Junia</strong>-Quiz<br />

Frauenorte<br />

Auflösung Mme X und Mrs. Y in diesem Heft: Mme X: Loki Schmidt Mrs. Y: Jill Biden


JUNIA ALS PLAKAT<br />

Das Titelmotiv der ersten <strong>Junia</strong>-<strong>Ausgabe</strong> gibt es<br />

jetzt als Plakat. Die wiedergefundene Apostelin und<br />

Namensgeberin unseres Mitgliedermagazins mit dem<br />

Spruch „Mit Mut fangen die schönsten Geschichten an“<br />

ist ein tolles Geschenk – nicht nur für kfd-Frauen.<br />

Format: A2420 x 594 mm<br />

Papier: 200 g/m², Bilderdruck-FSC ® zertifiziert<br />

Preis: 3 €, Artikelnummer: WG84<br />

Bitte beachten: zzgl. 4,50 € Versandkosten<br />

und Versandrolle<br />

OSTERGRÜSSE mit der kfd<br />

Zusammenhalt und Gemeinschaft symbolisieren<br />

die österlichen „Glaube, Liebe, Hoffnung“-Motive.<br />

Wählen Sie aus:<br />

Karte (GU19, ab 0,15€), Aufkleber (WG88, 0,15€),<br />

Kleines Oster-Geschenktütchen (WG86, 0,35 €),<br />

Großes Oster-Geschenktütchen (WG87, 0,40 €)<br />

Mindestbestellmengen und weitere Details im Shop<br />

www.kfd.de/shop<br />

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