Junia Ausgabe 2/2021
Junia ist das Mitgliedermagazin des kfd-Bundesverbandes. Mehr unter: www.junia-magazin.de
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02/21<br />
Mitgliedermagazin der kfd –<br />
Katholische Frauengemeinschaft<br />
Deutschlands<br />
FRAU UND MUTTER HAT JETZT EINEN NAMEN –<br />
Lasst<br />
uns ins<br />
Licht!<br />
Frauen berichten von ihren Berufungen<br />
MÜTTER IN DER KRISE<br />
Was das Corona-Jahr<br />
unseren Familien abverlangt<br />
LOHNLÜCKE<br />
Der weite Weg zur<br />
gerechten Bezahlung<br />
AUFERSTEHUNG<br />
Keine Ostergeschichte<br />
ohne die Frauen
„Mir geht ein<br />
Licht auf!“<br />
Redensart,<br />
geht auf die Bibel zurück<br />
(Matthäus 4,16)<br />
Erhellung des menschlichen Geistes<br />
durch das Licht des Glaubens – wird<br />
heute oft mit plötzlicher Erleuchtung/<br />
Erkenntnis gleichgesetzt.<br />
Macht<br />
Licht<br />
Das ewige<br />
Licht steht in<br />
katholischen<br />
Kirchen im<br />
Altarraum<br />
nahe dem<br />
Tabernakel, in<br />
dem die geweihte<br />
Hostie<br />
aufbewahrt<br />
wird. Nur an<br />
Karfreitag ist<br />
im Gedenken<br />
an die<br />
Kreuzigung<br />
Jesu das Licht<br />
erloschen. Erst<br />
in der Osternacht<br />
wird<br />
erneut das<br />
Brot geweiht<br />
und dann das<br />
Licht wieder<br />
entzündet.<br />
an!<br />
Licht, das (n.)<br />
Licht am Ende des Tunnels<br />
Geflügeltes Wort, das in der Corona-Krise stark beansprucht wurde und wird.<br />
Lichtgeschwindigkeit<br />
Schnellster Mensch<br />
Formel 1 Rennwagen<br />
Schallwellen, Töne<br />
Überschall-Düsenjet<br />
Licht<br />
88<br />
%<br />
der<br />
ca. 10 m/s<br />
ca. 100 m/s<br />
ca. 343 m/s<br />
ca. 400 m/s<br />
ca. 300.000.000 m/s<br />
genaue Zahl: 299.792 km/s<br />
MEHR<br />
LICHT!<br />
Goethes letzte Worte<br />
Ozeane sind Tiefsee und<br />
gehören laut Definition zum<br />
lichtlosen Bereich<br />
des Meeres. (Wikipedia)<br />
Unser aller<br />
Lebensgrundlage:<br />
Licht her für die<br />
Photosynthese<br />
Photographie<br />
(aus altgriechisch phós,<br />
im Genitiv photós ‚Licht‘,<br />
und graphein ‚schreiben‘,<br />
‚malen‘, ‚zeichnen‘, also<br />
„zeichnen mit Licht“)<br />
Millionen<br />
Lichter<br />
Song der österreichischen<br />
Sängerin Christina Stürmer.<br />
Wurde mit dem – wie<br />
passend – „Radio<br />
Regenbogen Award“ als<br />
bester Song 2013<br />
ausgezeichnet.<br />
Die kfd setzt sich vehement<br />
für die Aufklärung<br />
im Missbrauchsskandal<br />
und die Erneuerung der<br />
katholischen Kirche ein.<br />
LEGENDÄR!<br />
Licht<br />
aus,<br />
Spot<br />
an!<br />
Von 1971 bis 1982<br />
moderierte Ilja Richter<br />
133 Mal die Musikshow<br />
„Disco“ im ZDF.<br />
Die<br />
Erschaffung<br />
der Welt<br />
Gen 1,1<br />
Im Anfang schuf<br />
Gott Himmel und<br />
Erde; Gen 1,2<br />
die Erde aber war<br />
wüst und wirr,<br />
Finsternis lag<br />
über der Urflut<br />
und Gottes Geist<br />
schwebte über<br />
dem Wasser;<br />
Gen 1,3 Gott<br />
sprach: Es<br />
werde Licht.<br />
Und es wurde<br />
Licht<br />
Lichterloh!<br />
Wer<br />
erinnert<br />
sich noch<br />
an den<br />
Struwwelpeter<br />
und<br />
das arme<br />
Paulinchen<br />
…?<br />
So wurden im<br />
19. Jahrhundert<br />
Kinder vor dem Spiel mit<br />
dem Feuer gewarnt.<br />
LEUCHTTURM<br />
Der älteste, noch heute in Betrieb befindliche<br />
Leuchtturm ist der im 1. Jahrhundert nach Christus<br />
errichtete römische Herkulesturm an der spanischen<br />
Nordwestküste, nahe der Stadt La Coruña.<br />
Sonnenlicht • Osterlicht • Kerzenlicht • Nordlicht • Straßenlicht • Bühnenlicht • Mondlicht • Scheinwerferlicht • Abblendlicht • Flutlicht • Rotlicht<br />
Zusammengetragen von Jutta Laege, lllustration: Christina Claßen<br />
MUTTERSPRACHE
Editorial<br />
Dank für Austausch<br />
und Anerkennung<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
„Dem Vergangenen: Dank. Dem Kommenden: Ja!“<br />
Mit diesen Worten des schwedischen Friedensnobelpreisträgers<br />
Dag Hammerskjöld kommentierte kürzlich eine<br />
Leserin den Namenswechsel von „Frau und Mutter“ zu<br />
<strong>Junia</strong>. Diese Zeilen können wir nur weitergeben: an alle,<br />
die uns zum Start des neuen kfd-Mitgliedermagazins so<br />
zahlreich geschrieben und mit uns telefoniert haben.<br />
Das hat gutgetan, nicht nur, weil so viele Zuschriften mit<br />
Glückwünschen und anerkennenden Worten versehen<br />
waren. Sondern auch, weil wir bei Unverständnis oder<br />
Befremden gegenüber dem neuen Titel direkt in Kontakt<br />
treten, Fragen beantworten und Anregungen entgegennehmen<br />
konnten. Danke dafür!<br />
Kontakt bleibt ein Schlüsselwort dieser Tage. Diese<br />
<strong>Junia</strong>-<strong>Ausgabe</strong> wurde in der Hoffnung konzipiert, dass<br />
wir uns bei Erscheinen möglicherweise am Ende der Corona-Pandemie<br />
befinden. Der Frühling und das Osterfest<br />
nahen. Leider muss unser Leben weiterhin, so ist jedenfalls<br />
der Stand zu Redaktionsschluss, unter deutlichen Beschränkungen<br />
stattfinden. Wir bleiben – nicht nur dem<br />
Kirchenjahr entsprechend – im Fasten-Modus.<br />
Vielleicht können wir Ihnen aber mit dem ein oder<br />
anderen Impuls oder Text helfen, nach neuen Kraftquellen<br />
zu suchen, um die Zeit der Entbehrungen besser zu<br />
überstehen. Vielleicht werden wir trotz der eigenen Einschränkungen<br />
doch gelassener, wenn wir lesen, was zum<br />
Beispiel junge Mütter in der Coronakrise alles meistern<br />
müssen (S. 6). Sie spielen auch eine wichtige Rolle im Interview<br />
mit der Wirtschaftsforscherin Katharina Wrohlich<br />
(S. 16), die die weiterhin eklatante Ungleichbehandlung<br />
von Männern und Frauen<br />
aufzeigt. Eine von der kfd<br />
in Auftrag gegebene Umfrage<br />
untermauert, worum<br />
es für Frauen in dieser<br />
Gesellschaft in Zukunft<br />
gehen muss: „Was Frauen<br />
fordern“ finden Sie auf<br />
den Seiten 17/18.<br />
Vielleicht erfahren wir<br />
auch Stärkung durch die<br />
Autorin und katholische Theologin Jacqueline Straub aus<br />
unserer „Generation K“. Berufungen kann man nicht wegreden,<br />
ist ihre feste Überzeugung (S. 22). Sie teilt sie mit<br />
weiteren Frauen unterschiedlicher Generationen, deren<br />
Berufungsgeschichten wir in Auszügen abdrucken (S. 24).<br />
Die Ostergeschichte rund um die Auferstehungszeugin<br />
Maria Magdalena vervollständigt dieses Heft voller Frauen-Perspektiven<br />
und steht wunderbar, pur und klar für die<br />
Hoffnung und das Licht.<br />
Natürlich kommen in <strong>Junia</strong> auch Männer zu Wort.<br />
Der Entertainer Hape Kerkeling beantwortet – wohltuend<br />
schlagfertig und selbstironisch – unseren <strong>Junia</strong>-Fragebogen<br />
„Die zehn Gebote“ (S. 29). Und dann lauschen wir<br />
in Gedanken noch William Anders, Jim Lovell und Frank<br />
Borman (S. 12) beim Vorlesen der ersten Worte der Bibel<br />
aus dem Orbit. Die drei US-Astronauten waren die ersten<br />
Menschen, die 1968 die Erde aus dem All sehen und bestaunen<br />
konnten. Das Foto des aufgehenden blauen Planeten<br />
im Dunkel des Weltalls verursacht bis heute Gänsehaut<br />
und ist ein wahrhaftiger Lichtblick.<br />
In diesem Sinne ... eine schöne<br />
vorösterliche und österliche Zeit!<br />
Ihre Jutta Laege<br />
Chefredakteurin<br />
Folgen Sie uns<br />
Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands
6<br />
KATEGORIE
FRAUENFRAGEN<br />
Was das<br />
Corona-Jahr über<br />
den Zustand des<br />
Familienalltags in<br />
Deutschland ans<br />
Licht brachte,<br />
wie Frauen die<br />
Belastung erleben<br />
und warum wir<br />
daran etwas<br />
ändern müssen.<br />
VON<br />
ISABELLE<br />
DE BORTOLI<br />
Es ist 21 Uhr, ein Abend im Lockdown, als sich Jennifer<br />
Schmitt (Name von der Redaktion geändert) an den<br />
Schreibtisch setzt. Am Morgen hat sie ihre Zwillinge<br />
beschult, das kleine Einmaleins stand auf dem Plan. Der<br />
Stoff war den Kindern unbekannt, permanente Erklärung<br />
vonnöten. Anschließend musste das Mittagessen gekocht<br />
werden, dann hatte Jennifer Schmitt ein paar ruhige Minuten,<br />
um wenigstens schon mal Mails zu beantworten.<br />
Dann hieß es: Nachmittagssnack, basteln mit den Kindern<br />
und einkaufen. Nun sind die Kinder im Bett und Jennifer<br />
Schmitt beginnt mit der Arbeit, die sie eigentlich tagsüber<br />
erledigen wollte: Die Frankfurterin arbeitet in der Marketing-Abteilung<br />
eines Museums. Obwohl wegen Corona<br />
keine Ausstellungen stattfinden, müssen doch künftige<br />
Programme aufgelegt und beworben werden. Manchmal<br />
fährt sie erst um 24 Uhr den PC runter. „So habe ich mir<br />
das natürlich nicht vorgestellt. Doch schon am ersten<br />
Lockdown-Tag hat mein Mann das Arbeitszimmer für sich<br />
beansprucht, ist mit sämtlichem technischen Gerät dort<br />
eingezogen. Für mich bleibt der Laptop am Küchentisch.<br />
Und weil er Vollzeit arbeitet, bleiben irgendwie auch das<br />
Homeschooling und die Kinderbetreuung an mir hängen.“<br />
So wie Jennifer Schmitt geht es vielen Frauen in<br />
der Corona-Krise. Umfrageergebnisse der Bertelsmann<br />
Stiftung zeigen, dass die Verteilung der Aufgaben im<br />
eigenen Zuhause vorwiegend klassischen Rollenbildern<br />
zwischen Mann und Frau folgt. Während in der Wahrnehmung<br />
der Männer Kinderbetreuung und Hausarbeit<br />
gerecht aufgeteilt sind, leiden viele Frauen unter der aktuellen<br />
Krisensituation. So geben 69 Prozent der Frauen an,<br />
dass sie die generelle Hausarbeit erledigen, während das<br />
unter den Männern gerade einmal elf Prozent von sich behaupten.<br />
Ähnlich verhält es sich bei Kinderbetreuung und<br />
beim Homeschooling: Während laut Auskunft der Frauen<br />
jeweils mehr als die Hälfte von ihnen die hier anfallenden<br />
Aufgaben übernimmt, sind es bei den Männern nur 13<br />
und 15 Prozent.<br />
Auffällig ist ein Bruch in der Wahrnehmung der Hausarbeit<br />
und der damit einhergehenden Arbeitsbelastung<br />
zwischen Frauen und Männern. Obwohl den Männern<br />
auffällt, dass viele der genannten Aufgaben bei den Frauen<br />
liegen, sind sie dennoch zu 66 Prozent der Ansicht, die<br />
Aufgaben der Kinderbetreuung und Hausarbeit seien gerecht<br />
aufgeteilt. Die Antworten der Frauen vermitteln hingegen<br />
ein anderes Bild: Noch nicht einmal jede zweite Befragte<br />
ist der Meinung, dass die Hausarbeit gerecht verteilt<br />
ist. 43 Prozent geben an, dass ihnen die Vereinbarkeit von<br />
Familie und Beruf schwerer falle als zu normalen Zeiten.<br />
Fast die Hälfte der Frauen fühlt sich außerdem durch die<br />
Situation an ihre körperliche, psychische und emotionale<br />
Grenze gebracht.<br />
„Vor diesem Hintergrund sollten sich sowohl Frauen<br />
als auch Männer mit ihren privaten und beruflichen Rollen<br />
auseinandersetzen, die Aufgabenverteilung in der Familie<br />
zur Sprache bringen und mit Rücksicht auf die Belastungen<br />
und Bedürfnisse des Partners oder der Partnerin aus-<br />
FRAUENFRAGEN<br />
7
handeln“, fordert Barbara von Würzen, Expertin<br />
für Führung und Unternehmenskultur bei der<br />
Bertelsmann Stiftung. In Krisenzeiten, in denen<br />
Schulen, Kitas und andere Betreuungseinrichtungen<br />
geschlossen sind, ist es somit schwieriger geworden,<br />
das Bild der funktionierenden Karrierefrau<br />
aufrechtzuerhalten, die immer und jederzeit<br />
für den Arbeitgeber zur Verfügung steht.<br />
Auch Vera Sydow (Name von der Redaktion<br />
geändert) wurde während der Corona-Krise den<br />
eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht. Die<br />
Mutter zweier Söhne im Kindergartenalter ist<br />
Lehrerin an einem Gymnasium. „Plötzlich sollte<br />
ich meine Schüler digital unterrichten, während<br />
ich zwei Kleinkinder zu betreuen hatte. Eltern<br />
riefen mich an, stellten Fragen. Währenddessen<br />
zankten sich meine Söhne im Hintergrund. Ich<br />
war einem Nervenzusammenbruch nahe. Mit<br />
der Notbetreuung in der Kita wurde es etwas<br />
besser. Allerdings zucke ich auch heute noch bei<br />
jedem Handy-Klingeln zusammen: Mich hat jetzt<br />
schon so oft der Kindergarten angerufen, weil die<br />
Nase meines einen Sohnes lief oder in der Gruppe<br />
des anderen ein Corona-Verdachtsfall war.<br />
Immer musste ich quasi aus dem Klassenzimmer<br />
herausrennen und zur Kita fahren. Das war mir<br />
gegenüber den Schüler*innen und Kolleg*innen<br />
natürlich sehr unangenehm.“<br />
Wie angespannt viele Mütter sind, erlebt<br />
Karella Easwaran täglich in ihrer Kölner Kinderarztpraxis.<br />
Viele haben große Sorgen, der Stress<br />
nimmt zu. „Das positive Gefühl, Mutter zu sein,<br />
wird oft überschattet von negativen Gedanken.<br />
Für die Gesundheit der Kinder ist es aber wichtig,<br />
dass ihre Mütter gesund sind. Deshalb behandle<br />
ich nicht nur die Kinder, sondern habe auch die<br />
Mütter in den Blick genommen. Ich spreche mit<br />
ihnen, denn Worte haben oft schon eine heilende<br />
Wirkung. Die Frauen schauen auf die Gesundheit<br />
ihrer Kinder, ihren Partner – aber achten zu<br />
wenig auf sich selbst.“<br />
Die Pandemie habe die Frauen stark belastet.<br />
„Eine berufstätige Mutter mit Kita-Kind hatte puren<br />
Stress durch das Wegfallen der verlässlichen<br />
Betreuungsstruktur. Die Nerven lagen auch deshalb<br />
blank, weil nicht klar kommuniziert wurde,<br />
wann die Kinder wieder betreut werden. Der<br />
Wegfall von Konstanz und Verlässlichkeit ist für<br />
uns Menschen enorm verunsichernd“, erklärt die<br />
Medizinerin. Aber auch Mütter mit älteren Kindern<br />
hätten Probleme: Sportmöglichkeiten fielen<br />
weg, Teenager hingen seit Monaten unausgeglichen<br />
zu Hause am Handy. „Und selbst ich mache<br />
mir Gedanken um meinen ältesten Sohn, der<br />
schon studiert: Da alles online stattfindet, sitzt er<br />
allein in seinem Zimmer in seiner Uni-Stadt. Und<br />
ich denke als Mutter: Komm nach Hause!“ Aber<br />
Ich leide sehr unter der aktuellen Situation. Die hohe Belastung<br />
bringt mich psychisch, emotional und körperlich an meine Grenzen.<br />
Die körperliche und psychische Belastung ist hoch.<br />
Frauen<br />
Mutter sei eben nicht gleich Mutter: „Ich habe<br />
auch Frauen mit Neugeborenen erlebt, die diese<br />
Zeit entspannt in der Geborgenheit ihres Zuhauses<br />
erleben konnten, ohne Terminstress.“<br />
Frauen stünden heute vor vielen Herausforderungen:<br />
Erkrankungen, Belastung durch den<br />
Job, finanzielle Schwierigkeiten, Angst in der<br />
Pandemie, vielleicht auch eine aggressive Stimmung<br />
in der Familie. Deshalb hat Karella Easwaran<br />
ein Buch geschrieben, das einen Ausweg<br />
aus Erwartungsdruck, Erschöpfung und Stress<br />
aufzeigen soll. In „Das Geheimnis ausgeglichener<br />
Mütter“ geht es auch darum, negative Gedanken<br />
zu stoppen. „Ein Mensch, der viel zu tun<br />
hat, viel arbeitet, ist nicht direkt ein gestresster<br />
Mensch. Der Stress entsteht durch das, was wir<br />
denken“, so die Kinderärztin. Neue Denkstrategien<br />
entwickeln und damit Wahrnehmung und<br />
Handeln ändern, um mehr Kraft und Energie zu<br />
haben, ist ihre Empfehlung.<br />
Dazu gehört auch, gemeinsam mit dem Partner<br />
das Familienleben neu aufzustellen. „Mein<br />
Rat ist: Gebt etwas ab! Fangt neu an! Holt euch<br />
Unterstützung, plant die Woche mit dem Partner<br />
und regelt die Betreuung der Kinder gemeinsam.<br />
Und wenn es keinen Papa gibt, dann sucht euch<br />
andere Mütter, Freundinnen oder Verwandte. Alleine<br />
lässt sich kein Kind großziehen. Das alles<br />
sind Kleinigkeiten – Frauen müssen sich trauen,<br />
diese zu kommunizieren und auch einmal laut<br />
auszusprechen, was sie wollen. Für sich, für die<br />
Familie, mit dem Partner, für die Zukunft.“<br />
Ohne starke Mütter könnten weder Familien<br />
noch Gesellschaft stark sein, so Karella Easwaran.<br />
„Ist die Mutter schwach, unausgeglichen,<br />
Männer<br />
stimme zu stimme nicht zu nicht relevant<br />
Bertelsmann Stiftung 2020, Umfrage „Traditionelle Rollenverteilung in Corona-Krisen belastet Frauen“.<br />
„Mein Rat ist:<br />
Gebt etwas<br />
ab! Fangt neu<br />
an! Holt euch<br />
Unterstützung,<br />
plant die Woche<br />
mit dem Partner<br />
und regelt die<br />
Betreuung der<br />
Kinder gemeinsam!“<br />
Dr. Karella<br />
Easwaran<br />
8<br />
FRAUENFRAGEN
kraftlos, wirkt sich dies auch auf die Kinder aus.<br />
Ein Kind kann die Gesellschaft nur tragen, wenn<br />
es selbst getragen worden ist.“ Die Gesellschaft<br />
müsse die Erziehungsarbeit, die Eltern leisten,<br />
sehr viel stärker wertschätzen, als dies bislang<br />
der Fall sei, sagt die Ärztin. „Insgesamt muss sich<br />
der Blick auf die Kinder verändern: In Deutschland<br />
werden Kinder immer noch viel zu sehr<br />
als Störfaktor gesehen. Die Gesellschaft, insbesondere<br />
Arbeitgeber, zeigt sich oft genervt von<br />
Schwangeren, von Müttern und ihren Kindern<br />
– das darf nicht sein. Wir müssen Müttern mit<br />
Respekt begegnen – und ihnen zuhören.“<br />
Ein weiterer Impuls der Ärztin an die Mütter:<br />
Zuversicht! „Die Zeiten werden sich ändern.<br />
Und: Man sollte lernen, aus Dankbarkeit positive<br />
Gedanken zu schöpfen. Dankbarkeit kann<br />
uns helfen. Das Mittelhirn reagiert auf unsere<br />
Dankbarkeit mit Glückshormonen. Dann kommt<br />
man aus dem Stress heraus und findet so auch<br />
Lösungen. Stress bedeutet: Ich kann nicht mehr<br />
denken. Ich habe eine Blockade. Mit mehr Dankbarkeit<br />
kann ich neue Wege erkennen.“<br />
Und tatsächlich: Ob im Freundeskreis, in<br />
der Gemeinde oder in Mütter-Gruppen in den<br />
Sozialen Netzwerken – bei all dem Stress, der Erschöpfung<br />
und der Unsicherheit in der Zeit der<br />
Pandemie überwiegt bei den Familien doch vor<br />
allem das Gefühl der Dankbarkeit. Dankbarkeit<br />
nicht nur für die eigene Gesundheit, die Wohnung,<br />
den Garten, sondern vor allem für die gemeinsame<br />
Zeit, die Corona den Müttern, Vätern<br />
und Kindern geschenkt hat. Denn durch den<br />
Wegfall von Kita, Fußballtraining, Gitarrenunterricht,<br />
Ganztagsschule und dem Pendeln ins Büro<br />
blieb plötzlich Zeit zum Vögel beobachten, Steine<br />
sammeln, Vorlesen, Kuscheln – einfach zum Zusammensein.<br />
DAS GEHEIMNIS<br />
AUSGEGLICHENER<br />
MÜTTER<br />
Von Dr. Karella Easwaran<br />
Kösel Verlag, 16 Euro<br />
ISBN: 978-3-466-31151-4<br />
Mutter-Sein ist der schönste Job der Welt – aber<br />
auch der härteste. In herausfordernden Zeiten<br />
sind Erwartungsdruck, hohe Verantwortung und<br />
Erschöpfung nur einige der Stressfaktoren, die zu<br />
gesundheitlichen Schäden wie Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen und Depression führen. Doch wie<br />
kann man den Frauen am besten helfen? Karella<br />
Easwaran setzt bei den Vorgängen in unserem<br />
Hirn an: Wenn wir kraftraubende Denkmuster<br />
überwinden, können wir zuversichtlich und entspannt<br />
unseren Alltag gestalten.<br />
Wie Mütter weiter gestärkt werden können<br />
NEUE KRAFT FÜR FRAUEN:<br />
JETZT ONLINE BERATEN LASSEN!<br />
Die Katholische Arbeitsgemeinschaft (KAG) Müttergenesung, die seit 90 Jahren<br />
Kuren für Mütter und Kinder anbietet (inzwischen auch für Väter und pflegende<br />
Angehörige), stellt in der Pandemie einen zunehmenden Grad der Erschöpfung<br />
unter den Müttern fest, die eine Kur antreten. Lucia Lagoda, kfd-Bundesvorstandsmitglied<br />
und Bundesvorsitzende der KAG Müttergenesung, rät Frauen, sich Hilfe<br />
zu suchen und sich über eine Kur zu informieren: „Die Beratungsstellen der KAG<br />
Müttergenesung beantworten derzeit auch online alle Fragen.“<br />
Mehr Infos sowie Erfahrungsberichte von Müttern unter:<br />
www.kag-muettergenesung.de und www.kfd.de/muettergenesung<br />
„Working Moms“ mahnen:<br />
FRAUEN DÜRFEN IN DER<br />
PANDEMIE NICHT VERSCHWINDEN<br />
Sie kämpfen bundesweit für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für mehr<br />
Frauen in Führungspositionen und denselben Lohn für gleiche Arbeit: Das Netzwerk<br />
„Working Moms“ ist seit seiner Gründung im Jahr 2007 auf rund 600 Mitglieder<br />
an zehn Standorten in Deutschland gewachsen. „Wir alle arbeiten in verantwortungsvollen<br />
Positionen und haben Kinder“, sagt Clara Gruitrooy, Vorsitzende<br />
der Berliner „Working Moms“, Generalsekretärin des Euro-Mediterran-Arabischen<br />
Ländervereins und Mutter von zwei Töchtern (6<br />
und 10 Jahre). „Ich möchte mich nicht rechtfertigen müssen, dass<br />
ich Vollzeit arbeite. Deshalb bin ich ja nicht weniger gern Mutter“,<br />
erklärt die Professorin und Architektin Christine Kappei, 2. Vorsitzende<br />
der „Working Moms“ in Stuttgart, den Sinn des Netzwerks,<br />
in dem sich gleichgesinnte beruflich ambitionierte Mütter austauschen.<br />
Sie hat einen elfjährigen Sohn.<br />
Dass Frauen in der Pandemie nicht zu Hause verschwinden,<br />
Christina Kappei<br />
sondern dass die Relevanz der Care-Arbeit zu Hause im Blickpunkt<br />
der Gesellschaft bleibt, ist den „Working Moms“ wichtig. „Homeoffice“<br />
in Pandemie-Zeiten müsse mehr sein als eine Art Krisenmodus:<br />
Es geht ja eigentlich darum, sich intensiv und ohne Störungen Aufgaben<br />
widmen zu können, die einer tieferen Reflektion bedürfen.<br />
Derzeit läuft aber alles gleichzeitig: Arbeit, Kinderbetreuung, Schulaufgaben,<br />
Haushalt“, sagt Clara Gruitrooy. Dennoch: Das selbstverständliche<br />
flexible Arbeiten von zu Hause, der Abschied von der Präsenzkultur<br />
hat durch die Pandemie einen großen Schub bekommen.<br />
„Das können wir durchaus als Erfolg feiern“, sagt Christine Kappei. Clara Gruitrooy<br />
„Von der neuen Vertrauenskultur in den Unternehmen profitieren<br />
Mütter. Es geht nun nicht mehr nur darum, wer am längsten bleibt und wer die<br />
größte Show abliefert – sondern um die Ergebnisse. Weil wir Frauen uns oft zurückhaltend<br />
geben, sind wir oft neben dominanter auftretenden Männern weniger<br />
sichtbar. Nun sind bei der Video-Konferenz alle eine gleich große Kachel. Es kommt<br />
auf gute Ideen und Gedanken an.“<br />
Insgesamt plädieren die „Working Moms“ dafür, dass Unternehmen für Familien<br />
individuelle Lösungen finden. „Das erfordert eine gesamtgesellschaftliche<br />
Wertschätzung.“ Clara Gruitrooy ist sicher, dass Mütter in Führungspositionen den<br />
Weg für mehr arbeitende Mütter – und Väter – ebnen können. Christine Kappei<br />
ergänzt: „Mutter- oder Vater-Sein sollte in der Arbeitswelt selbstverständlich sein.“<br />
www.workingmoms.de<br />
FRAUENFRAGEN 9
VOM<br />
UMGANG MIT<br />
UNSERER<br />
SCHÖPFUNG<br />
Als wohlgeordneten<br />
Kosmos (= „Ordnung“)<br />
und als Gottes<br />
gute Schöpfung<br />
beschreibt die Bibel<br />
unsere Welt in den<br />
Weltbildern ihrer Zeit.<br />
Doch spätestens seit<br />
Beginn der Industrialisierung<br />
vor gut 200<br />
Jahren beuten insbesondere<br />
die Nationen<br />
der Nordhalbkugel die<br />
Schätze der Erde auf<br />
der Suche nach Profit<br />
aus. Die durch Treibhausgase<br />
verursachte<br />
Erdüberhitzung (=<br />
Klimawandel) ist die<br />
aktuell gravierendste<br />
Folge. Kann uns die<br />
Bibel für diese Fragen<br />
unserer Zeit Impulse<br />
geben? Was sagt sie<br />
zu Naturkatastrophen,<br />
Ausbeutung und<br />
Verschwendung von<br />
Ressourcen und zum<br />
guten Miteinander der<br />
Menschen?<br />
Im Anfa<br />
Staunen<br />
VON SONJA ANGELIKA STRUBE<br />
„Im Anfang<br />
erschuf Gott<br />
Himmel und<br />
Erde. Die Erde<br />
war wüst und<br />
wirr und Finsternis<br />
lag über<br />
der Urflut, und<br />
Gottes Geist<br />
schwebte über<br />
dem Wasser.<br />
Gott sprach: Es<br />
werde Licht.<br />
Und es wurde<br />
Licht.“<br />
12<br />
MUTTER ERDE
MUTTER ERDE<br />
ng war das<br />
Am 24. Dezember 1968 hörten zirka<br />
eine Milliarde Menschen auf der Erde<br />
diese ersten Worte der Bibel, vorgelesen<br />
in einer Live-Übertragung aus der Apollo-8-Raumkapsel.<br />
Die US-Astronauten William<br />
‚Bill‘ Anders, Jim Lovell und Frank Borman<br />
hatte der Anblick der unvermittelt hinter der<br />
kargen Mondoberfläche aufgehenden Erde so<br />
tief berührt, dass sie ihre Live-Bilder aus dem<br />
All mit dem Verlesen von Genesis 1,1-9 untermalten.<br />
Ihre naturwissenschaftliche und technische<br />
Bildung hinderte sie nicht daran, einen<br />
Bibeltext zu zitieren, denn sie verstanden<br />
ihn als das, was er ist: Ein Lobgesang auf die<br />
Schöpfung (und kein naturwissenschaftlicher<br />
Bericht über die Entstehung der Welt). Ihr<br />
Wissen um die schier unendlichen Ausmaße<br />
des Alls vergrößerte ihr Staunen noch.<br />
Nie zuvor hatten Menschen einen Blick<br />
auf die Erde als Ganzes werfen können. Nie<br />
zuvor hatten sie ihren Heimatplaneten geradezu<br />
wie einen einzigen lebendigen Organismus<br />
in den Tiefen des Alls schweben sehen.<br />
Nie zuvor stand uns Menschen so klar vor<br />
Augen, dass die Menschheit eine Schicksalsgemeinschaft<br />
ist, die auf ihrem lebensfreundlichen<br />
Planeten wie auf einem Raumschiff in<br />
den Weiten eines faszinierenden, aber weitgehend<br />
lebensfeindlich ausgestatteten Weltalls<br />
treibt. „Wir machten uns auf den Weg, den<br />
Mond zu erforschen, und das Wichtigste war,<br />
dass wir die Erde entdeckt haben“, fasste Bill<br />
Anders später die zentrale Erfahrung seiner<br />
Weltraummission zusammen. Für den tiefen<br />
und bleibenden Eindruck, den der erste selbst<br />
erlebte Erdaufgang bei Raumfahrern und<br />
Raumfahrerinnen mit und ohne religiösen<br />
Hintergrund hinterlässt, gibt es inzwischen einen<br />
Fachbegriff. Als Overview-Effekt bezeichnet<br />
man „ein Gefühl der Ehrfurcht, ein tiefes<br />
Verstehen der Verbundenheit allen Lebens auf<br />
der Erde und ein neues Empfinden der Verantwortung<br />
für unsere Umwelt“ (Wikipedia:<br />
Overview-Effekt), das sowjetische Kosmonauten<br />
ebenso erlebten wie westliche Astronautinnen<br />
oder chinesische Taikonauten.<br />
Obwohl sich im Laufe des naturwissenschaftlichen<br />
Fortschritts unsere Vorstellungen<br />
von Erde, Sonnensystem und Weltall mehrfach<br />
grundlegend verändert haben, verbindet<br />
ein solches Staunen angesichts der Größe und<br />
Schönheit des Alls die Menschheitsgenerationen.<br />
Den beschriebenen Dreiklang aus Ehrfurcht,<br />
Verbundenheit und Verantwortung<br />
haben auch Menschen früherer Jahrhunderte<br />
beim Blick zum Sternenzelt schon erlebt. Der<br />
Philosoph Immanuel Kant etwa schrieb 1788:<br />
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer<br />
neuer und zunehmender Bewunderung und<br />
Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das<br />
Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte<br />
Himmel über mir und das moralische Gesetz<br />
in mir.“<br />
Auch die Bibel besingt dieses Staunen in<br />
poetischen Bildern. Neben den beiden Schöpfungserzählungen<br />
in Genesis 1-3 (Sieben-Tage-Hymnus<br />
und Paradieserzählung) tun dies<br />
auch einige Psalmen, zum Beispiel Psalm 19.<br />
In der Schönheit der Schöpfung und durch sie<br />
hindurch sieht er das Wirken des Schöpfers:<br />
„Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes<br />
und das Firmament kündet das Werk seiner<br />
Hände.“ Die Schöpfung selbst verweist ganz<br />
ohne Worte auf den Gott, der sie schuf: „Ein<br />
Tag sagt es dem andern, eine Nacht tut es der<br />
andern kund, ohne Rede und ohne Worte, ungehört<br />
bleibt ihre Stimme. Doch ihre Botschaft<br />
geht in die ganze Welt hinaus, ihre Kunde bis<br />
zu den Enden der Erde.“ Den Lauf der Sonne<br />
besingt der Psalm in Bildern einer Hochzeit:<br />
„Dort hat er (= Gott) der Sonne ein Zelt gebaut.<br />
Sie tritt aus ihrem Gemach hervor wie<br />
ein Bräutigam; sie frohlockt wie ein Held, ihre<br />
Bahn zu laufen. Am einen Ende des Himmels<br />
geht sie auf und läuft bis ans andere Ende;<br />
nichts kann sich vor ihrer Glut verbergen.“<br />
Und wie bei Immanuel Kant und bei heutigen<br />
Astronauten und Astronautinnen führt<br />
der staunende Blick ins All die Dichterin/den<br />
Dichter des Psalms zum Nachdenken über<br />
moralische Verantwortung: „Die Weisung des<br />
EWIGEN ist vollkommen, sie erquickt den<br />
Menschen. [...] Das Gebot des EWIGEN ist<br />
rein, es erleuchtet die Augen. [...] Die Worte<br />
meines Munds mögen dir gefallen; was ich im<br />
Herzen erwäge, stehe dir vor Augen, GOTT,<br />
mein Fels und mein Erlöser.“<br />
Seit den ersten Fotos des Erdaufgangs haben<br />
wir alle Teil an dem veränderten Blick der<br />
Raumfahrerinnen und Raumfahrer auf unsere<br />
Menschheitsheimat – unser gemeinsames<br />
Haus – und an den Gefühlen von Ehrfurcht<br />
und Verantwortung. Das weltberühmte erste<br />
Farbfoto vom Erdaufgang wurde zum Symbolbild<br />
schlechthin für die Schönheit, Einzigartigkeit<br />
und Verletzlichkeit unseres ‚Blauen Planeten‘.<br />
Und zu einem der einflussreichsten Fotos<br />
aller Zeiten, denn es entfaltete eine starke umweltpolitische<br />
Wirkung. Infolge dieses neuen<br />
Blicks auf unseren Planeten gründete sich<br />
1968 der Club of Rome, der sich als gemeinnützige<br />
Organisation für Nachhaltigkeit einsetzt.<br />
Bereits 1972 wies er in einer Studie zur<br />
„Lage der Menschheit“ auf die ökologischen<br />
Grenzen des Wachstums hin. 1971 wurde<br />
die Umweltschutzorganisation Greenpeace<br />
gegründet; 1972 fand die erste UN-Umweltkonferenz<br />
statt. Doch trotz dieses Wissens<br />
und aller ökologischen Bemühungen produzierten<br />
wir in den vergangenen 50 Jahren immer<br />
mehr CO 2<br />
, immer mehr Plastik, immer<br />
mehr Konsumgüter, die nach immer kürzerer<br />
Zeit kaputtgehen oder weggeworfen werden.<br />
Wir verbrauchen in wenigen Jahrzehnten natürliche<br />
Ressourcen, die in Jahrmillionen entstanden<br />
sind. Unsere Freude an der Schönheit<br />
der Schöpfung und unsere Dankbarkeit für<br />
ein gutes Leben sind daher heute weit mehr<br />
als zu biblischen Zeiten an die Verantwortung<br />
für die Bewahrung der Schöpfung gekoppelt.<br />
Papst Franziskus brachte dies 2015 durch den<br />
Titel seiner Umwelt-Enzyklika zum Ausdruck.<br />
„Laudato Si‘“ – Gelobt seist du – ist der bekannte<br />
(und gern gesungene) Anfang des Sonnengesangs<br />
des Heiligen Franz von Assisi. Der<br />
Untertitel weist dann auf unsere Verantwortung<br />
hin: „Über die Sorge für das gemeinsame<br />
Haus“.<br />
MUTTER ERDE 13
GENERATION<br />
Sie sind katholisch (nicht nur), kritisch, konstruktiv, kirchennah und<br />
kirchenfern: Die Serie „Generation K“ widmet sich jungen Frauen, die<br />
sich die Fragen von Kirche, Glauben und Gesellschaft neu stellen.<br />
BERUFUNG<br />
LÄSST SICH<br />
NICHT<br />
WEGREDEN<br />
Berufen. Bezeugen. Begeistern. Drei Worte bringen Botschaft<br />
und Wirken von Jacqueline Straub auf den Punkt. Die<br />
30-jährige Autorin ist kfd-Mitglied, hat katholische Theologie<br />
studiert und gehört zu den bekanntesten Gesichtern der neuen<br />
kirchlichen Frauenbewegung, weil sie öffentlich einfordert,<br />
katholische Priesterin werden zu dürfen. 2018 wurde sie von<br />
der BBC zu den 100 einflussreichsten Frauen gewählt. Im dem<br />
jüngst erschienen Sammelwerk von Schwester Philippa Rath<br />
„Weil Gott es so will“ gehört sie zu 150 Frauen, die über ihre<br />
Berufung berichten. Ein Gespräch über Vorbilder, Hassmails<br />
und das Gottesgeschenk der Berufung.<br />
VON JUTTA LAEGE<br />
<strong>Junia</strong>: Was bedeutet es für<br />
Sie, Teil dieses Buches zu<br />
sein?<br />
Jacqueline Straub: Es war für<br />
mich ein echter Glücksmoment.<br />
Die Idee zum Buch ist meines<br />
Wissens während des Synodalen<br />
Weges im vergangenen Jahr entstanden.<br />
Schwester Philippa suchte<br />
nach Frauen, die über ihre Berufungen<br />
Auskunft geben wollen.<br />
Die Resonanz war so groß, dass daraus<br />
dieses Buch wurde. Ich habe<br />
gedacht: Es ist großartig! Ich bin<br />
nicht die einzige, die ihre Berufung<br />
öffentlich macht. Jetzt haben wir es<br />
schwarz auf weiß.<br />
Sie sind eine junge Frau. Wie<br />
geht es Ihnen, wenn Sie von den<br />
anderen Berufungsgeschichten<br />
und Gleichberechtigungskämpfen<br />
– der Älteren – lesen?<br />
22<br />
GENERATION K
„Ich<br />
Diakone. Aber es gibt auch Hass<br />
und Hetze. Leider muss ich sagen:<br />
Die schlimmsten Kommentare<br />
kommen von Frauen. Sie<br />
sind emotionaler, beleidigender<br />
und irgendwie stereotypisch. Eine<br />
schrieb mal, meine Bestimmung<br />
sei doch, eine aufopfernde Mutter<br />
und treue Ehefrau zu sein. Eine<br />
andere prophezeite mir, dass ich<br />
in die Hölle komme. „Ich bete einen<br />
Exorzismus für Sie“, hat mir<br />
auch mal eine Frau mitgeteilt. Ich<br />
habe ihr geantwortet: „Sorry, hat<br />
leider nicht geklappt.“<br />
würde Gott<br />
verleugnen,<br />
würde ich<br />
aufhören<br />
zu kämpfen.“<br />
So viele Frauen aller Generationen<br />
kommen im Buch zu<br />
Wort. Das macht Mut für die<br />
nächste Generation. Mein ältestes<br />
Vorbild ist die Theologin Ida<br />
Raming. Sie hat vor 60 Jahren, im<br />
selben Alter wie ich, angefangen,<br />
für die Frauenordination und die<br />
gleichberechtigte Rolle der Frauen<br />
in der Kirche zu kämpfen. Sie<br />
wurde exkommuniziert, sie ist<br />
trotzdem Priesterin (Anm. der<br />
Red.: von der katholischen Kirche<br />
nicht anerkannt) geworden. Sie<br />
hat nicht aufgegeben, ihr ganzes<br />
Leben lang geforscht, ihr Wissen<br />
in Büchern an uns weitergegeben<br />
und jungen Frauen wie mir den<br />
Weg geebnet. Ich bin ihr außerordentlich<br />
dankbar.<br />
Sie erwähnen in Ihrem Beitrag<br />
für „Weil Gott es so will“ den<br />
feierlichen Akt einer Priesterweihe<br />
eines Freundes, in der<br />
der Bischof für mehr männ-<br />
liche Berufungen betet. Wie<br />
klingt das für Sie mit Blick auf<br />
die heutige Kirchensituation?<br />
Das war vor etwa drei Jahren<br />
in Österreich, und ich wusste<br />
ehrlich gestanden nicht, ob ich<br />
vor Entsetzen lachen oder weinen<br />
sollte. Angesichts der ja auch<br />
damals schon akuten Situation<br />
des Priestermangels empfand ich<br />
das als unsensibel und respektlos<br />
gegenüber Frauen und absolut<br />
an der Realität vorbei. Ich habe<br />
mit diesem Freund, einem Ordensbruder,<br />
eigentlich auch eher<br />
konservativ, später auch darüber<br />
diskutiert. Er hat das damals nicht<br />
so empfunden. Auch er ist der<br />
Meinung, dass man Berufungen<br />
nicht einfach wegreden kann.<br />
Wer ist eigentlich schwieriger<br />
zu überzeugen: Männer oder<br />
Frauen?<br />
Ich bin jetzt ungefähr seit<br />
zehn Jahren in der Öffentlichkeit<br />
unterwegs mit meinem Wunsch,<br />
Priesterin zu werden. Ich bekomme<br />
sehr viel Unterstützung über<br />
die Sozialen Medien und andere<br />
Wege. An der Basis sind darunter<br />
auch viele Männer, Priester und<br />
Männer machen<br />
das anders, oder?<br />
Ja, sie versuchen es mit althergebrachten<br />
Auslegungen und<br />
Erklärungen, bei denen ich zwar<br />
den Kopf schütteln muss, denen<br />
ich aber argumentativ begegnen<br />
kann. Leider gibt es auch die Sorte<br />
sexistischer Kommentare, mit<br />
denen ich am Anfang nicht wirklich<br />
umgehen konnte. Da hatte<br />
ich auch schlaflose Nächte. Damit<br />
umzugehen, musste ich erst<br />
lernen.<br />
Ihre Berufungsgeschichte haben<br />
Sie mit dem Wort „Brennen<br />
im Herzen“ beschrieben.<br />
Ist die Flamme noch da?<br />
Ja, die Flamme im Herzen ist<br />
noch da. Ich glaube auch nicht,<br />
dass sie ausgehen wird. Sie ist ja<br />
ein Gefühl, manchmal spürt man<br />
es mehr, manchmal ist es zurückgesetzt.<br />
Ich glaube nicht, dass ich<br />
meine Berufung verlieren kann,<br />
sie ist Teil von mir, sie treibt mich<br />
an, gibt mir Mut, Kraft und Hoffnung.<br />
Auch wenn Sie in absehbarer<br />
Zeit Ihr Ziel, Priesterin zu werden,<br />
nicht erreichen, machen<br />
Sie weiter?<br />
2.000 Jahre wurde Theologie<br />
von Männern für Männer<br />
gemacht. Aber wir reden von<br />
Grundrechten! Heute denke ich:<br />
Ich habe jede erdenkliche Auslegung<br />
gegen die Frauenordination<br />
schon einmal gehört. Ich fühle<br />
mich eher bestärkt, im Kampf für<br />
die Weihe für alle weiterzumachen.<br />
Natürlich bin ich realistisch.<br />
Schnelle Veränderungen sehe ich<br />
nicht, wenn ich auf den Vatikan<br />
schaue. Ich arbeite also weiter als<br />
Autorin und Journalistin und halte<br />
mich an den Leitsatz: Du hast<br />
keine Chance, nutze sie! Meine<br />
Berufung ist ein Gottesgeschenk.<br />
Gott möchte, dass wir aus unseren<br />
Talenten etwas machen. Ich<br />
würde ihn verleugnen, würde ich<br />
aufhören zu kämpfen.<br />
Gibt es eine Bibelstelle oder<br />
eine biblische Figur aus der Bibel,<br />
an der Sie sich orientieren,<br />
die Sie durchs Leben trägt?<br />
Tatsächlich ist meine Lieblingsstelle<br />
die vom Ostermorgen:<br />
Maria Magdalena am leeren Grab<br />
Christi. Die frohe Botschaft hat<br />
dank ihr überlebt, sie hat sie weitergetragen<br />
an die Jünger. Sie hat<br />
Jesus erkannt und seinen Hinweis<br />
verstanden: Gib Zeugnis ab! Und<br />
so sehe ich 2.000 Jahre später<br />
meine Aufgabe: Berufen. Bezeugen.<br />
Begeistern.<br />
Die Generation K<br />
finden Sie auch hier:<br />
www.kfd.de/generation-k<br />
GENERATION K 23
IMPRESSUM<br />
104. JAHRGANG | MITGLIEDERMAGAZIN DER kfd<br />
Herausgeberin: Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) –<br />
Bundesverband e.V., Düsseldorf, vertreten durch Bundesvorsitzende Mechthild Heil<br />
Redaktion: Jutta Laege (Chefredakteurin, viSdP), Isabelle De Bortoli, Kim Theyssen<br />
Mitarbeit/Social Media: Corinna Fleuren, Romina Carolin Stork, Melanie Walfort<br />
Kontakt zur Redaktion<br />
Prinz-Georg-Straße 44, 40477 Düsseldorf<br />
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Vertrieb<br />
Telefon 0211 44992-34<br />
Gestaltung<br />
Das weite Feld, Design Direction<br />
Christina Claßen, Köln<br />
Lektorat<br />
Petra Richter, Köln<br />
Gesamtherstellung<br />
Westend Druckereibetriebe GmbH<br />
WKS Druckholding, Essen<br />
Datenschutz<br />
Vollständige Informationen zur Verarbeitung Ihrer<br />
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wird keine Gewähr übernommen. Namentlich gezeichnete Beiträge stellen nicht unbedingt<br />
die Meinung der Redaktion dar. Nachdruck, auch aus zugsweise, nur mit Genehmigung und<br />
Quellenangabe. Die Zeitschrift wird sechs Mal jährlich ausgeliefert, wenn der Beitragsanteil für<br />
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Darlehenskasse im Bistum Münster<br />
IBAN DE22 4006 0265 0003 1974 00<br />
BIC GENODEM1DKM<br />
„Im nächsten Heft<br />
wird es wieder<br />
Neues von der<br />
Generation K geben.<br />
Ich freue mich<br />
darauf, eine weitere<br />
junge, engagierte<br />
Frau kennenzulernen<br />
und mehr über<br />
ihren Einsatz für die<br />
Kirche zu lesen.”<br />
Romina<br />
Carolin Stork<br />
Social-Media-<br />
Redakteurin<br />
Im<br />
nächsten<br />
Heft<br />
MAI<br />
<strong>2021</strong><br />
FRAUENFRAGEN<br />
FEMINISMUS<br />
HEUTE<br />
Was hat sich im<br />
feministischen Denken<br />
und Handeln verändert?<br />
Brauchen wir heute<br />
noch Feminismus?<br />
SCHWESTERHERZ<br />
EINE<br />
MUSIKALISCHE<br />
LIEBESERKLÄRUNG<br />
Vera Klima macht mit ihrer<br />
Schwester Musik – und<br />
singt auch über ihre<br />
Geschwisterbeziehung.<br />
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Tourismus/Ralph Lueger S. 36 – 37: © Ariane Bille für BVEO S. 38 – 39: kfd;<br />
© Deutscher Bundestag/Inga Haar; kfd<br />
Quellennachweis Mittelseite: Nabila Nayebi/www.thepoetryproject.de<br />
Quellennachweis Rezept: S. 36 – 37 © Pressebüro Deutsches Obst und Gemüse<br />
TAG DER JUNIA<br />
kfd-FRAUEN<br />
PREDIGEN IN GANZ<br />
DEUTSCHLAND<br />
Im Mai findet wieder der<br />
kfd-Predigerinnentag statt.<br />
Außerdem: Wo <strong>Junia</strong><br />
schon verehrt wird.<br />
Außerdem im Heft:<br />
Omas Beste<br />
Mme X & Mrs. Y<br />
<strong>Junia</strong>-Quiz<br />
Frauenorte<br />
Auflösung Mme X und Mrs. Y in diesem Heft: Mme X: Loki Schmidt Mrs. Y: Jill Biden
JUNIA ALS PLAKAT<br />
Das Titelmotiv der ersten <strong>Junia</strong>-<strong>Ausgabe</strong> gibt es<br />
jetzt als Plakat. Die wiedergefundene Apostelin und<br />
Namensgeberin unseres Mitgliedermagazins mit dem<br />
Spruch „Mit Mut fangen die schönsten Geschichten an“<br />
ist ein tolles Geschenk – nicht nur für kfd-Frauen.<br />
Format: A2420 x 594 mm<br />
Papier: 200 g/m², Bilderdruck-FSC ® zertifiziert<br />
Preis: 3 €, Artikelnummer: WG84<br />
Bitte beachten: zzgl. 4,50 € Versandkosten<br />
und Versandrolle<br />
OSTERGRÜSSE mit der kfd<br />
Zusammenhalt und Gemeinschaft symbolisieren<br />
die österlichen „Glaube, Liebe, Hoffnung“-Motive.<br />
Wählen Sie aus:<br />
Karte (GU19, ab 0,15€), Aufkleber (WG88, 0,15€),<br />
Kleines Oster-Geschenktütchen (WG86, 0,35 €),<br />
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