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STADTMAGAZIN Bremen März 2021

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10<br />

Flauschiger Freund<br />

fürs Leben?<br />

Lockdown-Story: Das Tierheim an der Hemmstraße<br />

Bis auf weiteres geschlossen: Diese Nachricht empfängt<br />

potenzielle Besucher am Eingang des Tierheims an der<br />

Hemmstraße. Eine Information, die zunächst einen falschen<br />

Eindruck vermitteln mag. Schließlich geht die Arbeit hinter der<br />

großen verschlossenen Metalltür weiter. Und Arbeit – davon gibt<br />

es aktuell genug.<br />

„Kurzarbeit und Homeoffice betrifft uns hier nicht“, erzählt<br />

Gaby Schwab, Pressesprecherin des Tierheims, als sie uns auf dem<br />

Gelände in Findorff empfängt. Schließlich muss die Versorgung<br />

der Tiere – 379 sind es bei Redaktionsschluss Ende Februar – auch<br />

in Corona-Zeiten gewährleistet sein. Dennoch betont sie: „Die<br />

Pandemie betrifft uns natürlich auch.“ So muss etwa die hausinterne<br />

Hundeschule, eine beliebte Anlaufstelle für alle, die kürzlich<br />

einen Vierbeiner adoptiert haben, zwangspausieren. Zudem seien<br />

alle geplanten Benefizveranstaltungen Corona zum Opfer gefallen.<br />

„Dadurch sind uns wichtige Einnahmequellen weggebrochen“, erklärt<br />

Schwab. Doch die Entschleunigung habe auch ihr Gutes, wie<br />

die Tierschützerin berichtet. „Unsere Tiere sind aktuell deutlich ruhiger<br />

und entspannter. Das Pflegepersonal hat viel Zeit, kann sich<br />

ihnen intensiv widmen und beispielsweise mit ihnen trainieren.“<br />

Ein zusätzlicher Gewinn für die Hunde der Einrichtung: zahlreiche<br />

neue Gassigeher, die der Drang nach Bewegung und Frischluft<br />

überkommen hat. „Wir haben einen großen Zuspruch erhalten, die<br />

Hunde hatten vor allem im ersten Lockdown viel Auslauf und waren<br />

abends teilweise fix und fertig“, erzählt Schwab lachend. Da die<br />

Spaziergänger eine eigene Leine mitbringen und das Gelände mit<br />

Mund-Nasen-Schutz betreten müssen, könne das Angebot trotz<br />

Corona fortgeführt werden.<br />

Doch nicht nur das große Interesse<br />

am Gassi gehen erweckt<br />

den Eindruck, dass viele<br />

Menschen situationsbedingt<br />

Gefallen am Gedanken eines<br />

eigenen Haustieres gefunden<br />

haben. „Die Vermittlungsanfragen<br />

haben seit Frühjahr 2020<br />

stark zugenommen“, bestätigt<br />

Gaby Schwab. Wurden 2019<br />

laut Bremer Tierschutzverein<br />

insgesamt 1067 Tiere neu aufgenommen<br />

und 1197 vermittelt,<br />

sind im „Corona-Jahr“ 2020 mit<br />

einer Zahl von 1367 zwar mehr<br />

Gaby Schwab. <br />

Tiere im Tierheim eingetroffen, jedoch haben auch 1304 ein neues<br />

Zuhause gefunden. „<strong>2021</strong> wurden bereits 107 Tiere adoptiert“, ergänzt<br />

die Sprecherin. 38 davon seien Katzen und Kater. „Sie sind<br />

aktuell besonders gefragt und finden oft nach wenigen Wochen<br />

neue Besitzer.“ Um Interessierten auch während des Lockdowns<br />

das Kennenlernen eines Tieres zu ermöglichen, wickelt das Tierheim<br />

Vermittlungen aktuell ausschließlich in Form von Einzelterminen<br />

ab. Ein Vorgehen, das sich laut Schwab bewährt. „Die<br />

Tierpfleger können sich so ausreichend Zeit für die Besucherinnen<br />

und Besucher nehmen und die Voraussetzungen detailliert abfragen.<br />

„Passt das Tier in die Familie? Sind alle einverstanden? Wie ist<br />

die Wohnsituation? Was passiert bei Krankheit oder im Fall einer<br />

Urlaubsreise? All diese Aspekte nehmen wir sehr ernst.“ Bei Vermittlungen<br />

von Hunden sei sogar eine Vorkontrolle im potenziellen<br />

neuen Zuhause vorgesehen.<br />

Langeweile, ein lang gehegter Wunsch, Einsamkeit: Die Gründe,<br />

aus denen sich Menschen in der Corona-Krise für ein Haustier<br />

entscheiden, sind laut Gaby Schwab unterschiedlich. Die dadurch<br />

entstandene Möglichkeit, vielen von ihnen ein neues Zuhause zu<br />

schenken, sieht Sprecherin erst einmal positiv. „Die meisten Menschen<br />

sind momentan mehr zu Hause als sonst. Für die Tiere ist<br />

das eine gute Voraussetzung, sich in Ruhe am neuen Ort einleben<br />

zu können.“ Bauchschmerzen bereitet ihr und ihren Kollegen jedoch<br />

eine andere Seite des Vermittlungsbooms. „Illegale Welpenhändler<br />

und unseriöse Züchter machen gerade das Geschäft ihres<br />

Lebens.“ Die betroffenen Tiere seien nicht nur fragwürdigen Zuständen<br />

ausgeliefert. „Sie kommen wahrscheinlich in die Hände<br />

von Käufern, die bei uns durchs Raster fallen würden.“ Kommt es<br />

also zu unüberlegten Spontankäufen und der flauschige Freund<br />

fürs Leben wird abgeschoben, sobald wieder Normalität herrscht?<br />

Schwab hat dazu eine klare Meinung. „Wir rechnen damit, dass die<br />

Tierheime nach Corona wieder voll sein werden.“ (JF)<br />

Nähere Infos zum Tierheim: www.bremer-tierschutzverein.de<br />

Foto: FR<br />

Foto: Kristina Wiede

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