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Parc Ela
Ein Wegweiser zu Natur und Kultur
im Albulatal und Surses
Hansjürg Gredig (Hrsg.)
Hansjürg Gredig (Hrsg.)
Parc Ela
Inhaltsverzeichnis
Vorwort...........................................................................................................................6
Dank................................................................................................................................7
Geschichte und Kultur...................................................................................................8
Reihenhäuser der Urzeit..........................................................................................10
Römerangriff im Surses...........................................................................................12
Walser, Pässe, Postdienst (10.−15. Jh.)......................................................................15
Dynamische Kapuziner (16.−18. Jh.).........................................................................18
Weniger Menschen, mehr Verkehr (19./20. Jh.).......................................................21
Mehr Langeweile als Kriegslärm: die Burgen..........................................................23
Karolingisches Mistail, barockes Surses..................................................................25
Engadiner Häuser im Albulatal................................................................................28
Erweiterungen, Neubauten und Umnutzungen......................................................31
Schwarzpulver und historische Brücken..................................................................32
Surmiran − lingua materna......................................................................................34
Die Landschaft macht das Bild.................................................................................38
Die Kunstschmiede von Alvaneu..............................................................................40
Männerchöre und die Frauen..................................................................................41
Origen − von der Ruine zur Kulturburg...................................................................43
Menschen und Wirtschaft...........................................................................................44
Schlacken aus der Urzeit..........................................................................................46
Viehzüchter und sagenhafte Alpwirtschaft.............................................................50
Vom Nutzen des Walds............................................................................................56
Die süsse Verlockung: Auswanderung im 19. Jh......................................................59
Porten und Pendler..................................................................................................60
Landauer und Stinkkarren.......................................................................................62
Die Bahn durch den Parc Ela....................................................................................64
Strom aus dem Parc Ela...........................................................................................68
Bäder, Bahn und Bären: Tourismus im Park............................................................72
Parc Ela: Eine Vision für eine Region am Rande.......................................................78
Coaz, Mettier und Main: Bergsteigen im Parc Ela....................................................82
Jagd und Wild: auf Pirsch.........................................................................................83
Landschaft und Geologie............................................................................................88
Landschaften im Parc Ela.........................................................................................90
Wie der Parc Ela enstand.........................................................................................94
Spuren der Erdgeschichte im Parc Ela.....................................................................96
Geologie ist überall..................................................................................................99
Wege zum Staunen....................................................................................................100
«Exploratour»: zu Fuss vom Kontinent in den Ozean.............................................102
Alp Flix: die Schatzinsel der Artenvielfalt aus Menschenhand...............................109
Der Pfad der Pioniere: zum Mittelpunkt Graubündens......................................... 116
Leben nach der Eisschmelze: das Vorfeld des Vadret da Porchabella...................127
Urkraft Wasser: der Wasserrundweg ansaina bei Alvaneu Bad............................ 135
Buntes bis zuoberst: Blumen zwischen Preda und Tinizong.................................144
Julierroute: Reise durch die Zeit.............................................................................156
Serviceteil...................................................................................................................164
Weitere Wege zum Staunen...................................................................................166
Weitwandern.........................................................................................................168
10 Tagestouren, kurz und knapp...........................................................................170
Sehenswürdigkeiten und Öffnungszeiten.............................................................172
Wichtige Adressen.................................................................................................184
Tipps zum Weiterlesen...........................................................................................185
Index...........................................................................................................................186
Bildnachweis..............................................................................................................190
5
Vorwort
Stimada lectoura, stimo lectour,
Liebe Leserin, lieber Leser,
ein Wegweiser zeigt die Richtung an, aber
er erübrigt nicht das Gehen. So ist es auch
beim vorliegenden Wegweiser zu Natur
und Kultur im Parc Ela.
Dieses handliche Buch weist auf Sehenswürdiges
im Parc Ela hin, erklärt Geschichte
und Naturphänomene, schlägt
Wege zum Staunen vor und stellt Menschen
aus dem Park in den Mittelpunkt.
Aber dies alles sind Anregungen und Hilfen,
um sich selbst auf Erkundungsreise
zu begeben, seine eigenen Wege zum
Staunen zu entdecken und seine ganz
persönlichen Begegnungen mit den Menschen
und der Kultur im Albulatal und Surses
zu machen.
Ich bin überzeugt: Spätestens beim
Durchblättern dieses Buches werden Sie
erkennen, dass der Parc Ela reich ist –
reich an Bauzeugen der Geschichte, reich
an intakten Landschaften, reich an Flora
und Fauna und reich an Menschen, die mit
Kreativität und Schaffenskraft die Region
lebendig halten. Das ist kostbar.
Doch unsere Gegend im Herzen des Kantons
Graubünden ist in den Worten von
Wirtschaftsstrategen auch ein «potenzialarmer
Raum», eine Randregion, eine «alpine
Brache» gar. Die Region nimmt dies
nicht als gegebene Tatsache hin, sondern
hat das Zepter in die eigene Hand genommen.
Eine der Antworten auf die Herausforderungen
lautet Parc Ela. Mit dem
grössten Naturpark der Schweiz möchten
die Gemeinden im Albulatal und Surses
das wertvolle Kapital Natur, Kultur und
Landschaft erhalten und es gleichzeitig
als Einkommensgrundlage nutzen.
Dieser Wegweiser leistet einen Beitrag
dazu. Er holt einen Teil der unzähligen
Kostbarkeiten ins Rampenlicht und öffnet
die Augen für die Fülle an Entdeckens- und
Sehenswertem. Und falls der eine oder
die andere beim Lesen Lust bekommt auf
einen Aufenthalt im Parc Ela, falls einige
der 6000 Menschen in unserem Park ein
bisschen ins Staunen geraten über die
Schätze vor ihrer eigenen Haustüre, dann
ist der Parc Ela wieder ein kleines Schrittchen
weitergekommen.
6
Der Parc Ela liegt im Schnittpunkt von Norden
und Süden, von Osten und Westen,
kulturell und naturräumlich. Der Handel
über die Pässe hat unserer Region eine
kulturelle und sprachliche Vielfalt, zehn
Ortsbilder von nationaler Bedeutung
und prunkvolle Barockkirchen beschert.
Der Lage am Alpenhauptkamm, an der
Schnittstelle von West- und Ostalpen und
an der Dreifach-Wasserscheide Europas
ist eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt
zu verdanken. Der Park liegt im Herzen
Europas.
Und doch ist der Parc Ela für viele noch
ein weisser Flecken auf der Landkarte, der
allenfalls von der Fahrt ins Engadin bruchstückhaft
bekannt ist. Das ist schade.
Denn der Parc Ela ist es wert, entdeckt zu
werden. Viele Geheimnisse schlummern
noch in unserer Region, die von Gästen
und auch Einheimischen zu bergen sind.
Die Schatzkarte ist nun da. Viel Freude
beim Aufspüren.
Luzius Wasescha
Präsident Verein Parc Ela
Angraztg fitg! Mille grazie! Vielen Dank!
Ein Buch in dieser thematischen Breite
kann nur entstehen, wenn viele Leute
ihr Fachwissen zur Verfügung stellen.
Namentlich danken möchten wir Jürg
Paul Müller, Direktor des Bündner Naturmuseums,
für seine Texte zu Tieren und
Pflanzen und zur Alp Flix. Katharina von
Salis hat durch ihr kritisches und wachsames
Auge viel zur Qualitätsverbesserung
beigetragen. Geraldine Blatter und Christoph
Gassmann vom ott verlag haben als
Projektleiter auf die Finanzen und die termingerechte
Lieferung von Text und Bild
geachtet.
Für die Bebilderung durften wir auf die
Archive von zahlreichen Personen und
Institutionen zugreifen: Reto Barblan,
Bergün, Pierre Badrutt, Filisur, Georg Ragaz,
Chur, Fundaziun Capauliana, Chur,
Ortsmuseum Bergün/Bravuogn, Archäologischer
Dienst Graubünden, Rätisches
Museum Chur, Kantonale Denkmalpflege,
Amt für Raumentwicklung Graubünden,
Dicziunari Rumantsch Grischun und Rhätische
Bahn.
Ohne finanzielle Unterstützung wäre die
Herausgabe dieses Buches nicht möglich
gewesen. Neben den zahlreichen Parkgemeinden,
die einen Beitrag geleistet
haben, möchten wir vor allem Pro Natura
Graubünden und der Schweizer Berghilfe
danken. Beide Organisationen haben bereits
durch grosszügige Unterstützung in
der Anfangsphase des Parc Ela das finanzielle
Überleben sichergestellt – ohne ihre
Hilfe gäbe es kein Buch und vermutlich
auch gar keinen Parc Ela.
Das Redaktionsteam
Milena Conzetti, Hansjürg Gredig, Dieter
Müller
Tgavretga bei Bivio.
7
Menschen und Wirtschaft
Die Kesch-Hütte SAC mit dem Porchabella-Gletscher im Jahr 2007.
Coaz, Mettier und Main: Bergsteigen im Parc Ela
Bündner Bergsteiger sind die ersten auf den Gipfeln des
Parc Ela. Johann Wilhelm Fortunat Coaz steht mit seinen
Begleitern Jon und Lorenz Raguth Tscharner 1846 auf
dem 3417 Meter hohen Piz Kesch, ein Jahr später folgen
der Piz Uertsch beim Albulapass und die fast 3400
Meter hohen Gipfel Piz Calderas und Piz d‘Err. Coaz ist
beruflich unterwegs, er arbeitet als Topograf für die
eidgenössische Dufourkarte, die 1845−1865 herausgegeben
wird. Höhepunkt für Coaz ist die Besteigung
des 4049 Meter hohen Piz Bernina im September 1850.
Der mächtigen Gebirgsgruppe vom Piz Mitgel über das
Tinzenhorn bis zum Piz Ela wenden sich die Alpinisten
etwas später zu: 1865 Piz Ela (Alexander Flury, Peter
und Georg Jenny), 1867 Tinzenhorn und Piz Mitgel.
Einzig Freshfield
Engländer, die eigentlichen Pioniere in den Alpen, trifft
man hier kaum – mit einer Ausnahme: Douglas William
Freshfield erklettert mit seinem Führer Francois Devouassoud
aus Chamonix als erster den Piz Mitgel. Sie sind
auch bei der Erstbesteigung des Tinzenhorns dabei.
Freshfield ist eine wichtige Bergsteigerpersönlichkeit
und Herausgeber des «Alpine Journal» sowie Präsident
der angesehenen Royal Geographical Society. Sein
Versuch, 1868 den Elbrus zu besteigen, scheitert nur
knapp.
Kletterfähigkeiten. Hermine
Tauscher-Geduly aus Pressburg
vertauscht ihre so hinderlichen
Frauenkleider mit
einem richtigen Touristenkostüm
und klettert ihm bei
der Ela-Besteigung auf den
schwindligsten Stellen nach.
Sein berühmtester Gast ist
die Alpinistin, Schriftstellerin,
Fotografin und Filmemacherin
Elizabeth Main
(1861–1934). Sie erregt 1896
bergsteigerisches Aufsehen
mit der ersten Wintertraversierung
des Palükamms und
mit der Winterbegehung des
Monte Disgrazia.
Peter Mettier und Elizabeth Main
Der beste Kenner der Bergüner Berge jener Zeit ist
der einheimische Bergführer Peter Mettier. Auch Frauen
gehören zu seinen Gästen, und er bewundert ihre
Bergführer Peter Mettier.
82
Jagd und Wild: auf Pirsch
Im Parc Ela leben rund 2000 Gämsen.
Jagd und Wild: auf Pirsch
Wer um 1880 das Gebiet des Parc Ela bereiste,
hatte wenige Chancen, einem Wildtier
zu begegnen. Unlimitierte Bejagung,
grossflächige Abholzung und mehr Haustiere,
als die sensible Gebirgslandschaft
langfristig ertragen kann, hatten ihren
Tribut gefordert. Steinböcke? Bereits im 17.
Jahrhundert ausgerottet. Bartgeier, Bären,
Wölfe, Luchse? Ausgerottet. Rehe, Hirsche?
Praktisch nicht mehr vorhanden. Einzig
im Hochgebirge konnten ab und zu noch
Gämsen erblickt werden.
Strenge Jagdregeln
1877 erliess der Kanton Graubünden ein
Jagdgesetz und schob mit der Patentjagd
der ungeregelten Jagd einen Riegel. Heute
gehen rund 6000 Bündner Jäger und rund
140 Jägerinnen auf die Jagd. Sie alle haben
eine Jagdprüfung abgelegt, die auch viel
Wissen über die Zusammenhänge in der
Natur und die bejagten Tiere voraussetzt.
Mit dem Erwerb eines Patents erhalten sie
das Recht, im ganzen Kanton die gewählte
Jagdart auszuüben. Technische Hilfsmittel
sind streng reglementiert: Das Auto darf
nur in bestimmten Ausnahmen auf dem
Weg zur Jagd benutzt werden, das Gewehr
muss ein Mindest-Kaliber aufweisen, damit
auch die Reichweite eingeschränkt ist, und
jahrelang wurde heftig darüber debattiert,
ob Mobiltelefone mit auf die Jagd genom-
Junges Murmeltier.
men werden dürfen (ja, aber sie müssen
ausser im Notfall abgeschaltet bleiben).
Vor allem aber wird inzwischen auf eine
Jagdplanung gesetzt, die sich auf wildbiologische
Erkenntnisse stützt. Sie legt jährlich
fest, wie viele Tiere von welchem Alter
und Geschlecht gejagt werden müssen, um
Wildbestände zu erhalten, die dem Lebensraum
angepasst, naturnah strukturiert und
artgemäss verteilt sind. Bei der Festlegung
stehen also die Ökologie und das Wild im
Zentrum, nicht der Beutewunsch des Menschen.
Das bedeutet je nach Art auch, dass
Jungtiere und Weibchen geschossen werden
müssen. Die genaue Auswertung der
Anzahl erlegter Tiere und regelmässige
Zählungen stellen sicher, dass die Bestände
weder über- noch unterbejagt werden.
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