CHECK Bayern #1
Die erste Ausgabe des Männer*Gesundheitsmagazins für Bayern
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CHEMSEX<br />
SEHR INTENSIV<br />
UND SEHR PROBLEMATISCH<br />
Foto: Susie Knoll<br />
Gerade in der schwulen Szene ist Chemsex, also der<br />
Konsum von Drogen beim Sex, ein häufig anzutreffendes<br />
Phänomen. Diplom-Psychologe Christopher Knoll ist Berater<br />
bei der Münchner Aids-Hilfe und im Schwulenzentrum<br />
Sub. Mit ihm haben wir uns über Chemsex, seinen Reiz und<br />
seine Gefahren unterhalten.<br />
Interview: Bernd Müller<br />
Was versteht man unter Chemsex?<br />
Gemeint ist „sexualisierter Substanzkonsum“,<br />
also die Verbindung aus Drogen und Sex. Diese<br />
Kombination gibt es freilich schon lange, aber<br />
sie hat in den letzten Jahren so zugenommen,<br />
dass man ihr mit „Chemsex“ einen Namen und<br />
einen festen Platz vor allem in Beratungsstellen<br />
für schwule Männer gegeben hat.<br />
Warum scheint Chemsex gerade für schwule<br />
Männer attraktiv?<br />
Die schwule Community war schon immer gut<br />
darin, sexuelle Nischen zu erobern und sich<br />
über Sexualität auszudrücken. Und: Schwule<br />
Männer sind zunächst einmal Männer. Und<br />
für die war es schon immer leichter zu sagen:<br />
„Lass´ uns Sex haben“ als „Nimm´ mich in<br />
den Arm“. Um Nähe zu spüren, wählen sie also<br />
gern den Weg über die Sexualität. Schwule<br />
hatten schon immer ausgefeilte Methoden,<br />
ihre Sexualität zu optimieren, und haben sich<br />
dafür eine ausdifferenzierte Sexszene geschaffen,<br />
in der entsprechende Kontakte nicht<br />
zuletzt durch Dating-Apps schnell hergestellt<br />
werden können.<br />
Hier funktioniert Chemsex einfach sehr gut,<br />
um Hemmungen abzubauen und ein Gefühl<br />
von Nähe zu schaffen. Leider ist die Kehrseite<br />
der Medaille das Suchtpotential dieser<br />
Substanzen und die Tatsache, dass schwule<br />
Männer immer schon von Suchterkrankungen<br />
überdurchschnittlich betroffen waren. Übrigens:<br />
Auch wenn sich schwule Männer in<br />
manchen Parametern von Hetero-Männern<br />
unterscheiden, heißt das nicht, dass Chemsex<br />
an Heterosexuellen völlig vorbeigeht.<br />
Was macht Chemsex so beliebt?<br />
Die Substanzen steigern den sexuellen<br />
Appetit. Die Mittel wirken „entaktogen“, das<br />
heißt, sie verstärken die inneren Gefühle. Was<br />
man spürt, fühlt sich plötzlich größer, echter,<br />
ja geradezu überwältigend an. Und: Mögliche<br />
Schamgefühle verschwinden. Insofern sind<br />
diese Drogen hochfunktional für eine rauschhaft<br />
erlebte Sexualität. Das macht Chemsex<br />
natürlich für manche interessant und daher<br />
wirkt er so intensiv, ist aber eben auch so<br />
problematisch.<br />
Welche Stoffe kommen zum Einsatz?<br />
In erster Linie wird Chrystal Meth, in der Szene<br />
auch „Tina“ genannt, verwendet. Das ist ein<br />
Amphetamin, dessen Wirkung stärker ist und<br />
viel länger anhält als beispielsweise die von<br />
Speed. Aber auch andere Stoffe wie Ketamin,<br />
ursprünglich ein Medikament aus der Unfallchirurgie<br />
oder GHB/GBL, das oft fälschlich<br />
als „Liquid Ecstasy“ bezeichnet wird, gehören<br />
hierher. Dazu kommen Designerdrogen wie<br />
3-MMC, ein Mephedron-Ersatz und andere<br />
Mittel, die alle extrem entaktogen wirken.<br />
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