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viajacobi

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Sabine Bolliger,

Jolanda Blum

ViaStoria – Zentrum für

Verkehrsgeschichte (Hrsg.)

ViaJacobi

Auf Pilgerspuren die

Schweiz entdecken

Spezialwanderführer

8., vollständig

überarbeitete Auflage

7. Auflage



Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Praktische Hinweise für unbeschwertes Wandern . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Zum Namen ViaJacobi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Signalisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Wanderweg und -saison . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Interaktive Karte, Adressen, Fahrpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

www.viajacobi.ch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Buchbare Angebote von SwissTrails . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Verein jakobsweg.ch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Kulturwege Schweiz: Neue Erlebnisse auf historischen Wegen . . . . 13

Die 12 Via-Routen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

ViaRegio-Routen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Die europäischen Jakobswege im «Liber Sancti Jacobi» . . . . . . . . . . . . 16

Hermann Künig von Vach und «Die walfart und strass zu sant Jacob» . 17

Wegrelikte im Gelände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Pilgerweg – Lebensweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Ein Wandermönch aus Irland strauchelt in der Ostschweiz

Rorschach (398 m ü. M.) – Herisau (771 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Bräker und Walser, die wandernden Schreiber

Herisau (771 m ü. M.) – Wattwil (613 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Die Grubenmanns, Brücken- und Kirchenbauer

Wattwil (613 m ü. M.) – Rapperswil (409 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

Die Schwarze Madonna und der Teufel

Rapperswil (409 m ü. M.) – Einsiedeln (906 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Mit Goethe auf Schweizerreise

Einsiedeln (906 m ü. M.) – Schwyz (516 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Bei den Eidgenossen in der Innerschweiz

Schwyz (516 m ü. M.) – Stans (452 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Inhaltsverzeichnis 5


Maria unter dem Herd

Stans (452 m ü. M.) – Flüeli (744 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

Wo Bruder Klaus begraben liegt

Flüeli (744 m ü. M.) – Brünigpass (1002 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Die schöne Schifferin

Brünigpass (1002 m ü. M.) – Interlaken (567 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . 69

Der Heilige Drachentöter

Interlaken (567 m ü. M.) – Thun (560 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Der Träumer von Burgund

Thun (560 m ü. M.) – Wattenwil (596 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Cluniazenser-Mönche betreuen Pilgerinnen und Pilger

Wattenwil (596 m ü. M.) – Schwarzenburg (792 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . 83

Wenn Vater und Sohn auf Pilgerschaft gehn

Schwarzenburg (792 m ü. M.) – Freiburg (615 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . 87

Zu Besuch bei den Zisterzienserinnen und Zisterziensern

Freiburg (615 m ü. M.) – Romont (780 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Peter II. von Savoyen, der Graf von Romont

Romont (780 m ü. M.) – Moudon (513 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Otto I., Kreuzritter des Königs von England

Moudon (513 m ü. M.) – Lausanne (455 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

Die Stadt der Römer

Lausanne (455 m ü. M.) – Rolle (376 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Cäsar und andere (Gewalt-) Herrschaften

Rolle (376 m ü. M.) – Coppet (396 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Madame de Staël, Tochter eines Genfer Bankiers

Coppet (396 m ü. M.) – Genf (383 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Christus in der Genfer Hafenbucht

Genf (383 m ü. M.) – Bardonnex (474 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Mit Jakobus am Heiligen Grab

Konstanz (403 m ü. M.) – Märstetten (465 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Die Johanniter, ritterliche Gastgeber für Pilgernde

Märstetten (465 m ü. M.) – Fischingen (613 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . 146

Ein Minnesänger, Friedrich Schiller und Karl May

Fischingen (613 m ü. M.) – Rapperswil (409 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Den Pilatus zur Linken, sagt Künig von Vach

Luzern (435 m ü. M.) – Werthenstein (550 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

Ein Holländer auf Goldsuche

Werthenstein (550 m ü. M.) – Willisau (557 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . 165

Spieler provozieren heiliges Blut

Willisau (557 m ü. M.) – Huttwil (638 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

6 Inhaltsverzeichnis


Gotthelfs wildes Emmental

Huttwil (638 m ü. M.) – Burgdorf (573 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

«Stat crux dum volvitur orbis»

Burgdorf (573 m ü. M.) – Gümligen (570 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Eiger, Mönch und Jungfrau

Gümligen (570 m ü. M.) – Rüeggisberg (930 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . 190

Was römische Ingenieure konnten

Freiburg (615 m ü. M.) – Payerne (452 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

Königin Bertha und Kaiserin Adelheid

Payerne (452 m ü. M.) – Moudon (513 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Anneli, ein tapferes Mädchen und eine mutige Pilgerin

Neuhaus (502 m ü. M.) – Siebnen (446 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

St. Niklaus, St. Jost und Bruder Klaus

Siebnen (446 m ü. M.) – Etzelpass (950 m ü. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Die Publikation des vorliegenden Werkes wurde unterstützt durch folgende

Institutionen:

Lotteriefonds Kanton Bern

Kanton Nidwalden Swisslos

Gemeinde Beatenberg

Gemeinde Dürrenroth

Gemeinde Huttwil

Gemeinde Rüeggisberg

Gemeinde Stans

Gemeinde St. Margrethen

Gemeinde Wahlern

Inhaltsverzeichnis 7


Vorwort

Die jüngste Renaissance der über tausendjährigen Geschichte der Jakobswege

begann Anfang der 1980er-Jahre. Ein spanischer Priester markierte

auf der Grundlage seiner Dissertation den «camino» in Nordspanien und

baute ein Netz von Pilgerherbergen auf. Mit den ersten wissenschaftlichen

Kongressen in Mitteleuropa Mitte der 1980er-Jahre wurden die Jakobswege

zusehends zu einem europäischen Thema.

Eine vom spanischen Parlament, vom Kulturminister sowie vom Erzbischof

von Santiago de Compostela unterstützte Petition forderte schliesslich

den Europarat auf, die Jakobswege zu einem europäischen Kulturgut

zu erklären. Diese starke spanische Initiative sowie die wachsende Popularität

der Jakobswege in Mitteleuropa veranlassten den Europarat, sich

eingehend mit dem Thema auseinanderzusetzen. Schliesslich erhob der

Europarat in der Deklaration von Santiago de Compostela vom 23. Oktober

1987 die Wege der Jakobspilgerinnen und -pilger in Europa zur ersten europäischen

Kulturstrasse (Council of Europe Cultural Route).

Damit war der Weg frei für das jüngste, äusserst erfolgreiche Kapitel

der Jakobswege, die sich heute in ganz Europa grosser Beliebtheit erfreuen

und die auch eine völkerverbindende Funktion übernehmen. Gestützt auf

die Deklaration von Santiago de Compostela erging an die Mitgliedstaaten

des Europarates der Aufruf, die Jakobswege in ganz Europa zu identifizieren

und zu kennzeichnen. Am ersten Europarats-Kongress zum Thema

«Jakobswege» wurde unter der Federführung der Deutschen St. Jakobus-

Gesellschaft in Bamberg (Deutschland) das weitere wissenschaftliche Vorgehen

bestimmt. Daraus entstand die erste fachlich-methodische Anleitung

für eine Festlegung von konkreten Jakobswegrouten in Europa.

Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Prozess hat ViaStoria, das Zentrum

für Verkehrsgeschichte der Universität Bern, geleistet. Die Erfahrungen

von ViaStoria aus den Arbeiten am Inventar historischer Verkehrswege der

Schweiz IVS und die zahlreichen Fachstudien zum Thema der Jakobswege

in der Schweiz bildeten die Basis für die Abschlusserklärung des Kongresses.

Er betonte darin «mit Nachdruck die Notwendigkeit einer streng

wissenschaftlichen Identifikation der historischen Wege nach Santiago,

namentlich diesseits der Pyrenäen, sowie der weiteren Spuren dieses

8 Vorwort


Kultes, die sich auf schriftliche und ikonographische Dokumente wie auf

Nachforschungen im Gelände stützt». Die Erklärung hob hervor, dass dies

eine «unabdingbare Voraussetzung für deren Revitalisierung» sei.

Die Arbeiten von ViaStoria im Rahmen des Projektes «Jakobswege durch

die Schweiz» oder heute der ViaJacobi nehmen für die Entwicklung und den

Aufbau der europäischen Jakobswege und für das gesamte Programm der

europäischen Kulturwege nach wie vor eine Vorbildfunktion ein. Als Verantwortlicher

für die europäischen Kulturwege hoffe ich, diesen wertvollen

methodischen und wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch auch im Rahmen

des europäischen Kulturwege-Programms mit ViaStoria weiterführen

zu können.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass möglichst viele Publikationen zum

Thema «Jakobswege» auch im europäischen Raum nach den wissenschaftlichen

Qualitätskriterien und dem methodischen Know-how von ViaStoria

erscheinen. Der Publikation ViaJacobi wünsche ich vollen Erfolg.

Michel Thomas-Penette

Direktor des Europäischen Instituts für Kulturwege, Luxemburg

Vorwort 9


Ein Wandermönch aus Irl and

s tr auchelt in der Os tschweiz

Rorschach (398 m ü. M.) – Herisau (771 m ü. M.)

Ausgangspunkt der Pilgerwanderung in Rorschach ist der Hafenbahnhof.

Das Kornhaus gilt als der schönste Kornspeicher der Schweiz. Die Ausschilderung

weist von dort direkt nach Süden. Um sich auf die ViaJacobi

einzustimmen, lohnt sich ein Abstecher zum etwa 200 m weiter westlich

gelegenen Kronenplatz, der von Gaststätten umrahmt ist und in dessen

Mitte der Jakobsbrunnen mit einer Jakobusfigur steht. Auf dem Brunnenstock

befindet sich ein Glöcklein der Jakobuskapelle, die bis 1834 an

diesem Platz stand.

Richtet man den Blick über die Landesgrenzen hinaus, liegt Rorschach

als Hafenort in Verbindung mit der ehemaligen Reichsstadt Lindau auf der

gegenüberliegenden Seeseite und damit auch an den Handelswegen zu den

mittelalterlichen, nordöstlich gelegenen Messestädten Augsburg und Prag.

Dass König Otto I. dem Abt des Klosters St. Gallen im Jahr 947 für Rorschach

das Markt-, Münz- und Zollrecht verlieh, trug das Seine zur Bedeutung der

Stadt als Marktort bei. Um 1300 wurde Rorschach erstmals in einem Itinerar

als Pilgerstation genannt, und um 1530 berichtete der St. Galler Kaufmann

Wanderzeit 7 h, Distanz 24,7 km,

Aufstieg 855 m, Abstieg 480 m,

schwer

Landeskarten der Schweiz

1:25 000: 1075 Rorschach,

1094 Degersheim, 1095 Gais

Wanderkarten der Schweizer

Wanderwege 1:50 000: 217 T

Arbon, 227 T Appenzell

Ein Wandermönch aus Irland strauchelt in der Ostschweiz 23


Kornhaus, Wahrzeichen des Rorschacher Hafens

Rütiner von über 100 Kroaten, die durch die Stadt nach Compostela pilgerten.

Die einst Kolumban und Konstantinus geweihte Stadtkirche, 1236

erstmals erwähnt, dürfte aus dem 9. Jahrhundert stammen.

Der Weg steigt allmählich an zum Schloss Sulzberg. Durch verschiedene

schöne Hohlwegpartien führt er zum Wegstöcklein St. Apollonia und

durch die grosse Gemeinde Untereggen. Das Schloss Sulzberg, mit einem

Antonius bildstock im Park, wird nach einer späteren Besitzerfamilie aus

Ravensburg (1474–1571) auch «Möttelischloss» genannt.

Anschliessend biegt die Strasse in Hinterhof beim hölzernen Wegkreuz

zum Weiler Schiben ab und man erreicht das einst gefährliche Martinstobel.

Die Überbrückung der Goldach erfolgte 1468 mit einer Hängewerkkonstruktion

des Zimmermeisters Anton Falk, die fast so hoch war wie die

heutige Brücke.

Nach dem Tobelaufstieg kommt man eingangs der alten Fürstenstadt

St. Gallen an der historischen Häusergruppe «Am Weg» vorbei. Sie liegt an

der einstigen Rorschacher Hauptroute nach St. Gallen. Weiter stadteinwärts

weisen die Türme der Kirche St. Maria in Neudorf, der Linsebühlkirche

(Beginn der älteren Vorstadt) und – beim Spisertor (Eintritt in die Altstadt) –

der St. Laurenzenkirche den Weg.

Der Schatzfund von 66 Silbermünzen (aus den Jahren 174–15 v. Chr.) bei

Bruggen lässt vermuten, dass der irische Wandermönch Gallus als historisch

verbürgter Kloster- und Stadtgründer St. Gallens kaum der erste Pilger in

der Gegend war. Laut Überlieferung veranlasste ihn 612 sein Straucheln

über einen Stachelbusch, die Pilgerfahrt hier, am Austritt der Steinach in

den Talgrund, zu beenden. Das benediktinische Galluskloster (719 gestiftet

vom Alemannen Othmar) zog schon früh Pilgernde zur Ruhestätte des Gallus

und Handwerker in die Dienste der Kloster. Daneben entwickelte sich die

24 Ein Wandermönch aus Irland strauchelt in der Ostschweiz


Schloss Sulzberg in Untereggen

Siedlung im 12. Jahrhundert durch einwandernde lombardische Weber und

Handelsleute zur Stadt mit ausgewiesenem Marktrecht. Später war der Ort

freie Reichsstadt und bis zum französischen Einfall in die Schweiz 1798

souveräne Republik.

Wiborada, Retterin der Stiftsbibliothek St. Gallen

«Müssiggang ist der Seele Feind.» Deshalb sollten

die Brüder gemäss der Ordensregel des heiligen

Benedikt zu bestimmten Stunden des Tages mit

Lesen beschäftigt sein. Bücher und Bibliotheken

haben in der Geschichte der Klöster und im Klosterleben

eine zentrale Bedeutung.

Die Stiftsbibliothek St. Gallen ist eine der ältesten

und schönsten Klosterbibliotheken weltweit.

Ihr Überleben verdankt sie der Legende nach

einer Frau. Die heilige Wiborada, Schutzpatronin

der Pfarrhaushälterinnen, Köchinnen, Bibliotheken

und Bücherfreunde, lebte als Klausnerin bei der

St.-Mangen-Kirche. Vor dem Ungarneinfall 926 riet

sie den Mönchen, die Bibliothek im mit St. Gallen

verbrüderten Kloster auf der Insel Reichenau in

Sicherheit zu bringen. Die Mönche taten dies und retteten sich selbst in

der Stunde der Gefahr in eine nahe Fluchtburg. Wiborada blieb, um ihr

Gelübde nicht zu brechen, in ihrer Klause zurück. Die Eindringlinge aus

Ungarn erschlugen sie.

Ein Wandermönch aus Irland strauchelt in der Ostschweiz 25


Der Stiftsbezirk und die reformierte Stadt waren nach der Reformation

1566 bis ins 19. Jahrhundert mit Mauern voneinander getrennt. 1983

wurde der Stiftsbezirk St. Gallen in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes

aufgenommen.

Das älteste Spital in St. Gallen (720/759 bis zur Neuzeit) war unter

Abt Othmar gebaut worden. Es stand nordwestlich des Klosters bei einer

Mineralquelle und war ursprünglich ein Siechenhaus. 1480 wurde es zum

Krankenhaus des Klosters, nach 1566 zum städtischen Badhaus. Das 1219

erwähnte Leprosenspital, nordöstlich der Stadt «im Linsibühl» gelegen,

war Maria Magdalena geweiht. Es erhielt 1772 eine andere Bestimmung

und wurde 1830 mit dem Heilig-Geist-Spital (seit 1228) zusammengelegt.

Die nordöstlich aus der Stadt führende Jakobsstrasse erinnert an eine im

12. Jahrhundert gestiftete Jakobskapelle. Sie stand unweit des Galgens an

der Einfallsachse der alten Konstanzerstrasse.

Der Weg der vielen Brücken

Auf einer Strecke von wenigen hundert Metern überqueren in Bruggen

fünf Brücken aus verschiedenen Jahrhunderten die Sitter. Die ViaJacobi

führt über die Chräzerenbrücke, eine zweibogige Sandsteinbrücke, erbaut

1807–1811 von Hans Ulrich Haltinger. Sie galt lange als die schönste und

modernste Brücke der Ostschweiz. 1941 wurde sie abgelöst durch die Fürstenlandbrücke

von Charles Chopard mit 134 Metern Spannweite und einem

Bogen aus Eisenbeton. Unter diesem gewaltigen Betonbogen steht das alte

Zollhaus. Es wurde um 1775 errichtet, kurz bevor auf gleicher Höhe die

hölzerne Beda-Brücke entstand.

Etwa ein Kilometer südlich der Chrätzerenbrücke steht ein Meisterwerk,

für das es sich lohnt, einen Umweg in Kauf zu nehmen: die Urnäschbrücke

oder «Hüslibrücke» im Kubel. Der berühmte Zimmermeister Hans Ulrich

Grubenmann erbaute sie 1780. Es ist sein letztes bis heute erhaltenes Werk.

An den oberen Querbalken befinden sich zahlreiche Inschriften, die über

die Baugeschichte Auskunft geben. Deshalb wird die Urnäschbrücke auch

die «sprechende Brücke» genannt.

Es besteht auch die Möglichkeit, in

etwa 2,5 Stunden alle 18 Brücken

zu besichtigen, die in der weiteren

Umgebung von Bruggen die Sitter,

die Urnäsch und den Wattbach überqueren.

Ein ausgeschilderter, 8 km

lan ger Wanderweg, der «St. Galler

Brückenweg», führt von Haggen

nach Spisegg. Ausgangspunkt ist der

Bahnhof St. Gallen Haggen. Bei jeder

Brücke steht eine Informationstafel.

Fürstenlandbrücke mit Zollhaus im Vordergrund

26 Ein Wandermönch aus Irland strauchelt in der Ostschweiz


«Schlampiweg» nach Herisau

Etwas abseits des ausgeschilderten Pilgerweges ist Folgendes erwähnenswert:

Westlich von St. Gallen war Jakobus Patron der Kirche von Gossau SG,

wo sich 1750 eine von der katholischen Kirche beglaubigte Jakobusreliquie

befand. Von Wil sind in der Chronik des Kustos vier Santiagopilger überliefert:

«1581. Den 12. Hornung gingen Hans Müller, der Tischler, ferner Hans

Müller, Georg Wirth und Ulrich Hugentobler nach Compostela wallfahrten

und kamen nach 30 Wochen wieder frisch und gesund nach Hause.»

Beim Ausgang aus der Stadt St. Gallen übernehmen wiederum die

Kirchen Wegweiserfunktion: die neugotische Kirche St. Leonhard (1885–

1887), südlich des Zeughauses, die St. Otmar-Kirche und nach der Kapelle

Maria Einsiedeln, die westlich des grösseren Burgweihers steht, die reformierte

Kirche von Bruggen.

Die Kapelle Maria Einsiedeln in Schönenwegen hiess im Volksmund

«Jakobskapelle». Ihr Stifter liess am Äussern der um 1680 erbauten Kapelle

eine Darstellung Christi mit der Samariterin am Jakobsbrunnen anbringen.

Oberhalb des Heiligtums steht ein hölzerner «Tröckneturm», ein Überbleibsel

aus der frühen Textilindustrie. Die Chräzerenstrasse in Bruggen führt

hinunter zum Zollhäuschen (1811) und über die Chräzerenbrücke. Von deren

nördlichem Geländer aus ist das äbtische Zollhaus mit Mansarddach am

linken Flussufer zu sehen.

Nach Überquerung der Sitter wandert man durch das schöne Naturschutzgebiet

des Gübsensees mit dem Schlösschen Sturzenegg. Etwa 100 m

nach dem Abschlussdamm liegt der Wanderweg auf dem bis 1913 benutzten

Trassee der Appenzellerbahn Herisau–Winkeln. Das Restaurant «Alter Zoll»

zu Beginn der Hauptstrasse ist die ehemalige ausserrhodische Zollstätte. Es

erinnert an die überschrittene Kantonsgrenze. Nach der Bahnüberführung

wandert man auf dem «Schlampiweg», auf dem wohl einst die schwer beladenen

Saumtiere «schlampig» (kraftlos) wurden.

Entlang des Friedhofs und seiner Kapelle (1917) passiert man die ehemalige

Zoll- und Sammelstation für Söldner (heute Gasthaus «Adler»). Der

kurze Aufstieg führt in die Stadtmitte von Herisau.

Ein Wandermönch aus Irland strauchelt in der Ostschweiz 27

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