Sprungbrett2_Ausgabe 2021_01_THINK POSITIV
Das Netzwerkmagazin des APOLLON Alumni Network e.V. Die aktuelle Auflage beschäftigt sich mit den Thema Covid-19 - nur vielleicht aus einem ganz anderen Blickwinkel heraus :-). Wer also Lust hat, sich mit verschiedensten Denkansätzen zu konfrontieren, der ist mit dieser Ausgabe mal wieder sehr gut bedient. Grüße vom Redaktionsteam
Das Netzwerkmagazin des APOLLON Alumni Network e.V.
Die aktuelle Auflage beschäftigt sich mit den Thema Covid-19 - nur vielleicht aus einem ganz anderen Blickwinkel heraus :-).
Wer also Lust hat, sich mit verschiedensten Denkansätzen zu konfrontieren, der ist mit dieser Ausgabe mal wieder sehr gut bedient.
Grüße vom Redaktionsteam
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Sprungbrett<br />
<strong>Ausgabe</strong><br />
1 / <strong>2021</strong><br />
Das Netzwerkmagazin des APOLLON Alumni Network e. V.<br />
Think positive.
Editorial<br />
DIE ERSTE AUSGABE <strong>2021</strong><br />
Liebe Vereinsmitglieder,<br />
liebe AbsolventInnen der APOLLON Hochschule,<br />
liebe APOLLONianerInnen, liebe LeserInnen,<br />
wir freuen uns, die mittlerweile sechste <strong>Ausgabe</strong> unseres Netzwerkmagazins zu veröffentlichen.<br />
Selten steht Gesundheit so sehr im Fokus des allgemeinen Interesses wie in dieser Zeit, der<br />
Kommunikationsbedarf wächst. Gleichzeitig fehlen viele liebgewonnene Formate gerade jetzt<br />
zum Austausch. Unser BarCamp, sonst jedes Jahr in wechselnden Städten durchgeführt, musste im<br />
letzten Jahr ausfallen.<br />
Unterdessen bieten sich neue Ideen und Möglichkeiten, und so fand kürzlich unser erstes digitales<br />
BarCamp statt.<br />
Auch unser Sprungbrett greift das aktuell so viele Bereiche bestimmende Thema auf. Statt aber<br />
ebenfalls sorgenvoll die aktuellen „Inzidenzwerte“ zu beäugen, haben unsere AutorInnen einen<br />
anderen Blick auf die Pandemie gewagt, indem sie positive oder wenigstens potenziell verändernde<br />
Aspekte der Krise beleuchten.<br />
Dies scheint im einen Bereich auf fruchtbareren Boden zu fallen denn im anderen, in jedem Fall aber<br />
liefert jeder Beitrag wertvolle Denkanstöße.<br />
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.<br />
Sollten Sie kleinere Ecken und Kanten finden, ein Thema so interessant oder sogar abwegig, dass Sie uns etwas dazu schreiben<br />
möchten, dann freuen wir uns über ein offenes Feedback. Am besten direkt per E-Mail an info@apollon-alumni.de.<br />
Ihr Vorstand des APOLLON Alumni Network<br />
Michael Walch<br />
Schatzmeister<br />
Alexandra Berendes<br />
Erste Vorsitzende<br />
Tobias Ulamec<br />
Zweiter Vorsitzender<br />
Die Sprungbrett <strong>Ausgabe</strong> 2/<strong>2021</strong> erscheint im Oktober.<br />
2<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
<br />
Inhalt<br />
Disruptives Reset<br />
Ernst Wellnhofer 4<br />
Corona-Krise als Chance<br />
Dana Audehm 7<br />
Die Corona-Pandemie als Innovationstreiber in Marketing<br />
und Vertrieb der Pharmazeutischen Industrie?<br />
Christian Wunderlich 9<br />
Von „verstaubt“ zu „vernetzt“ – Corona als Katalysator für Firmen<br />
Stefanie Peschl 13<br />
Möglichkeiten zur Motivation von Auszubildenden in<br />
Zeiten der Corona-Pandemie<br />
Katharina Nülsen 16<br />
Umgang mit Stress in der Pandemie<br />
F. Stolberg 19<br />
APP auf Rezept – wie digitale Gesundheitsanwendungen<br />
(DiGA) die Gesundheitsversorgung verändern (sollen)<br />
Kurt Becker 22<br />
Soziale Medien – eine unterschätze Wohlfühloase für<br />
gestresste Menschen<br />
Tobias Ulamec 27<br />
Unsere AutorInnen und Mitwirkenden in dieser <strong>Ausgabe</strong> 29<br />
Antrag auf Mitgliedschaft<br />
Wo möglich verwenden unsere AutorInnen Personenbezeichnungen, die alle Geschlechter einbeziehen.<br />
Aus Gründen der Lesbarkeit wird an anderen Stellen aber auf separate Benennungen verzichtet, es sind aber<br />
ausdrücklich alle Geschlechter gemeint.<br />
Impressum<br />
©: APOLLON Alumni Network e. V. – <strong>Ausgabe</strong> 1/<strong>2021</strong><br />
Umschlagsgestaltung & Layout: APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft, Bremen<br />
Bilder: Dr. Anne Wellek, Katharina Nülsen, Alexandra Berendes – Lektorat: Alexandra Berendes<br />
AutorInnen: Dana Audehm, Kurt Becker, Katharina Nülsen, Stefanie Peschl, F. Stolberg, Tobias Ulamec, Ernst<br />
Wellnhofer, Christian Wunderlich – Weitere Mitwirkende: Michael Walch<br />
Verlag: APOLLON Alumni Network e.V., Bremen – Druck: Flyeralarm GmbH, Würzburg<br />
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung<br />
des Verlags und der Autorin bzw. des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder<br />
sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.<br />
www.apollon-alumni.de 3
Disruptives Reset<br />
Disruptives Reset<br />
Ernst Wellnhofer<br />
Shiva<br />
„As the end of all things Shiva is the<br />
lord of death; as the origin of all<br />
creation he is the fount of life” Alain<br />
daniélou [1]<br />
Nachhaltigkeit<br />
Die Pandemie hat gewütet, wütet und<br />
droht weiter zu wüten. Der Begriff<br />
„Corona“ hat unsere Sprache infiziert.<br />
Unser Generalstab aus Virologen und<br />
Politikern rechnet mit dem Worst-<br />
Case, einer rasenden Mutante [2]. Die<br />
Hauptverteidigungswaffe war und ist<br />
der „Lock-Down“ mit dem Ziel einer bei<br />
Seuchen altbewährten Taktik der Kontaktvermeidung.<br />
Die Maßnahme senkt<br />
die Infektionsrate und verzögert damit<br />
die Ausbreitung der Pandemie [3].<br />
Hinzu kommen seit Jahresanfang die<br />
Impfkeule und vielleicht irgendwann<br />
auch eine medizinische Behandlungswunderwaffe<br />
[4]. Der Lock-Down ist<br />
ein menschenfeindlicher heroischer<br />
Verzicht auf den Kampf mit dem Virus<br />
durch „Social Distancing“, eine Art sozialer<br />
Selbstverstümmelung. Die Ausgestaltung<br />
ist variantenreich und föderal<br />
[5]. Todesopfer steigen [6].<br />
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende<br />
auch“ Hölderlin, Patmos [7].<br />
Das Lernen ist das Rettende. Es hilft,<br />
die Pandemie einzudämmen. Es ermöglicht,<br />
die Welt neu zu erleben und<br />
schöpferisch zu erobern. Veränderung<br />
macht Platz für alternative Lösungen.<br />
Zerstörung erzwingt einen Neuanfang.<br />
Freie Perspektiven und kreative<br />
Impulse schaffen neue Werte, neue<br />
Arbeitswelten, neue Geschäftsmodelle<br />
und neue Gestaltungen des Privatlebens.<br />
Schöpferische Zerstörung<br />
gilt als eine treibende Kraft in der<br />
Wirtschaftsentwicklung mit mythologischen<br />
und philosophischen Wurzeln<br />
[8]. Abriss schafft Platz für Neubau.<br />
Disruptive Innovation ist eine moderne<br />
Fortentwicklung der Theorie der<br />
schöpferischen Erneuerung in der<br />
Wirtschaftsentwicklung. „Surviving<br />
Disruption“ ist der Titel eines Essays<br />
des Harvard Gurus Clayton M. Christensen.<br />
Darin werden unter anderem<br />
die Auswirkungen des Versandhandels,<br />
als disruptive Innovation auf den<br />
Einzelhandel analysiert [9].<br />
Unter Disruption versteht Christensen<br />
allerdings einen Prozess, bei dem eine<br />
kleine Firma mit weniger Ressourcen<br />
erfolgreich ein etabliertes Geschäftsmodell<br />
auf dem Markt angreift [10].<br />
Diese enge Definition blendet Einflüsse<br />
auf die Ökonomie durch soziale Disruption<br />
aus, wie z.B. jetzt in der Pandemie.<br />
Die Perspektive des Neuanfangs<br />
nach Zerstörung oder Scheitern wird<br />
nicht eingenommen.<br />
Natürlich führen auch grundlegende<br />
technische, wissenschaftliche, ökonomische<br />
und gesellschaftliche Innovationen<br />
zu Verdrängungs-, Ersetzungsund<br />
Wandlungsprozessen. Auch<br />
solche Entwicklungen können bei<br />
entsprechender Dynamik als schöpferische<br />
Zerstörung erlebt werden.<br />
Wie die digitale Revolution bessere<br />
Gesundheitsversorgung möglich machen<br />
könnte, beschreibt z.B. Eric Topol<br />
in „Creative Destruction of Medicine“.<br />
Die Digitalisierung katalysiert hier weitere<br />
wissenschaftliche und technische<br />
Fortschritte mit aktuellen und künftigen<br />
Umbrüchen in der Medizin [11].<br />
Auch hier fehlen Szenarien disruptiver<br />
Störungen und Beschleunigungen,<br />
wie z.B. neue Pandemien, irrationale<br />
Amokläufe der Politik und Naturkatastrophen.<br />
Am unkomplizierten und vielgestaltigsten<br />
verschmelzen Zerstörung und<br />
Schöpfung in Psychologie und Kunst<br />
[12].<br />
Kollaterale Effekte<br />
Nicht zuletzt leben wir in einer vernetzten<br />
Welt. Neben Kollateralschäden<br />
gibt es deshalb auch kollaterale<br />
Nutzeffekte. Was der Reisewirtschaft<br />
weh tut, tut dem Klima gut. Die CO 2<br />
Emissionen in China sind um 25% gesunken<br />
[13].<br />
Die Fortschritte der Digitalisierung,<br />
auch im Gesundheitswesen, machen<br />
nicht nur dem Gesundheitsminister<br />
eine große Freude. Videosprechstunde,<br />
elektronische Krankschreibung<br />
und weniger überfüllte Praxen z.B.<br />
verändern den Alltag von Ärzten [14].<br />
Kapazitätsengpässe und Versorgungsschwierigkeiten<br />
haben den Primat der<br />
Ökonomie im Krankenhauseinsparwesen<br />
etwas geschwächt. Warum<br />
denken wir über die Vorhaltung von<br />
Ressourcen in der Gesundheitsversorgung<br />
anders als im Verteidigungswesen?<br />
Risikomanagement sollte ein<br />
fester Bestandteil der Planung im Gesundheitswesen<br />
sein.<br />
In einer Stellungnahme des Bundesamts<br />
für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />
(BBK) vom 26. März<br />
2020 heißt es: „Bei dem analysierten<br />
Pandemieszenario aus 2<strong>01</strong>2 handelt<br />
es sich um ein solches hypothetisches<br />
Szenario, das einen hypothetischen<br />
Verlauf einer Pandemie in Deutschland<br />
beschreibt.“ [15] Entsprechende<br />
Maßnahmen blieben damals „hypothetisch“.<br />
Wissenschaft und Staat sind<br />
jetzt durch die Krise zurück im Spiel<br />
[16]. Es bleibt die Hoffnung auf ein<br />
nachhaltigeres Risikomanagement<br />
jetzt und in Zukunft.<br />
4<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
Disruptives Reset<br />
Die Pandemie hat in der digitalen<br />
Lehre eine steile Lernkurve erzwungen<br />
[17]. Auch die Arbeitswelt,<br />
Gesundheitsbewusstsein und die<br />
Life-Work-Balance haben sich nachhaltig<br />
verändert [18]. Laut einer Umfrage<br />
von Statista und YouGov unter<br />
2.076 Personen in Deutschland sehen<br />
42% sowohl positive als auch negative<br />
Auswirkungen auf ihren eigenen<br />
Alltag. Zehn Prozent der Befragten<br />
entdecken sogar vermehrt positive<br />
Effekte. Besonders gut bewertet werden<br />
Auswirkungen auf das Klima, den<br />
Verkehr, Entschleunigung des Alltags<br />
und vermehrte Solidarität und Hilfsbereitschaft<br />
[19].<br />
Schließlich sind die Umdeutung unserer<br />
Welt und buddhistische Änderungen<br />
unserer Erwartungshaltung<br />
unerschöpfliche menschliche Ressourcen<br />
der Risikobewältigung und<br />
auch krisenfeste Einnahmequellen<br />
von Gurus und Coaches [20].<br />
Krisengewinnler<br />
Im Tross der Pandemie boomt das<br />
Geschäft der Lieferanten von Medizinprodukten<br />
und Schutzausrüstung<br />
(Masken, Beatmungsgeräte, Desinfektionsmittel,<br />
…). Einige globale<br />
Pandemieprofiteure verfügen über<br />
Internet-basierte und ggf. logistische<br />
Dienstleistungen, die das Zuhausebleiben<br />
oder Arbeit und Transaktionen<br />
von Zuhause unterstützen.<br />
Weitere Krisengewinnler finden sich<br />
unter den Pharma- und Biotech-Konzernen.<br />
Das geniale Geschäftsmodell<br />
von Big Pharma nutzt in der Forschung<br />
und Entwicklung öffentliche<br />
Förderung, patentiert Ergebnisse<br />
dann aber proprietär und verkauft die<br />
Impfungen teuer an die Förderer.<br />
Die Integration von universitärer Forschung,<br />
z.B. in Oxford, und innovativen<br />
Start-Ups, z. B. Biontech, war kritisch<br />
für Erfolg und Verkürzung der Zeit bis<br />
zur Zulassung für große Pharmaunternehmen<br />
in dieser Krise. Die Macht der<br />
Industrie vor dem angsterzeugenden<br />
Wettlauf zwischen Impfung und Virusmutation<br />
[21] treibt die Nachfrage<br />
nach dem Impfstoff. Eine aufschlussreiche<br />
Übersicht über „Corona-Aktien“<br />
(Gewinner und Verlierer) findet sich<br />
auf Finanznet [22].<br />
Was Künstler dachten<br />
Die Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung<br />
führten dazu, dass sich<br />
Menschen stärker beachteten und<br />
den persönlichen Raum, Körper und<br />
Aura, wieder mehr respektierten. Eine<br />
Entschleunigung auf allen Ebenen des<br />
Denkens und Fühlens schuf neues Bewusstsein.<br />
Kreative entdeckten ihr Privatleben<br />
(neu). Mehr Achtsamkeit und<br />
neue Gleichgewichte entwickelten<br />
sich im Umgang mit der Natur und<br />
dem Leben.<br />
Es war sehr überraschend, was im<br />
Lock-Down auf einmal möglich war.<br />
Neue Spiele verlangen neue Spielregeln.<br />
Wir sind noch da und kreativ aktiv!<br />
Let‘s go virtual [23] !<br />
www.apollon-alumni.de 5
Disruptives Reset<br />
Literaturverzeichnis:<br />
[1] Daniéou, A. (2<strong>01</strong>7). Hindu Polytheism, Bollingen Series LXXIII. Pantheon Books, 1964, S 192.<br />
[2] Plante, J.A., Liu, Y., Liu, J. et al. (2020). Spike mutation D614G alters SARS-CoV-2 fitness. Nature.<br />
https://rdcu.be/cd8j9, https://doi.org/10.1038/s41586-020-2895-3 (18.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[3] Martin S. (2020). Ausbreitung von Corona (COVID-19) in Deutschland.<br />
http://www.anne-emscher.net/corona.pdf (24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[4] Vfa bio..Die forschenden Pharma-Unternehmen (<strong>2021</strong>).Therapeutische Medikamente<br />
gegen die Coronavirusinfektion Covid-19. https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/<br />
woran-wir-forschen/therapeutische-medikamente-gegen-die-coronavirusinfektion-covid-<br />
19#neuemedikamente (18.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[5] Tagesschau (<strong>2021</strong>). Lockdown mit Löchern – was wo gilt. https://www.tagesschau.de/inland/<br />
gesellschaft/lockdown-regeln-bundeslaender-1<strong>01</strong>.html (Stand: 11.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>, abgerufen<br />
24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[6] Sperling, S.; Röger,A.(<strong>2021</strong>) Neuer Trend bei Todeszahlen. Animation zeigt: Diese Altersgruppen<br />
sind besonders gefährdet. https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_89287198/<br />
todeszahlen-fatale-corona-entwicklung-bei-altersgruppen-und-sterblichkeit.html?utm_<br />
source=pocket-newtab-global-de-DE (Stand 18.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>, abgerufen 24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[7] Bertaux, P. (1963). Hölderlin, F. Werke Briefe Dokumente. Winkler-Verlag, München. S.177<br />
[8] Reinert, E.S.; Reinert, H. (2<strong>01</strong>5). Creative Destruction in Economics. New Nietzsche Studies. Bd 9,<br />
<strong>Ausgabe</strong> 3/4, S. 1-23, https://doi.org/10.5840/newnietzsche2<strong>01</strong>593/41 (18.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[9] Wessel, M.; Christensen, C.M.(2<strong>01</strong>2). Surviving Disruption. Reprint in Christensen, Clayton M. The<br />
Clayton M. Christensen reader”. Harvard Business Review Press [2<strong>01</strong>5], Boston Massachusetts.<br />
ISBN 97816333690998<br />
[10] Christensen, C. M.; Raynor, M. E.; McDonald, R. (2<strong>01</strong>5). What is Disruptive Innovation? Reprint<br />
in Christensen, Clayton M. The Clayton M. Christensen reader”. Harvard Business Review Press<br />
[2<strong>01</strong>5], Boston Massachusetts. ISBN 97816333690998<br />
[11] Topol, E. (2<strong>01</strong>2). The Creative Destruction of Medicine. How the Digital Revolution Will Create<br />
Better Healthcare. Basic Books. New York. ISBN 978-0-465-02550-3<br />
[12] (2<strong>01</strong>7). Kreative Zerstörung-Über Macht und Ohnmacht des Destruktiven in den Künsten. Hrg.<br />
Wolfram Bergande. Verlag Turia + Kant, Wien. ISBN 978-3-85132-867-7, https://www.turia.at/<br />
titel/bergande2.php (24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[13] Shafy, S (2020). Durch das Coronavirus sinken die CO 2<br />
-Emissionen in China um 25 Prozent.<br />
SPIEGEL Online, Wissenschaft, https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/co2-emissionen-<br />
in-china-sinken-ist-das-coronavirus-gut-fuers-klima-a-3bb248ba-5177-4a3a-abcb-<br />
9a67c7e1ad07 (24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[14] Van den Bergh, W; Nößler, D.(2020). „ÄrzteTag“-Podcast. Die positiven Nebenwirkungen der<br />
„Corona-Krise“.<br />
https://www.aerztezeitung.de/Podcasts/Die-positiven-Nebenwirkungen-der-Corona-<br />
Krise-407833.html (Stand 19.03.2020, abgerufen 24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[15] zm online (2020). Behörde warnte 2<strong>01</strong>2 vor Pandemie mit mutiertem SARS-Erreger<br />
https://www.zm-online.de/news/politik/behoerde-warnte-2<strong>01</strong>2-vor-pandemie-mit-mutiertemsars-erreger/<br />
(Stand 7.4.2020, abgerufen 24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[16] Müller, H. (2020). Die positiven Folgen von Corona. https://www.manager-magazin.de/politik/<br />
weltwirtschaft/henrik-muellers-jahresbilanz-2020-positive-folgen-der-corona-pandemie-a-<br />
25cd4d66-d8d2-4638-b2a3-dcee7d521d0e (Stand 20.12.2020, abgerufen 24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[17] Eichmeyr, H. (2020). Digitales Lernen in Zeiten von Corona: Beginn einer steilen Lernkurve?<br />
Digitalisierung der Bildung. https://www.digitalisierung-bildung.de/2020/03/27/digitaleslernen-in-zeiten-von-corona-beginn-einer-steilen-lernkurve/<br />
(24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[18] Personalwirtschaft (2020). Corona hat für Unternehmen auch positive Auswirkungen. https://<br />
www.personalwirtschaft.de/der-job-hr/corona-special/artikel/corona-krise-arbeitgeber-undbeschaeftigte-sehen-auch-gute-auswirkungen.html<br />
(Stand 25.09.2020, abgerufen 24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[19] Suhr,F (2020). Corona-Krise: Nicht alles ist schlecht (Infographic). https://de.statista.com/<br />
infografik/21755/umfrage-zu-positiven-aspekten-der-corona-krise/ (Stand 20.05.2020,<br />
abgerufen 24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[20] Merzhäuser, M. () CORONA-KRISE hat auch <strong>POSITIV</strong>E EFFEKTE.https://www.siemagbkk.de/<br />
kontakt-service/aktuelles/corona-krise-hat-auch-positive-effekte-mmerzhaeuser (24.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[21] Weber, N (<strong>2021</strong>) Was der AstraZeneca-Reinfall in Südafrika bedeutet. Spiegel Wissenschaft.<br />
https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/corona-impfstoffe-und-mutationen-was-derastrazeneca-reinfall-in-suedafrika-bedeutet-a-c4be7fef-9ac8-4f61-ad12-dc07ba994fdc?utm_<br />
source=pocket-newtab-global-de-DE (14.02.<strong>2021</strong>)<br />
[22] Finanznet () Corona-Aktien. https://www.finanzen.net/aktien/corona-aktien (14.02.<strong>2021</strong>)<br />
[23] Mickan E.; Sauerländer T. (2<strong>01</strong>7) Virtuelle Kunst: Vom Wachsen einer neuen Disziplin –<br />
Ausstellungen in der anderen Realität. https://detektor.fm/digital/virtuelle-kunst (Stand<br />
14.02.2<strong>01</strong>7, abgerufen 25.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
6<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
Corona-Krise als Chance<br />
Corona-Krise als Chance<br />
Dana Audehm<br />
Digitalisierungsschub im Gesundheitswesen als Katalysator für Start ups<br />
Die Corona-Pandemie beherrscht die deutsche Wirtschaft. Gesetzlich erlassene Einschränkungen führen zum wirtschaftlichen<br />
Einbruch in vielen Bereichen. Das deutsche Gesundheitssystem ist durch die Pandemie stark gefordert<br />
und steht vor großen zu lösenden Aufgaben. Kontaktbeschränkungen, Quarantäne, mit Covid-19 infizierte Patienten<br />
mit unterschiedlichen Verlaufsformen, besondere Hygieneregeln oder die Meldepflicht im Zusammenhang mit dem<br />
Coronavirus sind nur einige Beispiele für die bestehenden Herausforderungen. Der Bedarf an digitalen Lösungen<br />
wächst. Das 2<strong>01</strong>9 in Kraft getretene Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) sowie das im Juni 2020 beschlossene Krankenhauszukunftsgesetz<br />
(KHZG) bilden die gesetzliche Grundlage zur Umsetzung.<br />
Das verschafft Digital-Health-Start ups mit ihren kreativen Ideen Chancen und Möglichkeiten.<br />
Die Coronavirus-Pandemie stellt Gesellschaft,<br />
Politik und Wirtschaft vor<br />
eine große Herausforderung. Viele<br />
Branchen haben Probleme und werden<br />
von der Regierung unterstützt,<br />
um eine Insolvenzwelle zu verhindern.<br />
Das Gesundheitssystem steht im<br />
Fokus. Die Versorgung der Patienten<br />
muss gesichert werden und die Bedingungen<br />
dazu verbessert. [10]<br />
Bereits vor Beginn der Corona-Krise<br />
zeigte sich, dass Gesundheit, Sicherheit<br />
und Digitalisierung an Bedeutung<br />
gewonnen haben und eine steigende<br />
Nachfrage nach Digital-Health-Leistungen<br />
zu erwarten ist. [5]<br />
Eine gesetzliche Grundlage bildet das<br />
am 19. Dezember 2<strong>01</strong>9 in Kraft getretene<br />
DVG.<br />
Wesentliche Inhalte sind die Verordnungs-<br />
und Erstattungsmöglichkeiten<br />
von Gesundheits-Apps, die Ausweitung<br />
der Telemedizin und der Zugriff<br />
auf das sichere Datennetz im Gesundheitswesen,<br />
der Telematikinfrastruktur<br />
(TI).<br />
Der von der Bundesregierung aufgelegte<br />
Innovationsfond wird bis 2024<br />
mit 200 Millionen Euro jährlich verlängert.<br />
Damit können weiterhin über<br />
die normale Regelversorgung der<br />
gesetzlichen Krankenversicherung<br />
hinausgehende Versorgungsformen<br />
und Versorgungsforschungsprojekte,<br />
welche auf einen Erkenntnisgewinn<br />
zur Verbesserung der bestehenden<br />
Versorgung ausgerichtet sind, gefördert<br />
werden. [7] [8]<br />
Durch das am 29. Oktober 2020 in<br />
Kraft getretene Krankenhauszukunftsgesetz<br />
(KHZG) wird den Krankenhäusern<br />
ein digitales Update ermöglicht.<br />
[9]<br />
Während 70 % der deutschen Start ups<br />
um ihre Existenz bangen, bekommen<br />
digitale Start ups im Gesundheitswesen<br />
während der Corona-Krise ungeahnten<br />
Rückenwind. Über 80 % dieser<br />
Start ups sehen darin eine Chance für<br />
ihr Geschäftsmodell und verzeichnen<br />
eine verstärkte Kundennachfrage von<br />
Produkten und Dienstleistungen sowie<br />
eine steigende Anzahl von Neukunden.<br />
[1][2]<br />
Fabian Höger, einer der Gründer des<br />
Start ups InMotion, bestätigt die steigende<br />
Nachfrage. Er berichtet, dass<br />
die öffentliche Aufmerksamkeit im Gesundheitssektor<br />
sowie in Aussicht gestellte<br />
Fördergelder die Investition in<br />
schnelle und pragmatische Lösungen<br />
steigern.<br />
InMotion ging 2<strong>01</strong>9 als Gewinner aus<br />
einem Wettbewerb des IT-Dienstleisters<br />
adesso SE hervor, bei dem sich die<br />
auf das Gesundheitswesen gerichtete<br />
Idee des „kontaktlosen Patientenzimmers“<br />
gegenüber den Mitbewerbern<br />
anderer Branchen durchsetzte. Dass<br />
die Lösung so schnell dringend benötigt<br />
wird, ahnte er damals noch nicht.<br />
Laut Höger ermöglicht die Technologie<br />
beispielsweise die kontakt- und<br />
lückenlose Messung von Vitalzeichen<br />
bei Patienten sowie das automatisierte<br />
Erkennen spezifischer Situationen,<br />
die eine Desinfektion erforderlich<br />
machen. Während die Einrichtungen<br />
der Gesundheitswirtschaft in der<br />
Zeit vor Corona dem Einsatz derart<br />
„neuer“ Technologien eher skeptisch<br />
gegenüberstanden, findet man heute<br />
Interesse und Aufgeschlossenheit, erzählt<br />
Höger weiter. Manchmal bremsen<br />
die strengen Einschränkungen<br />
des Zugangs zu Krankenhäusern und<br />
Pflegeheimen die Umsetzung der innovativen<br />
Ideen aus. Da heißt es, beiderseitig<br />
konstruktive Lösungen zu<br />
finden. [3]<br />
Diese Erfahrungen werden durch Dr.<br />
Ole Martin vom Startup Dermanostic,<br />
einer Hautarzt-Online-App, bestätigt.<br />
Patienten und Ärzte sind offener gegenüber<br />
telemedizinischen Diensten.<br />
Durch die festgelegte Förderung im<br />
DVG, die gesetzlich vorgegebenen<br />
www.apollon-alumni.de 7
Corona-Krise als Chance<br />
Kontaktbeschränkungen aufgrund<br />
der Pandemie und die Angst vor Ansteckung<br />
sind Besuche in einer Arztpraxis<br />
eingeschränkt. Die bisherige<br />
Skepsis nimmt ab und die Vorteile der<br />
digitalen Kommunikation zwischen<br />
Arzt und Patient überwiegen. Durch<br />
die pandemiebedingten verhängten<br />
Einschränkungen gibt es jedoch Probleme<br />
in der Kommunikation mit Behörden<br />
oder anderen Unternehmen.<br />
[4] [5]<br />
Weitere Einschränkungen für die Startups<br />
stellen die Reise- und Kontaktbeschränkungen<br />
dar. Dadurch kommt<br />
es zum Ausfall von Kundenbesuchen,<br />
dem fehlenden Aufbau von Netzwerken,<br />
dem Ausfallen von Messen oder<br />
Lieferengpässe und damit zeitliche<br />
Verzögerungen. [4]<br />
Die Start ups lassen sich jedoch nicht<br />
davon aufhalten und viele arbeiten<br />
erfolgreich.<br />
Dabei wünschen sie sich mehr Unterstützung<br />
von der Politik. Weniger<br />
Bürokratie und eine unkompliziertere<br />
Förderung in Krisenzeiten werden<br />
dazu an erster Stelle genannt. [4]<br />
Beim 2020 in Coronazeiten durchgeführten<br />
Businessplan Wettbewerb<br />
Medizin- und Gesundheitswirtschaft<br />
nahmen 41 Teams aus 11 Bundesländern<br />
teil. Ziel des Wettbewerbs ist die<br />
Förderung der Gründung und Ansiedlung<br />
innovativer Unternehmen der<br />
Medizin- und Gesundheitswirtschaft.<br />
[4]<br />
Im Raum Berlin liefern mehr als 100<br />
Start ups mit innovativem Gründergeist<br />
und digitalem Know-How neue<br />
Impulse für den digitalen Wandel in<br />
der Gesundheitswirtschaft. Sie entwickeln<br />
mit aktuellen Technologien wie<br />
Machine Learning, Künstlicher Intelligenz<br />
oder Big Data mobile Apps und<br />
Wearables.<br />
Große Unternehmen suchen zunehmend<br />
die Nähe zu diesen Start ups, um<br />
die Innovationen und Fähigkeiten für<br />
gemeinsame digitale Entwicklungen<br />
im Gesundheitsmarkt zu nutzen. [11]<br />
Die Corona-Pandemie ist eine Chance<br />
für Digital Health Start ups. Besonders<br />
in der Gesundheitswirtschaft stehen<br />
viele Herausforderungen an. Diese<br />
werden in großem Umfang vom Gesetzgeber<br />
gefördert. Start ups haben<br />
diverse Möglichkeiten, sich mit Entwicklungen<br />
in den digitalen Fortschritt<br />
im Gesundheitswesen einzubringen.<br />
Beispiele zur Zitation Literaturverzeichnis:<br />
[1] Pwc, (2020). Innovationsschub im Gesundheitswesen: Wie<br />
Startups die Coronakrise bewältigen. https://www.pwc.de/<br />
de/gesundheitswesen-und-pharma/innovationsschub-imgesundheitswesen-wie-startups-die-coronakrise-bewaeltigen.html<br />
(31.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[2] Mareike Müller, WirtschaftsWoche, (2020). https://www.wiwo.de/my/<br />
erfolg/gruender/start-ups-in-der-coronakrise-nach-zwei-monaten-<br />
droht-ein-massensterben/25708072.html?ticket=ST-4259554-<br />
npfaYA0NDH2xwfHZSZVu-ap2 (31.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[3] Fabian Höger, persönliches Interview (26.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[4] SHE works (2020). Health Start-Ups: Corona ist vor allem Chance.<br />
https://www.she-works.de/gruenden/health-start-ups-corona-ist-vorallem-chance/2020/07/21/<br />
(31.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[5] Jürgen Hoffmann (17.07.2020). Corona verschafft Digital-Health<br />
Startups Rückenwind. https://creditreform-magazin.de/leben/<br />
gesundheit/corona-verschafft-digital-health-startups-rueckenwind/<br />
(06.12.2020)<br />
[6] Grätzel von Grätz, Philipp, Ärztezeitung (28.10.2020). Digitalisierung:<br />
Rückenwind durch die Corona-Pandemie nutzen. https://www.<br />
aerztezeitung.de/Wirtschaft/Digitalisierung-Rueckenwind-durch-die-<br />
Corona-Pandemie-nutzen-414106.html (31.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[7] BMG, (22.04.2020). Ärzte sollen Apps verschreiben können.<br />
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/digitaleversorgung-gesetz.html<br />
(31.12.<strong>2021</strong>)<br />
[8] G-BA, Innovationsfond, https://innovationsfonds.g-ba.de (31.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[9] BMG (07.12.2020). Krankenhauszukunftsgesetz für die Digitalisierung<br />
von Krankenhäusern. https://www.bundesgesundheitsministerium.<br />
de/krankenhauszukunftsgesetz.html (31.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[10] Tagesspiegel (14.04.2020). Was sich nach der Coronavirus-<br />
Pandemie ändern könnte. https://www.tagesspiegel.de/politik/<br />
gesundheitssystem-wirtschaft-finanzwelt-was-sich-nach-dercoronavirus-pandemie-aendern-koennte/25733628.html<br />
(31.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[11] HealthCapital, Digital Health, https://www.healthcapital.de/<br />
medizintechnik/digital-health/ (31.<strong>01</strong>.20)<br />
8<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
Die Corona-Pandemie als Innovationstreiber in Marketing und Vertrieb der Pharmazeutischen Industrie?<br />
Die Corona-Pandemie als Innovationstreiber in Marketing und Vertrieb<br />
der Pharmazeutischen Industrie?<br />
Christian Wunderlich<br />
Wie in vielen anderen Branchen, erfordert die Corona-Pandemie auch für die Pharmazeutische Industrie eine verbesserte<br />
digitale Kundenansprache. In diesem Zusammenhang stehen die Bereiche Marketing und Vertrieb als direkte<br />
Schnittstellen zwischen Unternehmen und Kunden naturgemäß vor besonderen Herausforderungen. Doch führt die<br />
Pandemie tatsächlich zur ersehnten nachhaltigen digitalen Transformation?<br />
Die Pandemie hat Auswirkungen<br />
auf die Kundenansprache<br />
Um die Ansteckungswahrscheinlichkeit<br />
mit dem Coronavirus zu reduzieren,<br />
haben niedergelassene Ärzte und<br />
Ärzte in Krankenhäusern im Zuge der<br />
bisherigen Pandemiewellen persönliche<br />
Kontakte zu Pharmareferenten<br />
deutlich eingeschränkt und in vielen<br />
Fällen vorübergehend sogar vollständig<br />
eingestellt. Umgekehrt haben<br />
auch die meisten Pharmaunternehmen<br />
zum Schutz ihrer Angestellten<br />
das Arbeiten im Homeoffice angeordnet.<br />
Somit drohte mit dem Außendienst<br />
der wichtigste und zugleich<br />
kostenintensivste Kanal im traditionellen<br />
Marketingmix der Pharmaindustrie<br />
bis auf Weiteres zu entfallen.<br />
Die Industrie stand daher kurzfristig<br />
vor der Herausforderung, neue Möglichkeiten<br />
der digitalen persönlichen<br />
Interaktion zwischen Arzt und Pharmareferent<br />
zu finden, beziehungsweise<br />
bestehende Angebote, wie zum<br />
Beispiel medizinische Fortbildungen,<br />
digital weiterzuentwickeln. Darüber<br />
hinaus wurde schnell erkennbar, dass<br />
sich auch die Kundeninteressen pandemiebedingt<br />
änderten und die Marketingabteilungen<br />
somit gefordert<br />
waren, neuen relevanten Content zu<br />
generieren [6].<br />
Wie digital ist die Pharmaindustrie<br />
bereits?<br />
Um den digitalen Reifegrad der Pharmaindustrie<br />
im Branchenvergleich<br />
innerhalb Deutschlands beurteilen zu<br />
können, lohnt sich zunächst einmal<br />
ein Blick darauf, wo Deutschland in<br />
Bezug auf die Digitalisierung im Vergleich<br />
der EU-Mitgliedsstaaten insgesamt<br />
steht. Der jährlich erscheinende<br />
DESI-Report (DESI: Digital Economy<br />
and Society Index) der Europäischen<br />
Kommission gibt Aufschluss darüber:<br />
betrachtet man die fünf untersuchten<br />
Dimensionen „Connectivity“ (Verfügbarkeit<br />
schneller Datenverbindungen),<br />
„Human Capital“ (digitales Know-how<br />
der Bevölkerung), „Use of Internet Services“<br />
(Nutzungsgrad des Internets),<br />
„Digital Public Services“ (digitale Angebote<br />
der öffentlichen Verwaltung)<br />
und „Integration of Digital Technology“<br />
(Integrationstiefe digitaler Technologien<br />
in Unternehmen), so liegt<br />
Deutschland im Ländervergleich auf<br />
Platz 12 von 28 EU-Ländern und mit<br />
diesem Ergebnis nur knapp über dem<br />
EU-Durchschnitt (die Daten des Vereinigten<br />
Königreichs auf Platz 8 der<br />
Betrachtung sind hier noch enthalten.<br />
Die Datenbasis stammt aus dem Jahr<br />
2<strong>01</strong>9.) [4]. Betrachtet man isoliert den<br />
Parameter „Integration of Digital Technology“,<br />
der den digitalen Reifegrad in<br />
Unternehmen beschreibt, ist das Bild<br />
für Deutschland noch einmal ungünstiger;<br />
hier nimmt Deutschland nur einen<br />
ungenügenden 18. Rang ein und<br />
liegt unterhalb des EU-Durchschnitts<br />
(UK: Rang 8; über dem EU-Durchschnitt)<br />
[4]. Im Hinblick auf den digitalen<br />
Reifegrad seiner Unternehmen<br />
gibt es in Deutschland also noch ein<br />
erhebliches Entwicklungspotenzial.<br />
Im deutschen Branchenvergleich hat<br />
die Pharmaindustrie mit einem Index<br />
von 100 einen durchschnittlichen digitalen<br />
Reifegrad.<br />
Spitzenreiter sind hierzulande wenig<br />
überraschend die Informations- und<br />
Kommunikationstechnologie (Index =<br />
273), der Fahrzeugbau (Index = 193),<br />
Elektrotechnik und Maschinenbau (In-<br />
Digital Economy and Society Index (DESI) 2020, integration of digital technologies<br />
Quelle: DESI 2020, European Commission. [4], S 63<br />
www.apollon-alumni.de 9
Die Corona-Pandemie als Innovationstreiber in Marketing und Vertrieb der Pharmazeutischen Industrie?<br />
dex = 144) und unternehmensnahe<br />
Dienstleister (Index = 135). Besonders<br />
schlecht schneiden die Unternehmen<br />
der deutschen Pharmaindustrie im<br />
Hinblick auf die Digitalisierung ihrer<br />
Geschäftsmodelle ab (Index = 60). Es<br />
besteht also vor allem in dieser Frage<br />
ein erheblicher Nachholbedarf bei der<br />
Digitalisierung [2].<br />
Die Pandemie fördert ein<br />
digital-freundliches Klima<br />
Einer Studie des Bundesverband Informationswirtschaft,<br />
Telekommunikation<br />
und neue Medien e. V. (Bitkom)<br />
aus dem November 2020 zufolge, hat<br />
die Pandemie dazu geführt, dass sich<br />
das Klima in Unternehmen in Bezug<br />
auf die Digitalisierung verbessert. So<br />
sahen im November 2020 97% aller<br />
befragten Unternehmen in der Digitalisierung<br />
eine Chance; im Jahr<br />
2<strong>01</strong>8 waren dies noch 89%. 71% der<br />
Unternehmen gaben an, auf die Corona-Krise<br />
mit einer Anpassung bereits<br />
bestehender Produkte und Dienstleistungen<br />
zu reagieren, und 45% der<br />
Unternehmen reagierten mit einer<br />
Veränderung des Geschäftsmodells.<br />
Darüber hinaus gaben 84% der befragten<br />
Unternehmen an, dass die Digitalisierung<br />
für ihr Unternehmen aufgrund<br />
der Pandemie an Bedeutung<br />
gewonnen habe. Allerdings sehen<br />
sich dabei nur 27% der Unternehmen<br />
als Vorreiter, 71% hingegen als Nachzügler.<br />
Insgesamt attestieren sich alle<br />
befragten Unternehmen im Hinblick<br />
auf den Stand der Digitalisierung in<br />
ihrem Betrieb derzeit die Schulnote<br />
„befriedigend“ und zwar unabhängig<br />
von der Zahl ihrer Mitarbeiter. 61% der<br />
Unternehmen glauben, dass die Pandemie<br />
für sie einen Innovationsschub<br />
auslöse, und 54% prognostizieren,<br />
dass die Krise langfristig zur Beschleunigung<br />
der Digitalisierung führen wird<br />
[3].<br />
Corona führt zu einem Digitalisierungsschub in den Unternehmen<br />
Inwieweit treffen die folgenden Aussagen auf ihr Unternehmen zu oder nicht zu?*<br />
61%<br />
Die Corona -Pandemie<br />
sorgt für einen<br />
Innovationsschub in<br />
unserem Unternehmen.<br />
54%<br />
Durch die Corona -Pandemie<br />
werden wir langfristig die<br />
Digitalisierung in unserem<br />
Unternehmen en vorantreiben.<br />
Basis: Alle befragten Unternehmen (n=605) | *Aussagen »trifft voll und ganz zu« & »trifft eher zu« | Quelle : Bitkom Research<br />
In der ersten Pandemiewelle<br />
verschob sich die Kundenansprache<br />
der Industrie hin zu<br />
„digitalen“ Kanälen, …<br />
Im deutschen Pharmamarkt war vor<br />
der Corona-Pandemie der persönliche<br />
Besuch des Außendienstmitarbeiters<br />
in der Arztpraxis beziehungsweise<br />
im Krankenhaus der wichtigste Kanal<br />
innerhalb des Marketingmix, gefolgt<br />
von der Nutzung von E-Mails. Als<br />
persönliche Besuche schließlich stark<br />
eingeschränkt wurden, verschob sich<br />
der Kanalmix deutlich. Fanden im Januar<br />
2020 noch 70% aller Kontakte<br />
zwischen Außendienstmitarbeiter<br />
und Arzt persönlich statt, waren es<br />
im April, auf dem ersten Höhepunkt<br />
der Krise, nur noch 2%. Innerhalb des<br />
gleichen Zeitraums stieg die Rate der<br />
E-Mail-Kontakte von 26% auf 72%. Die<br />
Zahl der Telefonkontakte stieg von<br />
ca. 1% im Januar auf 18% im April.<br />
Wirklich neue digitale Formate, wie<br />
beispielsweise virtuelle Meetings<br />
zwischen Arzt und Pharmareferent,<br />
gewannen in diesem Zeitraum kaum<br />
an Bedeutung und machten im April<br />
lediglich weiterhin 2% der Kontakte<br />
aus [5].<br />
54%<br />
Digitale Technologien<br />
helfen uns, die<br />
Corona-Pandemie zu<br />
bewältigen.<br />
Quelle: Bitkom 2020, Digitalisierung der Wirtschaft – Auswirkungen der Corona-Pandemie [3], S. 8<br />
…kehrte aber nach Abflauen der<br />
Welle wieder zum Ausgangspunkt<br />
zurück<br />
Zwischen den beiden Pandemiewellen<br />
des Jahres 2020 pendelte sich der<br />
Mix der Marketingkanäle schließlich<br />
wieder auf dem Vorkrisenniveau ein<br />
[5]. Die Hoffnung der Unternehmen,<br />
dass sich digitale Formate wie beispielsweise<br />
virtuelle Meetings und<br />
Automatisierung des Marketing krisenbedingt<br />
nachhaltig durchsetzen<br />
würden, hat sich somit für die Mehrzahl<br />
der Unternehmen im deutschen<br />
Markt nicht bewahrheitet. In Spanien<br />
und Großbritannien, die beide schwerer<br />
als Deutschland von der Pandemie<br />
betroffen waren, hielt die ausgewogenere<br />
Verteilung zwischen analogen<br />
und digitalen Marketingkanälen hingegen<br />
bis Jahresende 2020 an [6].<br />
Meine Erfahrungen mit diesem<br />
Thema<br />
Bevor ich im nächsten Abschnitt zu<br />
einer wissenschaftlichen Betrachtung<br />
des Themas zurückkehren werde,<br />
möchte ich an dieser Stelle meine eigene<br />
Erfahrung mit der Digitalisierung<br />
in den Bereichen Marketing und Vertrieb<br />
der Pharmaindustrie schildern,<br />
lebt doch ein Heft wie das „Sprungbrett“<br />
nicht zuletzt vom persönlichen<br />
Erfahrungsaustausch.<br />
10<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
Die Corona-Pandemie als Innovationstreiber in Marketing und Vertrieb der Pharmazeutischen Industrie?<br />
Als Business Unit Head habe ich bei<br />
meinem letzten Arbeitgeber die erste<br />
Pandemiewelle gemanagt. Meine<br />
Erfahrungen decken sich nahezu 1:1<br />
mit den bereits beschriebenen bundesweiten<br />
Erhebungen der Firma<br />
IQVIA. Auch bei meinen Mitarbeitern<br />
im Vertrieb war zunächst eine verstärkte<br />
Nutzung von (bereits etablierten)<br />
digitalen Kanälen, insbesondere personalisierter<br />
E-Mails, zu verzeichnen.<br />
Schwieriger war die Umstellung auf<br />
bisher nicht genutzte Formate, wie<br />
zum Beispiel das „E-Detailing“, was das<br />
virtuelle Arztgespräch per internetbasierter<br />
Plattform meint. Die Einführung<br />
dieses Formats stieß auf heftigen<br />
Widerstand der Außendienstmitarbeiter<br />
und des Betriebsrats.<br />
Die Bereitschaft zum digitalen Wandel<br />
war bei den Mitarbeitern des Marketing<br />
deutlich höher ausgeprägt.<br />
Sie kümmerten sich von Beginn der<br />
Pandemie an darum, die notwendige<br />
technische Infrastruktur einzuführen,<br />
lieferten fortlaufend neuen relevanten<br />
digitalen Content und sondierten ihre<br />
Umwelt nach innovativen Ideen.<br />
Quelle: IQVIA 2020, Kurzbericht [5], S. 3<br />
Diese deutlich unterschiedliche Bereitschaft<br />
beider Mitarbeitergruppen, sich<br />
auf den digitalen Wandel einzulassen,<br />
beziehungsweise ihn aktiv mitzugestalten,<br />
führe ich auf zwei wesentliche<br />
Ursachen zurück. Außendienstmitarbeiter<br />
haben im Vergleich zu Mitarbeitern<br />
des Marketing aufgrund ihrer<br />
Tätigkeit in der Regel weniger Kontakt<br />
zum Unternehmen und damit eine<br />
weniger enge Bindung. Da sie regional<br />
arbeiten, sind sie aufgrund ihrer<br />
räumlichen Distanz zum Unternehmenssitz<br />
auch weniger eng in Informations-<br />
und Entscheidungsprozesse<br />
eingebunden. Darüber hinaus fürchten<br />
Außendienstmitarbeiter häufig,<br />
dass die Digitalisierung und Automatisierung<br />
des Marketing perspektivisch<br />
zum Verlust ihres Arbeitsplatzes führen<br />
könnte. Digitalisierung wird damit<br />
als persönliche Bedrohung empfunden<br />
und löst daher Widerstand aus.<br />
In der Tat haben sich Rolle und Aufgaben<br />
der Außendienstmitarbeiter in<br />
den 20 Jahren meiner Berufstätigkeit<br />
deutlich verändert. Diese Veränderungen<br />
bestanden einerseits in einer<br />
signifikanten Verringerung der Zahl<br />
der Außendienstmitarbeiter; damit<br />
einher ging andererseits aber auch<br />
eine klare qualitative Aufwertung<br />
und Spezialisierung des Berufsbildes.<br />
Entscheidend für die Akzeptanz der<br />
Digitalisierung im Außendienst und<br />
damit für einen nachhaltigen Erfolg<br />
der Implementierung wird es sein,<br />
die zukünftige Rolle des Außendienstmitarbeiters<br />
innerhalb des operativen<br />
Marketing sauber und eindeutig zu<br />
definieren. Grundsätzlich ist es zum<br />
Beispiel vorstellbar, dass Außendienstmitarbeiter<br />
in ihren geographischen<br />
Arbeitsregionen die Orchestrierung<br />
der zur Verfügung stehenden Marketingmaßnahmen<br />
in eigener Verantwortung<br />
übernehmen. Das würde<br />
allerdings erneut einen Paradigmenwechsel<br />
in Bezug auf das Berufsbild<br />
bedeuten und eine geeignete Qualifikation<br />
beziehungsweise Qualifizierung<br />
erfordern.<br />
Der durch die Pandemie entstandene<br />
Handlungsdruck ist<br />
hilfreich, aber keinesfalls ausreichend<br />
für eine nachhaltige<br />
digitale Transformation<br />
Als Fazit bleibt festzuhalten: die pandemiebedingten<br />
Einschränkungen<br />
persönlicher Außendienstbesuche<br />
haben kurzfristig zu einer intensiveren<br />
Nutzung digitaler Kanäle der Kundenansprache<br />
geführt. Einschränkend<br />
ist dazu allerdings zweierlei zu sagen:<br />
erstens ist mit dem Begriff „digitaler<br />
Kanal“ in diesem Fall vorwiegend<br />
die Nutzung von E-Mails und Telefon<br />
gemeint. Hier kann schwerlich von<br />
einem Durchbruch auf dem Weg zur<br />
Digitalisierung in Marketing und Vertrieb<br />
der pharmazeutischen Industrie<br />
gesprochen werden. Die Nutzung<br />
wirklich neuer Kanäle und Marketingmethoden<br />
wurde durch die Pandemie<br />
nur in Einzelfällen angestoßen.<br />
Zweitens war die Verschiebung zwischen<br />
den Kanälen nicht nachhaltig;<br />
nach Wegfall des Handlungsdrucks<br />
aufgrund des Abflauens der Pandemie<br />
kehrte das (offenbar eher träge)<br />
System wieder in seinen Ausgangszustand<br />
zurück. Die Pandemie hat<br />
sich bisher also nicht als der ersehnte<br />
Treiber digitaler Innovationen in Vertrieb<br />
und Marketing der Pharmaindustrie<br />
erwiesen.<br />
Mit oder ohne Pandemie ist Digitalisierung<br />
kein Selbstläufer. Nachhaltige<br />
digitale Transformation hat<br />
drei wesentliche Erfolgsfaktoren, die<br />
www.apollon-alumni.de 11
Die Corona-Pandemie als Innovationstreiber in Marketing und Vertrieb der Pharmazeutischen Industrie?<br />
in einem strukturierten Ansatz des<br />
Change-Managements berücksichtigt<br />
werden müssen: sie setzt zum einen<br />
ein technisches Grundverständnis<br />
der Mitarbeiter voraus, welches durch<br />
fortlaufende Weiterqualifizierung<br />
mittels Schulungen und Trainings<br />
sichergestellt werden muss. Neben<br />
diesem „harten“ technischen Aspekt<br />
spielt zum zweiten aber die „weiche“<br />
menschliche Seite in jedem Changeprozess<br />
die entscheidende Rolle. Vom<br />
Wandel betroffene Mitarbeiter haben<br />
häufig Ängste und wollen daher „mitgenommen“<br />
werden. Sie wollen verstehen,<br />
warum der Wandel erforderlich<br />
ist und welche Rolle sie zukünftig<br />
haben werden. Sie möchten außerdem<br />
erkennen, dass ihr Unternehmen<br />
dabei eine klare Zukunftsvorstellung<br />
hat, die es in ebenso klare, konkrete<br />
Zielsetzungen für jede(n) Einzelne(n)<br />
herunterzubrechen in der Lage ist.<br />
Drittens gilt: in Bezug auf die Mitarbeiterführung<br />
ist es erfolgskritisch, agil<br />
zu agieren und schnell ins Handeln<br />
zu kommen, das heißt rasch konkrete<br />
Schritte der Planung umzusetzen, um<br />
erste motivierende Erfolgserlebnisse<br />
(„quick wins“) zu schaffen, die die Bereitschaft<br />
zum Wandel weiter befeuern<br />
können [1].<br />
Literaturverzeichnis:<br />
[1] Across Health (2020). Digital transformation in Life Sciences: Acceleration (waiting) in the wings? (Literatur beim Verfasser).<br />
[2] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020). Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland. Digitalisierungsindex 2020.<br />
https://www.de.digital/DIGITAL/Redaktion/DE/Digitalisierungsindex/Publikationen/publikation-download-zusammenfassung-ergebnissedigitalisierungsindex-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=3<br />
(30.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[3] Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (Bitkom) (2020). Digitalisierung der Wirtschaft – Auswirkungen<br />
der Corona-Pandemie. https://www.bitkom-research.de/system/files/document/Bitkom%20Charts%20Digitalisierung%20der%20Wirtschaft%20<br />
16%2<strong>01</strong>1%202020_final.pdf (30.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[4] European Commission (2020). Digital Economy and Society Index 2020. https://ec.europa.eu/newsroom/dae/document.cfm?doc_id=67086<br />
(30.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[5] IQVIA (2020). Kurzbericht: Die Sicht niedergelassener Ärzte in Deutschland auf die COVID-19-Krise und die Bedeutung von Digital Health.<br />
https://www.iqvia.com/-/media/iqvia/pdfs/germany/library/publications/iqvia-kurzbericht-rztesicht-auf-covid-19-und-digital-health.pdf?la=de-de<br />
&hash=18DE8EB33A9C9434BB068805306E0F51 (30.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[6] IQVIA (2020). Leaders Insights: Outlook for commercial activity across Europe in <strong>2021</strong>. Progress and success in uncertain times.<br />
https://images.constellation.iqvia.com/Web/IQVIA/%7Be0f7cf53-0bc1-48a0-b50b-8a90f1d79d9f%7D_CSMS_GBU_Webinar_IQVIA_Leaders_<br />
Insights_26th_Nov_2020_VF_PDF.pdf?utm_campaign=2020_CSMSEULeadersWebinar_GBU_TC_CS_Thankyou&utm_medium=email&utm_<br />
source=Eloqua (30.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
12<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
Von „verstaubt“ zu „vernetzt“ – Corona als Katalysator für Firmen<br />
Von „verstaubt“ zu „vernetzt“ – Corona als Katalysator für Firmen<br />
Stefanie Peschl<br />
„Homeoffice überall da, wo es möglich<br />
ist. Arbeitgeber müssen überall<br />
dort Homeoffice anbieten, wo es<br />
möglich ist. Das sieht die Corona-Arbeitsschutz-Verordnung<br />
vor, die am<br />
27. Januar in Kraft getreten ist“. [1]<br />
Neben vielen Herausforderungen für<br />
Familien und Firmen bietet das Homeoffice<br />
auch eine Reihe positiver Effekt,<br />
die durch Corona in der Umsetzung<br />
deutlich beschleunigt wurden. Remote-Tools<br />
und Digitalisierung nehmen<br />
Fahrt auf.<br />
Zum Einstieg sei erwähnt, dass das<br />
„Homeoffice“ als solches keine allgemein<br />
gültige Definition aufweist<br />
und zumeist von mobilem Arbeiten<br />
ausgegangen wird. Um die verschiedenen<br />
Möglichkeiten der Arbeit von<br />
zu Hause und/oder von unterwegs<br />
begrifflich abgrenzen zu können, wird<br />
durch die IHK Berlin eine gute Übersicht<br />
gegeben:<br />
Homeoffice – Nach dem allgemeinen<br />
Sprachgebrauch versteht man hierunter<br />
das gelegentliche oder ständige<br />
Arbeiten in den privaten Räumlichkeiten.<br />
Mobiles Arbeiten – die durch Zurverfügungstellung<br />
von mobilen Endgeräten<br />
eingeräumte Möglichkeit, die<br />
Arbeitsleistung an (..) wechselnden<br />
Orten außerhalb des Betriebs zu erbringen<br />
(etwa auf Reisen im Zug, im<br />
Hotel oder auf dem heimischen Sofa).<br />
Telearbeit – findet sich in der Arbeitsstättenverordnung<br />
§ 2 definiert dort<br />
die Telearbeitsplätze als vom Arbeitgeber<br />
fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze<br />
im Privatbereich (..). Ein<br />
Telearbeitsplatz ist laut Gesetz vom<br />
Arbeitgeber erst dann eingerichtet,<br />
wenn Arbeitgeber und Beschäftigte<br />
die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich<br />
oder im Rahmen einer<br />
Vereinbarung festgelegt haben und<br />
die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes<br />
mit Mobiliar, Arbeitsmitteln<br />
einschließlich der Kommunikationseinrichtungen<br />
durch den Arbeitgeber<br />
oder eine von ihm beauftragte<br />
Person im Privatbereich des Beschäftigten<br />
bereitgestellt und installiert ist.<br />
Heimarbeit – Der Begriff stammt aus<br />
dem bereits 1951 erlassenen Heimarbeitsgesetz.<br />
Heimarbeiter erledigen<br />
Aufträge für einen Auftraggeber. Sie<br />
sind keine Arbeitnehmer, sondern<br />
Selbständige. Der Heimarbeiter unterliegt<br />
weder in örtlicher oder zeitlicher<br />
Hinsicht noch in der Art und Weise der<br />
Verrichtung seiner Tätigkeit dem Weisungsrecht<br />
seines Auftraggebers. Das<br />
unterscheidet ihn vom Arbeitnehmer.<br />
[2]<br />
Vorteile „Homeoffice“<br />
Homeoffice unterstützt die Nachhaltigkeit.<br />
Wer von zu Hause aus arbeitet<br />
und somit nicht mit dem Auto zur<br />
www.apollon-alumni.de 13
Von „verstaubt“ zu „vernetzt“ – Corona als Katalysator für Firmen<br />
Arbeit fährt, verursacht deutlich weniger<br />
CO 2<br />
-Emissionen. „Zu diesem<br />
Ergebnis kommt auch ein Gutachten<br />
des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft<br />
(ifaa). Zudem wird besonders<br />
in Großraum-Büros oftmals<br />
viel Energie verbraucht, zum Beispiel<br />
durch riesige Lichtanlagen oder Kühlschränke.<br />
Diese Energie lässt sich einsparen<br />
und kommt somit dem Umweltschutz<br />
zugute“ [7].<br />
Vorteile für Arbeitnehmer<br />
Nach der einführenden Begriffsklärung<br />
zeigen die nachfolgenden Zeilen<br />
die aktuellen Chancen für Firmen auf,<br />
denn viele Firmen entdecken erst jetzt<br />
die Vorteile des Homeoffice.<br />
„Die Akzeptanz von Homeoffice ist<br />
zuletzt deutlich gestiegen: Fast ein<br />
Drittel der Beschäftigten beurteilt das<br />
Homeoffice jetzt besser als vor der<br />
Pandemie.“ [3].<br />
Bevor wir zu den Vorteilen für die Firmen<br />
kommen zunächst die Vorteile<br />
für die Arbeitnehmer: In einer Umfrage<br />
der Haufe bildeten sich folgende<br />
positive Aspekte der Arbeit von zu<br />
Hause aus ab: 78% schätzen, dass ihr<br />
Arbeitsweg entfällt. 63% begrüßen<br />
die freiere Arbeitszeitgestaltung.<br />
Kein Dresscode und die Möglichkeit,<br />
Sachen wie den Haushalt nebenbei<br />
erledigen zu können, führten 50 bzw.<br />
49% der Befragten als Vorteile an [4].<br />
Vorteile für Unternehmer<br />
Finanziell gesehen kann das Unternehmen<br />
Kosten einsparen; zwar<br />
müssen ggf. einmalig Arbeitsmaterialine<br />
für das Arbeiten zu Hause zur<br />
Verfügung gestellt werden, langfristig<br />
gesehen reduzieren sich aber die Fixkosten<br />
[4]. Bei längerfristiger Arbeit im<br />
Homeoffice können Miet- & Nebenkosten<br />
ebenso wie die Kosten für Büromaterial<br />
und Infrastruktur reduziert<br />
werden. Neben dem fokussierten Arbeiten<br />
ohne Ablenkung, also keine<br />
Kollegen in der Kaffeeküche, etc., ist<br />
Große Mehrheit der Unternehmen treibt Digitalisierung voran<br />
Welche konkreten Maßnahmen zur Digitalisierung Ihres Unternehmens haben Sie<br />
aufgrund der Corona -Pandemie unternommen?<br />
Technologie<br />
Anschaffung von Software<br />
53<br />
22 75%<br />
Anschaffung von Hardware<br />
42<br />
28<br />
70%<br />
Aufbau digitaler Infrastruktur<br />
31<br />
27<br />
58%<br />
Videokonferenzen statt persönliche Treffen<br />
58<br />
23<br />
81%<br />
Tools zur digitalen Zusammenarbeit<br />
66<br />
13 79%<br />
Prozesse<br />
Digitale Dokumente statt Papier<br />
Nutzung digitaler Signaturen<br />
33<br />
31<br />
30<br />
32<br />
63%<br />
63%<br />
Beratungen zur Digitalisierung 15<br />
23<br />
38%<br />
Einführung von Homeoffice<br />
55<br />
15 70%<br />
Weiterbildung zu Digitalthemen<br />
24<br />
19 43%<br />
Personal<br />
Digitalisierung von Recruiting 19<br />
16 35%<br />
umgesetzt<br />
Digitale Mitarbeiterevents 11 12 23%<br />
in Umsetzung oder geplant<br />
Neueinstellung von Digitalisierungs-Experten 3 6 9%<br />
0% 20% 40% 60% 80%<br />
Basis: Alle befragten Unternehmen (n=605) | Quelle: Bitkom Research<br />
Quelle: Bitkom 2020, Digitalisierung der Wirtschaft – Auswirkungen der Corona-Pandemie [10], S. 9<br />
ein weiterer positiver Aspekt, dass es<br />
witterungs- und verkehrsbedingt zu<br />
keinen Verspätungen kommt [6].<br />
Als wichtigster Vorteil aktuell ist natürlich<br />
der Infektionsschutz hervorzuheben.<br />
Der Arbeitsbetrieb kann<br />
aufrechterhalten werden und es fallen<br />
ggf. nicht zu viele Mitarbeitende auf<br />
einmal aus [4].<br />
Die Befragung von 3500 Groß- und<br />
Außenhandels- sowie Dienstleistungsfirmen<br />
ergab, dass 84 Prozent der<br />
Teilnehmer betonten, dass nun ein<br />
„positiver Digitalisierungsschub“<br />
einsetze, den es ohne die Virus-Krise<br />
so wahrscheinlich nicht gegeben hätte<br />
[8].<br />
Digitalisierung konkret<br />
Insgesamt kann gesagt werden, dass<br />
virtuelle Vertriebsprozesse, Treffen<br />
oder Schulungen besser als gedacht<br />
funktionieren [9].<br />
Die bitkom führt an, das Unternehmen<br />
vor allem in drei Bereichen Digitalisierungsmaßnahmen<br />
aufgrund<br />
der Corona-Pandemie ergreifen: Bei<br />
Technologie, Geschäftsprozessen und<br />
bei den Mitarbeitern.<br />
„75 Prozent haben neue Software angeschafft<br />
oder planen dies, 70 Prozent<br />
haben Hardware wie Laptops oder<br />
Smartphones gekauft oder haben<br />
dies vor und 58 Prozent haben eine<br />
digitale Infrastruktur wie VPN-Zugänge<br />
oder ein Intranet aufgebaut oder<br />
planen dies.“ [10]<br />
Prozesse innerhalb von Unternehmen<br />
werden zunehmend digitalisiert, so<br />
nutzen z.B. 81% „seit der Corona-Pandemie<br />
Videokonferenzen statt persönlicher<br />
Treffen oder planen dies, 79 Prozent<br />
digitale Kollaborationstools (..).<br />
Jeweils 63 Prozent setzen auf digitale<br />
Dokumente statt Papier und digitale<br />
Signaturen, 38 Prozent haben Beratungsleistungen<br />
zur Digitalisierung<br />
in Anspruch genommen. Mit Blick<br />
auf die Mitarbeiter haben 70 Prozent<br />
Homeoffice eingeführt oder haben<br />
das noch vor, 43 Prozent geben dies<br />
für digitale Weiterbildung an, 35 Prozent<br />
für die Digitalisierung des Recruitings<br />
von neuen Mitarbeitern und 23<br />
Prozent haben digitale Mitarbeiterevents<br />
durchgeführt oder haben das<br />
noch vor.“ [10]<br />
Zudem wird angeführt „Erfolg entsteht<br />
aus einer Kombination von der<br />
Einführung neuer Technologien, der<br />
Digitalisierung der eigenen Prozesse<br />
und insbesondere der Qualifizierung<br />
der Mitarbeiter.“ [10]<br />
Das wichtigste Ziel, das durch die Fülle<br />
dieser Maßnahmen verfolgt wird, ist<br />
die Arbeitsfähigkeit der Unternehmen<br />
14<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
Von „verstaubt“ zu „vernetzt“ – Corona als Katalysator für Firmen<br />
während der Pandemie zu erhalten.<br />
Aber auch für künftige Krisen wollen<br />
die Unternehmen gerüstet sein [10].<br />
„Darüber hinaus wollen (…) 59 Prozent<br />
die Krise auch nutzen, um Versäumnisse<br />
bei der Digitalisierung (...)<br />
aufzuholen. Und fast jedes zweite<br />
Unternehmen (46 Prozent) plant, das<br />
eigene Unternehmen nachhaltig zu<br />
digitalisieren, um sich so neue Geschäftsfelder<br />
zu erschließen.“ [10].<br />
Fazit<br />
Die Pandemie ist natürlich eine Herausforderung<br />
für jeden Einzelnen<br />
von uns. Für den einen sind die Maßnahmen<br />
härter als für den anderen.<br />
Der eine profitiert und der andere versucht<br />
mitzuhalten.<br />
Für „angestaubte“ Firmen, also solche,<br />
die auf traditionellen Strukturen auch<br />
in Präsenz bestehen, ist Corona aber<br />
als Katalysator hin zu moderneren Arbeitsformen,<br />
wie dem mobilen Arbeiten<br />
und der Nutzung neuer Technologien,<br />
anzusehen.<br />
Literaturverzeichnis:<br />
[1] Die Bundesregierung (Hrsg.) (<strong>2021</strong>). Homeoffice überall da, wo es möglich ist. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/verordnung-zuhomeoffice-1841120<br />
(29.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[2] IHK-Berlin (Hrsg.) (2020). Homeoffice. https://www.ihk-berlin.de/service-und-beratung/recht-und-steuern/arbeitsrecht/homeoffice-4807264<br />
(29.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[3] iwd – Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (2020). Begeisterung für das Homeoffice wächst. https://www.iwd.de/artikel/<br />
begeisterung-fuer-das-homeoffice-waechst-470071/ (29.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>)<br />
[4] HAUFE (2020). Positive Aspekte im Homeoffice. https://www.haufe.de/media/infografik-positive-aspekte-im-homeoffice_519836.html (29.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[5] Kesper, M. (2020). Homeoffice: das sind die 10 wichtigsten Vorteile! https://karriere.unicum.de/berufsorientierung/branchencheck/home-officevorteile<br />
(29.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[6] Klein, R. (o. J.). Homeoffice: Voraussetzungen, Vorteile und Tipps. https://www.fuer-gruender.de/wissen/unternehmen-fuehren/personal/<br />
personalwesen/homeoffice/ (29.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[7] Schoppe, I. (2020). Homeoffice versus Bürojob: Die 5 wichtigsten Vor- und Nachteile. https://www.gruender.de/hr-office/homeoffice-vorteilenachteile/#homeoffice-vorteil-7-umweltschutz/<br />
(29.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[8] FAZ (Hrsg.) (2020). Arbeiten in Corona-Krise: So zufrieden sind Unternehmen mit dem Homeoffice. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arbeitenin-corona-krise-unternehmen-zufrieden-mit-homeoffice-16908400.html/<br />
(29.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[9] Butler, L. (2020). 5 Sparten, die dank Corona nachhaltig digitalisiert wurden. https://business-user.de/digitalisierung/5-sparten-die-dank-coronanachhaltig-digitalisiert-wurden/<br />
(29.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[10] bitkom (Hrsg.) (2020). Corona treibt Digitalisierung voran – aber nicht alle Unternehmen können mithalten. https://www.bitkom.org/Presse/<br />
Presseinformation/Corona-treibt-Digitalisierung-voran-aber-nicht-alle-Unternehmen-koennen-mithalten (29.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>). Presseberich Berlin, 16.<br />
November 2020<br />
www.apollon-alumni.de 15
Möglichkeiten zur Motivation von Auszubildenden in Zeiten der Corona-Pandemie<br />
Möglichkeiten zur Motivation von Auszubildenden in Zeiten der Corona-<br />
Pandemie<br />
Einstellungen und Unterrichtsmethoden für Lehrende an einer Pflege fachschule, um Auszubildende während der<br />
Krisensituation zu unterstützen.<br />
Katharina Nülsen<br />
Wir können uns alle das Bild vorstellen:<br />
Die Auszubildenden sitzen im Klassenraum<br />
der Pflegefachschule. Jeder sitzt<br />
auf seinem Platz und hört mal mehr<br />
oder weniger motiviert dem Lehrenden<br />
bzw. Lernbegleiter zu. Dieser<br />
steht vor dem Tafelbild und gibt ein<br />
Lernangebot. Was aber, wenn dieses<br />
gewohnte Bild und die Abläufe des<br />
Unterrichts durch die Corona-Pandemie<br />
nicht stattfinden können?<br />
Der folgende Artikel beschreibt, dass<br />
die Pflegefachschulen trotz der Corona-Pandemie<br />
die Auszubildenden bei<br />
der Erreichung der Ausbildungsziele<br />
unterstützen müssen. Dabei können<br />
Lehrende versuchen die Herausforderung<br />
zu nutzen, ihre Einstellungen<br />
und Unterrichtsmethoden an dem aktuellen<br />
Distanzunterricht anzupassen.<br />
Wer in Deutschland Pflegefachfrau/<br />
Pflegefachmann lernt (ehemals Gesundheits-<br />
und Krankenpflege; Altenpflege<br />
oder Gesundheits- und<br />
Kinderkrankenpflege) wird seit dem<br />
<strong>01</strong>.<strong>01</strong>.2020 nach dem Pflegeberufegesetz<br />
ausgebildet. Die Begründung<br />
für die Gesetzesänderung hat mit<br />
dem veränderten Pflegebedarf in der<br />
Gesellschaft zu tun. Die zunehmende<br />
Alterung und der steigende Anteil an<br />
Menschen mit gleichzeitig mehreren<br />
Erkrankungen stellt dabei für die Ausbildung<br />
eine besondere Herausforderung<br />
dar [1].<br />
Die in § 5 Pflegeberufegesetz definierten<br />
Ausbildungsziele, wie die<br />
umfassende und prozessorientierte<br />
Pflege von Menschen aller Altersstufen<br />
in akuten, dauerhaft stationären<br />
oder ambulanten<br />
Pflegesituationen,<br />
müssen trotz der<br />
Corona-Pandemie<br />
verfolgt werden.<br />
Die Erreichung der<br />
Ausbildungsziele<br />
ist nicht nur für den<br />
einzelnen Auszubildenden<br />
von Bedeutung,<br />
sondern<br />
verfolgt auch einen<br />
gesellschaftlichen<br />
Aspekt [2]:<br />
„Das Deutsche<br />
Gesundheitssystem<br />
braucht mehr<br />
Pflegekräfte.“<br />
In Deutschland hat<br />
der zweite „harte“<br />
Lockdown zur Reduktion<br />
des Infektionsgeschehens<br />
im Januar begonnen.<br />
Die Pflegefachschulen beschulen im<br />
Szenario C, also im „Distanzunterricht“,<br />
vereinzelt dürfen kleine Gruppen von<br />
Abschlussjahrgängen in die Schule<br />
kommen. Die Corona-Pandemie führt<br />
durch die Schulschließung zu einer<br />
Ausnahmesituation und stellt die<br />
Schulleitungen, die Lehrenden, die<br />
Auszubildenden und alle an der Ausbildung<br />
Beteiligten vor eine neue und<br />
unvorhergesehene Herausforderung<br />
[3].<br />
Diese neue Herausforderung zeigt<br />
sich unter anderem im distanzbegründeten<br />
digitalen Unterricht.<br />
Digitales Lernen hängt häufig mit<br />
dem selbstgesteuerten Lernen zusammen.<br />
Der Lernende übernimmt selbst<br />
Verantwortung für seinen Lernprozess<br />
und ist direkt dabei beteiligt. Er hat<br />
die Möglichkeit sich seine Lernzeit<br />
bis zum Abgabetermin der Aufgaben<br />
selbst einzuteilen. Das selbstgesteuerte<br />
Lernen im Distanzunterricht bedeutet<br />
aber auch, dass sich der Auszubildende<br />
selbst motivieren muss [4].<br />
Motivation ist dabei als psychischer<br />
Prozess zu definieren, der die Ausrichtung<br />
und Aufrechterhaltung, aber<br />
auch die Steuerung, Qualität und Bewertung<br />
des zielgerichteten Handelns<br />
während der Ausbildung beeinflusst<br />
[5].<br />
An dieser Stelle können die Lehrenden<br />
eine wichtige Funktion ein-<br />
16<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
Möglichkeiten zur Motivation von Auszubildenden in Zeiten der Corona-Pandemie<br />
nehmen. Sie können die Lernenden<br />
durch passende und spannende Methoden<br />
in der digitalen Welt motivieren.<br />
Die Lehrperson stellt neben den<br />
Lernenden, der Umgebung und den<br />
Methoden eine Lernbedingung dar,<br />
da von ihr der Unterricht – auch im Distanzunterricht<br />
– abhängt [6].<br />
Eine gute Schüler-Lehrer-Beziehung,<br />
persönliche Zuwendung und eine gelungene<br />
Motivation gelten als zentrale<br />
Ziele einer Lehrkraft [7].<br />
Beschrieben wird, dass es nicht nur<br />
darum geht im Distanzunterricht die<br />
zu vermittelnden Lerninhalte zu lehren,<br />
sondern um viel mehr, eine persönliche<br />
Zuwendung – trotz der Distanz<br />
– herzustellen, um als Motivator<br />
aktiv zu sein. Die Lehrenden sollten<br />
davon überzeugt sein, den Kontakt<br />
zu den Auszubildenden zu halten und<br />
als Lernbegleiter (auch wenn räumlich<br />
getrennt) für Fragen und/oder Anmerkungen<br />
zur Verfügung zu stehen und<br />
den Kontakt zum Auszubildenden/<br />
zum Kurs zu halten. Diese resilienten<br />
Lehrerpersönlichkeitseigenschaften<br />
können es schaffen, die Auszubildenden<br />
auf dem Lernweg zu begleiten<br />
und die Motivation fördern. Resilienz<br />
Wegweiser Digitale Bildung<br />
Für zeitgemäßen Unterricht<br />
mit digitalen Werkzeugen<br />
3. überarbeitete Auflage (2020)<br />
#Zukunft.Lernen!<br />
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Schutzgebühr: 12,90 EUR<br />
gilt dabei als Fähigkeit der Lernbegleiter<br />
mit dem Druck, der Veränderung<br />
und der Ungewissheit durch die Corona-Krise<br />
und den damit einhergehenden<br />
Herausforderungen besser<br />
umgehen zu können [8].<br />
Die folgenden Fähigkeiten und Überzeugungen<br />
können Lernbegleiter an<br />
den Pflegefachschulen helfen, sich<br />
selbst, das Team oder den Auszubildenden,<br />
trotz der Distanz zu beruhigen<br />
und auch in der ungewohnten<br />
krisenhaften Situation handlungsfähig<br />
zu bleiben.<br />
Tab. 1: Fähigkeiten und Überzeugungen von<br />
resilienten Lernbegleitern während des Distanzunterrichtes<br />
(eigene Darstellung in Anlehnung<br />
an [9]):<br />
Fähigkeiten<br />
Emotionssteuerung<br />
Impulskontrolle<br />
Kausalanalyse<br />
Empathie<br />
Sich in die Gefühle und die<br />
Gedanken der Auszubildenden<br />
versetzen (Fühlen die<br />
Auszubildenden sich gut<br />
betreut? Welche Lernziele<br />
haben die Auszubildenden?<br />
Wie ist für die Auszubildenden<br />
die Situation im Homeschooling?)<br />
Überzeugung<br />
Hoch resiliente Lernbegleiter<br />
Realistischer<br />
Optimismus<br />
Stabilflexible<br />
Zielorientierung<br />
Selbstwirksamkeitsüberzeugung<br />
Hoch resiliente Lernbegleiter<br />
können<br />
Negative Emotionen wahrnehmen,<br />
verstehen und ihre<br />
Gefühle wieder verbessern<br />
Nicht von Aufgaben abbringen<br />
lassen – Aufgaben<br />
nicht verschieben – sondern<br />
erledigen (einfach machen)<br />
Gründe und Ursache für eigene<br />
Emotionen erkennen<br />
und gezielt Maßnahmen<br />
ergreifen<br />
Glaube und Haltung, dass<br />
sich alles dauerhaft zum<br />
Positiven wendet<br />
Trotz Rückschlägen klare<br />
Ziele formulieren (z.B. im<br />
Umgang mit der Technik)<br />
Gelassenheit bei Schwierigkeiten<br />
und eigene Kontrolle<br />
über die Emotionen<br />
Die Fähigkeiten des Lernbegleiters lassen<br />
ihn handlungsfähig bleiben und<br />
eröffnen ihm neue Chancen mit der<br />
Situation des Distanzlernens besser<br />
umzugehen.<br />
Um die gewünschten Lernziele im Distanzunterricht<br />
zu erreichen nutzen<br />
Lernbegleiter Unterrichtsmethoden,<br />
um sich den Unterrichtsinhalten auf<br />
verschiedene Weise anzunähern [10].<br />
Damit sich vor dem Computer im Homeschooling<br />
keine Konzentrationsschwierigkeiten<br />
bei den Auszubildenden<br />
einstellen, sollte der Lernbegleiter<br />
eine abwechslungsreiche Lernatmosphäre<br />
schaffen [11].<br />
Dabei stellt sich die Frage, welche<br />
Methoden sich im Distanzunterricht<br />
eigenen? Das Netzwerk für digitale<br />
Bildung hat auf seiner Internetseite einen<br />
Methodenpool für Lehrende zusammengestellt.<br />
Zur Motivation und<br />
zur Gestaltung eines abwechslungsreichen<br />
Unterrichts können folgende<br />
Methoden genutzt werden [12]:<br />
✓Podcasts ✓ – Hörverständnis –<br />
Aufgaben zu einem bestimmten<br />
Thema – Die Lernbegleiter können<br />
einen Podcast zu einem bestimmten<br />
Thema entweder selbst aufzeichnen<br />
oder ein Podcast zum Thema suchen<br />
(z.B. Podcast zur Pflegeplanung von<br />
Elsevier GmbH [13]) Diese Lernform<br />
muss nicht unbedingt am Schreibtisch<br />
stattfinden, sondern kann<br />
auch auf einem Spaziergang an der<br />
frischen Luft genutzt werden.<br />
✓Blitzlicht ✓ in einer Video-Telefonie<br />
Die Blitzlichtmethode eignet sich zu<br />
Beginn oder zum Ende eines virtuellen<br />
Unterrichts, um als Lernbegleiter<br />
die Auszubildenden zur Selbstreflexion<br />
anzuregen und alle Kursteilnehmer<br />
zu Wort kommen zu lassen,<br />
z.B. durch die konkrete Fragen: „Wie<br />
geht es Ihnen im Homeschooling<br />
gerade? Wie schaffen Sie es, sich im<br />
Homeschooling zu motivieren? Wel-<br />
www.apollon-alumni.de 17
Möglichkeiten zur Motivation von Auszubildenden in Zeiten der Corona-Pandemie<br />
chen Wiederholungsbedarf haben<br />
Sie zum Thema?“<br />
Eventuelle Motivationsdefizite können<br />
dabei von dem Lernbegleiter<br />
hinterfragt werden oder in einem<br />
späteren Einzelkontakt (z.B. telefonisch)<br />
besprochen werden, um Ursachen<br />
und Maßnahmen gemeinsam<br />
zu ergründen.<br />
✓Wahr ✓ oder falsch-Methode<br />
Bei dieser Methode sollen Lernende<br />
nach der Bearbeitung eines<br />
Fachtextes/einer Power-Point-Präsentation<br />
entscheiden, ob bestimmte<br />
Aussagen zum Text wahr<br />
oder falsch sind. Dazu können Sätze<br />
oder auch Bilder verwendet werden.<br />
Tab. 2: Beispiel zur Gestaltung einer wahr oder<br />
falsch-Tabelle (eigene Darstellung in Anlehnung<br />
an [15]).<br />
wahr Aussage falsch richtige Aussage<br />
1. Ikterus der Haut, Skleren und Schleimhäute<br />
sind Symptome der Hyperbilirubinämie.<br />
2. Säuglinge mit Hyperbilirubinämie haben<br />
eine physiologische Nahrungszufuhr.<br />
3. Die Augen des Säuglings müssen nicht vor<br />
dem Licht der Fototherapie geschützt werden.<br />
Ist eine Aussage falsch, sollen die Auszubildenden<br />
begründen, warum die<br />
Aussage falsch ist. Diese Methode ist<br />
in allen Lerneinheiten zu implementieren<br />
[15].<br />
Genauso wie im Präsenzunterricht gilt<br />
die fundamentale Erkenntnis „Lernen<br />
kann der Mensch nur selbst.“ [14].<br />
Dies bedeutet alles andere als sich als<br />
Lernbegleiter zu distanzieren, sondern<br />
betont, wie wichtig es ist, den Auszubildenden<br />
auch in der Distanz zu unterstützen,<br />
zu begleiten, zu lenken,<br />
Mut zu machen, zu regulieren oder<br />
zu strukturieren, um ihm auch Herausforderungen<br />
zu geben. Dies gilt<br />
besonders in dieser Zeit, in der soziale<br />
Kontakte und Freizeitaktivitäten in<br />
den Hintergrund rücken (müssen). Die<br />
Herausforderungen der neuen Unterrichtsinhalte<br />
können so bewältigt und<br />
gemeistert werden. Der Lernbegleiter<br />
tut sein Bestes, um über Hürden zu<br />
helfen, aber die Hürden Prüfung oder<br />
Examen muss jeder Auszubildende<br />
selbst nehmen. Würde der Lernbegleiter<br />
die Hürde direkt abbauen und<br />
nur negativ in dieser Zeit denken, so<br />
helfe er nicht dem Lernenden, sondern<br />
zerstöre den gesamten Lernprozess<br />
des digitalen Lernens. Deswegen<br />
soll der Lernbegleiter „da sein“, seinen<br />
Unterricht motivierend gestalten und<br />
den Auszubildenden Vertrauen beim<br />
selbstständigen Lernen schenken [14].<br />
Durch den Corona-bedingten Lockdown<br />
der Pflegefachschulen und die<br />
dadurch entstandene Ausnahmesituation<br />
kann langfristig eine Lernchance<br />
für das Bildungssystem entstehen.<br />
Es geht nicht darum, den Distanzunterricht<br />
vor den Präsenzunterricht zu<br />
positionieren, doch die eingeführten<br />
digitalen Lerntools können den Kontakt<br />
über die Pflegefaschule hinaus<br />
dauerhaft bereichern [3].<br />
Literaturverzeichnis:<br />
[1] Bruns, J. (2<strong>01</strong>7). Gesetze kurz erklärt: Das Pflegeberufereformengesetz (PflBRefG). DKG aktuell [32], S. 294.<br />
[2] Osterloh, F. (2<strong>01</strong>8). Pflege: Wege aus dem Personalmangel. Deutsches Ärzteblatt, 115 (4), S. 124 – 125. https://www.aerzteblatt.de/archiv/196044/<br />
Pflege-Wege-aus-dem-Personalmangel [eingesehen am 14.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>].<br />
[3] Voss, T.; Wittwar, J. (2020). Unterrichten in Zeiten von Corona: Ein Blick auf die Herausforderungen aus Sicht von Unterrichts- und<br />
Instruktionsforschung. Unterrichtswissenschaft (48), S. 6<strong>01</strong> – 627.<br />
[4] Hasenbein, M. (2020). Der Mensch im Fokus der digitalen Arbeitswelt. Berlin: Springer.<br />
[5] Grassinger, R.; Dickhäuser, O.; Markus, D. (2<strong>01</strong>9). Motivation. In: Urhahne, D.; Dresel, M.; Fischer, F. [Hrsg.]: Psychologie für den Lehrerberuf. Berlin:<br />
Springer, S. 207 – 227.<br />
[6] Schmal, J. (2<strong>01</strong>7). Der Einflussfaktor Lehrperson in der pflegepädagogischen Bildung. Pflegezeitschrift 70 (9), S. 43 – 45.<br />
[7] Sann, U.; Preiser, S. (2<strong>01</strong>7). Emotionen und Motivation in der Lehrer-Schüler-Interaktion. In: Schweer, M.K.W. [Hrsg.]: Lehrer-Schüler-Interaktion,<br />
3. Auflage. Wiesbaden: Springer, S. 213 – 232.<br />
[8] Ecker, M.; Sieland, B. (2<strong>01</strong>7). Psychologie der Lehrerpersönlichkeit. In: Schweer, M.K.W. (Hrsg.): Lehrer-Schüler-Interaktion, 3. Auflage. Wiesbaden:<br />
Springer, S. 147 – 165.<br />
[9] Mourlane, D. (2<strong>01</strong>3). Resilienz – Die unentdeckte Fähigkeit der wirklich Erfolgreichen, 4. Auflage. Göttingen: BusinessVillage.<br />
[10] Schmal, J. (2<strong>01</strong>7). Unterrichten und Präsentieren in Gesundheitsfachberufen. Berlin: Springer.<br />
[11] Frieß, C.; Bayerl, T. (2020). Unterricht an der Berufsfachschule für Notfallsanitäter der Landeshauptstadt München im Angesicht der COVID-19-<br />
Pandemie. Notfall und Rettungsmedizin, 23, S. 350 – 355.<br />
[12] Netzwerk Digitale Bildung (2020). https://www.netzwerk-digitale-bildung.de/ [eingesehen am 22.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>].<br />
[13] Elszevier Pflege Podcast – Pflegeplanung (2020). https://www.podcast.de/episode/419368187/Elsevier+Pflege+Podcast+-+Pflegeplanung/<br />
[eingesehen am 22.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>].<br />
[14] Bauer et al. (2<strong>01</strong>0). Lern (prozess) begleitung in der Ausbildung, 3. Auflage. Bielefeld: W. Bertelsmann.<br />
[15] Schwarz, S. (2020). Methodenpool: Wahr oder Falsch. https://exchange.smarttech-prod.com/preview/fcd68ee0-bbd2-44d6-9881-29c642f7bbf8<br />
[eingesehen am 15.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>].<br />
18<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
Umgang mit Stress in der Pandemie<br />
Umgang mit Stress in der Pandemie<br />
F. Stolberg<br />
Seit März 2020 ist die Bevölkerung<br />
aufgrund der Corona-Pandemie einer<br />
besonderen Form von Stress ausgesetzt,<br />
was sich besonders in den beiden<br />
Lockdown-Phasen im Frühjahr<br />
2020 und rund um den Jahreswechsel<br />
2020/<strong>2021</strong> zeigte. Stress bezeichnet<br />
einen Prozess, mit welchem man bestimmte<br />
Stressoren wahrnimmt und<br />
auf diese reagiert. Wirken diese Stressoren<br />
nur kurz auf einen ein, werden<br />
sie oftmals als Herausforderung und<br />
damit positiv wahrgenommen. Halten<br />
sie jedoch länger an und stellen<br />
eine Bedrohung dar, dann sind sie ein<br />
Belastungsfaktor für die psychische<br />
Gesundheit. [5] Gerade während der<br />
Corona-Pandemie kamen zusätzliche<br />
Belastungsfaktoren hinzu, die neben<br />
dem alltäglichen Stress kompensiert<br />
werden mussten, wie die Arbeit im<br />
Homeoffice, die Versorgung der Kinder<br />
und der Umgang mit sozialer<br />
Isolation. Vor allem der letztgenannte<br />
Aspekt wirkt sogar doppelt, da die Isolation<br />
nicht nur ein Auslöser von weiterem<br />
Stress ist, sondern im Normalfall<br />
soziale Kontakte auch gut dafür geeignet<br />
sind, Stress zu reduzieren. [6]<br />
Besondere Beachtung müssen in diesem<br />
Fall auch jene Personen erfahren,<br />
die bereits durch psychische Erkrankungen<br />
vorbelastet sind. So kommen<br />
beispielsweise Menschen mit Depressionen<br />
mit einer Isolierung schwieriger<br />
zurecht und Angststörungen können<br />
zunehmen oder sich verschlechtern,<br />
wenn Sorgen auf den Gesundheitsbereich<br />
konzentriert sind. [9]<br />
Die Bedeutsamkeit dieses Aspektes<br />
wird gerade in Bezug auf die Depression<br />
deutlich, die entsprechend empirischer<br />
Erhebungen stets als eine der<br />
häufigsten psychischen Erkrankungen<br />
aufgeführt wird. So konnte in der<br />
jüngsten GEDA-Studie (Gesundheit in<br />
Deutschland aktuell) des Robert Koch<br />
Instituts, deren Erhebung im September<br />
2020 endete, eine Prävalenz von<br />
6,6% für das Auftreten einer Major<br />
Depression in den vergangenen zwei<br />
Wochen vor der Befragung festgestellt<br />
werden. [8]<br />
Nichtsdestotrotz gibt es diverse Methoden<br />
mit dieser Situation und den<br />
damit verbundenen zusätzlichen Belastungen<br />
besser zurecht zu kommen.<br />
Eine rein pathogenetisch- kurative<br />
Sicht betrachtet in diesem Zusammenhang<br />
jene Faktoren, die zur Entstehung<br />
von Krankheiten führen. Im<br />
Kontrast dazu verfolgt das Modell<br />
der Salutogenese im Bereich der Prävention<br />
und Gesundheitsförderung<br />
die Analyse gesundheitsfördernder<br />
Faktoren und vollzieht somit im Sinne<br />
eines Reframings einen Perspektivwechsel<br />
hin zur Betrachtung positiv<br />
auf die Gesundheit wirkender Aspekte.<br />
[3]<br />
www.apollon-alumni.de 19
Umgang mit Stress in der Pandemie<br />
Modell der Salutogenese<br />
Abb: Modell der Salutogenese (eigene Darstellung<br />
nach [1])<br />
Das Modell der Salutogenese wurde<br />
seit Ende der 70er Jahre von Aaron<br />
Antonovsky entwickelt und besagt,<br />
dass Stressoren auf einem Kontinuum<br />
zwischen Gesundheit und Krankheit<br />
krankmachend, neutral und gesundheitsfördernd<br />
wirken können, je nachdem<br />
wie Coping bzw. Spannungsbewältigung<br />
erfolgen.<br />
Dies wiederum ist von generalisierten<br />
Widerstandsressourcen bzw. generalized<br />
resistance ressources (GRR)<br />
abhängig und deren Einsatz in den<br />
jeweiligen Situationen. Der Einsatz<br />
der GRRs wird seinerseits durch ein<br />
Kohärenzempfinden bzw. sence of<br />
coherence (SOC) gesteuert, welches<br />
eine grundlegende Einstellung gegenüber<br />
dem Leben ausdrückt und<br />
aus den Komponenten Verstehbarkeit,<br />
Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit<br />
besteht. Nach diesem Zusammenhang,<br />
wie ihn nachfolgende Abbildung<br />
zeigt, sind Menschen mit einem<br />
starken SOC besser in der Lage, GRRs<br />
zur Stressbewältigung einzusetzen<br />
und sich so auf dem beschriebenen<br />
Kontinuum in Richtung Gesundheit<br />
zu entwickeln. [1]<br />
Überträgt man die Aussagen dieses<br />
Modells auf die aktuelle Situation<br />
während der Corona-Pandemie, in<br />
der Einschränkungen der persönlichen<br />
Lebenssituation bestehen<br />
und wirtschaftliche und persönliche<br />
Konsequenzen nur schwer abschätzbar<br />
sind, zeigt sich, dass gerade die<br />
Komponenten Verstehbarkeit und<br />
Handhabbarkeit besonders gefordert<br />
werden und die Verarbeitbarkeit von<br />
Stress demnach von der persönlichen<br />
Ausprägung des Kohärenzgefühls<br />
einer Person abhängig ist. Damit die<br />
aktuelle Situation verstanden und gehandhabt<br />
werden kann, scheinen persönliche<br />
Beziehungen, sei es zu Familienangehörigen<br />
oder Freunden, eine<br />
besondere Bedeutung zu haben, was<br />
in den Bereich der Bindungstheorie<br />
nach John Bowlby führt, der sich mit<br />
dem Themenkomplex persönlicher<br />
Bindungen bereits seit Ende der 60er<br />
Jahre auseinandersetzt. [3]<br />
Bindungstheorie<br />
Innerhalb dieser Theorie wurde postuliert,<br />
dass Kinder eine enge Beziehung<br />
zu einer sogenannten primären<br />
Bindungsperson aufbauen, deren<br />
Nähe sie gerade bei Unsicherheiten<br />
anstreben und versuchen diese wiederherzustellen.<br />
Erfahrungen in der<br />
frühen Kindheit sollen dieser Theorie<br />
folgend zudem auch Auswirkungen<br />
auf spätere Beziehungen haben, da<br />
sie die Erwartungen gegenüber anderen<br />
Personen und auch die Bewertung<br />
der eigenen Person prägen. Dass<br />
spätere Beziehungen den Grad einer<br />
Bindungsbeziehung erreichen, wird<br />
durch bestimmte Merkmale deutlich,<br />
wie ein hohes Maß an Protest und<br />
Stress bei einer Trennung von der jeweiligen<br />
Person oder darin, dass die<br />
andere Person als ein sogenannter<br />
„Sicherer Hafen“ bei besonderen Belastungen<br />
gesehen wird. [4] [10]<br />
Schlussfolgerungen für die<br />
Corona-Pandemie<br />
Subsummiert man die theoretischen<br />
Konstrukte, ist davon auszugehen,<br />
dass Personen mit sicheren Bindungen<br />
besser die psychischen Belastungen<br />
der Corona-Pandemie überstehen<br />
können, was auch erste Befunde<br />
aus der #stayhealthy Studie der HSD<br />
Hochschule Döpfer in Zusammenarbeit<br />
mit der FernUniversität Hagen<br />
und der Universität Bremen belegen,<br />
die jenen Zusammenhang seit März<br />
vergangenen Jahres empirisch untersuchen.<br />
[7] Diese wissenschaftlich belegten<br />
Erkenntnisse führen dazu, dass<br />
jene Personen stärker in den Blick genommen<br />
werden, denen Bindungen<br />
nicht im erforderlichen Maße zur Verfügung<br />
stehen, damit kein ungesundes<br />
Maß an zusätzlichem Stress aufkommen<br />
kann. Hervorzuheben sind<br />
dabei vor allem ältere Menschen, die<br />
entweder allein im privaten Umfeld<br />
leben oder in Alten- und Senioreneinrichtungen<br />
und durch den Lockdown<br />
oftmals von physischen Kontakten zu<br />
Angehörigen vollständig abgeschnitten<br />
sind. Oder wie bereits einleitend<br />
erwähnt jene Menschen, die bereits<br />
mit psychischen Leiden zu kämpfen<br />
haben und nur schwer mit der zusätzlichen<br />
Belastung umgehen können.<br />
Als Bewältigungsstrategie sei in diesem<br />
Zusammenhang hervorzuheben,<br />
wie schnell neue Wege der Kommunikation,<br />
die vormals vor allem im beruflichen<br />
Umfeld anzutreffen waren,<br />
auch im privaten Umfeld eine breite<br />
Nutzung erfuhren. So haben sich Telefonkonferenzen<br />
und Videotelefonie<br />
etabliert, um Kontakte zu Familien-<br />
20<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
Umgang mit Stress in der Pandemie<br />
angehörigen und Freunden aufrecht<br />
zu erhalten. Gerade in Zeiten eines<br />
Lockdowns gilt es, jene Kommunikationsmittel<br />
weiter zu fördern, um<br />
jenen Menschen zu helfen, die nicht<br />
ausreichend Widerstandsressourcen<br />
besitzen, um allein mit der Situation<br />
zurecht zu kommen. Selbst im therapeutischen<br />
Umfeld greifen immer<br />
mehr Psychotherapeut*innen auf<br />
dieses Medium zurück, um Kontakt<br />
zu Patienten zu halten, was dadurch<br />
ermöglicht wurde, dass die Kassenärztliche<br />
Bundesvereinigung und der<br />
GKV-Spitzenverband diese Option im<br />
März vergangenen Jahres eröffneten.<br />
Auch wenn gemäß einer im April letzten<br />
Jahres durchgeführten Umfrage<br />
der persönliche Austausch nach wie<br />
vor den Goldstandard darstellt, gaben<br />
doch 77% der Befragten an, diese Option<br />
zu nutzen. [2]<br />
Auch wenn zum Zeitpunkt des Verfassens<br />
dieses Artikels im Januar dieses<br />
Jahres ein Ende des Lockdowns noch<br />
nicht absehbar erscheint, machen die<br />
Erkenntnisse aus den beschriebenen<br />
Theorien und den kurzfristig in der Gesellschaft<br />
getroffenen Anpassungen in<br />
Verhalten und Kommunikation Hoffnung,<br />
dass eine psychische Gesunderhaltung<br />
auch in Zeiten der Pandemie<br />
weiterhin möglich ist.<br />
Literaturverzeichnis:<br />
[1] Blättner, B. (2007). Das Modell der Salutogenese. Eine Leitorientierung für die berufliche Praxis, in: Prävention und Gesundheitsförderung, 2:67-73,<br />
Springer Medizin Verlag.<br />
[2] Eichenberg, C. (2020). Psychotherapie in der Coronakrise: Trendwende in der Online-Psychotherapie. Deutsches Ärzteblatt, https://www.aerzteblatt.<br />
de/archiv/214316/Psychotherapie-in-der-Coronakrise-Trendwende-in-der-Online-Psychotherapie (abgerufen am 30.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[3] Lengning, A.; Rakoczy, K.; Jenisch, E.; Opwis, M.; Schmidt, J. (2020). Psychische Gesundheit und Wohlbefinden in Zeiten von Corona. Erste Befunde<br />
aus der #stayhealthy-Studie, in: Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) (Hrsg.). Report Psychologie, 7+8/2020, Dt.<br />
Psychologen Verlag: Berlin.<br />
[4] Löffler-Stastka, h.; Parth, K.; Lodermeier, F.; Grassl, R.; Karwautz, A. (2<strong>01</strong>4). Bindung und Beziehung – eine Analyse aktueller psychoanalytischer<br />
Forschungsansätze, in: Psychotherapie Forum, 19:68-74, Springer: Wien.<br />
[5] Myers, D. G. (2<strong>01</strong>4). Psychologie, Springer: Berlin, Heidelberg.<br />
[6] Perry, B. (2020). Wenn Sie sich am Montagmorgen fühlen, als sei Freitagabend. Stress in Zeiten der Corona-Pandemie, in: Berufsverband Deutscher<br />
Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) (Hrsg.). Report Psychologie, 7+8/2020, Dt. Psychologen Verlag: Berlin.<br />
[7] Reuse, B. (Hrsg.) (2020). Corona: Studie zu psychischen Schutzfaktoren. FernUniversität Hagen, https://www.fernuni-hagen.de/universitaet/<br />
aktuelles/2020/10/stay-healthy-studie.shtml (abgerufen am 30.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[8] Robert Koch-Institut (RKI) (Hrsg.) (2020). Die gesundheitliche Lage in Deutschland in der Anfangsphase der COVID-19-Pandemie. Zeitliche<br />
Entwicklung ausgewählter Indikatoren der Studie GEDA 2<strong>01</strong>9/2020-EHIS. Journal of Health Monitoring, RKI: Berlin, https://www.rki.de/DE/Content/<br />
Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/Focus/JoHM_04_2020_Gesundheitliche_Lage_COVID-19_GEDA.pdf?__<br />
blob=publicationFile (abgerufen am 31.<strong>01</strong>.<strong>2021</strong>).<br />
[9] Schaffmann, C. (2020). Im Griff des Virus, Erste Zwischenbilanz der Corona-Pandemie und Gedanken über die Zeit danach, in: Berufsverband<br />
Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) (Hrsg.). Report Psychologie, 5/2020, Dt. Psychologen Verlag: Berlin.<br />
[10] Strauß, B. (2005). Bindungsforschung und therapeutische Beziehung, in: Psychotherapeut, 51:5-14, Springer.<br />
www.apollon-alumni.de 21
APP auf Rezept<br />
APP auf Rezept – wie digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) die<br />
Gesundheitsversorgung verändern (sollen)<br />
Kurt Becker<br />
Eigentlich sollte die elektronische<br />
Gesundheitskarte (eGK) und die damit<br />
verbundene Gesundheits-Telematikinfrastruktur<br />
(TI) bereits im Jahr<br />
2006 eingeführt werden. Wie auch andere<br />
Großprojekte in Deutschland hat<br />
es etwas länger gedauert. Nachdem<br />
fast alle anderen europäischen Länder<br />
inzwischen flächendeckende E-Health<br />
Anwendungen eingeführt haben und<br />
Deutschland europäisches Schlusslicht<br />
bei der Entwicklung ist, wird<br />
auch das Gesundheitsministerium aktiv<br />
und erlässt viele neue Gesetze, um<br />
das Thema E-Health voranzubringen.<br />
Jetzt müssen nur noch die Entscheider<br />
der Gesundheitswirtschaft und<br />
die Anwender der Systeme überzeugt<br />
werden.<br />
Das Digitale-Versorgungs-Gesetz<br />
von 2<strong>01</strong>9 definiert die DiGA<br />
Eines dieser Gesetze ist das Das Digitale-Versorgungs-Gesetz<br />
[3], welches<br />
am 09. Dezember 2<strong>01</strong>9 ausgefertigt<br />
und am 18. Dezember 2<strong>01</strong>9 (BGBl. I,<br />
2<strong>01</strong>9, S. 2569) verkündet wurde. Dieses<br />
Gesetz begründet unter anderem<br />
einen im SGB V festgeschriebenen<br />
Anspruch der Bürger auf digitale Gesundheitsanwendungen,<br />
die sogenannten<br />
„APPs auf Rezept“.<br />
Mit diesem Gesetz werden die Krankenkassen<br />
dazu verpflichtet, im Rahmen<br />
ihrer Satzungen den Versicherten<br />
Leistungen zur Förderung des selbstbestimmten<br />
gesundheitsorientierten<br />
Einsatzes digitaler oder telemedizinischer<br />
Anwendungen und Verfahren<br />
durch die Versicherten anzubieten.<br />
Die Leistungen sollen dazu dienen, die<br />
für die Nutzung digitaler oder telemedizinischer<br />
Anwendungen und Verfahren<br />
erforderlichen Kompetenzen<br />
zu vermitteln. (vgl. § 20k Abs. 1 SGB V)<br />
Außerdem wurde ein Leistungsanspruch<br />
der Versicherten auf digitale<br />
Gesundheitsanwendungen etabliert.<br />
Hierzu heißt es im neu geschaffenen<br />
§ 33a SGB V:<br />
(1) Versicherte haben Anspruch auf<br />
Versorgung mit Medizinprodukten<br />
niedriger Risikoklasse, deren Hauptfunktion<br />
wesentlich auf digitalen<br />
Technologien beruht und die dazu bestimmt<br />
sind, bei den Versicherten oder<br />
in der Versorgung durch Leistungs-<br />
22<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
APP auf Rezept<br />
erbringer die Erkennung, Überwachung,<br />
Behandlung oder Linderung<br />
von Krankheiten oder die Erkennung,<br />
Behandlung, Linderung oder Kompensierung<br />
von Verletzungen oder<br />
Behinderungen zu unterstützen (digitale<br />
Gesundheitsanwendungen).<br />
Der Anspruch umfasst nur solche digitalen<br />
Gesundheitsanwendungen, die<br />
1. vom Bundesinstitut für Arzneimittel<br />
und Medizinprodukte in das Verzeichnis<br />
für digitale Gesundheitsanwendungen<br />
nach § 139e aufgenommen<br />
wurden und<br />
2. entweder nach Verordnung des behandelnden<br />
Arztes oder des behandelnden<br />
Psychotherapeuten oder<br />
mit Genehmigung der Krankenkasse<br />
angewendet werden. …“<br />
Mit § 139e SGB V wurde ein Verfahren<br />
beim Bundesinstitut für Arzneimittel<br />
und Medizinprodukte etabliert, mit<br />
dem über die Leistungserbringung<br />
in der Regelversorgung entschieden<br />
wird. Einzelheiten dieses Verfahrens<br />
wurden zwischenzeitlich in der Digitalen<br />
Gesundheitsanwendungen-Verordnung<br />
(DiGAV) vom 8. April 2020<br />
(BGBl. I S. 768) geregelt und veröffentlicht.<br />
Ärztliche Leistungen sollen angemessen<br />
vergütet werden, sofern diese<br />
zur Verordnung dauerhaft in das Verzeichnis<br />
der digitalen Gesundheitsanwendungen<br />
nach § 139e SGB V aufgenommen<br />
wurden.<br />
Doch was ist eigentlich eine<br />
„Gesundheits-APP“?<br />
Eine verbindliche Definition unterschiedlicher<br />
App-Kategorien aus dem<br />
Gesundheitssektor, die sich im wissenschaftlichen<br />
Diskurs durchgesetzt<br />
haben, gibt es bisher nicht.<br />
Neben Gesundheits-Apps, die vor<br />
allem dem Monitoring von körpereigenen<br />
Daten (z. B. Anzahl der Schritte<br />
oder Blutdruck) dienen und die dem<br />
Sektor Sport und Wellness zugeordnet<br />
werden können, werden auch immer<br />
mehr Apps zur Verfügung gestellt, die<br />
medizinische Aufgaben (z. B. Diagnose<br />
oder Therapie von Krankheiten) wahrnehmen<br />
können (vgl. [1]).<br />
Die Weiterentwicklung von der<br />
Sport-App, die zum Laufen animiert,<br />
hin zu ernst zu nehmenden medizinischen<br />
Produkten mit großem ökonomischem<br />
Potenzial in der Gesundheitsversorgung,<br />
schreitet mit großen<br />
Schritten voran.<br />
Grob betrachtet können Gesundheits-Apps<br />
nach ihrer Zweckbestimmung<br />
in Präventions-Apps (Minimierung<br />
von Risikofaktoren durch positive<br />
Verhaltensbeeinflussung) und<br />
Medizin-Apps (Diagnose, Therapie<br />
und Überwachung von Krankheiten)<br />
eingeteilt werden. (vgl. [7], S. 246).<br />
Im Folgenden wird diese Einordnung<br />
verwendet:<br />
• Medizin-Apps, die als Medizinprodukt<br />
nach dem Medizinproduktegesetz<br />
(MPG) gelten.<br />
• Gesundheits-App für Präventions-Apps<br />
mit einem nicht MPG<br />
relevanten gesundheitlichen Bezug.<br />
• mHealth-Apps, um beide oben genannte<br />
Kategorien zusammenzuführen.<br />
Die Informations- und Bewertungsplattform<br />
für mHealth-Apps<br />
„ HealthOn“ will dagegen bereits auf<br />
ihrer Homepage Verbraucher und die<br />
Fachöffentlichkeit informieren und<br />
wirbt mit (kostenpflichtigen) Testberichten<br />
von App-Anwendern und<br />
einem auf freiwilliger Selbstverpflichtung<br />
basierenden Qualitätssiegel (vgl.<br />
[4]).<br />
Diverse neue Player auf den nationalen<br />
Gesundheitsmärkten, von amerikanischen<br />
Hightech-Firmen und<br />
Kommunikationsgiganten wie Google<br />
oder Apple bis hin zu diversen<br />
Start-Ups, bieten derweil eine Vielzahl<br />
von mHealth-Apps außerhalb der<br />
bisherigen Strukturen des deutschen<br />
Gesundheitswesens auf neuen Plattformen<br />
an (z. B. dem „Google Play<br />
Store“).<br />
Diese Apps speichern und verarbeiten<br />
personenbezogene Daten in gigantischen<br />
Mengen auf Servern, die<br />
zu großen Teilen außerhalb der Europäischen<br />
Union lokalisiert sind und<br />
daher nicht zwangsläufig den europäischen<br />
Bestimmungen für Medizinprodukte<br />
oder Datenschutz entsprechen,<br />
geschweige denn, Teil der TI in<br />
Deutschland sind. Dieser Sachverhalt<br />
setzt die an der Bereitstellung einer TI<br />
beteiligten Institutionen, wie die gematik<br />
oder das Bundesministerium für<br />
Gesundheit (BMG), unter Zugzwang<br />
(vgl. [8]).<br />
Aktuell sind die Grenzen zwischen<br />
Lifestyle-Apps und Anwendungen<br />
mit „echtem“ gesundheitsrelevanten<br />
Bezug in dem enormen Angebot der<br />
mHealth-Apps jedoch noch fließend<br />
und vielfach stehen sowohl Entwickler<br />
als auch Anwender in Deutschland<br />
vor der Frage, ob die App noch eine<br />
„einfache“ Gesundheits-App oder bereits<br />
ein Medizinprodukt ist, das den<br />
Anforderungen des MPG entsprechen<br />
muss.<br />
Gesundheits-Apps, Medical Apps<br />
und ggf. damit verbundene Wearables<br />
bezeichnen Produkte, die auf<br />
softwaregestützter Datenerfassung,<br />
Datenverarbeitung und Datenausgabe<br />
basieren. Die Software ist z. T. in<br />
produktspezifischer Hardware eingebettet<br />
(z. B. Telemonitoring, Blutzuckermessgeräte)<br />
und wird teilweise<br />
auf allgemeinen IT-Geräten (z. B. PCs,<br />
Tablets, Smartphones) ausgeführt. Beide<br />
Gruppen kommen in der präventiven,<br />
der diagnostischen oder therapeutischen<br />
Anwendung und zum<br />
Nutzen des anwendenden Patienten<br />
www.apollon-alumni.de 23
APP auf Rezept<br />
zum Einsatz. Häufig wird der Einsatz<br />
vom Patienten in räumlicher Distanz<br />
zur Arztpraxis oder zum Krankenhaus<br />
selbst initiiert.<br />
Regulatorische Anforderungen an<br />
die DiGA<br />
Digitale Gesundheitsanwendungen<br />
(DiGA) sind per Definition ein Medizinprodukt<br />
Klasse I oder 2a und unterliegen<br />
damit dem Medizinproduktegesetz.<br />
Die bisherige Medical Device Directive<br />
(MDD) wird zum 26.05.<strong>2021</strong> durch die<br />
neue Medizinprodukteverordnung<br />
(Medical Device Regulation, MDR)<br />
abgelöst. Die bisherige MDD und die<br />
neue MDR haben größtenteils die<br />
gleichen regulatorischen Anforderungen.<br />
Es wurden keine der bisherigen<br />
Anforderungen entfernt, jedoch<br />
einige neue Anforderungen in der<br />
MDR definiert. Im Gegensatz zur MDD<br />
legt die MDR den Fokus vermehrt auf<br />
die Sicherheit während des Lebenszyklus<br />
eines Medizinprodukts, die<br />
durch eine regelmäßige Beobachtung<br />
von klinischen Daten unterstützt wird<br />
(vgl. [2]).<br />
DiGA als Medizinprodukt gemäß<br />
MDR<br />
Bei Medizinprodukten handelt es sich<br />
um Instrumente, Apparate, Geräte,<br />
Software, Implantate, Reagenzien,<br />
Materialien oder andere Gegenstände<br />
mit medizinischer Zweckbestimmung,<br />
deren Hauptwirkung primär<br />
auf physikalischem Weg erreicht wird.<br />
Medizinprodukte sind vom Hersteller<br />
für die Anwendung beim Menschen<br />
bestimmt und sollen entweder allein<br />
oder in Kombination einen oder mehrere<br />
der nachfolgenden spezifischen<br />
medizinischen Zwecke erfüllen:<br />
• Diagnose, Verhütung, Überwachung,<br />
Vorhersage, Prognose, Behandlung<br />
oder Linderung von<br />
Krankheiten<br />
• Diagnose, Überwachung, Behandlung,<br />
Linderung von oder Kompensierung<br />
von Verletzungen oder Behinderungen<br />
• Untersuchung, Ersatz oder Veränderung<br />
der Anatomie oder eines physiologischen<br />
oder pathologischen<br />
Vorgangs oder Zustands<br />
• Gewinnung von Informationen<br />
durch die In-vitro-Untersuchung<br />
von aus dem menschlichen Körper<br />
– auch aus Organ-, Blut- und Gewebespenden<br />
– stammenden Proben<br />
Die Hauptwirkung im oder am<br />
menschlichen Körper darf weder<br />
durch pharmakologische oder immunologische<br />
Mittel noch metabolisch<br />
erreicht werden. Damit werden die<br />
Medizinprodukte klar von den Arzneimitteln<br />
abgegrenzt ([6], Kapitel I, Artikel<br />
2, Absatz 1).<br />
Diese Definition hat der Gesetzgeber<br />
in § 3 Nr. 1 MPG, „sofern die entsprechend<br />
vorgegebenen medizinischen<br />
Indikationen der Software vom Hersteller<br />
beigegeben werden“, konkretisiert.<br />
Mithin bestimmt also der Hersteller,<br />
ob die Gesundheits-App Medizinprodukt<br />
sein soll oder nicht.<br />
Man unterscheidet zwischen<br />
• „Stand-alone-Software“ (z. B.<br />
Alarmierungssoftware [mit Hinweisen<br />
auf Überschreitung von Referenzwerten],<br />
Scoringmodule zur<br />
Entscheidungsunterstützung [z. B.<br />
Herzinfarktrisikoberechnung]), die<br />
nach der Zweckbestimmung des<br />
Herstellers selbst und unmittelbar<br />
die medizinischen Zwecke eines<br />
Medizinproduktes erbringen soll,<br />
und<br />
• „Steuerungssoftware“, die vom Hersteller<br />
als Bestandteil speziell für ein<br />
einwandfreies Funktionieren eines<br />
Medizinprodukts zur Anwendung<br />
bei diagnostischen und therapeutischen<br />
Zwecken bestimmt ist. Das<br />
betrifft nur die tatsächlich in die<br />
Steuerung der diagnostischen oder<br />
therapeutischen Leistung des Gerätes<br />
eingreifende Software (vgl. [5]<br />
S. 279).<br />
Grundsätzlich stellt sich bei der Zertifizierung<br />
eines Medizinprodukts immer<br />
erst die Frage, ob die Firma als Hersteller<br />
oder Händler des Medizinprodukts<br />
auftritt.<br />
Die neue MDR setzt einen stärkeren<br />
Fokus auf die klinischen Daten als<br />
die MDD das bisher getan hat. Die<br />
klinische Bewertung wird darin zum<br />
zentralen Prozess im Lebenszyklusmanagement<br />
eines Medizinproduktes.<br />
Anhang XIV der MDR, aufgeteilt in Teil<br />
A zur klinischen Bewertung und Teil<br />
B zur klinischen Nachbeobachtung<br />
nach dem Inverkehrbringen, zeigt dies<br />
deutlich. (vgl. [2]).<br />
Artikel 10 der MDR verpflichtet die<br />
Hersteller von Produkten zur Einrichtung,<br />
Dokumentation, Anwendung,<br />
Aufrechterhaltung, ständigen Aktualisierung<br />
und kontinuierlichen Verbesserung<br />
eines Qualitätsmanagementsystems.<br />
Dies soll die Einhaltung der<br />
Medizinprodukteverordnung auf die<br />
wirksamste sowie der Risikoklasse und<br />
der Art des Produkts angemessenen<br />
Weise gewährleisten.<br />
Qualitätsmanagement für die<br />
DiGA<br />
Das Qualitätsmanagement umfasst<br />
dabei alle Teile und Elemente der Organisation,<br />
die mit der Qualität der<br />
Verfahren, Prozesse und Produkte<br />
befasst sind. Zur Einhaltung der Bestimmungen<br />
der MDR steuert das<br />
Qualitätsmanagementsystem (QMS)<br />
die erforderliche Struktur, Verantwortlichkeiten,<br />
Verfahren, Prozesse und<br />
Managementressourcen.<br />
Folgende Aspekte sollen im QMS enthalten<br />
sein:<br />
• Konzept zur Einhaltung der Regulierungsvorschriften<br />
inklusive Einhal-<br />
24<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
APP auf Rezept<br />
tung der Konformitätsbewertungsverfahren,<br />
der Verfahren für das Management<br />
von Änderungen an den<br />
vom System erfassten Produkten<br />
• Feststellung der anwendbaren<br />
grundlegenden Sicherheits- und<br />
Leistungsanforderungen, Ermittlung<br />
von Möglichkeiten zur Einhaltung<br />
der Anforderungen<br />
• Verantwortlichkeit der Leitung<br />
• Ressourcenmanagement (Auswahl<br />
und Kontrolle von Zulieferern und<br />
Unterauftragnehmern)<br />
• Risikomanagement<br />
• Klinische Bewertung und klinische<br />
Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen<br />
• Produktrealisierung inklusive Planung,<br />
Auslegung, Entwicklung,<br />
Herstellung und Bereitstellung von<br />
Dienstleistungen<br />
• Überprüfung der Zuteilung der UDI<br />
• Aufstellung, Anwendung und Aufrechterhaltung<br />
des Systems zur<br />
Überwachung nach dem Inverkehrbringen<br />
• Kommunikation mit den zuständigen<br />
Behörden, Benannten Stellen,<br />
Wirtschaftsakteuren, Kunden und<br />
anderen interessierten Kreisen<br />
• Verfahren für die Meldung von Vorkommnissen<br />
• Management korrektiver und präventiver<br />
Maßnahmen sowie die<br />
Überprüfung der Wirksamkeit derer<br />
(MDR 2<strong>01</strong>7, Kapitel II, Artikel 10, Absatz<br />
9)<br />
Mit einer Risikoanalyse lassen sich<br />
Risiken für den Verbraucher bzw. Patienten<br />
sowie diejenigen Menschen<br />
identifizieren und einschätzen, die<br />
innerhalb einer Kette des Produktlebenszyklus<br />
mit dem Medizinprodukt<br />
umgehen müssen.<br />
Risikomanagement für die DiGA<br />
Die MDR fordert ein Risikomanagementsystem<br />
über den gesamten<br />
Lebenszyklus eines Produkts als Bestandteil<br />
eines funktionierenden Qualitätsmanagementsystems,<br />
das eine<br />
regelmäßige systematische Aktualisierung<br />
erfordert. Die folgenden Aspekte<br />
müssen bei der Implementierung und<br />
Umsetzung von Herstellern berücksichtig<br />
werden:<br />
a) Festlegung und Dokumentierung<br />
eines Risikomanagement-Plans für<br />
jedes Produkt<br />
b) Identifizierung und Analyse der<br />
bekannten und vorhersehbaren<br />
Gefährdungen, die mit jedem Produkt<br />
verbunden sind<br />
c) Einschätzung und Bewertung<br />
der Risiken, die mit der bestimmungsgemäßen<br />
Verwendung<br />
verbunden sind und die bei einer<br />
vernünftigerweise vorhersehbaren<br />
Fehlanwendung auftreten<br />
d) Beseitigung und Kontrolle der unter<br />
Buchstabe c genannten Risiken<br />
gemäß den Anforderungen nach<br />
Abschnitt 4, Kapitel I, Anhang I, [6]<br />
e) Bewertung der Auswirkungen<br />
der in der Fertigungsphase, insbesondere<br />
durch das System zur<br />
Überwachung nach dem Inverkehrbringen,<br />
gewonnenen Informationen<br />
auf Gefährdungen und<br />
deren Häufigkeit, auf Abschätzung<br />
der verbundenen Risiken sowie<br />
auf das Gesamtrisiko, das Nut-<br />
www.apollon-alumni.de 25
APP auf Rezept<br />
zen-Risiko-Verhältnis und die Risikoakzeptanz<br />
f) Anpassen der Kontrollmaßnahmen<br />
gemäß Abschnitt 4, Kapitel I,<br />
Anhang I, MDR, auf Grundlage der<br />
Bewertung der Auswirkungen der<br />
unter Buchstabe e genannten Informationen<br />
([6], Anhang I, Kapitel<br />
I)<br />
Der Gesetzgeber und die MDR lassen<br />
die Methoden und Verfahren einer Risikoanalyse<br />
dem Hersteller offen.<br />
Die MDR fordert von den Herstellern<br />
in Artikel 15 eine qualifizierte Person,<br />
die für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften<br />
verantwortlich<br />
ist. Im Detail soll die Konformität der<br />
Medizingeräte sichergestellt, die Technische<br />
Dokumentation aktuell gehalten,<br />
die Marktüberwachung konform<br />
durchgeführt und die Meldepflichten<br />
konform erfüllt werden.<br />
Fazit<br />
Digitale Gesundheitsanwendungen<br />
haben das Potenzial, die Gesundheitsversorgung<br />
nachhaltig zu verändern.<br />
Allerdings wird es noch einige Zeit<br />
dauern, bis erste Erfahrungswerte zur<br />
Nutzung und dem Nutzen der DiGA<br />
vorliegen.<br />
Unternehmen, die zukünftig planen<br />
DiGA in Verkehr zu bringen, müssen<br />
einige regulatorische Hürden überwinden<br />
und sich mit der Medizinprodukteregulation<br />
gut auskennen. Die<br />
Hochschulzertifikatskurse „E-Health“<br />
und „Digital Health“ bieten in diesem<br />
Umfeld eine fundierte Qualifizierung.<br />
Für weitere Informationen können Sie<br />
den Autor gerne kontaktieren.<br />
Literatur<br />
[1] Becker K., Stammer Y. (2<strong>01</strong>7). Sensorbasierte Gesundheitsservices für mehr Fitness im Alltag. In: Müller-Mielitz M., Lux T. (Hrsg.): E-Health-Ökonomie.<br />
Wiesbaden: Springer Gabler, S. 5<strong>01</strong>–516.<br />
[2] Becker, K, Lipprandt, M., Röhrig, R., Neumuth, T. (2<strong>01</strong>9) Digital health – Software as a medical device in focus of the medical device regulation (MDR),<br />
it – Information Technology 61(5-6), DOI: 10.1515/itit-2<strong>01</strong>9-0026<br />
[3] DVG (2<strong>01</strong>9) Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz) vom 9. Dezember 2<strong>01</strong>9 (BGBl. I,<br />
S. 2562)<br />
[4] HealthOn (2<strong>01</strong>9). Gesundheit neu denken. https://www.healthon.de/healthon (17.10.2<strong>01</strong>9).<br />
[5] Lücker, V. (2<strong>01</strong>8). Medizinproduktrechtliche Rahmenbedingungen für E-Health-Produkte im europäischen Wirtschaftsraum.<br />
Bundesgesundheitsblatt, (61), S. 278–284.<br />
[6] MDR (2<strong>01</strong>7) Medical Device Regulation, Verordnung (EU) 2<strong>01</strong>7/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2<strong>01</strong>7 über<br />
Medizinprodukte<br />
[7] Scherenberg, V.; Liegmann, K. (2<strong>01</strong>8). Gesundheits-Apps: Möglichkeiten und Grenzen der Gesundheitskommunikation. In: Scherenberg, V.; Pundt, J.<br />
(Hrsg.): Digitale Gesundheitskommunikation. Zwischen Meinungsbildung und Manipulation. Bremen: APOLLON University Press.<br />
[8] Waltz, M. (2<strong>01</strong>8). Elektronische Gesundheitskarte – Von der Realität überholt. Deutschlandfunk, 14.06.2<strong>01</strong>8. https://www.deutschlandfunk.de/<br />
elektronische-gesundheitskarte-von-der-realitaet-ueberholt.862.de.html?dram:article_id=420395 (21.11.2<strong>01</strong>9).<br />
26<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
Soziale Medien – eine unterschätze Wohlfühloase für gestresste Menschen<br />
Soziale Medien – eine unterschätze Wohlfühloase für<br />
gestresste Menschen<br />
Tobias Ulamec<br />
In dieser doch sehr viele Opfer<br />
fordernden Zeit, mit täglich wechselnden<br />
Informationen und Verordnungen,<br />
habe ich für mich ein<br />
neue Wohlfühloase entdeckt – die<br />
sozialen Medien. Mein ganzes Verhalten<br />
und meine Einstellung haben<br />
sich diesbezüglich komplett<br />
verändert. Fand ich sie vor Corona<br />
total lästig, bin ich mittlerweile der<br />
Meinung, dass mein Leben ohne<br />
Facebook, WhatsApp, Instagram<br />
und Co. eigentlich gar nicht funktionieren<br />
würde. Wieso?<br />
Naja, das kann man eigentlich<br />
relativ einfach beantworten. Tatsächlich<br />
arbeite ich in einem Job,<br />
der nicht unbedingt fair mit einem<br />
umgeht. Denn als Schulleiter fühlt<br />
man sich täglich wie im Circus Maximus.<br />
Permanent läuft man Gefahr,<br />
entweder in ein rechtliches, soziales<br />
oder bildungstechnisches Dilemma<br />
zu rennen, und darf die Konsequenzen,<br />
für die man eigentlich nichts<br />
kann, ausbaden. Voll auf seine Kosten<br />
kommt dabei nur das Publikum, das<br />
je nach Themenausgang applaudiert<br />
oder aus sicherer Entfernung einen<br />
weiteren Kampf fordert.<br />
Täglich wechselnde Vorgaben, je nach<br />
politischem oder wissenschaftlichem<br />
Zuruf, bringen aber vermutlich ja nicht<br />
nur den Berufsstand der Schulleiter in<br />
depressive, apokalyptische Situationen,<br />
die wiederum nur mit Alkohol<br />
oder halt mit den sozialen Medien zu<br />
ertragen sind.<br />
Womit wir ja nun auch beim Thema<br />
sind. Tatsächlich reichen 10 Minuten<br />
soziale Medien am Tag, um das seelische<br />
Gleichgewicht wieder einigermaßen<br />
in Einklang zu bringen. Es ist<br />
einfach schön, wie geistig unbewaffnete<br />
Menschen miteinander umgehen<br />
können. Da weichen die eigenen<br />
Probleme kurzzeitig weit in den Hintergrund<br />
und man hat das Gefühl,<br />
in einer Parallelwelt zu leben. Super<br />
finde ich zum Beispiel Facebook, wo<br />
„Freunde“, obgleich ahnungslos in Bezug<br />
auf die Materie, einen Kommentar<br />
zu irgendeinem Post abgeben und<br />
wiederum andere „Freunde“ anfangen,<br />
diesen zu kommentieren (auch die haben,<br />
wenn man die Argumente liest,<br />
tatsächlich meistens keine Ahnung).<br />
Spannend wird es aber erst im Verlauf<br />
eines kommentierten Schlagabtausches<br />
und vor allem dann, wenn immer<br />
mehr unwissende „Freunde“ mitmachen.<br />
Es ist ein wenig wie stille Post<br />
oder eine Gerichtsverhandlung bei<br />
Richterin Salesch – die unter 35-Jährigen<br />
verzeihen mir bitte diesen fernsehgeschichtlichen<br />
Einwurf. Denn hier<br />
wird zum Ende immer eine sachdienliche<br />
Kommunikationsstrategie aufgegeben,<br />
um auf der untersten sozialen<br />
Ebene dem „Freund“ mitzuteilen, was<br />
man sich im Normalfall vis-à-vis nie<br />
getraut hätte. Tolle Argumente wie<br />
„lösche erstmal deine hässlichen Fotos,<br />
bevor du mit mir auf Augenhöhe<br />
diskutieren willst“ oder auch „du musst<br />
eine Frühgeburt mit anhaltendem<br />
Sauerstoffdefizit gewesen sein“ sind<br />
nur ein paar exklusive Schmankerl, die<br />
in der argumentativen Abfolge nicht<br />
mal den besten Soapschreibern der<br />
Welt eingefallen wären. Einfach WELT-<br />
KLASSE! und natürlich bereichernd<br />
für alle zukünftigen Diskussionen und<br />
Probleme, die unweigerlich nach dieser<br />
Pandemie folgen werden.<br />
Ein weiteres Phänomen, das ich mit<br />
viel Freude beobachte, ist das öffentliche<br />
Androhen vom Lösen des<br />
Freundschaftsverhältnisses, wenn<br />
mein Gegenüber eine andere Meinung<br />
vertritt. Tatsächlich erinnert<br />
mich dieses Verhaltensmuster ein<br />
www.apollon-alumni.de 27
Soziale Medien – eine unterschätze Wohlfühloase für gestresste Menschen<br />
wenig an die Autonomiephase von<br />
Kleinkindern oder an den ehemaligen<br />
amerikanischen Präsidenten. Das Problem<br />
dabei ist nur, wenn ich in meiner<br />
sozialen Freundesliste, ALLEN die<br />
„Freundschaft“ kündige, die nicht im<br />
Einklang mit meiner Weltanschauung<br />
stehen, stehe ich irgendwann alleine<br />
da. Die täglichen, meistens sehr sinnfreien<br />
Beigaben und Statements zum<br />
täglichen Leben würde ja dann auch<br />
keiner mehr lesen. Ein Dilemma, nicht<br />
nur für den in der Autonomiephase<br />
steckenden, mündigen Bürger, nein,<br />
auch für mich. Denn wenn keiner<br />
mehr „Freunde“ in den sozialen Medien<br />
hätte, um sich gegenseitig irgendeinen<br />
Schwachsinn mitzuteilen, dann<br />
könnte ich mein Seelenheil nicht<br />
mehr aufrechterhalten und würde<br />
letztendlich dem Alkoholismus verfallen.<br />
Ein solches Einzelschicksal mit<br />
den verbundenen, unvorhersehbaren<br />
Folgen für das öffentliche Leben kann<br />
aber im Ernst doch keiner wollen.<br />
Ach so, vielleicht sollte ich zum Schluss<br />
auch auf ein Thema eingehen, das beiläufig<br />
immer mit dem Thema soziale<br />
Medien in Verbindung gebracht wird<br />
– der Datenschutz.<br />
Ganz ehrlich. Braucht kein Mensch.<br />
Es ist doch viel besser, wenn man<br />
darauf keinen Wert legen muss. Das<br />
hätte auch den Vorteil, dass man in<br />
Geschichte und Gemeinschaftskunde<br />
weniger lernen müsste. Man könnte<br />
die lästige und teure Gauck Behörde<br />
einstampfen, denn was interessieren<br />
mich die Geschichten und Einzelschicksale<br />
von damals. Ich müsste<br />
nicht bei jedem Klick im Internet in<br />
irgendwas einwilligen. Man könnte<br />
mit Staaten, die es vielleicht mit den<br />
Menschenrechten nicht so ernst nehmen,<br />
deutlich entspannter umgehen.<br />
Als Unternehmen hätte ich auch noch<br />
den Vorteil, dass ich mit den Daten der<br />
Kunden zusätzliches Geld verdienen<br />
könnte. Aus Sicht der Banken und Versicherungen<br />
hätte das für die jeweiligen<br />
Geschäftsmodelle auch nur Vorteile.<br />
Und ganz ehrlich, man müsste<br />
sich ja auch nicht mehr anziehen oder<br />
peinliche Körperstellen kaschieren –<br />
einmal gläsern geworden, die Welt<br />
wäre so einfach zu handhaben.<br />
28<br />
Sprungbrett … <strong>01</strong>/<strong>2021</strong>
Unsere AutorInnen und Mitwirkenden in dieser <strong>Ausgabe</strong><br />
Unsere AutorInnen und Mitwirkenden in dieser <strong>Ausgabe</strong><br />
Dana Audehm B. A.<br />
Gesundheitsökonomin B.A.;<br />
Dana Audehm arbeitet als Sales-Managerin<br />
bei einem IT-Dienstleister und unterstützt<br />
Unternehmen der Gesundheitswirtschaft bei<br />
der Digitalisierung.<br />
dana.audehm@adesso.de<br />
Prof. Dr.-Ing. Kurt Becker<br />
seit 2020 Vizepräsident Forschung der<br />
aPOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft;<br />
Studiengangsleiter für Medizinund<br />
Gesundheitstechnologie-Management;<br />
Gesellschafter/Geschäftsführer der preventionpartners<br />
GmbH – Institut für Prävention<br />
und regenerative Technologien in Aachen; Leiter der Arbeitsgruppe<br />
Medizinmanagement der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik,<br />
Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS); Ko-Sprecher des<br />
Fachausschusses Geschäfts modelle intelligenter Assistenz systeme<br />
(FA GIAS); u.a. Beirat der Deutschen Gesellschaft für biomedizinische<br />
Technik (DGBMT) im Verband Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik<br />
e. V. (VDE); Geschäftsführer der Yoga Vidya Center Aachen UG<br />
Alexandra Berendes M.A., MaHM<br />
Alexandra Berendes studierte germanistische Linguistik und Health<br />
Management. Sie ist als stellvertretende Geschäftsführerin und Senior<br />
Project Managerin beim Institut Medical Netcare in Münster tätig.<br />
1. Vorsitzende APOLLON Alumni e.V., lektorat Sprungbrett<br />
berendes@m-nc.de<br />
Katharina Nülsen<br />
Gesundheits- und Krankenpflegerin; Praxisanleiterin;<br />
Fachkraft für ambulante psychiatrische<br />
Pflege und ambulante Dienste; Pflegemanagerin<br />
B.A.; seit <strong>01</strong>.07.2020 Studentin im<br />
Studienfach Berufspädagogik (M.A.).<br />
Aktuell tätig als Lehrerin für Pflegeberufe an<br />
der Pflegefachschule des Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen –<br />
Standort Moringen.<br />
katha.nuelsen@gmail.com<br />
F. Stolberg<br />
Student der Angewandten Psychologie B. Sc.<br />
Einzelfallgutachter im mittelbaren öffentlichen Dienst<br />
stolberg_f@web.de<br />
Tobias Ulamec<br />
Gesundheitsökonom B.A., Fachwirt im Sozialund<br />
Gesundheitswesen; Inhaber & Gründer<br />
der Personalideenschmiede Blutsbruder²;<br />
Schulleiter ProGenius Göppingen<br />
(Private Berufliche Schule); Stellv. Vorsitzender<br />
APOLLON Alumni Network e. V.<br />
tobias@blutsbruder2.de<br />
Anne Wellek Dr. med., MaHM<br />
Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie; Inhaberin<br />
einer Facharztpraxis in Biedenkopf bei Marburg/Lahn; Kassenprüferin<br />
des Apollon Alumni Network e.V.<br />
wellek@t-online.de<br />
PD Dr. med. Ernst Wellnhofer<br />
Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt<br />
Kardiologie; Integral Medical Solutions<br />
Consulting-Data & Process Science Medical<br />
Software; Dozent Medizininformatik am Fernstudieninstitut<br />
der Beuth-Hochschule Berlin;<br />
Gastwissenschaftler am Institute for Cardiovascular<br />
Computer- assisted Medicine (ICM); Charité – Universitätsmedizin<br />
Berlin<br />
ernst.wellnhofer@charite.de , ewellnhofer@arcor.de<br />
Christian Wunderlich MaHM<br />
Apotheker; Interim Manager & Consultant in Healthcare;<br />
Autor; dozent<br />
christian@ahead-health.de<br />
www.ahead-health.de<br />
https://www.linkedin.com/in/christian- wunderlich-mahm- apprpharm-5a0b222/<br />
Stefanie Peschl<br />
Präventions- und Gesundheitsmanagement<br />
B. A., Gesundheits- und Krankenpflegerin<br />
Nach langjähriger Tätigkeit als Gesundheitsund<br />
Krankenpflegerin ist sie im Bereich<br />
Medical Application bei der Firma custo med<br />
GmbH in Ottobrunn bei München tätig. Seit<br />
letztem Jahr etabilert sie dort die custo akademie.<br />
stefanie.peschl@customed.de<br />
www.apollon-alumni.de 29
Antrag auf Mitgliedschaft<br />
Bitte per E-Mail an info@apollon-alumni.de<br />
Zum Download auf unserer Homepage verfügbar<br />
Pflichtangaben<br />
Absolventin / Absolvent<br />
Bachelor-/ Masterstudium<br />
Mitgliedsbeitrag 40 € / Jahr³<br />
Studentin / Student<br />
mit mind. 2/3 der Credits eines<br />
Bachelor-/ Masterstudiums<br />
Mitgliedsbeitrag 40 € / Jahr<br />
Fördermitglied¹<br />
Beitrag ........... € / Jahr<br />
Ehrenmitglied²<br />
Beitragsfrei<br />
Anrede Frau Herr Titel<br />
Vorname<br />
Name<br />
Geburtsdatum<br />
Kontaktdaten privat:<br />
Studiengang<br />
Straße / Hausnr.<br />
PLZ / Ort<br />
E-Mailadresse<br />
Festnetz (optional)<br />
Handy (optional)<br />
1 Der Beitrag für Fördermitglieder beträgt mindestens 50 Euro pro Jahr<br />
2 Ehrenmitglieder können ausschließlich vom Vorstand ernannt werden<br />
3 Mitglieder, die keinen Lastschriftauftrag erteilen, wird zusätzlich eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 10 Euro in Rechnung gestellt.<br />
Als Mitglied des APOLLON Alumni Network e. V. erkenne ich die Satzung des Vereins an. Ich erkläre mich damit einverstanden,<br />
dass meine Daten zur Erfüllung des Zwecks des Vereins gemäß § 1 Absatz 1 sowie §14 der Satzung und<br />
gemäß der Datenschutzerklärung des Vereins verwendet werden.<br />
Ort, Datum<br />
Unterschrift<br />
Einverständnis (bitte ankreuzen)<br />
Ich bin damit einverstanden, dass mir regelmäßig Informationen über und zum Verein per E-Mail und / oder Post<br />
zugeschickt werden.<br />
Ich möchte das Netzwerkmagazin „Sprungbrett“ zusätzlich zur Online-<strong>Ausgabe</strong>, die vom Verein per E-Mail verschickt<br />
wird, per Post erhalten.<br />
Ort, Datum<br />
Unterschrift<br />
Lastschriftauftrag<br />
Ich bin bis auf Widerruf damit einverstanden, dass der jährliche Mitgliedsbeitrag von meinem nachstehend angegebenen<br />
Bankkonto vom APOLLON Alumni Network e. V., 28359 Bremen, eingezogen wird. Die Einzugsermächtigung<br />
erlischt durch Widerruf oder Austritt aus dem Verein.<br />
Name des Kontoinhabers<br />
IBAN<br />
BIC<br />
Bank / Ort<br />
Ort, Datum<br />
Unterschrift<br />
APOLLON Alumni Network e.V. wird vertreten durch:<br />
Alexandra Berendes (1. Vorsitzende), Tobias Ulamec (2. Vorsitzender), Michael Walch (Schatzmeister)<br />
Ansprechpartnerin an der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft: Katrin Frey / Tanja Schuster<br />
Universitätsallee 18 | 28359 Bremen | E-Mail: info@apollon-alumni.de | www.apollon-alumni.de<br />
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