Magazin-2017-3
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Nr. 3 | September <strong>2017</strong><br />
Peru: Kaffeeanbau<br />
sichert Jugendlichen<br />
die Existenz<br />
1 magazin September <strong>2017</strong>
MEINUNG<br />
Es ist noch lange<br />
nicht genug!<br />
In eigener Sache<br />
Wechsel in der<br />
Föderation<br />
Gabriela Wichser, Leiterin Programme,<br />
terre des hommes schweiz<br />
Brasilien, das einst aufstrebende Land, steckt tief in<br />
der Krise. Seit dem Amtsenthebungsverfahren gegen<br />
die Präsidentin Dilma Rousseff 2016, reiht sich ein<br />
Massenprotest gegen die Übergangsregierung und<br />
die Korruptionsskandale an den nächsten. Radikale<br />
Sparmassnahmen und der sukzessive Abbau mühsam<br />
errungener Rechte bedrohen die Entwicklungserfolge<br />
des vergangenen Jahrzehnts und vergrössern<br />
die extreme soziale Ungleichheit im Land (siehe<br />
Artikel Seite 8).<br />
In den letzten Jahren werden immer häufiger<br />
Stimmen laut, Entwicklungshilfegelder sollten ausschliesslich<br />
in die ärmsten Länder fliessen.<br />
Am Beispiel eines Schwellenlandes wie Brasilien wird<br />
aber deutlich, wie kurz diese Forderung greift.<br />
Charakteristisch für Schwellenländer ist, dass die<br />
gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen oft<br />
nicht mit den wirtschaftlichen mithalten.<br />
Früher war Hunger für viele brasilianische Familien<br />
Alltag. Durch Sozialprogramme war es gelungen, die<br />
extreme Armut zu reduzieren. Nun warnen Experten,<br />
dass Brasilien wieder auf der Landkarte<br />
des Hungers erscheinen könnte. So wird klar, dass<br />
es in der internationalen Hilfe nicht nur um Armutsbekämpfung<br />
gehen darf, sondern auch um die<br />
Stärkung der Zivilgesellschaft.<br />
Solange der Staat sich nicht in der Pflicht sieht, allen<br />
Brasilianerinnen und Brasilianern die gleichen Rechte<br />
zu gewähren; solange afrobrasilianische Jugendliche<br />
Opfer willkürlicher Gewalt werden und Jugendliche<br />
aus Kleinbauernfamilien weiterhin in Dürre und Armut,<br />
ohne Zugang zu Land und öffentlichen Dienstleistungen<br />
leben; solange braucht es auch weiter<br />
unsere Unterstützung.<br />
st. Wechsel im Generalsekretariat der<br />
Internationalen Föderation Terre des Hommes<br />
(TDHIF), des Zusammenschlusses der<br />
zehn Terre des Hommes-Organisationen<br />
(TDH): Ende Jahr löst die Belgierin Delphine<br />
Moralis unseren derzeitigen Generalsekretär<br />
Ignacio Packer (Bild) ab.<br />
In seinen fünf Jahren in dieser Position<br />
hat er massgeblich dazu beigetragen,<br />
TDH mit den gemeinsamen Kampagnen<br />
Destination Unknown und Children<br />
Win als kompetente Verfechter der Kinder-<br />
und Jugendrechte auf dem internationalen<br />
Parkett zu etablieren. Die<br />
39-jährige Delphine Moralis hat Europäische<br />
Studien studiert und für verschiedene<br />
europäsche Non-Profit-Netzwerke<br />
gearbeitet. Zuletzt war sie seit<br />
2013 Generalsekretärin der Organisation<br />
Missing Children Europe.<br />
Aus dem Inhalt<br />
Vermischtes aus den<br />
Projekten<br />
Peru: Ökologisch nachhaltiger<br />
Kaffeeanbau: Jugendliche<br />
gehen neue Wege<br />
Hintergrund: Arbeitsschwerpunkt<br />
Bildung und<br />
Einkommensförderung<br />
Brasiliens Übergangsregierung<br />
eliminiert erreichte<br />
Fortschritte<br />
Interview: Irene Bush,<br />
Fachstellenverantwortliche<br />
Psychosoziale Unterstützung<br />
3<br />
4 – 6<br />
7<br />
8 – 9<br />
10<br />
Vermischtes 11<br />
Nachgefragt 12<br />
2 magazin September <strong>2017</strong>
VERMISCHTES AUS DEN PROJEKTEN<br />
Tansania<br />
Teenagemütter definitiv von der<br />
Bildung ausgeschlossen<br />
ch. Als John Magufulis 2015 Präsident<br />
von Tansania wurde, versprach er mit<br />
seiner Regierung eine starke Nation<br />
aufzubauen, in der alle die Möglichkeit<br />
haben, einen Schulabschluss zu<br />
erreichen. Jetzt ist klar, das gilt für alle<br />
– ausser für schwangere Mädchen<br />
und junge Mütter. In den letzten Monaten<br />
kam seine Regierung seitens<br />
verschiedener Nichtregierungs- und<br />
Menschenrechtsorganisationen unter<br />
Druck. Dies wegen eines Gesetzes von<br />
2002, das gestattet, schwangere Mädchen<br />
von der Schule auszuschliessen.<br />
Doch nun ist die Debatte zu Ende:<br />
«Schulmädchen, die schwanger sind,<br />
dürfen auch nach der Geburt des Kindes<br />
definitiv nicht zurück an öffentliche<br />
Schulen», hielt Präsident Magufulis<br />
unlängst fest. «Solange ich Präsident<br />
bin, sind keine schwangeren Mädchen<br />
und junge Mütter an Schulen erlaubt.»<br />
Mädchen, die schwanger werden, hätten<br />
sich, so Magufuli, für das Elternsein<br />
und gegen die Bildung entschieden und<br />
sollten in der Folge zu Hause bleiben<br />
und für das Kind sorgen.<br />
Schulbesuch nur für «gute Mädchen»<br />
In einer Rede erklärte er, dass die Idee<br />
der Zulassung von Teenagemüttern an<br />
Schulen ein ausländisches Konzept sei.<br />
Er sieht junge Mütter folglich als Sache<br />
der NGOs und nicht als Verantwortung<br />
des Staates an. Dies obwohl Tansania<br />
eine historisch hohe Rate von Schulabbrüchen<br />
auf Grund von Schwangerschaften<br />
und Frühverheiratungen junger<br />
Mädchen hat. Der Präsident schlägt<br />
vor, dass NGOs Schulen für junge Mütter<br />
bauen sollen. Denn die kostenlose<br />
Bildung des Staates sei nur für diejenigen<br />
gedacht, die auch wirklich lernen<br />
und studieren möchten – nicht für Eltern.<br />
Junge Mütter an öffentlichen<br />
Schulen seien zudem ein schlechtes Vorbild<br />
und würden andere Mädchen zu<br />
frühem Sex motivieren.<br />
Auch wenn sich der Staat so aus seiner<br />
Verantwortung zieht, wir lassen mit<br />
unseren lokalen Parnerorganisationen<br />
in Tansania die jungen Mütter und Mädchen<br />
nicht im Stich. Es ist wichtig, dass<br />
wir uns zusammen für ihre Rechte stark<br />
machen. Wir arbeiten daran, ein Umfeld<br />
zu schaffen, das junge Mädchen davor<br />
schützt, so früh schwanger zu werden,<br />
und sie schützt, wenn sie schwanger<br />
wurden.<br />
> Ebli macht sich in Tansania für junge Mütter stark:<br />
www.terredeshommesschweiz.ch/ebli<br />
Ohne Bildung verlieren sowohl junge Mütter wie ihre Kinder die Chance auf ein besseres Leben.<br />
Basel<br />
Mit jungen<br />
Flüchtlingen Basel<br />
neu entdecken<br />
fz. Am letzten Tag des Junis <strong>2017</strong> fand in<br />
Basel der erste Stadtrundgang mit jugendlichen<br />
Flüchtlingen statt. Diese Stadtrundgänge<br />
sind ein neues Projekt von<br />
terre des hommes schweiz. Entwickelt wurde<br />
es in Zusammenarbeit mit dem Internationalen<br />
Sozialdienst (SSI). Damit<br />
sollen junge Flüchtlinge die Möglichkeit<br />
erhalten, einerseits einer breiten<br />
Öffentlichkeit ihre Stadt und Lieblingsorte<br />
zu zeigen und andererseits in Kontakt<br />
mit anderen Menschen zu kommen.<br />
Durch ihre Unterbringung und<br />
den Zugang zu spezifischen Bildungsangeboten<br />
bewegen sich jugendliche<br />
Flüchtlinge fast ausschliesslich in einem<br />
Umfeld von Personen, die in einer<br />
ähnlichen Lebenslage sind wie sie selbst.<br />
Der Austausch und Kontakt mit Menschen<br />
aus der Schweiz ist erschwert. Sie<br />
sind jedoch sehr an Kontakten mit der<br />
Schweizer Bevölkerung interessiert.<br />
Die Premiere des Stadtrundganges<br />
war ein voller Erfolg. Rund 20 Jugendliche<br />
und Erwachsene lauschten gespannt<br />
den teilweise noch holprigen<br />
und schüchternen Ausführungen der<br />
jugendlichen Flüchtlinge. Ausgangspunkt<br />
des Rundgangs war der Holzpark<br />
Klybeck. Dort wurde nach der Begrüssung<br />
zum Aufwärmen auch eine<br />
Speed-Dating-Runde durchgeführt.<br />
Nach den Stopps an der Freizeitanlage<br />
Dreirosenbrücke und auf der Brücke<br />
selbst, hielt die Gruppe auch beim<br />
Bahnhof Basel St. Johann. In einer privat<br />
geführten, aber kostenlosen Spielhalle<br />
vertrieben sich die Teilnehmer<br />
in gemischten Gruppen die Zeit mit<br />
Tischtennis und anderen Spielen. Den<br />
Abschluss dieses spannenden Abends<br />
bildete ein selbst gemachtes Picknick,<br />
welches von allen zusammen bei Sonnenuntergang<br />
im St. Johanns-Park genossen<br />
wurde. Der Mut der Jugendlichen,<br />
in die Öffentlichkeit zu treten,<br />
hatte sich gelohnt.<br />
magazin September <strong>2017</strong><br />
3
PERU: PROJEKT CEDEPAS<br />
Ökologisch nachhaltiger<br />
Kaffeeanbau: Jugendliche<br />
gehen neue Wege<br />
In der Mitte Perus, an den Ostflanken der Anden, leben viele Menschen mehr<br />
schlecht als recht vom Kaffeeanbau. Unsere Partnerorganisation CEDEPAS<br />
unterstützt Jugendliche bei der Verbesserung des Anbaus. Nachhaltig<br />
produzierter Qualitätskaffee sichert ihnen ein ausreichendes Einkommen.<br />
Text: Joachim Jung; Fotos: Gabriela Wichser<br />
Sanfte grüne Hügel erheben sich über der Ortschaft<br />
Pichanaki. Hier, im Osten des peruanischen<br />
Departements Pasco, gehen die Ausläufer der Anden<br />
langsam in das weite Amazonas-Tiefland über. Es<br />
ist drückend heiss. Doch in Rio Blanco, einem Weiler<br />
auf 1300 Meter Höhe über Meer, inmitten der Hügellandschaft<br />
oberhalb von Pichanaki, bringt eine<br />
leichte Brise Abkühlung. Die Region lebt vom Kaffeeanbau.<br />
Viele der Kaffeebauern kamen in den<br />
1980er-Jahren auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg<br />
aus dem Andenhochland hierher, um sich hier<br />
eine Existenz aufzubauen. Nun übernehmen vielfach<br />
ihre Kinder den Kaffeeanbau, von dem sie jedoch<br />
eher schlecht als recht leben können.<br />
Wie in den Nachbardörfern liegen auch in Rio<br />
Blanco überall Kaffeebohnen auf Plastikfolien zum<br />
Trocknen in der Sonne ausgebreitet. Nur vor dem<br />
Haus der 25-jährigen Rosemery Quispe nicht. Sie<br />
trocknet ihre Kaffeeernte im Schatten, vor Verunreinigungen<br />
geschützt, auf einem Trockenboden.<br />
Im Kaffeeanbau geht sie neue Wege. Seit anderthalb<br />
Jahren nimmt sie, wie 60 weitere Jugendliche und<br />
junge Erwachsene aus der Region, am Projekt Jugendliche<br />
verbessern ihr Einkommen dank Qualitätskaffee<br />
unserer peruanischen Partnerorganisation CEDE-<br />
PAS teil. Rosemery Quispe hat sich vorgenommen,<br />
sich und ihre Familie aus der Armut zu befreien –<br />
durch die Produktion von besserem Kaffee, der<br />
ihr ein grösseres Einkommen bringt und so ihren<br />
Lebensstandard steigert. Die Massnahme, ihre Kaffeebohnen<br />
beim Trocknen besser zu schützen, ist<br />
nur eine von vielen Massnahmen zur Verbesserung<br />
ihrer Produktion, die sie bei CEDEPAS kennengelernt<br />
und nun umgesetzt hat.<br />
Erfahrungen sammeln und teilen<br />
Die Organisation CEDEPAS (Centro Ecuménico de Promoción<br />
y Acción Social) unterstützt und berät die Bevölkerung<br />
im Andenhochland und der Amazonas-<br />
region Perus in ihrer sozialen, politischen und wirtschaftlichen<br />
Entwicklung. Die Organisation hat<br />
erkannt, dass in der Region um Pichanaki durchaus<br />
Potenzial vorhanden ist, Jugendlichen mit Kaffeeanbau<br />
bessere wirtschaftliche Perspektiven zu<br />
bieten. Durch das Klima begünstigt, lassen sich an<br />
den Anden-Hängen eigentlich sehr hochwertige Kaffeesorten<br />
produzieren. Viele Kleinproduzenten<br />
können dieses Potenzial jedoch nicht ausschöpfen.<br />
Es fehlt ihnen am richtigen Know-how zur Boden-<br />
und Pflanzenpflege sowie der Aufbereitung<br />
der Kaffeebohnen. So verkaufen sie meist Rohkaffee<br />
minderer Qualität zu einem schlechten Preis.<br />
Dabei wäre der Kaffeeanbau – im Gegensatz zum<br />
oft zerstörerischen Bergbau, der eine tragende Säule<br />
der peruanischen Wirtschaft ist – eine wirtschaftliche<br />
saubere Variante für eine nachhaltige<br />
ECUADOR<br />
Departement Pasco<br />
Lima<br />
PERU<br />
Pazifischer<br />
Ozean<br />
KOLUMBIEN<br />
BRASILIEN<br />
CHILE<br />
BOLIVIEN<br />
Im peruanischen<br />
Departement<br />
Pasco leben<br />
viele Jugendliche<br />
und ihre Familien<br />
von der Kaffeeproduktion.<br />
4 magazin September <strong>2017</strong>
60<br />
Jugendliche produzieren<br />
dank CEDEPAS hochwertigen<br />
Kaffee und stabilisieren das<br />
Einkommen ihrer Familien<br />
Entwicklung mit hohem Wertschöpfungspotenzial<br />
für die Bevölkerung. Aber um dieses zu realisieren<br />
braucht es bessere Anbaumethoden. Deshalb betreibt<br />
CEDEPAS im Städtchen Pichanaki mit den erfahrenen<br />
Agrar- und Kaffee-Experten Johony Román<br />
Quispe und Karen Curinaupa Parco ein Aussenbüro.<br />
Hier sammeln sie seit Jahren in kleinen<br />
und stetigen Schritten Erfahrungen zum Kaffeeanbau<br />
und vermitteln dieses Wissen in ihrem Lernund<br />
Weiterbildungsprojekt an die jungen Kaffeebäuerinnen<br />
und -bauern weiter.<br />
Besserer Kaffee, besseres Einkommen<br />
Seit drei Jahren bewirtschaftet Rosemery Quispe<br />
zusammen mit ihrem 23-jährigen Bruder Esaul die<br />
drei Hektare Kaffeepflanzung, die ihr Vater ihnen<br />
überlassen hat. «Wir haben bei CEDEPAS viele technische<br />
Verbesserungen kennengelernt», erzählt sie.<br />
Die grösste Innovation liegt in der Aufbereitung der<br />
Kaffeebohnen. Früher quetschten sie die weiche Aussenschale<br />
(Pulpe) einfach ab, wuschen die Bohnen<br />
in einem Holztrog und liessen sie dann auf Plastikplanen<br />
ausgebreitet in der Sonne trocknen. Bei diesem<br />
Verfahren blieben aber viele Schalenreste an den<br />
Bohnen haften. Mit der Unterstützung von CEDEPAS<br />
hat Rosemery Quispe auf das Nassverfahren umgestellt:<br />
Nach dem Entpulpen befördert sie die Kaffeebohnen<br />
nun zur Fermentation in ein plastikverkleidetes<br />
Wasserbecken. Idealerweise wäre dieses aus<br />
Zement, weil im herkömmlichen Holzbecken Gerb-<br />
Rosemery Quispe<br />
und ihr Bruder<br />
Esaul bewirtschaften<br />
zusammen<br />
die Kaffeepflanzung,<br />
die ihre<br />
Eltern ihnen überlassen<br />
haben.<br />
magazin September <strong>2017</strong><br />
5
PERU: PROJEKT CEDEPAS<br />
Betreten verboten: Der spezielle Trockenboden der Kaffeeexpertin Rosemery Quispe schützt die Bohnen vor Sonne und Verunreinigungen.<br />
8 anstatt<br />
5. 3 Soles<br />
oder Fäulnisstoffe aus dem Holz in das Wasser und<br />
somit in den Kaffee gelangen. CEDEPAS hat jedoch<br />
die Erfahrung gemacht, dass mit Plastikfolie ausgeschlagene<br />
Holzbecken ebenso gut funktionieren,<br />
was die jungen Kaffeeproduzierenden nur ein<br />
Bruchteil des Preises eines Zementbeckens kostet.<br />
Im Wasserbad entwickeln die Bohnen nun ein besseres<br />
Aroma und die Schalenreste werden abgelöst.<br />
Die Pulpe wird kompostiert<br />
und dient mit Hühnermist<br />
vermischt im<br />
Folgejahr als Dünger.<br />
«Wir haben aber auch<br />
gelernt, dass wir unsere<br />
Finca wie ein Unternehmen<br />
führen müssen»,<br />
stellt die Kaffeeproduzentin<br />
fest. Sie hat hart<br />
an der Verbesserung ihres<br />
Kleinbetriebes gearbeitet.<br />
Und der Erfolg<br />
lässt sich sehen: 780 kg Kaffee hat sie im letzten<br />
Jahr produziert und für 8 Soles (2.35 Franken) pro<br />
Kilo verkaufen können. Für den schlechteren Kaffee<br />
hätte sie nur 5.3 Soles erhalten. Den grössten<br />
Teil ihres Gewinns investiert sie in weitere Verbesserungen<br />
und die Finca, den Rest braucht sie<br />
für den Unterhalt ihres sechsjährigen Sohnes, für<br />
die Schule, Kleidung usw. Die Kosten und den Ertrag<br />
zu berechnen, hat die Kaffeebäuerin bei<br />
CEDEPAS gelernt. Nun hat sie einen Überblick, welche<br />
Änderungen sich rechnen und welche eher<br />
nicht. «Durch das Projekt bin ich zu einer Kaffeeexpertin<br />
geworden. Darauf bin ich wirklich stolz»,<br />
sagt die Jungunternehmerin. So will sie in Zukunft<br />
bringt der Kaffee<br />
Rosemery Quispe<br />
jetzt ein<br />
vermehrt Qualitätskaffee mit Herkunftsbezeichnung<br />
für den direkten Export anbauen.<br />
Für jeden die richtige Methode<br />
«Gute landwirtschaftliche Beratung ist immer ein<br />
Zusammenspiel aus Ergebnissen der angepassten<br />
Agrarforschung und Experimentieren in der Praxis»,<br />
sagt Projektkoordinator Johony Quispe. Für<br />
den Kaffeeanbau gibt es kein fixfertiges Rezept, das<br />
1:1 übernommen werden kann. Jede Finca ist anders:<br />
Böden, Mikroklima, technische Voraussetzungen,<br />
Familienverhältnisse. Für jede einzelne<br />
muss die richtige Anbaumethode, der individuell<br />
richtige Weg gefunden werden. Dabei hilft CEDE-<br />
PAS den Jugendlichen, passende, auch für sie bezahlbare<br />
Lösungen zu finden. Ausserdem ist die<br />
von den Experten angewandte Methode der Zusammenarbeit<br />
darauf ausgelegt, die Experimentierfreude<br />
der jungen Kaffeebauern und -bäuerinnen<br />
zu wecken. Dafür will die Organisation nächstes<br />
Jahr in Pichanaki eine Versuchsanlage aufbauen, wo<br />
sich die jugendlichen Kaffeeproduzenten auch<br />
über ihre neuen Erkenntnisse austauschen und diese<br />
dann für ihre eigenen Fincas anwenden können.<br />
Dank des Einsatzes unserer Partnerorganisation<br />
stehen die Aussichten der Jugendlichen der Region<br />
Pichanaki nun gut, sich mit dem nachhaltigen Anbau<br />
von hochwertigem Kaffee langfristig ein Auskommen<br />
erwirtschaften und zugleich Böden und<br />
Ökosystem erhalten zu können. Und so werden ihre<br />
Kinder sicher nicht wieder wegziehen müssen, so<br />
wie einst ihre Eltern aus dem Hochland.<br />
> Mehr zu unserer Arbeit in Peru:<br />
www.terredeshommesschweiz.ch/peru<br />
6 magazin September <strong>2017</strong>
HINTERGRUND: BILDUNG UND EINKOMMENSFÖRDERUNG<br />
Motivation und Potenzial der<br />
Jugendlichen fördern<br />
Jugendarbeitslosigkeit ist ein weltweit verbreitetes Problem. Jungen Menschen<br />
fehlt an vielen Orten die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten für die eigene und die<br />
Entwicklung ihrer Länder einzusetzen. Deshalb unterstützen wir Jugendliche mit<br />
gezielten Projekten zu Bildung und Einkommen.<br />
Text: Anette Homlicher, Themenverantwortliche Bildung und Einkommensförderung<br />
Weltweit sind rund 70 Millionen Jugendliche im<br />
Alter von 15 bis 24 Jahren ohne Arbeit, so schätzt<br />
die Internationale Arbeitsorganisation der UNO. Für<br />
viele von ihnen ist der Zugang zu einer qualifizierten<br />
beruflichen Ausbildung erschwert. Hoch motivierte<br />
Jugendliche können die Mittel für einen<br />
sicheren Transport, Essen oder Schulgeld nicht aufbringen,<br />
um eine höhere Schule oder ein berufliches<br />
Zentrum zu besuchen. Mädchen dürfen oft aufgrund<br />
der einseitigen Geschlechterbevorzugung<br />
keine Ausbildung machen.<br />
Viele Jugendliche arbeiten als Tagelöhner im informellen<br />
Sektor mit geringem, unregelmässigem<br />
Einkommen und ohne Sicherheiten. Wenn Jugendliche<br />
in der Landwirtschaft selbständig tätig sein<br />
oder ein kleines Unternehmen aufbauen wollen,<br />
fehlen ihnen oft die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen.<br />
terre des hommes schweiz ermöglicht deshalb<br />
Jugendlichen in El Salvador, Nicaragua, Peru<br />
und Moçambique mit Projekten auf verschiedenen<br />
Ebenen einen Zugang zu Bildung und Einkommen.<br />
Psychisch und sozial stärken<br />
In einem ersten Schritt weckt terre des hommes<br />
schweiz bei Jugendlichen in schwierigen Lebenssituationen<br />
das Selbstvertrauen und fördert ihre<br />
kommunikativen und sozialen Fähigkeiten. Sind<br />
sie HIV/Aids-krank, haben sie Gewalt oder andere<br />
Traumata erlebt oder werden in der Familie oder<br />
Gesellschaft isoliert, begleiten unsere Partnerorganisationen<br />
sie psychisch und sozial soweit, dass<br />
sie wieder aktiv am Leben und der Gemeinschaft<br />
teilnehmen können. Schulische Nachhilfe, handwerkliche<br />
Aktivitäten und Vorkurse stärken ihre<br />
Fähigkeiten und erhöhen die Chancen auf eine<br />
Aufnahme in ein staatliches Ausbildungszentrum.<br />
Bildung und Einkommensförderung<br />
als Arbeitsschwerpunkt<br />
Bildung und Einkommensförderung ist einer der Arbeitsschwerpunkte<br />
von terre des hommes schweiz. Wir beziehen uns dabei<br />
auf die in der Agenda 2030 enthaltenen Sustainable Development<br />
Goals (SDG, nachhaltige Entwicklungsziele) der Vereinten Nationen.<br />
Die deutliche Reduktion der Anzahl von Jugendlichen ohne<br />
Bildung, Ausbildung und Beschäftigung ist Ziel 8.6. Mit unseren<br />
Projekten erreichen wir, dass jährlich etwa 1000 Jugendliche eine<br />
berufliche Aus- und Weiterbildung erfahren und 400 Jugendliche<br />
ihre Einkommenssituation unter anderem durch Kleinunternehmungen<br />
verbessern können.<br />
Berufliche Qualifikation<br />
Weiter ermöglichen wir Jugendlichen eine qualifizierte<br />
berufliche Aus- und Weiterbildung entweder<br />
bei den Partnerorganisationen, in einem staatlichen<br />
Ausbildungszentrum oder in kleinen Unternehmen.<br />
Am Ende der Ausbildung bekommen sie<br />
ein Zertifikat. Während der Ausbildung erlernen<br />
sie nicht nur technische, sondern auch unternehmerische<br />
Kompetenzen, um später ein marktrelevantes<br />
Produkt oder Dienstleistung anbieten zu<br />
können. Auch während der Ausbildung nehmen<br />
Jugendliche an Aktivitäten der Gemeinschaft teil<br />
und werden psychosozial begleitet.<br />
Ein eigenes Einkommen<br />
Jugendliche in unseren Projektregionen sind sehr<br />
motiviert und haben oft gute Ideen für landwirtschaftliche<br />
Aktivitäten und Kleinunternehmen.<br />
Unsere Partnerorganisationen überprüfen mit ihnen<br />
gemeinsam deren Realisierbarkeit und erarbeiten<br />
zusammen die Geschäftspläne dazu. Später<br />
folgen handwerkliche und technische Aus- und<br />
Weiterbildungen zu unternehmerischen Themen<br />
(Kosten- und Rentabilitätsrechnungen, Marktanalysen).<br />
Sie ermöglichen den Jugendlichen zudem<br />
den Zugang zu einer Finanzierung, einschliesslich<br />
einer finanztechnischen Begleitung. In manchen<br />
Regionen vernetzen sich die Jugendlichen<br />
auch, um ein bestimmtes Produkt, wie beispielsweise<br />
bei CEDEPAS in Peru den Kaffee, zu produzieren<br />
und gemeinsam zu vermarkten.<br />
magazin September <strong>2017</strong> 7
BRASILIEN: AKTUELLE POLITIK<br />
Brasiliens Übergangsregierung<br />
eliminiert erreichte Fortschritte<br />
Während des letzten Jahrzehnts sah es so aus, als ob Brasiliens Bevölkerung<br />
sich dank einer sozialer eingestellten Regierung langsam aus der Armut<br />
befreien könnte. Doch die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen<br />
des letzten Jahres machen diese Hoffnung zunichte. Mit dem Stopp sozialer<br />
Programme hat die Regierung die Ärmsten aufs Trockene gesetzt.<br />
Text: Annette Mokler; Fotos: ASPTA<br />
men, ärmeren schwarzen Studierenden und Schülerinnen<br />
und Schülern mit Quoten und Stipendien<br />
den Zugang zu guter Bildung zu ermöglichen.<br />
Doch nun hat diese vorsichtig positive Entwicklung<br />
ein abruptes Ende gefunden. Vor gut einem<br />
Jahr setzte das brasilianische Parlament die 2014<br />
wiedergewählte Präsidentin Dilma Roussef unter<br />
fadenscheinigen Vorwürfen ab. Diese Machtübernahme<br />
durch eine Riege reicher, weisser Oligarchen<br />
und Grossgrundbesitzer erinnert an einen<br />
Putsch. Seither ist die politische Lage im Land<br />
chaotisch. Über die Hälfte der Abgeordneten der<br />
Interimsregierung scheint in Korruption verwickelt<br />
zu sein und der Justiz wird politisches<br />
Kalkül vorgeworfen.<br />
Eigene, sichere<br />
Wasserreserven<br />
machen die<br />
Jugendlichen und<br />
ihre Familien vom<br />
Regen und der von<br />
der politischen<br />
Elite kontrollierten<br />
Wasserversorgung<br />
unabhängig.<br />
Auch wenn die Situation für viele Menschen Brasiliens<br />
bei näherem Hinsehen nie nur eitel Sonnenschein<br />
war – zu gross waren die sozialen, politischen<br />
und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den<br />
verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Landesteilen<br />
– so schien sich seit Anfang dieses Jahrtausends<br />
doch eine leichte, stetige Besserung anzubahnen.<br />
Brasilien war von der Liste der Länder verschwunden,<br />
in denen grosse Teile der Bevölkerung von<br />
extremer Armut betroffen sind. Mit ein Grund für<br />
diese Entwicklung war die Regierung der Arbeiterpartei<br />
PT (seit 2003), bis 2010 unter dem Präsidium<br />
von Luiz Inacio Lula da Silva und danach Dilma<br />
Rousseff. Vor allem Lula hatte in seiner Regierungszeit<br />
zahlreiche Sozialprogramme zur Stärkung<br />
der ärmeren Bevölkerung eingeführt. Da wurden<br />
beispielsweise zaghafte Versuche unternom-<br />
Drakonische Kürzungen<br />
Der Sturz hat unmittelbare Folgen für die arme<br />
Bevölkerung des Landes. Kurz nach der Machtübernahme<br />
im September 2016 begann die nicht<br />
gewählte Übergangsregierung alle sozialen Programme<br />
zu kürzen. Die Ausgaben für Bildung<br />
und Gesundheit wurden für die nächsten 20 Jahre<br />
eingefroren und die Förderprogramme für<br />
schwarze und arme Jugendliche gestoppt. Gesetze<br />
zur Markierung von indigenen Gebieten und<br />
Gebieten, wo vor allem Schwarze leben, und Gesetze<br />
zum Schutz von Minderheiten sowie zum Umweltund<br />
Waldschutz wurden ausser Kraft gesetzt.<br />
Dies teilweise im Widerspruch zu international unterzeichneten<br />
Verpflichtungen. Arbeitnehmerrechte<br />
wurden ausgehöhlt. Die drakonischen Sparmassnahmen<br />
begründeten die Parlamentarier mit<br />
der schweren wirtschaftlichen Rezession, die das<br />
Land getroffen hat, während sie sich selbst aber<br />
eine saftige Gehaltserhöhung genehmigten. Zudem<br />
wurden die Ausgaben für das Militär drastisch<br />
erhöht und die Privatisierung staatlicher und<br />
halbstaatlicher Betriebe wird vorangetrieben.<br />
Die Liste der Rückschritte ist lang. So listet die<br />
brasilianische Menschenrechtsorganisation Alerta<br />
Social für die ersten 365 Tage der Amtszeit der Übergangsregierung<br />
für jeden Tag einen Rückschritt<br />
in der Gesetzgebung auf. Ausserdem berichten<br />
8 magazin September <strong>2017</strong>
Menschenrechtsorganisationen wie beispielsweise<br />
Amnesty International Brasilien und CPT (Comissão<br />
Pastoral da Terra), dass die Gewalt im Land zugenommen<br />
hat. Immer öfter werden kritische Medienleute,<br />
Afrobrasilianer, Indigene, Menschen, die in Landkonflikte<br />
verwickelt sind oder sich für Menschenrechte<br />
und Umwelt engagieren, umgebracht. Soziale<br />
Bewegungen werden kriminalisiert und Protesten<br />
wird mit harter Hand begegnet. Frauenrechte sind<br />
bedroht und die Zahl der Morde an Homo- und<br />
Transsexuellen hat sich auf Grund von Hetze extrem<br />
erhöht.<br />
Bau von Zisternen gestoppt<br />
Dass die Regierung Gelder streicht, hat auch direkte<br />
Auswirkungen auf die Jugendlichen in den<br />
Städten wie auch auf dem Land. Auch unsere Partnerorganisationen<br />
sind betroffen. Ein eindrückliches<br />
Beispiel dafür ist das Programm 1 Million Zisternen<br />
(Programa um Milhão de Cisternas, P1MC). Dieses ermöglicht<br />
kleinbäuerlichen Familien und Gemeinden<br />
in den semiariden Gebieten des brasilianischen<br />
Nordostens durch den Bau von Wasserzisternen<br />
auch in Trockenzeiten einen sicheren und lebenswichtigen<br />
Zugang zu Trinkwasser und Wasser zur<br />
Bewässerung ihrer Landwirtschaft. Die Region wird<br />
periodisch immer wieder von längeren Trockenzeiten<br />
heimgesucht. Früher zwangen die Dürreperioden<br />
die Landbevölkerung, und damit vor allem<br />
auch die Jugendlichen, in Scharen zur Landflucht.<br />
Im Rahmen von P1MC bauten experimentierfreudige<br />
Bauernfamilien, unterstützt durch kleine Pionierorganisationen<br />
wie unsere Partnerorganisation<br />
Centro Sabiá, Zisternen. Diese einfachen, in Nachbarschaftshilfe<br />
errichteten Tanks, fangen das spärliche<br />
Regenwasser vom Dach des Hauses oder anderen<br />
zementierten Flächen auf und speichern es. Sie haben<br />
sich als kostengünstige und nachhaltige Technologie<br />
bewährt und machen die Bauernfamilien<br />
unabhängig. In einer Dekade wurden über eine halbe<br />
Million Zisternen gebaut. Im letzten Jahr wurde<br />
jedoch von der Regierung keine einzige mehr finanziert.<br />
Die Wassertanks spielen heute für viele Familien<br />
und Gemeinden eine Schlüsselrolle. Auch wenn<br />
viele von ihnen in der gegenwärtigen grossen Regenperiode<br />
nicht richtig voll geworden sind – im Moment<br />
herrscht das fünfte Jahr Dürre – ermöglichen<br />
sie es den Kleinbauernfamilien und den Jugendlichen<br />
auf ihrem Land zu bleiben und ihre Landwirtschaft<br />
weiter zu betreiben. Doch nun hat die Regierung<br />
einen grossen Teil der Zisternenprogramme<br />
gestrichen.<br />
Starke Jugendliche, starke Gesellschaft<br />
Die Auswirkungen sind für viele Jugendliche auf<br />
dem Land desaströs. Die Jugendgruppen unserer<br />
Partnerorganisationen ASPTA und Centro Sabiá befragten<br />
2015 und 2016 Jugendliche, welche Faktoren<br />
es ihnen ermöglichen würden, in Würde auf dem<br />
Land leben zu bleiben. Diese Studie zeigt deutlich,<br />
dass öffentlichen Programmen wie dem P1MC eine<br />
zentrale Rolle zukommt. Eine sichere Wasserversorgung<br />
ist einer der Faktoren, die entscheidend dafür<br />
sind, ob Jugendliche sich auf dem Land halten<br />
können oder nicht. Aus der Verantwortung für diese<br />
Jugendlichen und ihre Gemeinschaften hat sich<br />
der brasilianische Staat nun herausgestohlen. Umso<br />
wichtiger ist unser Engagement: terre des hommes<br />
schweiz fördert in Brasilien weiterhin Projekte, die es<br />
Jugendlichen ermöglichen, sich mit agroökologischen<br />
und nachhaltigen Methoden eine Existenz<br />
aufzubauen und die sie zugleich darin bestärken,<br />
ihre Rechte kennenzulernen und einzufordern – damit<br />
sie ausbeuterischen Politikern und Regierungen<br />
die Stirn bieten können.<br />
> Mehr zu unserer Arbeit in Brasilien:<br />
www.terredeshommesschweiz.ch/brasilien<br />
In den Zisternen<br />
sammelt sich auch<br />
in regenarmen Jahren<br />
genug Wasser,<br />
um die Kleinbauernfamilien<br />
durch die Dürre zu<br />
bringen.<br />
magazin September <strong>2017</strong> 9
INTERVIEW<br />
«Es lohnt sich, Vertrauen in die Jugendlichen zu setzen»<br />
Irene Bush, Du leitest seit acht Jahren<br />
das Youth2Youth-Ausbildungsprogramm<br />
(Y2Y), das in unseren<br />
Projektländern sehr erfolgreich ist.<br />
Eure Erfahrungen damit habt Ihr<br />
jetzt in einem Buch festgehalten.<br />
Was unterscheidet Y2Y eigentlich<br />
von anderen Programmen?<br />
Der grösste Unterschied ist, dass es konsequent<br />
interaktiv ist. In Afrika herrscht<br />
traditionell der Frontalunterricht. Schülerinnen<br />
und Schüler lernen in der Schule<br />
vor allem das Nachplappern von Texten<br />
und nicht, wie sie etwas selbst herausfinden<br />
können oder zu diskutieren. Bei<br />
Y2Y bestimmen die Jugendlichen mit,<br />
was für sie nützlich ist. Sie erzählen von<br />
ihren Herausforderungen, von ihren Problemen<br />
und was sie lernen möchten. Daraufhin<br />
wird das Programm angepasst.<br />
Since 2008 terre des hommes schweiz has elaborated the innovative capacity building program<br />
Youth2Youth based on the Solution Focused Approach (SFA) together with the child psychiatrist<br />
Dr. Therese Steiner. This program helps youth gain self-esteem and experience self-efficacy.<br />
The SF mindset and methodology enables youth to define personal goals and reach them step<br />
by step by using their already existing strengths.<br />
The local partner organizations of terre des hommes schweiz are reaching almost 200 000 youth<br />
every year in Southern Africa, Central and Latin America. Many of these young people are like<br />
coated stones: they carry a treasure inside, they are not aware of, because violence, neglect,<br />
poverty and marginalization makes it impossible for them to recognize their competences and<br />
abilities. The Youth2Youth program was developed especially for this group of young people.<br />
The best practice reader describes in part 1 the implementation of the Youth2Youth program.<br />
It includes voices of participants that have attended the program and tells us about its impact<br />
on their life.<br />
Part 2 presents a toolkit for SFA-facilitators with exercises and ideas that are helpful to make<br />
students understand the principals of SFA.<br />
Part 3 gives a genuine collection of creative methods on how to introduce SF mindset and methodology<br />
through different channels.<br />
The implementation of<br />
the Youth2Youth Program<br />
«Es ist alles möglich, wenn du daran glaubst und mit den Menschen daran arbeitest.»<br />
Youth2Youth The implementation of the Youth2Youth Program – a best practice reader Irene Bush, Therese Steiner<br />
a best practice reader<br />
Youth2Youth<br />
Welchen Effekt hat diese Lehrmethode<br />
auf die Jugendlichen?<br />
Einerseits lernen sie eine eigene Meinung<br />
zu entwickeln und andererseits<br />
auch ihre Meinung zu vertreten. Viele<br />
der Jugendlichen sind anfänglich<br />
so scheu, dass sie sich nicht getrauen<br />
zu reden.<br />
Sich selbst zu behaupten kann je nach<br />
kulturellem Umfeld aber auch schwierig<br />
werden.<br />
Dies war uns von Anfang an bewusst.<br />
Darum werden auch die Verantwortlichen<br />
unserer Partnerorganisationen an<br />
die Y2Y-Kurse eingeladen. Obwohl unsere<br />
Partner die Stärkung der teilnehmenden<br />
Jugendlichen begrüssen, sind<br />
starke Jugendliche auch eine Heraus-<br />
Kurz vorgestellt Irene Bush leitet<br />
die terre des hommes schweiz-Fachstelle<br />
für psychosoziale Unterstützung.<br />
Youth2Youth (Y2Y) ist ein<br />
Ausbildungsprogramm in dem<br />
Jugendliche aus unseren Partnerorganisationen<br />
lernen, den Lösungsorientierten<br />
Ansatz anzuwenden. Sie<br />
lernen, besser zu kommunizieren,<br />
sich Ziele zu setzen und mit ihren<br />
Stärken so umzugehen, dass sie<br />
ihre Ziele auch erreichen. Diese neu<br />
gewonnene Lebenshaltung können<br />
sie auch bei der Arbeit mit anderen<br />
Jugendlichen anwenden.<br />
forderung für die jeweiligen Organisationen<br />
und deren Gemeinden.<br />
Wieso?<br />
Die Stellung der Jugendlichen ist oft<br />
schlecht. Die Evaluation des Y2Y-Programms<br />
hat aber gezeigt, dass sich das<br />
Bild der Jugendlichen in ihrer Gemeinde<br />
dadurch verbessert. Jugendliche,<br />
die eine Ausbildung durchlaufen, engagieren<br />
sich in der Gemeinde. So werden<br />
sie wiederum auch mehr gehört.<br />
Welche Erfahrungen habt Ihr sonst noch<br />
mit Y2Y gemacht?<br />
Wir hätten niemals für möglich gehalten,<br />
dass die Jugendlichen jeweils eine<br />
ihrer Kultur angepasste Version des Lösungsorientierten<br />
Ansatzes entwickeln.<br />
Es ist sehr wichtig, Bezüge zur jeweiligen<br />
Kultur zu schaffen, um dort schon vorhandene<br />
Werte, lösungsorientierte Werte,<br />
zu erkennen.<br />
Welche Lehren hast Du aus den letzten<br />
acht Jahren gezogen?<br />
Es ist alles möglich, wenn du daran<br />
glaubst und mit den Menschen daran<br />
arbeitest. Es lohnt sich, Vertrauen in die<br />
Jugendlichen zu setzen.<br />
Du hast viele Y2Y-Kurse begleitet und<br />
durchgeführt. Welche Momente sind<br />
Dir geblieben?<br />
Es berührt mich immer wieder, zu<br />
sehen, wie sich die Jugendlichen zum<br />
Guten verändern. Da war z.B. eine jun--<br />
ge Frau, die mir anfänglich nicht in die<br />
Augen sehen und mit mir reden konnte.<br />
Mittlerweile ist sie die Direktorin einer<br />
Partnerorganisation, die von Übergriffen<br />
betroffene junge Frauen betreut.<br />
Ein anderes Mädchen war Hausangestellte<br />
und ebenso eingeschüchtert.<br />
Nun macht sie eine Ausbildung zur<br />
Lehrerin und hilft anderen Hausmädchen.<br />
Wir haben einige solche Erzählungen<br />
in unserem Buch festgehalten. Darum<br />
empfehle ich allen zuerst diesen<br />
Teil des Buches zu lesen. Er macht neugierig<br />
darauf zu erfahren, wie so etwas<br />
möglich ist.<br />
Für wen ist dieses Buch geeignet?<br />
Welchen Personenkreis sprecht Ihr<br />
damit an?<br />
Mit dem Buch wollten wir festhalten,<br />
dass man mit Zusammenarbeit ganz<br />
viel erreichen kann. Somit eignet es<br />
sich für alle Organisationen, die mit<br />
Menschen zusammenarbeiten. Menschen,<br />
die schon mit Lösungsorientiertem<br />
Ansatz arbeiten, können neue kreative<br />
Methoden kennenlernen. Das<br />
Buch zeigt, wie Laien ausgebildet werden<br />
können, um anderen zu helfen.<br />
Das Interview führte Filip Zirin<br />
> Youth2Youth ist im Handel zu bestellen:<br />
ISBN 9783743161504<br />
> Das komplette Interview:<br />
www.terredeshommesschweiz.ch/y2yinterview<br />
10 magazin September <strong>2017</strong>
VERMISCHTES<br />
Schweiz<br />
Die Kehrseite des Schweizer<br />
Rohstoffhandels<br />
st. Medienberichte belegen regelmässig, dass Schweizer Firmen in<br />
ihren internationalen Tätigkeiten allzu häufig Menschenrechte und<br />
Umweltstandards verletzen. Deshalb engagiert sich terre des hommes<br />
schweiz in der Konzernverantwortungsinitiative, die gesetzlich verbindliche<br />
Regeln für Konzerne zum Schutz von Mensch und Umwelt fordert.<br />
Diesen Herbst kommt nun der Dokumentarfilm Trading Paradise<br />
des Regisseurs Daniel Schweizer in die Kinos. Er zeigt eindrücklich<br />
die Praktiken der Schweizer Rohstoffhändler auf.<br />
Zur Lancierung des Films finden folgende Spezialveranstaltungen<br />
in Anwesenheit des Regisseurs Daniel Schweizer statt:<br />
•Bern, Montag, 18. September, 20h im Quinnie Movie<br />
•St. Gallen, Dienstag, 19. September, 20h im KinoK<br />
•Solothurn, Mittwoch, 20. September, 20h im Uferbau<br />
•Zürich, Donnerstag, 21. September, 19h30 im Kino Kosmos<br />
•Luzern, Freitag, 22. September, 18h30 im Stattkino<br />
> Weitere Informationen zum Film:<br />
www.cineworx.ch/movie/trading-paradise-2<br />
Danke Jaime<br />
Dambo Júnior!<br />
fz. Am Montag 7. August erreichte uns die Nachricht, dass<br />
unser Koordinator in Moçambique, Jaime Dambo Júnior, nach<br />
kurzer Krankheit verstorben ist. Er hat über drei Jahre für terre des<br />
hommes schweiz gearbeitet und unsere Projekte und das Landesprogramm<br />
Moçambique massgeblich geprägt und weiterentwickelt.<br />
Durch seine gezielte Vernetzungstätigkeit hat er unsere<br />
Arbeit bei Behörden und anderen Partnern in Moçambique<br />
bekannt gemacht und vorangetrieben. Jaime Dambo Júnior<br />
bleibt uns allen als sehr engagierter, einfühlsamer und humorvoller<br />
Mensch in Erinnerung, der stets bemüht war seinen Mitmenschen<br />
zu helfen. Er hinterlässt vier Kinder. Wir sind traurig und<br />
gleichzeitig dankbar für die gemeinsame Zeit. Das ganze Team<br />
und der Vorstand von terre des hommes schweiz drücken seiner<br />
Familie und seinen Freunden unser herzliches Beileid aus.<br />
imagine Festival <strong>2017</strong><br />
Es geht auch anders…<br />
sm. Seit über 15 Jahren findet jährlich das von terre<br />
des hommes schweiz getragene und von Jugendlichen<br />
selbständig organisierte imagine Festival<br />
statt. In dieser Zeit ist es fester Bestandteil der Basler<br />
Jugendkulturszene in der Innenstadt geworden.<br />
Doch dieses Jahr war alles etwas anders. Aufgrund<br />
des Umbaus auf dem Barfüsserplatz suchte<br />
das Team der freiwilligen Jugendlichen einen<br />
neuen Standort für das Festival. Als charmante Alternative<br />
fanden sie das Hafenareal des Holzpark<br />
Klybeck, wo sich der Betreiberverein shift mode als<br />
interessierter Partner anbot.<br />
Das verspielte Areal eignete sich hervorragend,<br />
um auch thematische und kreative Events wie Bodymarbling,<br />
ein Theater mit Menschen mit Fluchthintergrund,<br />
einen Workshop mit einer Pfadfindergruppe<br />
und eine Artperformance durchzuführen.<br />
Auf zwei Bühnen spielten zahlreiche nationale<br />
wie auch internationale Acts. So brachte der britische<br />
Headliner Haus am Samstagabend die Menge<br />
zum Brodeln. Tausende Zuschauerinnen und<br />
Zuschauer kamen auf den Holzpark und waren<br />
begeistert von der friedlichen, ausgelassenen Stimmung<br />
am diesjährigen Festival.<br />
Der Mut, welcher das Team der engagierten<br />
Jugendlichen bewiesen hat, etwas Neues zu wagen,<br />
wurde belohnt. Es war ein aussergewöhnliches<br />
und mitreissendes imagine Festival <strong>2017</strong>.<br />
> Impressionen vom diesjährigen imagine Festival:<br />
www.imaginefestival.ch<br />
Impressum<br />
magazin terre des hommes schweiz<br />
Laufenstrasse 12, Postfach, 4018 Basel<br />
Tel. 061 338 91 38, Fax 061 338 91 39<br />
www.terredeshommesschweiz.ch<br />
info@terredeshommes.ch<br />
PC-Spendenkonto: 40-260-2<br />
IBAN CH18 0900 4000 0260 2<br />
Erscheint 4x im Jahr / Auflage 35 375 Ex.<br />
Abonnement: jährlich CHF 5.–<br />
Redaktion: Sascha Tankerville<br />
Korrektorat: Sylvia Valentin<br />
Gestaltung: Michèle Minet<br />
Druck: Gremper AG, Pratteln<br />
Fotos wenn nicht anders angegeben:<br />
terre des hommes schweiz.<br />
S. 2 rechts: zVg<br />
magazin September <strong>2017</strong> 11
NACHGEFRAGT<br />
«Habt den Mut, alte Zöpfe<br />
abzuschneiden»<br />
Sieben Jahre hat Frederick Dürr sich bei imagine, unserem<br />
Jugendprojekt in der Schweiz, engagiert. Nach einem Jahr als<br />
Freiwilliger in zwei Arbeitsgruppen (AG) wurde er Mitglied des<br />
Organisationskomitees (OK). Als Verantwortlicher der AG Programm<br />
war er die letzten vier Jahre für die Gestaltung des Programms<br />
für das imagine Festival verantwortlich und dafür,<br />
dass das Festival auch immer über die nötigen Bewilligungen<br />
verfügte. Nun tritt er, 24, zurück, um sich der Booking- und<br />
Managementagentur für Musiker zu widmen, die er mit ein<br />
paar Freunden gegründet hat.<br />
Frederick Dürr, wie kamst Du 2010 zu imagine?<br />
Das imagine Festival kannte ich vorher als Besucher und<br />
wusste vor allem, dass es sich gegen Rassismus engagiert.<br />
Ich interessierte mich für Musik und die Organisation<br />
von Musikevents. Ein Studienkollege meiner Schwester,<br />
der damals im OK war, erzählte mir dann, dass sie Leute<br />
suchen, die bei imagine mitmachen möchten. Ich stand<br />
am Anfang meines letzten Gym-Jahres und hatte etwas<br />
Zeit übrig. So stieg ich bei zwei Arbeitsgruppen ein. Danach<br />
wurde imagine sehr schnell zu einem sehr intensiven<br />
Hobby.<br />
Warum? Was hat Dich so reingezogen?<br />
Wenn das Festival nach einem arbeitsintensiven Jahr der<br />
Vorbereitung stattfindet und alles klappt, das ist schon<br />
etwas ganz Besonderes. Bei imagine konnte ich mich<br />
von Anfang an in den AGs und im OK einbringen. Wenn<br />
ich eine Idee umsetzen wollte, wurde das gefördert. Nie<br />
wurden mir Steine in den Weg gelegt. Es ist ein tolles<br />
Gefühl, wenn das, was man einbringt, geschätzt wird.<br />
Was nimmst Du aus sieben Jahren imagine für dich mit?<br />
Extrem viel. Bei imagine habe ich gelernt, partizipativ<br />
mit vielen verschiedenen Leuten zusammenzuarbeiten,<br />
mit denen ich vielleicht sonst nie etwas zu tun gehabt<br />
hätte, und Verantwortung zu übernehmen. Dabei war<br />
es besonders wichtig, mit den anderen zu kommunizieren,<br />
auf ihre Ressourcen einzugehen und mich auch mal<br />
anzupassen. Manchmal muss man erkennen, dass man<br />
etwas nicht so durchziehen kann wie geplant. Dann muss<br />
man sich mit der Thematik neu befassen und einen neuen<br />
Blickwinkel suchen.<br />
Wie ist es für Dich jetzt aufzuhören? Hast Du einen Tipp,<br />
den Du den jüngeren imagine-Machern mit auf den Weg<br />
geben würdest?<br />
Es ist gut, jetzt, nach sieben Jahren, aufzuhören. Ich freue<br />
ich mich schon darauf, das imagine Festival zum ersten<br />
Mal wieder aus einer anderen Perspektive, als Besucher,<br />
zu erleben. Es ist schön, die Verantwortung für so eine<br />
Stelle jemandem anderem weiterzugeben und zu wissen,<br />
sie ist in guten Händen und imagine lebt weiter. Mein<br />
Rat an sie? Habt den Mut, alte Zöpfe abzuschneiden und<br />
neu anzufangen. Habt den Mut, Fehler zu machen und<br />
bleibt offen für Neues.<br />
Das Interview führte Sascha Tankerville<br />
Perspektiven für Jugendliche<br />
Sinnvoll schenken – doppelte Freude bereiten!<br />
Geschenk-Urkunde<br />
für Leonie Muster<br />
Mit dieser Spende kann terre des hommes schweiz<br />
notleidenden Kindern und Jugendlichen in Afrika und<br />
Lateinamerika neuen Lebensmut schenken.<br />
Herzlichen Dank!<br />
Liebe Leonie<br />
ich wünsche Dir von Herzen<br />
alles Gute zum Geburtstag!<br />
Deine Freundin Christa<br />
Suchen Sie kurzfristig eine Geschenkidee für einen<br />
besonderen Menschen? Verschenken Sie eine Geschenkspende!<br />
Sie bereiten damit doppelte Freude: Dem<br />
Beschenkten und benachteiligten Kindern und Jugendlichen<br />
in Afrika und Lateinamerika. Gehen Sie auf<br />
www.terredeshommesschweiz.ch/geschenkspende,<br />
wählen Sie den gewünschten Spendenbetrag,<br />
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Ihr persönliches Geschenk.<br />
12 magazin September <strong>2017</strong>