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9. März 2021

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Geschichte<br />

13<br />

der prachtvolle Ausbau des Schlosses<br />

Spiez zu verdanken. Er wurde<br />

1629 zum Schultheiss von Bern ernannt<br />

und diente der Republik<br />

Bern und der Eidgenossenschaft<br />

in der schwierigen Zeit des Dreissigjährigen<br />

Krieges als Vermittler<br />

und Gesandter. Aus heutiger Sicht<br />

vermag der Umstand, dass er mit<br />

zwei Ehefrauen nicht weniger als<br />

35 (!) Kinder zeugte, allerdings etwas<br />

befremdlich wirken. Zumal<br />

zehn dieser Nachkommen bereits<br />

bei der Geburt oder im Kindesalter<br />

starben.<br />

In einem Kaufbrief von 1630<br />

nennt sich Franz Ludwig d. J. als<br />

Mitherr von Bümpliz. Er hatte offensichtlich<br />

von seinem Vater zu<br />

dessen Lebzeiten die eine Herrschaftshälfte<br />

geerbt. Die zweite<br />

Herrschaftshälfte erwarb er von<br />

den Nachkommen seiner Schwester<br />

Johanna, die an Pest gestorben<br />

war. Offensichtlich beeinflusst<br />

durch die rege Bautätigkeit seines<br />

Vaters vor allem in Spiez und<br />

Schadau, intensivierte er den Ausbau<br />

des Schlosses Bümpliz. Durch<br />

Heirat mit drei vermögenden<br />

Frauen gelangte er zu finanziellen<br />

Mitteln, die ihm angesichts der<br />

zahlreichen Geschwister vermutlich<br />

nicht zugestanden wären. Inwieweit<br />

der Tod von sieben seiner<br />

Schwestern im Pestjahr 1528 die<br />

Erbmasse beeinflusste, ist heute<br />

nicht mehr zu ermitteln.<br />

Franz Ludwig d. J. erlangte 1635<br />

das einträgliche das Amt eines Gubernators<br />

von Aelen (Landvogt<br />

von Aigle) und erlebte kurze Zeit<br />

danach eine Amtsentsetzung wegen<br />

Ehebruchs. Er verbrachte vermutlich<br />

seine letzten fünf Jahre<br />

bis zu seinem Tod im Jahre 1650<br />

auf Schloss Bümpliz. Er musste<br />

nicht mehr erleben, wie sein Sohn<br />

und Nachfolger Franz Ludwig III.<br />

wegen Todschlags mit der Verbannung<br />

aus der Republik Bern bestraft<br />

wurde (1667) und seine<br />

Herrschaftsrechte an Jakob Tillier<br />

verkaufte. Damit endete die Geschichte<br />

der Patrizierfamilie von<br />

Erlach auf Schloss Bümpliz.<br />

Bau und Untergang des Erkers<br />

Im Zusammenhang mit dem erwähnten<br />

Bau des Nordwestflügels<br />

(heute: parallel zu Bümplizstrasse)<br />

und des Nordostflügels (heute: parallel<br />

zu Klinik Permanence) eröffnete<br />

sich die Möglichkeit, das eher<br />

trutzige Erscheinungsbild des<br />

Schlosses mit dem Anfügen eines<br />

Erkers entscheidend aufzuwerten.<br />

Die geringe Tiefe von 80 Zentimetern<br />

erlaubt keine wesentliche<br />

Nutzung für Wohnzwecke, vermittelt<br />

indes von aussen den gewünschten<br />

Effekt von Pracht.<br />

Dazu trug auch der das Dach überragende<br />

Turm mit Glockenhaube<br />

und verglasten farbigen Ziegeln<br />

bei. Der Fenstersturz mit dem Allianzwappen<br />

von Erlach und von<br />

Wattenwyl sowie der Jahreszahl<br />

1632 bildete das wichtigste Element<br />

der Aussenwand.<br />

Das Jahr 1632 hatte im Übrigen<br />

eine besondere Bedeutung für den<br />

Schlossherr Franz Ludwig d. J.: Es<br />

bedeutete den Abschluss der wichtigsten<br />

baulichen Veränderungen<br />

für lange Zeit, im gleichen Jahr<br />

verstarb seine erste Frau Elisabeth<br />

von Chambrier, er heiratete seine<br />

zweite Frau Esther von Wattenwyl<br />

und wurde Vater seines Sohnes<br />

Franz Ludwig III. aus zweiter Ehe.<br />

Wahrlich eine Fülle von Ereignissen,<br />

deren Inhalt Stoff für eine<br />

Filmromanze liefern könnte …<br />

Erker mit Allianzwappen von Erlach-von Wattenwyl von 1632.<br />

Hatte der rund um das Schloss<br />

verlaufende Wassergraben im 17.<br />

Jahrhundert noch eine gewisse<br />

fortifikatorische Bedeutung – gelegentliche<br />

Raubzüge von marodierenden<br />

Soldaten aus dem 30-jährigen<br />

Krieg waren nicht selten – so<br />

setzte ab der Mitte des 18. Jahrhunderts<br />

eine stete Verlandung<br />

beziehungsweise Aufschüttung<br />

des Grabens ein. In diese Zeit fällt<br />

auch der mutmassliche Fall des<br />

Erkers in die Senke. Der Zugang<br />

im 1. und 2. Stock wurde vermauert<br />

und die Erinnerung an das<br />

einstige Juwel schwand. Der Totalabbruch<br />

der südseitigen Gebäudeteile<br />

(heute: Seite Indermühleweg),<br />

die als billigen Steinbruch<br />

für den Bau des Neuen Schlosses<br />

verwendet wurden, beschleunigte<br />

den optischen Niedergang des Alten<br />

Schlosses. Die Titulare der<br />

Herrschaft Bümpliz wohnten fortan<br />

im Neuen Schloss (Eröffnung<br />

1742); im bisherigen Gebäude verblieben<br />

die Dienstboten. Dies blieb<br />

auch nach dem Ende der Herrschaft<br />

durch die gnädigen Herren<br />

und der Nutzung der beiden<br />

Schlösser durch bürgerliche Organisationen<br />

so.<br />

Mit dem Kauf des Alten und des<br />

Neuen Schlosses durch Johann<br />

Friedrich Albrecht Tribolet im Jahre<br />

1839 erhielt das Alte Schloss erneut<br />

ein stark verändertes Aussehen.<br />

Die bisherigen Wirtschaftsund<br />

Gewerberäume wurden zu<br />

Patientenzimmern für seine Privatklinik<br />

umgebaut. Der einstige<br />

Wassergraben diente nun als Garten,<br />

die Überreste des ehemaligen<br />

Erkers lagen unerkannt unter der<br />

Erdoberfläche.<br />

Ein Brand beschert eine<br />

wundersame Entdeckung<br />

1954 bot die Gemeinnützige Genossenschaft<br />

als Betreiberin der<br />

ehrenamtlich geführten Gemeindestube<br />

das Alte Schloss der Stadt<br />

zum Kauf an. Der Kaufpreis betrug<br />

79 800 Franken und entsprach<br />

dem amtlichen Wert. Verschiedene<br />

Nutzungsvorschläge endeten<br />

ergebnislos und das Gebäude zerfiel<br />

zusehends. Obwohl dringend<br />

nötige Unterhalts- und Reparaturarbeiten<br />

unumgänglich erschienen,<br />

verstrich bis zur Renovation<br />

ein weiteres Vierteljahrhundert.<br />

Der Anstoss zum Umbau kam<br />

schliesslich von Seiten der Archäologie.<br />

Der nachmalige Kantonsarchäologe<br />

Hans Grütter empfahl<br />

die Aushebung des einstigen Wassergrabens<br />

und sprach vom zweitwichtigsten<br />

Wasserschloss des<br />

Kantons Bern (was ehrlicherweise<br />

erwähnt werden muss: nebst<br />

Bümpliz verfügt der Kanton nur<br />

noch über ein Wasserschloss,<br />

nämlich die Landshut).<br />

Die in Angriff genommenen Planungsarbeiten<br />

durch das Architekturbüro<br />

Rausser & Clemençon<br />

erfuhren am 1<strong>9.</strong> November 1976<br />

einen jähen Unterbruch: Zeuselnde<br />

Buben entfachten in einem<br />

leerstehenden Raum ein Feuerchen,<br />

das sich zu einem Grossbrand<br />

entwickelte. Mit Ausnahme<br />

des angesengten Dachstocks im<br />

Torturm fiel ein Grossteil der bewohnbaren<br />

Gebäudeteile dem<br />

Feuer zum Opfer. Das vermeintliche<br />

Unglück erwies sich im Nachhinein<br />

als Glücksfall: Die subtile<br />

Annäherung an die einstigen Umbauten<br />

des 17. Jahrhunderts des<br />

Franz Ludwig von Erlach d. J.<br />

durch die Architekten, insbesondere<br />

aber auch die Wiederherstellung<br />

des Wassergrabens, ermöglichten<br />

eine Renaissance des wichtigsten<br />

historischen Gebäudes von<br />

Bümpliz. Der absolute Höhepunkt<br />

der Umbauarbeiten wurde indes<br />

erreicht, als bei den Grabungsarbeiten<br />

zum neuen Wassergraben<br />

Zeugen des ehemaligen Erkers<br />

entdeckt wurden, nämlich drei<br />

von vier Konsolen samt Bodenplatte<br />

sowie als wichtigstes Element<br />

der sorgfältig gehauene<br />

Fenstersturz mit Allianzwappen<br />

und der Jahreszahl 1632. Diese<br />

Fragmente bildeten die Grundlage<br />

für weitere Nachforschungen zum<br />

längs verschollenen Gebäudeteil.<br />

Im Oktober 1980 erhielt die Bevölkerung<br />

des gelegentlich wegen<br />

ihrer vielen Neubausiedlungen<br />

kritisierten Stadtteils VI ein Kleinod,<br />

das zu den schönsten historischen<br />

Bauten des Kantons gehört.<br />

Franz Ludwig von Erlach d. J. und<br />

zwei zeuselnden Buben sei Dank!<br />

Max Werren

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