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AUGENBLICK, BITTE!

Ein Ratgeber rund um die Augengesundheit.

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Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

LHON (Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie)<br />

„Und plötzlich war ich blind“<br />

Lennart Sass ist 21 Jahre<br />

alt, studiert Jura und strotzt<br />

vor Optimismus – und das,<br />

obwohl er aufgrund einer<br />

sehr seltenen mitochondrialen<br />

Augenerkrankung vor<br />

vier Jahren fast vollständig<br />

erblindete. Im Interview<br />

erzählt er uns, wie er sein<br />

Leben mit der Erkrankung<br />

LHON meistert und warum<br />

er sich als Vorstandsvorsitzender<br />

des Selbsthilfevereins<br />

LHON Deutschland<br />

e. V. mit vollem Einsatz der<br />

Vernetzung Betroffener<br />

widmet.<br />

Text Hanna Sinnecker<br />

Herr Sass, Sie sind betroffen von der seltenen<br />

Augenerkrankung LHON (kurz für Lebersche<br />

Hereditäre Optikus-Neuropathie). Wann haben<br />

Sie das erste Mal bemerkt, dass sich Ihre Sehkraft<br />

verändert, und wie haben sich die Veränderungen<br />

bemerkbar gemacht?<br />

Meine LHON-Geschichte beginnt im Sommer 2016,<br />

als ich beim Handballspielen erstmalig ein kräuseliges<br />

Flimmern bzw. ein Fliegengitter im Sichtfeld<br />

wahrgenommen habe, ähnlich wie bei starker Sonneneinstrahlung.<br />

Ich habe das dann auf den heißen<br />

Sommer zurückgeführt und dachte, dass das wohl<br />

einfach mein Kreislauf sei. Handball ist ein intensiver<br />

Sport, ich habe mir also erst mal wenig dabei<br />

gedacht und bin kurz darauf in den Urlaub geflogen.<br />

Dort verschlimmerte sich mein Sehen jedoch weiter<br />

und ich suchte noch in Kroatien eine Augenärztin<br />

auf. Das Ergebnis war, dass meine Sehkraft schon<br />

sehr stark eingeschränkt war, sie betrug rechts nur<br />

noch 5% und links 20%. Danach ging alles recht<br />

schnell, wir flogen zurück nach Deutschland, wo<br />

dann nach umfangreichen Untersuchungen die<br />

genetisch gesicherte Diagnose LHON gestellt wurde.<br />

Wie lang hat es bei Ihnen bis zur Diagnose gedauert?<br />

Bei mir ging es tatsächlich recht schnell. Vom<br />

Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnose hat<br />

es sechs Wochen gedauert. Allerdings war der Weg<br />

bis dahin recht holperig und von vielen Ungewissheiten<br />

begleitet. Vom Hirntumor bis zur Multiplen<br />

Sklerose standen viele Diagnosen im Raum, bis wir<br />

dann über eine Familienanamnese auf die erblich<br />

bedingte Augenerkrankung LHON gestoßen sind<br />

und über einen Gentest die Diagnose gestellt werden<br />

konnte.<br />

Der Diagnoseweg ist oft sehr individuell.<br />

Wie lange dauert es Ihrer Erfahrung nach<br />

durchschnittlich bis zur richtigen Diagnose?<br />

Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, zum<br />

Beispiel ob es bereits ähnliche Fälle in der Familie<br />

gegeben hat oder ob die Symptome so klar sind, dass<br />

sie auf die Erkrankung schließen lassen. Zudem<br />

ist die Erkrankung aufgrund der Seltenheit unter<br />

Augenärzten nicht sehr bekannt, somit denken<br />

viele Ärzte auch nicht gleich an LHON, wenn sie mit<br />

einem Patienten konfrontiert sind, der die typischen<br />

Symptome aufweist. Ich kenne Geschichten von<br />

Betroffenen, die anders als ich einen jahrelangen<br />

Leidensweg hinter sich bringen mussten, bis eine<br />

Diagnose gestellt werden konnte.<br />

Die typischen Symptome der LHON sind ein rascher,<br />

meist zentraler schmerzloser Sehverlust, im zentralen<br />

Gesichtsfeld mit umgekehrtem Tunnelblick (in<br />

≈ 1<br />

von 50.000 bis 100.000<br />

Menschen ist von einer<br />

LHON betroffen.<br />

der Bildmitte sieht man meist nichts mehr, am Rand<br />

nur noch sehr unscharf). Betroffene sind also meist<br />

stark sehbehindert bis blind. Die Erkrankung tritt<br />

überwiegend im jungen Erwachsenenalter auf, statistisch<br />

erkranken fünfmal mehr Männer als Frauen.<br />

Zudem wird LHON mütterlich vererbt, sodass auf<br />

ähnliche Fälle in der Familie der Mutter geachtet<br />

werden sollte (Familienanamnese).<br />

Welche Auswirkungen hat die Erkrankung auf Ihren<br />

Alltag und in welcher Form finden Sie Unterstützung,<br />

zum Beispiel durch Hilfsmittel oder eine Behandlung?<br />

So ein Schicksalsschlag stellt einen natürlich vor neue<br />

Herausforderungen. Da man 80% und mehr über visuelle<br />

Reize wahrnimmt, ist eine Seheinschränkung dieser<br />

Intensität ein erheblicher Einschnitt. Ich habe das mit<br />

meiner besten Kraft und einem starken Umfeld versucht<br />

zu kompensieren und diesen neuen Weg zu gehen.<br />

Zu Beginn ist alles Neuland, man muss große Hürden nehmen,<br />

um sich ein neues Fundament aufzubauen, auf dem<br />

man sicher stehen kann. Bei LHON kommt hinzu, dass<br />

man die Chance auf eine Verbesserung der Symptome hat.<br />

Hoffnung kann aber auch ein schwerer Begleiter sein.<br />

Seit der gesicherten Diagnose bin ich in Behandlung<br />

und werde medikamentös therapiert. Während meines<br />

Jura-Studiums habe ich Assistenten, die mich unterstützen,<br />

barrierefrei zu studieren. Zudem nutze ich klassische<br />

Hilfsmittel wie einen Blindenstock, technisch einen<br />

Screenreader für mein Handy und meinen Laptop,<br />

zusätzlich hat mein Laptop eine Braillezeile, falls es mit<br />

der Audioausgabe mal schwierig sein sollte. Außerdem<br />

habe ich mir in einer blindentechnischen Grundausbildung<br />

verschiedene Fertigkeiten angeeignet, die bei der<br />

Alltagsbewältigung helfen. Mit all diesen Hilfen komme<br />

ich trotz meiner Einschränkung so selbstständig und<br />

unabhängig wie möglich durch den neuen Lebensalltag.<br />

Sie sind Vorstandsvorsitzender des Selbsthilfevereins<br />

LHON Deutschland e. V. Welche Rolle spielt in Ihrer<br />

Erfahrung der Austausch mit anderen Betroffenen?<br />

Der persönliche Austausch hat eine sehr hohe Bedeutung.<br />

Es handelt sich um eine sehr seltene Erkrankung, wodurch<br />

der Kreis an potenziellen Austauschpartnern schon mal<br />

recht klein ist. Daher ist man für jeden Kontakt dankbar,<br />

den man zu anderen Betroffenen knüpfen kann. Wir<br />

schaffen daher Möglichkeiten, sich untereinander auszutauschen<br />

und darüber sprechen zu können, wie man<br />

den Alltag bewältigt, wie man überhaupt mit diesem

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