rik April / Mai 2021
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26 GESELLSCHAFT<br />
NACHGEFRAGT<br />
FOTO: RA DRAGON / CC0<br />
QUEER REFUGEES:<br />
Wir schaffen das. Nicht?<br />
Sie sind alarmierend, die<br />
Ergebnisse einer Studie zu den<br />
Gewaltschutzkonzepten in den<br />
Unterkünften für Geflüchtete in<br />
den 16 Bundesländern. Queere Geflüchtete<br />
werden besonders häufig Opfer von<br />
Gewalt und gelten in Deutschland als<br />
schutzbedürftige Gruppe. In den Maßnahmen<br />
der Bundesländer schlägt sich das<br />
nur erschreckend unzureichend nieder, wie<br />
jetzt der LSVD berichtet. Wir fragten bei<br />
Patrick Dörr vom Bundesvorstand nach.<br />
Was hat dich an den Ergebnissen<br />
eurer Studie am meisten überrascht?<br />
Dass zum Zeitpunkt der Studie nur 9 von<br />
den 16 Bundesländern überhaupt über<br />
ein Gewaltschutzkonzept verfügten, war<br />
meiner Mitautorin Alva Träbert und mir im<br />
Grunde klar gewesen. Inzwischen sind es<br />
immerhin elf Landesgewaltschutzkonzepte.<br />
Das heißt aber auch, dass sich fünf<br />
Bundesländer immernoch keine solchen<br />
Vorgaben zum Schutz Geflüchteter gegeben<br />
haben! Überrascht hat mich allerdings,<br />
dass sich auch in den vorliegenden neun<br />
Gewaltschutzkonzepte nur ein Bruchteil<br />
der Schutzmaßnahmen für LSBTI-<br />
Geflüchtete wiederfindet, die bundesweit<br />
als Mindeststandards identifiziert wurden.<br />
Welche Probleme haben queere<br />
Geflüchtete in den Unterkünften?<br />
Das größte Problem ist sicherlich, dass<br />
ein offenes Leben als LSBTI-Person in<br />
den Sammelunterkünften der Länder und<br />
Kommunen praktisch kaum möglich ist. Zu<br />
groß ist einfach die Gefahr, ausgegrenzt<br />
oder Opfer von LSBTI-feindlicher Gewalt<br />
zu werden. Dies bedeutet mitnichten, dass<br />
die anderen Bewohner*innen in der Unterkunft<br />
alle homo- oder transphob sind. Die<br />
Erfahrungen aus unserem bundesweiten<br />
LSVD-Projekt „Queer Refugees Deutschland“<br />
zeigen: Es reicht schon, wenn nur<br />
eine Person massiv LSBTI-feindlich<br />
eingestellt ist, um das Leben in der<br />
Sammelunterkunft zur Hölle zu machen.<br />
Fast alle queeren Geflüchteten versuchen<br />
daher, nicht als queer aufzufallen, viele<br />
isolieren sich vollkommen.<br />
Es scheint ein häufiges Problem zu<br />
sein, dass geflüchtete Queers kein<br />
Vertrauen in staatliche Hilfsangebote<br />
haben. Woran liegt das und was<br />
kann man dagegen tun?<br />
Circa drei Viertel der nach Deutschland<br />
geflüchteten Personen kommen aus<br />
Ländern, in denen der Staat queere Personen<br />
systematisch per Gesetz verfolgt.<br />
Dass queere Geflüchtete dann wenig<br />
Vertrauen in staatliche Hilfsangebote<br />
haben, wundert nicht. Umso wichtiger<br />
ist es daher, dass sie in der Nähe queerer<br />
Organisationen untergebracht werden. Oft<br />
sind dies die einzigen Stellen, in die sie das<br />
nötige Vertrauen haben, um ihre Probleme<br />
anzusprechen.