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WIKO – Wirtschaftskompass Altmühlfranken Ausgabe 2021

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WIKO

benachbarte Schwaben und nach

Oberbayern in vielen Branchen unterentwickelt.

Nun höre ich schon die mahnenden

Rufe, doch nicht immer alles schlechtzureden.

Und bestimmt findet sich irgendwo

im Frankenwald oder Fichtelgebirge,

in Mecklenburg-Vorpommern

oder in Ostfriesland ein Landkreis,

der noch schlechtere Strukturdaten

aufweist. Ja, so einfach kann man es

sich natürlich machen. Das wäre dann

aber in etwa so, als würde ein Kranker

seinen Zustand ignorieren, mit dem

Argument, er kenne jemanden, dem es

noch viel schlechter gehe als ihm.

Apropos Krankheit. Für die Lebensqualität

der Einheimischen und als

weicher Standortfaktor ist die medizinische

Versorgung wesentlich. Auch

da tun sich dringende Handlungsfelder

auf, die bislang weder Leserbriefschreiber

noch Politiker beackern:

• Der Landkreis ist mit Augen-, Hautund

Kinderärzten gravierend unterversorgt.

• Die Entbindungsstation am Weißenburger

Krankenhaus, die einzige

weit und breit, ist in akuter Gefahr,

weil ein Belegarzt sich in Ruhestand

setzen will und keine Nachfolger

findet, die Geburtshilfe leisten wollen.

Jungen Frauen droht daher,

dass sie zum Kinderkriegen bald in

Kliniken nach Ingolstadt, Ansbach,

Roth oder Donauwörth fahren müssen.

• Der durchschnittliche, niedergelassene

Hausarzt (respektive Hausärztin)

im Landkreis ist 57 Jahre alt. Im

Raum Weißenburg sind ein Drittel,

im Raum Gunzenhausen sieben von

24 Medizinern älter als 60 Jahre.

Die Quintessenz aus alledem?

Es muss sich etwas tun. Die Blickwinkel

müssen neu justiert werden, die

Selbstzufriedenheit muss einer gesunden

Unruhe, einem Ehrgeiz weichen,

die Dinge zu verbessern. Es

braucht ein regionales Entwicklungsprogramm,

eine klar formulierte und

definierte Vorstellung, was wie erreicht

werden soll. Nein, es braucht nicht

schon wieder neue Gutachten, nein, es

muss auch kein zusätzliches Personal

her, kein Zweckverband muss gegründet

werden und auch nicht gleich nach

dem Staat gerufen werden. Vielmehr

müssen Handlungsfelder definiert,

vorhandene Kompetenzen in den Wirtschafts-

und Interessenverbänden

gebündelt und Aufbruchsstimmung

angefacht werden.

Einen solchen Prozess anzustoßen, ist

vornehmlich die Aufgabe von Landrat,

Bürgermeistern, Abgeordneten und

Kreispolitikern. Aber eben nicht nur.

Auch die Bevölkerung muss ein Bewusstsein

dafür entwickeln. Und vielleicht

sich nebenher von einem seit der

Flutung der Seen vorhandenen Irrglauben

verabschieden: Der Tourismus ist

nicht der wichtigste Wirtschaftszweig

in diesem Landkreis, bei Weitem nicht.

Und er wird es in absehbarer Zeit auch

nicht werden.

Uwe Ritzer, 55, ist Wirtschaftskorrespondent

der Süddeutschen

Zeitung. Der Weißenburger wurde

vom Medium-Magazin in die Top

Ten der deutschen Wirtschaftsjournalisten

gewählt. und gilt als

einer der renommiertesten Journalisten

des Landes. Für WIKO

schreibt er Analysen zur Lage des

Landkreises. Das Geschehen vor

Ort verfolgt Ritzer intensiv. Nicht

nur, weil er nach wie vor in Weißenburg

lebt, sondern auch weil er die

Zusammenhänge aus seiner Zeit

als Redaktionsleiter des Weißenburger

Tagblatts bestens kennt.

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