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(Photo by Tania Fernandez on Unsplash)<br />
IM FOKUS XXX<br />
New York, Freiheitsstatue – für viele Auswanderer war dies am Ostersonntag 1921 der erste Blick auf ihre neue Heimat<br />
Ostern in der „Neuen Welt“<br />
Auswanderer aus unserem Land. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des<br />
Burgenlandes erzählt Ahnenforscher Herbert Rehling aus Bad Tatzmannsdorf<br />
über Einzelschicksale von Auswanderern, die in Amerika ihr Glück gesucht<br />
haben. Für einige war der Ostersonntag des Jahres 1921 ein<br />
New York, Freiheitsstatue (Photo by Tania Fernandez on Unsplash)<br />
besonderer.<br />
Herbert Rehling<br />
geb. 1946 wohnt in<br />
Bad Tatzmannsdorf. Er war<br />
Lehrer am Gymnasium Oberschützen<br />
für Mathematik,<br />
Physik und Chemie und war<br />
25 Jahre bei Siemens PSE<br />
unter anderem in der Software-Entwicklung<br />
tätig. Seit<br />
1992 beschäftigt er sich mit<br />
Ahnenforschung. Ebenso mit<br />
Naturwissenschaften, Religionen<br />
und Geschichte. Er ist<br />
Autor des Buches: „Die BIBEL<br />
– Das steht wirklich drin?“<br />
www.rehling.weebly.com<br />
https://www.facebook.<br />
com/BibelEndlichVerstehen<br />
Ende des 19. und Anfang des<br />
20. Jahrhunderts sind zehntausende<br />
Menschen aus unserem<br />
Land emigriert. Bereits in den<br />
Zeiten der Monarchie machten<br />
sich viele aus unserem Land<br />
auf der Suche nach Arbeit vor<br />
allem nach Budapest auf, ein<br />
kleinerer Teil zog auch nach<br />
„Österreich“, insbesondere nach<br />
Wien. Beide Städte waren zwar<br />
im Sinne der Mobilität von<br />
einst recht weit weg vom Heimatort,<br />
aber die Verbindung<br />
zur Heimat war meist nicht<br />
völlig gerissen.<br />
Ganz anders war die Situation,<br />
wenn man sich auf die Reise<br />
in ein fernes Land einlassen<br />
musste, wenn man beispielsweise<br />
nach „Amerika“ fuhr. Die<br />
Heimat niemals wiederzusehen,<br />
war für fast alle Auswanderer<br />
von Anfang an gewiss. Die<br />
Tränen flossen, nicht nur bei<br />
jenen, die Abschied für immer<br />
nahmen, auch bei den Zurückgebliebenen,<br />
den Eltern, den<br />
Geschwistern, den Bekannten.<br />
Nach dem Abschied von<br />
Zuhause und der manchmal<br />
wochenlangen Überfahrt, wie<br />
war die Stimmung, wenn man<br />
an einem „hohen“ Feiertag am<br />
Ziel ankam? Wenn man wusste,<br />
dass die Verwandten sich zu<br />
Hause vielleicht gerade zum<br />
Kirchgang anschickten, um<br />
auch für die „verlorenen“ Söhne<br />
und Töchter zu beten?<br />
Angekommen<br />
Im Jahr 1921 fiel der Ostersonntag<br />
auf den 27. März.<br />
An diesem Tag legte ein<br />
Dampfer mit Burgenländerinnen<br />
und Burgenländern<br />
an Bord im Hafen von New<br />
York an. Möglicherweise war<br />
ihnen gar nicht bewusst, dass<br />
ihr Heimatland neuerdings<br />
„Burgenland“ heißen sollte;<br />
wichtig war, dass sie endlich<br />
in der „Neuen Welt“ gelandet<br />
waren. Die Einwanderer<br />
blickten mit großen Augen<br />
auf die riesigen Gebäude der<br />
Stadt, die „Wolkenkratzer“, die<br />
ihnen sicher wie ein Wunder<br />
erschienen. Dann wurde<br />
ihre Aufmerksamkeit auf die<br />
strengen Kontrollen bei der<br />
Einwanderungsbehörde von<br />
Ellis Island gelenkt. Würden<br />
sie zurückgewiesen, vielleicht<br />
wegen einer Krankheit oder<br />
weil sie andere Auflagen nicht<br />
erfüllen konnten?<br />
Nach eingehender Inspektion<br />
durften am Ostersonntag 1921<br />
aus Oberwart einreisen: Fuith<br />
Maria, geb. Zambo, mit ihren<br />
Kindern Maria und Julius.<br />
Zehn Tage waren sie auf der<br />
Lapland von Antwerpen nach<br />
New York unterwegs gewesen,<br />
für die Kinder ein echtes<br />
Abenteuer. Ihre Mutter musste<br />
eher an die Zukunft denken,<br />
waren sie doch auf dem Weg<br />
zu ihrem Gatten bzw. Vater,<br />
der in Oberwart Besitzer des<br />
Hammerwerks an der Pinka<br />
gewesen war und 1911 nach<br />
Amerika gegangen war. In St.<br />
Paul, Minnesota, hatte er sich<br />
eine Existenz aufgebaut und<br />
wartete sehnsüchtig auf die<br />
lang vermisste Familie, von der<br />
er kriegsbedingt jahrelang getrennt<br />
gewesen war. Mit dabei<br />
auf dem Weg zu ihrem Onkel<br />
in Minnesota war auch Anna<br />
Gaal aus Oberwart.<br />
Auf demselben Schiff kamen<br />
am Ostersonntag, 27. März<br />
1921, auch die Schwestern Gisela<br />
und Helene Haselbacher<br />
aus Unterwart an. Ihr Reiseziel<br />
war Detroit, Michigan, wo ihr<br />
Bruder Stefan seit 1912 beschäftigt<br />
war.<br />
Ein weiterer Passagier auf<br />
dem Schiff war Dr. Bernhard<br />
Geiger, ein bedeutender<br />
Wissenschaftler und Professor<br />
für Iranische und Indische<br />
Philologie an der Philosophischen<br />
Fakultät der Universität<br />
Wien. Geboren 1881 in Bielitz<br />
(heute: Bielsko-Biala, Polen) in<br />
eine jüdische Familie, musste<br />
er nach langem, erfolgreichem<br />
Schaffen in Wien im Jahr 1938<br />
seine Lehrtätigkeit einstellen.<br />
Er floh als politisch Verfolgter<br />
noch im selben Jahr nach New<br />
York, wo er weiterarbeiten<br />
konnte. Dort starb er im Jahr<br />
1964 als einer der zahlreichen<br />
„altösterreichischen“ Gelehrten,<br />
die aus unserem Land vertrieben<br />
worden waren.<br />
Dr. Geiger war am Ziel seiner<br />
Reise; er besuchte seinen Vater<br />
in New York. Für die soeben<br />
angekommenen Burgenländerinnen<br />
und Burgenländer<br />
ging die Reise jedoch weiter,<br />
für die Haselbacher-Schwestern<br />
aus Unterwart fast 1.000<br />
km nach Detroit bzw. für Frau<br />
Fuith und ihre Kinder etwa<br />
doppelt so weit nach St. Paul,<br />
Minnesota. Ob da Zeit und<br />
Lust blieb, das Osterfest zu<br />
feiern? Herbert Rehling<br />
20 APRIL <strong>2021</strong><br />
www.prima-magazin.at