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Prima Magazin - Ausgabe April 2021

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(Photo by Tania Fernandez on Unsplash)<br />

IM FOKUS XXX<br />

New York, Freiheitsstatue – für viele Auswanderer war dies am Ostersonntag 1921 der erste Blick auf ihre neue Heimat<br />

Ostern in der „Neuen Welt“<br />

Auswanderer aus unserem Land. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des<br />

Burgenlandes erzählt Ahnenforscher Herbert Rehling aus Bad Tatzmannsdorf<br />

über Einzelschicksale von Auswanderern, die in Amerika ihr Glück gesucht<br />

haben. Für einige war der Ostersonntag des Jahres 1921 ein<br />

New York, Freiheitsstatue (Photo by Tania Fernandez on Unsplash)<br />

besonderer.<br />

Herbert Rehling<br />

geb. 1946 wohnt in<br />

Bad Tatzmannsdorf. Er war<br />

Lehrer am Gymnasium Oberschützen<br />

für Mathematik,<br />

Physik und Chemie und war<br />

25 Jahre bei Siemens PSE<br />

unter anderem in der Software-Entwicklung<br />

tätig. Seit<br />

1992 beschäftigt er sich mit<br />

Ahnenforschung. Ebenso mit<br />

Naturwissenschaften, Religionen<br />

und Geschichte. Er ist<br />

Autor des Buches: „Die BIBEL<br />

– Das steht wirklich drin?“<br />

www.rehling.weebly.com<br />

https://www.facebook.<br />

com/BibelEndlichVerstehen<br />

Ende des 19. und Anfang des<br />

20. Jahrhunderts sind zehntausende<br />

Menschen aus unserem<br />

Land emigriert. Bereits in den<br />

Zeiten der Monarchie machten<br />

sich viele aus unserem Land<br />

auf der Suche nach Arbeit vor<br />

allem nach Budapest auf, ein<br />

kleinerer Teil zog auch nach<br />

„Österreich“, insbesondere nach<br />

Wien. Beide Städte waren zwar<br />

im Sinne der Mobilität von<br />

einst recht weit weg vom Heimatort,<br />

aber die Verbindung<br />

zur Heimat war meist nicht<br />

völlig gerissen.<br />

Ganz anders war die Situation,<br />

wenn man sich auf die Reise<br />

in ein fernes Land einlassen<br />

musste, wenn man beispielsweise<br />

nach „Amerika“ fuhr. Die<br />

Heimat niemals wiederzusehen,<br />

war für fast alle Auswanderer<br />

von Anfang an gewiss. Die<br />

Tränen flossen, nicht nur bei<br />

jenen, die Abschied für immer<br />

nahmen, auch bei den Zurückgebliebenen,<br />

den Eltern, den<br />

Geschwistern, den Bekannten.<br />

Nach dem Abschied von<br />

Zuhause und der manchmal<br />

wochenlangen Überfahrt, wie<br />

war die Stimmung, wenn man<br />

an einem „hohen“ Feiertag am<br />

Ziel ankam? Wenn man wusste,<br />

dass die Verwandten sich zu<br />

Hause vielleicht gerade zum<br />

Kirchgang anschickten, um<br />

auch für die „verlorenen“ Söhne<br />

und Töchter zu beten?<br />

Angekommen<br />

Im Jahr 1921 fiel der Ostersonntag<br />

auf den 27. März.<br />

An diesem Tag legte ein<br />

Dampfer mit Burgenländerinnen<br />

und Burgenländern<br />

an Bord im Hafen von New<br />

York an. Möglicherweise war<br />

ihnen gar nicht bewusst, dass<br />

ihr Heimatland neuerdings<br />

„Burgenland“ heißen sollte;<br />

wichtig war, dass sie endlich<br />

in der „Neuen Welt“ gelandet<br />

waren. Die Einwanderer<br />

blickten mit großen Augen<br />

auf die riesigen Gebäude der<br />

Stadt, die „Wolkenkratzer“, die<br />

ihnen sicher wie ein Wunder<br />

erschienen. Dann wurde<br />

ihre Aufmerksamkeit auf die<br />

strengen Kontrollen bei der<br />

Einwanderungsbehörde von<br />

Ellis Island gelenkt. Würden<br />

sie zurückgewiesen, vielleicht<br />

wegen einer Krankheit oder<br />

weil sie andere Auflagen nicht<br />

erfüllen konnten?<br />

Nach eingehender Inspektion<br />

durften am Ostersonntag 1921<br />

aus Oberwart einreisen: Fuith<br />

Maria, geb. Zambo, mit ihren<br />

Kindern Maria und Julius.<br />

Zehn Tage waren sie auf der<br />

Lapland von Antwerpen nach<br />

New York unterwegs gewesen,<br />

für die Kinder ein echtes<br />

Abenteuer. Ihre Mutter musste<br />

eher an die Zukunft denken,<br />

waren sie doch auf dem Weg<br />

zu ihrem Gatten bzw. Vater,<br />

der in Oberwart Besitzer des<br />

Hammerwerks an der Pinka<br />

gewesen war und 1911 nach<br />

Amerika gegangen war. In St.<br />

Paul, Minnesota, hatte er sich<br />

eine Existenz aufgebaut und<br />

wartete sehnsüchtig auf die<br />

lang vermisste Familie, von der<br />

er kriegsbedingt jahrelang getrennt<br />

gewesen war. Mit dabei<br />

auf dem Weg zu ihrem Onkel<br />

in Minnesota war auch Anna<br />

Gaal aus Oberwart.<br />

Auf demselben Schiff kamen<br />

am Ostersonntag, 27. März<br />

1921, auch die Schwestern Gisela<br />

und Helene Haselbacher<br />

aus Unterwart an. Ihr Reiseziel<br />

war Detroit, Michigan, wo ihr<br />

Bruder Stefan seit 1912 beschäftigt<br />

war.<br />

Ein weiterer Passagier auf<br />

dem Schiff war Dr. Bernhard<br />

Geiger, ein bedeutender<br />

Wissenschaftler und Professor<br />

für Iranische und Indische<br />

Philologie an der Philosophischen<br />

Fakultät der Universität<br />

Wien. Geboren 1881 in Bielitz<br />

(heute: Bielsko-Biala, Polen) in<br />

eine jüdische Familie, musste<br />

er nach langem, erfolgreichem<br />

Schaffen in Wien im Jahr 1938<br />

seine Lehrtätigkeit einstellen.<br />

Er floh als politisch Verfolgter<br />

noch im selben Jahr nach New<br />

York, wo er weiterarbeiten<br />

konnte. Dort starb er im Jahr<br />

1964 als einer der zahlreichen<br />

„altösterreichischen“ Gelehrten,<br />

die aus unserem Land vertrieben<br />

worden waren.<br />

Dr. Geiger war am Ziel seiner<br />

Reise; er besuchte seinen Vater<br />

in New York. Für die soeben<br />

angekommenen Burgenländerinnen<br />

und Burgenländer<br />

ging die Reise jedoch weiter,<br />

für die Haselbacher-Schwestern<br />

aus Unterwart fast 1.000<br />

km nach Detroit bzw. für Frau<br />

Fuith und ihre Kinder etwa<br />

doppelt so weit nach St. Paul,<br />

Minnesota. Ob da Zeit und<br />

Lust blieb, das Osterfest zu<br />

feiern? Herbert Rehling<br />

20 APRIL <strong>2021</strong><br />

www.prima-magazin.at

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