flip-Joker_2021-04
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April 2021
32. Jahrgang
„Diese Ignoranz ist abenteuerlich!“
Im Gespräch: Dr. Gregor Gysi, Politiker, Jurist, Autor
INHALT
THEATER_____________________ 3
Theater Freiburg zeigt Faust II-Inszenierung
KULTURKÄSSLE ________________6
Unsere Sammelaktion ist beendet!
KUNST_______________________9
Kunsthalle Mannheim zeigt Anselm Kiefer
KULTOUR___________________ 16
Berlinale 2021 als Onlineevent
INSTAGRAM________________ 18
Kultur Joker: Exklusive Inhalte und Interviews!
VISION 2025________________ 19
„Haus zum Herzog“ – Ort der Stadtgeschichte
KULINARISCH________________ 21
Von Veilchenwein bis Spargel
NACHHALTIG________________ 30
Zwangsarbeit in Freiburg
GESUNDHEIT________________ 35
Steigerung der Patientensicherheit
MUSIK______________________ 36
Im Gespräch: Musiker Dominik Faitsch
Vom Vorsitz der der SED-
Nachfolgepartei PDS zum
Fraktionsvorsitz der Linken
bis zum Amt des außenpolitischen
Sprechers der Partei.
Gregor Gysi gilt als einer der
profiliertesten linken Politiker
des Landes und als unnachgiebiger
Kritiker des politischen
Mainstream. Unter dem Titel
„Demokratie – verunsichert“
kommt der Politiker am 29.
April über Livestream nach
Freiburg. Gegenstand des Gesprächs
sind Populismus, die
wachsende Attraktivität autoritärer
Systeme und eine Demokratie
im Krisenzustand.
Redakteur Fabian Lutz hat
mit Gregor Gysi im Februar
über all diese Probleme gesprochen,
nach Ursachen wie
Lösungen gefragt und warum
Ignoranz und Vermeidung zu
den großen Fehlern der Politik
in Deutschland gehören.
Foto: DIE LINKE im Bundestag
Augustinermuseum
noch bis
19. 9. 2021
Kultur Joker: Herr Dr. Gysi,
das Freiburger Gespräch mit
Ihnen steht unter dem Titel
„Demokratie – verunsichert“.
Was verunsichert Sie in letzter
Zeit?
Dr. Gregor Gysi: Nach Umfragen
stehen 20 Prozent der
Bevölkerung den Corona-Maßnahmen
der Regierung grundsätzlich
skeptisch gegenüber. 80
Prozent nehmen die Einschränkungen
ihrer Grundrechte im
Zuge der Maßnahmen mehr
oder weniger hin. Bei den 20
Prozent verunsichert mich das
tiefe Misstrauen, denn egal,
was die Politik anbietet, es
wird beim Misstrauen bleiben.
Bei den 80 Prozent fürchte ich
die Bereitschaft, auch nach der
Pandemie vergleichbare Einschränkungen
der Grundrechte
hinzunehmen.
Kultur Joker: Sehen Sie die Gefahr
eines Machtmissbrauchs
durch die Regierung?
Gregor Gysi: Die Herrschenden
wissen mittlerweile, dass
es eine große Akzeptanz für
die Einschränkung von Grundrechten
innerhalb der Bevölkerung
gibt, bei einer plausiblen
oder plausibel erscheinenden
Begründung. Ich hoffe sehr,
Der Schatz
der
Mönche
Leben und
Forschen im
Kloster
St. Blasien
dass das nicht zu einem Machtmissbrauch
führt. Mich besorgt
auch, dass die Bundesregierung
in der Corona-Krise fast alles
allein entscheidet. Der Bundestag
wird viel zu wenig einbezogen.
Kultur Joker: Das ist der gängige
Vorwurf der Opposition im
Bundestag. Welches Handeln
empfehlen Sie der Bundesregierung?
Gregor Gysi: Die Bundesregierung
gibt uns keine Perspektive.
Es wird nur immer wiederholt,
dass die Corona-Maßnahmen
um einige Wochen verlängert
werden. Wir brauchen endlich
einen Stufenplan, an dem die
schrittweise Wiederherstellung
der Grundrechte für die Bevölkerung
sichtbar wird.
Kultur Joker: Das ist eine konstruktive
Kritik. Die populistischen
Anti-Corona-Parolen
der AfD oder außerparlamentarischer
Proteste scheinen die
Sorgen der oben genannten 20
Prozent aber besser einzufangen.
Wie funktioniert Populismus?
Gregor Gysi: Populismus ist
zum Beispiel, wenn man verkündet,
man könne etwas entscheiden,
obwohl man die Mittel
und Kompetenzen dazu nicht
hat. Wenn ein Politiker verkündet,
er könne als Ministerpräsident
die Renten in Ost und West
angleichen, kommt er bei vielen
Rentnern und Rentnerinnen im
Osten gut an. Die Sache ist nur:
Als Ministerpräsident kann er
das gar nicht entscheiden. Zum
Populismus gehört auch, alle
Herausforderungen und Hindernisse
auf dem Weg zu ignorieren.
Wenn die AfD versucht,
sich bei Corona-Leugnern beliebt
zu machen, blendet sie die
Fakten zum Coronavirus und
den Folgen der Pandemie einfach
aus.
Kultur Joker: Für die Partei
ein sicheres Erfolgsrezept.
Gregor Gysi: Nein, zumindest
nicht auf Dauer. Die Bevölkerung
ist nicht dumm. Irgendwann
fühlt sie sich hereingelegt
und entwickelt ein zunehmendes
Misstrauen – nicht nur
gegenüber einer Partei, sondern
gegenüber der gesamten Politik.
Kultur Joker: Und darauf
steigen populistische
Politiker*innen wieder ein…
Gregor Gysi: Natürlich. Die
Populisten weisen die Schuld
Fortsetzung des
Interviews auf
Seite 20
Kultur Joker
Tel.: 0761 / 72 0 72
www.kulturjoker.de
kulturjoker
Liebe Leser*innen,
lang ist’s her, aber der Kultur Joker ist endlich zurück
und wir freuen uns unheimlich darüber, dieses Wiederlesen
zu feiern, denn es gibt einiges zu berichten!
Das kulturelle Leben findet überwiegend digital statt
und auch wir haben uns auf die virtuellen Besucherplätze
begeben und unter anderem eine Faust II-
Inszenierung von Krzysztof Garbaczewski aus dem
Theater Freiburg gesehen. Erich Krieger war für uns
in St. Peter und durfte dort mehr zu einer innovativen
Performance für interagierendes Publikum samt
ferngesteuerter Orgel erfahren.
Die Museumslandschaft bietet auch in dieser Zeit
viele Juwelen, darunter die Kunsthalle Mannheim,
die eine Reise durch Anselm Kiefers Kosmos erlebbar
macht. Dagegen erzählt das Vitra Design Museum
die Geschichte der Architektin Gae Aulenti, die
als eine der wenigen Frauen auf gleicher Ebene mit
männlichen Kollegen rangierte.
Apropos Kunst! Der Kochkunst, die viele von uns während
der Pandemie (wieder)entdeckt haben, widmen wir kulinarische
Sonderseiten und erzählen dort von Veilchenwein
und gerösteten Siebenschläfern. Was die regionale Kulinarik
im April bereithält, verrät uns der Sternekoch Steffen Disch
im Interview.
Und auch wir haben viel zu erzählen. Unsere Sammelaktion
„Kulturkässle“ war ein voller Erfolg und auch digital gibt’s
Neuigkeiten: Wir haben Instagram! Dort gibt’s Themenwochen
und Beiträge zu unseren Hausthemen Kunst, Theater,
Musik, Literatur und Nachhaltigkeit. Und falls Sie Lust
haben, sich mit uns über Bücher und das Lesen auszutauschen,
laden wir Sie herzlich zu unserem Buchclub ein!
Ihr Kultur-Joker-Team
In diesen schweren
Zeiten sind wir dankbar
für jedes Zeichen der
Solidarität; egal ob liebe
Worte oder eine finanzielle
Unterstützung, damit wir unsere Arbeit
fortsetzen können.
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Als Mitglied des
THEATER KULTUR JOKER 3
Der Regisseur ist der Kameramann
Das Theater Freiburg zeigt mit der Faust II-Inszenierung von Krzysztof Garbaczewski virtuelle Welten
Stefanie Mrachacz Foto: Britt Schilling
Bislang war noch zu jeder
Zeit Goethes Faust II eine Zumutung
der Unzeitgemäßheit.
Es sind Welten, die hier erschaffen
wurden, die gleichermaßen
zukunftsweisend waren
als auch geprägt durch das humanistische
Erbe. Jede Generation
muss sich da neu einen
Weg bahnen. Und nicht wenige
halten Faust II ja für ein reines
Lesedrama. Auch Krzysztof
Garbaczewski glaubt, Goethe
habe das Stück nicht eigentlich
geschrieben, um es aufführen
zu lassen. Der 1983 geborene
polnische Regisseur hat sich
dennoch für das Theater Freiburg
an eine Inszenierung gemacht
und dabei einen Weg
eingeschlagen, für den er sich
seit gut fünf Jahren interessiert.
Der Zuschauersaal im Großen
Haus mag verwaist sein, dafür
gesellen sich auf der Drehbühne
Avatare zu den Darstellern
(Thieß Brammer, Victor Calero,
Laura Friedmann, Janna
Horstmann, Stefanie Mrachacz,
die diesen auch ihre Stimme
leihen). Tragen sie VR-Brillen,
bekommt man einen Eindruck
davon, was jene Zuschauer mit
VR-Equipment erleben.
Die Idee, Faust II als einen
Hybrid zu zeigen, geht in die
Vor-Corona-Zeit zurück. Doch
natürlich hat die Pandemie
bewirkt, dass virtuelle Erfahrungen
derzeit unseren Alltag
bestimmen. Insofern hat das
letzte Jahr Garbaczewskis Umgang
mit Avataren, Screens
und Virtual Reality geradezu
zu einem Allgemeingut werden
lassen. Man darf sich also wie
in einem Computerspiel vorkommen,
wenn Faust (Thieß
Brammer) sich der Wunderwelt
der klassischen Walpurgisnacht
gegenübersieht. Goethes Puppenspiel,
mit dem seine Auseinandersetzung
mit dem Faust-
Stoff begann, erweist sich hier
also als anschlussfähig. Wenn
später Euphorion abstürzt,
wird dies als Schattenspiel visualisiert.
Ein bisschen wirkt
dieser Faust mit seiner blonden
Langhaarperücke und der
Basecap wie ein Sinnsucher
auf Droge, der sich nicht über
das Nilpferdmaul, die Chimären
dort und das blaue Gebirge
im Hintergrund wundert. Reale
Bühnenelemente und die Virtual
Reality bilden – wenn keinen
homogenen, so doch einen gemeinsamen
– Erlebnisraum
(Aleksandra Wasilkowska:
Bühne, Kostüm, Licht). Das
funktioniert insofern gut, als
die extreme künstliche Ästhetik
sich hier gegenseitig unterstützt.
Und manchmal, insbesondere
angesichts von Helenas
Kostüm, das aus mehreren
Fingern besteht, muss man auch
an eine dreidimensionale Hieronymus
Bosch-Welt denken.
Vor einigen Jahren hat Krzysztof
Garbaczewski eigens eine
Firma gegründet, um die Vision
eines erweiterten Theaterraums
umzusetzen. Die Kamera führt
er in seiner Inszenierung selbst.
Der Schwerpunkt seiner Fassung
liegt auf dem Element der
Reise, tatsächlich hat er bereits
in Opole Homers Odyssee inszeniert.
Der ökonomische
Mummenschatz, in dem das
Papiergeld erfunden wird, fällt
also weg, dafür wird neben dem
Faust-Helena-Euphorion-Komplex
die Szene um Philemon
und Baucis wichtiger. Die Vernichtung
ihrer Idylle und ihre
Ermordung werden zum Sinnbild
des Primats der Wirtschaft
und der menschlichen Hybris
überhaupt. Man muss den Text
kennen, um sich hier zurecht zu
finden und auch zu verstehen,
was Garbaczewski auslässt,
doch insgesamt ist dies eine
kleine Faust-Wunderkammer
geworden.
Annette Hoffmann
4 KULTUR JOKER THEATER Theater
Charlotte Will spielt
Pippi Langstrumpf
Foto: Rainer Muranyi
Pippi Langstrumpf ist
ein Publikumsgarant – und
doch extrem anspruchsvoll
auf die Bühne zu bringen:
Fest gebrannt sind seit Generationen
die Filmszenen
mit Inger Nilsson; ob strenge
Prusseliese, die Räuber
Donner-Karlsson und Blom
oder Kapitän Efraim Langstrumpf
– jede der Figuren
ist im Kopf schon besetzt.
Und wie überhaupt soll eine
Schauspielerin den kleinen
Onkel live in einen Theaterhimmel
stemmen?! Zum
75. Pippi-Geburtstag inszenierte
Regisseurin Miriam
Götz den Klassiker schon
im letzten Jahr als Weihnachtsstück
für´s Große
Haus, Pandemie bedingt
feierte das rund 80 minütige
Stück erst jetzt per Live-
Stream seine Premiere.
Da sitzen sie auf der noch
leeren Bühne: Gepflegte
Langeweile bei Tommy
(Lorenz Hochhuth) und
„Normalität
ist ein
zweischneidiges
Schwert.“
Corpus Delicti // 15+
Von Juli Zeh / In einer Fassung von Matthias Kaschig
Mehr unter www.marienbad.org
Alles Gute nachträglich!
75. Geburtstag von Pippi Langstrumpf wird im Theater Freiburg
Annika (Clara Schulze-Wegener).
Dass die ansonsten so
kreative Kostümbildnerin Sarah
Mittenbühler die beiden
als geringeltes Zwillingspaar
Co
ming
soon
nachgeholt
einführt, ist zwar genderneutral,
aber auch etwas
öde. Immerhin spielt Annika
ihren Bruder mit Leichtigkeit
an die Wand – die vernünftige
Spaßbremse ist hier
kess und unverkrampft. Als
die beiden ein Spielhaus aus
Pappe aufstellen, rappelt´s
plötzlich im Karton.
Heraus springt Pippi (überzeugend
und quicklebendig:
Charlotte Will) – mit meterlangen,
karottenroten
Drahtzöpfen, Ringelstrümpfen
und quirliger Energie.
Gleich läuft sie eine Runde
rückwärts, flunkert den Geschwistern
die Hucke voll
und trällert ein Gute-Laune-
Lied, von den beiden tollen
und sehr vielseitigen Musikern
(Timo Stegmüller und
Robert Pachaly) auf der rollbaren
Veranda begleitet. Die
Flötenmelodie ist eindeutig
vom Film gemopst, ansonsten
sind die Songs aber nur
mäßig mitreißend. Zumal
passt das Versmaß oft nicht,
die Texte sind stellenweise
krude, eingängige Refrains
gibt es wenige (Komposition
Simon Steger, Magdalena
Ganter).
Die Bühne (Damian Hitz)
setzt auf Reduktion: Ein
Spielturm mit Rutsche und
vielen Klappen ist die Villa
Kunterbunt, ein kahler Pappbaum
das Beiwerk. Nein, leider
wird er nicht zum wunderbaren
Limonadenbaum…
Das mag in seinen Dimensionen
auf der Bühne wirken,
für den Bildschirm ist
es etwas mager. Dafür gibt
es Himmels-Projektionen,
buntes Licht und leuchtendwitzige
Kostüme. Erzählt
werden wichtige Episoden
wie Jahrmarkt (toll!) oder
Schule (öde) . Leider fehlen
die doofen Polizisten auf
dem Dach, weil es ja überhaupt
keine Villa Kunterbunt
gibt. Dafür bekommen andere
Szenen Farbe: Herrlich
überkandidelt trällert Opernsängerin
Susana Schnell ihr
Fräulein Prysselius im Tango-Bonbonkleid.
Der Starke
Alfons auf dem Jahrmarkt
trägt geringelten Badeanzug
und ist nur Komparse, dafür
gibt es Stelzenläufer und
der Zirkusdirektor ist ein
knallbunter Schmetterling
im Fächeranzug. Und auch
die Szene mit den beiden
Räubern (Christoph Kopp,
auch als lustiger Pippi-Papa,
tolle Stimme: Clara Schulze-
Wegener) macht viel Spaß -
man könnte den Dreien beim
Schottisch-tanzen noch viel
länger zuschauen.
Die Übergänge zwischen
den Einzelgeschichten fließen
und das Tempo stimmt.
Alles, was entsteht, ist wie
ein Spiel im Kinderzimmer:
Es wird viel gerutscht, sich
verkleidet und bei „Tosendem
Meer“ herumgeturnt,
ohne den Boden zu berühren.
Über den kreuzt dann wirklich
eine riesige Hai-Flosse!
Solchen Theater-zauber hätte
man sich im Großen mehr
gewünscht: Mit Projektionen
und Prospekten, Theaternebel,
Figuren – oder
Schattentheater. – Und auch,
dass die Hoppetosse nur ein
großes Papierschiff ist (und
auch das Pferd nur Pappe),
ist zwar bühnenbildnerisch
konsequent, aber auch etwas
enttäuschend. Dafür gibt’s
lebendiges Schauspiel und
richtiges Theater-Feeling –
also ein Erlebnis!
Tickets und Stream auf
www.theater.freiburg.de
Marion Klötzer
THEATER KULTUR JOKER 5
Unter diesem etwas kryptischen
Titel bereitet eine kreative
Kooperation zwischen
der Young Musical Company
Hinterzarten und dem Bezirkskantorat
St. Peter in diesen
Wochen ein ungewöhnliches
Performance-Projekt vor.
Es wird aus dem Impulsprogramm
„Kunst trotz Abstand“
des Ministeriums für Wissenschaft,
Forschung und Kunst
Baden-Württemberg gefördert
und soll, so es der Verlauf der
Corona-Pandemie zulässt, in
mehreren interaktiven Konzerten
im Laufe des Mai 2021
in der Barockkirche in St. Peter
zur Aufführung kommen.
Metanoia – Staunen und Umdenken
Innovative Performance für interagierendes Publikum und ferngesteuerte Orgel
Die Idee
Metanoia, der griechische
Begriff für eine grundlegende
innere Änderung einer Ansicht
oder Überzeugung, steht in
diesem Zusammenhang für die
spontane Kreation von immer
neuen, einmaligen und nicht
vorher festlegbaren Klangskulpturen
durch interaktive
Kommunikation und deren
emotionale Wirkung auf die
Teilnehmenden. Diese werden
von diesen selbst durch digitale
Fernsteuerung der Kirchenorgel
über Tablet oder Smartphone
erzeugt. Den Akteuren
stehen dafür auf ihren Geräten
eine stattliche Anzahl komponierter
musikalischer Patterns
bereit. Diese musikalischen
Kurzclips entsprechen den von
den Philosophen Aristoteles
und Descartes beschriebenen
menschlichen Affekten, als da
wären: Wut, Trauer, Freude,
Zorn, Liebe, Hass, Mitleid,
Furcht, Neid etc. Diesen und
weiteren Affekten sind jeweils
spezielle Icons auf den Geräten
zugeordnet. Im Verlauf
der Kommunikation unter den
Teilnehmern entscheidet sich
jeder Einzelne entsprechend
seines momentanen Empfindens
für den ihm situativ passend
erscheinenden Icon und
so entstehen im musikalischen
Diskurs einzigartige interaktive
und zunehmend mehrstimmige
Orgelimprovisationen.
Die Performance
In Gang gesetzt und dynamisch
begleitet wird der Spielprozess
von einem Regisseur,
der Fragen, Kommentare oder
Aufforderungen an die einzelnen
Teilnehmer auf die Smartphones
sendet und Reaktionen
der Empfänger provoziert. In
die Kommunikation mischen
sich weitere Teilnehmer ein,
aus Dialogen werden zunehmend
Diskurse und der musikalische
Raumklang wird entsprechend
immer komplexer
Bei der Probe in der Barockkirche St. Peter. Von links: Johannes Goßmann,
Carsten Fuhrmann, Johannes Götz, Norbert Schnell und Peter Ludorf Foto: Erich Krieger
und somit auch die emotionale
Wirkung auf die Akteure. Für
die ausschließlich nonverbale
Kommunikation sind über das
Betätigen der Icons hinaus auch
gestische und mimische Ausdrucksformen
erlaubt. Dies ist
durch das Agieren in Coronagerechtem
Abstand möglich.
In dieser Konstellation werden
Dimensionen wie Erlebnis,
Wahrnehmung, Interaktion,
Gemeinschaft, Kritik,
Distanz, Zustimmung, Ablehnung
atmosphärisch für jeden
spürbar – die Teilnehmenden
sind alle Akteure und Publikum
zugleich. Die Orgel als
Instrument des Jahres 2021 ist
dabei das gemeinsam von allen
selbst gesteuerte Werkzeug.
Dieses nahezu antagonistische
Spannungsfeld zwischen dem
alt-ehrwürdigen Instrument
Einige der Icons, mit denen die den Affekten entsprechenden
musikalischen Patterns ausgelöst werden
können
Foto: Erich Krieger
und den Ausdrucksformen des
digitalen Zeitalters kann in besonderer
Weise Umdenkungsprozesse
und neue reflexive
Wahrnehmung in Gang setzen.
Das Team
Das Kreativ-Team besteht
aus erprobten Voll-Profis, die
derzeit unter Volldampf am
Feintuning der Konzeption arbeiten.
Bezirkskantor Johannes
Götz und Organist der Klosterkirche
in St. Peter obliegt
die musikalische Leitung und
die Komposition der Patterns.
Carsten Fuhrmann, Regisseur
und Schauspieldozent für Musiktheater
an den Hochschulen
Freiburg und Düsseldorf wird
die Abläufe und Interaktionen
der Performances dynamisch
und aktiv teilnehmend begleiten.
Joachim Goßmann
von der Hochschule für Musik
in Trossingen und Norbert
Schnell, Musicdesigner an der
Fachhochschule Furtwangen
sorgen als Computermusiker
und Klangtechnologen für den
digitalen technischen Unterbau.
Von der Young Musical
Company Hinterzarten ist Peter
Ludorf mit im Boot und steuert
seine reiche Erfahrung in der
Realisierung von Musiktheaterprojekten
in freier Jugendarbeit
bei. Dies ist bei dem Blick
auf die Hauptzielgruppe Schulklassen
besonders hilfreich.
Bei einer ersten Erprobung
der musikalischen Patterns und
der bisherigen strukturellen
Architektur vor Ort an der Orgel
der Barockkirche konnte
das Team jede Menge Erkenntnisse
in Richtung Feintuning
sammeln. Das vollmotivierte
Engagement der fünf Kreativen
erzeugte eine Atmosphäre voll
knisternder Spannung. Wesentlich
dabei war das gemeinsame
Bemühen um einen Weg, wie
eine bei Bedarf notwendige
„ordnende Hand“ zu etablieren
sei, ohne im Geringsten den
„demokratischen Charakter“
der Performance zu zerstören.
Nach Vornahme der erarbeiteten
Korrekturen soll sich bei
der nächsten Probe durch eigenes
Spielen zeigen, wo es noch
hakt.
Man darf gespannt sein, wie
sich das innovative Projekt im
Mai zeigen wird, vorausgesetzt,
dass der Pandemieverlauf
die Aufführungen überhaut ermöglicht.
Weitere Informationen über
Young Musical Company Hinterzarten:
http://www.ymch.de/
Erich Krieger
0014408210-1.pdf
6 KULTUR JOKER KULTurkässle
Corona und Kultur – eine Tragödie
Kaum staatliche Hilfen, keine
konkreten Perspektiven,
trotz strenger Hygiene-Konzepte.
Mit seiner Initiative
„Kulturkässle“ wollte der
KulturJoker da ein wenig
Linderung schaffen und ein
Zeichen setzten. Rund vierzig
solidarische Freiburger Einzelhändler
stellten Spendenboxen
auf. Mit Erfolg - über
5000 Euro kamen zusammen!
Nach der Auslosung im Dezember
wurden sie den fünf
glücklichen Gewinner*innen
in zwei Ausschüttungen à
500 Euro übergeben. Marion
Klötzer hat Reaktionen und
Lageberichte gesammelt:
Bea von Malchus
Bea von Malchus – Autorin,
Schauspielerin und seit 1996
mit ihrem Ein-Frau-Erzähltheater
auf Tour. Infos: www.
beavonmalchus.de
Es war ein furchtbares Jahr! Ich
habe drei Vorstellungen gespielt.
Das wars. Ich habe kein Geld
verdient. Ich habe Bauchweh
gehabt! Oder einfach nur Angst.
Ich habe wenig geschlafen. Ich
war viel allein. Ich habe ein
Buch geschrieben. Ich hatte
keine Lust zu putzen. Ich hab
viel geweint.
Ich wurde ständig aufgefordert,
sehr optimistisch Pläne
zu schmieden, neue Stücke
über Corona zu schreiben, voll
digital zu werden oder voll
Open Air oder einfach mal vor
Kindern zu spielen. Ich habe
morgens im Bett überlegt, wie
ich mich umbringen kann. Ich
hab‘ Höhenangst und kann
nicht vom Hochhaus springen.
Ich hab‘ Airbag und kann nicht
vor eine Wand fahren. Ich durfte
in den Arsch der Bürokratie
kriechen, um Geld zum Überleben
zu bekommen. Und war
fasziniert, wie effizient unsere
Bürokratie ist! wenn es darum
geht, Künstlern dann doch kein
Geld zu geben.
Ich habe erkannt, wo freie
Kunst trotz aller warmen Worte
in dieser Stadt steht: Ganz unten.
Aber: Ich habe auch vor
Freude geweint! Wildfremde
Menschen haben mir aus dem
Nichts eine Hand gereicht und
mir geholfen. Normale Menschen:
Krankenschwestern,
Therapeuten, Lehrer, Sozialpädagogen.
Das hat hat meine
Welt aus den Angeln gehoben!
Vielleicht mehr als diese ganze
Pandemie. Ich bin dankbar und
gerührt, dass es offensichtlich
ein unsichtbares Netz von
Freundlichkeit und Empathie
gibt. Dass es Menschen gibt, die
wissen, dass uns ohne Kultur
nur noch Lieferando,
Amazon und
Easy Jet bleiben
und dass das wahrscheinlich
zu wenig
ist für ein lebenswertes
Leben.
Ich danke dem KulturJoker,
der um
sein eigenes Überleben
kämpft, und
trotzdem so ein
Netz für Künstler
aufgespannt hat.
Und obwohl ich immer die
Nieten ziehe, hab ich dieses Mal
gewonnen. Danke.Von Herzen!
Wir sind noch nicht durch! Aber
das wissen Sie ja selbst!
Foto: promo
Frauke Hofmann Foto: promo
Frauke Hofmann – seit 1998
freiberufliche Sängerin (Mezzosopran)
und Gesangslehrerin.
https: Infos: frauke-hofmann.de
Ich bin sehr froh über den
Gewinn vom Kulturkässle und
bedanke mich nochmal herzlich!
Als studierte klassische
Sängerin lebe ich einerseits
vom Unterrichten, ich leite
einen Chor in Freiburg (wir
wünschen uns auch neue MitsängerInnen!)
und natürlich
trete ich als Sängerin in Konzerten
und in der Kirche auf. Da
Präsenz-Unterricht gerade nur
online, das geht relativ gut, ist
aber dann doch nicht vergleichbar.
Außerdem kommen keine
neuen Schüler*innen nach,
die auf der Warteliste stehen,
kommen erst, wenn es wieder
live möglich ist. Da fehlen dann
Einnahmen. Als Sängerin ist
es natürlich besonders schade,
dass keine Konzerte stattfinden
können, da fehlt die Möglichkeit
mit anderen, für andere zu
musizieren. Und natürlich auch
die Einnahmen. Die Stadt Waldkirch
hatte jetzt ein Online-
Event organisiert, bei dem ich
singen durfte, das war ein Lichtblick!
Infos: www.youtube.
com/watch?v=W3Y8Mx80fsw
Freistil-Theater
Freistil – seit 2004 professionelle
Improvisationstheater-
Gruppe um Schauspieler, Autor
und Regisseur Christian M.
Schulz. www.freistil-theater.de
„Wir haben uns sehr gefreut!
Wichtig war aber vor allem das
Signal, das hinter der Spende
steckt: Wir denken an euch und
möchten in dieser schwierigen
Zeit unsere Wertschätzung
ausdrücken. Da wir seit November
keine Auftritte haben,
bis auf zwei Online-Auftritte
für Firmen und da wir bis März
auf die Auszahlung des restlichen
Geldes der „November-
“Hilfe warten mussten, waren
wir froh über alle Einnahmen.
Ansonsten zehrt die Zwangs-
Arbeitslosigkeit mit jedem
weiteren Tag an den Nerven und
am Selbstwert-Gefühl. Theater
ist ja nicht nur Broterwerb, sondern
Leidenschaft und Herzblut.
Unsere Lebensfreude fehlt uns
(und unserem Publikum). Die
Ungewissheit, wann es für uns
weitergeht, ist sehr belastend.
Wir hatten immer wieder neue
Hoffnungen, die sich seit Monaten
immer wieder zerschlagen.
Glücklicherweise haben wir
feste Spielorte, die zumindest
ab Herbst wieder mit uns planen
(das wäre dann ein ganzes Jahr
Zwangs-Pause!). Jede neue
Auftrittsanfrage ist derzeit ein
Lichtblick.
Gesine Bänfer – freiberufliche
Musikerin, Schalmei, Saxophon,
Whistles, Dudelsack und
alte englische Gitarre. Infos:
office-of-musicians-affairs.com
„Vielen herzlichen Dank für die
Gewinnausschüttungen des Kulturkässles
vor Weihnachten und
nun nochmal ganz überraschend
im Februar. Es ist wunderbar,
dass die Freiburger*innen uns
Musiker*innen nicht vergessen.
Meine persönliche Situation
war schon vor Weihnachten
sehr angespannt
und der Überraschungsgewinn
half mir aus einem
seelischen Tief. Konzerte,
die vom vergangenen
Jahr auf
dieses Jahr verschoben
wurden, sind
mittlerweile wieder
abgesagt, neue Konzertbuchungen
sind
wegen der Planungsunsicherheit
für die
Veranstalter*innen nicht in
Sicht. In diesem Jahr ist mein
Terminkalender leer, meine
Einnahmen sind weggebrochen.
Da freue ich mich riesig über
die unerwartete Zuwendung.
Mit mir freut sich meine Familie
Foto: promo
Gesine Bänfer Foto: Ellen Schmauss
- drei meiner vier Kinder sind
noch in der Schule bzw. Ausbildung.
Wie es weitergehen
soll, ist mir ein Rätsel. Wenn
dann solche Wunder wie dieser
unerwartete Gewinn passieren,
fühlt sich das an, wie ein Fingerzeig,
dass mein Beruf doch eine
Daseinsberechtigung hat. Vom
Kulturamt der Stadt Freiburg
wünsche ich mir Unterstützung,
z.B. eine Beratungsstelle für uns
Freiburger „Soloselbständige“.
Und für den Sommer wünsche
ich mir offene Bühnen in den
Innenhöfen.
Ingmar Winkler – Freiberuflicher
Komponist und Gitarrist.
www.ingmarwinkler.de
„Ich habe mich sehr über den
Gewinn gefreut. Die Corona-
Krise hat mich voll erwischt,
mein bis dahin gut gefüllter
Terminkalender wurde komplett
zusammengestrichen. Außer
zwei kleinen Open-Air-Konzerten
auf Spendenbasis und
ein paar Beerdigungen hatte ich
Ingmar Winkler Foto: Michael Dienert
seit letztem März keine Auftritte
mehr. Zum Glück habe ich noch
eine halbe Anstellung bei der
Musikschule. Allerdings hat
dieses 2. Standbein bewirkt,
dass ich keine staatliche Coronahilfe
bekommen habe. 2020
war bei mir aus verschiedenen
Gründen ein hartes Jahr. Aber
ich versuche optimistisch und
motiviert zu bleiben, auch wenn
ich mir nicht sicher bin, wie
es weitergehen wird, welche
Clubs und Auftrittsorte nach
dem Lockdown überhaupt noch
da sein werden. Bewegungen
wie #Kulturgesichter und #ohneKunstwirdsstill
versuchen
auf die Situation der Künstler
aufmerksam zu machen, leider
gibt es keine große Lobby.
Kulturkässle KULTUR JOKER 7
5.915,16 €Euro
Wir möchten uns von Herzen bei allen teilnehmenden
Läden bedanken, die unsere Sammelaktion unterstützt
und dadurch erst ermöglicht haben. Die Resonanz war
großartig und das Vertrauen in uns riesig.
Vielen, vielen Dank!
Ein großes Dankeschön geht auch an unsere tollen
Mitarbeiter*innen, die die „Kulturkässle“ in ihrer Freizeit
verteilt, geleert und gezählt haben. Ohne euch wär‘ das
nichts geworden!
Bierhandlung
culinara
ZOLLER
GENUSSKULTUR
8 KULTUR JOKER kunst
Von Menschen und Mäusen
In der Galerie für Gegenwartskunst im E-Werk in Freiburg ist die aktuelle Regionale 21 zu sehen
Ganz sollte Lea Torcelli dann
doch nicht Recht haben. Anders
als von ihr vorhergesagt,
haben die Regionale 21 in der
Freiburger Galerie für Gegenwartskunst
im E-Werk nicht
nur Mäuse gesehen. Sie selbst
kam mit der Höhe ihrer Installation
den Nagern entgegen, alle
anderen müssen sich bücken.
Zeit ist in diesem Pandemiejahr
relativ geworden – eine Regionale,
die im Frühjahr besichtigt
werden kann, nachdem im letzten
Jahr lediglich eine Online-
Vernissage stattfand, ist da nur
ein Ausdruck eines ins Wanken
geratenen Gefüges, in dem man
bislang immer darauf zählen
konnte, dass die Regionale das
Jahr beschließt und das neue
beginnt.
„Songs from the End of the
World“, so der Titel von Heidi
Brunnschweiler und Jana
Spät kuratierten Ausstellung,
nimmt bereits auf unser Jahr
mit Covid-19 Bezug. Das Dystopische,
das in den ausgewählten
Werken anklingt, lässt sich
also nicht mehr als angesagter
Diskurs, eingeleitet von ein paar
Theoretikerinnen und Theoretikern
sowie der documenta 13
abtun. Viele der Arbeiten der
elf Künstlerinnen und Künstler
befassen sich mit unserem
Verhältnis zur Natur, Emeka
Udembas Einzelausstellung in
der Galerie I steuert noch ein
weiteres Thema bei: den alltäglichen
Rassismus, den Schwarze
in Deutschland erleben. „Where
are you from“ ist dann auch auf
mehrere Blätter gedruckt, die
eine der Wände in der Galerie
tapezieren. Der Stempel dazu
liegt auf dem Tisch daneben
aus. Die enervierende Frage
schließt sich zum Kreis, die
Form erinnert an eine Iris, die
zunehmend zur Identifizierung
genutzt wird. Das Taxieren von
Menschen ist in dieser Einzelpräsentation
„#Another Day in
Paradise“ eine Angelegenheit
auf Gegenseitigkeit. Betritt man
die Galerie I sieht man sich der
Installation „The Gathering“
gegenüber, es sind zehn kegelförmige
Umhänge auf Ständern,
die an die Kutten des
Klu-Klux-Klan erinnern. Die
Augenpartie ist ausgespart und
farbig konturiert, der Rest mit
Spiegelscherben beklebt, die
nicht nur unseren Blick fragmentieren,
sondern ihn auch
zurückspiegeln. Die Porträts,
es sind ein Block von Kinderdarstellungen
als Brustbild und
Paare aller Art, bestätigen diese
Ambivalenz. Sie stiften einen
Dialog mit den Betrachterinnen
und Betrachtern, der durch die
Collagetechnik der Bilder wie
ein Lichtstrahl gestreut, der auf
ein Prisma fällt.
Emeka Udemba thematisiert den alltäglichen Rassismus, den Schwarze in Deutschland
erfahren
Foto: Marc Doradzillo
Der Titel „Songs from the End
of the World“ löst sich in Lea
Torcellis Installation „Phyto_Lotis
(3031)“ ein. Die Arbeit beruht
auf der Voraussetzung, dass ein
zukünftiger Asteroideneinschlag
das Leben auf der Erde wenn
nicht zerstören, so doch nachhaltig
verändern wird, insofern
er Hybride hervorbringt. Torcelli
geht in dieser materialreichen
Installation auf historische Deutungs-
und Ordnungsmuster zurück
wie etwa die Naturalien der
Wunderkammern und antike Erzählungen
von Metamorphosen
zwischen Mensch und Natur.
Am Boden befinden sich zudem
Glaskolben mit Nährflüssigkeit
für Samen, die zu Pflanzen austreiben
sollen. Ein bisschen Synkretismus
ist schon dabei, wenn
die Welt nach der Apokalypse
neu gedacht werden soll.
Dass nicht alles verloren ist,
zeigt die aufwendige und höchst
ästhetische Zweikanal-Videoinstallation
„Habitat“ von Daniel
Dressel und Lynne Kouassi aus
dem Jahr 2019. Das Video stellt
tatsächlich zwei unterschiedliche
Lebensräume vor, die sich auf
unerwartete Weise Halsbandsittiche
und Rotkehlchen ausgesucht
haben. Seit einigen Jahren
bevölkern die auffällig grünen
Sittiche, die ursprünglich aus
Afrika stammen, europäische
Städte. Sie haben sich ebenso an
das Klima und die Lebensbedingungen
gewöhnt wie das Rotkehlchenpaar,
das in einem der
Gewächshäuser von Kew Gardens
in London lebt. Ein kleines
Wunder der Anpassung.
Regionale 21. Galerie für Gegenwartskunst
im E-Werk, Eschholzstr.
77, Freiburg. Bis 23. Mai.
Derzeit mit Terminvergabe, vorbehaltlich
aktueller Änderungen
des Pandemiegeschehens. Weitere
Infos unter www.ewerkfreiburg.de
Annette Hoffmann
Kreativität steht im Mittelpunkt
JugendKunstParkour (JKP) 2021 - Lasst die Kunst nicht „abwARTen“
Auch in diesem Jahr findet
der JugenKunstParkour wieder
statt. Zum neunten Mal veranstalten
der Kubus³ e.V. und
der ArTik e.V. mit Hilfe eines
jungen Organisationsteams den
JKP. Auf ein junges Team wird
von den Veranstaltenden viel
Wert gelegt um junge Menschen
in die Prozesse einzubinden,
aber auch ein Programm
auf die Beine zu stellen, das
von jungen Menschen für junge
Menschen geschaffen wird. Im
Rahmen des mehrmonatigen
Projektes (Mitte April bis Anfang
Juli) bekommen Jugendliche
und junge Erwachsene im
Alter von 15 bis 27 Jahren die
Möglichkeit, sich kreativ unter
professioneller Begleitung
auszuprobieren. Letztes Jahr
musste der JKP´online stattfinden
und arbeitete von Zuhause
unter dem Motto „grenzenloswerden“.
Die entstandenen
Arbeiten wurden in einer Fotogalerie
auf der Webseite ausgestellt.
Dieses Jahr ist das Motto
„abwARTen“ der Leitfaden
durch den Kreativprozess. Ob
der JKP wieder online stattfinden
muss oder ein Arbeiten vor
Ort möglich sein wird, ist noch
unklar. Geplant ist ein Zusammenkommen
in Gruppen von
fünf bis acht Personen, welche
auf fünf verschiedene Ateliers
JugendKunstParkour 2020
verteilt werden sollen. Die Bereiche
Beton, Bildhauerei, Collage
und Objektkunst, Maskenbau
und Maskenspiel, Klang
und Video werden in den einzelnen
Gruppen abgedeckt. Die
interne Auftakt- und Kennenlernveranstaltung
am 10. April
wird online stattfinden. Für die
Teilnahme sind keinerlei Vorkenntnisse
erforderlich, einzig
das Ausleben von Kreativität,
in welcher Form auch immer,
steht im Mittelpunkt. Vorgesehen
sind die Ateliers im DEL-
PHI_space, im Kubus³, in der
Foto: Hannah Hahn
Edith-Maryon-Kunstschule, im
Schwere(s)los und im ArTik.
Zum Ende des JKP ist wie üblich
ein Finale geplant, wo die
entstandenen Werke im Rahmen
eines Abschlussfestes ausgestellt
und aufgeführt werden.
Aufgrund von Corona gibt es
erstmals eine Anmeldepflicht,
aber das Programm bleibt weiterhin
kostenfrei. Unter www.
jugendkunstparkour-freiburg.
de ist die Anmeldung und alle
weiteren Informationen zu
finden. Anmeldefrist ist vom
22.März – 4.April.
KUNST KULTUR JOKER 9
Eine Reise durch Anselm Kiefers Kosmos
Große Sonderausstellung in der Kunsthalle Mannheim
Wuchtige erdfarbene Wellen
türmen sich auf, darunter
scheint ein dunkelgrauer Fluss
sich seinen Weg zwischen
schmutzig weißem Geröll zu
bahnen. „Sefiroth“ heißt das
gigantische Kunstwerk, das
eine ganze Wand über zwei
Stockwerke hinweg einnimmt
und wie eine Naturgewalt über
die Besucher der Mannheimer
Kunsthalle hereinbricht. Der
passende Auftakt zur großen
Sonderausstellung des Künstlers
Anselm Kiefer, die wie
so viele Ausstellungen durch
den Lockdown unterbrochen
wurde, kaum dass sie eröffnet
hatte. Deshalb hat die Mannheimer
Kunsthalle die nach
dem Künstler benannte Schau
„Anselm Kiefer“ bis zum 22.
August verlängert.
Man fragt sich ohnehin, wie
man sich in den hohen, weiten
„Tod und Stille“ sowie „Himmel
und Erde“. Wer erinnert
sich noch an den Widerstand
gegen dieVolkszählung 1987?
„Leviathan“ nennt der Künstler
sein Kunstwerk, in dem das
Unbehagen der durch Erbsen
dargestellten Bürger gegenüber
der Datensammlung durch den
Staat zum Ausdruck kommt.
Mitten im Raum steht ein rostiger
Container mit offenen
Türen, durch die man zahlreiche,
wie Vorhänge aufgehängte
Datenblätter aus dünnem
Blei sieht. In ihnen sind
Erbsen gefangen. Darüber ringeln
sich metallene Schlangen.
Im staatstheoretischen Denken
nach Thomas Hobbes stehen sie
für den Staat als bedrohlichen
„Leviathan“ (1651).
Doch es gibt auch Hoffnung.
Ein Flugzeug hat Sonnenblumen
geladen als wolle es deren
Installationsansicht „Anselm Kiefer“.
Der verlorene Buchstabe, 2011-2017, Kiefer-Sammlung Grothe im Franz Marc Museum
© Anselm Kiefer
Der fruchtbare Halbmond, 2010, Sammlung Grothe in der Kunsthalle Mannheim
© Anselm Kiefer, Foto: Kunsthalle Mannheim; Rainer Diehl
Frauen der Antike, 2006, Sammlung Grothe
in der Kunsthalle Mannheim
© Anselm Kiefer, Foto: Wienand Verlag
Anselm Kiefer
© Atelier Anselm Kiefer
Erde und Asche eine fast schon
greifbare Passionsgeschichte
erzählen.
Der vierte und letzte Raum
liegt im zweiten Stock, was die
Gelegenheit gibt, aus einer anderen
Perspektive Ausmaß und
Umfang von „Sefiroth“ wahrzunehmen.
Neuneinhalb Meter
hoch und fast 3 Tonnen schwer
– dieses archaische Sinnbild der
Schöpfung nach der Kabbala
sorgt dafür, dass man sich als
Mensch nicht allzu groß und
mächtig fühlt.
An die frühen Hochkulturen
im Zweistromland erinnert
„Der fruchtbare Halbmond“.
Man meint fast, das Fallen der
Ziegel hören zu können, aus denen
Stadtstaaten wie Babylon
und Ninive errichtet wurden.
Auf den aus erdigen Farben
plastisch herausgearbeiteten
Ziegeln schrieb Kiefer die Namen
legendärer Orte jener lang
vergangenen Zeit: Ur, Akkad,
Jericho…
Eine verspielte Note bringt
das jüngste Werk in die Ausstellung:
„Der verlorene Buchstabe“
entstand 2011-2017. Im
Kern steckt eine als Original
ausgewiesene alte Heidelberger
Druckmaschine, die von konservierten
Sonnenblumen überwuchert
wird. Umringt wird sie
von Folianten aus Metallseiten
und Sonnenblumenkernen. Das
erinnert an einen klugen Menschen
der römischen Antike,
der zu der zeitlos richtigen Erkenntnis
kam, dass es einem an
nichts fehlt, wenn man eine Bibliothek
und einen Garten hat.
„Anselm Kiefer“,
Kunsthalle Mannheim, Friedrichsplatz
6, 68165 Mannheim,
www.kuma.art. Bis 22.08.2021
Nike Luber
Räumen der Kunsthalle bei
einem ausgearbeiteten Hygienekonzept
anstecken sollte. In
diesen Räumen entfalten sich
Kiefers monumentale Arbeiten
optimal. Riesige getrocknete,
metallfarbene Sonnenblumen
schauen auf das derzeit noch
nicht vorhandene Publikum herab.
Es heißt, der Künstler habe
diese speziellen, 2 Meter und
mehr erreichenden Sonnenblumen
aus seinem eigenen Garten
in seiner Wahlheimat Frankreich.
Sie gehören, zusammen
mit Asche, Metall und Erde, zu
seinen Lieblingsmaterialien, ob
in den frühen Arbeiten oder den
neueren, oft von der jüdischen
Kabbala inspirierten Werken.
Die Mannheimer Schau
nimmt einen mit auf eine Reise
durch Kiefers Kosmos, unterteilt
in die Themen „Gott
und Staat“, „Mann und Frau“,
Samenkörner über der aschegrauen
verwüsteten Landschaft
des Gemäldes ausstreuen. „Die
große Fracht“ ist benannt nach
dem gleichnamigen Gedicht
von Ingeborg Bachmann. Anselm
Kiefer findet in seinem
Werk oft Platz für Frauen. „Lilith“
zum Beispiel, in der jüdischen
Überlieferung die erste
Frau von Adam. Sie rebellierte
gegen ihren Mann und gegen
Gott selbst. In Kiefers geradezu
plastisch gemalter Skyline einer
Großstadt steht eine Strähne
schwarzen Haares für die widerspenstige,
oft als Vernichterin
geschilderte Lilith.
„Frauen der Antike“ findet
man im nächsten Raum. Allerdings
sehen sie etwas anders
aus als es der Titel dieser
Werk reihe vermuten lässt. In
den langen weißen Kleidern
aus Gips stecken keine weiblichen
Figuren, es gibt nicht
einmal Köpfe. Aus dem einen
Kleid wachsen Sonnenblumen,
das andere Kleid wird schier
erdrückt von der Masse großer,
im wahrsten Wortsinne
bleischwerer Bücher. Beides
steht dafür, dass viele Frauen
in früheren Zeiten trotz ihrer
Verdienste kaum gewürdigt
wurden und somit unfreiwillig
anonym blieben.
Seit vielen Jahren beschäftigt
sich Anselm Kiefer intensiv
mit Religion und Mystik. Ein
ganzer Raum ist dem „Palmsonntag“
gewidmet. Die ausgewachsene
Palme, die samt
Wurzelballen wie umgestürzt
da liegt, steht natürlich für die
Kreuzigung. Den Hintergrund
nehmen 30 schwere Vitrinen
ein, in denen getrocknete dornige
Rosenzweige und trockene
Palmwedel auf einem Bett aus
Schwedisches
Design mit
grüner Seele
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10 KULTUR JOKER KUNST
Komplexe Bildstörung - „Kunst und Nationalsozialismus“
Sonderausstellung im Dreiländermuseum Lörrach
Hermann Burte: Anker am Rhein, 1934
Wie wir heute die Bildproduktion
verschiedener Künstler
aus Baden einschätzen können,
die im Zeitraum zwischen 1933
und 1945 entstanden ist, dieser
Frage geht derzeit die Ausstellung
„Kunst und Nationalsozialismus“
im Dreiländermuseum
nach. Gezeigt werden über
hundert Gemälde, Grafiken und
Skulpturen von zwölf Künstlern,
darunter Hans Adolf Bühler,
Emil Bizer, Adolf Riedlin,
Adolf Strübe, Max Laeuger,
August Babberger, Paul Ibenthaler,
Rudolf Kreuter; gleichzeitig
wird deren Verhältnis
zum NS-System biographisch
erhellt. Einige engagierten sich
aktiv, andere gaben „nur“ ihre
Unabhängigkeit auf, passten
sich an, verschlossen die Augen
vor der Gewaltherrschaft, beschränkten
sich auf Landschaften,
Porträts und mythologische
Sujets, während Sozialkritik,
Fabriken und Panzer ein Tabu
waren. Was folgt daraus für
Kunst und Persönlichkeit?
Einer der aggressiven Unterstützer
des NS-Regimes, der
schon vor 1933 an der Mobilmachung
mitwirkte, ist Hans Adolf
Bühler, Gründungsmitglied des
antisemitischen „Kampfbund(s)
für deutsche Kultur“ und Vertreter
eines ideologisch aufgeladenen
altdeutschen Symbolismus;
als neueingesetzter Direktor
an der Landeskunstschule
in Karlsruhe hat er Professoren
wie etwa Karl Hubbuch und
Georg Scholz aus dem Amt gedrängt.
In anderer Weise gehört
Hermann Burte, Schriftsteller
und Maler, zu den Regimeverfechtern,
was man nicht jedem
seiner Bilder gleich ansieht,
aber aus Texten weiß; „Anker
am Rhein“ (1934) etwa zeigt
einen Blick ins Elsass, das er
zur „gemeinsamen alemannischen
Heimat“ zählte, die von
den Nazis für den „judenfreien
Oberrheingau“ zurückerobert
werden wollte. Darf sein Bruder
Adolf Strübe als Mitläufer
gelten, und inwiefern trifft dies
auf andere Mitglieder der „Badischen
Secession“ zu? Jedenfalls
wollten einige nach 1945
als Opfer gelten, retuschierten
Bilder und Fakten; dem Regime
verbunden, hatten sie Erfolg
und Unterdrückung gleichzeitig
erfahren, etwa Emil Bizer
oder Adolf Riedlin. Letzterer
führte staatliche Aufträge aus,
während Werke von ihm als
„entartet“ aus Museen entfernt
wurden. Eindeutig verdankt
der Bildhauer Philipp Flettner
dem „Dritten Reich“ seinen
Aufstieg. Im Übrigen charakterisiert
es die NS-Primitivität,
dass eigene Anhänger, die zunächst
gegen die „Volksfeinde“
Bedeutung erreichten, selbst zur
Zielscheibe gerieten, z.B. Emil
Nolde; Werke von ihm wurden
beschlagnahmt, er verdiente
aber weiterhin gut (Goebbels
und Göhring war er genehm,
Hitler bevorzugte Adolf Ziegler,
etc.).
Bei all diesen Pseudo-Widersprüchen
und korrupten
Willkürmaßnahmen unter den
Nazis konnten die genannten
Künstler im Deutschen Reich
bleiben, teils ästhetisch verfemt,
aber nicht politisch verfolgt, im
Gegensatz zu der 1933 ins Exil
gezwungenen und ausgeraubten
Moderne (Beckmann, Klee,
Schwitters, Freundlich, Albers,
Hausmann u.v.a.). Dieser Sachverhalt
wird in der Ausstellung
leider kaum verdeutlicht, weshalb
sich ein Besucher ohne
Vorwissen mit dem Eindruck
begnügen könnte, auch Naziverstrickte
vermögen zu malen
und mit Farbe umzugehen, denn
die Exponate zeigen durchaus
Handwerk. Aber auch Eigenständiges?
Vielmehr eignen sie
sich aus allen Kunstrichtungen
Markantes an, weshalb etwa
Eugen Feger (SA-Mitglied)
„Magnolien“ kubistisch darstellen
konnte und Riedlin
eine Arbeiterkolonne expressiv
futuristisch oder den Isteiner
Klotz à la Cézanne. Paul Ibenthaler
inspirierte sich ebenfalls
mächtig in Frankreich, u.a. als
Besatzungssoldat. Genaueres
lässt sich nur am Einzelfall verstehen,
wobei die Begleitpublikation
der Kuratorin Barbara
Hauß unerlässlichen Rat bietet.
Ergänzend ist die Ausstellung
„Grenzfälle“ in Basel (hmb.
ch) sehr wichtig (Besprechung
erfolgt demnächst).
Kunst und Nationalsozialismus.
Dreiländermuseum, Lörrach,
Basler Str. 143. www.dreilaendermuseum.eu.
Di – So 11
- 18 Uhr. Verlängert bis 11. 07.
2021 Cornelia Frenkel
Albert Riedlin: Waldarbeiter,
1937 Fotos: Dreiländermuseum
Unter dem Druck der NS-Gewalt
„Grenzfälle. Basel 1933-1945“ – Ausstellung im Historischen Museum Basel
Täglich trafen seit 1933 politisch
Verfolgte aus Deutschland
in der Schweiz ein,
während die Nazis gleichzeitig
versuchten, das Land
mit seiner Gewaltherrschaft
zu infiltrieren, u.a. gründete
die NSDAP eine Zentrale in
Basel. Wie die NS-Herrschaft
das Leben in der Grenzregion
prägte, beleuchtet derzeit eine
facettenreiche Ausstellung.
Bevölkerung und Behörden,
Firmen und Banken reagierten
unterschiedlich, Deutschland
war einer der wichtigsten
Handelspartner der Schweiz.
Die kantonale und nationale
Flüchtlingspolitik nahm unter
dem Druck der Verhältnisse
restriktive Formen an; während
aber die Grenzen geschlossen
und ein Stacheldraht
gezogen wurde, vernetzten
sich Fluchthelfer und gründeten
Hilfswerke. Aufenthaltsbewilligungen
für die Schweiz
erfolgten nur zögerlich, doch
scharf verurteilte z.B. Albert
Oeri, Chefredakteur der Basler
Nachrichten, das NS-Regime
und die Judenverfolgung. Für
die Bevölkerung Basels war
die Situation eine massive Herausforderung;
das Schweizer
Selbstbild stand im Zeichen
der „Geistigen Landesverteidigung“,
es herrschte Angst
vor einem Einmarsch wie im
benachbarten Elsass geschehen,
das NS-Funktionäre zum
„Oberrheingau“ umbauten.
Die Schau in Basel analysiert
all diese Aspekte anhand von
menschlichen und rechtlichen
„Grenzfällen“ aus verschiedenen
gesellschaftlichen Bereichen.
Angerissen sei hier der Bereich
Kunst, da er die Ausstellung
„Kunst und Nationalsozialismus“
ergänzt, die im Dreiländermuseum
Lörrach stattfindet.
Während in Deutschland
die moderne Kunst verfolgt
wurde, entwickelt sich die
öffentliche Kunstsammlung in
Basel rapide: denn sogenannte
„entartete“ Kunst irrte in großer
Zahl durch die Lande und
suchte nach Rettung und Käufern.
In dieser Situation fuhr
z.B. Museumsdirektor Georg
Schmidt nach Berlin, um aus
Museen beschlagnahmtes
Kulturgut zu erwerben, ersteigerte
zudem Werke in
Luzern und kaufte Bilder von
Sammlern und Künstlern, die
nach Basel emigrierten oder
dort auf der Flucht Station
machten - und dringend Geld
benötigten. Curt Glaser etwa,
geschasster Direktor der Berliner
Kunstbibliothek, konnte
Teile seiner Sammlung in die
Schweiz retten. Auch Georg
Schmidts Vorgänger Otto Fischer
förderte die Moderne,
kaufte Kirchner, Corinth u.a.
Zur wichtigen Persönlichkeit
wurde in diesem Zusammenhang
Christoph Bernoulli; sein
Haus in der Holbeinstraße war
seit den 1930er Jahren ein Ort
der Begegnung und Zuflucht
für Künstler und Sammler aus
Deutschland, etwa für Fritz
Nathan und Walter Feilchenfeldt.
Eine Drehscheibe waren
auch Paul und Maja Sacher sowie
Annie und Oskar Müller-
Widmann, z.B. für Hans Arp,
© Dokumentationsstelle der Gemeinde Riehen, Foto: Adrian Stückelberger
Kurt Schwitters, Jan Tschichold.
In Basler Museen gelangten
zudem Kunstwerke,
weil NS-Verfolgte beträchtliche
Konvolute deponierten,
etwa Eva Cassirer und Nell
Walden. Die provisorisch eingelagerten
Bestände wurden in
der Nachkriegszeit restituiert,
aber Vieles fand in Basel ein
dauerhaftes Zuhause. Die Ausstellung
sowie das weiterführende
Begleitbuch (Christoph
Merian Verlag) sind unbedingt
zu empfehlen.
Historisches Museum Basel.
Barfüsserkirche. Steinenberg
4. Di-So 10 – 17 Uhr. www.
hmb.ch. Begleitprogramm:
www.grenzfaelle.ch. Verlängert
bis 30.5. 2021
Cornelia Frenkel
KUNST KULTUR JOKER 11
Eine Frau unter Männern
„Gae Aulenti: Ein kreatives Universum“ – Ausstellung im Vitra
Gae Aulenti: „King Sun“-Tischlampe, hergestellt von Kartell 1967
© Vitra Design Museum, Foto: Andreas Jung
Gae Aulenti, 1989. Mit freundlicher Genehmigung von
Archivio Gae Aulenti
Foto: © Hans Visser
Design Museum in Weil am Rhein
Gae Aulentis Wohnung an der Via Fiori Oscuri, Mailand, 1993.
Mit freundlicher Genehmigung von Archivio Gae Aulenti
Foto: © Santi Caleca
lentis Designobjekte wurden
zur Verkörperung des Zeitgeists.
In dem berühmten Film
„Swimming Pool“ räkelten
sich Romy Schneider, Jane Birkin
und Alain Delon am Rand
des tiefblauen Pools auf diesen
poppigen Gartenmöbeln. Bei
den farbigen Stoffbezügen ließ
sich die Designerin tatsächlich
von dem in Italien lebenden
britischen Pop-Art Künstler
Joe Tilson inspirieren. Ihre
Möbel und Objekte waren
nicht nur Aufträge, sie umgab
sich mit ihnen auch in ihrem
eigenen Lebensumfeld. In einer
Wandprojektion werden
Fotografien aus ihrer Mailänder
Wohnung gezeigt, die klarmachen,
wie eng verwoben ihr
berufliches und privates Leben
war. Einige Objekte haben
eine Mehrfachfunktion. So
kann die kugelförmige Lampe
Giova gleichzeitig als Vase
genutzt werden. In der unteren
Glaskugel befindet sich die
Glühbirne, die von oben eingepasste
kleinere Halbkugel
kann als Vase genutzt werden.
Die Verbindung verschiedener
Funktionen findet sich auch
bei einem witzigen Objekt, das
auf den ersten Blick wie ein
kleines, erbsenfarbenes Kraftwerk
aussieht. Seine Funktion
erschließt sich bei genauer
Betrachtung. Auch hier ist
eine Vase mit einer Lampe
liiert, hinzu kommt noch ein
Aschenbecher.Der Name für
diesen Hybrid von 1967 ist
Rimorchiatore, was Schleppschiff
bedeutet und somit die
gedrungene, leicht bullige
Form erklärt. Alle 35 ausgewählten
Objekte tragen Namen
und jedes ist für seine jeweilige
Funktion entwickelt worden.
Eine einheitliche Formsprache
findet sich nicht. Von Stil hielt
Aulenti nichts. Auch in den
großen Architekturprojekten
der 80er und 90er Jahre konzentrierte
sie sich auf die Erfordernisse
des jeweiligen Ortes.
Alles hat eine eigene Geschichte
und steht in einem anderen
Zusammenhang. Darauf wollte
sie eingehen und nicht eine
Handschrift, eine Wiedererkennbarkeit
entwickeln, wie es
bei so vielen ihrer männlichen
Kollegen der Fall ist. Auf die
Architekturprojekte wird in
dieser Ausstellung, wohl aus
Platzgründen, nicht weiter eingegangen.
Immerhin gibt eine
Bildprojektion einen Eindruck
von der Fülle und Vielfalt ihrer
Aufträge, die sich vom Flughafengebäude,
über Museumsumbauten,
bis hin zu Privathäuser
erstreckten. Als Gae
Aulenti 2012 verstarb, war sie
hochgeehrt und in der Fachwelt
als eine der wenigen Architektinnen
bekannt, die auf gleicher
Ebene mit den berühmten
männlichen Kollegen rangierte.
Mailand, die Stadt, in der
sie am längsten wirkte, nannte
einen futuristischen Platz nach
ihr: Piazza Gae Aulenti.
Vitra Design Museum, Weil
am Rhein. Bis 18.04.2021.
Christiane Grathwohl
Eine Frau unter Männern.
Als Architektin bewegte sich
Gae Aulenti in einer Männerdomäne.
Mit ihren ortsbezogenen
Ideen und Entwürfen
setzte sie sich durch. Gerade in
der Neunutzung alter Gebäude
leistete sie Hervorragendes.
Berühmt wurde sie mit dem
Umbau des Gare d’Orsay vom
stillgelegten Bahnhof zum
viel genutzten Museum. Für
die Bewältigung dieser Mammutaufgabe
erhielt sie die
ranghöchste Auszeichnung
Frankreichs, den Orden der
Ehrenlegion. Sie selbst maß
ihrer Rolle als Frau in einer
Männerwelt keine große Beachtung
bei. Ihr ging es um
die Arbeit. Seit dem Studium
am Mailänder Polytechnikum,
das sie 1954 als eine von zwei
Frauen neben 18 Männern des
Jahrgangs abschloss, kannte
sie es nicht anders. Bevor jedoch
die großen Architekturaufträge
kamen, machte die
1927 in der Nähe von Udine
geborene Gaetana Aulenti sich
einen Namen als Designerin.
Darauf liegt der Akzent
der aktuellen Ausstellung im
Schaulager des Vitra Design
Museums in Weil. 35 Objekte
sind dort versammelt, präsentiert
zwischen den Regalen der
ständigen Sammlung. Obwohl
räumlich ein wenig beengt und
leider ohne eigene Begleitpublikation,
ist die Ausstellung
sehr erfreulich. Gilt es doch
eine Produktdesignerin und
Architektin kennen zu lernen,
die hierzulande immer noch
als Geheimtipp gilt.
In den Objekten aus den
frühen 60er Jahren wie dem
Schaukelstuhl Sgarsul von
1962 orientiert sie sich noch
an der Ästhetik des Art Deco.
Auch die berühmte Pipistrello-Lampe
von 1965 erinnert
in ihrer Farbigkeit - schwarz
und silber für den Lampenfuß,
weiß für den Lampenschirm
aus Glas - an die 20er Jahre.
Diese nach der Fledermaus benannte
Lampe wurde 1965/66
für den Schauraum der Firma
Olivetti in Paris entwickelt.
Sie ist ein absolutes Kultobjekt
für Design-Fans und wird
bis heute in Italien produziert.
Sie machte Aulentis Namen
über die Grenzen Italiens bekannt.
Mit der Gartenmöbelserie
Locus Solus schwamm sie
sich frei. Neben Liegestuhl
und Beistelltisch, gehörten zu
dem Programm eine Liege mit
großen Rollen, Armlehnstühle,
ein Esstisch und eine Sitzbank
samt Hocker und Lampe. Alles
angefertigt aus gebogenem und
leuchten orange lackiertem
Stahlrohr. Die Pop-Art lag in
der Luft, die Swinging Sixties
waren voll im Gang und Au-
Schopfheimerstraße
2
12 KULTUR JOKER KUNST
Malerei und Poesie Hand in Hand
„Bernd Schwär - Abstrakte Malerei 1972-2019“ gewährt einmaligen Blick auf das Werk des internationalen Künstlers
Der in Au bei Freiburg lebende
Bernd Schwär, seinerseits Obermeister
der Schreiner-Innung
Freiburg, stellt seit Jahrzehnten
unter Beweis, dass kreatives
Geschick in Handwerk und Bildender
Kunst Hand in Hand einhergehen
können. Seine Liebe
zur kreativen Arbeit entdeckte
der Schreinermeister 1973 im
Rahmen einer Ausbildung zum
Dipl. Schweizer Innenarchitekten
in Basel. „Damals kam
mir das Buch „Begegnung mit
Pionieren“ von Alfred Roth in
die Hände. Hier wird das Zusammenspiel
zwischen Idee und
gefertigtem Original dargestellt
sowie Begegnungen mit Le Corbusier,
Piet Mondrian, Alfred
Loos und Henry van der Velde
beschrieben. Diese Ideen beobachtete
ich bei jeder Begegnung
mit Kunstschaffenden und so
Bernd Schwär beim Malen
1.1.1993 Fotos: promo
kam ich später zur eigenen Malerei“,
beschreibt Schwär seinen
künstlerischen Weg. Besonders
geprägt haben den internationalen
Künstler Begegnungen mit
Kunstgrößen wie Jean Tinguely,
Joseph Beuys oder Alfonso Hüppi.
„Mit Alfonso Hüppi verband
mich eine gute Beziehung, weshalb
ich handwerklich an seinem
Objekt für die Hammer-Ausstellung
1978 in Basel mitarbeitete.“
Die dafür speziell entworfenen
Keilbilderrahmen in besonders
großen Formaten (bis zu 5 Meter
Länge!) erregten die Aufmerksamkeit
anderer Künstler*innen,
sodass Bernd Schwär fortan auch
für Artur Stoll, Johannes Gecceli
und Georg Baselitz die Rahmen
entworfen hat.
In seinem künstlerischen Werk
finden sich verschiedene Strömungen
der Abstrakten Kunst,
Farbgebung sowie des Duktus.
Der internationale Künstler
Bernd Schwär steht beispielhaft
für eine lyrische Abstraktion,
die durch eine rhythmische
Harmonie und spontane Malgestik
auffällt und geschickt Zufallselemente
in das Werk und
den Malprozess integriert. Wer
einen Blick auf seine Kunstwerke
wirft, entdeckt sofort die
präzisen Pinsel-, Spachtel-, und
Fingerspuren, die die Betrachtenden
dazu einladen, Teil des
Entstehungsprozesses zu werden.
Zu sehen waren Schwärs
Werke bereits bei verschiedenen
internationalen Ausstellungen in
Frankreich, Italien, Spanien, Österreich
und der Schweiz. Eine
Schnittstelle zwischen Kreativität,
Wahrnehmung und dem Willen
zur Durchführung ist wohl
sein unternehmerisches Handeln,
dessen Erfolg sich auch in
seinem international agierenden
Unternehmen MODUTEC darbietet.
Neben seiner Tätigkeit als
Schreinermeister und Künstler,
engagiert sich Bernd Schwär seit
vielen Jahrzehnten für Kunstund
Kulturvermittlung in der
Abstract Art Academy – Art and
Med.
„Abstract Art Academy –
Art and Med“
Die 1970 in London gegründete
Abstract Art Academy – Art
and Med versteht sich als digitale
Plattform, die Personen mit
Interesse an Kunst und entsprechenden
Vermittlungsformaten
die Möglichkeit gibt, sich zu vernetzen.
Neben dem Gründungsort
London gibt es auch Vertretungen
in Paris, Zürich, Basel,
Beirut sowie in Freiburg. Im Zentrum
der Abstract Art Academy
– Art and Med steht die Vermittlung
von Kunst und Kultur in Bereichen
des öffentlichen Lebens,
in denen ein künstlerisches Interesse
sonst wenig vertreten wird.
Die Organisation der Abstract
Art Academy in Freiburg obliegt
dem regionalen Künstler Bernd
Schwär. Ein besonderes Projekt
ist die Corona Galerie 2021. Hier
stellen Mitglieder der Abstract
Art Academy ihr Werk des Monats
vor.
Bernd Schwär Porträt
Bernd Schwär – Abstrakte
Malerei 1972-2019
Einen minutiösen Einblick in
das Werk und Leben des Malers
gewährt das Buch „Bernd
Schwär – Abstrakte Malerei“,
wo Lyrik und Malerei in einer
phantastischen Symbiose aufeinandertreffen.
Auf je einer Doppelseite treffen
Bernd Schwärs Werk und die
Gedichte der regionalen Autorin
Gerlinde Kurzbach aufeinander.
Hand in Hand gehen Malerei und
Poesie auf eine Reise durch Malprozesse,
symbolische Bedeutungen,
Gefühlswelten und psychologische
Grenzerfahrungen.
Das Besondere dabei ist, dass
jedes lyrische und künstlerische
Werk je einen Tag im Jahr gewidmet
ist. So können Leser*innen
des Buches jeden Tag auf Neue
in eine lyrische Welt eintauchen,
die sich an der expressiven Malerei
des internationalen Künstlers
Bernd Schwär orientiert.
„Bernd Schwär-Abstrakte Malerei
1972-2019“, Jahreskalender
ISBN 978-3-9821900-0-6
10. April
Ich dreh‘ mich,
ich dreh‘ mich,
ich seh‘ mich.
Kleine Welt.
Und dich und dich,
ein geschlossener
Kokon. Las Palmas
Ich strecke meine Fühler hinaus,
ertaste dich.
Hab dich gesehen...
Da ist es bunt, da ist es schön,
da ist ‚dich und mich‘,
da ist Leben
Jetzt lebe ich und
tanze mit dir in Vegueta
Las Palmas.
Ich tanze in meiner Welt,
um dich, um mich.
Mein Zuhause.
KUNST KULTUR JOKER 13
Ein Ort, an dem Freiheit gelebt werden konnte
„Impasse Ronsin. Mord, Liebe und Kunst im Herzen von Paris“ – Ausstellung im Museum Tinguely in Basel
Die Impasse Ronsin in Paris
war hundert Jahre lang
ein legendärer Ort der Kreativität
für Künstler*innen.
Seit den 1970er Jahren gibt
es diesen, auch als magisch
bezeichneten Ort nicht mehr.
Die aktuelle Ausstellung im
Tinguely Museum in Basel
spürt der einstigen Ateliersiedlung
nach, die sich
wie eine Insel aus dem 19.
Jahrhundert, in der geschäftigen
Metropole im Stadtteil
Montparnasse gehalten hatte.
Als ein benachbart gelegenes
Krankenhaus erweitert
wurde, war das Ende besiegelt
und die Atelierhäuser
wurden abgerissen. Nostalgie
und Romantik wird mit
der Impasse Ronsin verbunden.
Sieht man sich die Fotos
an, ähnelten die einfach
ausgestatteten Ateliers eher
Bruchbuden. Die hygienischen
Verhältnisse waren
schlecht, keine Bäder, keine
Heizung und nur eine Toilette
für 37 Häuser. Und dennoch
sind es nicht diese Dinge,
die im Gedächtnis derer
haften, die in den 50er und
60er Jahren dort gearbeitet
haben, sondern die außergewöhnliche
Intensität des
kreativen Austauschs und
der künstlerischen Vielfalt.
In der Impasse Ronsin konnte
Freiheit gelebt werden.
Diese besondere Atmosphäre
in einer Ausstellung
sichtbar zu machen, ist kein
leichtes Vorhaben. Durch
verschachtelt angelegte
Press-Span-Kojen versuchen
die Ausstellungsmacher,
den Grundriss der Ateliersiedlung
nachzuvollziehen.
Zweihundert Werke von
über fünfzig Künstler*innen
sind ausgewählt worden, die
nicht nur die lange Zeit vom
ausgehenden 19. Jahrhundert
bis in die 70er Jahre des 20.
Jahrhunderts umfassen, sondern
auch die unterschiedlichsten
Stile und Qualitäten.
Ein ziemliches Potpourri
ist das Ergebnis und führt
dem Besucher eine Realität
vor Augen, die klarmacht:
Von den Vielen, die in der
Impasse Ronsin einmal ihr
Atelier hatten, sind nur die
Wenigsten heute noch bekannt.
Zu den Namen, die in
die Kunstgeschichte eingegangen
sind, gehören Marcel
Duchamp, Yves Klein, Jean
Tinguely, Eva Aeppli, Niki
de Saint Phalle und Marta
Minujin. Dann natürlich der
geniale Bildhauer Constantin
Brancusi, der sein Werk
dem französischen Staat vermachte,
in der Hoffnung, die
Impasse Ronsin damit retten
zu können, hatte er doch immerhin
40 Jahre lang dort gelebt,
gearbeitet und ist auch
dort gestorben. Diese Schenkung
nützte für den Erhalt
nichts, aber sein Atelier ist
heute auf dem Vorplatz des
Centre Pompidou als Rekonstruktion
wiederaufgebaut
und kann besichtigt werden.
Es kamen die Amerikaner
Larry Rivers und Robert
Rauschenberg in die Impasse
Ronsin, auch Max Ernst
Blick in die Ausstellung Foto: Daniel Spehr
und Isamu Noguchi waren
einige Zeit vor Ort. In dieser
Ausstellung können jedoch
gerade unter den heute weniger
bekannten Namen Entdeckungen
gemacht werden.
Dazu gehören auch der klassisch
arbeitende Bildhauer
André del Debbio, der eine
eigene Bildhauer-Schule unterhielt
und seine Frau Anael
Topenot-del Debbio, die Industrieszenen
malte. Frauen
fanden nach dem Krieg in
der Impasse Ronsin ein geistig
offenes Umfeld, in dem
sie ihre Kunst selbstbewusst
entwickeln konnten.Mit
Dokumentationen, kleinen
Filmchen und Kunstwerken
wird die Rolle von Frauen
aufgezeigt. Ein Eclat, der
1908 große Aufregung verursachte
und mit dem Namen
der Impasse Ronsin verbunden
blieb, war der nie aufgeklärte
Doppelmord, in den
maßgeblich eine Frau – Marguerite
Steinheil – verwickelt
war. All das lässt sich
vertiefen in dem umfangreichen
Katalog, der nicht
nur mit informativen Texten
glänzt, sondern mit einer
Vielzahl von unterschiedlichen
Abbildungen. Neben
den Werkfotografien sind es
die zeitgenössischen Porträtfotos
der Künstlerschaft in
Aktion, die ein lebendiges
Zeitbild vermitteln. Wer Lust
auf Vorab-Orientierung hat,
kann sich online von den beiden
Ausstellungskuratoren
auf Englisch einführen lassen.
Es lohnt sich!
Eva Aeppli in der Impasse Ronsin, 1959,
Foto Joggi Stoecklin ©2020/2021 Museum Tinguely, Basel
„Impasse Ronsin. Mord,
Liebe und Kunst im Herzen
von Paris“. Museum Tinguely,
Basel. Bis 09.05.2021
Christiane Grathwohl
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14 KULTUR JOKER Kunst
Ein Türspalt in die Kinderzeit
Die Galerie Baumgarten in Freiburg präsentiert „Christoph Drexler:
Bilder aus 20 Jahren“
Christoph Drexler, Blauer See mit
Kahn, 2017
Foto: Galerie Baumgarten
Christoph Drexler ist seinen
Motiven über viele Jahre treu.
Er malt konzentriert und langsam.
Hat er mit einem Bild
einmal angefangen, muss es in
einem Stück zu Ende gemalt
werden. Das erfordert einiges
an Vorüberlegungen, so dass
sich die aktiven Malphasen
mit denen der Planung und
Kontemplation abwechseln.
Auf diese Weise entstehen stetig
neue Bilder, die sich in den
Fluss ihrer Vorgänger einreihen.
In der aktuellen Ausstellung
hat die Galerie Baumgarten
Werke zusammen getragen
von Mitte der 90er Jahre
bis heute. Es ist ein schöner
Rundumblick und zeigt das
Kontinuum der Bildmotive:
Felder, Berge, Seen, Häuser,
Boote, Spielzeughäuser und
neuerdings auch Blumen und
Innenräume.
Bei den Bildern des in München
lebenden Christoph
Drexler handelt es sich um
klassische Farbmalerei, Öl auf
Leinwand oder Öl auf Karton,
fast alle im kleinen Format, abgesehen
von einigen größeren
Ausnahmen. Das kleine Format
passt gut, die Bilder haben
etwas Intimes. Sie wollen
nicht überwältigen. Die Weite
tragen sie in sich und scheinen
in ihrer oft hellen, mit weiß
aufgemischten Tonigkeit, den
Bildraum über den Rahmen
auszudehnen. Alle Bilder entstehen
im Atelier und obwohl
sie sich auf gesehene Situationen
beziehen, haben sie sich
längst von äußeren Realitäten
abgelöst. Eine in den letzten
Jahren entstandene Werkgruppe
sind die „Spielzeughäuser“.
Diese existieren, wie
auch die Landschaften, in der
Wirklichkeit. Als Modelle
benutzt der Künstler die alten
Holzhäuschen aus seiner Kinderzeit.
Mit ihnen baut er eine
Miniaturwelt auf im Atelier.
Sie stehen auf einem Tisch,
der sich wiederum in einer
Zimmerecke befindet. Meist
sparsam arrangiert, oft an
den entgegengesetzten Tischkanten
aufgestellt, manchmal
sogar auf dem Rücken liegend,
erzeugen sie überraschende
Raumwirkungen. Zwischen
den Häusern entstehen Beziehungen.
Durch unterschiedliche
Größenverhältnisse,
Schatten auf der Tischplatte,
Winkelverschiebungen und
farbige Setzungen, schafft
Christoph Drexler eine surreal
anmutende Bildsituation
voll assoziativer Möglichkeiten.
Tatsächlich öffnet sich
in diesen Bildern ein Türspalt
in die Kinderzeit mit ihren
magischen Möglichkeiten
der Weltwahrnehmung. Der
Modellcharakter einer Puppenstube,
das Ausprobieren
von Großem im Kleinen, vom
Erwachsenensein im Spiel als
Kind, klingt in diesen Bildern
an.
Seine Position als der Agierende
und zugleich von außen
aufs Geschehen Blickende ist
auch in anderen Bildern nachvollziehbar.
Besonders auffällig
ist es bei den Bildern,
die als „Fensterlandschaften“
bezeichnet sind. Ein gemalter
Bildrahmen, meist am linken
und unteren Rand, begrenzt
den Ausblick in die Landschaft.
Aus einem Innenraum
heraus, durch eine Fensteröffnung
werden Berge und Häuser
betrachtet. Es ist immer
ein Ausschnitt, gesehen aus
der Distanz. Kein Involviertsein,
kein in der Landschaftaufgehen
ist gemalt, sondern
ein Zustand des Beobachtens.
Die Berge sind in weite Ferne
gerückt, auch Hausformensind
Teil der Staffage. Ähnlich wie
die Spielzeughäuser wirken
sie arrangiert:angeschnitten,
winzig klein und weit entfernt.
Auch sie sind vereinzelt, in
großer Distanz voneinander
gesetzt, wie choreografiert in
einer leeren Landschaft.
Kontemplative Ruhe und
Weite strahlen diese Bilder
aus. Eine dichte Atmosphäre
der Konzentration auf das Wesentliche
ist in ihnen enthalten,
getragen von einer sanften und
differenzierten Farbigkeit, voller
Schönheit und Wohlklang.
Etwas Traumverlorenes haftet
den Bildern an.
„Christoph Drexler: Bilder
aus 20 Jahren“. Galerie Baumgarten,
Freiburg. Bis April
2021.
Christiane Grathwohl
Christoph Drexler,
Häuserstillleben mit grüner
Schachtel, 2013
Foto: Galerie Baumgarten
MUSEEN & AUSSTELLUNGEN
FREIBURG
Archäologisches Museum Colombischlössle
- „freiburg.archäologie - Leben vor der
Stadt“-09.01.22
- „Der römische Legionär - Weit mehr
als ein Krieger“ -18.04.
Augustinermuseum
- „Der Schatz der Mönche - Leben
und Forschen im Kloster St. Blasien“
-19.09.
Carl-Schurz-Haus
- „Hope, Never Fear“-08.05.
E-Werk / Galerie für Gegenwartskunst
- „Regionale21: Songs from the end of
the world“ -25.05.
Faulerbad
- „Kunst auf der Liegewiese“ -12.06.
Galerie Albert Baumgarten
- „Christoph Drexler“ -17.04.
Galerie Artkelch
- „Zeitreise: 15 Jahre Aboriginal Art in
Freiburg“-17.04.
Galerie G
- „Andrea Hess: Nach Strich und
Faden - Textile Arbeiten“-07.05.
JVA Freiburg
- „Strafraum - Absitzen in Freiburg“
-17.07.
Katholische Akademie
- „OMG - Oh My God“-09.04.
Kunsthaus L6
- „Romina Abate, Nina Laaf: Den
Himmel mit den Ohren riechen“-02.05.
Kunstverein Freiburg
- „Kontamination“-16.05.
Museum Für Neue Kunst
- „Modern Love (or Love in the Age of
Cold Intimacies)-18.04.
Museum für Stadtgeschichte
- „buochmeisterinne – Handschriften
und Frühdrucke aus dem Freiburger
Dominikanerinnenkloster Adelhausen“
-13.06.
PEAC Museum
- „Nearby - Wie Bilder zeigen“
-22.08.
BASEL
Antikenmuseum
- „Von Harmonie und Ekstase. Musik
in den frühen Kulturen“ 18.04.-19.09.
Fondation Beyeler
- „Rodin / Arp“-16.05.
Haus der elektronischen Künste
- „Shaping the Invisible World: Digitale
Kartografie als Werkzeug des
Wissens“-23.05.
Historisches Museum Basel
- „Grenzfälle - Basel 1933-1945“
.-30.05.
Kunsthalle Basel
- „Lydia Ourahmane: Barzakh“ -16.05.
- „Joachim Bandau: Die Nichtschönen,
Werke / Works 1967-1974“-06.06.
- „Judith Kakon“ -15.08.
Kunsthaus Baselland
- „Nachleuchten. Nachglühen Videoinstallationen
und ihre Wegbereiter“
-24.05.
Kunstmuseum Basel
- „Rembrandts Radierungen“ -11.04.
- „Sophie Taeuber-Arp“ -20.06.
- „Dorian Sari“ -24.05.
- „Continuously Contemporary“-09.05.
Museum Tinguely
- „Katja Aufleger. Gone“-18.04,
- „Impasse Ronsin. Mord, Liebe und
Kunst im Herzen von Paris“ -29.08.
- „Leu Art Family. Caresser la peau du
ciel“-31.10.
- „Bruce Conner. Light out of Darkness“05.05.-28.11.
S AM
- „Access for All. São Paulos soziale
Infrastruktur“-15.08.
Spielzeug Welten Museum
- „Denim - stylisch, praktisch, zeitlos“
-05.04.
ANDERE ORTE
ABU DHABI (AE)
Louvre Abu Dhabi
- „Abstraction and Calligraphy - Towards
a Universal Language“-12.06.
Amsterdam (NL)
Foam Fotografiemuseum
- „Les Adu - I Am“-27.06.
- „Laia Abril: A History of Misogyny,
Chapter Two: On Rape“ -27.06.
Augsburg
Galerie Noah
- „Alex Katz“-09.05.
Baden-Baden
Museum LA8
- „Schön und gefährlich. Die hohe See
im 19. Jahrhundert“-05.09.
Museum Frieder Burda
- „Impressionismus in Russland“
-15.08.
- „James Turrell: Accretion Disc“b.a.w.
BARCELONA (E)
Museu d’Art Contemporani
- „Felix Gonzalez-Torres: The Politics
of Relation“ -12.09.
BERLIN
Galerie Crone
- „Ganz anders gleich“-24.04.
- „Emmanuel Bornstein“ 22.04.-05.06.
- „Ashley Hans Scheirl“ 29.04.-05.06.
Hamburger Bahnhof
- „Xinyi Cheng“-30.05.
- „Bunny Rogers“ -18.04.
Dokumentationszentrum des
Terrors
- „Der kalte Blick. Letzte Bilder jüdischer
Familien aus dem Ghetto von
Tarnów“-11.04.
Schwules Museum
- „Intimacy: New Queer Art From
Berlin And Beyond“ -30.08.
BERN (CH)
Alpines Museum der Schweiz
- „Let‘s Talk about Mountains: Eine
filmische Annäherung an Nordkorea“
-03.07.22
Kunstmuseum Bern
- „Werke aus der Sammlung“-30.05.
Zentrum Paul Klee
- „Mapping Klee“-25.04.
- „Aufbruch ohne Ziel. Annemarie
Schwarzenbach als Fotografin“
-09.05.
BIETIGHEIM-BISSINGEN
Städtische Galerie
- „Keine Schwellenangst! Die Tür
als Motiv in der Gegenwartskunst“
-06.06.
Bonn
Bundeskunsthalle
- „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“-16.05.
- „Aby Warburg: Bilderatlas Mnemosyne
- Das Original“-25.07.
BREGENZ (A)
Kunsthaus Bregenz
- „Jakob Lena Knebl & Ashley Hans
Scheirl: Seasonal Greetings“ -05.04.
- „Pamela Rosenkranz“17.04.-04.07.
- „Lois Weinberger“ 17.04.-04.07.
Vorarlberg Museum
- „2000 m über dem Meer“-27.06.
BREMEN
Kunsthalle
- „The Picasso Connection. The Artist
and his German Gallerist“
-18.07.
- „Soma: Luisa Eugeni und Mattia
Bonafini“-25.04.
- „Herzstücke: Von Kollwitz bis Miró“
-11.07.
BREISACH
Museum für Stadtgeschichte
- „Ausstellung zur Geschichte der
Stadt Breisach am Rhein” (ständig)
BRUCHSAL
Schloss Bruchsal
- „Busy Girl - Barbie macht Karriere“
-13.06.
BRÜSSEL (BEL)
Galerie Templon
- „Anju Dodiya - Tower of Slowness“
-22.05.
COLMAR (F)
Musée Unterlinden
- „Yan Pei-Ming - Au nom du père“
-06.09.
Donaueschingen
Museum Art.Plus
- „Vollgas - Full Speed“-11.04.
DRESDEN
Deutsches Hygienemuseum
- „Im Gefängnis. Vom Entzug der
Freiheit“-31.05.
- „Future Food. Essen für die Welt von
morgen“-26.09.
DÜREN
Leopold-Hoesch-Museum
- „Piktogramme, Lebenszeichen,
Emojis: Die Gesellschaft der Zeichen“-11.04.
DÜSSELDORF
Kunstpalast
- „Caspar David Friedrich und die
Düsseldorfer Romantik“
-24.05.
FRANKFURT am main
Caricatura Museum
KUnst KULTUR JOKER 15
- „Hauck & Bauer: Cartoons“-April
Museum für Moderne Kunst
- „Sammlung“-30.05.
GRAZ (A)
Neue Galerie Graz
- „Kunst-Kontroversen“-17.10.
- „Ladies First!“ -02.05.
- „Dominik Steiger - Tagtraumarbeiter“-11.04.
Hamburg
Deichtorhallen
- „Katharina Sieverding“-25.07.
- „William Kentridge“ -01.08.
HEIDELBERG
Sammlung Prinzhorn
- „Grenzgänger zwischen Kunst und
Psychiatrie / Werke der Sammlung
Kraft“-11.07.
Karlsruhe
Badischer Kunstverein
- „Gitte Villesen“-11.04.
Badisches Landesmuseum/
Schloss
- „HumAnimal - Das Tier und Wir“
-06.06.
- „Räuber Hotzenplotz Mitmachausstellung
für Familien“ -06.06.
Naturkundemuseum
- „Kosmos Kaffee“-06.06.
Staatliche Kunsthalle
- „Francoise Boucher. Künstler des
Rokoko“-05.04.
Junge Kunsthalle
- „Volle Kanne Kunst“-05.04.
Städtische Galerie
- „Verborgene Spuren. Jüdische
Künstler*innen, Architekt*innen und
Fotograf*innen in Karlsruhe“
-08.08.
- „Daniel Roth: Stac Lee“-12.09.
- „Peco Kawashima“ -08.08.
ZKM
-“Chiharu Shiota. Connected to Life“
-11.07.
KIEL
Kunsthalle zu Kiel
- „Zauber der Wirklichkeit. Der Maler
Albert Aereboe“-05.09.
KIRCHZARTEN
Kunstverein Kirchzarten
- „Junge Kunst XXIII“ -18.04.
KOCHEL AM SEE
Franz Marc Museum
- „Anselm Kiefer: Opus Magnum“
-06.06.
KÖLN
Michael Horbach Stiftung
- „Benedikt Ernst: Tolima“-18.04.
Museum Ludwig
- „Andy Warhol Now“-13.06.
- „Sisi privat. Die Fotoalben der Kaiserin“-04.07.
LICHTENSTEIN (LIE)
Kunstmuseum Lichtenstein
- „Werke aus der Hilti Art Foundation“
-10.10.
LÖRRACH
Dreiländermuseum
- „Kunst und Nationalsozialismus“
-11.07.
- „Gefeiert und gefürchtet“ -11.07.
MADRID (E)
Museo Reina Sofía
- „Trilogía marroquí“-27.09.
Mannheim
Kunsthalle Mannheim
- „Grenzenlos – Michael Buthes
Künstlerbücher“-13.06.
- „Anselm Kiefer“-22.08.
Reiss-Engelhorn-Museen
- „In 80 Bildern um die Welt“-04.07.
- „Jörg Brüggemann: Wie lange noch“
-24.05.
MERZHAUSEN
Kulturverein artisse e.V.
- „Christel A. Steier: Autonome Räume
- Innere Landschaften“-07.06.
METZ (F)
Centre Pompidou
- „Chagall. Überbringer des Lichts“
-30.08.
- „Aerodream. Architektur, Design und
Aufblasbare Strukturen 1950-2020“
-23.08.
MÜNCHEN
Lenbachhaus
- „Michaela Eichwald“-16.05.
- „Unter freiem Himmel. Unterwegs
mit Wassily Kandinsky und Gabriele
Münter“-30.01.22
Pinakothek
- „Nicholas Nixon. The Brown Sister,
1975-2020“-11.07.
- „Francis Alÿs: Re-Enactments“
-05.09.
Villa Stuck
- „Bis ans Ende der Welt und über
den Rand – mit Adolf Wölfli“
29.04.-25.07.
PARIS (F)
Galerie Cartier
- „Sarah Sze: Night into Day“-25.04.
- „Artavazd Pelechian: Nature, The
Season“-25.04.
Galerie Templon
- „Gérard Garouste“ -19.06.
- „Iván Navarro“ -15.05.
OFFENBURG
Städtische Galerie Offenburg
- „Peter Bosshart“ -20.06.
RIEGEL
Galerie Messmer
- „André Evard: Herbstträume“b.a.w.
Kunsthalle Messmer
- „Linda McCartney: The Sixties and
more“02.04.-04.07.
ROTTWEIL
Erich Hauser Kunststiftung
- „Sammlung“-ständig
SINDELFINGEN
Schauwerk
- „There is another way of looking at
things“-24.05.
- „Love Stories: 10 Jahre Schauwerk“
-24.04.
SINGEN
Museum Art & Cars
- „Gianni Versace: Retrospective“
-21.04.
SPEYER
Historisches Museum der Pfalz
- „Medicus: Die Macht des Wissens“
-13.06.
- „Der Grüffelo“-27.06.
STAUFEN
Galerie K
- „Restart 2.1“b.a.w.
Keramikmuseum
- „Jochen Rüth - KraftSpuren“
09.04.-16.05.
STRASBOURG (F)
Archäologisches Museum
- „Archäologische Sammlung“-28.06.
Museum für bildende Kunst
- „Wofür wurden Bilder gemalt, als es
noch keine Museen gab?“-02.08.
ST. Gallen (CH)
Kunstmuseum
- „Erker“ -21.11.
- „Welt am Draht“ -29.08.
ST. Märgen
Kloster Museum
- „Holzräderuhren“-2021
STUTTGART
Kunstmuseum
- „Wände | Walls“-30.05.
- „Frischzelle_27: Claudia Magdalena
Merk“-19.09.21
- „Kamm, Pastell und Buttermilch“
-26.09.
Landesmuseum
- „Fashion?! Was Mode zu Mode
macht“-24.04.22
Schacher - Raum für Kunst
- „Jan Jansen, Marc Dittrich – Stadtwerk“-08.05.
Staatsgalerie
- „Mit allen Sinnen! Französischer
Impressionismus“-04.07.
- „Neu#01“ -02.05.
TÜBINGEN
Kunsthalle
- „Karin Sander“-04.07.
ULM
Kunsthalle Weishaupt
- Beat Zoderer: „Visuelle Interferenzen1990
- 2020“ - bis 10. Oktober
2021
VADUZ (LIE)
Landesmuseum Lichtenstein
- „Hexenjagd in Papua-Neuguinea“
-09.05.
WALDENBUCH
Museum Ritter
- „Vera Molnar: Promenades en carré“
-11.04.
- „Highlights. Lichtkunst aus der
Sammlung“-11.04.
WEIL AM RHEIN
Vitra Design Museum
- „Deutsches Design 1949–1989:
Zwei Länder, eine Geschichte“-05.09.
- „Gae Aulenti. Ein kreatives Universum“-18.04.
- „Memphis. 40 Jahre Kitsch und
Eleganz“-23.01.22
Wien (A)
Belvedere
- „Johann Jakob Hartmann“-29.08.
- „Christine und Irene Hohenbüchler“
-12.09.
Kunstforum
- „Gerhard Richter: Landschaften“
-07.03.
- „Daniel Spoerri“-27.06.
MUMOK
- „Andy Warhol Exhibits“-30.05.
- „Hugo Canoilas. On the extremes of
good and evil“ -20.06.
„Defrosting the Icebox“ -30.05.
WINTERTHUR (CH)
Fotomuseum
- „Eva & Franco Mattes: Dear Imaginary
Audience“-24.05.
WOLFSBURG
Kunstmuseum Wolfsburg
- „In aller Munde. Von Pieter Bruegel
bis Cindy Sherman“-06.06.
- „Macht! Licht!“-10.07.
ZÜRICH (CH)
Kunsthaus
- „Gerhard Richter. Landschaft“-25.07.
- „Ottilie W. Roederstein: Retrospektive“-05.04.
Migros Museum für Gegenwartskunst
- „Potential Worlds 2: Eco-Fictions“
-09.05.
Museum Haus Konstruktiv
- „Reset - Museum. Sammlung.
Zukunft.“-16.05.
Photobastei
- „Zürich - Schwarz auf Weiss“
-06.12.
Generationenübergreifende Fotokunst
Deutsche Fotografische Akademie präsentiert online-Fotodialoge
Im Jahr 2020 wurde für die
DFA die Absage der realen Fotografietage
zur Grundlage der
digitalen Fotodialoge # 1. Das
Gesprächskonzept bewegt sich
auf zwei Ebenen: Ein Mitglied
schlägt einen Gast vor und
dieser Gast stellt sein Werk in
Wort und Bild vor. Anschließend
öffnet sich die Veranstaltung
zu einem Dialog mit
den zugeschalteten Teilnehmenden.
So erweitert sich der
Kreis: Auch ein sonst nicht
der DFA verbundenes Publikum
wird begrüßt – Krise als
Chance zu neuen Ansätzen
der Vermittlung! Bei den diesjährigen
Fotodialogen # 2 sind
- aufgeteilt auf vier Dienstagabende
jeweils ab 19 Uhr und
ab 20 Uhr – acht fotografische
Positionen zu erleben:
6.4. Katrin Jaquet/Anna Ehrenstein/13.4.
Anja Engelke/
Steve Luxembourg/20.4. Melanie
Wiora/Fatih Kurçeren
/27.4. Anne Schönharting/Catrine
Val.
Damit sind Generationen
zwischen den 70er und 90er
Jahren des 20. Jahrhundert vertreten.
Themen sind das fotografische
Licht (Katrin Jaquet,
von Langzeitbelichtungen und
Unschärferelationen mit Abstraktion
zu Überlagerungen
von Gesichtern und Körpern
mit Fokus auf der Deutungsebene);
der feministische Blick
auf politische Verhältnisse und
die Rolle des sozialen Körpers
(Anna Ehrenstein, multimedial
im Zusammenhang mit
Migration, kultureller Peripherie
- Fatih Kuçeren, mit
seinen soziokulturell eher
männlich geprägten Welten);
Aneignung und Nutzung des
fotografischen Mediums durch
eigene Inszenierung eines historischen
Vorbildes (Anja Engelke).
Catrine Val (einstmals
Assistentin von Valie Export)
folgt nicht nur ihren feministischen
Interessen in Fotografie
und Film, sondern beschäftigt
sich mit dem weiblichen Anteil
an der Philosophiegeschichte.
Ganz aktuell zeigt sich die
Bildserie zur kolonialen Aufarbeitung
innerhalb der eigenen
Familie von Ostkreuz- Mitglied
Anne Schönharting. Der
in Rheinfelden geborene und
in Kandern aufgewachsene
Steve Luxembourg ist vielseitig
tätig als Filmemacher und
Musiker. Seine fotografischen
Arbeiten umkreisen Verlust
und Erinnerung, Verlassenheit
und Trost in „Landschaften
zwischen Zivilisation und
Natur“. Melanie Wiora zeigt
uns ihre radikale Sicht der
Welt - als undurchschaubares
und unbegrenztes Zusammenspiel
von Wasser und Wolken,
Schnee und Eis oder als Video
mit dem sinnlichen Erleben der
bedrohlichen Kräfte der Natur.
Wiora und Jaquet setzen eine
besondere Form der fotografischen
Aufnahme ein: Sie
nutzen die Öffnung des Auges
oder des Mundes und lassen
aus dem eigenen Körper heraus
einen fokussierten Ort der
Fotografie entstehen. Wiora reflektiert
Landschaft im Spiegel
des eigenen Blicks als Zeugnis
des unmittelbaren Zusammenhangs
von Ich und Welt. Jaquet
zeigt in ihrem Schlund ein Familienbild
als Metapher für
ein Verinnerlichen – positiv
wie belastend – der familiären
Prägungen. Diese Positionen
führen die Teilnehmenden in
aktuelle mediale Sichtweisen
ein - mit dem Fotografischen
im Mittelpunkt, um virulente
Melanie Wiora:
„Bergsee Fedaia“,
2016, aus der
Serie Eyescapes,
Lambda Print
Foto: Melanie Wiora
Aspekte unserer Gegenwart
sichtbar zu machen.
Weitere Infos zu den Teilnehmenden:
www.katrinjaquet.de
www.fatihkurceren.com
www.anneschoenharting.
com
www.catrineval.com
www.melaniewiora.de
www.steveluxembourg.com
www.anja-engelke.squarespace.com
www.annaehrenstein.com
Susanne Meier-Faust
16 KULTUR JOKER kultour
Kino der Pandemie: Der rumänische Berlinalegewinner „Bad Luck Banging or Loony Porn“ © Silviu Gethie / Micro Film 2021
Gute bis hervorragende Filme
in Serie
Die Berlinale fand 2021 als Onlineevent statt. Ein Erfahrungsbericht
Im Herbst 2020 verschickte
die Berlinale eine so hoffnungsfrohe
wie selbstbewusste
Pressemitteilung. Man blicke
der Zukunft zuversichtlich entgegen
und habe sich entschieden,
das Festival im Februar
2021 physisch vor Ort stattfinden
zu lassen. Der darauffolgende
Winter ist mittlerweile
Geschichte und mit all seinen
Komplikationen bekannt. So
überraschte es kaum, als kurz
vor Weihnachten korrigiert
wurde: Das Filmfestival wird
erstmals in seiner 71-jährigen
Geschichte zweigeteilt stattfinden.
Als internes, fünftägiges
Onlineevent für Filmindustrie
und Presse im Februar
einerseits und als öffentliches
Kinoereignis im Sommer andererseits,
wenn Impfkampagne
und Freiluftkino ein gemeinschaftliches
Filmerlebnis
hoffentlich wieder möglich
machen. Nur die offizielle Jury
durfte im Februar nach Berlin
reisen und unter Einhaltung
aller Sicherheitsvorkehrungen
die Wettbewerbsfilme im Kino
sichten.
Es handelte sich dabei um
eine weitreichende Entscheidung.
Denn mitnichten ist
ein Filmfestival nur reines
Filmeschauen. Vielmehr ist
es ein sozialer Raum der Debatten,
der Kontroversen, der
Vernetzung. Der deutsche
Regisseur Christian Petzold
bezeichnete die Berlinale einst
zurecht als „Labor“, in dem
zehntausende Cineast*innen,
Filmemacher*innen und die
interessierte Öffentlichkeit
zueinander in Beziehung treten.
All das fiel in diesem Jahr
also auch für die Berlinale aus,
weswegen das Festival mit besonderer,
wenngleich ambivalenter
Spannung erwartet
wurde.
Wie hat man sich ein solches
Megaevent als Onlineausgabe
vorzustellen? In organisatorischer
Hinsicht griff die Berlinale
auf die gängige Streamingtechnik
zurück. Täglich
punkt sieben Uhr wurden rund
20 Filme in einem nur Akkreditierten
zugänglichen Bereich
online gestellt und standen
exakt 24 Stunden zur Verfügung.
Wie auf den bekannten
Portalen üblich, konnte sich
die Zuschauer*innen dann je
nach Zeitbudget und Interesse
durch die Filmauswahl klicken.
Dass die Sorge um das
illegale Abgreifen und Verbreiten
taufrischer Filmwerke groß
war, zeigte die Nutzungsvereinbarung,
die vor der ersten
Sichtung bestätigt werden
musste und die nicht nur ein
gemeinsames Filmeschauen
strikt untersagte, sondern sogar
den täglichen Spielplan
einer Geheimhaltungsklausel
unterwarf.
Aus Sicht der Nutzenden galt
es, die mittlerweile berühmtberüchtigte
Homeoffice-Falle
zu umgehen. Zu groß war die
Verlockung, in Jogginghose
oder gleich ganz mit Laptop im
Bett das Festival zu genießen.
Gleichzeitig erschien es wenig
attraktiv, im aufkeimenden
Frühling fünf Tage das komplett
verdunkelte WG-Zimmer
nicht mehr zu verlassen.
Selbstdisziplin war also gefordert,
die einem normalerweise
durch den zwangsläufigen
Wechsel zwischen Kino und
trautem Heim abgenommen
wird: Zeitig aufstehen, Tagespläne
erstellen, Pausen einhalten,
einsetzende Müdigkeit
ignorieren und dem sozialen
Umfeld mitteilen, dass man
für die kommenden Tage „offiziell
gar nicht da“ sei. Und
tatsächlich, allen Zweifeln
zum Trotz: So ließ es sich
dann bewerkstelligen und der
berlinaletypische Durchschnitt
von fünf Filmen pro Tag erreichen,
bisweilen sogar toppen
(man musste ja nicht die Kinos
wechseln, in keiner Schlange
anstehen und sich nicht um
Pressetermine kümmern).
kultour KULTUR JOKER 17
Und dafür wurde man belohnt.
Es war vermutlich die
größte Paradoxie in diesem
merkwürdigen Setting, dass
das gegenüber normalen Jahren
signifikant eingekürzte
Programm gute bis hervorragende
Filme in Serie anbot.
Ohne Übertreibung lässt sich
festhalten, dass es sich bei diesem
Jahrgang um den besten
der letzten zehn Jahre handelte.
Woran das lag, ist unklar,
nur der Zufall kann ausgeschlossen
werden. Denkbar
ist, dass die Filmproduktion
2020 aufgrund der Pandemie
generell stockte und nur den
erfolgsträchtigen und professionalisierten
Projekten Finanzierung
gewährt wurde.
Wahrscheinlicher ist aber,
dass die Berlinale durch die
Programmkürzung gezwungen
wurde, sich auf das Wesentliche
zu konzentrieren
und dass dadurch viele mittelmäßige
Produktionen, denen
in normalen Jahrgängen eine
Chance gegeben worden wäre,
aus dem Angebot gestrichen
wurden. Es wäre ein Gewinn,
wenn dies als Erkenntnis auf
künftige Jahrgänge übertragen
werden würde!
Die Liste an Filmempfehlungen
würde den Umfang
dieses Textes sprengen. Es
bleibt zu hoffen, dass jeder
einzelne im Verlauf dieses
Jahres in die Kinos kommen
und dann im Detail besprochen
werden kann. Stellvertretend
sei auf den diesjährigen
Gewinner hingewiesen,
den rumänischen Film „Bad
Luck Banging or Loony Porn“.
Denn er ist ein Paradebeispiel
für das, was man zukünftig
vielleicht als „Pandemiefilm“
bezeichnen wird. Provokant
wird die Geschichte einer
Lehrerin erzählt, die verzweifelt
versucht, ein Video, das
sie beim Sex mit ihrem Partner
zeigt und das gegen ihren Willen
ins Internet gestellt wurde,
wieder einzufangen. Die Pandemiesituation
schlägt sich
in diesem 2020 produzierten
Film formal nieder. Erzwungener
Maßen vor allem in
Außenaufnahmen gedreht,
macht Regisseur Radu Jude
aus der Not eine Tugend und
legt wiederkehrend Ansichten
des modernen Bukarests frei,
von einer verfallenen Kirche
zwischen zwei Wohnsilos
über eine trashig-verrostete
Coca-Cola-Werbung bis hin
zur Aufnahme eines Straßenhändlers.
Pikant zudem: Alle
Schauspieler*innen tragen
Masken, halbdokumentarisch
werden Reizbarkeit und Unruhe
gezeigt, die monatelange
Lockdowns mit sich brachten
und die das gesellschaftliche
Miteinander veränderten. Gezanke
an der Supermarktkasse
oder wildes Geschrei im Straßenverkehr.
Will man das gerade im
Kino sehen? Fraglich, aber
schon in wenigen Jahren wird
dieser hochinteressante Film
zu einem wichtigen Dokument
einer Zeit, die wir so schnell
nicht vergessen werden. Zurecht
ausgezeichnet mit dem
Goldenen Bären der 71. Berlinale.
Johannes Litschel
Vision 2025 KULTUR JOKER 19
„Haus zum Herzog“: Ort der Stadtgeschichte
Historische Immobilie im Zentrum Freiburgs darf nicht verscherbelt werden
Ein „erstes Steinhaus“, so die
Info-Tafel vor Ort in der Freiburger
Salzstraße 18, stand hier
schon „um 1140“ (nachweisbar
im Keller des Objekts) – wenige
Jahre nach der urkundlich bezeugten
Marktgründung 1120.
Dennoch spielten historische
Bauten Freiburgs keine sichtbare
Rolle im nun auslaufenden
Stadtjubiläum ohne Programmatik.
Das hätte aber ein dringender
Eckpfeiler sein müssen,
tatsächlich ein Leuchtturmprojekt
werden können. Hier haben
die Verantwortlichen eine Chance
ausgelassen und versagt.
Einst mutige Entscheidung
des neuen OB
Ärgerlicherweise war, aus
Platznot auch, vor Jahren bereits
der Fortzug des Stadtarchivs,
das sich seit 1957 in dem Gebäudekomplex
befindet, in einen
Neubau an der Messe beschlossen.
Gegen die Verlegung aus
der Stadtmitte hatte sich vergeblicher
Widerstand erhoben (siehe:
„Operation am offenen Herzen“,
KulturJoker, April 2018, S.
10). Gabi Dierdorf, langjähriges
Mitglied der Kulturliste Freiburg
und stellvertretende Vorsitzende
der ARGE Freiburger
Stadtbild, regt das noch heute
auf: „Schade, dass die Chance
vertan wurde, anlässlich des
unerhört langen Leerstandes die
ehemalige Sport-Arena mit zu
integrieren und das Stadtarchiv
als Anziehungspunkt mit einem
neugeschaffenen Lesesaal im
Zentrum der Freiburger Innenstadt
zu belassen.“ Doch der
Deal war längst schon perfekt.
Im OB-Wahlkampf 2018 hatte
der junge Martin Horn, verständlicherweise
anfangs ohne
detaillierte Freiburg-Kenntnis
Deckengemälde „Hochzeit
zu Kana“, Detail
Foto: Gabi Dierdorf
und ohne ausgeprägtes kulturell-historisches
Profil, sich bei
Bürger*innen der Stadt offen gegeben
für Fragen dieser Art. Im
internen Dialog mit der Kulturliste
Freiburg, die ihn bei seiner
Kandidatur unterstützte, zeigte
er großes Interesse am „Haus
zum Herzog“. Und Horn revidierte,
ins Amt gewählt und mutig
nun allemal, den Entscheid,
das Objekt aus städtischem
Besitz zu veräußern. Seitdem
stand die Zukunft des Gebäudekomplexes
in den Sternen. Man
wartete auf ein künftiges Nutzungskonzept.
Geschichte und Bedeutung
des Hauses
Die Bauforschung hat längst
weithin Klarheit verschafft: „Es
ist ein Kleinod, an dem sich exemplarisch
die Geschichte des
Wohnens und Arbeitens in Freiburg
ablesen lässt – eine Stadtchronik
in Stein. Von den ersten
Freiburgern über illustre Patrizier
im Spätmittelalter, der Abtei
St. Blasien bis zum städtischen
Amt reicht der Bogen, der sich
auch baulich niedergeschlagen
hat.“ So fasst es im Gespräch vor
wenigen Tagen Frank Löbbecke
zusammen, Ko-Autor der maßgeblichen
wissenschaftlichen
Publikation und heute Leiter
der Bauforschung bei der Kantonalen
Denkmalpflege Basel-
Stadt.
Tatsächlich blieb das Anwesen
nicht nur wie durch ein Wunder
bei der Bombardierung im November
1944 verschont, es ist
auch eines der ältesten Häuser
der Stadt. Zudem sind durch die
neun Jahrhunderte nahezu sämtliche
Eigner und Bewohner gut
dokumentiert, und alle Epochen
haben auch ihre sichtbaren Spuren
hinterlassen, sei es in der architektonischen
Außenhaut oder
im Interieur: notable Bürger,
die Vorösterreichische Regierung,
das Kloster Sankt Blasien
(dessen Stadtsitz es im 18. Jahrhundert
bildete), das Erzbistum
Freiburg. Im Hof trifft man auf
den spätgotischen Treppenturm.
Die Fassade an der Salzstraße
(längst nicht mehr der Eingang)
präsentiert das barocke Wohnpalais
des mittleren 16. Jahrhunderts,
im Innern die Deckengemälde
von Johann Kaspar Brenzinger
(1651–1737), darunter die
„Hochzeit zu Kana“.
Welche Nutzung wäre sinnvoll?
Die Frage müsste ein Thinktank,
eine (möglichst kleine)
Gruppe von Experten der
Stadtkultur, Stadtgeschichte
und -politik, bearbeiten und
einer Lösung zuführen. Falls
tatsächlich das Wentzingerhaus
am Münsterplatz, das die Stadt
aus eigenem Besitz 1992 an die
Stiftungsverwaltung verkaufte,
auf Dauer wegen der hohen
Mietkosten, die jährlich und
kontinuierlich den Haushalt belasten,
als Ort des Museums für
Stadtgeschichte nicht zu halten
ist, wäre eine besonders geistreiche
und ebenfalls zentrale
Alternative eröffnet. Bei einer
Abschreibung von Investitionen
in Gebäudekosten über 30 oder
50 Jahre könnte sich das vermutlich
rechnen.
Der südliche Zugang von der
Grünwälderstraße bleibt längst
spartanisch und unattraktiv. Der
Nachkriegsbau aus Stahlbeton
(1961–1964), der die Archivmagazine
beherbergt, könnte ohne
Verlust beseitigt und durch eine
moderne, kleine Museumsarchitektur
ersetzt werden, die dann
dem lebenden Geschichts-Zeugnis
des „Hauses zum Herzog“
beiseite steht.
Darf die Pandemie Verkäufe
erzwingen?
Einst, vor Martin Horn, stand
das Haus für 4 bis 4,5 Mio. Euro
Verkaufspreis zur Debatte. Jetzt
taucht es – völlig überraschend
– im Entwurf des städtischen
Doppelhaushalts 2021/22 auf der
(projektierten) Einnahmen-Seite
wieder auf. Diesmal für 6 Mio.
Euro. Ob hinter der enormen
Preissteigerung binnen vier Jahren
auch ein politisches Kalkül
steckt, sei im Moment dahingestellt.
Es bleibt das Unerhörte
des Gedankens. Noch einmal
Frank Löbbecke: „Das ist kein
x-beliebiges Investitionsobjekt,
sondern ein steinerner Zeuge
der Freiburger Stadtgeschichte.
Und ich möchte bezweifeln, ob
ein Privatinvestor der Verantwortung
für ein solches Bauwerk
gewachsen ist. Zumal die
städtische Nutzung bislang Besichtigungen
der uralten Keller,
des Abtsappartements und des
eindrücklichen Dachs ermöglicht
hat.“
Die seit 15 Monaten andauernde
Corona-Lage belastet verständlicherweise
auch die kommunalen
Haushalte. Also gibt es
Druck auf den Kämmerer und
den Gemeinderat, die Finanzen
zu regulieren – kein einfaches
Geschäft. Dennoch entsteht die
Frage, wie weit ein fiskalischer
‚Ausgleich‘ des städtischen
Haushalts moralisch und politisch
überhaupt gehen darf. Wo
ist die ethische Grenze, welche
rote Linie darf in der Krise – die
ja zugleich den Blick eben doch
auch nach vorn eröffnen muss!
– tatsächlich nicht überschritten
werden? Wir meinen: Dieses
stadthistorische Gebäude muss
in Freiburger Besitz bleiben! Es
darf keinem anonymen Investor
in die Hand gegeben werden!
Martin Flashar
Haus zum Herzog, Front
Foto: Jörgens.Mi/Wikipedia, CC-BY-SA 3.0, Wikimedia Commons
Abbildungen:
1 Haus zum Herzog,
Front
(Foto: Jörgens.Mi/Wikipedia,
CC-BY-SA 3.0, Wikimedia
Commons)
2 Treppenhaus im Turm
(Foto: Gabi Dierdorf)
3 D e c k e n g e m ä l d e
„Hochzeit zu Kana“, Detail
(Foto: Gabi Dierdorf)
Treppenhaus im Turm
Foto: Gabi Dierdorf
20 KULTUR JOKER Interview
immer den anderen Parteien und
Politikern zu. Für eine Weile
funktioniert das vielleicht, aber
nicht auf lange Zeit. In meinen
Augen ist der Populismus letztlich
zum Scheitern verurteilt.
Kultur Joker: Am Ende dieses
Misstrauensszenarios stünde
also das Versagen aller Parteien
und der Politik, der keiner
mehr traut.
Gregor Gysi: Ja, und diesen
Zustand haben wir bereits. Einige
Teile der 20 Prozent trauen
auch der AfD nicht mehr – und
auch nicht den Linken und erst
recht nicht der Union. Die sind
mit der sogenannten „etablierten
Politik“ fertig. Die AfD inszeniert
sich in Reaktion darauf
als ausgegrenzte Partei, aber auf
Dauer wird sie damit auch keinen
Erfolg haben.
Kultur Joker: Bedeutet das in
letzter Konsequenz eine Verlagerung
der Politik vom Parlament
auf die Straße?
Gregor Gysi: Ja, damit müssen
wir rechnen. Und das passiert,
weil sich die herrschende Politik
viel zu wenig Gedanken
darüber macht, warum sie das
Vertrauen dieser 20 Prozent
verloren hat. Würde sie das
tun, müsste sie auch über Wege
nachdenken, wie sie das Vertrauen
zurückgewinnen kann.
Aber das macht sie nicht, denn
80 Prozent Zustimmung reichen
ihr.
Kultur Joker: Das klingt nach
Desinteresse.
Gregor Gysi: Politiker und
Politikerinnen sind meist unter
sich. Meist gehen sie nur auf
das ein, was andere Parteien
innerhalb des Bundestags an
ihnen kritisieren. Mit der Unsicherheit
in der Bevölkerung
setzen sie sich seltener auseinander.
Kultur Joker: Haben Sie ein
Beispiel?
Gregor Gysi: Die Politik hat
während der Corona-Krise
scheinbar erkannt, wie wichtig
die Tätigkeiten der Verkäuferinnen,
Krankenschwestern,
Pflegenden und Beschäftigten
in der Logistik sind. Aber glauben
Sie ernsthaft, dass diese
Gruppen nach der Pandemie
50 Prozent mehr Lohn erhalten,
nur weil ihre Bedeutung erkannt
wurde? Die bekommen Lob und
ein Lutschbonbon zugeworfen!
Dass man hier aber grundsätzlich
Schlussfolgerungen zieht
und zum Beispiel sogenannte
„Frauenberufe“ abschafft,
also Berufe, die so schlecht
bezahlt sind, dass wir Männer
sie meiden, passiert nicht. Ich
gebe Ihnen noch ein Beispiel.
Die Politik hat in der Corona-
Krise scheinbar erkannt, dass
die Privatisierung von Krankenhäusern
ein Fehler ist und
dass die Gesundheit an erster
Stelle stehen sollte. Trotzdem
wurden während der Pandemie
Krankenhäuser geschlossen
oder weiter privatisiert. Diese
Ignoranz gegenüber der Bevölkerung
und der eigenen politischen
Verantwortung ist abenteuerlich!
Kultur Joker: Soweit die Problemdiagnose.
Haben Sie eine
Methode, diesem „Unter sich
bleiben“ im Bundestag zu begegnen?
Gregor Gysi: Ich versuche immer
zu übersetzen. Wenn eine
dreiviertel Stunde lang von der
„Veräußerungserlösgewinnsteuer“
gesprochen wird, komme ich
ans Pult und erkläre erst einmal,
was damit überhaupt gemeint
ist. Das habe ich als Anwalt
gelernt. Als Anwalt habe ich
hochgebildete Menschen vertreten,
aber auch solche, die nicht
hochgebildet waren und solche,
die weder lesen noch schreiben
konnten.
Kultur Joker: Ein Versuch, wie
der klassische Politiker zu agieren,
der das Volk in seiner Breite
repräsentiert?
Gregor Gysi: Viele Politiker
und Politikerinnen im Bundestag
sprechen in ihrer eigenen
Sprache und merken gar nicht,
wenn ein größerer Teil der Bevölkerung
nicht mehr folgen
kann. Hier verstehe ich mich als
Übersetzer. Und wissen Sie, ich
habe noch eine ungewöhnliche
Eigenschaft: Ich lüge nicht.
Kultur Joker: Das glaube ich
Ihnen nicht.
Gregor Gysi: Ich kann gar nicht
lügen, weil ich mir Lügen nicht
merken kann. Wer erfolgreich
lügen will, muss sich seine Lügen
merken können. Da ich sie
am nächsten Tag schon vergessen
hätte, geht es nicht. Deshalb
sage ich die Dinge so, wie ich
sie denke.
Kultur Joker: Und das ist für
Politiker*innen ungewöhnlich?
Gregor Gysi: Schon. Viele Politiker
und Politikerinnen haben
diese Merkfähigkeit. Die müssen
sich ein ganzes Konstrukt
aufbauen und das ist schwierig.
Die meisten Menschen schätzen
aber, dass ich diese Fähigkeit
nicht habe. Und die meisten
Menschen sind überrascht. Sie
erwarten stereotype Aussagen,
die sie von mir aber nur selten
bekommen.
Kultur Joker: Wir sprechen
gerade viel über Sprache und
Lügen. Womit wir wieder beim
Populismus wären.
Gregor Gysi: Mit einfachen
Sätzen kann man auch gut populistische
Politik machen. Direkt
lügen sollte man aber nicht. Erfolgreiche
populistische Aussagen
können vereinfachen, sollten
aber nicht falsch sein. Das merken
die Leute dann doch. Es gibt
einen Unterschied zwischen populistisch
und populär.
Kultur Joker: Was wären die ersten
Schritte, die eine Politik tut,
die den Menschen nicht belügt,
sondern ernst nimmt?
Gregor Gysi: Sie würde zuerst
versuchen, die Menschen zu
verstehen. Wenn die alleinerziehende
Hartz-IV-Empfängerin
mit zwei Kindern das Gefühl
hat, dass ihre Probleme weder
in dieser noch in einer kommenden
Legislaturperiode gelöst
werden, geht sie davon aus, dass
es ihr nie besser gehen wird. Sie
wird auch glauben, dass es ihren
Kindern nie besser gehen wird.
Sie denkt, dass es egal ist, wer
reagiert, denn für sie würde sich
nichts bessern. Deshalb geht sie
nicht wählen. Man muss dieses
Denken erkennen und verstehen,
um ihm einigermaßen wirksam
begegnen zu können.
Kultur Joker: Haben Politik und
Medien nicht auch Angst, sich
mit politikverdrossenen Menschen
auseinanderzusetzen?
Gregor Gysi: Ja. Nehmen wir
die Medien als Beispiel. Die
Gegner der Corona-Politik sieht
man in Talkshows fast nie. Es
gibt ja auch Virologen neben
Christian Drosten, die es anders
sehen. Deshalb bleiben die Menschen
auch bei ihrem Eindruck,
die Medien seien gleichgeschaltet.
Früher war das Klima in solchen
Gesprächsrunden anders.
Da kamen Vertreter mit den unterschiedlichsten
Argumenten
zusammen. Am Ende mussten
sich die Zuhörer und Zuhörerinnen
selbst eine Meinung bilden.
Das trauen sich die Medien
heute nicht mehr. Sie haben
Angst, dann selbst als Corona-
Leugner wahrgenommen zu
werden. Und auch die Politik hat
Angst. Die Erstürmung des Bundestags
und die viel schlimmere
des amerikanischen Capitols haben
auch das Gefühlsleben und
die Denkweise der Politiker und
Politikerinnen verändert.
Kultur Joker: Der Angst der
Politik und der Medien steht die
„Sehnsucht nach einem starken
Staat“ gegenüber, wie sie einige
Teile der Bevölkerung äußern
und wie sie auch der Pressetext
zu Ihrer Veranstaltung konstatiert.
Woher kommt diese Sehnsucht?
Gregor Gysi: Das Denken in
autoritären Strukturen nimmt
weltweit zu. Das liegt womöglich
daran, dass die Menschen
glauben, dass autoritäre Strukturen
effizienter sind. Erdoğan
kündigt etwas an, das zwei Wochen
später umgesetzt wird. In
der Bundesrepublik wird vorher
zwei Jahre darüber gestritten.
Was all die Befürworter aber
vergessen: Einen Diktator werden
sie nicht mehr los. Auch,
wenn er Dinge tut, die sie nicht
wollen. Überhaupt muss man
bedenken, dass nur eine Minderheit
der Menschheit in demokratischen
Strukturen lebt.
Die Mehrheit kennt nur autokratische
Systeme.
Kultur Joker: In Ihrer Rede
im Bundestag am 10. Februar
sagten Sie zum aktuellen Verhältnis
der Bundesrepublik zu
Russland: „Wenn man aber
auf Sanktionen verzichtete und
eine Politik der Annäherung betriebe,
könnte man viel leichter
auch humanistische Akte erreichen.“
Lässt sich daraus generell
ein Umgang mit autoritären
Systemen ableiten – ein humanistischer?
Gregor Gysi: Nach dem Mauerbau
hat die Sozialdemokratie
begriffen, dass ein Wandel in
der DDR nur durch Annäherung
funktionieren kann. Und das hat
funktioniert, wenn auch in kleinen
Schritten. Diese Denkweise
ist heute völlig verschwunden.
Man denkt nur noch an Sanktionen.
Der Gegenüber denkt dann
wiederum an Gegensanktionen
und schottet sich immer mehr ab.
Und das ist kreuzgefährlich. Daher
sage ich: Wir müssen wieder
eine Politik des Wandels durch
Annäherung betreiben – zumindest
dort, wo Chancen bestehen.
Auch wird übersehen, dass die
Sanktionen der EU gegenüber
Russland und China beide nur
näher zusammenrücken lässt. Je
stärker beide Länder werden, desto
schwächer werden westliche
Demokratien.
Kultur Joker: Dieses Jahr erscheint
ihr Buch „Gysi vs. Sonneborn.
Kanzlerduell der Herzen“.
Inwiefern sehen Sie gerade in
einem Politsatiriker wie Martin
Sonneborn ein gutes Gegenüber,
um über eine „linke Wende“ zu
streiten, wie der Pressetext verkündet.
Gregor Gysi: Erst dachte ich,
dass uns Martin Sonneborn nur
die jungen Wähler wegnimmt.
Aber das stimmt nicht. Sonneborn
hat nur einen anderen Stil,
um junge Leute an Politik heranzuführen.
Seine politische
Satire kommt bei ihnen sehr gut
an – ebenso wie die von Jan Böhmermann.
Auch wenn man diese
Methode nicht beherrscht, muss
man sie akzeptieren. Wir haben
oft erlebt, dass Leute zuerst zu
Die Partei kamen und danach
doch zur Linken.
Kultur Joker: Kunst und Kultur
sind aber nicht nur Wege zur Politik.
Gregor Gysi: Natürlich nicht.
Beide sind systemrelevant, selbst
wenn das die Bundesregierung
während der Pandemie anders
sieht. Wissen Sie, Künstlerinnen
und Künstler und Kulturschaffende
bleiben stärker in Erinnerung
als jene, die heute an der Macht
sind oder meinen, besonders
wichtig zu sein. Alle kennen Bach
und Beethoven. Wer zu deren Zeit
politisch relevant war, wissen
heute dagegen nur wenige. Kunst
und Kultur haben einen bleibenden
Wert. Politik kommt und
geht, kann aber auch verändern.
Kultur Joker: Herr Dr. Gysi, vielen
Dank für das Gespräch!
Das Gespräch mit Dr. Gregor
Gysi am 29. April, 19.30 Uhr
findet in Kooperation mit der
Katholischen Akademie Freiburg
und als Online-Veranstaltung
statt. Weitere Informationen
und Anmeldung: www.katholische-akademie-freiburg.
de
kulinarisch KULTUR JOKER 21
VON VEILCHENWEIN UND GERÖSTETEN SIEBEN-
SCHLÄFERN
„Wenn alle Künste untergehen, die edle Kochkunst bleibt bestehen“
(Daniel Spoerri)
Roberto Bompiani: „Ein römisches Festmahl“ um 1900
Foto: J. Paul Getty Museum, Los Angeles
In einer Zeit, in der kulturelles
Erleben digital stattfindet
und kaum eine Kunst noch live
genossen werden kann, ist ein
elementares und uraltes Kulturgut
der Menschheit wieder
aktuell geworden: Die Kochkunst.
Wenn einem nicht viel
Anderes übrig bleibt, besinnt
man sich aufs Selbertun. Es
wird wieder gekocht, Rezepte
aus Kindertagen hervorgeholt,
in Kochbüchern geschmökert
und den heimischen Knollen
aus der Gemüsekiste eine leckere
Vielfalt entlockt. Kochen
ist kreativ, Kochen ist gesund
und kann Spaß machen, vor
allem, wenn’s gelingt und gern
gegessen wird.
Kochen gehört zur Menschheitsgeschichte
wie die Felsenmalereien
von Lascaux.
Der älteste Topf ist immerhin
zehntausend Jahre alt. Aber
auch Kochbücher wurden früh
verfasst. Die ersten Rezepte
stammen aus Mesopotamien,
sind in Keilschrift auf kleinen
Tafeln notiert und lassen
uns erfahren, dass besonders
Eintopf- und Schmorgerichte
geschätzt wurden. Menschen
machen sich in allen Epochen
Gedanken über ihr Essen und
ihre Essgewohnheiten. Vor
allem seit es nicht mehr nur
um das tägliche Überleben
geht, sondern Essen zum Genuss
und Luxus wurde, ließ
die Menschheit sich einiges
zur Nahrungsverfeinerung
einfallen. Der Appetit wurde
zur Triebkraft für die „Zivilisation“
und all die Errungenschaften
in der Küche sind eng
mit anderen kulturellen Entwicklungen
verbunden.
Ägyptische und römische
Wandmalereien von Festmählern
und Speisefolgen
sind erhalten. Die Griechen
verewigten ihre Gelage auf
Vasen und kostbaren Trinkbechern.
Kunstvolle Mosaike
mit Früchten und Tieren sind
überliefert, selbst Speisereste
waren den Römern ein Mosaik
wert. Parallel zu auf frescogemaltem
Essen sind aus der Antike
Beschreibungen erhalten
von Mahlzeiten und Feierlichkeiten.
Von großem Einfluss
war das erste vollständig erhaltene
Kochbuch. Es stammt aus
der Römerzeit und heißt: „De
Arte Coquinaria“ („Über die
Kochkunst“). Verfasst wurde
es von dem berühmten und
reichen Feinschmecker Marcus
Gavius Apicius, der eine
eigene Kochschule hatte und
in der Gegend des heutigen
Köln lebte. Über Jahrhunderte
orientierte sich die Küche der
wohlhabenden Oberschicht in
Europa an diesem Buch. Heutzutage
verlocken die Rezepte
nicht mehr zum Nachkochen,
zumal sie ohne Mengenangaben
auskommen und merkwürdige
Zutaten benötigen. Wenn
es um die Zubereitung von
Schweineeuter, gemästetem
Siebenschläfer und den Genuss
von Veilchenwein geht, wird
es kompliziert. Hinzu kommt:
Nicht nur die speziellen Zutaten
sind heute schwer zu
beschaffen, auch die Küchen
sehen anders aus. Ging man
früher in einem großen Haushalt
von mehreren Köchen und
vielen helfenden Händen, von
Mägden und Küchenjungen
aus, von stundenlangem Garen
und Vorbereiten, hat sich
die Lage inzwischen gravierend
geändert. Dennoch lassen
sich wohl bis heute, gerade
bei den deftigeren Gerichten,
Reste der Apicius-Rezepte in
spanischen, italienischen und
südfranzösischen Speisen finden.
Die Spurensuche nach
den historischen Ursprüngen
ist auch in der Küche ein spannendes
Unterfangen.
Wenn wir uns aktuell verstärkt
wieder selbst der Kochkunst
zuwenden, schöpfen wir
aus einem breiten Spektrum
der internationalen Küche.
Ein umfangreicher Schatz an
Kochbüchern und Rezepten
aus dem Internet stehen zur
Verfügung. Lebensmittelläden
und Bauernmärkte sind geöffnet,
auch Restaurants kochen
auf Bestellung zum Mitnehmen.
Es herrscht kein Mangel
und doch fielen in Zeiten des
Lockdowns leere Regale auf.
Klopapier und Nudeln waren
der Renner. Zeitweise konnte
kein Mehl mehr nachgeliefert
werden. Was war denn da los?
Die Leute haben wieder selbst
ihr Brot gebacken. Ein archaischer
Vorgang, der tief in die
Anfänge der Menschheit zurückreicht.
Brot war lange das wichtigste
Nahrungsmittel. Bis weit ins
19. Jahrhundert bestand die
tägliche Nahrung für neunzig
Prozent der Bevölkerung in
Europa aus Brot und Getreidebrei.
In Deutschland gibt es bis
heute an die dreihundert Brotsorten.
Es gibt Brotmuseen und
Künstler*innen, die Brotauf
der Leinwand malen oder als
Skulptur modellieren. So verzierte
Salvador Dalí die Außenfassade
seines Museums in
Figueras mit unzähligen Nachbildungen
katalanischer Brote,
auch auf dem Dach ist ein
überdimensionales Brot montiert.
Und ganz aktuell könnte
– wenn sie nicht geschlossen
wäre – im Ulmer Museum Brot
und Kunst die Ausstellung der
Berliner Künstlerin Sonja Al-
22 KULTUR JOKER KUlinarisch
Auch die Bewohner von Pompeji gönnten sich hin und wieder Fastfood. Archäologen
haben bei Ausgrabungen einen Schnellimbiss gefunden, der überraschend gut erhalten
ist
Foto: Image credit Parco Archeologico di Pompei
häuser besucht werden. Ihr
Thema: mit Brot verbundene
Rituale und das Spiel mit traditionellen
Bedeutungen.
Kunst aus Lebensmitteln
Eat Art ist eine Kunstrichtung
aus den 60er und 70er
Jahren. Eng verbunden mit
bekannten Namen wie Daniel
Spoerri oder Dieter Roth,
die Essen ins Zentrum ihrer
Kunst stellen, nicht gemalt
oder aus Gips, sondern direkt
aus Lebensmitteln gefertigt.
Umfangreiche Ausstellungen
– wie im vergangenen Jahr
„Amuse-bouche. Der Geschmack
der Kunst“, im Museum
Tinguely in Basel gezeigt
- widmen sich speziell
diesem Thema.Die Nähe von
Kulturgeschichte und Kunstgeschichte,
von Kunst und
Essen, fasziniert die Künstlerschaft
und lässt nicht los. Auffällig
viele Kochbücher von
Künstler*innen erschienen
in den letzten Jahren. Quer
durch die Jahrhunderte und
Kontinente: von Claude Monet
und Paul Cezanne, von Frieda
Kahlo und Georgia o’Keefe.
Auch das Artist’s Cookbook
des New Yorker Museum of
Modern Art mit 155 Rezepten
von Louise Bourgois bis
Jackson Pollock. Und im letzten
Herbst das Kochbuch des
dänisch-isländischen Lichtkünstlers
Olafur Eliasson, der
jeden Tag seine Mitarbeiter
und Gäste zum Mittagessen
im Atelier einlädt. Essen als
sinnstiftendes Element, Kochen
als kreatives Ereignis.
Der Eat Art Künstler Daniel
Spoerri postulierte ironisch:
„Wenn alle Künste untergehen,
die edle Kochkunst bleibt
bestehen“. Dann machen wir
es wie die Künstlerschaft,
lassen uns nicht entmutigen,
backen wieder Brot und
werden als Köch*innen am
heimischen Herd aktiv und
kreativ. Auf den langen Atem
kommt es an, in der Kunst wie
auch im Leben.
Christiane Grathwohl
Kunlinarisch KULTUR JOKER 2323
„Der Frühling ist die schönste Zeit des Kochs“
Im Gespräch: Sterne- und TV-Koch Steffen Disch
Der Freiburger Sternekoch
Steffen Disch begeistert seine
Gäste mit hochwertiger Genussküche.
Mit dem Kuro
Mori in der Freiburger Innenstadt
und dem Raben in
Horben trifft ihn die Corona-
Krise gleich doppelt. Wie der
Gastronom das vergangene
Jahr erlebt hat und was der
kulinarische Frühling bereithält,
hat er Elisabeth Jockers
verraten.
Kultur Joker: Die Gastronomie
gehört zu den Branchen,
die, durch frühe Schließungen
und bislang ohne Öffnungsaussichten,
von der Corona-
Krise besonders betroffen ist.
Wie haben Sie das vergangene
Jahr als Gastronom erlebt?
Steffen Disch: Vergangenes
Jahr waren wir überwältigt von
der Solidarität unserer Stammgäste
des Raben, die uns extrem
unterstützt haben!
Die Neueröffnung des Kuro
Mori war ein voller Erfolg und
wir haben mit unserem Konzept
von Qualitätsbewusstsein
und Erlebnis den Nerv der Zeit
getroffen. Auch jetzt sind wir
„Gastgeber“ und deshalb für
unsere Gäste des Raben und
Kuro Mori mit unserem Takeaway
zur Abholung und auch
Lieferservice da. Wir sind
unglaublich dankbar für den
Rückhalt.
Kultur Joker: Fühlen Sie
sich von der Politik allein gelassen?
Steffen Disch: Was die Entscheidungen
der Politik angeht,
möchte ich selbst kein Politiker
sein und diese ganzen Entscheidungen
treffen müssen.
Allerdings kann es nicht sein,
dass in unserem Land alles heruntergefahren
wird und die
Menschen ins Ausland fahren/
fliegen dürfen. Es kommt mir
vor als wenn man am Strand
stehend einem Tsunamie ins
Auge schaut und in Schockstarre
verharrt.
Kultur Joker: Für viele
Menschen ist die Coronazeit
auch zu einer kulinarischen
Reise geworden, in der manch
Einer den heimischen
Herd
für sich entdeckt
hat. Welche saisonalen
Produkte
empfehlen
Sie unseren
Leser*innen für
den April?
Steffen Disch:
Der Frühling
ist die schönste
Zeit des Kochs.
Nach den langen
Wintermonaten
sind mit saisonalen
Produkten
wie Spargel,
Morcheln, Rhabarber
ect. der
Kreativität keine
Grenzen gesetzt.
Kultur Joker:
Herzlichen
Dank für das
Gespräch!
Steffen Disch im Kuro Mori
Foto: promo
24 KULTUR JOKER Spargel
Regionaler Spargel ist ein Genuss
Warum das Warten sich lohnt
Ein wenig Geduld sollte
man schon aufbringen, denn
auch heimischer Spargel ist
noch immer ein Produkt und
Geschenk der Natur, und somit
auch nach wie vor abhängig
von deren Launen. Hier
bei uns in Baden beginnt die
Spargelzeit je nach Witterung
so um die Mitte des Monats
April. Die wärmeren Länder
Südeuropas ernten das königliche
Gemüse bereits Ende
Februar und lassen es dann zu
uns transportieren. Frisch vom
Feld aber schmeckt der Spargel
einfach noch um einiges
besser. Das importierte Edelgemüse
hat leider zudem eine
miserable CO2-Bilanz und verbraucht
z.B. in Griechenland
und Spanien solche Mengen an
Wasser, dass die dort ohnehin
trockenen Anbaugebiete noch
weiter austrocknen. Spargel ist
noch immer ein sehr lukratives
Bio Spargel auf dem Vormarsch
Das Weingut Scherer stellt nun auch seine Spargelproduktion um
Die Weinberge der Familie
Scherer in Bad Krozingen
werden bereits seit 2013 biologisch
bewirtschaftet, seit
2020 sind sie nun Demeter
zertifiziert und werden unter
dieser Bezeichnung erstmals
mit dem neuen Jahrgang auf
den Markt kommen. Ab sofort
stellen die Scherers auch die
anderen landwirtschaftlichen
Erzeugnisse auf Bio um, so
insbesondere den Spargel,
den es während der Session
immer tagesfrisch von Feld
und Hof zu kaufen gibt. Dass
die Umstellung auf ausgewiesene
Bioprodukte nicht
immer leicht ist, so die Winzer
Micha und Felix Zimmer,
zeigt die Tatsache, dass zwar
der Hof inzwischen „Bio“ ist,
der Spargel aber erst ab 2024
als „Demeter“ angeboten werden
darf. Nichts desto trotz
bestimmt schon jetzt anstelle
der Chemie hier natürlicher
Pflanzenschutz aus Ackerschachtelhalm
oder Brennesselextrakt
die Szene. Hornkiesel
zum Wurzelwachstum
sowie Pferde- und Rindermist
zur weiteren Düngung werden
ebenfalls eingesetzt. Für den
Biowinzer ist auch die Vielfalt
der Anpflanzungen von großer
Wichtigkeit, ein insgesamt
gesundes Ökosystem. Hanf-,
Lein- und Sonnenblumenöl
gehören zu den Produkten, die
sich gut miteinander vertragen
und harmonieren.
SfK.
Geschäft für die Bauern hier
bei uns. Nach dem Motto „Wer
zuerst kommt, mahlt zuerst“,
decken viele die Spargelfelder
mit Folien ab, die die Wärme
speichern und dann ein paar
wenige Wochen Zeitgewinn
für den Beginn der Ernte erlauben.
Auch das ist nicht unproblematisch.
Nicht nur wegen
des enormen Verbrauchs
an Plastikfolien, auch Kleinsäuger,
Vögel und Insekten
leiden an diesen unnatürlichen
Bedingungen. Die teilweise,
wenn auch seltener „beheizten“
Felder, können wegen des dann
enormen Energieverbrauchs
und ohne Rücksicht auf den
dringend erforderlichen Klimaschutz
noch ein Vielfaches
mehr an Schäden anrichten als
der Importspargel.
Es lohnt sich also auf die reguläre
Spargelzeit zu warten,
die so um den 15. April beginnt
und bis Johanni am 24. Juni,
mitunter auch Spargelsilvester
genannt, andauert. Nach einem
hierzulande selten gewordenen
kalten und lang andauernden
Winter kann sich die Saison um
10 bis 14 Tage nach hinten verschieben.
Feldfrisch wird dann
das königliche Gemüse in
Baden in Dutzenden von Hofläden
und auf allen Märkten
angeboten. Hunderte von Restaurants
bieten ebenso wie
die urigen Straußwirtschaften
ihren Spargel an, was wohl
wegen Covid 19 auch 2021
weitestgehend zurückgestellt
werden muss. Frischer Spargel
ist nicht nur gesund und
ein ausgesprochener Gaumengenuss,
er hat im Vergleich
zu anderen Gemüsen
Foto: promo
auch eine geringere Pestizidbelastung.
Keine schädlichen
Rückstände also in den Spargelstangen?
Wer ganz sicher
sein will, sollte zu Bio-Spargel
greifen, der mehr und mehr
hier in Baden angebaut wird.
Haupt-Anbaugebiete für den
deutschen Spargel sind neben
Baden und Württemberg die
Bundesländer Bayern, NRW
und Hessen sowie die Region
Brandenburg. Bon Appetit!
SfK.
Nicht nur Spargel auch Bio-Weine gehören zu den Produkten der Winzerbrüder Micha
und Felix Zimmer auf dem Schererhof
Foto: Weingut Scherer
spargel KULTUR JOKER 25
Spargel und Wein in schöner Tuniberg-Landschaft.
Familie Walter hofft auch das Hofcafé bald wieder
aufmachen zu können.
Foto: Ferienhof Walter
im hofladen
Erntefrischer Spargel
– auf Wunsch geschält –
Wein aus eigenem Anbau
täglich Backwaren und Kuchen
Die Symbiose von Wein und Spargel
Welcher Wein passt dazu
Ein Spargelwein sollte wie der
Frühling sein. Die Meinungen,
welcher Wein genau passt, sind
indes ebenso unterschiedlich
wie deren Genießer. Grundsätzlich
lässt sich aber sagen, dass
ein solcher Tropfen nicht zu
übermächtig im Alkoholspiegel
sein sollte, 11% vol. sind genug,
zurückhaltende Säure ist erwünscht.
Der Gesamteindruck
sollte ein wenig erdig sein, zu
den zarten Aromen des Spargels
passen und dessen Eigengeschmack
nicht unterdrücken.
Der Winzerkeller Auggener
Schäf und sein Kellermeister
Andreas Philipp halten da natürlich
den Gutedel hoch. Es
ist zwar ein paar Jährchen her,
dass das Magazin des „Stern“
gar den Gutedel des Winzerkellers
zum besten Spargelbegleiter
gekürt hat, was aber sicher bis
heute seine Berechtigung hat.
Einen trockenen Rivaner oder
einen ebensolchen Sauvignon
Blanc kann sich der Kellermeister
auch gut vorstellen, dessen
deutlich vegetabilen Noten mit
einer gewissen Mineralität stehen
im Einklang mit ähnlichen
Ein Vorreiter in Sachen Bio-Spargel
Das Weingut Lampp in Heitersheim
Wohl einer der Ersten im
Markgräfler Land, der hier Biospargel
anpflanzte, war das
Weingut Lampp am romantischen
Sulzbach in Heitersheim.
Da das Gut auch eine
eigene Straußi bewirtschaftet,
bot es sich an, dort im Frühjahr
die wohlschmeckenden
Stangen in besonders großen
Portionen aufzutragen, preiswert
und frisch vom Acker. In
den Coronazeiten 2021 wird
das, wenn überhaupt, erst ab
Mai oder Juni möglich sein.
Ab etwa dem 20. April ist aber
der Hofverkauf angedacht und
möglich. Nicht alle Kids sind
schon Fans des Edelgemüses
aber alle genießen den Straußengarten
mit Baumhausrutsche,
verschiedenen Spielfahrzeugen
und Sandspielen. Vom
Spargelsalat über Spargeltoast
bis zum klassischen Gericht,
gibt es hier alles was das Herz
und der Magen begehrt, und,
wie sich das für ein Weingut
gehört, beste und passende
Weißweine dazu. Der Bio-
Winzer Fritz Lampp ist übrigens
so „berühmt“, dass das
auflagen-starke Magazin der
badenova ihm einer seiner
Ausgaben nicht nur das Titelbild
sondern auch zwei ganze
Seiten Redaktion widmete.
SfK.
Geschmacksvarianten des edlen
Gemüses. Jung und spritzig, so
wie der Frühling selbst, auf der
Terrasse oder dem Balkon zu
genießen, „notfalls“ auch ohne
Spargel und sonstige Speisen,
sollte er sein.
Das biologisch zertifizierte
Demeter-Bio-Weingut
Hartemeck in Schliengen hat
seine eigenen Favoriten. Auch
hier spielt der Gutedel eine bedeutende
Rolle, Favorit aber
ist dort der Auxerrois. Ein geschmeidiger
Burgunder mit Noten
von Limette, Holunderblüten
und Birnen. Die Spezialität des
Gutes mit dem „Sonnensegler“,
einer würzig-fruchtigen Variante,
passt besonders gut zu Spargelsalaten
und Aperitifs.
Am Tuniberg können wir das
Weinhaus Opfingen und das
schräg gegenüber beheimatete
Öko-Weingut Sonnenbrunnen
mit seiner Strauße empfehlen.
Phantastische Spargel und ausgezeichnete
Weine gibt es auch
eineinhalb Kilometer außerhalb
des Ortes in der Grießtal-Strauße.
Der Spaziergang durch Reben
und Felder dorthin ist allemal
ein Vergnügen. Wenn nicht
gerade Corona die Welt regiert,
gibt es hier am Rande des Tunibergs
mannigfache Möglichkeiten
Spargel und Wein in vielfach
ausgezeichneten gastronomischen
Betrieben zu genießen.
Für 2021 schwer vorauszusagen,
ob geöffnet werden darf, aber
im nächsten Jahr gibt es ja auch
wieder Spargel und Wein.
Werfen wir zum guten Schluss
noch einen Blick in und auf
den Badischen Winzerkeller in
Breisach. Auch die „Sonnenwinzer“
glauben zu wissen, was
zum Spargel passt, nämlich ihre
weithin bekannte Eigenmarke
„Martin Schongauer“. „Es gilt
einen Wein zu finden, der mit
sanfter Säure und feiner Aromatik
den Spargel mit seiner
leichten Bitternote sanft umschmeichelt,
ihn aber nicht mit
Fülle und Intensivität erdrückt“.
Ein grauer und ein weißer Burgungder
erfüllen diese Voraussetzungen
ebenso gut wie die
neue Martin Schongauer Cuvée
mit Riesling und Spätburgunder.
Alle bringen auch die badische
Sonne ins Glas. SfK.
Lukas Spargel
Foto: Weingut Lampp
Öffnungszeiten Spargelsaison:
Mo – Fr 9.30–12.30 und 14–19 Uhr, Sa 9 – 17 Uhr, So 10 – 17 Uhr
79112 Fr.-Opfingen • Wippertskirch 2 • Tel. 07664–1396 • www.ferienhof-walter.de
tages frisch
-
bio
weingut
Markgrafler -
land
Spargelgastronomie
Die gastronomischen Betriebe in unserem Land haben sich trotz
Corona-Krise vorbildlich verhalten. Dass ausgerechnet sie die meisten
Dauerschließungen hinnehmen müssen, ist schwer zu verstehen.
Ergeben sich nach Mitte April Lockerungen, wollen wir in
der Maiausgabe natürlich auch über die „Spargel-Gastronomie“
berichten. Anregungen hierzu nehmen wir gerne entgegen.
SfK.
26 KULTUR JOKER nachhaltig
Ein rosarotes Kopfkino setzt sich in Gang
Große Vorfreude auf ein gutes Leben ohne Tankstellen
Sie ist 40 und hat als Vorzeige-Regierungschefin
ihr Land
so gut durch die Pandemie gebracht,
dass man aus unserem
Land, das von einem überforderten
Hühnerhaufen aus Beratungsresistenten
und Korrupten
regiert wird, neidisch
auf die andere Seite des Globus
schaut. Doch nicht nur im
Sachen ‚No-Covid-Strategie‘
sieht man in Neuseeland, wie
das gute Leben aussehen kann,
das sich so viele wünschen.
Premierministerin Jacinda Ardern
findet: „Unter dem Strich
bietet der Kampf gegen den
Klimawandel eine wirtschaftliche
Chance für Neuseeland.“
Mit dem Einfuhrstopp für Autos
mit Verbrennungsmotor ab
2032 setzt sie hier rosarotes
Kopfkino in Gang.
Ein Leben ohne Verbrenner
- was für ein Gewinn das ist,
wird einem sofort klar, wenn
man auf dem Gehsteig neben
der Tankstelle giftige Diesel-
Schwaden und Auspuff-Abgase
riecht, vom Lärmteppich röhrender
Motoren erdrückt wird
und auf die rußgeschwärzten
Hauswände und Fensterscheiben
nebenan schaut. Das ist
dann alles wirklich weg! Die
ganze stinkende, platzraubende
Infrastruktur, einfach nicht
mehr nötig. Allein in Freiburg
könnten mehr als zwei Dutzend
Tankstellen abgeräumt werden.
Mal angenommen, es käme
eine gute Fee und sagte: „Der
Platz in Deinem Stadtviertel,
wo heute die Tankstelle steht,
ist morgen frei und Du darfst
entscheiden, was an dieser
Stelle entsteht.“ Was würde
uns alles einfallen, von Gartenwirtschaft
über Outdoor-Bowlingbahn,
Spielplatz, Repair-
Cafe, Kiez-Kino, Streichelzoo,
Stadteil-Bücherei, Jugendtreff
… Den komischsten aller möglichen
Vorschläge mag die Autorin
hier nicht wiedergeben,
obgleich sie schallend gelacht
hat, als die nächste und beste
Testperson von allen der guten
Fee geantwortet hatte.
Auch wer Stromrechnungen
von Tankstellen kennt weiß,
dass der hohe Stromverbrauch
für die Pumpen, die das Benzin
aus den unterirdischen
Tanks holen, längst nicht das
größte Übel ist. Das sind diese
Pumpen, von denen wir
erst wissen, dass es sie gibt,
wenn wir bei der Beschreibung
von Blackout-Szenarien
an die Stelle kommen, wo die
Lebensmittel-LKW nicht mehr
fahren, weil kein Strom den
Sprit in ihre Tanks pumpt. Wer
schon mal eine Auskofferung
des verseuchten Erdreichs bei
einer Tankstellen-Sanierung
begleitet hat, kennt diese Hinterlassenschaften
der fossilen
Mobilität und den immensen
Aufwand, diese Schäden
einzuhegen. Da freut man sich
auf das Ende des Ölzeitalters.
Dann gibt es noch die vielen
Tanklaster, die Tag für Tag
von den Raffinerien zu den
Tankstellen poltern und mit
anderen auspuffqualmenden
Fahrzeugen die Straßen verstopfen
– die bleiben den
Neuseeländer:innen in greifbarer
Zukunft erspart. Man
möchte sein gesamtes Lungenzugvolumen
voller frischer
Luft saugen und einen tiefen
Stoßseufzer tun, schwankend
zwischen Vorfreude und Hoffnung,
dass man diese Wendung
zum Guten noch miterleben
wird.
Es werden Erinnerungen
wach, an die Radtour auf Sardinien,
als man versehentlich
auf die Straße geraten war, die
schier endlos mitten durch die
bedrohliche Kulisse einer Raffinerie
führte. Irgendwo liegen
noch diese garstigen Urlaubsfotos,
die man den unbelehrbaren
Klimaleugnern im Bekanntenkreis
schicken wollte, um zu
zeigen, dass es neben dem unsichtbaren
CO2 auch sichtbare
Probleme des Ölzeitalters gibt.
Unter dieser Horrorkulisse liegt
eine wunderschöne Landschaft
begraben. Wie schön wird es,
wenn die wieder freigelegt
wird! Wie gut wird es, wenn all
die tausenden von Ölfrachtern,
die kaum reguliert mit dem
billigsten und schmutzigsten
Treibstoff über die Weltmeere
schippern, das einfach bleiben
lassen – weil niemand mehr das
schwarze Gold zu Geld machen
wird. Wenn weiße Strände einfach
weiß bleiben, weil kein
Ölfrachter mehr unterwegs
sein wird, der Leck schlagen
könnte, keine Bohrinsel mehr,
die nach Deep Water-Horizon-
Drehbuch Hunderte Millionen
Liter Öl ins Meer erbrechen
würde.
Auf die Infrastruktur des
Grauens gucken übrigens auch
diejenigen nicht, die Sätze mit
„Aber die Elektromobilität …“
beginnen. Natürlich wird – unabhängig
von der Lärmreduktion
– die Umweltbilanz besser,
wenn Lieferketten fair und die
Stromproduktion erneuerbar
sind. Diese Bilanz werden fossil
betriebene Fahrzeuge niemals
erreichen, denn vor lauter
Fingerzeigen vergessen diejenigen,
die sich an Benzin und
Diesel klammern nur zu gerne,
mal auf die kilometerlangen
Ölpipelines zu schauen, für die
Umweltschützer ermordet wurden.
Und auf hunderttausenden
von Ölförder-Tiefpumpen, von
denen jede einzelne jeden Monat
rund zehntausend Kilowattstunden
Strom frisst, um das
Rohöl aus einigen Kilometern
tiefer liegenden Lagerstätten an
die Oberfläche zu holen.
Ein ganz wesentlicher Nachteil
der E-Mobilität ist für einige
Zeitgenossen auch die
Gefahr, dass man angefahren
wird, weil man die leisen Fahrzeuge
ja nicht herannahen hört.
Ob das auch ein Nachteil von
Fahrrädern ist, konnte nicht
geklärt werden. Man möchte
sie alle in den Verkehrskindergarten
schicken, nicht nur,
damit sie lernen, dass man
auch im hohen Alter lernfähig
sein kann. Auch um ihnen
vor Augen zu halten, welche
Infrastruktur wir bereit sind
mit Steuermitteln zu finanzieren,
weil es für Kinder kaum
sichere Möglichkeiten gibt,
allein mit dem Rad oder zu
Fuß in die Schule zu kommen.
An dieser Stelle ein ganz heißer
Urlaubstipp: mit dem Zug
nach Paris, Amsterdam oder
Kopenhagen fahren und dort
den Segen der fossilfreien
Mobilität genießen – in einer
fernen Zukunft, wenn Reisen
wieder möglich ist, obwohl ein
durchgeknallter Hühnerhaufen
damit beschäftigt war, sich die
eigenen Taschen vollzustopfen,
statt eine Krise zu managen.
Eva Stegen
Die Zeichnungen von Karl Jilg veranschaulichen, wie wenig Platz Fußgänger an einer Straßenkreuzung haben. Die Schluchten stellen die Straßen dar © Karl Jilg/Swedish Road Administration
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Nachhaltig KULTUR JOKER 27
Jeder kann die Welt verändern
Harald Welzer entwickelt in „Alles könnte anders sein“ eine positive Gesellschaftsutopie
sich jeder daran beteiligen und
unmittelbar damit beginnen
kann. Welzer veranschaulicht
dies mit einer Analogie zur
spielerischen Arbeit mit den
ursprünglichen Lego-Bausteinen
aus dem Jahr 1949. Es gab
damals keine Bauanleitungen,
aber mit Fantasie ließ sich mit
den noch recht undifferenzierten
Steinen alles Mögliche
bauen.Anders wie mit den heutigen
Baukästen, deren Inhalt
in der Regel ein einziges komplexes
Gebilde vordeterminiert.
Er entwickelt im Buch 17
gedankliche Lego-Bausteine
für die Gestaltung einer neuen
Zukunft. Diese Denkfigurenladen
– mit packender Leichtigkeit
erzählt – dazu ein,
Kategorien wie Wirtschaft,
Autonomie, Infrastrukturen,
Gerechtigkeit, Solidarität,
Sinn, Gemeinwohl, Zeit, oder
zwischenmenschliche Beziehungen
verschiedener Art
völlig neu und immer wieder
anders zu denken, ohne selbst
Definitionen vorzugeben.
Im Schlusskapitel „Der neue
Realismus“ entwickelt der Autor
oft eingeleitet mit den Worten
„ich stelle mir vor“ seine
eigenen Positionen zu einigen
Schlüsselbegriffen wie Arbeit,
Stadt, Digitalisierung oder
Bildung. Auch hier wie eigentlich
im gesamten Text besticht
die direkte, unverschnörkelte
Sprache des Autors, die sich
allein schon durch die Fülle
der aufgeführten praktischen
Beispiele selbstorganisierter
Projekte und Initiativen stets
hautnah an der Realität bewegt.
Weit entfernt von der
oft dürren Diktion sozialwissenschaftlicher
Abhandlungen
lässt sich Welzers Buch spannend
und mit Genuss lesen.
Ein Mutmachbuch für alle,
die sich mit Fantasie, Elan und
ohne ideologische Scheuklappen
auf den Weg für eine aktive
Gestaltung einer besseren
Zukunft begeben haben oder
dieses wollen und das richtig
Lust auf Veränderung macht.
Harald Welzer ist neben
seiner publizistischen und
wissenschaftlichen Arbeit
als Dozent auch Direktor der
von ihm ins Leben gerufenen
gemeinnützigen Stiftung „Futurzwei“
www.futurzwei.org.
Auf der Homepage kann man
kostenlos die „Flaschenpost“
der Stiftung bestellen mit regelmäßigen
Berichten über
verschiedenste Projekte gelingender
Zukunftsgestaltung.
Erich Krieger
Zukunftspessimismus beherrscht
derzeit überwiegend
unser Leben und Denken.
Täglich sind wir mit einer fast
endlosen Kette realer oder drohender
Katastrophen sozialer,
ökologischer, ökonomischer
oder politischer Art konfrontiert,
die Lebensmut und
-freude vieler Menschen spürbar
dämpfen.Selbst diejenigen,
die sich in dieser Situation mit
alternativen systemischen
Transformationsstrategien beschäftigen,
begründen diese
zumeist ex negativo mit apokalyptischen
Szenarien, die es
abzuwenden gelte und wirken
dadurch – gewollt oder nicht
–defensiv oder gar resignativ.
Nicht so will es das im Frühjahr
2020 vorgelegte Buch
„Alles könnte anders sein“ des
Soziologen und Zukunftsarchitekten
Harald Welzer. Im Untertitel
verspricht der Fischer
Verlag eine „Gesellschaftsutopie
für freie Menschen“.
Freilich holt auch Welzer zunächst
weit aus: Sehr anschaulich,
mit vielen Beispielen und
Analogien untermauert, beleuchtet
er mit vergleichendem
Blick auf die Lebensbedingungen
der letzten zwei, drei
Generationen vor uns den zivilisatorischen
Fortschritt unserer
heutigen modernen Gesellschaft
und resümiert: „Die
liberale rechtsstaatliche Demokratie
ist die zivilisierteste
Form von Gesellschaft, die
es jemals gegeben hat.“ Aber:
Mit gleicher Entschiedenheit
benennt er die dunkle Seite
dieser Entwicklung. Sie gründe
sich auf die Missachtung sowohl
der Endlichkeit der natürlichen
Ressourcen und die sich
daraus entwickelnde Ideologie
des unendlichen Wachstums
und Konsums und auf die Ausbeutung
und Unterdrückung
von Menschen und Völkern in
anderen Teilen der Welt. Dieses
„gestörte Naturverhältnis“
sei Ursache für eine „Ökonomie,
die ihre eigenen Voraussetzungen
konsumiert.“ Welzer
zeichnet ausführlich und
differenziert diese Dialektik
der Moderne in ihrem Spannungsfeld
zwischen Kultur
und Barbarei und leitet daraus
die Notwendigkeit der Weiterführung
des „zivilisatorischen
Projekts der Moderne“ ab.
Adressaten und potenzielle
Akteure für dieses lustvollen
Lebenssinn schaffende Vorhaben
sieht er in uns allen,
denn: „Der einzige Grund,
aus dem ein Weiterbauen am
zivilisatorischen Projekt nicht
attraktiv sein sollte, ist Phantasielosigkeit.“
Die sieht er aber
allenthalben auf dem Vormarsch,
weshalb die „Wiedereinführung
der Zukunft eine
dringliche Sache ist“. Dabei
sei es vielleicht besser, statt
unablässig immer neues und
noch präziseres Wissen über
die verschiedenen Lebensbedrohlichkeiten
anzuhäufen,
nach den konkreten subjektiven
Voraussetzungen bei den
Menschen für einen aktiven
Einsatz für ein gutes, ein besseres
Leben nachzudenken.
Dies ermögliche „zu sortieren,
was vom bisherigen Verlauf
des zivilisatorischen Projekts
sich als brauchbar und weiterführend
erwiesen hat, was man
neu dazu kombinieren muss
und was man dringend loswerden
muss“. Wissen allein
führe erfahrungsgemäß selten
zu Verhaltensänderungen.
Welzer lässt ein ebenso erhellendes
wie überzeugendes
„Realismustraining“ folgen,
das darin gipfelt, „kleinstmögliche
Zustandsveränderungen“,
die innerhalb der bestehenden
Handlungsspielräume des zivilisatorischen
Projekts durchsetzbar
sind, als hilfreicher
einzuschätzen, als irgendeinen
„großen Wurf“ unterschiedlichster
Revolutionstheorien.
Statt Umsturzversuch setzt
er die unendliche Quantität
„modularer Revolutionen“, die
miteinander kombinierbar sind
und die den Vorteil haben, dass
28 KULTUR JOKER nachhaltig
Auch das Nachtleben in der
schönen Breisgaustadt Freiburg
kennt Gefahren. Diskriminierungen,
Übergriffe und sexuelle
Gewalt müssen Personen benachteiligter
Gruppen, darunter
Frauen oder rassifizierte Menschen,
immer wieder erfahren.
Als wirksames Gegenrezept
gilt „Awareness“, die Sichtbarmachung
und Verhandlung
solcher aggressiver Grenzüberschreitungen.
Im Mittelpunkt
stehen dabei nicht Täter*innen,
sondern betroffene Menschen
und ihre Erfahrungen.
Die Freiburger Initiative
samt&sonders setzt hier mit
einem doppelten Awareness-
Konzept an. Zum einen bietet
samt&sonders Gesprächsräume
und Veranstaltungen zum Thema
Sicherheit im Nachtleben
und ähnlichen gesellschafts-
Zauberwort „Awareness“
Der Verein samt&sonders diskutiert und schafft Schutzkonzepte fürs Nachtleben
politischen Themen, zum anderen
ist der Verein mit Awareness-Strukturen
in Clubs vor
Ort. Langfristiges Ziel ist die
Foto: samt&sonders
Verankerung von Awareness-
Strukturen in allen Freiburger
Clubs mit individuellen Sicherheitskonzepten,
lokalen Awareness-Teams
und Schulungen für
Personal, Kulturschaffende und
Clubbesitzende.
Der Verein samt&sonders
blickt auf einige Erfahrungen
zurück. Seit 2017 ist das Awareness-Team
im Nachtleben
aktiv. Mit Ständen als Informations-
und Rückzugsraum,
einer Nummer für Notfälle und
der Einbindung von Veranstaltenden
sowie dem Tür- und
Barpersonal konnte das Awareness-Konzept
zu vielen Anlässen
bereits umgesetzt werden.
Beratungen und Workshops
mit selbstorganisierten Vereinen
und Gruppen, wie Wohnprojekten
und Jugend(kultur-)
initiativen, aber auch Institutionen
und städtischen Einrichtungen
gehören ebenfalls zum
Tätigkeitsfeld des sogenannten
„A-Teams“. Auf Tagungen und
Katastrophenprävention
Sechs Freiburger Archive unterzeichnen Vereinbarung
Konferenzen war das A-Team
bereits mit Infoständen und als
Ansprechstelle präsent, ebenso
mit Rückzugsräumen bei verschiedenen
Anlässen, etwa auf
Demonstrationen.
Da auch in Corona-Zeiten
Diskriminierungserfahrungen,
gerade in privaten, geschlossenen
Kontexten, geschehen,
hat der Verein ein digitales
Workshop- und Beratungsangebot
geschaffen, das eine
noch breitere Öffentlichkeit
erreicht. Zu wünschen bleibt
nur die gesicherte Förderung
von Räumlichkeiten und einer
Stelle. Auch hier gilt es, die Öffentlichkeit
für die Bedeutung
von Awareness-Angeboten zu
sensibilisieren.
Weitere Infos: www.samtsonders.de
Als die Elbe im Jahr 2002 über
die Ufer trat, hatte niemand mit
den Konsequenzen gerechnet.
In Folge des Jahrhunderthochwassers
wurden Kulturgüter
zerstört und geschädigt. Ähnlich
war es bei dem Brand der
Anna-Amalia-Bibliothek in
Weimar zwei Jahre später, dem
mehr als 50.00 Bücher und
Schriften zum Opfer fielen. Und
schließlich der Einsturz des Kölner
Stadtarchivs 2009, bei dem
der Schaden sich allein durch
Verlust und Restaurierung von
Kulturgütern auf mehr als 700
Millionen Euro belief. Um Kulturgüter
im Katastrophenfall
so gut wie möglich zu schützen
und solchen Szenarien vorzubeugen,
haben sich sechs Freiburger
Archive in einem Notfallverbund
zusammengetan.
Darunter sind das Bundesarchiv
mit der Abteilung Militärarchiv,
die Abteilung Staatsarchiv Freiburg
des Landesarchivs Baden-
Württemberg, das Universitätsarchiv
sowie das Zentrum für
Populäre Kultur und Musik der
Albert-Ludwigs-Universität,
das Erzbischöfliche Archiv und
das Stadtarchiv Freiburg. Maßnahmen
des Verbundes sind die
gegenseitige Unterstützung,
wenn es zu Bergungsarbeiten,
zur Sicherung und Evakuierung
von Kulturgütern in Ausweichdepots
kommen sollte. Im Rahmen
des Programms werden
auch Mitarbeitende geschult
werden. Zusätzlich werden
Notfallpläne erstellt und die gegenseitigen
Ortskenntnisse verbessert,
um mit den Strukturen
vertraut zu sein. Am 8. März
unterschrieben Vertretende
der Archive die Vereinbarung.
Zukünftig sollen weitere Kultureinrichtungen
hinzustoßen
und ähnliche Verbünde für kleinere
Kulturbetriebe angeboten
werden, welche sich bereits in
Planung befinden.
Plaudern statt Coronastille
Das Freiburger Plaudertelefon bietet ein entspanntes Gesprächsangebot
Corona bedeutet für viele
Alleinstehende Kontakt- und
Gesprächsarmut. Obwohl der
Wille da ist, fehlt es an Gegenübern.
Die Folgen: Langeweile,
Isolation, Vereinsamung.
Dabei gibt es doch so viel zu
plaudern: Über eigene Erfahrungen,
die Welt, Rezepte, Musik,
Filme, Hobbys. In Städten
wie Stuttgart, München oder
Mannheim gibt es bereits ein
unverbindliches Angebot, um
dem entgegenzuwirken: Das
Plaudertelefon. Die Freiburger
Bürgerstiftung hat sich hier inspirieren
lassen und zieht nun
nach. Zunächst zwei Mal die
Woche können Bürger*innen
am Telefon über all das plaudern,
was sie so interessiert.
Ein Sorgentelefon, wie man
v.l.n.r. Christoph Schmider, Ulrich von Kirchbach, Christof
Strauß und Michael Steidel Foto: Stadt Freiburg/Patrick Seeger
es in Freiburg bereits kennt,
soll das Plaudertelefon aber
nicht werden. Vielmehr ein
offener Gesprächsraum zu bestimmten
Themen. Um hier
einen gezielten Zugang zu
schaffen, werden Interessierte
zunächst nach ihren Wunschthemen
befragt und dann an
ein passendes Gegenüber weitergeleitet.
Am anderen Ende
der Leitung sitzen Freiwillige,
die bereit sind, ein niedrigschwelliges
Gesprächsangebot
zu schaffen. Ein ungezwungenes
Miteinander jenseits des
oft belastenden Alltags während
der Pandemie.
Um das Angebot noch weiter
zu entwickeln und mehr
Gesprächstermine schaffen zu
können, sucht die Freiburger
Bürgerstiftung noch Freiwillige.
Wer Lust hat, sich zwei Mal
die Woche Zeit für ein Plaudergespräch
zu nehmen, kann sich
unter plaudern@freiburger-buergerstiftung.de
melden.
Das Freiburger Plaudertelefon
ist montags, 15–17 Uhr,
und freitags, 10–12 Uhr unter
der Nummer 0175 2852758 zu
erreichen.
Foto: Freiburger Bürgerstiftung
nachhaltig KULTUR JOKER 29
Schule als Baumschule
Freiburger Schüler*innen pflanzen Bäume und schützen das Klima
1200 Bäume! Eine beeindruckende
Bilanz gibt das Projekt
„Freiburger Klimapflanzschule“,
das nach dreijähriger
Laufzeit nun abgeschlossen
wurde. 253 Schüler*innen
von Klasse 5 bis 7 waren am
Projekt des Freiburger Waldhauses
beteiligt und konnten
unter Anleitung praktisch arbeiten,
experimentieren und
so erfahren, wie sie selbst
schon früh zum Klimaschutz
beitragen können. Jeder teilnehmenden
Schulklasse war
ein Pflanzbeet zugewiesen
worden, für dessen Pflege sie
verantwortlich war.
Besonders wichtig war den
Projektbetreiber*innnen, den
Michael Broglin, Geschäftsführer der ASF und Umweltbürgermeisterin
Gerda Stuchlik bei der Einweihung der neuen
Gässleflitzer
Foto: Stadt Freiburg/Patrick Seeger
Auf der Suche nach seinem
Lieblings-buntstift wird Benja
klar, dass bei ihnen zuhause irgendwas
nicht stimmt. Ständig
verschwinden Dinge. Papas
Socken, Mamas Kaffeetasse
mit dem Sprung und jetzt sein
Lieblingsstift. Und Benja hat
recht. Im selben Moment muss
sich das Lupa-Mädchen Wuse
vor seinen Eltern rechtfertigen,
dass es schon wieder bei den
Menschen war, obwohl das
strengstens verboten ist. Wuse
lebt mit ihrer Familie unter
den Dielen und in den hohlen
Wänden bei Benja zuhause
und beobachtet alles was in der
Familie von Benja passiert. Als
sie durch ein Loch in der Wand
beobachtet, dass Benjas Mama
die Brötchen vom Vortag einfach
wegschmeißen will, muss
Kindern die zeitliche Dimension
ihres Handeln zu vermitteln.
Das Pflanzen von
Bäumen ist ein nachhaltiger
Beitrag zum Klima für viele
Jahrzehnte. Die gepflanzten
Rotbuchen, Eichen, Elsbeeren,
Douglasien, Weißtannen und
Winterlinden im Stadtwald
speichern CO2 ein und vermindern
so die globale Erwärmung
unseres Planeten. Nachhaltig
ist auch der bildungspolitische
Aspekt des Projekts,
das vom Innovationsfond Klima-
und Wasserschutz der badenova
gefördert wird. Schon
früh und spielerisch werden
Jugendliche so an das Thema
Klima herangeführt und können
Kompetenzen in Sachen
Umweltschutz entwickeln.
Zum Abschluss des Projektes
betont Richard Tuth vom Badenova
Innovationsfonds: “Bei
unseren Förderungen geht es
auch immer darum, Bewusstsein
für Umwelt und Klima
durch konkrete Projekte oder
Maßnahmen zu schärfen und
den Nutzen erlebbar zu machen,
ganz speziell für junge
Menschen“. Das Waldhaus
Freiburg ist aktuell wieder
für Publikum von dienstags
bis freitags, von 9 bis 12:30
Uhr, geöffnet. Infos: info@
Waldhaus-freiburg.de oder Tel:
0761/89 64 77 10.
Abschluss des Waldhaus-Projektes Klimapflanzschule
(v.l.n.r.: Markus Müller (Geschäftsführer Stiftung Waldhaus),
Nicole Schmalfuß (Amtsleiterin Forstamt), Lisa Hafer (Waldhaus)
und Richard Tuth (badenova) Foto: Waldhaus Freiburg
Die Gässleflitzer der ASF
Ein Klimabeitrag der Freiburger Abfallwirtschaft
Die Abfallwirtschaft Freiburg
(ASF) startet in Kooperation
mit der Stadt Freiburg
in ein Pilotprojekt, bei dem
Elektrolastenfahrräder in der
Stadtreinigung eingesetzt werden.
Die Gässleflitzer sollen
den bisherigen konventionellen
Pritschenwagen ersetzen und
vorerst in den Stadtteilen Stühlinger,
Brühl-Beurbarung und
Neuburg eingesetzt werden.
Mit diesem Projekt will die
ASF einen weiteren Schritt in
die Richtung „Emissionsfreie
Stadtteilreinigung“ gehen, um
bis spätestens 2050 Klimaneutralität
zu erreichen. Das Pilotprojekt
startet im März und
umfasst vorerst sechs Fahrzeuge.
Die Elektrolastenräder
Benja & Wuse
Essensretter auf großer Mission
sie was unternehmen, doch
bei dem Versuch die Brötchen
zu retten, wird sie von Benja
gefangen. Die beiden freunden
sich an und Wuse nimmt
Benja mit auf eine Reise durch
die Zeit. Auf dieser Reise wird
Benja bewusst, wie wertvoll
sind überdacht, haben einen
Laderaum und sind mit den
notwendigen Werkzeugen
und Utensilien ausgestattet.
Sie sollen rund ums Jahr in
Gebrauch genommen werden
können. Bisher hat die Stadtreinigung
in Dreierteams pro
Pritschenwagen gearbeitet.
Mitarbeitende trugen Abfälle
zusammen, die dann mit dem
Fahrzeug eingesammelt wurden.
Mit dem Lastenrad soll
jedes Teammitglied ausgestattet
werden. So kann effizienter
und leiser gearbeitet werden.
Pro Rad werden jährlich 2,2
Tonnen CO2 eingespart. Im
Rahmen des Pilotprojektes
also 12,8 Tonnen. „Mit den
Gässleflitzern möchten wir
zeigen, dass Transportdienstleistungen
nicht mehr zwangsläufig
mit klassischen Fahrzeugen
erbracht werden müssen“
erklärt Michael Broglin, Geschäftsführer
des ASF. Noch
wird die Ladung der Räder auf
einem Pritschenwagen zusammengetragen,
doch auch dieser
soll auf lange Sicht durch ein
Fahrzeug mit Elektroantrieb
ersetzt werden. Auch elektrische
Klein- und Großkehrmaschinen
sowie Laubbläser
stehen auf dem Plan. Sollte
das Pilotprojekt sich bewähren,
sollen die Gässleflitzer auf
andere Stadtteile ausgeweitet
werden.
Lebensmittel sind und wieviel
Arbeit in einer Erdbeere steckt.
In Ihrem Buch „Benja&Wuse
– Essensretter auf großer Mission“,
erklären Wenke Heuts
und Inka Vigh auf spielerische
und einfache Art, das Lebensmittel
nicht aus dem Supermarkt
kommen, sondern dass
eine Menge Zeit und Arbeit
dahintersteckt. Sie nehmen
uns mit auf eine Reise durchs
Jahr und zeigen alle Schritte,
die vom Säen bis zum Ernten
einer Erdbeere notwendig sind.
Sie geben praktische Tipps zur
Verwertung vermeintlich verdorbener
Lebensmittel und
dazu, wie man mit kleinen
Tricks, weniger wegwerfen
kann. Maria Schorn
Autorin: Wenke Heuts
Illustratorin: Inka Vigh
Oekom Verlag, 2021,
1. Auflage, 40 Seiten
Preis: 14€
30 KULTUR JOKER nachhaltig
Zwangsarbeit in Freiburg
Das Freiburger Grethergelände arbeitet seine Geschichte im Nationalsozialismus kritisch auf
Das Grethergelände gilt als
Raum für kreative wie solidarische
Gesellschaftsentwürfe.
Unter anderem sind dort Einrichtungen
wie das traditionsreiche
freie Radio Dreyeckland,
die Rosa Hilfe und eine
Beratungsstelle für Geflüchtete
zu finden. Die Geschichte des
Geländes reicht nicht nur weit
in die Vergangenheit, sondern
enthält auch ein dunkles Kapitel.
Die dort ehemals ansässige
Gretherfabrik war in der
Zeit des Nationalsozialismus
ein Ort, an dem Zwangsarbeit
Alltagsgeschehen war. Mit vielseitiger
Unterstützung, etwa
durch das Bundesprogramm
„Demokratie leben!“ und über
ein Stadtjubiläumsprojekt, hat
der Verein GretherKultur nun
eine Aufarbeitung der Vergangenheit
geleistet.
„Wir wissen nun, dass mindestens
60 Männer und Frauen
aus verschiedenen, von der
Wehrmacht besetzten Ländern,
in der Gretherfabrik zur Arbeit
gezwungen wurden. Wie Millionen
anderer Menschen wurden
sie von den Nationalsozialisten
verschleppt, ausgebeutet
und versklavt.“ Eindringlich
erscheint auch das Schicksal
des polnischen Zwangsarbeiters
Roman Kowalczyk. Weil
eine Freiburgerin ein Kind
von ihm erwartete, wurde der
junge Mann im Konzentrationslager
Neuengamme ermordet.
Verbindungen, die dem
Rassenmodell des NS-Systems
widersprachen, wurden hart
bestraft. Kowalczyk hatte zuvor
sechs Monate lang auf
dem Grethergelände arbeiten
müssen. Über das persönliche
Schicksal des Mannes, der mit
24 Jahren Gefangener der Nationalsozialisten
wurde, ist nur
wenig in Erfahrung zu bringen.
Oft lagen den Forschenden nur
Dokumente der nationalsozialistischen
Bürokratie vor.
Von der Vergangenheit zeugen
vor allem die Gebäudehüllen.
Das Firmenarchiv der
Gretherfabrik ist leider verschollen.
Dennoch gelang es
den Mitwirkenden des Projekts,
vertiefende Recherchen
anzustellen. Ergebnis dieser
ist eine Broschüre, die von der
Historikerin Maxilene Schneider
verfasst wurde und in der
Einzigartiger
Stadtplan
Neuauflage „Rundgang Jüdisches Freiburg“
auf Deutsch und Englisch
Der Stadtplan „Rundgang Jüdisches
Freiburg“ verortet die
jüdische Geschichte in der Stadt
und lässt die Begehenden die
verschiedenen Orte jüdischen
Lebens besuchen. Es werden
zwei verschiedene Rundgänge
ausgelegt, welche jeweils durch
fast 900 Jahre Geschichte führen.
Neben der Routen durch die
Stadt gibt es einen geschichtlichen
Überblick und Kurzinformationen
zu den Orten und
Personen, gerahmt durch verschiedene
Stadtteile. Es werden
Persönlichkeiten, Gebäude und
Denkmäler passiert. Darunter
auch der Friedrichsbau, welcher
auch heute noch das älteste
Kino Freiburgs beherbergt, die
ehemalige jüdische Metzgerei,
wo es koscheres Fleisch zu kaufen
gab oder den Platz der alten
Synagoge, welche 1938 zerstört
wurde. Diese Art von Stadtplan
ist selten. Im deutschsprachigen
Raum gibt es einen für Hamburg
und einen für Wien zu finden.
Im Jahr 2015 schloss sich
Freiburg an und veröffentlichte
die erste Ausgabe. Dieses Jahr
ist die zweite Auflage in Umlauf
gekommen auf Deutsch und nun
auch auf Englisch, um die Informationen
zugänglicher zu gestalten.
Der Stadtplan kann auf
Anfrage über gcjz-freiburg@
web.de für 2 Euro pro Stück erworben
werden.
Cover: Rundgang
Jüdisches Freiburg,
Gesellschaft für Christlich-
Jüdische Zusammenarbeit
Freiburg e.V. 2020
Buchhandlung Jos Fritz zu erwerben
ist. Am 1. Mai wird darüber
hinaus ein Mahnmal im
Innenhof des Grethergeländes
enthüllt.
Die Broschüre „NS-Zwangsarbeit
auf dem Freiburger Grethergelände.
Ausschnitt eines
öffentlichen Massenverbrechens“
beleuchtet die Zwangsarbeiten
auf dem Grethergelände,
aber auch an anderen Orten
Freiburgs. Ein thematisch orientiertes
Kapitel macht die Verbindungen
zwischen Rassismus
und Ausbeutung greifbar. Am
Ende steht ein „Blick zurück
nach vorn“, ein äußerst kritischer
Blick. Denn lange Zeit
wurden Zwangsarbeiter*innen
in der breiten Öffentlichkeit der
BRD nicht als Opfer des NS-
Systems betrachtet. Erst in den
1980ern konnten zivilgesellschaftliche
Initiativen das Thema
in der Öffentlichkeit verankern.
Und auch das präzise recherchierte
Projekt des Vereins
GretherKultur demostriert: Wir
stehen erst am Anfang der Aufklärung.
Nachhaltig und stylisch
Das Freiburger Start-up Dave‘s Vintage Dream bietet Onlineshop
Der Begriff Fast Fashion fällt
immer häufiger und beschreibt
eine individuelle Konsumkultur,
bei der die Produktion und
der Verkauf von Kleidung vor
allem eins bedeutet: möglichst
viel, so billig wie möglich. Für
die großen Modelabels dieser
Zeit, darunter Namen wie Zara,
H&M und Co, bedeutet das bis
zu 24 Kollektionen pro Jahr.
Das Freiburger Start-up Dave‘s
Vintage Dream möchte vor
allem junge Konsument*innen
auf dieses Problem aufmerksam
machen und eine Alternative
zu Fast Fashion bieten,
die sowohl nachhaltig als auch
stylisch daherkommt. Der
Kopf hinter dieser Idee ist
der 20-jährige David Kugler.
„Mir liegt das Thema Nachhaltigkeit
schon sehr lange am
Herzen“, erläutert der junge
Freiburger. „Vor Corona verbrachte
ich meine Wochenenden
in Secondhand Kaufhäusern
und stöberte nach neuen
Errungenschaften. So kam ich
an einem Abend auf die Idee,
einen eigenen Onlineshop für
Vintage Secondhand Mode
zu eröffnen!“. Gesagt, getan.
Nach vier Monaten Vorarbeit
und Konzipierung ging
der Secondhand Onlineshop
am 9. Februar an den Start.
Seitdem können Secondhand-
Liebhaber*innen online stöbern
und das ein oder andere
Schmuckstück für den heimischen
Kleiderschrank entdecken.
Über seinen Instagram-
Account daves_vintage_dream
hält er seine Kund*innen über
neu eingetroffene Liebhaberstücke
auf dem Laufenden.
Und wer sich für ein Kleidungsstück
entschieden hat,
bekommt es plastikfrei verpackt
und dazu noch eine persönliche
Nachricht von Dave.
„Für mich ist das Secondhand-
Shoppen etwas ganz Besonderes.
Ich liebe es zu wissen,
dass ich diesem Kleidungstück
ein neues Leben geschenkt
und der Umwelt zugleich etwas
Gutes getan habe.“ freut
sich David Kugler.
Weitere Infos: www.davesvintage-dream.com
David
Kugler
Foto: promo
nachhaltig KULTUR JOKER 31
Ein offener Brief
Dietenbach und Kleineschholz –
Ja!, - zwei wirklich klimaneutrale Stadtteile - bitte keine halben Sachen!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Martin Horn,
sehr geehrte Bürgermeister der Stadt Freiburg!
Sehr geehrte Gemeinderäte!
Die politische Führung der Stadt Freiburg hat sich zur Erreichung der Klimaneutralität 2035 im Freiburger Klima- und Artenschutzmanifest bzw. dem eingebundenen
Kurzgutachten vom ifeu-Institut zum Thema nachhaltiges Bauen ein richtiges Ziel gesetzt. Die Stadt Freiburg wolle „zukünftig auch stärker die
Bereiche „Graue Energie“ und „Ressourcenverbrauch“ insbesondere im Bausektor betrachten und die Ergebnisse in Entscheidungsprozesse integrieren. …
die Bedeutung für die Reduktion von Treibhausgasen insgesamt sei global gesehen, nicht unerheblich.“
Bedeutung von grauer Energie und grauen Emissionen
Mit grauer Energie ist die (Primär-)Energie gemeint, die für Herstellung, Transport, Bau und Rückbau u.a. von Wohngebäuden, Straßen und sonstigen Bauten
erforderlich ist. Die graue Energie die beim Wohnungsbau aufgebracht werden muss, führt bei einer gerechneten Standzeit von 50 Jahren in ähnlicher
Größenordnung, wie die Nutzung und die Unterhaltung der Gebäude selbst, zu erheblichen CO2-Emissionen. Diese grauen Emissionen zu minimieren ist
ein wesentlicher Faktor für mehr Klimaschutz beim Neubau.
Die bisherige Gebäudebilanzierung gemäß EnEV/GEG berücksichtigt den klimarelevanten Aspekt der grauen Emissionen nicht. Auf Bundesebene gibt es
zwar seit Jahren Förderprogramme , aber keine Gesetzesnovelle. Z.B. fordert das Bauwende-Bündnis für Anfang 2021, dass eine verpflichtende Ökobilanz
ins GEG aufgenommen werden muss. Die Bundesregierung wusste dies in diesem Jahr mit ihrer parlamentarischen Mehrheit zu verhindern .
Wenn wir als Erdenbürger und besonders wir als Europäer, den Schutz des Klimas nach den Beschlüssen der Weltgemeinschaft von Paris ernst nehmen,
können wir uns keine halben Sachen mehr erlauben! Das Zögern der Bundesregierung sollte die Kommunen eher auffordern zu handeln als auf der Stelle zu
verharren! Freiburg hat sich schon öfter als Vorreiter angeboten. Auch heute werden wieder Pioniere, die bereit sind, deutschlandweit und international neue
Standards zu setzen, gebraucht!
Politischer Handlungsspielraum
Mindestens für Neubauten muss eine dezidierte Bewertung der grauen Energie und der grauen Emissionen, ordnungspolitisch etabliert werden. Die neuen
Stadtteile Dietenbach und Kleineschholz sollten hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Der Energieverbrauch und die damit verbundenen CO2-Emissionen
für viele der in Dietenbach oder Kleineschholz zum Einsatz kommenden Baustoffe (z.B. Beton, Ziegel, Mineralwolle, Glas, Aluminium, Solarzellen, etc.)
werden gegenwärtig nicht in Freiburg, am Ort der Entscheidung, eingerechnet. Gegenwärtig, geschieht dies am Ort der Herstellung oder der Weiterverarbeitung,
wenn überhaupt. Wir setzen uns dafür ein, nach dem Motto „Global denken - lokal handeln!“ zu verfahren.
Vielfach wird eingewandt, die Komplexität der Prozesse und die Vielfalt der Baustoffe und deren Dynamik in Herstellung und Transport würden es verunmöglichen
bei der Planung und Auswahl der zu verwendenden Baustoffe einen ordnungspolitischen Hebel, der allgemeine Anerkennung fände, anzusetzen.
Nicht selten wird dann über den Weg der Förderung eine Scheinlösung gesucht, die dann über die damit verbundenen Subventionen die öffentlichen Hände
viel Geld kostet. Das fehlt dann anderweitig. Statt kommunales Geld zu verstreuen ohne das Ziel zu erreichen - lieber einen ordnungspolitischen Rahmen
setzen, der das Ziel dauerhaft nachjustierbar verfolgt!! Die Holzbauförderungsprogramme der Stadt Freiburg und des Landes Baden-Württemberg sind als
reiner Anstoß gedacht. Als solches sind sie auch zu begrüßen. Damit alleine ist aber eine „Bauwende“, von deren Notwendigkeit mittlerweile auch in der
EU in Brüssel gesprochen wird , nicht zu machen. In einer groben Annahme gereicht das von der Stadt angeschobene Programm für 4,5% der angestrebten
6.900 Wohneinheiten in Dietenbach! Die Wirkungsgrenzen einer Subventionspolitik werden angesichts der Größe der Aufgabe grell sichtbar! Selbst wenn
im Laufe der Entstehungsjahre von Dietenbach sich die Erkenntnis durchsetzen sollte, dass die Stadt etwas drauflegen müsste, bleibt die Begrenztheit der
Maßnahme klar erkennbar. Bei einer Zielsetzung von 2/3 Holzbau müsste die Stadt das 15-fache an Geld in die Waagschale werfen.-Jährlich! Kaum denkbar!
Außerdem zielt diese Maßnahme nur auf die Frage, Holz oder Stahlbeton und lässt die Bewertung aller anderen Baustoffe außer Acht.
Wir fordern die Stadtpolitik auf, umzusteuern! - Dafür braucht es seitens der Politik und seitens der Planung und Ausführung, Bewusstsein, Verständnis,
Sachwissen und den politischen Willen. Dafür gibt es nicht nur Ideen, es gibt für die kommunale Ebene bereits Konzepte: Faktor X aus kommunalem Bauen
am Niederrhein und ein vom Ökoinstitut entwickeltes Bewertungstool namens trasig sind zwei davon. Beide Systeme werden in Kommunen bereits angewandt!
Sie sind relativ leicht zu verstehen und können von Polieren, Meistern und Architekten nach kurzer Schulung gehandelt werden. Beide Werkzeuge
erlauben eine einfache Nachjustierung und überzeugen durch ihre formale Gleichberechtigung zu allen Baubranchen.
Sehr geehrte Damen und Herren der Freiburger Stadtpolitik, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, wir fordern Sie auf, diese Vorreiterrolle dringend anzunehmen
und die politischen Weichen in Freiburg so zu stellen, dass die beiden zukünftigen Baugebiete Dietenbach und Kleineschholz (und alle folgenden
sowieso) bereits nach solchen Zielen realisiert werden können.
Die Unterzeichner
Björn Barkemeyer, Architekt - Freiburg
Nona Bosse, Architektin - Freiburg
Rolf Disch, Solararchitektur - Freiburg
Herbert Griesbach, Architekt - Freiburg
Birgit Stellbrink, Dipl.Ing.arch. - Freiburg
Dr. Torsten Lingott, Vida Holzprojekt - Freiburg
Weissenrieder – Architekten - Freiburg
Zimmerer-Innung Freiburg
Raphael Buob, Zimmerei - Waldkirch
Zimmerei Dobslaw GmbH - Buggingen
Zimmerei Gremmelspacher GmbH - St.Peter
Mio Holzbau e.K. – St. Peter
Michael Kappler, Fa. Daseinplus - Löffingen
Rombach, Bauholz und Abbund GmbH - Oberharmersbach
Steiger + Riesterer, Zimmerei und Abbundzentrum - Staufen
Sutter³ GmbH&Co KG, Projektentwicklung,
Denkmalschutz und Planung - Freiburg
Zimmerei Grünspecht eG – Vorstand - Freiburg
Hermann Hallenberger, Gründer der Zimmerei Grünspecht eG
i Drucksache G19/216, S.4; www.fr-entscheid,de/wp-content/uploads/2020/0112019-10-29 GR Tor? Vorlagel.pdf
ii Siehe z.B. www.ressource-deutschland.deithemen/bauwesen/foerderorogramme/
iii Das Bauwende-Bündnis ist ein Bündnis mehrerer Organisationen mit Bezug zu Ökologie im Bauwesen;
www.bauwende.de/wp-content/uploads/2019/031Stellungnahme-Bauwende-B%c3%bcndnis-GEG-2019-03-21.pdf
iv Siehe wesentliche Inhalte zum GEG in www.dabonline.de/2020/10/15/gekgilt-ab-1-november-die-wichtigsten-fakten-aendenrungen-neue-regeln/
v Siehe z.B. www.de.statista.com/statistik/daten/studie/311503/umfrace/wichtigste-laender-nach-rohstahlproduktion/
vi Siehe z.B. www.ec.europa.eu/info/strategv/priorities-2019-2024/european-green-deal de
vii Annahme: 3 Mehrfamilienhäuser in Holzbauweise à 7 Wohneinheiten pro Jahr. Wenn sich der Bau der Wohnungen für Dietenbach über 15 Jahre
hinweg zieht, macht das 45 Mehrfamilienhäuser oder 315 Wohneinheiten.
viii Berechnungstool; www.kurt.faktor-x.infol - ix www.trasid.ceko.infoitrasid/
32 KULTUR JOKER Grabkultur
Grabbepflanzung
im Frühling © GdF, Bonn
Grabkultur KULTUR JOKER 33
Friedhofseingang© GdF, Bonn
Erinnerungskultur Friedhof
Von Steinmetz*innen, Grabpflege und einem UNESCO Kulturerbe
Am 13. März 2020 wurde
die Friedhofskultur in
Deutschland als Immatrielles
Erbe von der UNESCO aufgenommen.
Unglücklicherweise
überschattete der Start
des Lockdowns den Tag und
ließ so die Pressemeldung
untergehen. Ein Jahr später
lohnt es sich einen näheren
Blick auf die Bedeutung dieses
Aktes zu werfen. Unter
der Aktion „Friedhofskultur
sichtbar machen“ sollten
Friedhöfe im September 2020
durch Informationstafeln
ausgewiesen werden, um das
Kulturerbe wieder mehr in
den Blick der Gesellschaft zu
rücken. Doch was steckt hinter
dieser Friedhofskultur?
Die Begräbniskultur ist mit
der Entstehung und Verbreitung
des Christentums prominent
geworden. Im alten
Ägypten, bei den Griechen
und den Römern gab es Begräbnisse
nur vereinzelt,
waren jedoch Personen mit
Status vorbehalten und kein
Ritual für jedermensch. Vor
dem Erbau der Kirchen fanden
Begräbnisse in Katakomben
und Grabkammern statt
und siedelten sich dann als
Friedhöfe um die christlichen
Bauten an. Der Platzmangel
durch die stetig wachsende
Bevölkerung führte dann
dazu, dass Friedhöfe ausgelagert
wurden hinter die
Stadtgrenzen wo der „umfriedete
Platz“ (frithof/vrithof)
neu situiert wurde. Erst
durch Napoleon entstanden
die parkähnlichen Anlagen,
die wir heute als Friedhöfe
kennen, geleitet durch den
Gleichheitsgedanken, der jedem
Menschen ein Begräbnis
ermöglichen sollte. Während
im Christentum verschiedene
Bestattungsarten, wie
Erd- oder Feuerbestattung,
geläufig sind, werden in islamischer
Tradition die Toten
sarglos, mit dem Blick nach
Mekka ausgerichtet, beerdigt.
Grabsteine sind hier
nicht üblich, werden aber
nach Wunsch ermöglicht.
Das Judentum hingegen hat
eine Sargpflicht und wird in
einem einfachen Holzsarg
ausgeführt. Die Gestaltung
der Grabsteine ist hier ebenso
einheitlicht und schlicht.
Das Handwerk hinter den
Grabsteinen
Das Erkennungszeichen der
christlichen Erinnerungskultur
sind die Grabsteine
auf den Friedhöfen. Diese
wurden und werden von
Steinmetz*innen hergestellt,
eines der ältesten Handwerke
weltweit. Es geht zurück bis
zum Bau der Pyramiden und
erlebte durch die Gotik seinen
Höhepunkt. Es bestand
immer Konkurrenz innerhalb
der Steinhauerzünfte (Baumeister,
Steinmetze, Maurer),
da die Zuständigkeitsbereiche
überlappten und nicht klar
aufgeteilt waren. Im 12. Jahrundert
schlossen sich Steinhauerzünfte
zusammen und
bestanden über die nächsten
700 Jahre, bis sie sich wegen
der eingeführten Gewerbefreiheit
im 19. Jahrhundert
auflösten. Durch die Industrialisierung
wurde die Arbeit
weniger physisch belastend.
Die Arbeitsbereiche, welche
überdauerten waren Grabmal,
Denkmal, Bau und Gestaltung.
Es wird hierbei zwischen
Steinmetzarbeit und
Steinbildhauerei unterschieden.
Während erstere mehr
handwerklich, geometrisch
und bautechnisch fokussiert
arbeitet, legen zweitere ihren
Schwerpunkt auf kreative,
gestalterische Arbeiten. Das
Erschaffen von Grabsteinen
beinhaltet künstlerisches Gestalten
durch Formen, Silhouetten
und Gravuren, welche
in Vielzahl auf Friedhöfen zu
betrachten ist. Ein bekanntes
Beispiel ist das Grab der Caroline
Walter, auch genannt
die schlafende Schöne, auf
dem alten Friedhof in Freiburg.
Nachhaltigkeit im Steinhandel
Steinmetze, die auf nachhaltige
Steinauswahl setzen,
bevorzugen europäische Natursteine.
In Deutschland gibt
es heute noch ca. 250 aktive
Steinbrüche. Hier sind Steinarten
wie Sandstein, Granit,
Basalt, Kalkstein, Dolomit
und Marmor zu finden. Übrigens
fördern Steinbrüche
indirekt die Artenvielfalt von
Flora und Fauna, da sie, wenn
stillgelegt, einen schützenden
Ort für diese Pflanzen und
Tiere bilden. Es entstehen
kleine Tümpel und Grünflächen,
die die Grundlage für
die Erhaltung von der Diversität
der Natur fördern.
Grabpflege als Sozialkultur
Ein weiterer Aspekt der
Friedhoskultur ist die Grabgestaltung
und -pflege. Sie
kann von Friedhofsgärtner
nübernommen werden, viele
lassen es sich aber nicht nehmen,
selbst Hand anzulegen.
Und so entstehen kleine grüne
Oasen und Blumenfleckchen,
die nicht nur die Spazierenden
erfreuen, sondern
auch der Tierwelt Zuflucht
sind. Zudem bietet sich die
Gelegenheit, sich auszutauschen,
gemeinsam den Verstorbenen
zu gedenken und
die Ruhe des Ortes zu genießen.
34 KULTUR JOKER gesundheit
Bunt statt Blau
Komasaufen und Kunst, wie passt das zusammen?
Fahrradmission im Jubiläumsjahr
Freiburger*innen können Preise erradeln
Die Zahlen von Kindern und
Jugendlichen die mit einer Alkoholvergiftung
ins Krankenhaus
eingeliefert werden steigen
unter den 10-15 Jährigen.
Um diesen Umstand entgegenzuwirken,
startet die DAK-
Gesundheit zum zwölften Mal
die Kampagne „bunt statt blau“.
Unter diesem Motto sucht die
DAK Plakate, welche gegen
das Rauschtrinken werben.
Im Rahmen des Wettbewerbs
werden Schüler*innen dazu
aufgerufen sich künstlerisch zu
beteiligen. Ob Fotografie, Collage,
Malen per Hand oder am
Computer, der Kreativität sind
keine Grenzen gesetzt. Auch
Schulen sind eingeladen diese
Aktion mit ihren Schüler*innen
durchzuführen und in diesem
Zuge für das Thema Alkoholmissbrauch
zu sensibilisieren.
Dabei liegt der Fokus auf einer
Aufklärung auf Augenhöhe.
Teilnehmen an der Kampagne
können Einzelne, Gruppen oder
auch Schulklassen. Für Bundesund
Landessieger*innen sind
jeweils drei Preise und ein
Sonderpreis ausgeschrieben.
Die Aktion wird auch auf Instagram
ausgetragen. Wer das
eigene Plakat auf der Platform
hochlädt hat die Chance den
Instagram-Sonderpreis von 300
Euro zu gewinnen. Die Arbeiten
der Gewinner*innen 2020
sind auf der Webseite zu finden.
Einsendeschluss ist der 30.
April 2021. Weitere Informationen
zur Kampagne und dem
Wettbewerb sind unter www.
dak.de/buntstattblau zu finden.
Zum Stadtjubiläum – 900
Jahre Freiburg – soll die Fahrradstadt
gefeiert werden. Mit
der Aktion „Freiburg radelt
mit der Barmer“, will die
Krankenkasse das Fahrrad
fahren weiter ankurbeln. In
einem Zeitraum von knapp
zwei Monaten gibt es gleich
drei verschiedene Missionen
zu erfüllen: Einmal werden
alle zurückgelegten Kilometer
der Teilnehmenden zusammengetragen
mit dem Ziel
99.999 Kilometer zu erreichen.
Ist dies geschafft, wird ein
Stadtjubiläumsbaum mit der
Baumschule Vonderstraß und
der Stadt Freiburg gepflanzt.
Die zweite Aktion besteht aus
dem Freiburger Unternehmens-Battle:
Kolleg*innen
können zusammen einen Kilometerstand
erradeln. Dafür
gibt es Preisgelder von 1.500,
1.000 oder 500 Euro für die
entsprechenden Plätze zu gewinnen.
In der dritten Mission
sind Einzelteilnehmende gefragt.
Auch sie können durch
die Kilometeranzahl überzeugen.
Die zu gewinnenden
Preise bestehen aus einem
Birdy City Faltrad im Wert
von 2.600 Euro, einem iPhone
11 im Wert von 1.000 Euro
oder zwei Tageskarten für den
Europa-Park Rust im Wert von
110 Euro. Gesponsert werden
diese Preise neben der BAR-
MER von der JobRad GmbH
und der HUK-COBURG.
Um das Kilometerrennen
möglich zu machen, wurde die
kostenfreie App „Radbonus“
entwickelt. Sie registriert ähnlich
wie ein Schrittzähler die
Kilometeranzahl ohne dabei
Bewegungsprofile anzulegen.
Datensicherheit und Anonymität
werden garantiert. Die
Aktion startet am 19. April
und läuft bis zum 13. Juni. Interessierte
können sich unter
www.radbonus.com/barmerfreiburg
kostenfrei anmelden
und für die Teilnahme die App
herunterladen. Dann heißt es
nur noch sich die Beine warm
zu strampeln.
Bundessiegerin
2020 Janin
Ahlemeyer
Foto: DAK-GEsundheit/
Wigger
Jeder Kilometer zählt - Fahrrad fahren für den guten Zweck
Foto: Promo
Konsequent und liebevoll
Die Hundeschule Face2Face
Kirsten Prignitz und ihre Hunde
Foto: Promo
„Das Wichtigste ist mir die
Bindung und Beziehung von
Hund und Mensch“, sagt Kirsten
Prignitz. Sie ist das Gesicht
zu der 2020 eröffneten
Hundeschule Face2Face in
Freiburg und Umgebung. Klar,
eindeutig und einfach sind die
Kommandos, die sie ihren
Hunden gibt, freundlich und
konsequent ihr Umgang mit
ihnen. Liebevoll ihre Beziehung.
Und genau das möchte
sie auch an ihre Kund*innen
weitergeben. Ihre Stärke ist
es, Mensch und Hund an den
Punkten abzuholen, an denen
sie gerade stehen und individuell
auf ihre Wünsche, Nöte
und Bedürfnisse einzugehen.
Jeder Mensch, jeder Hund
und jede Konstellation sind
da anders. Auch die Beratung
der richtigen Ausstattung und
Ernährung gehören bei ihr
dazu, denn wenn ein Geschirr
irgendwo zwickt oder zu eng
ist hat es auch Einfluss auf das
Lernverhalten des Hundes.
Umsetzen tut sie das vor
allem in Einzeltrainings, die
sie auch als Trainingspakete
anbietet. Daraus ergeben sich
Begegnungen im alltäglichen
Kontext sowie in der häuslichen
Umgebung und können
daran angepasst werden. Ihre
Kund*innen bekommen neben
grundlegenden Hinweisen zu
möglichen Haus- und Ruheregeln
und Trainingsvorschlägen
auch individuelle Tipps
im Umgang mit ihrem Vierbeiner.
Selbst bei schwierigen
Situationen wird nochmal hingeschaut
und eine individuelle
Lösung gefunden. Diese Trainings
mit nur einem Mensch-
Hund-Team beugen außerdem
Überforderungen und bereiten
optimal auf größere Herausforderungen
vor.
Erproben können dann
Mensch und Hund ihre neu erworbenen
Erkenntnisse unter
anderem bei den SocialWalks
mit anderen Mensch-Hunde-
Teams – maximal vier pro
walk oder sie machen bei der
Themen-Tour ´Schnüffeldetektive`
mit. Benötigt jemand
mal wieder eine Auffrischung,
können auch eine Verhaltensoder
eine Telefonberatung in
Anspruch genommen werden.
Das komplette Angebot von
Face2Face kann auf www.
hundeschule-face2face.de eingesehen
werden, außerdem
gibt es schöne Fotos und informative
Kommentare. Auch
bei Google Bewertungen kann
man sich einen Eindruck über
ihre Arbeit machen.
Glücklicherweise funktioniert
das alles auch in den
Corona-Zeiten, da fast alle
Aktivitäten draußen stattfinden
– sommers, wie winters
– und als schöner Nebeneffekt
werden auch viele neue Wege
des Hochschwarzwaldes und
Dreisamtals kennengelernt.
Dagny Borsdorf
gesundheit KULTUR JOKER 35
Steigerung der Patientensicherheit
„Patient Blood Management“ im Ev. Diakoniekrankenhaus
Blut ist ein sehr wertvolles
Organ und transportiert auch
den lebensnotwendigen Sauerstoff
durch unsere Gefäße. Als
medizinisches Konzept zur
Stärkung der körpereigenen
Blutreserven trägt „Patient
Blood Management“ wesentlich
zu Steigerung der Patientensicherheit
bei und wird
deshalb bereits seit 2011 von
der Weltgesundheitsorganisation
für den medizinischen
Alltag eingefordert. Das vom
deutschen Netzwerk Patient
Blood Management 2019/2020
mit dem Silber-Zertifikat und
2020/2021 mit dem Gold-
Zertifikat ausgezeichnete Ev.
Diakoniekrankenhaus Freiburg
konnte innerhalb weniger
Jahre die Anzahl der pro Jahr
verwendeten Blutkonserven
auf heute 600 halbieren.
Blutspender schenken ihr
Blut anderen und leisten damit
einen wertvollen Beitrag
zur Rettung schwerverletzter
Unfallopfer sowie zur Durchführung
großer Operationen.
Aber nirgendwo auf der Welt
werden so viele Transfusionen
durchgeführt wie in Deutschland.
Dabei birgt ein zu liberaler
Umgang mit Blut auch
Risiken: Bereits die Gabe von
einer einzigen Blutkonserve
erhöht das Sterblichkeitsrisiko
des Patienten um das
Sechsfache. Das Risiko für
Prof. Dr. med.
Christoph Wiesenack
© Ev. Diakoniekrankenhaus
Patient Blood Management
Wundinfektion verdoppelt
sich und das für Lungenkomplikationen
verfünffacht sich.
Je mehr Blut gegeben wird,
umso höher ist die Komplikationsrate.
„Blut sollte daher
wie jedes Medikament
nur bei klarer Indikation und
im Bewusstsein der durchaus
relevanten Nebenwirkungen
genutzt werden, da im Grunde
jede Bluttransfusion eine
kleine Organtransplantation
darstellt“, betont Prof. Dr.
Christoph Wiesenack, Ärztlicher
Direktor des Ev. Diakoniekrankenhauses
und Chefarzt
der Anästhesiologischen
Klinik. Statt die Blutarmut
(Anämie) großzügig mit den
ohnehin oft knappen Blutkonserven
zu behandeln setzt das
Ev. Diakoniekrankenhaus auf
ein modernes „Patient Blood
Management“ (PBM), einem
multidisziplinären, evidenzbasierten
Behandlungskonzept
zur Reduktion nicht indizierter
Bluttransfusionen. Im Vordergrund
steht die bei 30 bis 35
Prozent aller Patienten erforderliche
Behandlung der meist
durch Eisenmangel geprägten
Anämie vor dem operativen
Eingriff, die Minimierung
des Blutverlustes während der
Operation sowie die Optimierung
der Anämiebehandlung/-
toleranz nach der Operation.
Bundesweit wird die Initiative
aktuell von rund 200 Kliniken
unterstützt. Im Rahmen
der von 28 Kliniken durchgeführten
Zertifizierung erreichten
vier Kliniken das Level
Bronze, 14 Kliniken das Level
Silber und zehn Kliniken das
© Ev. Diakoniekrankenhaus
Level Gold. Vorausgegangen
ist ein Audit, das Quantität
und Qualität der umgesetzten
Maßnahmen berücksichtigt.
Dabei werden auch typische
Komplikationen während des
Krankenhausaufenthaltes
(Sterblichkeit, Myokardinfarkt,
Schlaganfall, akutes
Nierenversagen, Sepsis, Pneumonie),
Länge des Krankenhausaufenthaltes
sowie präund
postoperative Hämoglobinwerte
ausgewertet.
Weitere Infos: www.patientbloodmanagement.de
Qualitätsmerkmal Krankenhaushygiene
Evangelisches Diakoniekrankenhaus erneut ausgezeichnet
Das Evangelische Diakoniekrankenhaus
erhielt im Rahmen
der nationalen Kampagne
„AKTION Saubere Hände“
zum vierten Mal in Folge die
höchstmögliche Auszeichnung.
Das für zwei Jahre gültige
Gold-Zertifikat bescheinigt
dem Haus bereits seit 2015 ohne
Unterbrechung die erfolgreiche
Umsetzung von umfangreichen
Maßnahmen und sehr
hohe Qualitätsstandards, mit
denen die Gefahr der Weiterverbreitung
von Keimen unterbrochen
wird. Aktuell führen
nur elf der 88 (von 213) teilnehmenden
Krankenhäuser in
ganz Baden-Württemberg die
Auszeichnung „GOLD“.
Die Corona-Pandemie hat
der Gesellschaft deutlich vor
Augen geführt, wie es jeder im
Wortsinne „in der Hand hat“,
das Risiko der Übertragung
von Krankheitserregern zu
beeinflussen. Die Hände sind
die bedeutendsten Überträger
von Krankheitserregern, da
sie beim Kontakt mit den Patienten
und ihrer Umgebung
kontaminiert werden können.
Für Menschen mit Immunschwäche
oder chronischen Erkrankungen
stellen Keime eine
Gefahr dar. Der Auszeichnung
für das Ev. Diakoniekrankenhaus
voraus ging die Erfassung
und Bewertung eines Bündels
von Maßnahmen wie beispielweise
die Verteilung von Desinfektionsmittelspendern
und
der Verbrauch an Desinfektionsmitteln.
Zudem wurde das
Personal direkt bei der Arbeit
beim Patienten begleitet und
geprüft, ob es sich zum richtigen
Zeitpunkt die Hände
Händehygiene im Diakoniekrankenhaus © Ev. Diakoniekrankenhaus
Gesundheitscampus am Diakoniekrankenhaus
desinfiziert. Alle Mitarbeiter
mit Patientenkontakt werden
regelmäßig in Händehygiene
geschult. Für Patienten und Besucher
steht ein Flyer mit Hygieneinformationen
einschließlich
Händedesinfektionsmittel
zur Verfügung. Durchgeführte
Aktionstage zur Händehygiene
wecken gezielt die Aufmerksamkeit
des Personals
oder auch der Besucher und
Patienten des Krankenhauses.
„Patientensicherheit ist Teamarbeit
und gerade beim Thema
Hygiene kommt es darauf an,
dass sich alle Mitarbeiter engagieren
und das eigene Hygieneverhalten
verbessern. Umso
mehr freuen wir uns, dass dieses
Engagement erneut mit dem
GOLD-Zertifikat gewürdigt
wurde“, betont Michael Decker,
Vorstandsvorsitzender des Ev.
Diakoniekrankenhauses, das
dem krankenhaushygienischen
Management eine zentrale Rolle
in der Qualitätssicherung
einräumt.
Vor dem Hintergrund, dass
die hygienische Händedesinfektion
als wichtigste Einzelmaßnahme
zur Vermeidung
von im Krankenhaus erworbenen
Infektionen gilt, hat die
Weltgesundheitsorganisation
© Ev. Diakoniekrankenhaus
die „AKTION Saubere Hände“
ins Leben gerufen. Die
vom Bundesministerium für
Gesundheit begleitete nationale
Kampagne hat sich zum
Ziel gesetzt die Compliance
der Händedesinfektion in
deutschen Gesundheitseinrichtungen
zu verbessern.
Weitere Infos: www.aktionsauberehaende.de.
36 KULTUR JOKER MUSIK
Zukunftsmusik
Dominik Faitsch macht Musik, die in keine Schublade passt. Gut so. Danny Schmidt hat sich mit ihm über die
Liebe zu Protestsongs, hinfällige Genregrenzen und Inspiration im Lockdown unterhalten
Kultur Joker: Hi Dominik.
Schön, dass du heute hier bist.
Sag mal, was inspiriert dich?
Dominik Faitsch: Wahnsinnig
viel. Ich glaube, es richtet
sich immer ein bisschen nach der
Phase, in der ich gerade bin. Leider
wäre die häufigere Antwort
aber wohl: Dinge, die mich auf
eine negative Art beschäftigen.
Ich glaube, ich komme da aus
diesem klassischen Singer Songwriter-Background,
in dem man
eben gerne über Sachen schreibt,
die provozieren – oft auch mit
einem politischem Hintergrund.
Und gerade wenn über politische
Themen schreibt, dann ist es ja
fast schon offensichtlich, dass
Die Freiburger Kreuzgangkonzerte
laden auch während
der schweren Pandemie dazu
ein, besinnliche Momente der
Musik zu erleben. Am 24. April,
20 Uhr findet ein Liederabend
unter dem Motto „...but I like
to sing“ in der Kirche St. Martin
am Rathausplatz in Freiburg
statt. Aus Sicherheitsgründen
findet der Abend außer Tradition
Dominik Faitsch
Lesung mit Musik
Blaues Haus zu Breisach
Am 11.April, 18 Uhr, ist
geplant im Blauen Haus
zu Breisach die Veranstaltungsreihe
„Verfolgung-
Widerstand-Exil“ nach coronabedingter,
längerer Pause
fortzusetzen. Monja Sobottka
wird aus Hellmut Sterns Buch
„Saitensprünge“ lesen, dazu
gibt es historische Aufnahmen
mit dem Israel Philharmonic
Orchestra unter den Dirigenten
Paul Klecki, Leonard
Bernstein und Zubin Mehta.
Hellmut Stern, 1928 in Berlin
geboren, musste in den vierziger
Jahren mit seinen Eltern Berlin
verlassen und unternahm ungewollt
eine Odyssee, die ihn elf
Jahre lang von Land zu Land verschlug,
bis er, via China, schließlich
Israel erreichte. In den sechziger
Jahren führte es ihn in
seine Geburtsstadt zurück und
er fand Aufnahme in der Geigengruppe
der Berliner Philharmoniker.
Sein Erinnerungsbuch
legt die historischen, politischen
und kulturellen Triebkräfte offen,
die seine Lebensspanne prägten.
Eintritt frei, Anm.: an mail@
Bronislaw-Huberman-Forum.de
Amerikanische Lieder
Britta Stallmeister und Klaus Simon
in der geräumigen Kirche und
nicht im Kreuzgang statt.
Im Mittelpunkt steht das
„ABC of American Art Song“.
Britta Stallmeister singt Lieder
von US-amerikanischen Komponisten
wie D. Argento, L.
Bernstein (u.a. „I Hate Music“)
und A. Copland („Old American
Songs“). Begleitet wird sie am
Klavier von Klaus Simon.
Elektronisches Experiment
Stockhausens „Kontakte“
Das ensemble profectio freiburg
/ Duo Nakamura-Pons spielt
Karlheinz-Stockhausens musikalischen
Meilenstein „Kontakte“ in
der Aufstellung Klavier, Schlagzeug
und Elektronik/Klangregie.
Es war das erste Stück Stockhausens,
in dem er Elektronik auf
traditionelle Instrumente stoßen
ließ. Ein klassisches Werk, das
jedoch nur selten zur Aufführung
gelangt. Schlagzeugaufbau
und Aufbau der Elektronik sind
kompliziert, ebenso die Partitur
des Stücks. Als Highlight gelten
die Rotationsbewegungen der
Elektronik. Aufführung soll am
17. April, 20 Uhr im E-Werk sein.
Ein Einführungsvortrag erfolgt
zuvor um 19 Uhr. Offene Probe
ist am 16. April, 17 Uhr.
man eher auf die Dinge eingeht,
die man scheiße findet! (lacht)
Ich glaube, das kommt bei mir
aus dieser alten Liebe für Protestsongs.
Da ist was, das stört mich,
damit will ich mich beschäftigen.
Und am Ende kommt vielleicht
ein Song bei raus.
Kultur Joker: „Mariuhana
oder Trends aus Südostasien –
Hauptsache nicht mit mir allein“,
heißt‘s in deiner neuen Single
Zigaretten. Wie hast du die vergangen
Monate im Lockdown
erlebt?
Dominik Faitsch: Ich fand‘s
überraschend produktiv. Wenn
der Moment erreicht war und
ich mich mit der Enttäuschung
darüber abgefunden habe, das
ich gerade keine Konzerte spielen
darf und es jetzt eher die Zeit
für Songwriting, Producing etc.
ist, habe ich es mir in meinem
Heimstudio bequem gemacht
und dabei sind wahnsinnig viele
Songs fertig geworden, die es
sonst vielleicht nicht geworden
wären. Trotzdem gab‘s aber genauso
die Momente, in denen ich
mir gedacht hab: Boah, ich geh
ein. Alles in allem war ich dann
aber doch überrascht, wie gut ich
mit meinem kreativen Workflow
klar kam.
Kultur Joker: Gerade für aufstrebende
Künstler*innen sind
Streamingdienste zweifellos
wichtige Plattformen, ihre Musik
zu verbreiten und Aufmerksamkeit
zu erzeugen – insbesondere,
wie wenn jetzt schon seit einem
Jahr Konzerte und Touren ausfallen.
Dabei stehen Spotify,
Apple Music und co. aber oft in
der Kritik, insbesondere für ihren
Umgang mit weniger reichweitestarken
Künstler*innen, da
finanziell gesehen nur die ganz
Großen von den Diensten profitieren.
Wie siehst du das?
Dominik Faitsch: Ich glaube,
am Ende des Tages überwiegen
die Vorteile des Streamings, da
es nunmal gerade das Maß der
Foto: Dominik Faitsch
Dinge ist. Gerade als Newcomer
ist es ja ein wichtiges Statement,
dass man auf Spotify ist, weil es
für viele Hörer*Innen ein Gütesiegel
darstellt – auch wenn ich es
natürlich begrüßen würde, wenn
es nicht so wäre.
Momentan versuche ich mich
eher mit dem Publicity-Gewinn,
als mit dem finanziellen Erfolg
zu trösten. Denn die 10.000
Streams auf Spotify reichen vielleicht
mal für einen Teller Pasta
beim Italiener, bedeuten aber
vor allem, das ich gehört und gefunden
werde. Dementsprechend
bringt es natürlich viel für junge
Künstler*innen ihre Musik bei
Streamingdiensten anzubieten,
auf der anderen Seite ist aber einfach
nicht fair, was die finanzielle
Seite angeht.
Kultur Joker: Den klassischen
Singer-Songwriter-Typus möchtest
du bewusst nicht bedienen,
deine Musik soll sich über solche
Genregrenzen hinwegsetzen und
das hört man auch. Dennoch
wird man mit deutschsprachigem
Gesang ja schnell in gewisse
Schublade gepackt. Fällt es dir
leicht, trotzdem auf Deutsch zu
singen?
Dominik Faitsch: Teilweise
sogar leichter. Die Agenda überlegt
man sich ja zumeist Nachhinein
– es beginnt damit, dass ich
etwas mache, das wird mir langweilig
und dann überlege ich mir
etwas Neues. So kam es irgendwie
dazu, dass ich auf den Gedanken
gekommen bin, andere
Genres mit einfließen zu lassen,
Genres. die ich als Hörer schon
selbst immer vergöttert habe. Ob
das Funk, HipHop oder Soul oder
ganz buntes Zeug wie die Red
Hot Chili Peppers ist, bei denen
man nie sagen konnte, was die
eigentlich genau machen. Oder
wenn man sich heutige Popmusik
anschaut, etwa Billie Eilish oder
Ariana Grande, da weiß niemand
mehr so richtig, ist das noch Pop
oder was auch immer – und das
find ich geil! Natürlich muste ich
mir dann aber auch überlegen
wo textlich hingeht, denn was
ich jetzt mache ist ja längst nicht
mehr dieses reine Polit-Singer-
Songwriter-Ding.
Kultur Joker: Das klingt befreiend.
Dominik Faitsch: Genau!
Das war tatsächlich befreiend
und dann dachte ich mir so: Ja,
dann singt man das Zeug halt
auf Deutsch. Und das macht
auch ganz andere Themen auf.
Ich habe jetzt angefangen über
Sachen zu schreiben, die ich davor
nicht gemacht hätte. Zum
Beispiel Zigaretten: Ich glaube,
das ist einer meiner ehrlichsten
Songs und der lebt von einer Art
HipHop-Beat. Diese Mischung,
das zensiert meine Texte nicht,
sondern macht eher neue Bahnen
auf und das ist total erfrischend.
Kultur Joker: Und was bringt
die Zukunft?
Dominik Faitsch: Erstmal
wird die Single-Welle weiter
geritten! (lacht) Es kam ja jetzt
erst die zweite und es sind noch
ein paar in der Warteschlange.
Ich bleibe erstmal bei diesem
Zweimonatsrhythmus, kann mir
aber gut vorstellen, dass dann im
Sommer eine EP mit fünf, sechs
Songs kommt, also mit den Singles
die bis dahin da sind und
ein paar neuen Songs. Vielleicht
mache ich in diesem Rhythmus
weiter und nach dem Winter
kommt die zweite EP und nächstes
Jahr vielleicht ein Album,
aber ich glaube das ist gar nicht
so wichtig. Jetzt hat erstmal Priorität,
dass die Songs rausgehen,
dass ich zeigen kann, hier kommt
neues und vor allem vielseitiges
Material. Bisher klingt ja auch
jedes Lied irgendwie anders und
vielleicht sagt irgendwann mal
jemand: Wenn du die jetzt alle
auf ein Album packst, das kann
sich doch keiner von vorne bis
hinten anhören! Aber dann sag
ich: Musst du ja nicht – ich hab
einfach Bock auf diesen Stilcocktail
und den will ich zelebrieren.
Aber das wichtigste für
die Zukunft ist natürlich: sobald
wieder gespielt werden darf, wird
gespielt. Das ist das größte Versprechen,
was ich gerade machen
kann, glaube ich.
Kultur Joker: Danke für das
Gespräch!
Die aktuelle Single Zigaretten
von Dominik Faitsch erschien am
05.03.2021 auf allen bekannten
Streamingdiensten.
Weitere Infos:
www.dominikfaitsch.com
www.faitschmusik.bandcamp.
com
www.instagram.com/faitschmusik
Musik KULTUR JOKER 37
Voice Event. Der Freiburger Jugendchor
Möglichkeiten und Chancen in Zeiten der Pandemie nutzen
Alle Chöre können davon „ein
Lied singen“: Der erste Lockdown
traf uns wie vom Schlag:
Der Chor war in keiner Weise
organisatorisch oder technisch
darauf vorbereitet. Ein Jugendchor
ohne Proben fällt auseinander.
Deshalb musste es mit
regelmäßigen Treffen irgendwie
weitergehen.
Der Chor startete nahtlos mit
Proben über Zoom. Diese Onlineproben
stellen jede Musikgruppe
vor das Problem, dass
ein gemeinsames und gleichzeitiges
Musizieren durch die
Zeitverzögerungen zwischen
den Teilnehmenden nicht möglich
ist. Somit stellten sich alle
Sänger*innen auf stumm und
hörten nur auf den Chorleiter.
Das gemeinsame Singen und
sich gegenseitig besser hören
können fiel komplett weg. Glück
im Unglück: dank eines anstehenden
Generationenwechsels
gibt es zur Zeit zwei Chorleiter,
den Chorgründer Christian
Geugelin und seinen Nachfolger
Sebastian Oberlin. Die Chorleiter
probten parallel in verschiedenen
Onlinegruppen. Anschließend
teilten sie den Chor
in zahlreiche Einzelstimmgruppen
ein, die fortgeschrittene
Sänger*innen leiteten.
Schon bald kam der Gedanke
auf, die Stärke der
Sänger*innen, ihre guten und
sicheren Stimmen, mit dem
„Allein-Singen-müssen“ zu
kombinieren – es entstanden in
zwei Monaten gleich vier virtuelle
Chorvideos. Die Videos
wurden mit der Onlineplattform
der Stadt verlinkt, unter „#freiburghältzusammen“,
ebenfalls
auf der Homepage und YouTube
abrufbar.
Ab Juni 2020 probte der Chor
dann auf dem Schulhof im Freien.
Die große Frage war nun,
wie mangels Auftrittsmöglichkeiten
Nachwuchssänger*innen
zum neuen Schuljahr gefunden
werden konnten. Dank einer
Werbekampagne stießen einige
Zöglinge hinzu. Der Chor mietete
einen Saal an, um Corona
konform die Proben weiterführen
zu können.
Erneut Online-Proben!
Der Nachwuchs sollte trotz Online-Proben
wie gewohnt ausgebildet,
zudem ein Konzertprogramm
vorbereitet werden. Die
Chorleiter stiegen von Zoom auf
Proben mit Jamulus um. Um
dies erfolgreich umzusetzen,
mussten alle Teilnehmer*innen
mit einem technischen Mindeststandard
ausgestattet werden,
mit LAN-Kabel und USB-Mikrofon.
Mit Jamulus kann der
Chor tatsächlich musizieren: die
Sänger hören sich gleichzeitig
und der Klang ist besser.
Ein kürzlich für Voice Event
geschriebenes Arrangement soll
als Videoclip gedreht werden.
Die Planungen hierfür sind in
vollem Gange. Der Chor arbeitet
auch auf sein großes Jahreskonzert
am 24. Oktober 2021
hin und hat weitere Events in
petto.
Raumklang zusammengedacht
Das Sinfonieorchester Basel in der Fondation Beyeler
Eine Kollaboration zweier
Größen des Basler Kulturlebens
ereignete sich im März. Das
Sinfonieorchester Basel und
die Fondation Beyeler kamen
für eine besondere Online-Veranstaltung
zusammen. In der
aktuellen Ausstellung „Rodin/
Arp“ spielten Mitglieder*innen
des Sinfonieorchesters Werke
von Bach, Bridge, Britten und
Saint-Saëns. Das Konzertvideo
von 30 Minuten Länge ist online
abrufbar und Teil des neuen
digitalen Formats „Sound of
Sculpture“, das sich den wechselseitigen
Beziehungen von
Raum, Skulptur und Musik
widmet. Hier treffen Museum
und Orchester aufeinander.
Passend dazu wird auch im
Video zum Konzert verschiedenen
Zugängen Raum gegeben.
Im Anschluss an die Musikstücke,
die den virtuellen
Gang durch die Museumsräume
begleiten, folgt ein Gespräch
zwischen dem Kurator der „Rodin/Arp“-Ausstellung,
Raphaël
Bouvier, und dem Künstlerischen
Direktor des Sinfonieorchesters
Basel, Hans-Georg
Hofmann. Hofmann sieht in der
Begegnung der Künste eine faszinierende
synästhetische Wirkung:
„Die Begegnung von Rodins
Der Kuss mit dem Lament
für zwei Bratschen von Frank
Bridge hat in einer Zeit, in der
man sich nur eingeschränkt
berühren kann, eine besondere
Spannung.“
Wer neugierig geworden ist
und selbst eine Begegnung mit
Rodins Werk wünscht, kann die
Ausstellung noch bis zum 16.
Mai besuchen. Hier trifft der
große Erneuerer der Bildhauerei
des späten 19. Jahrhunderts,
Auguste Rodin, auf den einflussreichen
Abstrakten des 20.
Jahrhunderts, Hans Arp. Eine
wuchtige Begegnung zweier
Experimentatoren, die ihre Zeit
enorm prägten.
Öffnungszeiten der Fondation
Beyeler täglich, 10–18 Uhr,
mittwochs bis 20 Uhr. Online-
Tickets mit Zeitslot sind unter
www.fondationbeyeler.ch/tickets
erhältlich.
Das Video zu den „Sound
Sculptures“ ist online abrufbar:
www.fondationbeyeler.ch/
digitale-kunsterlebnisse
Auch wenn die wöchentliche
Chorprobe natürlich schöner
wäre Voice Event hat es geschafft
sich den Gegebenheiten
bestmöglich anzupassen. Mit
einem riesigen Engagement
und viel positiver Einstellung
der Sänger*innen und der Chorleiter
ist diese schwierige Zeit
gemeistert worden. Alle hoffen
natürlich auf ein baldiges Wiedersehen
und – hören!
Der Freiburger A-Capella-Jugendchor Voice Event mit Fokus
auf Pop und Jazz-Arrangements wurde 1998 gegründet. Die
Mitglieder sind Schüler*innen aus Freiburg und Umgebung
ab 13 Jahren. Sie werden sängerisch und chorisch ausgebildet.
Der Chor wurde schon nach wenigen Jahren deutschlandweit
bekannt durch Erfolge in Wettbewerben und zahlreiche
Konzertreisen. Berühmte Chorcoaches wie Eric Sohn
(Wise Guys), Roger Treece (Partner von Bobby McFerrin)
und der Real Group haben mit Voice Event gearbeitet.
www.voiceevent.de
Musik zum Gottesdienst
Das Bezirkskantorat Emmendingen
Das Bezirkskantorat Emmendingen
wartet mit zwei
Veranstaltungen klassischer
Musik auf. Am 25. April, 17
Uhr wird in der Evangelischen
Stadtkirche Emmendingen
gottesdienstliche Abendmusik
zu hören sein. Margret Görner
spielt Flötenmusik von Barock
bis Modern. Begleitet wird sie
von Bezirkskantor Jörn Bartels
an der Orgel.
Am 2. April, 17 Uhr, Karfreitag,
wird in der Stadtkirche
die Violinsonate a-moll (solo)
von Johann Sebastian Bach zu
hören sein. Das trauerschwere
und doch filigran gefasste
Stück schafft nicht zuletzt
einen hoffnungsstarken Ausblick.
Neben der Musik erfolgt
ein Gottesdienst. Das Stück
wird im Rahmen der „Musica
Crucis“ aufgeführt. Es spielt
Ines Then-Bergh in Begleitung
von Jörn Bartels.
Ines Then-Bergh
Foto: Morten Kjaer
Foto: promo
Nora Kamm ist Saxophonistin
mit afrikanischen Einflüssen.
Zuvor kam sie jedoch
auch mit verschiedenen anderen
Musikkulturen in Kontakt,
spielte etwa in einem deutschbrasilianisch-französischen
Trio. Mit ihrer neuen Band
TRIBA hat sie im Januar ein
neues Album aufgenommen,
das sich der afrikanischen Musik
nähert. Ein Fokus liegt dabei
auf perkussiven Elementen.
Saxophonic Worldviews
Nora Kamm im E-Werk
Ihr Sound bleibt
darüber hinaus
so eingängig wie
groovig. Für das
Format „Klangformator“
wird
Nora Kamm am
14. April, 20 Uhr
ins E-Werk Freiburg
kommen,
wenn die Corona-Maßnahmen
dies erlauben.
Foto: Renaud Alouche
38 KULTUR JOKER veranstaltungen
Politanalyse im Livestream Freiburg
Antisemitismus hat weltweit
Aufwind erhalten. Nicht zuletzt
ein Erbe der Trump-Ära. Der
jüdisch-amerikanische Milliadär
George Soros gilt dabei oft
als Zielscheibe antisemitischer
Hetze. Emily Tamkin, die bereits
über den Geschäftsmann
geschrieben hat, kommt mit ihrem
(auf Englisch gehaltenen)
Vortrag „The Influence of Soros
& Future Of Jewish America“
am 20. April, 19 Uhr ins Carl-
Schurz-Haus. Am 27. April,
19.15 Uhr hält Prof. Dr. Heinz
Bude dort den Vortrag „Wut,
Schmerzhafte Einblicke
Freiburg
Cie LaPerformance stellen
ein umfassendes Thema in
den Vordergrund ihrer neuen
Performance „Zerbrechlichkeit
und andere Geschichten“.
Der zweite Teil der Trilogie
„Obeying Life“ führt den Fokus
von den übergeordneten
Strukturen der Gesellschaft
zum einzelnen Menschen
und seiner Sehnsucht nach
zwischenmenschlicher Resonanz.
Auf der Bühne zu sehen
sind verschiedene Kammern,
die Einblick in unterschiedliche
Bereiche des Lebens ermöglichen.
Erinnerungen an
Kindheit, Jugend und Alter
geben Momentaufnahmen oft
schmerzlicher Intimität. Premiere:
24. April, 19 Uhr im E-
Werk. Weitere Aufführungen:
25.04., 18 Uhr sowie 29.04.–
01.05., jew. 19 Uhr.
Tanz die Alternative Freiburg
„My Blue Is Your Green“ des
Performancekollektivs VAYA
Art of Human Movement
stellt die alles entscheidende
Frage nach der Perspektive.
Viele Konflikte entbrennen
doch gerade deshalb, weil eine
Partei glaubt, im Besitz einer
Wahrheit zu sein, die auch eine
andere für sich beansprucht.
VAYA stellen dem eine Alternative
entgegen: Was wenn
wir von der absoluten Erkenntnis
ließen und fehlbar werden?
Mit akrobatischen Elementen,
eigens komponierten Sounds,
Herausgeber:
Art Media Verlagsgesellschaft mbH
Auerstr. 2 • 79108 Freiburg
Redaktionsleitung (V.i.S.d.P.):
Christel Jockers
Redaktion:
Cornelia Frenkel
Peter Frömmig
Annette Hoffmann
Marion Klötzer
Erich Krieger
Nike Luber
Fabian Lutz
Georg Rudiger
Claus Weissbarth
Friederike Zimmermann
u.a.
Terminredaktion:
Elisabeth Jockers
Verzweiflung & Revolte: Über
die Macht von Stimmungen
in der Gesellschaft“. Gerade
die enormen Folgen populistischer
Hetze halten uns dazu
an, darüber nachzudenken, wie
Politik und Gesellschaft heute
zueinander stehen. Soziologe
Heinz Bude hat gesellschaftliche
Stimmungen analysiert
und wagt einen internationalen
Rundumblick. Beide Veranstaltungen
sind online über
die Website des Carl-Schurz-
Hauses abrufbar.
visuellen Effekten und Illusionen
gibt die Performance
einen Anblick, der gewohnte
Wahrnehmungsmuster zu
erschüttern weiß. Premiere:
29. April, 20 Uhr im E-Werk.
Weitere Termine:
30.04.–
02.05., jew.
20 Uhr.
Layout/Satz:
Art Media Verlag
Telefon: 0761 / 72072
E-mail: grafik@kulturjoker.de
redaktion@kulturjoker.de
Anzeigen/Telefon:
0761 / 72072
Druck:
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GmbH & Co. KG, Ludwigshafen
Foto:
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Das Copyright für vom Verlag gestaltete
Anzeigen und Artikel liegt beim Verlag.
Nachdruck, auch nur auszugsweise, nur mit
schriftlicher Genehmigung des Verlages.
Für unverlangt eingesandte Manuskripte,
Fotos, Vorlagen und für Programmhinweise
kann keine Garantie übernommen werden,
sie sind aber herzlich willkommen.
Freiburgs dunkle Kapitel
Das iz3w unterzieht die Freiburger Stadtgeschichte einer kritischen
Das Freiburger Stadtjubiläum
klingt zunächst nach großer
Festlichkeit. Doch das muss
und sollte es nicht in jedem Fall
sein. Mit der Veranstaltungsreihe
„War da was? Freiburger
Geschichte ungeschönt“ setzt
sich das Informationszentrum
3. Welt (iz3w) kritisch mit
Themen wie Rassismus, Kolonialismus
und der NS-Zeit
auseinander – Themen, die alle
mit der Geschichte Freiburgs
zusammenhängen.
Aufgrund der weiterhin
vorherrschenden
Pandemie-Lage sind die
meisten Formate digital
abrufbar. Die Veranstaltungen
konnten 2020
nicht stattfinden und
sind daher auf dieses
Jahr verlegt.
Los geht es am 19.
April, 20 Uhr mit einem
Vortrag zum Thema Erinnerungskultur.
Auch
in Freiburg ein hitzig
debattiertes Thema, wie
etwa die Diskussionen
um den Platz der Alten
Synagoge belegen. Vor
dem Hintergrund der
Planung eines NS-Dokumentationszentrums
Rebecca Mary Narum ist
Choreografin und Performerin
mit einer eigenen, kraftvollen
Perspektive. Ihr neues Tanzstück
„The Doll in Her Pocket“
nimmt sich die Stereotypen von
Weiblichkeit vor und
hinterfragt sie auf intensive
Weise.
Rebecca Mary Narum
ist nicht nur im Bereich
Tanz aktiv, sondern hat
auch einen Bachelor in
Kulturanthropologie
inne. Entsprechend wissend
führt ihre Choreografie
in unterschiedliche
Kulturen von Weiblichkeit.
Nicht selten erscheint
Weiblichkeit dabei
als vom männlichen
Blick bestimmt und so
sind es auch in „The Doll
in Her Pocket“ viele Klischees,
denen wir begegnen.
Doch Narum weiß,
wie man diese überspitzt
und damit zum Problem
macht, dem wir uns alle
annehmen müssen. Provokant
wird dies vor
allem dann, wenn wir
widmet sich iz3w-Redakteurin
Larissa Schober einer genauen
Betrachtung des Konzepts. Der
Vortrag wird voraussichtlich
online aus dem ArTik übertragen.
In Kooperation mit der Israelitischen
Gemeinde Freiburg
folgt am 6. Mai, 20 Uhr ein Vortrag
des Historikers Heinrich
Schwendemann zur jüdischen
Geschichte in Freiburg. Dabei
Schädel-Collage
Betrachtung
Foto: iz3w
nicht nur nach weiblichen Negativbildern,
sondern eben gerade
nach weiblicher Stärke fragen,
wie es auch Narum in ihrem
Stück tut. Brauchen wir dafür
Klischeebilder oder können wir
wird deutlich, dass Jüd*innen
in Freiburg nicht nur zur Zeit
des Nationalsozialismus Verfolgung
und Diskriminierung
erlitten. Von 1424 bis 1862 etwa
durften Jüd*innen in Freiburg
keinen Wohnsitz nehmen.
Weitere Veranstaltungen sind
bis zum 24. Juni je nach Pandemielage
online oder in physischer
Begegnung ge-plant.
Darunter eine stadtgeschichtliche
Erkundungstour zu
vergessenen Orten der
Stadt (11. Mai, 17 Uhr),
ein Vortrag zur deutschen
Rassenkunde an
der Freiburger Universität
(17. Mai, 20 Uhr) und
ein Vortrag zu Freiburger
Denkmälern und ihrer
Geschichte (24. Juni, 20
Uhr). Bei allen Veranstaltungen
wird immer wieder
und in aller Dringlichkeit
deutlich, wie weit die
Freiburger Geschichte bis
in unsere Freiburger Gegenwart
reicht und welche
Folgen das für unsere heutige
Gesellschaft hat. Zeit
also, über Freiburgs dunkle
Kapitel zu diskutieren!
Weitere Infos: www.iz3w.org
Tanz die Weiblichkeit
„The Doll in Her Pocket“ erkundet Weiblichkeit in all ihren Klischees
und Facetten
das Konzept auch offener und
umfassender denken?
Rebecca Mary Narum zeigt
in ihren Bewegungen und Darstellungen,
was heute möglich
ist, möglich sein kann und wo
die Schwierigkeiten
liegen. Inspiriert
von Geschichten wie
etwa „Frau Einstein“,
„Die Wolfsfrau“ oder
„The Bell Jar“ sowie
von Gesprächen
mit verschiedenen
Menschen und deren
Hintergründen öffnet
Narum einen Begegnungsraum,
der wagt,
fordert und nicht alles
zu beantworten sucht.
Am Ende steht Rebecca
Mary Narums
Gedanke: In uns allen
ist etwas Weibliches.
Onlinepremiere:
16. April, 20
Uhr, Live-Stream:
www.infreiburgzuhause.de
Foto: Jürgen Gocke
VERANSTALTUNGEN KULTUR JOKER 39
LABORMANIFEST#12 – PART ONE
Die freien Tanzszenen Freiburg, Basel und Straßbourg vernetzen sich im Dreiländereck
Treue Blutspender*innen trotz Pandemie
Die Blutspendezentrale am Universitätsklinikums Freiburg ist dankbar für die große Solidarität der Spender*innen
Wie überall herrschen auch
in der Blutspendezentrale des
Universitätsklinikums Freiburg
seit einem Jahr besondere
Umstände. Es bleibt eine Herausforderung
unter den aktuellen
Auflagen einen reibungslosen
Ablauf und möglichst
angenehmen Aufenthalt zu
ermöglichen. Und insbesondere
in Zeiten von Corona ist die
Blutspendezentrale auf treue,
aber auch neue Spender*innen
angewiesen. „Wir sind unseren
Spender*innen sehr dankbar,
dass sie uns auch unter erschwerten
Bedingungen unterstützen“,
sagt Dr. Markus
Umhau, Ärztlicher Leiter der
Blutspendezentrale am Universitätsklinikum
Freiburg.
Insgesamt sei die Stimmung
zuversichtlich und geprägt von
Solidarität. „In einer Umfrage
unter unseren Spender*innen
haben wir für das vergangene
Jahr ein überwältigend positives
Feedback erhalten.“
Blutspenden werden das ganze
Jahr über dringend benötigt,
beispielsweise nach schweren
Unfällen. In der Blutspendezentrale
des Universitätsklinikums
Freiburg gelten strenge
Hygiene- und Abstandsregelungen
sowie Einlasskontrollen,
damit sicher gespendet
werden kann. Nach einem
Spendeneinbruch zu Beginn
der Corona-Pandemie hatten
sich die Zahlen im Verlauf
des vergangenen Jahres stabilisiert.
„Trotz Corona konnten
wir 29.000 Vollblut-Spenden
zählen. Es ist toll, dass sich
die Spender*innen so schnell
auf die neuen Bedingungen
eingelassen und uns die Treue
gehalten haben“, so Umhau.
Jährlich sorgen etwa 16.000
Menschen aus Freiburg und der
Region dafür, dass rund 12.000
Patient*innen mit Krebserkrankungen
oder bei großen
Operationen sicher mit Blut
versorgt werden können.
Blutspenden sicher möglich
Blutspenden können am
Universitätsklinikum Freiburg
mit und ohne Termin erfolgen.
Bei jeder Blutspende werden
der Personalausweis und nach
Möglichkeit der Impfpass benötigt.
Spender*innen müssen
zwischen 18 und 72 Jahre alt
sein (Erstspender*innen bis
Die diskursive Plattform von
tanznetz|freiburg LABOR-
MANIFEST#12 initiiert die
Vernetzung zwischen den freien
professionellen Tanzszenen
Basel (CH), Straßbourg (F)
und Freiburg i. Breisgau (D).
Das Triangle Meeting sollte
im ROXY Birsfelden im März
in Basel 2021 stattfinden. Aufgrund
der pandemiebedingten
Theaterschließung haben sich
die Organisator*innen entschieden
das Treffen in zwei
Teile aufzuteilen.
PART ONE fand als Auftakt
des Triangle Meetings vom
25.03. – 28.03.2021 in Form
von vier moderierten Vorträgen
und Labs im digitalen
Raum statt. Übergreifendes
Ziel ist es, Berührungspunkte
zu schaffen, sich gegenseitig
besser kennenzulernen und
kreativen Treibstoff zu generieren.
Dies gibt dann die
Grundlage für PART TWO,
der dann vom 9. bis 12. September
2021 im ROXY Birsfelden
in Basel mit einem
umfangreicheren Programm
stattfinden soll.
Das Vernetzungstreffen der
Ausgabe #12 wird vom Tanzbüro
Basel in Koproduktion
mit Roxy Birsfelden und
tanznetz|freiburg und in Zusammenarbeit
mit Pole Sud,
CDCN Strasbourg durchgeführt.
Die Umsetzung und
inhaltliche Konzeption übernehmen
die Tänzerinnen und
Choreografinnen Johanna
Heusser (Basel), Zina Vaessen
(Freiburg/Basel) und Jasminka
Stenz (Basel/Freiburg).
Das Labormanifest ist seit
2015 eine wichtige Plattform
der freien Tanzszene in Freiburg
– ein Freiraum. Jede Ausgabe
eröffnet eine diskursive
und performative Plattform,
einen Raum für Reflexion, Vision
und Weiterentwicklung,
für Recherche und strukturelle
Fragen. Das Format lebt
von seinem kollektiven Geist.
Das Credo lautet: „Wir lernen
miteinander und voneinander“.
Die einzelnen Ausgaben
werden jeweils mit einem
spezifischen thematischen
Schwerpunkt von Tanzprofis
eigenständig organisiert. In
Ausgabe #11 war bereits die
Basler Tanzszene im Freiburger
SÜDUFER zu Gast. Eine
fruchtbare Woche in der sich
herausstellte, dass die Vernetzung
im Dreiländereck unglaublich
viel Potenzial für die
Tanzlandschaft birgt, welches
bislang ungenutzt blieb.
Die freie Tanzszene Freiburgs
erhält seit 2018 durch
die bundesweite Förderung
Tanzpakt Stadt-Land-Bund
Aufwind. Nachhaltige Strukturen
wurden entwickelt und
in diversen Qualifizierungsund
Produktionsangeboten
durchgeführt. Die Tanzstadt
Freiburg konnte seitdem
überregional ihre Wahrnehmung
wieder verstärken. Das
tanznetz|freiburg ist in Kooperation
mit dem Kulturamt
Freiburg und dem E-WERK
Freiburg Antragsteller und seit
2018 für die Umsetzung der
Formate zuständig. Damit die
Triebe der Aufbauarbeit der
letzten Jahre sich weiter im
Boden verankern können, um
nachhaltig Blüten zu tragen,
wird bereits am Fortschreibungsantrag
für die nächste
TANZPAKT Runde gearbeitet.
Weitere Infos unter:
Tanzbüro Basel
www.tanzbuero-basel.ch/
tanznetz-freiburg.de
www.tanznetz-freiburg.de/
labormanifest/
ROXY Basel
www.theater-roxy.ch/
Pole-Sud CDCN
www.pole-sud.fr/
64 Jahre). Männer können alle
8 Wochen, Frauen alle 12 Wochen
zur Blutspende kommen.
Ausführliche Informationen,
Terminspende und
Symbolische Vernetzung im Dreiländereck
Foto: Johanna Heusser
Kreativer Austausch der Tänzer*innen
Foto: Jennifer Rohrbacher, tanznetz|freiburg
Spender*innenfragebogen unter:
www.blutspende-uniklinik.de
Öffnungszeiten
Blutspendezentrale
Montag und Dienstag | 8 Uhr bis
15 Uhr, Mittwoch und Donnerstag
| 12 Uhr bis 19 Uhr
Freitag und Samstag | 8 Uhr bis
13 Uhr
Auch in schwierigen Zeiten bleibt das Team der Blutspendezentrale am Universitätsklinikum
Freiburg positiv
Foto: Universitätsklinikum Freiburg
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