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Impf-Patente:
Warum sie ins öffentliche
Eigentum gehören.
Seite 5
»Querdenker«:
Wie gefährlich sind sie?
Seite 10
Joe Biden:
Ein Schritt zur Seite
Seite 11
Pflegenotstand:
Interview mit Pfleger:innen
Seite 14
EDITORIAL
Widerstand gegen den Lockdown-Jojo!
Liebe Leser:innen,
Es ist nun ein halbes Jahr her, seitdem die letzte Ausgabe erschienen ist.
Die Hoffnungen, die viele auf das Jahr 2021 gesetzt haben, wurden bitter
enttäuscht. Auch wir würden uns gerne das leidige Thema Pandemie
sparen, aber darüber zu schweigen was falsch läuft und tatenlos zuzusehen
wie der Ausnahmezustand offenbar endlos weiter gezogen wird ist
keine Lösung und widerspricht unserer Aufgabe als soziale Opposition.
Vielmehr sehen wir Aufklärungsbedarf darüber, warum die Bundesregierung
keinen Aktionsplan gegen die Pandemie hat. Und wie so häufig stellen
wir fest: Es wird wieder einmal Politik im Sinne der Konzern-Chefs
& nicht im Sinne der allgemeinen Gesundheit gemacht. Das Motto der
Bundesregierung lautet noch immer: »Bleib zuhause, aber geh weiter zur
Arbeit!«
Als würde man sich in Großraumbüros oder unbelüfteten Fabrikhallen
nicht anstecken. Diese zermürbende Politik muss nicht sein, man muss
lediglich die erfolgreichsten Beispiele aus anderen Ländern auswerten
und vor Ort umsetzen. Australien hat es bereits erfolgreich vorgemacht
& siehe da: Der Alltag kann dort weitestgehend normal ablaufen. In Argentinien
wurde sogar um die Folgeprobleme der Krise abzufedern eine
Corona-Abgabe für Super-Reiche eingeführt.
Wir sehen aber keinen Umschwung in der Praxis der Bundesregierung,
hin zu best-practice Beispielen. Deswegen haben wir uns In Münster der
Kampagne #ZeroCovid angeschlossen und die Ortsgruppe mit ins Leben
gerufen. Wir brauchen Druck von der richtigen Seite, für die Gesundheit
der großen Mehrheit in diesem Land!
Infos zu der Kampagne findest du auf Seite 5. Den vollständigen Aufruf
findest du auf: www.zero-covid.org
Wir freuen uns über all jene, welche die Kampagne unterstützen wollen
& sich dem Kampf gegen die scheinbar endlose Krise anschließen
möchten.
Viel Spaß beim Lesen!
Eure LinksDruck!-Redaktion
Editorial
2 |
Wir werden dich
nicht vergessen!
In Gedenken an unseren
Genossen Gotwin Elges:
Vor kurzem erreichte uns die Nachricht, dass unser Mitstreiter
und Genosse Gotwin Elges im Alter von 57 Jahren verstorben
ist. Wir sind tief bestürzt über seinen unerwarteten Tod. Unser
herzliches Beileid gilt seinen Angehörigen und Hinterbliebenen.
Mit Gotwin verlieren wir einen langjährigen Mitstreiter für Frieden
und soziale Gerechtigkeit. Sein Engagement für die sozial
Benachteiligten in der Stadt zog sich dabei wie ein roter Faden
durch sein politisches Leben. Schon bevor Gotwin 2016 in DIE
LINKE eingetreten ist, war er in zahlreichen zivilgesellschaftlichen
Initiativen aktiv. Darunter in der Bürger:innenbewegung
»Münster solidarisch« gegen drohende städtische Kürzungen im
Sozialbereich. Oder mit seinem erfolgreichen Engagement in der
Bürgerinitiative gegen den Bau einer elitären Musikhalle auf dem
Schlossplatz.
Gotwin hatte auch einen wichtigen Anteil an der Erneuerung unserer
Partei. Wie bei jedem Generationenwechsel gab es Reibungen,
aber seine positive Begleitung der Weiterentwicklung unserer
Partei und die Einbringung seiner Organisationserfahrung
waren ein großer Gewinn für DIE LINKE in Münster.
Bei der vergangenen Kommunalwahl wurde Gotwin in die Bezirksvertretung
Süd-Ost gewählt und setzte sich dort für konkrete
Verbesserungen im Sinne der sozial Benachteiligten ein.
Gotwin blieb aber nie bei der Lokalpolitik stehen. Scharf kritisierte
er die Folgen der Agenda 2010 und die Einführung von
Hartz IV, unter denen er auch persönlich zu leiden hatte. Seine
widerständige und solidarische Haltung, zeigte sich hier nicht
nur in der Organisation von politischem Protest, er setzte sich
auch individuell für andere Betroffene des ALG2-Regimes ein
und stand ihnen zur Seite.
Gotwin war Internationalist. Wie er eben war, machte er seine
Einstellung aber nicht in abstrakten Theoriebeiträgen kenntlich,
sondern wurde ganz praktisch aktiv. Zum Beispiel in seinem Engagement
gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA, wo
Gotwin nicht nur „Europa“, sondern auch die Folgen für den Globalen
Süden im Blick hatte. Gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr
auf die Straße zu gehen, war für ihn genauso selbstverständlich
wie seine Beteiligung an Straßenprotesten gegen alte
und neue Nazis von denen er, wie er gerne zu später Stunde
erzählte, mindestens einen in Jugendjahren in den Aasee beförderte.
Gotwins politischer Einsatz war ein wichtiges Rückgrat von sozialer
Bewegung und Protest in Münster in den letzten Jahren. Mit
seinem Lautsprecher-Equipment war er für nahezu jede linken
Gruppe und Bewegung ein zuverlässiger Unterstützer.
Sein letztes großes Projekt war die Unterstützung der Fridays
for Future Bewegung, bei dem ihm nicht nur der Einsatz gegen
den Klimawandel wichtig war, sondern auch die Politisierung und
Selbstermächtigung der nächsten Generation, welcher er mit
seinen Erfahrungen zur Seite stehen wollte.
Gotwin stand auf der richtigen Seite der Geschichte.
Wir werden seine offene und herzliche Art sehr vermissen.
Ruhe in Frieden, Gotwin! Wir werden dich nicht vergessen!
Impressum
Herausgeber: Die Linke. Kreisverband Münster,
Achtermannstraße 19, 48163 Münster,
www.die-linke-münster.de
V.i.S.d.P. Katharina Geuking,
Redaktion: Johanna Wegmann / Jonas Freienhofer /
Kira Sawilla / Oliver Krieg /Patrizia Schinke
Layout & Coverdesign: Oliver Krieg
AUS DER REDAKTION
© Jo-Anne McArthur / unsplash
Corona - ein naturgegebenes Phänomen?
Die Weltbevölkerung lebt seit ihrer Existenz mit Pandemien, seien es
zum Beispiel Gelbfieber oder die Pocken. Man möchte also meinen, wir
hätten es als Menschheit mit einem naturgegebenen Phänomen zu tun,
dass nun mal eben alle paar Jahrhunderte auftritt. Tatsächlich hätten
die Regierungen der Länder die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten
eines Virus drastisch verringern können und auch die Folgen deutlich
abmildern können. Seit Jahrzehnten warnen Epidemiolog:innen davor,
dass durch Regenwald- und Naturzerstörung, globale unkontrollierte
Lieferketten und insbesondere die Massentierhaltung mit ihrer weltweit
vernetzten Produktion und Vermarktung, die Übertragung und Mutation
von Viren auf den Menschen immer wahrscheinlicher wird.
Insbesondere die Abholzung von Wald im globalen Süden führt dazu,
dass Erreger, die zuvor im Ökosystem (z.B. des Regenwaldes) eingeschlossen
waren, auf den Menschen oder auf Nutztiere überspringen
können und dort weiter mutieren. Die Verbreitung erfolgt durch den
vernetzten Welthandels und die Möglichkeit, auch den letzten Zipfel der
Erde innerhalb einiger Stunden zu erreichen, rasend. So kann es nur
wenige Wochen dauern, bis es ein Virus aus dem Kongo in die deutschen
Metropolen schafft.
Corona gehört, genauso wie SARS, Ebola, Aids u.v.a. zu den sogenannten
Zoonosen, also Krankheiten, bei denen die Krankheitserreger ihren
Ursprung in Tieren haben. Drei Viertel aller im Menschen neu auftretenden
Krankheitserreger sind solche Zoonosen. Forscher schätzen dass
es noch mehrere hunderttausend weitere unerforschte Viren in Tieren
gibt, ein Großteil davon in domestizierten Arten. In unserer heutigen
hochtechnisierten Tierhaltung werden vor allem Rassen gehalten, die
zuvor auf genetisch einheitliche Merkmale gezüchtet wurden, was die
Ausbreitung, das Mutieren und das Überspringen auf den Menschen
begünstigt.
Aber nicht nur die neu auftretenden und mutierenden Viren sind ein
Problem. Parallel zur anhaltenden Pandemie laufen wir vermutlich direkt
in das nächste Fiasko. Seit vielen Jahren warnen Wissenschaftler:innen
vor dem massiven Einsatz von Antibiotika in der industriellen
Nutztierhaltung. Etwa 80 % der weltweit genutzten Antibiotika werden
in der Nutztierhaltung eingesetzt – in den nächsten Jahren rechnet man
mit einem Anstieg um weitere 70 %. In den vergangenen Jahren untersuchten
Umwelt- und Verbrauchergruppierungen wie Germanwatch
oder der BUND mehrfach Hühnerfleisch aus unterschiedliche Supermarkt-
und Discounter-ketten. Bei mehr als jeder zweite Probe fanden
Sie dabei antibiotikaresistente Keime.
Die Fleischproduktion – ein Milliardengeschäft
All dies ist seit Jahrzehnten bekannt und trotzdem wurden die Warnungen
der Wissenschaftler*innen in den Wind geschlagen. Der Grund?
Die Fleischindustrie ist eine weltweite Milliardenindustrie, beherrscht
von wenigen Unternehmen, die einen Großteil des Weltfleischmarkts
unter sich aufteilen. Ihr Einfluss in Politik und Wirtschaft ist gewaltig.
Seit Jahren verhindern sie erfolgreich härtere Tierschutzgesetze und
drücken die Preise für Fleisch so weit in den Keller, dass Bauern in den
Ruin getrieben werden.
Beim »Fleischkönig« Deutschland (Deutschland ist nach den USA der
zweitgrößte Produzent von Schweinefleisch und der fünftgrößte Produzent
von Hühnerfleisch) haben sich bisherige Gesetzesinitiativen der
Bundesregierung als zahnloser Tiger entpuppt. Erst kürzlich meldete
die Fleischlobby einen angeblichen Rückgang der verwendeten Menge
an Antibiotika. Dies sollte als Nachweis dafür geltend, dass schärfere
Vorschriften zu Eindämmung der massenhaften Antibiotika-Gabe unnötig
seien. Tatsächlich hat man statt der üblichen Antibiotika aber nur
stärkere Reserve-Antibiotika verwendet, die eigentlich für den menschlichen
Gebrauch bestimmt sind - nämlich dann, wenn kein normales
Antibiotika mehr hilft. Ein Spiel mit Menschenleben zum Wohle des
Gewinns.
Forschung im Kapitalismus
Aber die führenden Politiker schlagen seit Jahrzehnten nicht nur die
Gefahren der Naturzerstörung und der Massentierhaltung in den Wind.
Schon lange vor dem Ausbruch wurde von führenden Epidemiolog:innen
und anderen Wissenschaftler:innen davor gewarnt, dass kaum ein
Gesundheitssystem auf der Welt auf die Folgen einer globalen Seuche
vorbereitet ist. Auch das deutsche Gesundheitssystem wurde in den
letzten Jahrzehnten massiv zurückgefahren. Die Leistungen der gesetzlichen
Krankenversicherung wurden abgebaut, Krankenhäuser wurden
privatisiert oder geschlossen. Heutzutage muss ein Großteil der Krankenhäuser
zusehen, dass sie aus den Menschen, die sie behandeln,
Profit für ihre Investoren schlagen. Viele Krankenhäuser behandeln
schon lange nicht mehr alle Krankheiten, sondern sind fachlich hochspezialisiert.
Menschen müssen für die Behandlung ihrer Erkrankungen
oft lange Anfahrtswege auf sich nehmen. Nicht nur der Anfahrtsweg,
sondern auch die Bürokratie sind große Hindernisse für alte und kranke
Menschen und für Menschen mit geringem Einkommen. Die Bertelsmann-Stiftung,
eine neoliberale wirtschaftsnahe Denkfabrik, die
versucht Einfluss auf Politiker:innen auszuüben, forderte noch wenige
Monate vor der Pandemie, von 1.400 deutschen Krankenhäusern rund
800 zu schließen und die restlichen weiter zu spezialisieren. Zum Wohle
der Patienten natürlich. Auch die Forschung arbeitet schon lange nicht
mehr unbeeinflusst. Forschung und Entwicklung findet vor allem durch
große Pharmakonzerne statt mit dem Ziel, durch neue Medikamente
möglichst hohe Gewinne für das Unternehmen und ihre Aktionäre zu
erwirtschaften. Nicht oder nur wenig erforscht werden Bereiche, die
ebendiese Gewinne nicht versprechen, insbesondere seltenere Erkrankungen
und Erbkrankheiten oder eben die vorsorgliche Entwicklung
anti-viraler Medikamente und Impfstoffe.
VON KATHARINA GEUKING
| 3
© Platanenpower / Facebook.com
AUS DER RATSFRAKTION
Bald ist es wieder soweit: Ein neuer Bebauungsplan zum E-Center/Hafencenter/Hafenmarkt
am Hansaring wird öffentlich ausgelegt.
Entschieden wird darüber in der Ratssitzung am 17.03.
Das Projekt zieht sich jetzt schon über etwa 20 Jahre, der letzte
Bebauungsplan wurde bekanntlich wegen der Verkehrs- und Lärmproblematik
gerichtlich gekippt. Nun könnte man meinen, die Verwaltung
hätte aus dem Urteil gelernt und die beanstandeten Punkte nachgebessert.
Das ist leider nicht im Ansatz der Fall. Immer noch muss man lesen,
dass schon ohne das Vorhaben die Lärmgrenzwerte überschritten werden,
aber es als zumutbar angesehen wird, wenn durch das Projekt die
Werte um 5db(A) am Tag und 2db(A) in der Nacht ansteigen. Kreativität
kann man nur in der mehrmaligen Umbenennung des Projektes erkennen.
Was folgt als Nächstes? Hafenmurks? Das wäre wenigstens ehrlich.
Das von der Stadt in Auftrag gegebene Verkehrsgutachten kam zu dem
Schluss, dass der Hansaring schon jetzt überlastet ist, weiterer Verkehr
sich also automatisch andere Wege suchen wird. So sieht sie aus, die
moderne Verkehrspolitik. Eine wirkliche Bürger:innenbeteiligung gab es
nicht, alle bisherigen Veranstaltungen dienten nur der Beschwichtigung,
niemals einer Kompromissfindung. Unvergessen die Infoveranstaltung in
den Räumlichkeiten der Stadtwerke, bei der Oberbürgermeister Lewe anfangs
verkündete, dass es nur noch um das »wie« der Realisierung ginge,
nicht mehr um das »ob«. Sollen die Anwohner:innen mal nicht so undankbar
sein: Sie bekommen doch tatsächlich einen Pocket-Park und Dachbegrünungen.
Darf es noch ein wenig mehr sein? Ein wenig Car-Sharing
und ein paar Fahrradstellplätze vielleicht? Die Stadt Münster hat 2019
immerhin die Anwohner:innen befragt, das Ergebnis der Befragung ist
dabei allerdings wohl unerheblich: Ohne irgendeine Vorgabe wurde nach
Problemen im Viertel gefragt, die Bürger*Innen haben die Verkehrssituation
und den Bau des Edeka-Centers auf Platz 1 und 2 gesetzt. Warum
befragt die Stadt Münster ein Viertel, wenn das Ergebnis der Befragung
dann genau keinen Einfluss auf die Planungen hat? Könnte es sein, dass
die Interessen des Investors weit über denen der Anwohner:innen stehen?
Dann ist Widerstand z.B. Im Sinne von Einwendungen gegen den
Bebauungsplan Pflicht! Es ist dieser Stadtverwaltung vorzuwerfen, dass
sie die Bürger:innen nicht vor dieser völlig unsinnigen und unerwünschten
Planung schützt! Und wenn, wie es wohl zu erwarten ist, eine Koalition
aus CDU,FDP und SPD diese Planungen durchwinkt, dann gäbe es noch
weitere Adressaten für eine Menge sehr angebrachter Kritik!
BÜRGER:INNEN-
BETEILIGUNG GAB ES
NICHT & MAN
SETZTE EHER AUF
BESCHWICHTIGUNGS-
VERSUCHE STATT
KOMPROMISS
FINDUNG.
VON HEIKO WISCHNEWSKI
4 |
AUS DEM KREISVERBAND
Die Pandemie hat das Leben in ganz Europa und vielen anderen
Teilen der Welt fest im Griff. Täglich sterben unzählige Menschen
und die Zahl der Neuinfektionen bleibt weiterhin viel zu hoch, um
dem entgegenzuwirken. Die aktuelle Strategie der Bundesregierung
»flatten the curve« hat es nicht geschafft die Anzahl der Neuinfektionen
nachhaltig zu senken und trotzdem wurde an ihr festgehalten.
Mit der ständig über uns schwebenden Gefahr der Mutationen ist klar,
dass wir unser soziales und kulturelles Leben noch nicht wiederbeleben
dürfen, obwohl das schon längst hätte passieren können. Die Kampagne
»ZeroCovid« wurde in Deutschland, der Schweiz und Österreich
ins Leben gerufen und bereits von mehr als 100.000 Menschen unterschrieben.
Sie stellt die Forderung einen effizienteren und sozialeren
Weg der Pandemie Bekämpfung in Europa einzuschlagen. Die Strategie
der Freiwilligkeit für Konzerne ist gescheitert und hat den Lockdown
massiv in die Länge gezogen. Großraumbüros, Fabriken und andere Infektionsherde
müssen ebenfalls geschlossen und somit der öffentliche
Personennahverkehr entlastet werden. Die Zahl der Neuinfektionen
muss auf null gesenkt werden! Nur so können schrittweise Lockerungen
erfolgen und bei lokalen Ausbrüchen konsequent eingedämmt werden.
Damit wäre ein soziales, kulturelles und wirtschaftliches Leben wieder
möglich. Die Infektionszahlen nach dem Shutdown stabil bei null zu halten
ist das Ziel. Um dies zu erreichen, bedarf es einem umfangreichen
Ausbau der Gesundheitsinfrastruktur. Gesundheitsbehörden, Pflege
und Krankenhäuser müssen nachhaltig verstärkt werden, um dieser und
gegebenenfalls zukünftigen Pandemien entgegenwirken zu können. Die
Privatisierung des Gesundheitssystems und die zu niedrigen Löhne einiger
Berufe im medizinischen Sektor, stehen solchen Maßnahmen allerdings
entgegen und müssen ebenfalls dringend angepasst werden. Das
Ende der Pandemie kann nur durch eine flächendeckende Durchimpfung
der Gesellschaft erreicht werden. Dazu ist es dringend notwendig,
die Impfstoffe der privaten Gewinnerzielung zu entziehen. Sie basieren
ohnehin zum größten Teil auf Geldern der öffentlichen Hand. Impfpatente
müssen in die öffentliche Verfügung übergehen. Diese Maßnahmen
kosten viel Geld. Die Einführung eines europaweiten »Covid-Solis« für
hohe Vermögen und Unternehmenseinkommen, würde die Kosten der
Maßnahmen allerdings problemlos decken und ein umfassendes Rettungspaket
für die Menschen, die besonders von der Pandemie betroffen
sind, ermöglichen.
VON SAMY ALSHANAWANY
Nach fast einem Jahr Pandemie wurde uns Ende letzten Jahres
endlich ein Hoffnungsschimmer gegeben. Mehrere Impfstoffe
erhielten eine Zulassung und es konnte tatsächlich angefangen
werden zu impfen. Doch mit der Zeit zeigen sich immer mehr
Ungerechtigkeiten im Impfprozess. Unter anderem mehrere Berichte
darüber, wie Stadträte und Krankenhausvorstände sich vor Pfleger:innen
und Risikogruppen impfen lassen. Die Geschwindigkeit der Impfungen
erscheint allgemein zu langsam zu sein. Global betrachtet wird das
Problem noch stärker sichtbar: Während viele reiche Länder deutlich
mehr Impfstoff bestellt haben, als sie benötigen, werden einige ärmere
Länder bis Ende des Jahres nicht einmal 10 Prozent ihrer Bevölkerung
impfen können. Mit der Entwicklung des COVAX (COVID-19 Vaccines
Global Access) Fonds hatte die WHO versucht diese Ungleichheit zu verhindern.
In diesen Fond sollten alle WHO-Länder einzahlen um anschließend
daraus Impfstoff zu kaufen und gerecht zu verteilen. Viele reiche
Länder umgingen diesen Fond jedoch, indem sie Verträge direkt mit den
Produzenten aushandelten. Dadurch stehen dem COVAX Fond nicht nur
weniger Geld und Impfstoff zur Verfügung, sondern die Impfungen verzögern
sich auch durch fehlende Zulassungen der WHO. Da viele Länder
keine ausreichenden Kapazitäten für die Zulassung von Impfstoffen
haben, bietet die WHO ein eigenes Zertifizierungssystem an. Die meisten
Hersteller beantrage die Impfstoffzulassungen jedoch erst in Ländern,
in die Zulassungen am profitabelsten sind, also in den Ländern
die direkt bei ihnen kaufen. Es gäbe aber noch weitere Möglichkeiten
diese Ungerechtigkeiten auszugleichen: Die Patente für die Impfstoffe
könnten freigegeben werden. Eine Freigebung der Impfstoff Patente
hätte mehrere Vorteile: Der Impfstoff würde nicht nur deutlich günstiger
werden, es könnten auch wesentlich mehr Dosen produziert werden.
Vor allem ärmere Länder könnten ihre Bevölkerung so schneller impfen
und die Pandemie würde effektiver und flächendeckender bekämpft
werden. Solch eine globale Bekämpfung der Pandemie ist nicht nur solidarischer,
sie verringert auch die Chance auf neue Mutationen, wovon
alle Länder profitieren würden. Rechtlich ist die Freigebung der Impfstoff
Patente durchaus möglich, da die Regierung nach §13 Abschnitt
1 des Infektionsschutzgesetzes die Formeln der Impfstoffe trotz bestehender
Patente nutzen könnte. Zudem wurde die Forschung zu etwa
60 Prozent aus Steuergeldern finanziert. Das Bundesministerium für Bildung
und Forschung förderte drei deutsche Impfstoffentwickler mit insgesamt
750 Millionen Euro, Biontech beispielsweise erhielt nach eigenen
Angaben 375 Millionen Euro. Anders als in anderen Ländern wurden
in Deutschland an die Förderung keine Bedingungen geknüpft. In Großbritannien
beispielsweise wurde an die Förderung für den Impfstoff von
AstraZeneca die Bedingung gehängt, dass dieser zum Herstellungspreis
verkauft wird. Dieser Impfstoff ist mit 1,78 € pro Dosis nun deutlich
günstiger als der von Deutschland geförderte Impfstoff von Pfizer und
BioNTech mit 12 € pro Dosis. Die Profitorientierung der Pharmaunternehmen
kann sich sogar negativ auf die Impfstoffentwicklung auswirken.
Die EU-Kommission hatte bereits 2017 den Pharmaunternehmen
angeboten, die Forschung an einem Impfstoff gegen die Coronaviren zu
bezahlen. Nach den Ausbrüchen von SARS und MERS wollte man vorbereitet
sein. Die Pharmaunternehmen lehnten das Angebot jedoch ab.
Erst als die Entwicklung eines Impfstoffes erhebliche Profite, nicht nur
Kostendeckung, versprach waren die Unternehmen interessiert.
VON PATRICIA SCHINKE
| 5
SCHWERPUNKT
© ehimetalor akhere unuabon /Unsplash.com
6 |
Lockdown - Aber richtig!
Ein konsequenter Lockdown, der die Schließung
aller nicht lebensnotwendigen Bereiche
und Betriebe beinhaltet, hätte schon
zu Beginn der zweiten Welle im vergangenen
November umgesetzt werden müssen.
Nach drei oder vier Wochen wärem die Infektionszahlen
auf ein Niveau gesunken, auf
dem Pandemie durch konsequente Überwachung
und gezielte Unterbrechung von Infektionsketten
durch die Gesundheitsämter
beherrschbar gewesen wäre. Stattdessen
wurde aber ein »Freizeit-Lockdown«, der vor
allem die Erholungsmöglichkeiten in der Freizeit
drastisch eingeschränkt hat, umgesetzt.
Die Infektionszahlen sind zuerst stagniert,
nach weiteren Verschärfungen schließlich
gesunken. Was ursprünglich eine Notbremse
von höchstens zwei Monaten mit dem Versprechen,
Weihnachten wieder ohne Lockdown
genießen zu können vorgesehen war,
zieht sich nun schon über fünf anstrengende
Monate. Nun sind viele Menschen existentiell
am Boden, haben sich bereits nach dem
ersten Lockdown verschuldet um sich auf
die Pandemie-Situation umzustellen. Dies
betrifft besonders den Kultur-, Event-, Hotellerie-
und Gastronomiebereich, der in dieser
langen Zeit vollständig schließen muss und
auf die zugesagten Hilfen des Bundes dann
auch noch monatelang wartet. Währenddessen
läuft die Arbeit in gewerblichen Betrieben
einfach weiter und auch viele Büros
sind, im Gegensatz zum ersten Lockdown,
voll. Man könnte fast meinen, dass die Politik
absichtlich ganze Wirtschaftszweige und das
physische und psychische Wohlbefinden der
gesamten Bevölkerung baden gehen lässt,
um der Industrie und den Großkonzernen die
Kosten und Profiteinbußen eines harten und
wirksamen Lockdowns zu ersparen.
Während Berufstätige, unabhängig davon ob
ihre Tätigkeit systemrelevant ist, einfach weiterarbeiten
und sich dabei oftmals einem hohen
Infektionsrisiko aussetzen müssen, wird
ihnen in der Freizeit sogar verboten, sich mit
mehr als einem Mitglied eines anderen Haushalts
zu treffen. Diese Politik der rot-schwarzen
Bundesregierung ist widersprüchlich und
sorgt verständlicherweise für Verdruss und
Ablehnung. Wem will man auch noch eine Politik
erklären, die so tut, als wären Viren nur
in der Freizeit ansteckend?
Die Forderung nach Lockerungen aus der
breiten Gesellschaft ist absolut nachvollziehbar.
Der »Lockdown light« vom November bis
Dezember und die anschließende Verschärfung,
die bis heute anhält, wird für immer
mehr Menschen zu einer Zerreißprobe. Eine
Öffnung wird aber allen Prognosen zufolge
die durch die neue Mutation hervorgerufene
kommenden dritten Infektionswelle massiv
verschlimmern.
Gleichzeitig stimmt die Erzählung von der
Stimmung aus der Bevölkerung, die eine Lockerung
notwendig macht nicht. Befragungen
ergeben weiterhin, dass eine Mehrheit für die
Beibehaltung der aktuellen Restriktionen
oder sogar eine Verschärfung ist.
Die Impfstoff-Patente gehören den
Menschen, nicht den Pharmakonzernen!
Die Impfstoffe basieren auf Jahrzehnten
Grundlagenforschung und wurden von Beginn
der Pandemie an maßgeblich mit finanzieller
Unterstützung aus Mitteln von Bund und
EU entwickelt. Nun machen Pharmakonzerne
wie BioNtech-Pfizer & Co. ihre Profite mit einem
Impfstoff-Patent, das eigentlich der Öffentlichkeit
als Hauptfinanzier gehören sollte,
während es weiterhin flächendeckend an
Impfstoff mangelt und wir mit einer Impfrate
von gerade einmal 3,5% der Bevölkerung
(beide Impfdosen, Stand 15.03.) nicht vorankommen
bei der Pandemie-Bekämpfung.
Verantwortlich dafür ist auch die Alleinverfügung
der Impfstoffentwickler über die Patente.
So wird nun besonders gut mit Impfstoff
versorgt, wer besonders viel zu zahlen bereit
ist: Israel verdankt seine außergewöhnlichen
Impferfolge eben auch seine Bereitschaft,
pro BioNTech-Impfdosis doppelt so viel zu
zahlen wie die EU. Aber nicht nur die Versorgung
hier in Deutschland und der EU kann
sich dadurch zu einem Problem entwickeln.
Die reichsten Länder haben sich bereits den
Löwenanteil des zur Verfügung stehenden
Impfstoffs gesichert. Hierdurch wird sich der
Impfbeginn in vielen Ländern Afrikas wohl
bis in das Jahr 2022 verzögern und die vollständige
Immunisierung nicht vor 2023 abgeschlossen
sein. Die Länder des globalen
Südens sind komplett auf dem Trockenen
und können sich dadurch zu neuen Herden
von weiteren Mutationen entwickeln, aus denen
das Virus dann auch wieder den reichen
Norden erreicht. Diese Politik des nationalen
Egoismus und der Privatisierung mit öffentlicher
Unterstützung erzielter Forschungsergebnisse
wird nach hinten losgehen. Die
Impfstoffe gehören allen Menschen und nicht
einigen Wenigen. Wollen wir das Virus besiegen,
muss der Patentschutz der Impfpräparate
aufgehoben werden, damit Impfdosen von
weiteren Herstellern dezentral und in großen
Mengen produziert werden können. Besser
noch: vergesellschaften wir doch gleich die
Pharmaindustrie, die sich schon seit jeher
weigert, kranke Menschen zu heilen, wenn
für sie neben der Refinanzierung der For-
© Heinrich-Böll-Stiftung/ CC BY-SA 2.0 / flickr.com
schungskosten nicht auch noch ein stattlicher Gewinn herausspringt.
Die Versorgung mit Medikamenten gehört zur
Daseinsfürsorge - und diese dem Markt zu überlassen war
noch nie eine gute Idee.
Gesundheit Vor Profite!
Die Krise macht nochmal besonders deutlich was wir seit
Jahren predigen: Mit der öffentlichen Gesundheitsinfrastruktur
Profite zu machen ist brandgefährlich für die kollektive
Gesundheit. Privatisierungen und Schließungen von
Krankenhäusern sind die Folge dieser seit Jahren verfehlten
und auf Profit getrimmten Gesundheitspolitik. Arbeiter:innen
im Gesundheitssektor, die aktuell an vorderster Front
als Kanonenfutter gegen das Virus kämpfen, fehlt es noch
immer an einem guten Lohn und vernünftigen Arbeitszeiten.
Klatschen ist eine schöne Geste und zeigt die gesellschaftliche
Anerkennung dieses Berufes, wird aber letztlich nicht
die Probleme, die durch das Fallpauschalensystem hervorgerufen
wurden, verschwinden lassen.
Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich sind
neben einem besseren Personalschlüssel wichtige Mittel
zur Entlastung des Gesundheitspersonals.
Weitere Privatisierungen und Schließungen müssen gestoppt
und rückgängig gemacht werden.
Schritt halten konnte.
Statt eines Schutzschirms für die Wirtschaft ist ein Schutzschirm
für die Beschäftigten notwendig. Kündigungsschutz
und uneingeschränkte Lohnfortzahlungen müssen in der
Krise und darüber hinaus garantiert werden, genauso wie
ausgefallene Honorare für (Schein-)Selbstständige. Es kann
nicht sein, dass Selbstständigen und Kulturschaffenden
zwar auf Antrag ihre Betriebskosten erstattet werden während
man sie fürihren Lebensunterhalt dann aber auf Hartz4
verweist.
Um Arbeitsplätze zu sichern müssen wir Unternehmen
vergesellschaften, die zugunsten von Profitinteressen Belegschaften
entlassen oder gleich schließen und die Produktion
verlagern wollen. Zudem brauchen wir dringend
eine Corona-Abgabe für Reiche und Konzerne und darüber
hinaus eine dauerhafte progressive Besteuerung großer Einkommen
und eine Entlastung unterer und mittlerer Einkommen.
Das würde drei Viertel der Menschen in diesem Land
zugute kommen!
Außerdem fordern wir eine volle Freistellung bei vollem
Lohnausgleich für alle Arbeiter:innen, die in Quarantäne gehen
oder andere Menschen pflegen müssen.
Für Empfänger:innen von Transferleistungen wie ALG II,
welche durch die FFP-2 Maskenpflicht und steigenden Lebensmittelpreisen
finanziell immer stärker belastet werden,
fordern wir zusätzliche finanzielle Unterstützung.
SCHWERPUNKT
© Heinrich-Böll-Stiftung/ CC BY-SA 2.0 / flickr.com
WEM WILL
MAN EINE POLITIK
ERKLÄREN, DIE
SO TUT, ALS SEIEN
VIREN NUR IN
DER FREIZEIT
ANSTECKEND?
Wir zahlen nicht für ihre Krise! -
Für eine Rettungspaket für alle Krisenverlierer:innen.
Weltweit sind im ersten Lockdown die Aktienmärkte eingebrochen,
um sich danach wieder in ungekannte spekulative
Höhen zu steigern. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen,
dass wir uns gerade erst am Anfang einer
tiefen Wirtschaftskrise befinden. Sie hat sich schon länger
angekündigt. Die Bankenrettung in der letzten Finanzkrise
und das billige Geld der Zentralbanken haben verhindert,
dass sich eine Krise in der schärfe des »Black Friday« in den
1930er Jahren entwickelt hat. Aber der anschließende Aufschwung
war der Schwächste seit dem Zweiten Weltkrieg.
Corona als alleinige Ursache der Krise zu erklären verkennt,
dass unser System schon länger kränkelt.
Nun wird aber versucht die Coronakrise als Legitimation zu
nutzen, Ausfälle auf Belegschaften abzuwälzen und diese
mit Entlassungen und Lohnverzicht zu erpressen.
Leiharbeiter werden abgemeldet und Arbeitszeitkonten ins
Minus gefahren. Hotels und Gastronomiebetriebe entlassen
ihr Personal, Flugbegleiter:innen verlieren in Kurzarbeit einen
relevanten Teil ihres Lohns. Prekär Beschäftigte verlieren
teilweise ihre gesamten Einnahmen. Wir müssen dafür
kämpfen, dass die Profiteure der letzten Jahrzehnte für die
Krisenkosten aufkommen.
Es ist nicht tragbar dass Arbeitgeber nun auch noch weiter
bei ihrem Anteil an den Sozialleistungen in der Kurzarbeit
entlastet werden, während in guten Jahren in vielen Unternehmen
die Lohnentwicklung kaum mit den Gewinnen
Alleinerziehende, die durch den Wegfall von Schulen und
KiTas nicht mehr arbeiten können müssen sicher sein vor
Jobverlust.
Es braucht eine ausreichende, staatlich finanzierte Unterbringung
und Betreuung für Kinder und zu pflegende Angehörige.
Ausreichend Frauenhäuser und kostenloser und
ausreichender Wohnraum, in dem von Gewalt Betroffene
gefahrlos ihre Quarantäne verbringen können. Die Wohnsituation
in Obdachlosenheimen und Aufnahmelagern für Geflüchtete
ist weiterhin nicht pandemiegerecht und durch das
enge Zusammenleben vieler Menschen potentieller Infektionsherd.
Es ist untragbar dass parallel viele Hotels während
der Pandemie geschlossen bleiben müssen, obwohl diese
zur dezentralen Unterbringung der von dieser dieser Gesellschaft
Ausgegrenzten genutzt werden könnten.
Nein zu Verschwörungsideologien!
Hassprediger wie Attila Hildmann und seine Querdenken-Entourage
nutzen die Verunsicherung in der Gesellschaft
für die Verbreitung völkischer-, zum Großteil antisemitischer
Wahnvorstellungen.
Aber auch große Teile der AfD greifen die wildesten Verschwörungsmythen
auf und sehen sich als parlamentarischer
Arm der Querdenken-Bewegung oder nutzen die Pandemie
um die Forderung nach Abschottung zu untermauern
und verklären dabei in rassistischen Argumentationen
Migrant:innen zu Pandemie-Auslösern.
Während die Verschwörer unbescholten in den Reichstag
eindringen wollen, herrscht parallel eine gigantische Doppelmoral
im Umgang mit linken Protesten. Dieser Umstand
ist unerträglich und sollte auf allen Ebenen angeprangert
und skandalisiert werden. Wir brauchen einen linken Gegenentwurf
zur herrschenden Politik, der Wirkung und
Handlungsfähigkeit beweist. Durch eine wirksame Pandemie-Bekämpfung
anstelle von Aktionismus im Sinne der
Konzerne können wir den Rechten das Wasser abgraben
und ihnen den Nährboden entziehen.
Unsere Aufgabe besteht darin, einen Keil zwischen die „unbedarften“
Mitläufer und die überzeugten Rechtsextremen
zu treiben, indem wir deren Ideologie aufdecken und zeigen,
was sie sind: Faschisten ohne Lösungsansätze.
VON OLIVER KRIEG
& CHRISTOPHER KOLISCH
| 7
© Oliver Krieg
AUS DER BEWEGUNG
© GEGEN Coronaverharmlosung in Münster / Facebook.com
»Sofort« soll der kleine Junge nach Hause kommen, sollte in der
Schule auf Corona getestet werden, »notfalls ohne Tonni«. Was der Sohn
einer münsteraner Corona-Leugnerin verinnerlicht hat, wird im besten
Fall gesundes Unverständnis, wahrscheinlich aber beträchtliche Unruhe
in der Klasse des Kindes, bei Eltern & bei Lehrer:innen verursachen, - zu
Recht! Denn ein Corona-Test ist nicht nur sinnvoll, sondern auch kein
gefährlicher Eingriff, vor dem man die Flucht ergreifen müsste.
noch einen Aufschrei verursachen (»ich fühle mich wie Sophie Scholl«),
sind dort an der Tagesordnung, ebenso das Teilen von Inhalten rechtsoffener
Kanäle, wie KenFM, oder Autor:innen. Protest oder Aufschrei der
Community bleiben in der Regel aus. Sei es, dass eine Admin einfach
nicht die Fähigkeit hat, einen Text einordnen zu können, sei es Ignoranz
(»für mich zählt nur das Gesagte, nicht, wer es sagt«) oder sei es
schlicht Zustimmung (»weil es so ist!«).
Ist dieser einzelne Vorfall sicher nicht »gefährlich«, so schafft es die
Gesamtheit der Corona-Leugner:innen durchaus, Unsicherheit zu säen
und die Akzeptanz sinnvoller Schutzmaßnahmen zu verringern. Die Corona-Leugner:innen
sind also durchaus gefährlich - ganz direkt in Bezug
auf die Pandemie selbst. Insbesondere durch zahlreiche, dreiste
Falschmeldungen, die von ihnen zu jeder neuen Entwicklung in Umlauf
gebracht werden: von angeblich durch Masken verursachten schlimmen
Hautveränderungen, über Bilder von scheinbar leeren Kliniken bis hin
zur »nicht schmerzfreien Laientestung«. Andererseits werden sie von
der seriösen Presse wenig beachtet, Giganten wie Facebook & Youtube
beginnen zu reagieren, indem sie die Einträge entsprechend kennzeichnen
und inzwischen schwankt sogar die Bildzeitung - nicht seriös aber
im Mainstream verankert - zwischen meckern
& akzeptieren (»Lassen Sie sich impfen, Kanzlerin!«),
nachdem sie letztes Jahr noch einen
Kleinkrieg samt Falschbehauptungen gegen
Christian Drosten geführt hat.
Die Teilnehmer:innen-Zahlen an Demos &
Kundgebungen stagnieren oder sinken, das
Maximum der für Coronaprotest Erreichbaren
scheint erreicht. Zudem sind die Leugner:innen
bei jedem ihrer Kämpfe erfolglos geblieben:
alle Welt hält Abstand und trägt Maske,
lässt sich gegebenenfalls testen und Umfragen
zufolge will sich eine Mehrheit auch impfen
lassen.
Die »Gefahr«, die von dieser Gruppe in der Krise
ausgeht, bleibt also begrenzt, man könnte
den Corona-Leugner:innen inzwischen sogar
zurufen: »Das Thema ist durch, was wollt ihr überhaupt noch hier?«
Aber so einfach ist es leider nicht. Die eigentliche Gefahr ist eine andere.
Die Corona-Proteste sind zu einem Sammelbecken ganz unterschiedlicher
Typen geworden: von der Esoterikerin & dem stadtbekannten
Spinner über den Selbstdarsteller, den notorischen Nörgler und
Außenseiter bis hin zum knallharten Rechten. Konnte man die Bewegung
anfangs schon als »rechtsoffen« kennzeichnen, ist die Beteiligung
- und Duldung - von Rechtsextremen inzwischen nicht mehr zu übersehen,
spätestens seit dem 31. August 2020, als diese in Gruppen und in
einer Selbstverständlichkeit teilnahmen, die ihnen ohne die Duldung der
Leugner:innen nie möglich gewesen wäre, und Einige versuchten, den
Reichstag zu stürmen.
Auch im Internet - Facebook, Youtube, allen voran natürlich Telegram
- ließen sich Posts von Corona-Leugner:innen schon immer als »rechtslastig«
beschreiben: Relativierungen, die in der nicht-virtuellen Welt
DIE UNHEILIGE
ALLIANZ MIT
EXTREM RECHTEN
WIRD CORONA
ÜBERDAUERN &
NEUE THEMEN
FINDEN.
Sehr beliebt und entsprechend häufig ist bei der Gruppe auch der Missbrauch
des Begriffs »Faschismus«: dabei ist »faschistisch« im Grunde
alles, was man ablehnt, die Corona-Schutzverordnung ebenso wie die
Linkspartei.
Dass ein wesentliches Merkmal von Faschismus ist, dass dieser immer
nationalistisch ist und auf Verschwörungsideologien beruht - DIE
LINKE, von jeher aber internationalistisch ist und eine scharfe Gesellschaftsanalyse
vorweisen kann, also gar nicht faschistisch sein kann,
übersteigt offenbar den geistigen Horizont der betreffenden User:innen.
Inzwischen werden aber auch im Netz die Relativierungen immer unverblümter
(»Die Maske ist der Hitlergruß von heute«; »So wie ihre Großväter,
die an der Rampe standen & aussortiert
haben«), eindeutig rechtsextreme Inhalte werden
geteilt (»Nun ist es soweit: ich teile die
AfD«). In jüngster Zeit wird sogar ganz offen
gedroht: »Um den Schlauchbootfan kümmere
ich mich selbst.« (Bodo Schiffmann)
Wir haben es also auch online mit einer Verschiebung
nach - noch weiter - rechts zu tun,
insbesondere mit der bekannten »Verschiebung
des Sagbaren«.
Darin besteht die eigentliche Gefahr der Corona-Leugner:innen:
Corona wird in ein, zwei Jahren Geschichte
sein. Die »unheilige Allianz« mit rechtsaußen
jedoch nicht. Dabei wurde die extreme Rechte,
besonders die AfD, von dem Geschehen
gleichsam überrascht: sie hatte keine klare
Linie (ein AfDler wollte anfangs sogar »Masken spenden«). Dann kam
Querdenken und mindestens ein Flügel sprang populistisch auf den fahrenden
Zug auf, zumal die AfD um Themen verlegen ist. Die »Querdenker:innen«
ihrerseits sind oft zu blauäugig, um zu merken, wen sie sich
da ins Boot geholt haben, wollen es nicht sehen, oder finden es nicht
problematisch. Einige scheinen tatsächlich zu glauben, ihre Bewegung
könne »unpolitisch« sein und alle Menschen umfassen, unabhängig von
deren politischer Einstellung. Die berühmten »roten Linien« weichen
auf und sie werden sich nicht von selbst wieder stabilisieren, nur weil
die Corona-Gefahr gebannt ist. Die »unheilige Allianz« wird sich neue
Themen suchen und finden. Gefährlich bleibt sie nach wie vor.
VON KERSTIN JORDAN
10 |
INTERNATIONALES
Joe Biden hat die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten gewonnen. Große Brüche
mit Trumps Politik sind aber von ihm nicht zu erwarten. Vielmehr ist mit der Wahl des »geringeren
Übels« Biden ein Schritt zur Seite gemacht worden. Biden ist keine Hoffnung auf ein Ende von Imperialismus,
Umweltzerstörung und Rassismus, meint unser Autor.
Imperialismus
Die größten Kriegstreiber dieser Welt haben gelernt, wie man diversität
für die eigene Agenda ausnutzen kann. Die ersten Monate der Amtszeit
des neuen US-Präsidenten Joe Biden sind eine Karikatur dessen, was
vor der US-Wahl bereits in der Internet-Kultur bereits vor seiner Wahl erwartet
wurde: bunte Kriegspolitik. So dürfen Trans-Personen nun wieder
Teil der US-Streitkräfte sein, was an sich für einige wenige aus der LGBT-
QIA-Community nichts schlechtes ist. Die Zivilist:innen im Nahen Osten
wird es aber herzlich wenig interessieren welche Geschlechts-Identität
die Person hat welche Raketen auf sie abfeuert. Ebenso irrelevant ist es
für sie, dass der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin nun der erste
Afroamerikaner in diesem Amt ist. Zuvor war er allerdings lange Zeit
für den US-Rüstungskonzern Raytheon im Aufsichtsrat tätig. Raytheon
liefert unter anderem Bomben an Saudi-Arabien, welches eine Seeblockade
im Jemen aufrecht erhält, und damit eine Hungersnot ausgelöst
hat. Aber dass sich nichts verändert an der US-Außenpolitik, zeigen
nicht nur diese symbolischen Gesten, welche in der Konsequenz doch
nichts an der Aggression der US-Politik ändern. Auch John Kirby - der
Sprecher des Pentagons - hat bereits verlauten lassen, dass die USA
ihre nationalen Interessen in der Region des nahen und mittlerer Osten
aufrechterhalten werden. Statt »Amerika zuerst!«, will Biden die Beziehungen
mit der NATO-Allianz wieder aufbauen, unter Einbeziehung derjenigen
Regierungen und Regime, die im Sinne der USA handeln. Die
ersten US-Bomber fliegen auch bereits wieder über den Persischen Golf,
während amerikanische Soldaten erneut in Militärbasen rund um den
Iran stationiert wurden. Die Amtszeit von Trump war gekennzeichnet
von Drohgebärden gegen den Iran: Trump schuf eine Allianz mit Staaten,
die den Iran und seine Strahlkraft im Nahen und Mittleren Osten
bekämpfen wollen, ebenfalls unter Einbeziehung autokratischer Regierungen.
Die Allianz zwischen Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen
Emiraten und Israel soll die Grundlage für Bidens Außenpolitik sein, um
die US-Dominanz in der Region aufrecht zu erhalten.
Mit einem Ende von Drohgebärden und militärischer Eskalation gegen
den Iran sollte also auch unter Biden nicht gerechnet werden. Die Welt
wird auch unter Biden nicht friedlicher werden. Zuletzt offenkundig wurde
dies durch einen Luftangriff im Osten Syriens mit 22 Toten.
Migrationspolitik
Überschattet von der Aufhebung des unter Trump erlassenen »Muslim-Bans«
- dem Einreiseverbot für Menschen aus überwiegend muslimisch
geprägten Ländern - wurde der Öffentlichkeit offenbar verschwiegen,
dass in Carrizo Springs (Texas) klammheimlich im letzten Monat
ein Internierungslager für Migrantenkinder eröffnet wurde. 700 unbegleitete
Kinder zwischen 13 und 17 Jahren werden dort festgehalten,
nur für das Übertreten der Grenze zwischen den USA und Mexiko. Damit
führt Biden die nicht weniger rassistische Migrationspolitik von Trump
und auch von Obama weiter. Auch unter Obama litten bereits die Einwanderer
aus Mittel- und Südamerika. Kinder wurden von ihren Eltern
getrennt und in Internierungslager gebracht. In zwei Amtsperioden wurden
rund drei Millionen Menschen abgeschoben.
Klimapolitik
Biden ist, anders als Trump, kein Leugner des menschengemachten
Klimawandels, aber ein Gewinn für die Klimabewegung ist er dennoch
nicht. Zwar ist die USA unter Biden wieder dem Pariser Klimaabkommen
beigetreten, ein Blick auf die Sponsorenliste seines Wahlkampfes sollte
einem da aber sauer aufstoßen. Im September wurde beispielsweise
eine Spendenveranstaltung für seinen Wahlkampf maßgeblich von
Andrew Goldman finanziert. Goldman ist Mitbegründer der Frackingfirma
»Western LNG«, und hat Biden während seiner Zeit im Senat beraten.
Während Bidens Wahlkampagne im Jahr 2008 war Goldman für Bidens
Finanzen zuständig. Und so verwundert es auch nicht, dass Biden
Fracking weiterhin unterstützt. Nach außen kommuniziert er, Fracking
auf staatlichen Böden stoppen zu wollen, wo doch 90% des Frackings
auf privatem Grundbesitz stattfindet.
Statt dem Ruf der progressiven Demokraten nach einem »Green New
Deal« zu folgen, unterstützte Biden im Kongress den verstärkten Export
fossiler Energieträger, und den Ausbau von Gas-Pipelines im ganzen
Land. Ob auf diese Weise die Klimaziele eingehalten werden können,
darf - trotz der Behauptung der Demokraten, die Klimakrise ernst zu
nehmen - bezweifelt werden.
Gegen Biden & Trump
Auch die Gefahr, die von dem faschistischen Mob ausgeht, den Trump
entfesselt hat, ist mit seiner Abwahl noch nicht gebannt. Hier gilt: »Der
Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.« - Trump hat immer noch
großen Einfluss unter den Republikanern. Zuletzt machte er seine Ambitionen
auf eine weitere Kandidatur im Jahr 2024 nochmals deutlich.
Dass Joe Biden auch mit den Stimmen der Black-Lives-Matters-Bewegung
gewählt wurde, bedeutet nicht, dass er auch im Sinne dieser Bewegung
handeln wird. Lippenbekenntnisse und Ausruhen auf Symbolpolitik
werden die Problemen im Land nicht lösen. Bidens Präsidentschaft
bedeutet Austerität, Stillstand im Kampf gegen den Klimawandel, und
Krieg. Ohne Druck von unten kann die Amtszeit von Biden die Verhältnisse,
welche die Rechten in den USA gestärkt haben, reproduzieren.
Statt sich der Augenwischereien hinzugeben, müssen Bewegungen, Gewerkschaften
und Linke sowohl gegen Biden, als auch gegen Trump und
seine Anhänger, mobil machen.
VON OLIVER KRIEG
BIDENS AUßENPOLITIK
ZIELT WEITERHIN DARAUF
DIE US-DOMINANZ IM
NAHEN & MITTLEREN
OSTEN AUFRECHT
ZU ERHALTEN.
© Wikimedia
| 11
AUS DEM JUGENDVERBAND
© feliphe-schiarolli / unsplash.com
12 |
Der erste Lockdown für uns alle eine drastische Umstellung, weil
wir so noch nie eine Pandemie erlebt haben. Trotzdem bin ich aber
der Meinung, dass die Politik in Sachen Bildung für uns Schüler:innen,
Student:innen und auch Eltern von Kindern, die in die Schule
gehen, einiges hätte besser regeln können.
Schon fast zwei Wochen vor der Schulschließung im letzten März haben
wir im Matheunterricht berechnet, wann ein Lockdown antreten müsste,
um die Verbreitung des Virus zu minimieren und um die Verlaufskurve
möglichst flach zu halten. Wir sind damals zu dem Ergebnis gekommen,
dass er schon längst hätte in Kraft treten müssen und trotzdem mussten
wir weiter ohne jeglichen Abstand oder generelles Hygienekonzept in
den Kursräumen sitzen.
Es wurde erst im Juni, also Monate nach dem Beginn des Lockdowns,
weiteres Geld in die Digitalisierung an Schulen in NRW investiert, was
meiner Meinung nach einfach zu spät war. Ob die Summe im Vergleich
zu dem Militärbudget gerecht ist, ist dann aber wieder eine andere Sache.
Die fehlenden Digitalisierung hatte zu Folge, dass die Kommunikation
zwischen manchen Lehrer:innen und Schüler:innen zu wünschen
übrig ließ. Dies wurde erst Recht zu einem großen Problem, wenn die
Klausuren anstanden. Abiturrelevanten Stoff mussten wir uns mehr oder
weniger selber beibringen, was manchmal zu einem enormen Druck
führte, weil man schließlich keine schlechte Note schreiben wollte.
Ohne Videokonferenzen mit Lehrer:innen Themen zu lernen fühlte sich
manchmal unmöglich zu schaffen an.
Den Leistungsdruck und das Erhalten von zu vielen Aufgaben kann man
nicht für alle Schüler:innen pauschalisiert darstellen, das ist meiner
Meinung nach aber auch nicht wirklich von Relevanz. Mann muss doch
trotzdem vor allem benachteiligte Personen in der Pandemie berücksichtigen,
abgesehen davon, ob es Menschen gibt, die mit der Umstellung
gut klar kommen.
Nebenbei bemerkt lässt die Berücksichtigung von finanziell und sozial
Benachteiligten im Bereich der Bildung weiter zu wünschen übrig. Die
Annahme, dass jede:r Schüler:in einen eigenen Laptop, einen eigenen
Computer oder ein eigenes Tablet, geschweige denn eine stabile
Internetverbindung oder eine ruhige Umgebung zum Bearbeiten der
Aufgaben hat, zeugt entweder davon, wie fern ab von der Realität viele
Politiker:innen denken oder wie es diese Politiker:innen einfach nicht
interessiert, dass Menschen in der Pandemie zurückgelassen werden.
Für den zweiten Lockdown gab es dann glücklicherweise weniger technische
Probleme, zumindest an meiner Schule, weil alle Schüler:innen,
die eins benötigen, sich ein iPad leihen konnten, um damit die Aufgaben
Wir sind Schüler:innen, Auszubildende
und junge Menschen im Job und an der
Uni, die sich gemeinsam gegen die kleinen
und großen Ungerechtigkeiten des Alltags
engagieren. Auf unseren wöchentlichen
Treffen planen wir eigene Aktionen, unsere
Wer wir sind:
zu bearbeiten. Auch Videokonferenzen wurden endlich bewilligt, was
das Verstehen von neuen Themen sehr erleichtert hat.
Auch wenn es jetzt besser ist, als im letzten Lockdown, ist die momentane
Situation alles andere als ideal. Man wird als Schüler:in wenig ernst
genommen, weil viele denken, man könne sich nicht beschweren, nur
weil es Menschen gibt, denen die momentane Situation auch schwer
fällt.
Seit über einem Monat sind wir nun wieder in der Schule und neue Probleme
haben nicht lange auf sich warten lassen. Zunächst fing der Präsenzunterricht
nur für die Q1 und die Q2 an.
Meine Schule verfügt über zwei Gebäude, was uns die Möglichkeit gab,
die zwei Stufen räumlich komplett zu trennen. Das hat das Infektionsrisiko
natürlich reduziert. Das Hauptproblem lag dabei auch eher darin,
dass jeder Kurs zusätzlich in zwei Räumlichkeiten getrennt wurde und
die Lehrer:innen ständig zwischen ihnen pendeln mussten.
Unsere Produktivität ließ zu wünschen übrig, da das Unterrichtsgespräch
ständig unterbrochen wurde. Selbst die Lehrer:innen haben an
diesem Konzept ihre Zweifel geäußert, weil wir im Online-Unterricht aufmerksamer
und generell einfach effektiver gearbeitet haben.
Weil wir eben auf die zwei Räume aufgeteilt sind und der Unterricht
ständig unterbrochen werden muss, schaffen wir es einfach nicht, den
geplanten Stoff in der Zeit durchzunehmen. Als Konsequenz bekommen
wir mehr Hausaufgaben auf, als sonst und viele meiner Mitschüler:innen
sind überfordert.
An meiner Schule sind die seit dem 15. März zur Verfügung stehenden
Schnelltests anderthalb Wochen zu spät angekommen. Jede:r Schüler:in
muss den Test an sich selbst durchführen. Im Falle eines positiven Ergebnis
muss der/die betroffene Schüler:in sich auf den Heimweg begeben.
Erst wenn sich ein weiteres positives Testergebnis durch einen
PCR-Test bei einer Teststelle ergibt, wird überlegt, welche weiteren
Schüler:innen sich in Quarantäne begeben sollten. Währenddessen
kann sich das Virus aber noch weiter verbreiten,
Die Wahrheit ist, dass diese Pandemie derzeit für jeden Menschen
schwer ist, weil sie sehr viel Unsicherheit mit sich bringt, trotzdem sollte
man Schüler:innen bei ihren Anliegen zuhören und nicht von oben herab
über sie entscheiden.
Beteiligung an Demos und diskutieren über
aktuelle politische Themen.
Wenn auch du Lust auf eine Welt ohne Klimazerstörung,
Rassismus, Sexismus, Nazis
und Ausbeutung hast:
Wir treffen uns
JEden Montag: 18:30 UHR
- PANDEMIEBEDINGT ONLINE
LINA IST 17 JAHRE ALT
& BESUCHT DIE 12. KLASSE
EINES GYMNASIUMS IN MÜNSTER
& IST AKTIV IN DER LINKSJUGEND [ʼSOLID]
AUS DEM STUDIVERBAND
Als Mitte März letzten Jahres aufgrund der
Pandemie die KiTas und Schulen von heute
auf morgen geschlossen wurden, saß ich
plötzlich alleine mit meinem Kind zu Hause.
Plötzlich war ich »nur« Mutter. Ich hasse diese Rolle,
diese Rolle als alles was mich definiert, was ich bin
und mache. Eigentlich musste ich noch für Klausuren
lernen, aber wie soll das gelingen, wenn man ein Kleinkind
bespaßen muss, drei mal am Tag eine vollwertige
Mahlzeit zubereiten und die Bude in Ordnung halten will?
Die Antwort ist ganz einfach: gar nicht. Und so stellte
ich meine Bedürfnisse hinten an und war wieder vor allem
eins: Mutter. Das hatte ich mir nicht ausgesucht und
war so auch nicht abgesprochen. Aber was gab es da
auch schon groß zu bereden und vor allem mit wem? Es
war natürlich klar, dass ich mich hauptsächlich um die
Kinderbetreuung kümmern werde, da mein Studium im
Gegensatz zur Lohnarbeit meines Partners gerade nicht
überlebenswichtig für unser Familie war. Aber vielleicht
hätte man mal drüber reden können, welche Tätigkeiten
jetzt gerade wirklich wichtig sind und auf welche wir für
ein paar Wochen und Monate verzichten können. Ja, ich
hätte gerne mit meinen Mitmenschen ausgehandelt,
wie wir solidarisch durch diese Krise kommen. Aber leider
war die Marschrichtung vorgegeben, die Wirtschaft
muss brummen, Profite müssen her. Die Entscheidung,
wie bei uns zu Hause die Aufgaben verteilt werden, hat
uns der Kapitalismus abgenommen, ob wir das wollten
oder nicht. Während ich den ganzen Tag damit zubrachte,
die vielen alltäglichen Aufgaben bewältigt zu bekommen,
musste ich zusehen, wie meine Kommiliton:innen in den
digitalen Raum auswichen und nun dort ihr Studium weiter
führen konnten. Eine Technik, die vorher dazu hätte
dienen können, die Vereinbarkeit von Studium und Kind
zu verbessern, führte jetzt dazu, dass alle so weiter machen
konnten wie bisher - nur Menschen mit Sorgeverantwortung
nicht. Eine Technik ist eben immer nur so
gut, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen sie
zur Anwendung kommt. So waren Eltern plötzlich völlig
isoliert, alleine mit ihren Kindern in den eigenen vier
Wänden. Unsichtbar für große Teile der Politik und so ist
es nicht verwunderlich, dass viele bis heute auf Unterstützungsangebote
warten. Stattdessen sind insbesondere
Alleinerziehende seit einem Jahr dazu gezwungen
jeden Tag wieder über ihre Belastungsgrenze zu gehen.
Unter diesen Bedingungen kann niemand eine gute Mutter
sein. Gefangen in einer Spirale aus Müdigkeit, Frustration
und schlechtem Gewissen schleppt man sich bis
zur nächsten KiTa Teilöffnung. Darunter leiden nicht nur
Mütter, sondern auch Kinder, deren Bedürfnisse in dieser
Pandemie von der Politik immer so gedreht werden, dass
sie gerade für die anstehenden politischen Entscheidung
passen. Mein Sohn hat wochenlang auf gleichaltrige Kontakte
verzichtet. Wir waren solidarisch und haben Kontakte
reduziert. Aber so langsam frage ich mich wofür?
Es ist immer noch kein Ende der Pandemie in Sicht und
die Politik schafft es auch nicht, eine Perspektive aufzuzeigen.
Die Pandemie wird nicht einfach vorüber gehen
ohne weiteren 2,5 Millionen Menschen den Tod zu bringen.
Wir leben in einer Menschen gemachten Welt und
wir sollten endlich anfangen uns auch so zu verhalten.
Wir sollten anfangen unsere Lebensumstände selbst zu
bestimmen.
Laura Höh
ist aktiv im
Studierendenverband SDS &
aktiv in der AStA Projektstelle
für Studierende mit Kind
© Nathan Dumlao / unsplash.com
Der Sozialistisch-Demokratische Studierendenverband
ist eine bundesweit aktive
Hochschulgruppe und sieht sich als eine radikale
Opposition zu den neoliberalen, antidemokratischen,
autoritären Entwicklungen
und Strukturen der Gesellschaft. Wir kämpfen
gegen Sozialabbau, Sexismus, Diskriminierung
und Ausgrenzung sowie gegen Krieg und Umweltzerstörung;
Und somit für eine Gesellschaft die
nicht auf Profit und Wachstum ausgerichtet ist,
Wir treffen uns jeden Mittwoch
um 19 Uhr regulär im Linken Zentrum
- Pandemiebedingt Online.
sondern alle an ihrem Reichtum teilhaben lässt.
Wir wollen die Welt nicht nur interpretieren, sondern
als außerparlamentarische Opposition dazu
beitragen sie zum besseren zu verändern. Das
bedeutet, dass wir nicht nur an der Hochschule
sondern auch gesamtgesellschaftlich aktiv sind;
wir organisieren Demonstrationen, Bildungsveranstaltungen,
kreative Aktionen und beteiligen
uns an Bündnisarbeit.
Eine andere Welt ist möglich, mach mit!
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BETRIEB & GEWERKSCHAFT
© Bastian Greshake Tzovaras /flickr.com / CC BY-SA
In der Corona-Krise wurde für die Pflege viel geklatscht.
Selbst den Letzten schien nun zu dämmern, dass ein kaputt
gespartes und auf das Erzielen von Profit getrimmtes
Gesundheitssystem keine gute Voraussetzung dafür ist,
eine Pandemie zu bekämpfen. Es wurde viel geredet über
Systemrelevanz und Bonuszahlungen. Nach über einem
Jahr ist davon wenig geblieben. Die Bonuszahlungen fielen
mager aus - wenn sie überhaupt kamen. Die Arbeitsbedingungen
in der Pflege sind derweil noch immer desaströs.
Zu wenig Personal, zu wenig Zeit, eine zu schlechte Bezahlung.
Da sich Bundes- und Landesregierungen noch immer
Hallo ihr Beiden, wie seid ihr auf die Idee gekommen,
eine Petition zu starten?
Wir arbeiten bereits einige Jahre in der Pflege und haben beobachten
müssen, wie sich die Bedingungen im Kliniksetting sukzessive verschlechtert
haben. Mit Einführung der DRGs (Fallpauschalen) wurden
zahlreiche Stellen abgebaut, die Anzahl Patien:innen blieb
gleich. Mittlerweile existiert ein ausgeprägter Pflegenotstand.
Die Arbeitsbedingungen insbesondere in der
somatischen Pflege sind vielerorts untragbar, Patient:innen
können nicht mehr adäquat versorgt
werden, lediglich eine Minimalversorgung kann
gewährleistet werden. Pflegekräfte kompensieren
seit Jahren die chronische Unterbesetzung
und zunehmende Arbeitsdichte, verzichten auf
Pausen und sammeln Unmengen Überstunden
an. Die physische und psychische Dauerbelastung
macht es unmöglich, sich richtig zu erholen,
krankheitsbedingte Ausfälle und Burnout sind
die Folgen. Den Pflegenden reicht es so langsam.
Viele Pfleger:innen kehren der Pflege den Rücken
zu oder nutzen den Job nur noch als Sprungbrett für
ein Studium. Mittlerweile ist auch unserer Bundesregierung
aufgefallen, dass sie den massiven Pflegenotstand nicht
mehr ignorieren kann. Gut gemeinte Programme wie das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz
(PpSG) des Gesundheitsministers Jens Spahn
verlaufen jedoch im Sande, da bei den bestehenden miesen Arbeitsbedingungen
und stagnierend geringem Gehaltsniveau potentiell interessierte
Pflegekräfte dankend ablehnen.
Eine faire, der Leistung entsprechende, Entlohnung könnte unserer Ansicht
nach dazu führen, dass sich wieder mehr Interessierte der Pflege
zuwenden, so dass über das PpSG in einem zweiten Schritt der Pflegeschlüssel
bedarfsgerecht angepasst werden könnte. Doch davon will
unser Gesundheitsminister Jens Spahn nichts wissen. Er ruht sich lieber
weiter auf seiner sichtbar erfolglosen Strategie aus und wartet auf die
Dinge, die da kommen. Wir werden das nicht weiter hinnehmen!
Da Jens Spahn scheinbar nicht der adäquate Ansprechpartner für uns
ist, haben wir uns mit unseren Forderungen an unsere Arbeitnehmervertretung,
die ver.di, gewendet. Gemeinsam mit der ver.di wollen wir
Druck auf die Regierung ausüben und eine angemessene Lohnerhöhung
sowie einen bedarfsgerechten Personalschlüssel erkämpfen.
Was sind eure konkreten Forderungen an die ver.di?
verzweifelt an ihre neoliberalen Dogmen klammern, ist von
dieser Seite gerade wenig zu erwarten. Deshalb haben sich
die Pfleger:innen Joanne, Annika, Peter, Marcel und Michael
dazu entschieden, wenigstens ihre Gewerkschaft zum Handeln
zu bewegen. Denn im September 2021 stehen wieder
Tarifverhandlungen an. Eine Petition, die schon von über
100.000 Menschen unterschrieben wurde, fordert von der
verdi, dieses mal nicht klein beizugeben, sondern über harte
Verhandlungen zu einer echten Trendwende zu kommen.
Wir haben mit Peter und Michael über ihre Forderungen gesprochen.
Zunächst einmal ist es uns wichtig zu erwähnen, dass wir die ver.di nicht
als Kontrahentin betrachten. Wir wollten die ver.di lediglich öffentlichkeitswirksam
ansprechen, um Kontakt zum Vorstand und der Verhandlungskommission
zu bekommen. Nur so haben wir eine Chance, unsere
Forderungen durchsetzen zu können. Und zwar gemeinsam mit der ver.
di. Wir sind der Ansicht, dass es Zeit ist für deutliche Verbesserungen in
der Pflege – sowohl auf monetärer Ebene als auch beim Personalschlüssel.
Die Pflege heutzutage basiert auf aktuellen Erkenntnissen aus der
Forschung und bietet eine ganzheitliche, auf das Individuum abgestimmte
und ressourcenfördernde Krankenversorgung.
Der Qualitätsstandard ist erheblich gestiegen, die Pflege
hat zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen.
Das, was sich über die Jahre hinweg nicht verändert
hat, ist das Gehaltsniveau.
Zudem geht es uns um ein bedarfsgerechtes
Aufstocken des Pflegepersonals. In Deutschland
versorgt derzeitig eine Krankenpfleger:in
mit durchschnittlich 13 Patient:innen doppelt
so viele wie vergleichsweise eine Pfleger:in in
der Schweiz.
Wir sind der Ansicht, dass eine angemessene
Gehaltssteigerung von 33% das Schlüsselelement
dafür ist, dass sich wieder mehr Interessent:innen
der Pflege zuwenden. Darüber würde sich ein
bedarfsgerechter Personalschlüssel, idealerweise im
Verhältnis 1 zu 5 (wie in Teilen der USA bereits etabliert),
sukzessive realisieren lassen. Die Bedingungen in der Pflege
sowie auch der Pflegenotstand könnten sich nachhaltig entspannen.
33 % mehr Lohn klingt vielleicht für einige Menschen, nach
einer ungewöhnlich hohen Forderung. Warum denkt ihr,
dass das gerechtfertigt ist?
Über einen hohen Verhandlungsanker von 33% wollen wir
klarmachen, dass das aktuelle Gehaltsniveau längst nicht
mehr zeitgemäß ist. Der hohe Pflegestandard, die zunehmende
Arbeitsdichte, die oftmals gesundheitsbelastenden
Bedingungen und hohe Verantwortung stehen
einem unangemessen geringen Gehalt entgegen. Daher fordern
wir jetzt eine signifikante Lohnerhöhung, bei der trotz Inflation und
Steuerprogression nachhaltig etwas unterm Strich übrig bleibt.
Des Weiteren ist unsere Forderung nicht weit von der des Deutschen
Berufsverbands für Pflegeberufe entfernt, der für ein Einstiegsgehalt
von 4000 € plädiert.
Wir sind auch der Ansicht, dass der fortschreitende Pflegenotstand
nur dann aufzuhalten ist, wenn der Pflegeberuf signifikant
aufgewertet wird. Jens Spahn kann noch so viele Programme zur
Stärkung des Pflegepersonals (PpSG) initiieren. Ohne deutliche
monetäre Anreize werden diese ineffektiv bleiben.
14 |
KULTUR
Wie hat ver.di bisher auf eure Petition
reagiert? Konntet ihr schon etwas erreichen?
Es hat etwas gedauert, aber mittlerweile hatten
wir eine gemeinsame Videokonferenz mit
dem Bundesvorstand Sylvia Bühler und der
Gewerkschaftssekretärin Susanne Scharrmann.
In dem freundlichen Treffen wurde
deutlich, dass unsere Forderungen schwer
zu erreichen sind, da der Organisationsgrad
der Pflege gemeinhin als sehr niedrig gilt. Die
Streikbereitschaft in der Pflege und somit der
notwendige, zu erzeugende Druck seien erfahrungsgemäß
zu gering.
Wir haben uns darauf verständigt, zukünftig
weiteren ver.di -Treffen beizuwohnen, in denen
es darum geht, die Pflege aktivierende öffentlichkeitswirksame
Aktionen zu planen. Uns
geht es darum, zu zeigen, dass sich die Pflege
sehr wohl organisieren kann. Dazu laufen bereits
an mehreren Standorten klinikintern und
– übergreifend Vernetzungskampagnen.
Die Pflege galt ja in der Vergangenheit meist
als ein Bereich, in dem es schwierig ist, Arbeitskämpfe
zu organisieren. Wie steht es um
die Streikbereitschaft der Beschäftigten?
Die Arbeitsbedingungen haben auch unabhängig
von Corona ein gesundheitsschädliches
Niveau erreicht, Frust und Erschöpfung bestimmen
den Pflegealltag. Der Pflege reicht es
so langsam. Immer mehr Pflegekräfte wehren
sich aktiv, springen nicht mehr ein, erheben
endlich Haupt und Stimme. Beste Voraussetzungen
für eine hohe Streikbereitschaft.
Dass schon viele Menschen eure Petition
unterschrieben haben, macht ja deutlich,
dass es eigentlich viel Unterstützung für
eure Anliegen aus der Gesellschaft gibt.
Was können Menschen außerhalb der
Krankenhäuser tun, um euch zu unterstützen?
Wir haben derzeit rund 100000 Unterstützer:innen,
das freut uns sehr. Wir haben die
Möglichkeit, unsere Unterstützer:innen auf
Aktionen, Projekte und demnächst anstehende
Streiks über einen Newsletter aufmerksam
zu machen. Wir sind dabei, uns zu vernetzen
und öffentlichkeitswirksame Aktionen gemeinsam
mit unseren Kooperationspartnern zu
planen. Wir freuen uns über jede zusätzliche
Unterstützung, insbesondere von Menschen
außerhalb des Kliniksettings. Unterstützt uns
Pflegende bei unseren Aktionen, werdet genauso
laut wie zu Beginn der Pandemie. Nur
gemeinsam sind wir stark!
Teilt unsere Petition www.change.org/pflegenotstand
mit allen Freund:innen und Bekannten...
Vielen Dank für das Gespräch!
Wir bedanken uns herzlich für die
vorbildliche Unterstützung von Sei
ten der Münster-Linken, insbeson
dere bei der Fraktionsgeschäftsfüh
rerin Johanna Wegmann.
DAS INTERVIEW
WURDE GEFÜHRT VON
JOHANNA WEGMANN
Neben der Gastronomie und Clubszene,
treffen die aktuellen Einschnitte und Restriktionen
die Kultur am härtesten. Die verschiedenen
Kulturschaffenden sehen einer
ungewissen Zukunft entgegen, persönliche
Existenzen stehen auf dem Spiel – und dies
unverschuldet! Mag auch ein Ende der Pandemie
absehbar sein, mit deren Folgen wird
die städtische Gesellschaft in Münster noch
lange zu kämpfen haben. Steigende Ausgaben
etwa im sozialen Bereich oder bei der
Digitalisierung von Schulen, stehen sinkenden
Steuereinnahmen gegenüber; ein Verteilungskampf
wird die logische Folge sein. Wie
bei all solchen Verteilungskämpfen üblich,
drohen die »Kleinen« auf verlorenem Posten
zu stehen. Einer dieser »Kleinen« wird die
Kultur in Münster, insbesondere die Freie
Kulturszene sein. Es ist die Aufgabe linken
Kulturpolitik, dieser Szene beizustehen, ihren
Erhalt zu sichern und sie bei der Entwicklung
neuer Perspektiven zu unterstützen. Andererseits
muss auch gezeigt werden, wo die
entsprechenden Mittel bei limitierten Ressourcen
zu suchen sind: Etwa im Ausstieg
aus dem FMO im Allgemeinen oder dem
Verzicht auf einen Musikcampus im Besonderen.
Die Zeit für »Leuchttürme« ist vorbei,
solange nicht die Kulturszene Münster in all
ihrer Vielfalt gerettet ist!
© Graydon Driver / unsplash.com
Ähnlich wie bei einem leblosen Körper, der
mit einem Defibrillator wiederbelebt wird,
wird auch die Kultur Impulse nach der Pandemie
benötigen. Ein solcher könnte z.B.
ein großes Kulturfest sein, bei dem sich die
verschiedenen Akteure in ihrer Vielfalt präsentieren
können. Seriös kann derzeit aber
niemand sagen, wann ein solches Festival
möglich wäre; vor 2022 ist hieran wohl
nicht zu denken. Alle Impulse werden aber
vergeblich sein, wenn der Kulturszene nicht
auch eine entsprechende Infrastruktur zur
Verfügung gestellt wird. Dies reicht von der
Schaffung von kostengünstigen Ateliers über
die Bereitstellung von Ausstellungs- und Proberäumen
für die Freie Szene bis hin zum Erhalt
bereits bestehender Räumlichkeiten. Als
zentral für die Freie Kulturszene könnte sich
das Ex Heerde Kolleg am Hoppengarten entwickeln,
wo sich bereits einige Proberäume
und Ateliers befinden. Allerdings ist schon
jetzt absehbar, dass der Bedarf der Freien
Szenen über den dortigen Möglichkeiten
liegt, zumal dort nun auch noch eine Kita und
Räumlichkeiten für das Ringenberg Stipendiumprogramm
dauerhaft angesiedelt werden
sollen. Überhaupt entsteht der Eindruck,
dass auch bei diesem Projekt die Freie Kulturszene
lediglich als Feigenblatt dienen soll.
Erst auf wiederholte Nachfrage der Kulturschaffenden
hatte die Stadt einen Kommunikationsprozess
in Aussicht gestellt, der aber
bis dato noch nicht umgesetzt wurde.
Die Krise bietet nun die Chance, durch die
Einrichtung eines permanenten Kulturrates
den Kommunikationsprozess in Gang zu bringen.
Dieser Rat würde die Kulturschaffenden
an der Arbeit des Rates und der Ausschüsse,
insbesondere bei der Verteilung finanzieller
Mittel für die Freie Kulturszene, beteiligen
und eine enge Zusammenarbeit zwischen
Kulturstätten und Kulturschaffenden fördern.
Corona hat gezeigt, wie löchrig die soziale
Absicherung für Kulturschaffende ist. Als
besonders nachteilig hat sich gezeigt, dass
die meisten keine Möglichkeiten haben, sich
gegen Arbeitslosigkeit zu versichern. Zwar
gibt es eine freiwillige Arbeitslosenversicherung,
deren Zugang ist allerdings begrenzt.
Eine freiwillige Versicherung kann nur beantragen,
wer in den letzten 30 Monaten zwölf
Monate lang pflichtversichert war. Damit
sind die meisten, die schon seit Jahren freiberuflich
in der Kultur arbeiten, ausgeschlossen.
Mehr noch, wer zweimal Leistungen der
freiwilligen Arbeitslosenversicherung bezieht,
bevor ein neuer Anspruch (12 Monatsbeiträge)
erworben wurde, fliegt raus und
hat keine Chance, sich weiter zu versichern.
Diese Praxis wird schon seit Jahren kritisiert
– und es wäre jetzt die Zeit, die freiwillige
Arbeitslosenversicherung für Freiberufler:innen
und Soloselbständige, nicht nur in der
Kultur, zu öffnen, damit diese Menschen bei
zukünftigen Krisen abgesichert wären. Auch
müsste der Begriff »Künstler« weiter gefasst
werden. Bis dato ist für den Staat ein »Künstler«,
wer in der Künstlersozialversicherung
ist. Der Kreis der Kulturschaffenden ist aber
größer! Menschen, die in sozio-kulturellen
Projekten oder in der ErinnerungsKULTUR arbeiten,
gelten nicht als »Künstler«, haben keinen
Zugang zur Künstlersozialkasse und sind
besonders in der ersten Phase der Pandemie
durch sämtliche Raster gefallen und eiskalt
in Hartz IV abgeschoben worden. Dies ist natürlich
ein Problem, welches nicht in Münster
gelöst werden kann, aber die selbsternannte
Stadt von Kunst und Kultur könnte sich für
diese Menschen einsetzen. Wenn es stimmt,
dass in jeder Krise auch eine Chance steckt,
dann sollten wir die Chance nutzen, Menschen
in und außerhalb der Kultur zukünftig
sozial besser abzusichern, damit alle in der
Lage sind, ein selbstbestimmtes und kreatives
Leben führen zu können.
VON TIMM RICHTER
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Unsere politischen Grundsätze:
DIE LINKE. Münster steht für radikalen
gesellschaftlichen Wandel. Wir stellen uns
entschlossen gegen den neoliberalen Privatisierungswahn
und fordern die konsequente
und sofortige Vergesellschaftung
elementarer Daseinsvorsorge. Dazu gehören
für uns Banken und Energiekonzerne,
Bus- und Bahnanbieter sowie Kommunikation
und Wohnraum.
Die Eigentums- und Verteilungsfrage ist
für unsere Zukunft von zentraler Bedeutung.
Denn das kapitalistische Wirtschaftssystem
hat die Umwelt der Erde an den
Rand des Kollaps geführt: Der Meeresspiegel
steigt, extreme Wetterlagen nehmen zu
und Wüsten breiten sich aus. Wer die Welt
retten möchte, muss den Kapitalismus
überwinden. Lasst es uns gemeinsam angehen!
Darum bin ich Sozialist:
Ihr wolltet schon immer mal wissen wer hinter der LINKEN steckt?
Wir stellen euch in jeder Ausgabe nach und nach unser Aktivist:innen vor.
Ich bin Sozialist, weil ich weiß, dass
der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte
sein muss. Tagtäglich überschlagen
sich die Horrormeldungen – Krieg,
Hunger, Umweltzerstörung, Klimawandel,
Artensterben. Tagtäglich sterben Menschen
in Kriegen um Ressourcen und
Macht, verhungern, sterben an heilbaren
Krankheiten, müssen ihre Heimat verlassen
und fliehen oder leben in bitterer
Armut im Angesicht absurden Reichtums.
Wir nehmen das hin, weil uns gesagt wird,
dass es nun mal so sein müsse und es bedauerlicher
Weise keine Alternative gäbe.
Das ist schlicht und einfach gelogen.
Denn noch nie in der Geschichte unserer
Spezies hatte die Menschheit ein auch
nur ansatzweise vergleichbares Niveau
an Reichtum und Produktivität erreicht.
Das Problem ist nicht, dass nicht genug
da wäre, um allen ein gutes und sicheres
Die Reichen werden immer reicher, während
die Armen immen zahlreicher werden.
Alleine wenn wir uns die Stadt Münster
anschauen, stellen wir fest, dass einigen
Wenigen gefühlt die ganze Stadt gehört,
während andere seit Jahren Arbeit suchen
und vom Markt zerquetscht werden. Wir
brechen mit dieser (Un-)Logik. Für uns
steht der Mensch im Mittelpunkt, nicht der
Profit: Höhere Löhne, bessere Renten,
Steuerentlastung für Menschen mit Einkommen
unter 7.200 Euro und eine deutliche
Steuererhöhung für alle mit Einkommen
über einer Mio. Euro. Und keine Angst:
Wir wollen die Steuerstaatsbürgerschaft
einführen. Das bedeutet, jede:r Deutsche
auf der Welt muss hier seine Steuern zahlen!
In der Konsequenz heißt das: Bye-Bye
Steueroase!
Wir kämpfen nicht nur in den Parlamenten,
sondern stehen auch auf der Straße an
der Seite von sozialen Bewegungen und gewerkschaftlichen
Kämpfen. Für uns gehört
der Kampf gegen Kapitalismus, Sexismus,
Antisemitismus, Rassismus und jede andere
Form der Unterdrückung zusammen!
Mach mit: Gemeinsam machen wir
Politik für die Vielen, nicht die Wenigen!
Leben zu ermöglichen. Das Problem ist,
dass die vorhandenen Möglichkeiten genutzt
werden, um Profite zu erwirtschaften
und die Reichen reicher zu machen,
anstatt die Bedürfnisse der Allgemeinheit
zu befriedigen. Die Zeit für eine Alternative
ist mehr als reif. Im Angesicht von Klimawandel
und Pandemie scheint es, als
ob der Kapitalismus wirklich auf dem besten
Wege ist, die Spezies Mensch auszurotten
und Rosa Luxemburgs berühmter
Ausspruch »Sozialismus oder Barbarei«
wirkt realer denn je. Aber das Versagen
des Systems muss nicht bedeuten, dass
wir mit ihm zusammen untergehen. Es
kann auch die Chance auf etwas neues
bieten – wenn wir uns organisieren und
gemeinsam darum kämpfen. Ich will nicht
Teil einer Generation sein, die geboren
wurde, um das Ende der Welt zu erleben.
Ich will Teil der Generation sein, die dieses
verrottete System endlich abschafft
und eine bessere Welt für alle erkämpft!
Ich will, dass wir aus der Asche des kapitalistischen
Albtraums die Träume der Zukunft
erschaffen! Darum bin ich Sozialist!
VON LUKAS HOCHBERGER
Offene
Aktiventreffen:
Jeden Dienstag
um 19 Uhr,
Achtermannstraße 19
- Pandemiebedingt
Online.