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Baumeister 5/2021

Pittoresk

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B5<br />

Editorial<br />

COVERFOTO: HANNES HEITMÜLLER<br />

Auch wenn das Wort „pittoresk“ harmlos<br />

klingt – als Titel für eine Ausgabe des <strong>Baumeister</strong>s<br />

ist es eine Provokation. Haben wir<br />

uns jetzt etwa dem Süßlichen, ja Kitschigen<br />

verschrieben? Denn genau diese Bedeutung<br />

hat das Wort – beziehungsweise seine deutsche<br />

Übersetzung „malerisch“ – heute oftmals.<br />

Dass dem nicht immer so war, erklären<br />

wir ab S. 14. Die Bauten, die wir in diesem Heft<br />

vorstellen, interpretieren diesen Begriff unterschiedlich,<br />

doch fast immer spielt ein klarer<br />

Rückbezug auf die vormoderne Architektur<br />

eine wichtige Rolle. Vor allen Dingen aber<br />

lassen sie die Sehnsucht nach einer Schönheit<br />

jenseits des Funktionalen erkennen,<br />

nach Bauschmuck, nach der Kontinuität historischer<br />

Formen.<br />

Sehnsucht, Sentiment, Nostalgie sind Begriffe,<br />

mit denen die heutige Architektur wenig<br />

anzufangen weiß. Ebenso wie das Pittoreske<br />

werden sie misstrauisch beäugt. Dort, wo<br />

Neubauten solcher Gefühlsduselei verdächtig<br />

sind, ist das Urteil häufig ungnädig. Selbst<br />

bei den mehr oder minder gelungenen Rekonstruktionsprojekten<br />

der vergangenen<br />

Jahre (zu ersteren zählen die zwei Neubauten<br />

in Lübeck, die wir ab S. 28 zeigen) pochen<br />

Bauherren und Architekten zumeist darauf,<br />

dass allein urbanistische oder architekturhistorische<br />

Argumente für den Wiederaufbau<br />

eine Rolle gespielt hätten. Ist denn die Sehnsucht<br />

nach einer pittoresken Schönheit so<br />

verwerflich? Die Moderne hat sich in den ersten<br />

Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mit aller<br />

Kraft gegen das malerische Element in<br />

der Architektur geworfen, das im 19. Jahrhundert<br />

so zentral für die Baukunst war. Noch<br />

der Jugendstil, die Arts-and-Crafts-Bewegung<br />

oder die Art Nouveau mochten sich<br />

davon nicht lossagen. Der positivistische<br />

Grundzug, der aber bis heute im Kern den<br />

Wesensgehalt der Moderne ausmacht, steht<br />

jedem Sentiment im Grunde fremd gegenüber.<br />

Nur in Nischen vermochte das Pittoreske zu<br />

überleben: im Sakralbau etwa. Die Feld- und<br />

Wegkapelle hat in den letzten Jahren eine<br />

regelrechte Renaissance als Thema in der<br />

Architektur erlebt. Unseren Artikel zu dem<br />

Projekt „7 Kapellen“ lesen Sie ab S. 40. Hier<br />

darf Architektur ungestraft Blickfang in der<br />

Landschaft und Gefühlskatalysator gleichermaßen<br />

sein – genauso wie in den englischen<br />

Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts, die<br />

am Beginn der malerischen Architektur<br />

stehen.<br />

Fabian Peters<br />

f.peters@georg-media.de<br />

@der_baumeister<br />

@baumeister_architekturmagazin

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