Baumeister 5/2021
Pittoresk
Pittoresk
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14 Einführung<br />
Wie gemalt!<br />
Als Rem Koolhaas im Rahmen seines „Project on<br />
the City“ im Jahr 2001 seine Neudefinition des Pittoresken<br />
veröffentlichte, hatte der Begriff schon<br />
eine mehr als 300-jährige wechselvolle Geschichte<br />
im Kunstdiskurs hinter sich – beginnend mit dem<br />
venezianischen Maler Marco Boschini im Jahr 1660<br />
bis hin zum großen deutsch-britischen Kunsthistoriker<br />
Nikolaus Pevsner in der Mitte des 20. Jahrhunderts.<br />
Pevsner bezeichnete mit pittoresk etwas<br />
wesentlich anderes als Boschini knapp 300 Jahre<br />
zuvor: Der Venezianer wollte mit dem Begriff die<br />
Malweise seiner Landsleute beschreiben, die weniger<br />
glatt und zeichnerisch war als etwa die der<br />
Florentiner. Pevsner dagegen nannte das unregelmäßige<br />
und bewegte, gleichzeitig aber harmonische<br />
und einheitliche Bild, das er bei englischen<br />
Stadtbildern und Architekturen als Hauptwesenszug<br />
ausmachte, pittoresk.<br />
Koolhaas‘ neue Definition des Pittoresken war eine<br />
Kampfansage an die Deutung Pevsners und vor<br />
allem seiner Nachfolger. Die Pevsnersche Lesart<br />
hatte gerade in den angelsächsisch geprägten<br />
Ländern viel Wirkungsmacht entfaltet. Mit ihrem<br />
Pictoresque kapern Koolhaas und seine Mitarbeiter<br />
im Project on the City den Begriff regelrecht und<br />
deuten ihn radikal um: Sie nennen nun das unzusammenhängend<br />
Nebeneinanderstehende Pictoresque©.<br />
1 Diese Definition hängt unmittelbar zusammen<br />
mit Koolhaas‘ Konzept der „Generic City“,<br />
das das kontextuelle Bauen im Stadtraum verwirft<br />
und kein Problem darin sieht, einen Wolkenkratzer<br />
neben eine gotische Kathedrale zu stellen. Mit dieser<br />
Theorie hat Koolhaas den Diskurs insbesondere<br />
in den Niederlanden nachhaltig beeinflusst, etwa<br />
in Den Haag, wo unter seinem Einfluss das Konzept<br />
eines einheitlichen Stadtbilds aufgegeben wurde.<br />
3<br />
Die neue Kontinuität<br />
Aber inzwischen beziehen in den Niederlanden<br />
eine ganze Reihe von Architekten eine klare Gegenposition<br />
zum Bauen ohne Einbeziehung des<br />
gewachsenen städtebaulichen Umfelds: Büros wie<br />
Monadnock, Happel Cornelisse Verhoeven, Office<br />
Winhov oder Hans van de Heijden sind ein bis zwei<br />
Generationen jünger als Koolhaas und die Heroen<br />
des „Superdutch“, deren Neuinterpretation der<br />
Moderne der niederländischen Architektur in den<br />
letzten 30 Jahren Weltruhm bescherte. Job Floris,<br />
einer der beiden Partner von Monadnock, ist einer<br />
dieser „Rebellen“, die den Manifesten, Theorien<br />
und Überzeugungen von Koolhaas, Winy Maas<br />
oder Ben van Berkel nicht mehr blind folgen mögen.<br />
International für Furore sorgten Monadnock<br />
mit ihrer „Landmark Nieuw Bergen“ (3). Das kleine<br />
4<br />
3 Landmark Nieuw<br />
Bergen von Monadnock<br />
4 Forum Museumsinsel<br />
von David Chipperfield<br />
Architects in Berlin<br />
5 Deckengewölbe des<br />
Berliner U-Bahnhofs Museumsinsel,<br />
der im Sommer<br />
<strong>2021</strong> eröffnet wird. Max<br />
Dudler bezieht sich auf<br />
Schinkels Bühnenprospekt<br />
zu Mozarts Zauberflöte.<br />
6 Eingangsgebäude zum<br />
Auckland Castle von Níall<br />
McLaughlin Archi tects,<br />
London<br />
7 Turmvilla von Dok<br />
Architecten<br />
8 Den Hof ihrer Employment<br />
Academy in London<br />
schließen Peter Barber<br />
Architects nach dem Vorbild<br />
des Pinienhofs im Vatikan<br />
mit einer Exedra ab.<br />
FOTO 3: STIJN BOLLAERT; 4: UTE ZSCHARNT