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Junia Ausgabe 3/2021

Junia ist das Mitgliedermagazin des kfd-Bundesverbandes. Mehr unter: www.junia-magazin.de

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MAI/JUNI <strong>2021</strong><br />

Mitgliedermagazin der kfd –<br />

Katholische Frauengemeinschaft<br />

Deutschlands<br />

FRAU UND MUTTER HAT JETZT EINEN NAMEN –<br />

Farbe<br />

BEKENNEN!<br />

SCHAFFT DIE KIRCHE DEN WEG<br />

ZU MEHR VIELFALT UND TRANSPARENZ?<br />

FEMINISMUS HEUTE<br />

Selten war so viel davon:<br />

Chance oder Falle?<br />

JUNIA INSPIRIERT<br />

Die Apostelin in der<br />

Kunst und in der Musik<br />

GEHEN ODER BLEIBEN?<br />

Zwei Schwestern erzählen<br />

ihre katholische Geschichte


WIE WAHR! „W ER S CH WA R Z-WEI S S D EN K T, D EM<br />

© Jürgen Wilbert (*1945),<br />

GRAUT VOR ZWISCHENTÖNEN.“ Dr. phil., deutscher Literat und Aphoristiker<br />

Psychologische Farbenlehre:<br />

Rot ist die Liebe, Grün ist die<br />

Jugend und was ist Blau?<br />

www.farbenlehre.com<br />

Zum Ausmalen!<br />

EIN FARBKASTEN IST NICHT<br />

EINFACH EIN FARBKASTEN.<br />

In Deutschland hat er eine<br />

DIN-Norm (DIN 5023:1989-02) und<br />

muss diese zwölf Farben, enthalten:<br />

Gelb, Magentarot, Cyanblau,<br />

Orange, Zinnoberrot, Violett,<br />

Ultramarin, Blaugrün, Gelbgrün,<br />

Ockergelb, Gebrannte Siena,<br />

Schwarz und eine Tube Deckweiß.<br />

LEGENDÄR!<br />

„Du hast den Farbfilm<br />

vergessen, mein Michael!”<br />

Nina Hagen<br />

Bringen wir doch mal<br />

Farbe<br />

(f…), die<br />

ins Spiel<br />

Kein Grund,<br />

schwarzzumalen!<br />

3 GRUNDFARBEN<br />

Der älteste bisher<br />

bekannte Farbfilm ist in<br />

einem National Media<br />

Museum im englischen<br />

Bradford entdeckt worden.<br />

Die Filmrollen, die auf das<br />

Jahr 1902 geschätzt werden,<br />

zeigen Aufnahmen<br />

des britischen Fotografen<br />

und Erfinders Edward Turner.<br />

Darauf zu sehen: Drei<br />

Kinder, Sonnenblumen,<br />

ein Goldfisch und ein<br />

bunter Papagei.<br />

unendlich<br />

viele<br />

Mischfarben<br />

Statt zu versuchen,<br />

genau das wiederzugeben,<br />

was ich vor<br />

Augen habe, bediene<br />

ich mich der Farbe<br />

viel willkürlicher,<br />

um mich kraftvoll<br />

auszudrücken.<br />

Vincent van Gogh, holländischer Maler<br />

(1853 - 1890)<br />

Staaten lieben Rot<br />

Rot die beliebteste aller Flaggenfarben und<br />

taucht weltweit in beinahe drei Viertel aller<br />

Nationalflaggen auf – knapp vor Weiß. Es folgt<br />

Blau mit immerhin 50 Prozent. Mehr als 80<br />

Prozent aller afrikanischen Länder tragen Grün<br />

in ihren Fahnen, weltweit sind es rund 44<br />

Prozent. Den Multicolor-Weltrekord hält<br />

übrigens das Zwölf-Farben-Wunder von Belize.<br />

Farbfernsehen?<br />

Offizieller Starttermin:<br />

25. August 1967,<br />

Funkausstellung Berlin<br />

Statistik aus den Jahren 1972 – 1974:<br />

50 % aller Haushalte in Deutschland haben jetzt einen<br />

Farbfernseher – 90 % aller Übertragungen sind in Farbe<br />

180<br />

Millionen<br />

Menschen<br />

haben eine<br />

rot-grün-<br />

Schwäche<br />

Bekannte<br />

Filme,<br />

Bücher und<br />

Songs<br />

Die Farbe Lila<br />

Drei Farben Blau<br />

Purple Rain<br />

Yellow Submarine<br />

Die rote Zora<br />

DIE BUNTESTE VILLA DER WELT: VILLA KUNTERBUNT<br />

Nicht vergessen: Am 21. Mai feiern wir den Geburtstag von Pippi Langstrumpf!<br />

Zusammengetragen von Jutta Laege, lllustration: Christina Claßen<br />

MUTTERSPRACHE


Editorial<br />

Der Mai<br />

und die Hoffnung<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

Unter die weißblühenden Maiglöckchen mit ihren frischen<br />

grünen Blättern auf unserer Titelseite hat sich eine<br />

pinkfarbene Blüte geschmuggelt: Willkommen im Wonneund<br />

Marienmonat, den wir zum Anlass nehmen wollen,<br />

Farbe ins Spiel zu bringen. Weil uns der bunte Frühling das<br />

Leben hoffentlich wieder ein bisschen leichter macht. Weil<br />

das belastende Corona-Alltagsgrau hoffentlich ein bisschen<br />

weggewischt ist. Grün klingt ja immer nach Hoffnung, das<br />

germanische „groa“ = Ursprung liegt darin. Und so klammern<br />

wir uns daran, auch wenn zu Redaktionsschluss angesichts<br />

hoher Infektionszahlen, schleppender Impfung,<br />

Virus-Mutanten und anderer Schwierigkeiten immer noch<br />

unklar ist, ob der Mai hält, was er verspricht ...<br />

„Alles neu macht der Mai“ heißt es ja außerdem – und<br />

Farbe tut wirklich not: Farbe – im Sinne von Farbe bekennen<br />

– ist ein zentrales Thema dieser <strong>Junia</strong>-<strong>Ausgabe</strong>.<br />

Das gilt für die katholische Kirche mit Blick auf die Missbrauchsaufarbeitung<br />

weiterhin (S. 25). Das gilt für den<br />

Umgang der Kirche mit gleichgeschlechtlichen Paaren,<br />

wie der große Protest gegen das Segnungsverbot aus Rom<br />

in den vergangenen Wochen gezeigt hat (S. 18). Es gilt<br />

immer noch für den diskriminierenden Umgang mit Frauen<br />

in der Gesellschaft. Die kfd plant gerade ihre alljährliche<br />

Aktionswoche, die auf die nach wie vor mangelnde<br />

Gleichstellung von Frauen aufmerksam machen wird (S.<br />

18).<br />

Und auch von der Gleichberechtigung in Diensten und<br />

Ämtern der Kirche sind Frauen weiterhin Jahrhunderte<br />

entfernt: 12 geistliche Begleiterinnen der kfd werden in<br />

diesem Mai, am Tag der<br />

<strong>Junia</strong>, zum zweiten Mal<br />

als Predigerinnen in einer<br />

Eucharistie auftreten –<br />

sie bekennen Farbe (S.<br />

16) und tragen dazu ihr<br />

Purpurkreuz. Kein Zufall,<br />

dass dieses Symbol farblich<br />

so erfrischend ist!<br />

Farbforscher, die eher in der Werbung oder im Fachgebiet<br />

visuelle Kommunikation anzutreffen sind, rechnen,<br />

so las ich kürzlich, nach dem Ende der Corona-Einschränkungen<br />

mit einer Explosion der Farben. Es darf, es muss<br />

bunt und damit vielfältig werden. Das möchte ich in dieser<br />

zermürbenden, sich wiederholenden Corona-Schleife<br />

uneingeschränkt unterschreiben. Auch wenn, zugegeben,<br />

viele Farben es manchmal schwieriger machen, den Überblick<br />

zu behalten. So ist es uns beispielsweise ergangen<br />

bei der Recherche zum Thema „Feminismus heute“ (S. 8).<br />

Aber lieber so, als im Nebel zu tappen ... Die unfassbare<br />

Sonderakte „Brüder im Nebel“, die der verstorbene<br />

Kölner Erzbischof Meisner über Geistliche angelegt hat,<br />

die sich nicht nur der Zölibatsverletzung (im kirchenrechtlichen<br />

Sinne), sondern des Missbrauchsvergehens (im<br />

strafrechtlichen Sinne) schuldig gemacht haben, könnte<br />

jetzt roter nicht leuchten: Stopp! Es reicht.<br />

Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen,<br />

wie ernst es den Verantwortlichen mit dem „Farbe bekennen“<br />

ist. Ob sie ein frisches Licht auf die Kirche werfen<br />

können – und sie im schönsten frühlingshaften Sinne wieder<br />

zum Blühen bringen werden, ist fraglich. Dieser eine<br />

Mai wird dafür nicht reichen.<br />

Bleiben Sie gesund!<br />

Ihre Jutta Laege<br />

Chefredakteurin<br />

Folgen Sie uns<br />

Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands


WIE<br />

MUSS<br />

Feminismus<br />

HEUTE<br />

SEIN?<br />

8


FRAUENFRAGEN<br />

Frauenbewegung, Geschlechtergerechtigkeit,<br />

Feminismus. Selten war so viel davon. Und<br />

selten war es so unübersichtlich. Zuletzt wurde<br />

am 8. März der Weltfrauentag – ja vielleicht<br />

muss man sagen – abgefeiert. Die<br />

Internet-Plattformen, die privaten Mitteilungen,<br />

die Medien sind voll davon. Kein Star, kein<br />

Sternchen, das sich nicht solidarisiert. Was sagt<br />

uns das über die Frauenbewegung von heute?<br />

Wo steht der Feminismus in diesem noch<br />

jungen, aufwühlenden Jahrzehnt? Und wo ist<br />

wirklich Feminismus drin?<br />

VON JUTTA LAEGE<br />

Den Feminismus gibt es natürlich genau genommen<br />

nicht. Und es kann auch keine für sich beanspruchen,<br />

ihn erfunden zu haben. Die sichtbaren Anfänge<br />

feministischer Ideen, im Sinne politischer Bewegungen<br />

in Deutschland, reichen ins 19. Jahrhundert zurück,<br />

die Frauen der ersten Frauenbewegung wie Louise Peters<br />

und Clara Zetkin verschafften sich durch ihre politische<br />

Arbeit Respekt. Louise Peters gründete den „Allgemeinen<br />

Deutschen Frauenverein“, es ging ihr insbesondere um die<br />

ökonomische Unabhängigkeit von Frauen. Clara Zetkin<br />

kämpfte in der proletarischen Frauenbewegung, begründete<br />

1910 den ersten Internationalen Frauentag, ebnete<br />

mit anderen Mitstreiterinnen den Weg zur Einführung des<br />

Frauenwahlrechts 1918. Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

markierten die 1960er- und 1970er-Jahre die nächste und<br />

bis heute ebenso maßgebliche zweite Frauenbewegung.<br />

Angefangen beim Recht auf Selbstbestimmung (des eigenen<br />

Körpers), erregten die Frauen um Alice Schwarzer<br />

nicht nur großes Aufsehen, sie sorgten auch dafür, dass<br />

zahlreiche frauendiskriminierende Gesetze überarbeitet<br />

und einkassiert wurden. „Es war eine linke, kapitalismuskritische<br />

Bewegung mit durchaus radikalen Positionen“,<br />

sagt Feminismus-Expertin und Autorin Beate Hausbichler<br />

und verweist darauf, dass zum Beispiel Veränderungen im<br />

Bereich der Gewaltschutz-Gesetzgebung auf die zweite<br />

Frauenbewegung zurückzuführen sind. Kein Zufall, dass<br />

die Eröffnung des ersten westdeutschen Frauenhauses, in<br />

dem Frauen Zuflucht vor gewalttätigen Männern fanden,<br />

in diese Zeit, in das Jahr 1976, fällt.<br />

Doch ist damit alles in schönster weiblicher Ordnung?<br />

Die Frauenbewegung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten<br />

liberalisiert, institutionalisiert, Frauen wurden in<br />

bestehenden Verhältnissen gestärkt. Hausbichler sieht den<br />

Feminismus heute am Scheideweg: „Es wurde vieles erreicht<br />

in der Gleichstellungspolitik. Aber was jetzt noch<br />

1. Louise Peters<br />

gründete den<br />

„Allgemeinen<br />

Deutschen<br />

Frauenverein“.<br />

2. Clara Zetkin<br />

begründete<br />

1910 den ersten<br />

Internationalen<br />

Frauentag.<br />

fehlt, so scheint es, muss jede für sich selbst ausmachen.“<br />

Der starke Individualisierungstrend unserer Gesellschaft<br />

schafft neue, ausdifferenzierte Positionen, kann aber auch<br />

zur Falle für den Feminismus werden. Denn je vielfältiger,<br />

desto unübersichtlicher und verwässerter wird er auch.<br />

Während die amerikanische Aktivistin Marie Shear<br />

(1940-2017) im vergangenen Jahrhundert noch notierte:<br />

„Feminism is the radical notion that women are people“<br />

(„Feminismus ist die radikale Auffassung, dass Frauen<br />

Menschen sind“), hat es die aktuelle Politik- und Genderforschung<br />

mit unzähligen Bewegungen zu tun: Vom<br />

radikalen Feminismus bis hin zu Netz-, Öko- und Queerfeminismus.<br />

Feminismus-Expertin Ilse Lenz von der Heinrich-Böll-Stiftung<br />

versucht es auf den Nenner zu bringen:<br />

„Grundanliegen aller feministischen Strömungen sind die<br />

Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichheit für alle Menschen,<br />

die im öffentlichen wie auch im persönlichen Leben<br />

verwirklicht werden sollen.“<br />

Eine „Feministin“ in den 1970er-Jahren galt als radikal,<br />

musste sich womöglich als solche beschimpfen lassen.<br />

Heute ist Feminismus neben all seinen Strömungen auch<br />

noch ein bedeutendes Label auf einem kapitalträchtigen<br />

Marktplatz der Möglichkeiten. „I‘m a feminist“, bekennen<br />

(nicht nur am Weltfrauentag) Prominente, Frauen, Männer<br />

und auch solche, denen man es eigentlich nicht abkaufen<br />

würde. „Es ist interessant“, sagt Hausbichler, „das<br />

linke, radikale Vokabular mischt sich mit eher angepassten<br />

Verhaltensweisen.“<br />

PROFITABLE GESCHÄFTE<br />

Aus einer politischen Bewegung ist ein hochprofitables<br />

Geschäft geworden, das von den tatsächlichen Zielen<br />

ablenkt und diese pervertiert. Die Vermarktung von Feminismus<br />

durchdringt klassische wie soziale Medien, die<br />

Schönheitsindustrie, die Kulturindustrie – und beeinflusst<br />

am Ende unser Verständnis von Autonomie. „Der Feminismus<br />

lässt sich von denen umarmen, mit denen er sich<br />

vor Jahrzehnten noch angelegt hat“, fasst Hausbichler zusammen.<br />

In Werbekampagnen wolle „die Industrie uns<br />

glauben machen, dass die wesentlichen frauenpolitischen<br />

Kämpfe hinter uns lägen, wir im Großen und Ganzen in<br />

einer gleichberechtigten Welt angekommen seien“. Problematisch<br />

findet sie auch, „dass Feminismus oft mit Karriere,<br />

Arbeit an uns selbst und Erfolg gleichgesetzt werde“.<br />

Dieser „Marktfeminismus“ liefert maßgeschneiderte<br />

Antworten: Selbstoptimierung und Selbstermächtigung,<br />

neudeutsch „Empowerment“, sind die Heilsbringer. Mit<br />

Forderungen nach Gleichberechtigung, Kampf gegen herrschende<br />

Männerstrukturen und Antidiskriminierung hat<br />

das nur noch bedingt zu tun.<br />

Autorin Julia Korbik hat dazu ähnliche Beobachtungen<br />

gemacht: „Nicht überall, wo Feminismus draufsteht,<br />

ist auch Feminismus drin. Meistens geht es nicht<br />

darum, die Gesellschaft tatsächlich gleichberechtigter<br />

zu machen und sie nachhaltig zu verändern, sondern<br />

vor allem Frauen zu vermitteln, der Kauf von angeblich<br />

feministischen Produkten sei bereits feministisches<br />

Engagement.“<br />

FRAUENFRAGEN<br />

9


10 FRAUENFRAGEN<br />

WAS<br />

FEMINISMUS<br />

NICHT IST<br />

Wortwahl<br />

Beim<br />

Feminismus<br />

geht es nicht<br />

darum, Frauen<br />

mehr Macht<br />

zu geben als<br />

Männern.<br />

Das wäre<br />

korrekterweise<br />

der Ruf nach dem<br />

„Matriarchat“.<br />

Feminismus<br />

bedeutet auch<br />

nicht Männerhass.<br />

Der Begriff<br />

hierfür ist<br />

„Misandrie“!<br />

frei nach: www.editionf.com<br />

Und dann war da noch<br />

das Sternchen – ein kleiner<br />

Ausflug in die Genderdebatte<br />

im nächsten Heft<br />

Sie kann dem populär gewordenen Label<br />

„Feminist*in“ aber auch viel Positives abgewinnen.<br />

„Noch vor Jahren, war das eine Marke,<br />

die sich kaum jemand anheften wollte.<br />

Das hat sich geändert, auch dank Bewegungen<br />

wie #MeToo und der Tatsache, dass zahlreiche<br />

Hollywood-Stars offen über ihre feministische<br />

Haltung sprechen. Wenn sich heute<br />

deshalb mehr junge Frauen mit Feminismus<br />

identifizieren können, warum nicht?“<br />

Und die jungen Frauen haben charismatische<br />

Antreiberinnen: Sophie Passmann und<br />

Margarete Stokowski haben mit Buchtiteln<br />

wie „Alte weiße Männer“ und „Untenrum<br />

frei“ deutliche Marken gesetzt. Im Internet<br />

gibt es unzählige Feminismus-Formate, Diskussions-Foren<br />

und Blogs, die die politische<br />

Perspektive der heute 20- bis 35-Jährigen in<br />

den Fokus nehmen. Das Bild, das dort entsteht,<br />

macht Mut: Die nächste Frauen-Generation<br />

ist tatkräftig und wortmächtig und<br />

kämpft für eine diskriminierungsfreie, nachhaltige<br />

Zukunft.<br />

Unterdessen gibt es ja auch noch viel zu<br />

viel zu tun: Aktuelle Statistiken und Umfragen<br />

fördern Erschreckendes zutage. In Deutschland<br />

wird an jedem dritten Tag ein Gewaltverbrechen<br />

an Frauen verübt. Immer noch sind<br />

Frauen von gleicher Bezahlung, gerechter<br />

Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit oder<br />

gleichen Aufstiegschancen in Politik und Wirtschaft<br />

so weit entfernt wie ein katholischer<br />

Priester von der Ehe. Eine von der kfd in Auftrag<br />

gegebene Umfrage (siehe <strong>Junia</strong> 02/<strong>2021</strong>)<br />

kam zu eindeutigen Ergebnissen, was es aus<br />

Frauensicht in Sachen Frauen-Politik zu tun<br />

gibt. Gerade vor dem Hintergrund der durch<br />

die Corona-Krise mitverursachten Retraditionalisierung<br />

der Frauen und Mütter sind die<br />

Forderungen nach gleichen Rechten, gleichen<br />

Chancen und gleicher Macht in diesem Jahr<br />

wieder lauter geworden.<br />

Gleichzeitig ist der Feminismus heute diverser<br />

denn je. In der Wissenschaft spricht<br />

man vom „intersektionalen Feminismus“,<br />

der deutlich auf das Thema Diskriminierung<br />

abzielt. Julia Korbik erklärt: „Eine schwarze<br />

Frau wird nicht nur aufgrund ihres Geschlechtes<br />

diskriminiert, sondern auch aufgrund ihrer<br />

Hautfarbe. Eine lesbische Frau wird nicht nur<br />

aufgrund ihres Geschlechtes diskriminiert,<br />

sondern aufgrund ihrer Sexualität. Letztlich<br />

geht es darum, die Vielfalt der Diskriminierungs-Erfahrungen<br />

anzuerkennen.“<br />

Beate Hausbichler erhofft sich gerade im<br />

Hinblick auf die gerade stark geführte Genderdebatte<br />

dennoch die deutliche Fortschreibung<br />

des Feminismus: „Ich wünsche dem<br />

Feminismus Beständigkeit. Und dass er inhaltlich<br />

wieder mehr Impulse und Ideen gibt.“<br />

Junge Feministinnen sorgen sich nicht um den<br />

Feminismus, sie glauben an die Stärke des Diskurses<br />

und des Streites. „Meine feministische<br />

Reise entwickelt sich zu einem Marathon,<br />

in dem ich hier und da eine Haltung finde,<br />

die ich gut und gerne auch mal wieder über<br />

den Haufen werfe“, schreibt Laura Vorsatz in<br />

ihrem Blog „Feminismusmitvorsatz“.<br />

Die Bündelung von Kräften täte möglicherweise<br />

dennoch gut, um am Ende nicht<br />

außer Atem dazustehen, viel diskutiert und<br />

wenig erreicht zu haben. Die Jungen und<br />

die Alten sind gefragt, gesellschaftspolitisch<br />

zusammenzustehen in einem progressiven<br />

Bündnis, einer großen Bewegung – unabhängig<br />

von Geschlechterrollen: für einen starken,<br />

zeitgemäßen Feminismus, der das gemeinsame<br />

Ziel der Selbstbestimmung, Freiheit und<br />

Gleichheit für alle Menschen klar vor Augen<br />

hat.<br />

FEMINISMUS, EIN THEMA,<br />

VIELE STIMMEN<br />

Der verkaufte<br />

Feminismus<br />

Von Beate Hausbichler<br />

Wie aus einer politischen Bewegung<br />

ein profitables Label wurde.<br />

224 Seiten, Residenz Verlag,<br />

22,00 Euro<br />

ISBN: 9783701735266<br />

PODCAST:<br />

Feminismus mit Vorsatz<br />

Die Journalistin Laura Vorsatz spricht<br />

mit Feministinnen über Mädchen-<br />

Banden, feministische Männer oder<br />

die Me-Too-Bewegung.<br />

www.feminismusmitvorsatz.de<br />

Stand up – Feminismus<br />

für Anfänger und<br />

Fortgeschrittene<br />

Von Julia Korbik<br />

Ein moderner Wegweiser durch den<br />

Debatten-Dschungel. 432 Seiten,<br />

Kein & Aber Verlag, 24,00 Euro<br />

ISBN: 978-3-0369-5815-6<br />

BLOG:<br />

Aus Liebe zur Freiheit<br />

Für Journalistin Antje Schrupp bedeutet<br />

Feminismus, frei zu sein und dem eigenen<br />

Begehren zu folgen.<br />

www.antjeschrupp.com<br />

NOCH MEHR TIPPS:<br />

www.junia-magazin.de


Was tun gegen Antifeminismus?<br />

Beschluss und Programm<br />

Die kfd positioniert sich klar gegen Rechtspopulismus,<br />

Rassismus und überholte<br />

Geschlechterrollen. Im September 2020<br />

beschloss die kfd, dass eine Mitgliedschaft<br />

in der Partei „Alternative für Deutschland“<br />

(AfD) nicht mit einer Mitgliedschaft in der kfd<br />

vereinbar ist. Während die kfd sich für eine<br />

Gleichberechtigung von Frauen und Männern<br />

in allen Lebensbereichen einsetzt – und<br />

somit für eine gleiche Teilhabe von Frauen<br />

und Männern an Erwerbs- und Sorgearbeit<br />

–, steht die AfD für ein veraltetes Rollenbild<br />

von Frauen und spricht sich gegen die<br />

Förderung von Aktionen aus, die eine gleiche<br />

Bezahlung von Frauen und Männern zum Ziel<br />

haben, sowie gegen Quotenregelungen in der<br />

Arbeitswelt. Ein solch rückständiges Frauenbild<br />

akzeptiert die kfd nicht und stellt sich<br />

dem klar entgegen.<br />

Alice<br />

DREI FRAGEN AN<br />

SCHWARZER<br />

Herausgeberin der feministischen Zeitschrift EMMA<br />

<strong>Junia</strong>: Wenn Sie an die Frauenbewegung der 1960er-/70er-Jahre<br />

denken – was hat sich aus Ihrer Wahrnehmung im feministischen<br />

Denken und Handeln am deutlichsten verändert?<br />

Alice Schwarzer: Als die Frauenbewegung<br />

1971 in Deutschland auf die Barrikaden<br />

ging – sie feiert gerade 50. Geburtstag! –, da<br />

konnte ein Mann noch seiner Frau verbieten,<br />

berufstätig zu sein (wenn sie „ihren“ Haushalt<br />

nicht „ordentlich“ machte); da hatte noch niemand<br />

die 52 Milliarden Gratisarbeitsstunden<br />

von Frauen im Haus und mit den Kindern gezählt;<br />

da lag ein Mantel des Schweigens über<br />

der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Frauen. Seither hat sich<br />

sehr vieles geändert, vor allem dank des Protestes der Frauen,<br />

den die Frauenbewegung ausgelöst hat. Aber viele Probleme<br />

sind immer noch da. Stichwort „Gendergap“, Stichwort sexuelle<br />

Gewalt, sogar innerhalb der katholischen Kirche. 5.000 Jahre<br />

Patriarchat schafft man eben nicht in 50 Jahren ab.<br />

PROMIS, DIE<br />

SICH ALS<br />

FEMINISTEN<br />

BEZEICHNEN<br />

Emma Watson<br />

Schauspielerin, 31<br />

Jane Fonda<br />

Schauspielerin, 83<br />

Madonna<br />

Sängerin, 62<br />

Daniel Craig<br />

Schauspieler, 54<br />

Benedict Cumberbatch<br />

Schauspieler, 44<br />

Barack Obama<br />

Ehemaliger US-Präsident, 59<br />

Was ist<br />

eigentlich<br />

feministische<br />

Theologie?<br />

Feministische Theologie<br />

ist Theologie<br />

unter besonderer<br />

Berücksichtigung<br />

der Frauenperspektive.<br />

Sie entstand in<br />

den späten 1960er-<br />

Jahren aus der Kritik<br />

an der Dominanz<br />

männlicher Gottesbilder<br />

im gesellschaftlich-religiösen<br />

Bewusstsein. Die<br />

feministische Theologie<br />

hinterfragt die<br />

patriarchalischen<br />

Strukturen der<br />

Theologie in Vergangenheit<br />

und Gegenwart.<br />

Der Feminismus in den Fängen von Selbstoptimierung, Konsum<br />

und Kapitalismus: Inwieweit besteht die Gefahr, dass Feminismus<br />

als politische Bewegung nicht mehr ernst genommen wird?<br />

Keine soziale Bewegung hat in der zweiten Hälfte des 20.<br />

Jahrhunderts die westliche Welt so auf den Kopf gestellt wie die<br />

Frauenbewegung. Wir haben die Grundfesten des Patriarchats<br />

erschüttert und den Weg geöffnet für ein respektvolles Miteinander<br />

der Menschen. Was Selbstoptimierung und Konsum<br />

angeht, die haben zwar viel mit Kapitalismus, aber wenig mit<br />

Feminismus zu tun. Doch der Feminismus ist kein eingetragenes<br />

Label. So erleben wir heutzutage so manches Mal als Gipfel<br />

des Zynismus die übelste Ausbeutung von Frauen im Namen<br />

des Feminismus. Wie zum Beispiel die sogenannte „freiwillige“<br />

Prostitution. Oder die „Freiheit“, sich als Mann eine Frau<br />

kaufen zu können. Will sagen: Nicht überall, wo „Feminismus“<br />

draufsteht, ist auch Feminismus drin. Für „EMMA“ allerdings<br />

kann ich 1.000 Prozent Feminismus garantieren!<br />

Brauchen wir heute noch Feminismus? Oder anders gefragt: Was<br />

wünschen Sie dem Feminismus?<br />

Oh ja! Wo sonst sind so faire Interviews mit den Aktivistinnen<br />

der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands und<br />

Maria 2.0 oder der Benediktinerin Schwester Philippa zu lesen<br />

wie in der feministischen Zeitschrift „EMMA“?! Übrigens:<br />

Auch sie sind Frauenbewegung. Frauenbewegung 2.0.<br />

WEITERE LINKS ZUM THEMA<br />

www.emma.de<br />

Reportage über die Aktionen und die Arbeit der kfd:<br />

www.emma.de/artikel/gott-hat-kein-geschlecht-338483<br />

Lesenswertes Interview mit Philippa Rath<br />

in „Frau und Mutter“ (4/2019):<br />

www.kfd.de/interview-philippa-rath-fum-2019<br />

11


MACHT EUCH D<br />

VOM<br />

UMGANG MIT<br />

UNSERER<br />

SCHÖPFUNG<br />

Teil 2<br />

Als wohlgeordneten<br />

Kosmos (= „Ordnung“)<br />

und als Gottes gute<br />

Schöpfung beschreibt die<br />

Bibel unsere Welt in den<br />

Weltbildern ihrer Zeit.<br />

Doch spätestens seit<br />

Beginn der Industrialisierung<br />

vor gut 200 Jahren<br />

beuten insbesondere die<br />

Nationen der Nordhalbkugel<br />

die Schätze der<br />

Erde auf der Suche nach<br />

Profit aus. Die durch<br />

Treibhausgase verursachte<br />

Erdüberhitzung<br />

(= Klimawandel) ist die<br />

aktuell gravierendste Folge.<br />

Kann uns die Bibel<br />

für diese Fragen unserer<br />

Zeit Impulse geben? Was<br />

sagt sie zu Naturkatastrophen,<br />

Ausbeutung<br />

und Verschwendung von<br />

Ressourcen und zum<br />

guten Miteinander der<br />

Menschen?<br />

VON<br />

SONJA<br />

ANGELIKA<br />

STRUBE<br />

„<br />

Macht euch die Erde untertan und<br />

herrschet über die Fische des Meeres,<br />

die Vögel des Himmels, über<br />

das Vieh und alles Getier“ – so haben wir den<br />

Auftrag Gottes an die Menschen aus Genesis<br />

1,28 (der Lutherübersetzung folgend) meist<br />

im Ohr. Der Mensch – so jedenfalls scheint<br />

der Bibelvers auf den ersten (missverständlichen!)<br />

Blick zu sagen – sei als letztes und bestes<br />

Werk Gottes die „Krone der Schöpfung“<br />

und solle uneingeschränkte Verfügungsgewalt<br />

über alle anderen Geschöpfe haben. Lange hat<br />

man vor allem in den reichen Industrieländern<br />

des globalen Nordens diesen Bibelvers so<br />

gelesen.<br />

Auf erschreckende Weise ist vor allem<br />

in den vergangenen 200 Jahren diese Missdeutung<br />

des Schöpfungshymnus Realität geworden.<br />

Um 1800 begann in Westeuropa,<br />

allen voran in Großbritannien, Deutschland,<br />

Frankreich und Belgien, die Industrialisierung<br />

und mit ihr unter anderem die massenhafte<br />

Verbrennung von Kohle. Seither steigt<br />

der Ausstoß umweltschädlicher Treibhausgase<br />

stetig, seit zirka 1950 sogar rasant, sodass<br />

inzwischen eine menschengemachte<br />

Erderhitzung (= Klimawandel) feststellbar<br />

ist. Mit der Industrialisierung gehen weitere<br />

gravierende Eingriffe des Menschen in seine<br />

Umwelt einher: Die Ozeane übersäuern und<br />

ertrinken förmlich im allgegenwärtigen Plastikmüll;<br />

innerhalb kürzester Zeit sterben viele<br />

Tier- und Pflanzenarten aus; eine industrielle<br />

Lebensmittelproduktion mit Monokulturen<br />

verdrängt zunehmend die natürliche Vegetation;<br />

Tiere werden zur Massen- und Wegwerfware;<br />

Rohstoffe, die in Millionen von Jahren<br />

entstanden sind, verbrauchen wir in wenigen<br />

Jahrzehnten. Neben die Luftverschmutzung<br />

treten in weiten Teilen der Erde auch<br />

Lärm- und Lichtverschmutzung, die Tieren<br />

die Orientierung nimmt. Atomversuche hin-<br />

12<br />

MUTTER ERDE


IE ERDE<br />

terlassen Strahlung und radioaktiven Staub.<br />

Die menschlichen Eingriffe ins Ökosystem der<br />

Erde sind so tiefgreifend, dass WissenschaftlerInnen<br />

bereits von einem durch menschliche<br />

Einflüsse geprägten neuen Zeitabschnitt der<br />

Erdgeschichte sprechen. Dessen Benennung<br />

als „Anthropozän“ (von griech. Anthropos =<br />

Mensch) ist keinesfalls eine rühmliche, denn<br />

sie spiegelt die Überheblichkeit, mit der wir<br />

Menschen meinen, von unserer natürlichen<br />

Lebensgrundlage unabhängig zu sein – eine<br />

Haltung, die für viele unserer Mitgeschöpfe<br />

jetzt schon tödlich ist und auch für die<br />

Menschheit durchaus tödlich enden kann.<br />

Wenn wir nicht nur einen halben Vers,<br />

sondern den ganzen Schöpfungshymnus in<br />

Gen 1,1-2,3 lesen, dann ersteht vor unseren<br />

Augen ein ganz anderes Bild davon, wie die<br />

Schöpfung und das Verhältnis der Geschöpfe<br />

zueinander idealerweise von Gott her aussehen<br />

sollten. Wie ein Gedicht und in den<br />

MUTTER ERDE<br />

untertan<br />

Eine<br />

missverstandene<br />

Bibelstelle und das<br />

Zeitalter des<br />

Menschen als<br />

Bedrohung<br />

der Schöpfung<br />

Vorstellungen seiner Zeit besingt der Text in<br />

sieben unterschiedlich langen Strophen die<br />

Welt als „sehr gute“ Schöpfung Gottes. Aus<br />

dem Chaos („wüst und wirr“) schafft Gott den<br />

Kosmos als eine gute Ordnung. Inmitten von<br />

Finsternis, „Irrsal und Wirrsal“ (so die Übersetzung<br />

von Martin Buber) baut Gott ein „Lebenshaus“,<br />

wie der Bibelwissenschaftler Erich<br />

Zenger formulierte. Hymnisch wiederholen<br />

sich Formeln wie „Gott sprach: Es werde“,<br />

„und es wurde“, „Gott nannte“, „Gott sah,<br />

dass es gut war“, „es wurde Abend, es wurde<br />

Morgen: x-ter Tag“.<br />

Den Höhepunkt des Hymnus wie der<br />

Schöpfung bildet jedoch keineswegs der<br />

Mensch, sondern der Sabbat. „Krone der<br />

Schöpfung“ ist also die regelmäßige Pause, das<br />

Ausruhen, das auch Gott selbst sich gönnt.<br />

Ebenso wie die Tiere und die Menschen wird<br />

diese schöpferische Pause von Gott gesegnet<br />

(Gen 2,3). Tiere und Menschen sind nach<br />

dieser Vorstellung eingebunden in eine größere,<br />

sie überwölbende Ordnung im Rhythmus<br />

von Aktivität und Ruhe. Hier finden wir einen<br />

Gegenentwurf zu unserer modernen Lebensweise,<br />

die nach dem Motto „Zeit ist Geld“<br />

pausen-, ruhe- und besinnungslos Natur und<br />

Menschen ausbeutet.<br />

Obwohl nicht Höhepunkt der Schöpfung,<br />

erfährt der Mensch im Hymnus dennoch eine<br />

besondere Würdigung: Als Bild Gottes, das<br />

heißt als Gottes Repräsentantinnen und Stellvertreter<br />

werden die Menschen in die Schöpfung<br />

hineingestellt. Im Hintergrund dieser<br />

Verse steht die altorientalische Vorstellung,<br />

dass ein Götterbild die abgebildete Gottheit<br />

wirklich vergegenwärtigt. Als Bild Gottes zu<br />

„walten über die Fische des Meeres, über die<br />

Vögel des Himmels und über alle Tiere, die<br />

auf der Erde kriechen“, ist somit eine höchst<br />

verantwortungsvolle Aufgabe. Sie bedeutet<br />

nichts Geringeres, als ganz im Sinne Gottes<br />

dessen gute lebensspendende Ordnung zu<br />

pflegen und zu erhalten. Sie ist somit genau<br />

das Gegenteil von Willkürherrschaft und Ausbeutung.<br />

„Nach dem Ideal des guten Hirten<br />

[...] soll der Mensch [...] für die übrige Schöpfung<br />

Verantwortung tragen“, bringt es die<br />

Bibelwissenschaftlerin Helen Schüngel-Straumann<br />

auf den Punkt.<br />

Wie wenig das im Schöpfungshymnus<br />

gezeichnete Ideal vom Miteinander der Geschöpfe<br />

mit Unterwerfung, Ausbeutung und<br />

heutigen Lebensgewohnheiten gemein hat,<br />

zeigt auch ein Blick auf die beiden Verse,<br />

die unmittelbar auf den vermeintlichen Aufruf<br />

zur Unterwerfung folgen. Gemäß dieser<br />

(wenig beachteten) Verse teilt Gott den<br />

Menschen ebenso wie allen Tieren „alles Gewächs,<br />

das Samen bildet […], und alle Bäume,<br />

die Früchte tragen mit Samen darin“ als<br />

Nahrung zu. Schon das Töten von Tieren zur<br />

eigenen Ernährung, das durchaus auch im biblischen<br />

Israel praktiziert wurde, entspricht<br />

nach Gen 1 eigentlich nicht mehr dem, was<br />

Gott für seine Geschöpfe gewollt hat. Schon<br />

dies ist vom Auftrag des „Waltens“ nicht mehr<br />

gedeckt. Mit biblischen Schöpfungserzählungen<br />

ist unser Raubbau an der Welt also nicht<br />

zu rechtfertigen.<br />

MUTTER ERDE 13


GENERATION<br />

Sie sind katholisch (nicht nur), kritisch, konstruktiv, kirchennah und<br />

kirchenfern: Die Serie „Generation K“ widmet sich jungen Frauen, die<br />

sich die Fragen von Kirche, Glauben und Gesellschaft neu stellen.<br />

BÜHNE FREI<br />

FÜR FRAUEN<br />

IN ALLEN ÄMTERN<br />

der<br />

Theologin Daniela Kornek hat ihre Promotion<br />

der kfd gewidmet. Sie engagiert sich für<br />

eine moderne, aufgeklärte Kirche,<br />

Frauenthemen – und ihre heimliche Liebe:<br />

Improvisationstheater.<br />

VON JUTTA LAEGE<br />

Als Kind wollte sie Schauspielerin<br />

werden – oder<br />

professionelle Geschenkeeinpackerin.<br />

Tja, Leben ist Improvisation.<br />

Oder: Meistens kommt es anders,<br />

als man denkt. Gelandet ist Daniela<br />

Kornek an der Universität<br />

Münster, als Kommunikationswissenschaftlerin<br />

und Theologin.<br />

Aus Leidenschaft, so viel lässt<br />

sich nach dem Kennenlernen –<br />

in Corona-Zeiten leider nur per<br />

Telefon und Video – eindeutig<br />

sagen. Die 37-Jährige beschäftigt<br />

sich derzeit wissenschaftlich mit<br />

Beteiligung von Frauen in der<br />

katholischen Kirche. Durch das<br />

kfd-Archiv hat sie sich für ihre<br />

Doktorarbeit unter dem Titel:<br />

„Mitgliederbeteiligung im katholischen<br />

Frauenverband: Partizipation<br />

an Entscheidungsfindungsprozessen<br />

innerhalb verbandlicher<br />

Strukturen am Beispiel der<br />

Katholischen Frauengemeinschaft<br />

Deutschlands“ gewühlt. Es ist<br />

zu ihrer Herzensangelegenheit<br />

geworden. Nicht nur, weil die<br />

Zu- und Missstände in der katholischen<br />

Kirche sie besorgen, sondern<br />

vor allem, weil sie sich für<br />

ihre fünfjährige Tochter wünscht,<br />

in einer frauenfreundlicheren<br />

Welt aufzuwachsen.<br />

Daniela Kornek kam 1983 in<br />

Paderborn zur Welt. Die westfälische<br />

katholische Heimat hat<br />

sie geprägt. „Meine Oma war<br />

Ortsvorsitzende einer kfd-Gruppe.<br />

Meine Mutter ist bis heute<br />

kfd-Mitglied.“ Sie selbst sagt rückblickend<br />

auf ihren „katholischen<br />

Werdegang: „Ich habe in der Kolpingjugend<br />

und in meiner Schulzeit<br />

am Mädchengymnasium St.<br />

Michael positive Erfahrungen als<br />

22<br />

GENERATION K


Mädchen und junge Frau in der<br />

Kirche sammeln dürfen. Es gab<br />

Menschen, die mich auf meinem<br />

doch recht eigenen und manchmal<br />

sehr individuellen Weg gefördert,<br />

inspiriert und an mich<br />

geglaubt haben.“<br />

Dass die katholischen Themen<br />

sie weiter so prägen würden,<br />

hätte sie trotzdem nicht gedacht.<br />

„Religion war nicht gerade mein<br />

Lieblingsfach“, lacht sie. „Heute<br />

bin ich mit einem Religionslehrer<br />

verheiratet und sehe, dass es darauf<br />

ankommt, bei Schülerinnen<br />

und Schülern den richtigen Nerv<br />

zu treffen. Wo kann der christliche<br />

Glaube Antworten geben<br />

auf die aktuellen drängenden Fragen?“<br />

Als sie sich 2003 an der Universität<br />

Münster für Kommunikationswissenschaft<br />

einschrieb, kamen<br />

ihr diese Fragen wieder. Sie<br />

fand sich – neugierig geworden<br />

– plötzlich in Theologie-Vorlesungen<br />

wieder. „Mich hat das Thema<br />

Kirche aus Kommunikationssicht<br />

am meisten interessiert“, berichtet<br />

sie. „Ich wollte nie Priesterin<br />

werden“, erzählt sie. „Aber es ist<br />

mir wichtig, dass andere es werden<br />

dürfen.“<br />

Und so gehört Daniela Kornek<br />

zu den jungen Frauen, die<br />

dort, wo sie ehrenamtlich und<br />

beruflich agieren, das Gesicht von<br />

Kirche verändern können. An der<br />

Universität Münster war sie bis<br />

2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

von Theologie-Professorin<br />

Judith Könemann, Schwerpunkt<br />

Praktische Theologie. 2015 bis<br />

2016 leitete sie die Langzeitfortbildung<br />

„Zusatzqualifizierung<br />

Pfarreiseelsorge“ des Bistums<br />

Münster. Beim Katholikentag in<br />

Münster 2018 gehörte sie zum<br />

Unterarbeitskreis „Junge Menschen“,<br />

bis 2019 war sie Stipendiatin<br />

der Bischöflichen Studienförderung<br />

Cusanuswerk.<br />

„Beschämend, was hinter<br />

den Vorhängen passiert“<br />

Seit 2019 ist Kornek Koordinatorin<br />

für Hochschuldidaktik an<br />

der Universität Münster, Kirche<br />

begleitet sie sowohl bei ihrer Gemeindearbeit<br />

in St. Stephanus als<br />

auch als Autorin und Sprecherin<br />

für „Kirche in 1live“ beim WDR.<br />

„Wo werde ich gehört, wo kann<br />

ich mir Gehör verschaffen?“, ist<br />

ihre Devise. Die regelmäßigen<br />

Beiträge für den jungen WDR-<br />

Sender sind ihr besonders wichtig.<br />

Immerhin erreichen sie und<br />

ihre Kolleginnen und Kollegen in<br />

dem Format bis zu eine Million<br />

Zuhörer. „Es ist jedes Mal wieder<br />

aufregend und schön, am Sendetag<br />

die Rückmeldungen von<br />

vielen bekannten und (noch) unbekannten<br />

Leuten zu bekommen<br />

und zu spüren, dass es Glaubensund<br />

Lebensthemen gibt, die vielen<br />

unter den Nägeln brennen.“<br />

Was ihr selbst unter den Nägeln<br />

brennt? Es sind vor allem die<br />

aktuellen Fragen rund um das<br />

Thema Macht und Beteiligung<br />

in der katholischen Kirche. „Es<br />

ist beschämend, was hinter zugezogenen<br />

Vorhängen im Großen<br />

und im Kleinen passiert, wie das<br />

Rollenverständnis einiger Verantwortlicher<br />

ist und wie mit Opfern<br />

umgegangen wird. Da dreht<br />

sich mir alles um!“, empört sie<br />

sich. Und es schmerzt sie, wie<br />

diffamierend Kirche sein könne.<br />

In ihrer Heimatgemeinde hat sie<br />

das jüngst im Fall einer Versetzung<br />

eines Priesters miterlebt.<br />

Die Gemeinde habe im Advent<br />

ohne Vorwarnung erfahren, dass<br />

der als liberal geltende Geistliche<br />

gegen seinen Willen abkommandiert<br />

wurde, schildert sie und ist<br />

sich sicher: „Da sind konservative<br />

Kräfte am Werk, die die Retraditionalisierung<br />

wollen. Und sie<br />

schaffen es auch noch.“<br />

Dass die kfd sich seit Jahren<br />

für „Frauenthemen“ in der Kirche<br />

stark macht, hat sie bestärkt,<br />

ihre Doktorarbeit dem Frauenverband<br />

zu widmen. „Ich habe dafür<br />

einige Interviews geführt und<br />

festgestellt, dass die Frauen in<br />

der kirchlichen Welt inzwischen<br />

sehr selbstbewusst agieren.“ Sollte<br />

es da dennoch Nachholbedarf<br />

geben, kann die Kommunikationsexpertin<br />

und Theologin mit<br />

Kommunikations- und Rhetoriktrainings<br />

weiterhelfen. Seit 2009<br />

ist sie zudem für die Improschule<br />

„placebotheater“ als Dozentin für<br />

Improvisationstheater unterwegs.<br />

„Ich habe mich Hals über Kopf in<br />

diese Art von Theater verknallt“,<br />

lacht sie. Da blitzt er dann doch<br />

wieder auf – der Kindheitstraum,<br />

Schauspielerin zu werden. Lässt<br />

sich am Ende alles verbinden?<br />

Vielleicht kann sie ja mit einer Improvisationsübung<br />

neue theologische<br />

Rollen erschaffen: Bühne frei<br />

für Frauen in allen Diensten und<br />

Ämtern der Kirche! Eine famose<br />

Präsent-Idee an die verhinderte<br />

Geschenkeeinpackerin Kornek.<br />

Die kfd wäre dabei.<br />

GENERATION K 23


ANNA ALTENHOFEN<br />

ist wie ihre Schwester katholisch<br />

sozialisiert. Vor einem Jahr ist die<br />

Apothekerin aus der Kirche<br />

ausgetreten, weil sie die<br />

Diskrepanz zwischen Worten und<br />

Taten nicht mehr aushielt. Eine<br />

Geschichte über Schwesternliebe,<br />

Haltungen, Hoffnungen und<br />

welche Rolle die Kirche<br />

dabei spielt.<br />

GEHEN<br />

oder<br />

BLEIB<br />

Zwei Schwestern erzählen ihre gemein<br />

Ein Blick ins Familienalbum:<br />

Elisabeth Bungartz ging<br />

1960 zur Kommunion.<br />

Große Familie: Elisabeth<br />

Bungartz steht zwischen den<br />

Eltern und dem Großvater<br />

auf der Treppe. Vorne haben<br />

sich die jüngeren Geschwister<br />

Anna (l.), Heinz-Josef und<br />

Gerda fürs Foto eingehakt.<br />

Angesichts massiver Vorwürfe von Vertuschung<br />

und mangelnder Aufklärung im Missbrauchsskandal<br />

haben die Kirchenaustritte deutlich<br />

zugenommen. Das ist vor allem im Erzbistum Köln so,<br />

in dem durch unterlassene Hilfe und verschleppte<br />

Aufarbeitung viel Vertrauen in die Institution Kirche<br />

und deren Verantwortliche verloren gegangen ist.<br />

Die, die, zum großen Teil ehrenamtlich für die<br />

katholische Kirche im Einsatz sind, haben es immer<br />

schwerer, für ihre Sache zu werben.<br />

24


SCHWESTERHERZ<br />

EN?<br />

VON JUTTA LAEGE<br />

ELISABETH BUNGARTZ<br />

ist Vorsitzende des<br />

kfd-Diözesanverbandes Köln.<br />

Sie kämpft mit den katholischen<br />

Frauen unermüdlich dafür, die Kirche<br />

von innen zu verändern. Dabei<br />

bekommt sie viel Zuspruch von<br />

denen, die die Proteste der Frauen<br />

unterstützen und sich<br />

Veränderungen wünschen. Aber sie<br />

spürt auch deutlichen Gegenwind<br />

von denen, die das alte System, man<br />

ist geneigt zu sagen, auf Teufel<br />

komm‘ heraus, schützen wollen.<br />

same katholische Geschichte<br />

B<br />

eim Gespräch sitzen sich die beiden Schwestern<br />

coronabedingt mit Masken gegenüber. Doch auch<br />

wenn dadurch Mimik und emotionale Zeichen eingeschränkt<br />

sind, sind Wärme und Zuneigung der beiden<br />

Schwestern deutlich zu spüren. „Elisabeth war für mich<br />

immer eine starke Persönlichkeit, sie war mein Rettungsanker.<br />

Ich nenne sie deshalb auch liebstes Schwesterherz<br />

oder Lieblingsschwester“, beschreibt Anna Altenhofen.<br />

Die Apothekerin aus Köln ist elf Jahre jünger als Elisabeth<br />

Bungartz. Gemeinsam mit einer weiteren Schwester<br />

und einem Bruder sind die beiden in einem kleinen Ortsteil<br />

im rheinischen Sankt Augustin groß geworden. Der<br />

Vater starb früh, und Elisabeth war als älteste Schwester<br />

wichtige Ansprechpartnerin. „Zu ihr konnte ich mit all<br />

meinen Sorgen und Nöten kommen.“ Was unfreiwillig<br />

auch manchmal störend war, wie Elisabeth Bungartz sich<br />

schmunzelnd erinnert. „Ich hatte einen Freund, und du<br />

wolltest immer dabei sein.“<br />

Die Mädchen gingen auf katholische Schulen, die Eltern<br />

sangen im Kirchenchor. Mutter Margarete, die 2008<br />

mit 85 Jahren starb, war ehrenamtlich für die kfd im<br />

Einsatz. „Mütterverein“ hieß das damals auf dem Dorf.<br />

Und dann, 1978, wurde Anna schwanger. Mit 16. Die<br />

katholische Mutter schwankte zwischen Entsetzen und<br />

Pragmatismus: „Gut, dass dein Vater das nicht erleben<br />

muss.“ Aber sie hatte auch Sorge um den Ruf der Familie.<br />

„Ich weiß noch, dass sie sagte, sie könne jetzt nicht mehr<br />

in die Frauenmesse gehen“, erinnert sich Elisabeth. Doch<br />

dann gab es die kfd und deren damalige Ortsvorsitzende,<br />

die kurzum entschied: „Wir werden nicht den moralischen<br />

Zeigefinger heben. Wir unterstützen Gretchen<br />

(Margarete) und ihre Familie nach Kräften.“<br />

Anna konnte als erste Mutter mit Kind Abitur an der<br />

Klosterschule machen. „Die Lehrkräfte haben sich damals<br />

echt klasse verhalten.“ Als Annas Sohn Christian geboren<br />

wurde, hatte ihre Schwester Elisabeth schon ihre eigene<br />

Familie: Die Kinder waren im gleichen Alter, das schweißte<br />

zusammen. Oma Margarete half bei der Betreuung des<br />

jüngsten Enkels und ermöglichte ihrer Tochter Studium<br />

und Karriere. „Ich weiß noch, wie sie gekämpft hat, damit<br />

Christian einen Platz im katholischen Kindergarten<br />

bekommt. Es könne doch nicht sein, dass sie Küsterdienst<br />

mache und ihr Enkel nicht angenommen werde.“<br />

Rückblickend räumt Anna Altenhofen ein, dass die<br />

Kirche sehr viel für sie getan habe. Und sie bewundert<br />

nicht nur ihre Mutter für ihr Tun, sondern heute umso<br />

mehr ihre Schwester, die in der kfd ihren Weg fand, sich<br />

für Glauben und gutes Miteinander einzusetzen.<br />

Elisabeth Bungartz machte nach der Volksschule eine<br />

Ausbildung als Sachbearbeiterin, heiratete mit 23, bekam<br />

zwei Kinder, blieb 13 Jahre zu Hause und wagte dann<br />

nochmal einen beruflichen Neustart. Eine klassische<br />

Frauenkarriere zu dieser Zeit. „Eigentlich wollte ich Lehrerin<br />

werden“, erzählt sie, „heute würde ich nicht mehr<br />

so lange auf den Beruf verzichten.“ Ihr wichtigstes Betätigungsfeld<br />

neben der Familie wurde die kfd. Erst wurde<br />

sie Schriftführerin, dann Dekanats- und schließlich Diözesanvorsitzende<br />

des größten katholischen Verbandes in<br />

Köln. Und sie überzeugte ihre Schwester, die kfd ebenfalls<br />

zu unterstützen. „Ja, sie hat mich erfolgreich geworben“,<br />

erinnert sich Anna. „Ich finde es großartig, wie sie<br />

sich einsetzt, für die Gleichberechtigung der Frauen und<br />

gegen die alten Strukturen.“<br />

Für den Verbleib in der Kirche hat es bei Anna dennoch<br />

nicht gereicht. „Es gärte jahrelang in mir“, berichtet<br />

sie. „Ich bezeichne mich als Christin, ich bin regelmäßig<br />

in die Kirche gegangen, tue das auch heute noch. Aber<br />

dann erfuhr ich, wie mit Spendengeldern ein Kirchenbau<br />

in Afrika finanziert wurde, statt die Not der hungernden<br />

Kinder dort zu lindern. Und dann kam der Missbrauchs-<br />

ZIEMLICH BESTE FRAUEN 25


SCHWESTERHERZ<br />

skandal – auch an unserer alten Klosterschule<br />

gab es Fälle. Das brachte das Fass<br />

zum Überlaufen.“<br />

Sie hadert mit sich, ihrer Geschichte,<br />

behält ihren Entschluss für sich. „Ich<br />

habe das am Grab meiner Mutter mit ihr<br />

da oben geklärt“, sagt sie. Die Schwester<br />

zu informieren, bereitet ihr Kopfzerbrechen.<br />

„Elisabeth wird sicher total enttäuscht<br />

sein, dachte ich. Ich brauchte<br />

eine Gelegenheit, wollte das nicht zwischen<br />

Tür und Angel. Leider kam dann<br />

Corona dazwischen.“<br />

Elisabeth Bungartz hat vom Kirchenaustritt<br />

ihrer Schwester zufällig erfahren.<br />

Aber sie kann es ihrer „Annemie“<br />

nicht verübeln. „Ich frage mich gerade<br />

selbst ständig, ob ich das noch durchhalte,<br />

ob ich dieses System noch unterstützen<br />

kann.“ Aber dann blitzt der Ehrgeiz<br />

hinter ihrer Brille wieder auf: „Solange<br />

ich noch denke, dass ich etwas bewegen<br />

kann, werde ich für die Reformen in der<br />

Kirche kämpfen. Es hätte ja auch keiner<br />

gewagt zu glauben, dass die Mauer eines<br />

Tages fällt!“ Sie ist dankbar, dass sie und<br />

ihre kfd gerade jetzt von vielen Seiten<br />

Zuspruch bekommen, und setzt ihre<br />

Hoffnungen auch auf die neuen, jungen<br />

Frauen: „Die lassen sich dieses klerikale<br />

System nicht mehr gefallen!“<br />

Ob drinnen oder draußen – für beide<br />

Frauen ist unmissverständlich klar: „Die<br />

Kirche muss den Missbrauchsskandal<br />

lückenlos aufklären. Jeder Fall muss verfolgt<br />

werden.“ Und wenn am Ende dann<br />

noch der Zölibat abgeschafft und Frauen<br />

Priesterinnen werden, will Anna Altenhofen<br />

es sich nochmal überlegen mit der<br />

gemeinsamen Kirche. „Bis dahin unterstütze<br />

ich Elisabeth und die kfd und viele<br />

kleine Projekte, bei denen ich hoffentlich<br />

direkt Gutes tun kann!“<br />

MISSBRAUCHSGUTACHTEN<br />

„Brüder im Nebel“<br />

und die Rufe nach echten<br />

An der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle scheiden<br />

sich in Köln weiter die Geister. Kritik am System Kirche.<br />

Die Reaktionen waren so umfangreich<br />

wie das Gutachten selbst:<br />

Die einen lobten Kardinal Rainer<br />

Maria Woelki, dass er Wort gehalten<br />

habe. Die anderen zeigten sich ernüchtert<br />

ob des „Freispruchs“ des obersten<br />

Kirchenvertreters in Köln, der weiterhin<br />

fehlenden Opferperspektive und der fehlenden<br />

Moral und fordern weiter seinen<br />

Rücktritt.<br />

Im März hatte die von Woelki beauftragte<br />

Anwaltskanzlei Gercke & Wollschläger<br />

auf rund 900 Seiten vorgestellt,<br />

was sich die Verantwortlichen im Erzbistum<br />

Köln im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen<br />

in den Jahren 1975 bis 2018<br />

hatten zuschulden kommen lassen, und<br />

listete insgesamt 75 so genannte Pflichtverletzungen<br />

auf.<br />

Besonders der 2017 verstorbene frühere<br />

Erzbischof von Köln, Kardinal Joachim<br />

Meisner, wurde mit insgesamt 23<br />

solcher Vergehen schwer belastet – und<br />

lieferte posthum mit der Sonderakte<br />

unter dem aus Opfersicht zynischen Namen<br />

„Brüder im Nebel“ auch den letzten<br />

Zweiflern den Beweis: Vertuschung war<br />

das Prinzip.<br />

SUSPENDIERUNGEN<br />

Woelki hingegen, obwohl unzweifelhaft<br />

in genau diesem System Kirche an<br />

der Seite Meisners als dessen Geheimsekretär<br />

groß geworden, konnten die Juristen<br />

kein Fehlverhalten nachweisen. Die<br />

Personalverantwortung lag in dieser Zeit<br />

bei anderen. Noch am Tag der Vorstellung<br />

des Gutachtens suspendierte Woelki deshalb<br />

den Kölner Weihbischof Domininkus<br />

Schwaderlapp und den Kölner Offizial<br />

Günter Assenmacher. Es folgte – auf dessen<br />

eigenen Wunsch – auch die Freistellung<br />

des Kölner Weihbischofs Ansgar<br />

Puff. Der Erzbischof von Hamburg, Stefan<br />

Heße, bis 2012 Generalvikar in Köln, der<br />

im Gutachten ebenfalls der Pflichtverletzung<br />

bezichtigt wird, bot ebenfalls sofort<br />

seinen Rücktritt an. In seinem und den<br />

Fällen der Weihbischöfe muss der Papst<br />

entscheiden. Zu Redaktionsschluss war<br />

das noch nicht geschehen. Heßes Amt<br />

ruht, er wird derzeit vertreten von Generalvikar<br />

Ansgar Thim.<br />

Während vor dem Dom in Köln ein<br />

Satirewagen mit kardinalsähnlicher Pappfigur<br />

den Schlaf des Gerechten schlief<br />

(Untertitel: „11 Jahre schonungslose Aufarbeitung<br />

der Missbrauchsfälle“) blieb<br />

nach dem „Kölner Gutachten“ die Frage<br />

nach der Gerechtigkeit im Raum.<br />

Hauptkritik vieler katholischer Verbände,<br />

auch der kfd: „Das Gercke-Gutachten<br />

ist als rein juristisches Gutachten<br />

unzureichend.“ Das Vorgehen in Köln<br />

zeige: Die katholische Kirche sei nicht<br />

in der Lage, Straftaten und deren Vertuschung<br />

selbst aufzuklären. Notwendig<br />

sei eine unabhängige Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission,<br />

die inzwischen<br />

von Woelki unter dem Namen „Aufklärungskommission“<br />

auch angeregt wurde.<br />

Für die Kölner kfd-Diözesanvorsitzende<br />

Elisabeth Bungartz steht fest: „Die Rechte<br />

der Betroffenen müssen noch mehr in<br />

den Blick genommen werden. Es müssen<br />

Strukturveränderungen her. Klerikalismus<br />

muss abgebaut werden, dieses ganze hierarchische<br />

Machtsystem!“<br />

Diese Kritik wird auch in dem rund<br />

500 Seiten umfassenden Gutachten der<br />

Kanzlei Westpfahl-Spilker-Wastl/München<br />

deutlich, das Woelki im vergangenen<br />

Herbst zurückgezogen hatte, ohne<br />

26


Reformen<br />

Mehr zum Thema:<br />

www.machtlichtan.de<br />

DER JUNIA-FRAGEBOGEN<br />

MEINE ZEHN<br />

GEBOTE<br />

In dieser Reihe befragen wir<br />

regelmäßig Prominente zum<br />

Thema Kirche und Glauben.<br />

Mal ernst, mal augenzwinkernd<br />

und garantiert lesenswert!<br />

Margot<br />

Käßmann<br />

Evangelische Theologin und Pfarrerin, Autorin<br />

KIRCHENBANK – ERSTE ODER LETZTE REIHE?<br />

Erste Reihe. Weil ich es als Pfarrerin so distanzierend finde,<br />

wenn alle weit weg von mir sitzen wollen.<br />

es – nach eigenen Angaben – gelesen zu<br />

haben. Monika Kleinefenn, Geschäftsführerin<br />

des Kölner kfd-Diözesanverbandes<br />

konnte sich im März eine anderthalbstündige<br />

Lese-Einheit sichern. „Die Hälfte<br />

des Gutachtens beschäftigt sich mit dem<br />

systemischen und moralischen Versagen<br />

der Verantwortlichen“, berichtet sie. „Ich<br />

finde, im Sinne wahrhaftiger Aufarbeitung<br />

und notwendiger Reformen sollte<br />

Kardinal Woelki wenigstens diesen Teil<br />

der Öffentlichkeit freigeben!“<br />

SYSTEMISCHE URSACHEN<br />

Ob das Münchner Gutachten unter<br />

Verschluss blieb, weil es Maßnahmen genau<br />

in diese Richtung einfordert, wurde<br />

von Betroffenen und in den Medien intensiv<br />

diskutiert. Die systemischen Ursachen<br />

von Missbrauch und Vertuschung waren<br />

ja auch 2019 Anlass für den Reformdialog<br />

„Synodaler Weg“ mit den Themen Macht,<br />

Priestertum und Sexualmoral sowie der<br />

Rolle der Frauen in der Kirche.<br />

Der Vorsitzende des Zentralkomitees<br />

deutscher Katholiken (ZdK) Thomas<br />

Sternberg erhofft sich nun dort „eine intensive<br />

Beteiligung“ durch Woelki. Der<br />

hatte sich bisher eher abfällig über das<br />

Format geäußert. Andere Bistümer und<br />

Bischöfe (Essen, Limburg, Aachen, Osnabrück)<br />

bekommen da derzeit bessere Noten.<br />

Von ihrem echten Reformwillen wird<br />

viel abhängen. (jul , Stand: 1.4.<strong>2021</strong>)<br />

KOMMUNION ODER KONFIRMATION?<br />

Konfirmation. Ein besonderer Moment, in dem<br />

junge Leute Ja sagen zu ihrem Glauben.<br />

GANZ IN WEISS ODER GAR NICHT?<br />

Ich habe mit 23 geheiratet. Meine Ehe wurde nach 26 Jahren<br />

geschieden. Wir haben vier Kinder, gemeinsame Enkel.<br />

Ich würde nicht noch einmal heiraten.<br />

EIN HIMMLISCHER/GÖTTLICHER<br />

MOMENT FÜR MICH WAR/IST …<br />

die Geburt eines Enkelkindes. Es berührt mich zutiefst, wie da<br />

eine neue Generation zur Welt kommt und Liebe verbreitet.<br />

BETEN IST FÜR MICH …<br />

eine Art Standleitung zu Gott. Im regelmäßigen<br />

Gespräch wächst Vertrauen.<br />

„HALLELUJA“ KLINGT FÜR MICH …<br />

nach Engelchor, in den ich gern einstimme.<br />

WENN ICH PAPST/ PÄPSTIN<br />

WÄRE, WÜRDE ICH …<br />

den Besitz der Kirche freigeben für Menschen in Not.<br />

DAS LETZTE MAL IN DER KIRCHE WAR ICH …<br />

letzten Sonntag. Mir fehlt etwas, wenn ich nicht zum<br />

Gottesdienst gehe. Die Gemeinden haben gute Konzepte, die<br />

Corona-Ansteckungsgefahr zu vermeiden.<br />

ZU BEICHTEN HABE ICH …<br />

sicher vieles. Wann immer ich Menschen nicht gerecht werde,<br />

meinen eigenen Ansprüchen. Aber ich bin dankbar, das Gott<br />

anvertrauen zu dürfen und mich in einer Religion beheimatet zu<br />

wissen, die nicht nach Leistungspunkten wertet.<br />

DAS LETZTE WORT ÜBER MICH SOLLTESOLLTE SEIN ...<br />

Sie war ein fröhliches und dankbares Kind Gottes. Die Liebe<br />

wird sie mit ihren Lieben verbinden über den Tod hinaus.<br />

27


IMPRESSUM<br />

104. JAHRGANG | MITGLIEDERMAGAZIN DER kfd<br />

Herausgeberin: Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) –<br />

Bundesverband e.V., Düsseldorf, vertreten durch Bundesvorsitzende Mechthild Heil<br />

Redaktion: Jutta Laege (Chefredakteurin, viSdP), Isabelle De Bortoli, Kim Theyssen<br />

Mitarbeit/Social Media: Corinna Fleuren, Romina Carolin Stork, Melanie Walfort<br />

Kontakt zur Redaktion<br />

Prinz-Georg-Straße 44, 40477 Düsseldorf<br />

Telefon 0211 44992-43 oder -40, Telefax 0211 44992-89<br />

E-Mail: redaktion@junia-magazin.de und leserbriefe@junia-magazin.de<br />

Internet: www.kfd.de, www.junia-magazin.de<br />

Vertrieb<br />

Telefon 0211 44992-34<br />

Gestaltung<br />

Das weite Feld, Design Direction<br />

Christina Claßen, Köln<br />

Lektorat<br />

Petra Richter, Köln<br />

Gesamtherstellung<br />

Westend Druckereibetriebe GmbH<br />

WKS Druckholding, Essen<br />

Datenschutz<br />

Vollständige Informationen zur Verarbeitung Ihrer<br />

personenbezogenen Daten sind unter www.kfd.de/datenschutz (§ 14) abrufbar.<br />

Datenschutzbeauftragter: datenschutzbeauftragter@kfd.de<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Bilder oder Rezen sions exemplare<br />

wird keine Gewähr übernommen. Namentlich gezeichnete Beiträge stellen nicht unbedingt<br />

die Meinung der Redaktion dar. Nachdruck, auch aus zugsweise, nur mit Genehmigung und<br />

Quellenangabe. Die Zeitschrift wird sechs jährlich ausgeliefert, wenn der Beitragsanteil für<br />

den Bundesverband e.V. gezahlt wird. Die Zustellung erfolgt durch ehrenamtliche<br />

Mitarbeiterinnen.<br />

Darlehenskasse im Bistum Münster<br />

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Titel: Adobe Stock/Aniko G Enderle S. 2: Adobe Stock/matiasdelcarmine; Adobe Stock/gigirosado;<br />

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Flitner S. 12 – 13: Adobe Stock/parabolstudio S. 14 – 15: Portrait of <strong>Junia</strong> by Sarah Beth Baca<br />

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Martin Koch; kfd/Regina Bruksch; kfd/Johannes Hoernemann; kfd/Martin Koch; kfd/Barbara<br />

van de Luecht; kfd/Klaus Burkhardt; kfd/Harald Hoerl; kfd/Marco Heinen; kfd/Moritz<br />

Frankenberg; kfd/Anne Orthen; kfd/Tina Roesler S. 18 – 19: kfd/Kerstin Zech; Deutsche Bischofskonferenz<br />

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privat S. 26 – 27: privat; Copyright <strong>2021</strong>, KNA GmbH, www.kna.de, All Rights Reserved;<br />

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Geisler-Fotopress S. 32 – 33: Netflix/ANU PATTNAIK; DHM; Ottilie W. Roederstein, Selbstbildnis<br />

mit weißem Hut, 1904/Staedel Museum Frankfurt S. 34 – 35: picture alliance/Westend61/Frank<br />

Roeder; picture alliance/Markus Scholz/dpa; picture alliance/imageBROKER/<br />

Katja Kreder; picture alliance/Bildarchiv Monheim/Andreas Lechtape S. 36 – 37: BVEO/<br />

Deutschland – mein Garten S. 38 – 39: picture alliance/dpa/Felix Kästle; Adobe Stock/Alex<br />

Stemmer; kfd<br />

Quellennachweise: Mittelseite: © Klara Wunder (Jutta Laege)<br />

S. 36 – 37: © Pressebüro Deutsches Obst und Gemüse<br />

„Das Feminismus-<br />

Thema in dieser <strong>Ausgabe</strong><br />

der <strong>Junia</strong> fand<br />

ich sehr lesenswert.<br />

Nun bin ich gespannt<br />

auf die weiteren<br />

Berichte, die sich mit<br />

den gesellschaftspolitischen<br />

Frauenfragen<br />

beschäftigen, zum<br />

Beispiel das Thema<br />

Gendern.“<br />

Melanie Walfort,<br />

Online-<br />

Redakteurin<br />

Im<br />

nächsten<br />

Heft<br />

JULI<br />

<strong>2021</strong><br />

FRAUENFRAGEN<br />

LEBENSQUELLE<br />

WASSER<br />

Klimawandel, extreme<br />

Wetter, Verschwendung:<br />

Wie können wir<br />

unsere wichtigste<br />

Ressource schonen?<br />

TAG DER JUNIA<br />

SIE HABEN ES<br />

WIEDER GETAN!<br />

12 Frauen, 12 Orte,<br />

12 Botschaften:<br />

kfd-Predigerinnen im<br />

Einsatz in Deutschland<br />

GENERATION K<br />

GLAUBEN,<br />

KÄMPFEN,<br />

BLEIBEN!<br />

Daniela Ordowski, die<br />

katholische Landjugend<br />

und der Synodale Weg<br />

Außerdem im Heft:<br />

Omas Beste<br />

Mme X & Mrs. Y<br />

<strong>Junia</strong>-Quiz<br />

Frauenorte<br />

Auflösung Mme X und Mrs. Y in diesem Heft: Mme X: Dorothea Christiane Erxleben, Mrs. Y: Susanne Johna


Der Gedanke zum Schluss<br />

„Die gefährlichste aller<br />

Weltanschauungen ist die<br />

Weltanschauung derer, die die<br />

Welt nie angeschaut haben.”<br />

Wird Alexander von Humboldt zugeschrieben<br />

<strong>Junia</strong>-Lesezeichen<br />

zum Ausschneiden<br />

JETZT REINHÖREN!<br />

SHOP<br />

www.kfd.de/shop<br />

„GLAUBE, LIEBE, HOFFNUNG”<br />

Missbrauchsskandal<br />

in der katholischen<br />

Kirche<br />

abrufbar unter<br />

facebook.com/kfd.bundesverband<br />

youtube.com/user/kfdbundesverband<br />

Johanna Beck<br />

Sprecherin des Betroffenenbeirats<br />

der Deutschen Bischofskonferenz<br />

Joachim Frank<br />

Chefredaktion, Kölner Stadt-Anzeiger<br />

Mechthild Heil<br />

kfd-Bundesvorsitzende<br />

Mattias Katsch<br />

Mitbegründer und Sprecher<br />

der Initiative „Eckiger Tisch“<br />

IDEAL ALS GESCHENK<br />

FÜR ALLE KFD-FRAUEN:<br />

• Eine Tasse aus feinstem Porzellan<br />

• Bedruckt mit dem Signet „Glaube, Liebe,<br />

Hoffnung” und der kfd-Ellipse<br />

• Hochwertige Porzellanfarben<br />

• Kratz- und spülmaschinenfest<br />

• Aus deutscher Porzellanmanufaktur<br />

• Höhe: 10,5 cm, Durchmesser 8,6 cm,<br />

Bestelltelefon: 0211-44992-86<br />

Artikelnr.: WG85<br />

Preis pro St.: 7,00 €

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