Kunst Haus Graz
ISBN 978-3-86859-679-3
ISBN 978-3-86859-679-3
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( Kunst
( Haus
( Graz
Barbara Steiner
Sophia Walk
Anna Lena von Helldorff
Katia Huemer
2003
( friendly alien
Zeichnung einer Schülerin des BG/BRG Carneri,
entstanden in der Bauphase des Kunsthauses
002 )
2001
( Kunst
( Haus
( Entwurf
Perspektive entlang des Lendkais.
Skizze aus der Vorentwurfs planung, Niels Jonkhans
003
)
2004
( Kunst
( Haus
( Graz
006 )
2000
( Kunst
( Haus
( Entwurf
Skin
→ 171 )
→ 176 )
↗ S. 39
↗ S. 41
↗ S. 43
↗ S. 45
↗ S. 47
↗ S. 77
↗ S. 299
Schwarz: organische, sich bewegende Haut,
die durch Geschossplatten gestützt wird.
Rot: Grundriss mit einer Treppen- oder Rampen konstruktion
zwischen noch räumlich getrennten Funktionsbereichen,
Peter Cook, Entwurfsskizze aus dem Wettbewerb
007
)
2020
( friendly alien
Aufnahme von Renesmee van Fraatenblad
010 )
( Zum Buch: )
ein Kaleidoskop
„We are making a radical gesture.
But we’re making it in a city
that has already seen a series
of radical experiments.“
Colin Fournier
Ein Kaleidoskop fügt das, was man sieht,
wenn man hindurchschaut, neu zusammen
und bildet durch Drehen immer
neue Bilder. Das ge landete Alien ist
zu einem vertrauten Bild geworden, und
doch haben sich die Per spek tiven auf
das Gebäude im Laufe der Zeit ver ändert
und werden sich auch künftig verändern.
In diesem Buch schauen wir kaleidos
ko pisch auf das Kunsthaus Graz und
nehmen vor allem die Nutzung und den
Gebrauch des Gebäudes in den Blick.
Der zeitliche Abstand bietet die Chance,
das einst mutige Experiment erneut zu
betrachten, die außer gewöhn lichen
Leis tungen von spacelab am Gebrauch
zu über prüfen und entsprechend zu
würdigen.
Die Architekten Sir Peter Cook und
Colin Fournier sowie Niels Jonkhans,
der als Partner von spacelab wesentlich
an der Konzepterstellung beteiligt war
und zum Vertreter des Wettbewerbsteams
vor Ort wurde, sprechen über die
Zeit der Entstehung, über ihre damaligen
Vorstellungen und wie sich ihre Sicht
auf das Kunsthaus seitdem geändert
hat ( ↗ S. 291 ). Pablo v. Frankenberg und
Anselm Wagner kontextualisieren das
Kunsthaus sowohl international als
auch lokal und setzen es auf diese Weise
in Beziehung zu glo balen Entwicklungen
der Museums architektur ( ↗ S. 99 )
und zur Grazer Architektur ( ↗ S. 259 ).
Barbara Steiner blickt aus der insti tu
tio nellen und kuratorischen Perspektive
auf Genese und Nutzung des Hauses
und geht dem Potenzial des Nicht Per
fekten für das Ausstellen nach ( ↗ S. 37 ).
Sophia Walk widmet sich dem sprachlichen
sowie anderen Formen des
Gebrauchs des Kunsthauses ( ↗ S. 219 ).
Im Gespräch, das die beiden mit
Pablo v. Frankenberg geführt haben,
gehen sie verschiedenen Architekturkonzeptionen
und Raumvorstellungen
seit den 1960er-Jahren nach ( ↗ S. 135 ).
Katia Huemer verzeichnet alle bisher
im Kunsthaus stattgefundenen Ausstellungen
( ↗ S. 350 ) und kommentiert
diejenigen, welche einen besonderen
Bezug zur Architektur erkennen lassen.
Elisabeth Schlögl widmet sich den
Pro jekten der BIX-Fassade und stellt dar,
auf welche Weise sich das Kunsthaus
zur Stadt immer wieder von Neuem in
Beziehung setzt ( ↗ S. 323 ).
Im Buch laufen Texte und Bilder parallel
und folgen jeweils einer eigenen
Num me rierung – und doch gehen beide
Ebenen an bestimmten Stellen Symbiosen
ein, verweisen Ab bildungen auf
Text passagen und umgekehrt. Das sich
durch die Pub likation ziehende Bildnarrativ
erzählt – mehr oder weniger –
die Geschichte des Kunsthauses Graz
und die Erschließung seiner Räume.
Es ist im Grunde genommen ein
„ Rundgang“ durch Raum und Zeit, der
an manchen Stellen unterbrochen ist
und neue Wendungen nimmt. Er beginnt
mit der Imagination: Über die Zeichnung
nehmen erste Ideen von spacelab
Form an, werden Überlegungen skizziert,
ent wickelt, modifiziert und auch verworfen.
Die Vorstellungen münden in
eine räumlich-plastische Annäherung.
Modelle und Konstruktionszeichnungen
ertasten und testen Möglichkeiten
der Umsetzung. Dazwischen sind Abbildungen
des Gebäudes beziehungsweise
signifikanter Architekturelemente
ein gestreut. Von außen geht es über das
Foyer und den sogenannten Travelator
ins Innere des Gebäudes, in die
Aus stellungsräume ( Space01, Space02 )
in die Needle, auf das Dach und wieder
zurück über das Treppenhaus auf den
Vorplatz des Kunsthauses.
Mit der Auswahl der Abbildungen nehmen
wir letztendlich auch verschiedene
Arten und Weisen der Darstellung in den
Blick: Die klassisch-professionelle
Architekturfotografie stellt die repräsentative
Wirkung der Architektur in den
Vordergrund und blendet die Nutzung
weit gehend aus. Martin Grabner und
Arthur Zalewski hingegen kommen aus
der künstlerischen Fotografie.
Martin Grabners Serie ist im Rahmen
von Sophia Walks Frage an die Nutzerinnen
nach einem architektonischen
Element, das ihrem Gebrauch des
Kunsthauses entspricht, entstanden
und zeigt Personen, die das Kunsthaus
auf unterschiedliche Weise nutzen
und durch die das Gebrauchen vielfältig
sichtbar wird. Arthur Zalewski folgt
einem essayistischen Verständnis
von Fotografie: Er nähert sich den
zu foto grafierenden Gegenständen aus
verschiedenen Perspektiven und
verdeutlicht die Spuren des Gebrauchs
im und um das Kunsthaus. Ein eigens
für das Buch ausgeschriebener Fotowettbewerb
in den sozialen Medien zeigt
einen Ausschnitt aus einer inzwischen
millionen fachen medialen Aneignung
durch Be sucherinnen. Diese Fotografien
zirku lieren im Netz, verbreiten das
Bild des Kunsthauses weltweit und
tragen ebenfalls wesentlich zu dessen
Image bildung bei.
Auch wenn es ungewöhnlich erscheinen
mag, haben wir uns für die Verwendung
des generischen Femininums entschieden.
Mit weiblichen Personenbezeichnungen
sind stets alle Personen gemeint.
Diejenigen Textstellen, an denen der
weibliche Plural unzutreffend ist, sind in
entsprechend anderer Weise formuliert.
Unser herzlicher Dank geht an alle,
die zu diesem Buch beigetragen haben,
an die genannten Autorinnen sowie
die Übersetzerinnen der englischen
Ausgabe Louise Bromby und Kate
Howlett Jones. Bei Doris Kleilein und
Theresa Hartherz möchten wir uns
für ihr Vertrauen in das Buchprojekt
bedanken und bei Jochen Visscher
für seine ver mittelnde Unterstützung,
diese Pub li ka tion auf den Weg zu bringen.
Wir hoffen, dass dieses Buch dazu
beiträgt, die Auseinandersetzung mit
dem Kunsthaus über die nächsten
Jahrzehnte fortzuschreiben.
Die Herausgeberinnen
2000
( Graz
( Entwurf
↗ S. 39
Eine der ersten Skizzen des Wettbewerbs.
Sie zeigt kein Gebäude, nur die Verortung von öffentlichen
Plätzen in der Nähe, Niels Jonkhans
011
)
( Textbeiträge )
37 S. Das Potenzial
des Nicht-Perfekten
Barbara Steiner,
S. 39 Vorgeschichte, Grundstück und Wettbewerb
S. 41 Die Unvorhersehbarkeit des Raumes
S. 47 Unbekanntes Territorium
S. 49 „Crap-Tech“
S. 51 Warum kein weißer Ausstellungsraum?
S. 55 BIX
S. 57 Das Potenzial des Nicht-Perfekten
S. 73 Ein extraterrestrischer
„Friendly Organism“.
Ein Gespräch
Niels Jonkhans, Barbara Steiner, Katia Huemer
S. 99 Die Attraktivität
des Un ein deutigen.
Das Museum als
Reibungs fläche
für die Architektur
Pablo v. Frankenberg,
S. 101 Ikonische Architektur und Kunst
S. 103 Die Attraktivität des Uneindeutigen
S. 105 Ästhetik und Technik
S. 107 Ästhetik und Ökonomie
S. 111 Gestalten im Dazwischen
S. 113 Digitalisierung und Architekturtheorie
S. 117 Aufleben des Musealen
S. 119 Museumsarchitektur als Experiment
2000
( Kunst
( Haus
( Graz
( Eisernes Haus
( Entwurf
Eisernes Haus
→ 020 )
↗ S. 41
↗ S. 303
Das Eiserne Haus mit einem offenen, öffentlichen und
lebendigen Erdgeschoss. Frühe Skizze aus dem Wettbewerb,
Niels Jonkhans
012
)
135 Möglichmacher
S.
Museums architektur.
Ein Gespräch
Pablo v. Frankenberg, Barbara Steiner, Sophia Walk,
S. 137 Grenzziehungen
S. 147 Zugänglichkeit
S. 159 Flexibilität versus Veränderung?
S. 163 Das öffentliche Museum
219 Der Friendly-Alien-Effekt.
S.
Arten des architek -
tonischen Gebrauchs
Sophia Walk,
S. 225 Vertraute Fremde
S. 227 Das Museum als Ort des Selbst und als Ort des Nichtselbst
S. 231 Repräsentativität durch Gebrauch / Gebrauch durch Repräsentativität
S. 233 Der erste Blob, der sich wie einer verhält
S. 237 Ausstellen bedeutet, etwas im Verstehenskontext zu zeigen
S. 239 Die Architektur als in die Welt getragenes Bild
S. 259 A Familiar Alien.
Das Kunsthaus Graz,
Archigram und die
„Grazer Schule“
1962–2003
Anselm Wagner,
S. 261 „Those weird damned Austrians“
S. 265 Luftbrücke der Utopien
S. 269 Die Rückkehr zur Erde
2020
( Kunst
( Haus
( Graz
( Eisernes Haus
Café
→ 024 )
Aufgenommen von Laura Treiblmayr
013
)
S. 291 Der Blick zurück.
Ein Gespräch
Isa Rosenberger mit Sir Peter Cook, Colin Fournier und Niels Jonkhans,
Auszüge aus dem Film The Sky is Glass 2017
323 S. BIG + PIXEL = BIX
Eine Auswahl von Projekten an der BIX Licht- und Medien fassade
Zusammengestellt von Elisabeth Schlögl,
Die BIX Licht- und Medienfassade
S. 327 – als Erweiterung der Ausstellung
S. 329 – als Medium eines site-konzipierten, selbstreferenziellen Werks
S. 333 – im performativ-musikalischen Zusammenhang
S. 335 – als Medium interaktiver Projekte
( Anhang )
S. 345 Kunsthaus-Pläne
S. 348 Wettbewerb
S. 350 Ausstellungen
S. 358 A–Z,
( Biografien )
( Index )
S. 367 Credits
Impressum
2000
( Kunst
( Haus
( Graz
( Entwurf
↗ S. 83
Amorphes Gebäude, das über den Lendkai ragt.
Skizze einer Entwurfsvariante aus dem Wettbewerb,
Niels Jonkhans
025 )
Das Potenzial
des Nicht-Perfekten
Barbara Steiner
37
2001
( Kunst
( Haus
( Entwurf
Schnitt
↗ S. 346
Isometrische Schnittzeichnungen der Ausstellungsgeschosse.
Auszug aus den Skizzenbüchern, Niels Jonkhans
026 )
Das Potenzial des Nicht-Perfekten
Kurz nach der Eröffnung des Kunsthauses schrieb die Journalistin Ute Woltron in der
österreichischen Tageszeitung „Der Standard“, das Gebäude wirke so, „als ob Space-
Barbie auf einem Sarkophag kalter deutscher Bankarchitektur zu Grabe getragen
wird“. Und kam zum Schluss: „Das Experiment Kunsthaus wurde durchgeführt, gelingen
wollte es nicht. Konzept und tatsächliche Umsetzung klaffen zu weit auseinander,
das Visionäre in der Architektur blieb außerirdisch, es zerschellte an den Grenzen irdischer
Umsetzbarkeit“. 1 In der Tat wandelte sich das Konzept im Laufe der Zeit stark –
nicht nur vom Entwurf zur Realisierung, sondern auch noch während der Umsetzungsphase.
Zentrale Punkte des Wettbewerbsentwurfs wurden nicht umgesetzt, wie etwa
ein frei über dem Platz schwebendes Gebäude und eine transparente, durchlässige,
sich immer wieder verändernde Außenhaut. Das war für viele, die den Bau des Kunsthauses
von Anfang an mitverfolgt hatten, enttäuschend. Doch ist das Visionäre des
Entwurfs „an den Grenzen irdischer Umsetzbarkeit zerschellt“? Ich meine nein und
werde das im Folgenden ausführen.
Vorgeschichte, Grundstück und Wettbewerb
1963 wurde vom damaligen Kulturlandesrat Hanns Koren die Dreiländer-Biennale trigon
gegründet. Diese sollte das aktuelle Kunstschaffen in Österreich, Italien und Ex-Jugoslawien
abbilden und einen grenzüberschreitenden Kulturaustausch ermög lichen.
Später wurde der „trigon-Raum“ hin zu Ungarn, Deutschland, Frankreich, Großbritannien,
Spanien und Tschechien ausgeweitet. Im Rahmen der Biennalen tauchte bald der
Wunsch nach einem eigenen „trigon-Museum“ auf. Nach jahrelangen Diskussionen
wurde 1988 vom steirischen Landeshochbauamt ein Architekturwettbewerb durchgeführt,
zu dem auch Vertreter aus dem „trigon-Raum“ geladen waren. Das Wiener Büro
Schöffauer Schrom Tschapeller entschied diesen für sich und begann zügig mit der
Planung. Doch obwohl ein Grundstück im Stadtzentrum (Standort: Pfauengarten), die
Finanzierung und erste Pläne vorlagen, legte man mit dem Wechsel der Landesregierung,
1991, das Vorhaben zu den Akten. Wenig später wurde Architekt Klaus Gartler mit
der Erarbeitung einer Standortstudie beauftragt, die dieser 1996 vorstellte. Ein zweiter
Wettbewerb mit internationaler Beteiligung, diesmal am Standort „Schloßberg –
Palais Herberstein“, wurde ausgelobt und vom Schweizer Büro Weber Hofer Partner
Architekten gewonnen. Deren Vorschläge scheiterten an einer 1998 durchgeführten
Volksbefragung. Im dritten Anlauf rückte ein gegenüber der Altstadt liegendes Areal im
sogenannten „Rotlichtviertel“ in den Blick. Nun bot sich mit der Grazer Bewerbung zur
Kulturhauptstadt Europas 2003 eine reale Chance, das von vielen lange ersehnte Haus
für moderne und zeitgenössische Kunst tatsächlich umzusetzen.
Die Entscheidung, den Bau am rechten Murufer zu errichten, war von Anfang an städtebaulich
motiviert. Mit den Bezirken Lend und Gries rückten bis dato im Schatten des
linken Murufers stehende Stadtteile in den Blick. Als künftiger Standort wurde eine
Baulücke zwischen Lendkai und Mariahilfer Straße ausgewiesen. Das zur Annenstraße
abschließende „Eiserne Haus“ sollte direkt mit dem Neubau verbunden werden und
→ Entwurf
011 )
→ Entwurf
012 )
39
2020
( Kunst
( Haus
( Needle
( BIX
↗ S. 55
↗ S. 301
↗ S. 325
Die BIX-Fassade
Projekt: Bill Fontana, Graphic Waves
028 )
manente Veränderung der Außenhaut des Gebäudes garantieren. Zunächst als eine
nahtlos laminierte Membran konzipiert, war daran gedacht, in dieser Photovoltaikelemente
(Sonnen- und Windenergie) und lichtemittierende Dioden unterzubringen
und die Haut darüber hinaus als digitalen Bildschirm zu nutzen. Anregungen für die
mögliche Beschaffenheit einer solchen Haut holte man sich aus dem Bereich des
Hochleistungs-Yachtsegelns. 5 Entgegen kam dieser Vorstellung, dass das künftige
Kunsthaus keine ständige Sammlung beherbergen musste, es sollte – und dies war eine
der Lieblingsvorstellungen von Colin Fournier – „potenziell wie ein Chamäleon agieren
und sein Aussehen permanent verändern, sowohl außen, durch die programmierbare
elektronische Fassade, als auch innen, um sich den neuen Bedürfnissen jeder Ausstellung
anzupassen“. 6 Konzeptuell bedeutend war in diesem Zusammenhang, „Elemente
des Neuen und der Überraschung“ zu integrieren: 7 Mit dem sogenannten Travelator,
eine Art Rollband, das in das Innere des Kunsthauses führt und mit dem auch die Etagen
erschlossen werden, würde man sprichwörtlich „ins Unbekannte“ gleiten – wie es
Peter Cook einprägsam formulierte. 8 Auch würde jede Ausstellung ein „neues Raumgefühl“
erzeugen und „immer wieder die Illusion eines unbekannten Gebäudes vorspiegeln“.
9 Als Analogie wurden Film und Stadt herangezogen: So wie „nur der Film unvergesslich,
in dem das Unerwartete passiert, die Stadt, die plötzlich ihre Laune oder
ihren Charakter ändert“, muss auch das Kunsthaus in seinen „kleinen Ecken und Winkeln,
auf den engen Plattformen oder andernorts“ eine Reihe von Überraschungen
bieten. 10 Die Entscheidung für mehrere Eingänge und Erschließungswege im Inneren,
für „Travelator“, Treppenhaus, Lift und offene Plattformen, kurzum: die multidirektionale
Raumkonzeption, bildete zusammen mit dem Fokus auf Wechselausstellungen
das Grundgerüst, um überraschende Entdeckungen durch die Besucherinnen zu ermöglichen.
Vor allem Colin Fournier verfolgte schon länger die Vision einer flüssigen Architektur,
„die mithilfe von Robotik und künstlicher Intelligenz eines Tages wirklich lebendig werden
und auf Umwelteinflüsse und sowohl menschliche Bedürfnisse als auch Wünsche
reagieren kann“. 11 Die Vorstellung permanenter Veränderung wurde zum Schlüssel der
Architekturkonzeption. Diese bezog sich nicht nur auf das Gebäude selbst, sondern
auch auf das, was es – quasi als Motor – auszulösen imstande ist. Es sollte dezidiert
„einen wichtigen Einfluss auf die Regeneration der westlichen Stadthälfte ausüben“
und wie die Beispiele des Centre Pompidou in Paris, des Guggenheim in Bilbao oder
der Tate Modern in London „wirksamer Katalysator für Veränderungen sein“. 12
Erste Überlegungen zu lebendigen, kommunikativen und sich verändernden Bauten
und Städten wurden lange vor dem Kunsthaus-Wettbewerb inmitten einer popkulturell
geprägten Umgebung geboren: im London der 1960er-Jahre, im Umfeld von Cedric
Price und Archigram. Der Fun Palace (1960/61), den Price mit der Theaterregisseurin
Joan Littlewood entwickelte, war als leichte, modulare Struktur angelegt. Bewegliche
Wände, Fußböden, Decken und Gänge, Rampen, Luftbarrieren, warme Luftvorhänge
und Nebelmaschinen sollten verschiedene Aktivitäten in seinem Inneren unterstützen
und sich den jeweiligen Bedürfnissen anpassen. 13 Mithilfe eines Krans würde die Raumkonstellation
je nach Anforderung verändert werden können. Archigram, 1961 von Peter
Cook, Michael Webb und David Greene gegründet, rückten ihre visionären Ideen in den
Vordergrund, publizierten diese in einer eigens dafür herausgegebenen Zeitschrift und
→ Travelator
079 ) 080 )
→ Zugänge
151 ) 153 ) 189 )
→ Referenz
062 )
43
1963–64
( Referenz
↗ S. 45
↗ S. 55
Living City, Archigram
( oben ) Plan für die Ausstellung
( unten ) Aufriss der Ausstellungsstruktur
032 )
konstruktion darüber gebaut. 20 Die beabsichtigte, leichte Kokon-Membran des Kunsthauses
wich einer sehr soliden, intransparenten Konstruktion. Die „Nozzles“, welche
die Dachlandschaft des Kunsthauses prägen, wurden unbeweglich ausgeführt, sie
kön nen ihre Ausrichtung nicht verändern und lassen nur sehr wenig natürliches Licht
durch die jalousieartigen Lamellen ins Innere. Die spiralförmig gewundenen Neonröhren
in den „Nozzle“Trichtern verschwanden aus Budgetgründen letztlich nicht unter
hellen Abdeckungen, sondern behielten ihr expressiv anmutendes Erscheinungsbild. 21
Das ursprünglich geplante Beleuchtungssystem in Form von dichten Reihen kleiner
LED-Lichtquellen, in die Oberfläche der Innenhaut integriert, wurde bereits zu einem
frühen Zeitpunkt fallen gelassen.
Erhalten blieben das Konzept der zwei offenen Plattformen und der „Travelator“, mit
dem man in die Ausstellungszonen gleitet. Ein anderer zentraler Gedanke – das Gebäude
über einem frei zugänglichen Erdgeschoss schweben zu lassen – musste vor
allem aus klimatisch-konservatorischen Gründen aufgegeben werden. 22 Dennoch gelang
es, über die Verglasung des Erdgeschosses und über seine drei Eingänge eine
Sichtverbindung bzw. Öffnung zur urbanen Umgebung des Kunsthauses herzustellen.
Gedacht als niederschwelliger Kommunikations- und Veranstaltungsraum, beherbergte
das Erdgeschoss zunächst „Medienkunstlabor“ und „Medienlounge“, 23 Veranstaltungsraum,
Café, Restaurant und Shop. Heute finden sich in dieser Zone der Veranstaltungsraum,
Restaurant, Shop sowie dauerhaft installierte Kunstwerke und der sogenannte
Katzenbaum für die Kunst, eine Display-Skulptur für kleinere Wechselausstellungen. Im
Bauch des Kunsthauses konnte ferner ein gewölbter, komplett mit Teppich ausgekleideter
Vermittlungsraum für Kinder umgesetzt werden, der über Bullaugen einen Blick
ins Erdgeschoss und auf den Vorplatz gewährt. Nicht realisiert wurde hingegen die
„Pin-und-Skin-Bar“ an der Murseite. Sie wich einer Aussichtsplattform, der sogenannten
„Needle“, die immer wieder als erweiterter Teil der Ausstellung Verwendung findet,
aber auch für besondere Anlässe vermietet wird.
→ Entwurf
171 )
→ Nozzle
172 )
→ Nozzle
111 ) 135 )
→ Entwurf
076 ) 082 )
→ Foyer
057 ) 065 ) 196 )
→ Medienkunstlabor, Shop
014 ) 015 )
→ Foyer
186 )
→ Katzenbaum
049 ) 053 )
→ Space03
177 ) 178 ) 179 )
→ Needle
143 ) 146 ) 148 )
„Crap-Tech“
Beim Bau des Kunsthauses wurde vor dem Hintergrund von kleinem Budget und großem
Termindruck auf „Crap-Tech“ (Crap Technology) gesetzt. 24 Diese zeichnet sich durch
den Einsatz von Standardelementen und -materialien, aber auch durch improvisierte,
raffinierte Detaillösungen aus. Ein signifikantes Beispiel für eine solche Improvisation
ist die Innenhaut des Kunsthauses: Das feinmaschige Netz wird üblicherweise in Kläranlagen
eingesetzt, ist preiswert, leicht und durchaus sehr elegant in der Anmutung.
Doch beim Bau des Kunsthauses musste man nicht nur aus Budgetgründen improvisieren
und ad hoc Lösungen finden, sondern auch um Lücken zwischen manuell gezeichnetem
Entwurf und seiner digitalen Übersetzung sowie zwischen digitaler Produktion
und manueller Umsetzung auszugleichen.
Die städtebauliche Positionierung und das Erscheinungsbild des Kunsthauses wurden
zunächst über Handzeichnung / Skizze (Cook, Jonkhans) und beschreibenden Text
(Fournier) entwickelt. Darüber hinaus entstanden – um ein Gespür für die Freiform zu
finden – dreidimensionale Anschauungsobjekte aus verschiedenen Materialien – ebenfalls
manuell erzeugt. Erst in einem zweiten Schritt wurde die für die Konstruktion
→ Skin
171 ) 176 ) 180 )
→ Entwurf
034 ) 041 ) 154 ) 171 )
↗ Wettbewerb
S. 269
49
2007
( Kunst
( Haus
( Foyer
↗ S. 87
↗ S. 89
046 )
NJ
Wir hatten dünne Scheiben vorgesehen. Also eigentlich schon so, wie es jetzt geworden
ist. Allerdings musste das Glas mit einer Sonnenschutzfolie ausgestattet
werden, um den Hitzeeintrag zu minimieren. Dies hat zum Ergebnis, dass das Glas
bei den meisten Sonnenständen nicht mehr transparent wirkt, und es so aussieht,
als säße die Bubble jetzt auf einem silbrig-glänzenden Sockel. Das stört uns sehr und
hat auch in der Presse berechtigte Kritik nach sich gezogen. Das transparente Erdgeschoss
ist eben oft nicht transparent.
BS
Das Kunsthaus zerfällt damit auch in zwei Hälften: in ein visionäres Oben und ein
sehr pragmatisches Unten. Die Übergangszone wirkt abrupt.
NJ
Es sollte keine Tür zwischen Erdgeschoss und Ausstellung geben. Eine mechanische
Rampe, der Travelator, sollte nahtlos vom öffentlichen Bereich nach oben führen.
Die Konsequenz war, dass das Luftvolumen des Erdgeschosses so zum streng regulierten
Museumsbereich zählte und somit Auflagen zu erfüllen hatte. So weit die
Theorie, denn diese Entscheidungen fielen ja auf Papier, bevor das Gebäude fertig
war. Eine Simulation, wie sich die Luft tatsächlich verhalten würde und welche Auswirkungen
die relativ kleine offene Verbindung des Travelators darauf hatte, wurde
aus Budget- oder Zeitgründen nicht mehr beauftragt. So galt es auch hier wieder,
auf Nummer sicher zu gehen und das Glas mit dem höchsten Sonnenschutz zu versehen,
der damals möglich war. Ich hätte lieber einen mechanischen Sonnenschutz
gehabt, der auch nicht billig gewesen wäre, aber den Vorteil gehabt hätte, dass dieser
zu bestimmten Tageszeiten hochgefahren hätte werden können, denn die Sonne
scheint nur vormittags auf die Fassade, sie liegt ja im Osten.
BS
Wenn man sich Fotos vom Kunsthaus anschaut, dann sind diese meistens so aufgenommen,
dass die Bäume am Lendkai den Sockel optisch wegnehmen, oder das Gebäude
ist von oben fotografiert, sodass man den unteren Teil gar nicht sieht. Daran
merkt man, dass das nicht so Gelungene zumindest auf den Fotos meist ausgespart
ist.
KH
Wenn die Transparenz geglückt wäre, hätte man dann das Glas nicht aus Sicherheitsgründen
komplett verkleben müssen? Teilweise ist das auch jetzt schon der Fall. Die
Leute rennen ja sogar gegen diese Scheiben. Wahrscheinlich hätte man dann wieder
andere Kompromisse machen müssen.
NJ
Das stimmt.
BS
Stichwort Bild und mediale Rezeption: Das Kunsthaus ist ein ikonisches Gebäude
und steht in einer Reihe mit anderen ikonischen Museumsbauten seit den 1990er-
Jahren. Natürlich wollte man im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas ein solch
starkes visuelles Zeichen, das imstande ist, positiv in die Welt auszustrahlen. Es verdankt
sich aber auch einer anderen Tradition, vor allem im Inneren findet man ein
sehr stark auf die sich ständig verändernde Nutzung ausgerichtetes Raumkonzept.
Solche Konzepte kennt man aus den späten 1960er- und 1970er-Jahren. Das Kunsthaus
ist also in Bezug auf seine architektonische Konzeption hybrid. Um zu den
Raumkonzepten für das Innere zu kommen ...
NJ
Das Gebäude ist großteils aus einer architektonischen Auffassung des musealen Innenraums
geboren. Es gab im Wettbewerb ein zugrunde liegendes museales Konzept
seitens des Auslobers. In der entscheidenden Planungsphase war aber niemand da,
→ Fassade
190 ) 194 ) 195 )
→ Fassade
043 ) 193 )
→ Gebrauch
079 )
→ Kunsthaus
207 )
→ Fassade
036 )
85
2017
( Kunst
( Haus
( Foyer
VIP’s Union
→ 060 )
→ 148 )
Umbauphase; Haegue Yang. VIP’s Union – Phase I
050 )
051 )
NJ
Und das bedeutet möglicherweise auch eine Überforderung für Leihgeberinnen, die
partout eine weiße Wand wollen, wie zum Beispiel bei Werken, für die Hängeposition,
Farbe des Hintergrundes und der umgebende Freiraum zentimetergenau bestimmt
sind.
BS
Wir sagen heute gleich, dass wir bestimmte Dinge nicht erfüllen können. Schwierig
wird es, wenn jemand den Raum nicht kennt und aus der Ferne festlegen möchte,
wie etwas aussehen soll.
NJ
Das war zum Teil auch das Problem bei Videodreams. Da gab es Arbeiten, die nach
strengen Vorgaben in akustisch isolierten Kisten installiert werden sollten. Zum
Glück waren nicht alle Leihgeberinnen so streng und es wurde dann doch eine richtig
gute Ausstellung, wie ich finde.
KH
Das war eine super Ausstellung! Architektonisch sehr schön gemacht. Damals standen
wir das erste Mal vor der Herausforderung, in einer Ausstellung ausschließlich
Videoarbeiten zu zeigen, ohne dabei den Space komplett in kleine Zellen zu unterteilen.
Das ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen, auch weil die Präsentationsformen
der Videos so unterschiedlich waren – vom Guckkasten bis zum Kinosaal.
NJ
Da musste man alles abwägen. Wie viel verträgt das Werk und wie viel der Raum?
Natürlich ist das Werk dabei wichtiger. Ich glaube, dass die Verantwortung für alle,
die in diesem Haus arbeiten, ungewöhnlich groß ist. Wenn man das nicht möchte,
sollte man darauf verzichten, Ausstellungen im Kunsthaus machen zu wollen (lacht).
BS
Diese Raumauffassung steht im Gegensatz zu einem anderen, sehr stark verbreiteten
Raumtypus, der suggeriert: „Ich bin gar nicht da.“ Aber auch ein weißer Ausstellungsraum,
um wieder auf dieses Beispiel zurückzukommen, ist ganz stark „da“,
hat eine große Präsenz, starke Auswirkungen auf die Wahrnehmung und die Begegnung
mit dem Werk. Das tut das Kunsthaus nicht. Es sagt ganz selbstbewusst: Ich
bin da! Beschäftige dich mit mir, finde heraus, was möglich bzw. unmöglich ist.
NJ
Ja. Das macht die Architektur ja auch in und mit der Stadt. Einerseits passt sie sich
an, andererseits ist sie auffällig und präsent. Das Gebäude weicht nicht zurück.
KH
Ich glaube, es sind eben oftmals gerade weniger klassische, also White-Cube-Ausstellungsräume
gefragt. Mit den Ausstellungskonzepten ändern sich die Erwartungen
an solche Häuser, deswegen versucht man ja auch Lösungen zu finden, die mehr
zulassen.
BS
Niels, wie viel Planung braucht es deiner Meinung und wie viel Veränderungsmöglichkeit
muss möglich sein? Wie viel gibst du vor und was kann man überhaupt vorgeben?
Wie viel oder wie wenig muss also vonseiten der Architektur definiert werden,
damit Veränderungen, die später kommen – die man nicht vorhersehen, nicht antizipieren
kann – Raum finden. Anders gefragt: Wie viel kann man überhaupt planen?
Wo sind die Grenzen der Planung? Das frage ich dich jetzt als Architekt.
NJ
Das ist eine interessante Frage. Ich finde in dem Zusammenhang den oft ge brauchten
Begriff des „Multifunktionalen“ nichtssagend. Wenn man angibt, etwas sei multifunktional,
und man ist aber nicht in der Lage, zu benennen, was denn genau wie funktioniert,
dann ist es ein leerer Begriff. Damit meine ich, dass es keinen Raum gibt, in
dem alles möglich sein kann oder gar muss. In der Planung spricht man daher von
Nutzungsspektren – definierte Rahmen von Möglichkeiten, die in Szenarien planerisch
durchgespielt werden müssen.
→ Space02
085 )
93
1950
( Referenz
↗ S. 101
↗ S. 153
( oben ) Heute unauffällig zwischen der Glas- und Stahlarchitektur
der Nachbarbauten eingegliedert, war das MoMA in New York
zum Zeitpunkt seiner Entstehung stilprägender Vorreiter und Zeichen
des Aufbruchs aus der historischen Umgebung. The Museum
of Modern Art, New York City
( rechts ) Einige Linien des Netzes, das sich zwischen Museum
und ikonischer Architektur aufspannt. Zeichnung: Pablo v. Frankenberg
055 )
056 )
Die Attraktivität
des Uneindeutigen.
Das Museum
als Reibungsfläche
für die Architektur
Pablo v. Frankenberg
99
2017
( Kunst
( Haus
( Foyer
( Travelator
↗ S. 43
Umbauphase, Foyer und Empfangstresen
063 )
zeigt. Die Bedeutung ikonischer Museumsbauten ist daher nicht (allein) in der Lebensund
Arbeitsweise ihrer Entwerfer, sondern in den sozialen, bürokratischen, ökonomischen
und technischen Interdependenzen zu suchen, die für die Architektur sehr viel
deutlicher definiert sind als für die Kunst.
Dass es gewisse international ähnliche Ausgangsbedingungen für die Entstehung ikonischer
Museumsarchitektur gibt, führt darüber hinaus noch lange nicht zu einer Ähnlichkeit
oder gar Austauschbarkeit der Entwürfe, sondern steht eher für eine durch
Digitalisierung und Mobilität geprägte globalisierte Architekturproduktion. Globalisierung
bedeutet dabei keineswegs Gleichschaltung im Sinne einer „universalisierte[n]
Weltkultur“. 23 In einer solchen funktionierten kapitalistische Prinzipien wie Wachstum
oder auch ‚Bereicherung‘ nicht, da sie eben jene Unterschiede nivellierte, die Grundlage
kapitalistischer Ausbeutung sind. Lokale Vielfalt und Differenzen sind wesentliche
‚Innovatoren‘ und Gewinnquellen für den globalisierten Markt.
Dass auch die Museumsarchitektur trotz globalisierter Produktionsbedingungen von
Vielfalt lebt, kann man selbst noch an den in ihrem Geschäftsmodell viel kritisierten
Guggenheim-Museen erkennen. Das vom ehemaligen Guggenheim-Direktor Thomas
Krens entwickelte Museums-Franchise-System setzt auf die unterschiedlichen Kontexte,
in denen die neuen Häuser stehen oder standen. Der symbolische Gewinn für
die Museumsmarke und der finanzielle Zuwachs des Stiftungskapitals entsteht nicht
durch Gleichschaltung, sondern durch Ausbeutung der Unterschiede. Wichtig ist dabei
eine jeweils neue Architektur (Bilbao, Abu Dhabi) oder auch nur das Versprechen
einer solchen (Wettbewerbe für Salzburg, Guadalajara, Rio de Janeiro, Helsinki u. a.).
Damit schafft das Franchise ein lokal verankertes Bild für die Expansion, das gleichzeitig
eine Verlässlichkeit des hohen künstlerischen Anspruchs der Marke und ihre Anschlussfähigkeit
an so gut wie jeden Kontext kommuniziert. 24 Das Raunen, das bei
jeder Ankündigung auch nur einer möglichen Expansion durch die Kunst- und Architekturwelt
geht, zahlt auf die Marke Guggenheim ein. Wenn es auch auf die Städte und
Regionen einzahlt, in denen das neue Gebäude entsteht, dann liegt das meist daran,
dass das neue Museum nur ein Teil einer weitaus größeren infrastrukturellen Maßnahme
ist. Das gilt für Bilbao genauso wie für Abu Dhabi. In beiden Fällen könnte man
sogar vermuten, dass nicht nur die ikonische Museumsarchitektur, sondern eben auch
der durch öffentliche Mittel finanzierte Ausbau von Straßen, Brücken, Stadtvierteln,
öffentlichem Nahverkehr u. v. m. auf die Marke und die Bilanz einer privat geführten
Kulturinstitution einzahlt – genauso wie die von der Guggenheim Foundation erhobenen
Lizenzgebühren und der öffentliche Zuschuss zum Betriebsbudget.
Digitalisierung und Architekturtheorie
Doch genauso wenig, wie sich ikonische Museumsarchitektur auf ihre Entstehungsbedingungen
in einer globalisierten und digitalisierten Architekturproduktion reduzieren
lässt, lässt sie sich auf ökonomische Verwertungszusammenhänge herunterbrechen,
auch wenn sicherlich beides wesentliche Merkmale ihres Erscheinens im ausgehenden
20. Jahrhundert sind. Eine viel grundlegendere Ausgangsbedingung für den Erfolg ikonischer
Architektur ist das Verhältnis von Digitalisierung der Architekturproduktion
und Architekturtheorie.
113
2019
( Kunst
( Haus
( Foyer
( Travelator
Foyer
→ 186 )
→ 187 )
Travelator mit dem funktionalen Kunstwerk Soft Intervention
von Hannes Priesch und Herta Kramer-Priesch
064 )
Im Jahr 2001 konstatierten die Herausgeber der Arch+, dass die „theoretische Architekturdebatte
[seit einigen Jahren] erschöpft“ sei. 25 Rem Koolhaas zieht einige Jahre später
nach und spitzt diese These zu: „[…] if you plot architectural publications, you will
see a timeline that suggests Europeans and Americans were incredibly active in terms
of producing architectural manifestos and architectural thinking, but that our thinking
stopped in the 1970s.“ 26 Das Buch Learning from Las Vegas von Robert Venturi, Denise
Scott Brown und Steven Izenour aus dem Jahr 1972 situiert Koolhaas 40 Jahre später
rückblickend ans Ende der produktiven Zeit westlicher Architekturtheorie.
Eine der größten Veränderungen der modernen Architekturgeschichte trifft auf diese
Theorielosigkeit: die Technisierung und Digitalisierung architektonischer Produktion,
die der Architektur völlig neue Werkzeuge und Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung
stellt. Das Missverhältnis zwischen dem Rückgang theoretischer Perspektiven auf
diese technischen Möglichkeiten und der Ausbreitung ebenjener zeigt sich u. a. auch
darin, dass in den Versuchen der theoretischen Fassung von CAD, BIM und parametrischem
Modellieren diese Werkzeuge selbst zur Theorie verklärt werden, die Handhabung
des Werkzeugs also mit der Reflexion darüber verwechselt wird. 27
Die digital erzeugten Bilder und parametrischen Entwurfsmöglichkeiten verführen aus
einem bestimmten Grund zu dieser Verwechslung bzw. Gleichsetzung von Theorie und
Werkzeug. Sie bedeuten eine neue Zeitdimension für die Architekturproduktion: das
Unmittelbare. Während Zeichnungen und Pläne immer vermittlungs- und interpre tationsbedürftig
sind und ihre Erstellung oder auch nur Kopie eine gewisse Zeit in
Anspruch nimmt, scheinen Renderings und 3-D-Modelle nicht nur ‚evident‘, sondern
können auch, so die 3-D-Daten einmal erstellt sind, im Nu angepasst und diese Änderungen
direkt gezeigt werden. Sie repräsentieren nicht, sie simulieren Architektur.
Die Grenze zwischen Zeichnung und gebauter Architektur, zwischen Planung und Ausführung,
zwischen Denken und Tun verschwimmt in der Simulation. 28
Bevor es die Möglichkeit der parametrischen 3-D-Modellierung gab, bedeutete jede
Entwurfsänderung die relativ zeitintensive Erstellung neuer Zeichnungen. Jetzt kann
der Entwurf durch die Änderung der Parameter (wenn das Modell einmal steht: durch
nur wenige Klicks) unmittelbar nicht nur angepasst, sondern im gleichen Schritt auch
visualisiert werden. Das Unmittelbare verleitet dazu, den Programmen und den von
ihnen erzeugten Visualisierungen mehr Glauben zu schenken als dem eigenen Denken
über die jeweilige Bauaufgabe. Als festgefügte Systeme scheinen die Programme ihre
theoretische Erklärung gleich mitzuliefern. Auch die Simulation z. B. des umgebenden,
real bereits vorhandenen Stadtraums scheint eine Ortsbesichtigung oder auch nur
eine größere geistige Anstrengung, sich den Entwurf im Kontext des realen Stadtraums
vorzustellen, obsolet zu machen. Das Denken über Architektur kann auf diese Weise
leicht zu einem System werden, das Außeneinflüsse nur insoweit zulässt, als sie digitalisierbar
sind.
Mit den neuen Programmen sind neue Formensprachen in der Architektur möglich,
deren Grenzen durch den Fortschritt der Programmierung bestimmt zu werden scheinen,
29 nicht durch der Programmierung vorgeschaltete Manifeste und Theorien. Damit
ist weder gesagt, dass CAD- oder Algorithmus-basierte Entwürfe nicht kreativ sind,
noch dass Denken nur in vordigitalen Zeiten möglich gewesen wäre. Doch liegt die Vermutung
nahe, dass die Unmittelbarkeit und Evidenz, die für den architektonischen
115
2020
( Haus
( 3. Untergeschoss
( Gebrauch
„Im 3. Untergeschoss, 15 bis
20 Meter unter der Erde, befinden
sich die wichtigsten Maschinen
für das Kunsthaus, die eigentlich
das ganze Haus in Betrieb halten.
Wenn man die Räume betritt, fühlt
man sich fast schon wie in einem
Raumschiff.“
Michaela Hofmann, Reinigungsdienst
074 )
2020
( Haus
( 3. Untergeschoss
( Gebrauch
Kunsthaus
→ 204 )
„Einmal in der Woche betätige
ich jedes Rad, um die Sprinkleranlage
zu testen. Mir gefällt das
Erscheinungsbild der Technik der
Sprinkleranlage mit den roten
Rädern, das schaut spannend aus.“
Peter Rumpf, Haustechniker
075
)
2001
( Kunst
( Haus
( Entwurf
Kunsthaus
Schnitt
↗ S. 346
↗ S. 81
↗ S. 83
Querschnitt durch die Bubble.
Skizze aus dem Vorentwurfsprojekt, Niels Jonkhans
076 )
Möglichmacher
Museumsarchitektur.
Ein Gespräch über
Grenzziehungen,
Zugänglichkeit,
Flexibilität versus
Veränderung und das
öffentliche Museum
Pablo v. Frankenberg,
Barbara Steiner,
Sophia Walk
am 20., 21. und 22. September 2019 in Graz
135
2001
( Haus
( Space02
( Entwurf
Grundriss
↗ S. 345
Ausstellungsgeschoss. Zeichnung Grundriss,
Vorentwurfsphase, Niels Jonkhans
084 )
Wahrnehmung. Mich stört auch, dass der weiße Ausstellungsraum suggeriert, immer
schon da gewesen sein. Eine Gegebenheit, die in der Welt ist, ohne dass du sie jemals
infrage stellst. Doch der weiße Raum war lange Zeit nur eine Möglichkeit unter
vielen. Er hat sich erst in den späten 1980er-Jahren so richtig durchgesetzt.
PvF
Ich hab das Gefühl, selbst wenn ich gegen ihn arbeite oder mit ihm arbeite, dann bestärke
ich die Utopielosigkeit, die dahinter steckt. Ich beschäftige mich nicht mit mir
selber, sondern eben nur noch mit dem weißen Ausstellungsraum, statt auf andere
Weisen produktiv zu werden. Er scheint mir keine emanzipatorische Kraft zu haben.
BS
Interessant, dass du in dem Zusammenhang Utopielosigkeit ansprichst. Aus heutiger
Perspektive ist dies völlig richtig. Zur Zeit seiner Genese war es genau umgekehrt:
Alfred H. Barr hat ihn vor allem in den 1930er-Jahren als utopischen Raum gesehen,
weil er sich politischer Instrumentalisierung verweigert. Heute handelt es sich um
einen im Wesentlichen kommerzialisierten Raum.
SW
Wir haben von disziplinären, räumlichen und sozialen Grenzen gesprochen und auch
von Zugänglichkeit. Die Frage ist aber auch: Wo spielen diese drei Grenzen, vielleicht
tatsächlich gerade für ein Museum, zusammen eine Rolle?
PvF
Ein positives Beispiel ist für mich das Brooklyn Museum. Es wurde als ein klassisches
historistisches Museum, als Tempel mit einer großen Treppenanlage gebaut, um
nach oben zum Allerheiligsten zu schreiten. In Brooklyn hat man nun die Treppe
weggenommen und den Eingang ins Untergeschoss verlegt. Man geht also bei den
Fundamenten hinein, die man im Kassenbereich auch sehen kann. Das heißt, man
kommt aus der U-Bahn und muss dann nicht noch eine Treppe hochgehen, um der
hehren Kunst zu huldigen, sondern man wird regelrecht ins Gebäude gezogen. Das
passt zum Programm des Museums, das stark in der lokalen Community verwurzelt
ist. In diesem Universalmuseum finden eben auch Street-Art-Ausstellungen mit
Künstlerinnen aus Brooklyn statt. Dafür kommt die Crowd. Dort baut man also programmatisch
die soziale Grenze ab, aber eben auch baulich. Wie funktioniert das
beim Kunsthaus?
BS
Baulich funktioniert es im Kunsthaus schon sehr gut. Die Leute strömen aus allen
möglichen Gründen ins Haus. Aber im Unterschied zum Brooklyn Museum sind wir –
obwohl Teil des Universalmuseums Joanneum – im Bereich der internationalen modernen
und zeitgenössischen bildenden Kunst unterwegs, mit regelmäßigen Ausflügen
ins Performative. Wir beginnen in den 1960er-Jahren. Das ist programmatisch
gesetzt, zum einen, weil Graz damals eine wichtige Stadt der Avantgarde war, zum
anderen vor dem Hintergrund der anderen Museen des Joanneums, die ältere Segmente
abdecken. Ich würde zwar gerne mehr joanneumsinterne Kooperationen machen,
aber das ist nicht einfach, nicht zuletzt weil unsere Räume die klimatischen
Vorgaben oft nicht erfüllen. Mit der lokalen Community arbeiten wir, aber nicht in
dem Maße, wie es andere Player in Graz tun, und wenn, dann immer in Bezug zu globalen
Entwicklungen. Ich denke, dass zeitgenössische Kunst inhaltlich viele Verbindungen
zum Leben der Menschen bietet, aber man muss darüber hinaus weitere
Zugänge eröffnen. Neben der Kunstvermittlung interessiert mich das Gebäude des
Kunsthauses als ein Werkzeug, um Menschen an die Ausstellungen zeitgenössischer
Kunst heranzuführen. Scherzhaft gesprochen: Das Gebäude ist unser Klimtfries. In
151
2004
( Kunst
( Haus
( Space02
Die offensichtliche Theatralität
des Space02, der schon
durch das Fehlen jeglichen
Tageslichts einen außerordentlich
gut geeigneten Ort
für die Präsentation von
Medienkunst darstellt, nutzte
Adam Budak für die von ihm
kuratierte Ausstellung Video -
dreams.
Die verschiedenartigen
Präsentationsformen der
Videos – von einer paraventartigen
Leinwand
( Aernout Mik) über einen
objekthaften Guck kasten
(Joan Jonas) bis hin zur
klassischen schwarzen Box
mit Kino bestuhlung
( Teresa Hubbard/Alexander
Birchler) – unterstrichen
die Atmosphäre zwischen
Traum und Insze nierung,
die durch die Inhalte der
gezeigten Arbeiten erzeugt
wurde.
Videodreams. Zwischen Cinematischem und Theatralischem,
Entwurfszeichnung zur Ausstellung, Niels Jonkhans
085 )
die Wiener Secession gehen sehr viele, aber nicht wegen der zeitgenössischen Kunst,
sondern wegen Gustav Klimt, vielleicht auch wegen der Architektur von Olbrich. Bei
uns ist es das Gebäude, das Leute anzieht.
SW
Es ist wohl schon so, dass viele Architektinnen, die Graz besuchen – und da kann ich
aus meinem eigenen Bekanntenkreis berichten –, ins Kunsthaus möchten, weil sie
eben die Architektur interessiert, weil ihnen die Architekten bekannt sind, weil das
Bild der Architektur es über die Grazer Grenzen hinaus geschafft hat. Natürlich wird
dann die Ausstellung wahrgenommen, aber immer nur als Folie, durch die die Architektur
betrachtet wird. Die Präsenz des Bauwerks spielt im Kunsthaus schon eine
gewichtige Rolle in der Kunstwahrnehmung.
BS
Und das spielen wir auch extrem aus. Das Haus ist ein Attraktor und ein Vermittlungstool.
→ friendly alien
035 ) 218 )
→ friendly alien
002 ) 005 )
PvF
Der Vorteil einer solchen Ikonizität, wie sie das Kunsthaus Graz hat, ist, dass multiple
Zuschreibungen möglich sind, und durch diese Bedeutungsoffenheit ein viel größeres
Publikum mit diesem Gebäude etwas anfangen kann. Wenn ich das Alte Museum
von Schinkel sehe, muss ich eine gewisse Vorbildung haben, um zu verstehen, worum
es geht. Ein solches Verständnis erleichtert die Wertschätzung.
BS
Und beim Kunsthaus Graz reicht es, wenn jemand sagt, das Gebäude sei niedlich.
PvF
Ganz genau. Das funktioniert eigentlich für jedes ikonische Bauwerk. Das ist mit das
Beste an dieser Architektur – so sehr man ikonische Architektur generell kritisieren
kann. Etwa indem man sagt, dass sie kontextlos ist. Man könnte durchaus sagen, das
Kunsthaus ist von der Grazer Altstadt unabhängig. Es funktionierte auch woanders.
SW
Und als solches, könnte man behaupten, sei es ein ideales Museum – weil kontextlos,
also unabhängig vom Ort denkbar.
BS
Aber das Kunsthaus ist nicht kontextlos.
PvF
Es verändert den Kontext und es verändert sich durch den Kontext, das ist richtig.
Aber es gibt gewisse Gebäude, die funktionieren eben nur in einem bestimmten
Kontext. Bei ikonischer Architektur ist es anders. Eines der besten Beispiele dafür
ist das MoMA in New York. Als es 1939 gebaut wurde, war es ein absolutes Alien. Auf
historischen Fotografien aus den 1940ern sticht das MoMA aus dem Kontext der historistischen
Gebäude auf der 53 rd Street extrem hervor. Und heute? Man findet das
MoMA zwischen den anderen modernen Glas- und Stahlarchitekturen kaum. Dieses
Museumsgebäude hat seine Umgebung so stark geprägt, dass sich die Umgebung
dem Museum angepasst hat, nicht umgekehrt. Ist das beim Kunsthaus Graz vielleicht
auch ein bisschen so?
BS
Das Kunsthaus hat sich auch sehr an seine Umgebung angepasst. Ich finde, das
sollte man schon würdigen. Es schreibt sich in diese Dachlandschaft ein und setzt
einen guten Kontrast.
PvF
Es gibt auch andere ikonische Architekturen, denen man nicht den Vorwurf machen
kann, im luftleeren Raum zu stehen. Aber ich glaube, diese Gebäude hätten ihre ikonische
Wirkung als solche auch anderswo entfalten können. Die ikonische Wirkung
liegt in dieser Bedeutungsoffenheit. Und dadurch ist es letztlich egal, ob ich Ahnung
von Graz habe oder ohne historische Vorbildung hierher komme.
→ Referenz
055 )
→ Kunsthaus
205 )
153
2005/06
( Kunst
( Haus
( Space02
Space01
→ 119 )
M Stadt. Europäische Stadtlandschaften
092 )
BS
Muss man nicht eher in Gleichzeitigkeiten denken? Auflösung von Zeit und Raum –
ja. Auflösung auch von Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft – ja. Doch gleichzeitig
steckt man stets mitten in der Gegenwart und in einem spezifischen Zeitraum.
PvF
... um überhaupt einen kritischen Diskurs ermöglichen zu können.
Wenn ich in ein Museum gehe, kann ich mich im besten Falle damit auseinandersetzen,
was unsere Gesellschaft vor zwei Jahren war, vor zweihundert, vor zweitausend
Jahren. Aber weil ich das kann, kann ich anfangen, mir darüber Gedanken zu
machen, was es überhaupt bedeutet, die Zukunft einer Öffentlichkeit oder einer Gesellschaft
zu denken.
BS
Ja, und mich gleichzeitig fragen: Wo stehe ich jetzt?
PvF
Das funktioniert aber nur, weil ich eine fixe Architektur habe. Wenn ich eine Ausstellung
in irgendeinem Privathaus mache, habe ich diesen Zeit-Raum-Aspekt nicht so
stark, wie wenn ich eine fixe Architektur habe, die wahrscheinlich in den nächsten
zwanzig Jahren auch noch für den Zweck einer Ausstellung da sein wird. Das Museum
kann transformative Erlebnisse bieten. Über die transformativen Erlebnisse kann
ich Menschen dazu bringen, sich über die Öffentlichkeit, in der sie sich bewegen, Gedanken
zu machen. Das macht die Bauaufgabe Museum zu etwas Besonderem.
SW
Der Raum-Zeit-Aspekt des Museums ist an die Anwesenheit von Menschen und gesellschaftlichen
Gruppen gebunden. Ohne Besucherinnen funktioniert das nicht. Im
Museum setze ich mich in der Gegenwart, im Jetzt, einer gezeigten Vergangenheit
aus – auch über die Präsenz der anderen Besucherinnen. Und mit meiner Verortung
im Museum, an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit, findet auch eine
Verortung in der Gesellschaft statt, die das Museum abbildet oder bildet. Als Besucherin
setze ich mich in Bezug zum Inhalt einer Ausstellung – somit aber auch zur
Hülle der Architektur, zu einem bestimmten Museumstyp.
PvF
Ist der White Cube auch im Sinne einer Abgrenzung von anderen Museumstypen zu
sehen? Um die Disziplin der modernen und zeitgenössischen Kunst nochmal stärker
abzugrenzen? Sodass nichts anderes in ein solches Museum kommen darf? Der Laborcharakter
des White Cube wäre dann nicht nur aseptisch, sondern auch präventiv
bereinigend. Wenn das so wäre, könnte man eine Emanzipation von der Museumsbaugeschichte
vermuten, die ja auf universalistische Ansätze zurückgeht. In den Anfängen
der Museumsarchitektur ging es nicht um das optimale Licht für Kunst oder
um optimale Klimabedingungen, sondern um eine Öffnung von Räumen für ein undefiniertes
oder immer mehr undefiniertes Publikum. Mit dem White Cube grenze
ich mich auf mehreren Ebenen ab: architektonisch, inhaltlich, sozial.
BS
Es ist eine interessante These. Doch bevor sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts der
weiße Ausstellungsraum durchsetzte, hatten die Kunstmuseen bereits eine Geschichte
der Reduktion von Artefakten und veränderten Präsentationsweisen
durch laufen. Die Zäsur findet meines Erachtens gegen Ende des enzyklopädischen
Museums im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts statt. Der Fokus legte sich im bürgerlichen
Kunstmuseum auf Ästhetik. De facto gab es verschiedene gleichberechtigt
nebeneinander stehende Raumtypen bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Nur sind die Alternativen zum weißen Ausstellungsraum heute weitgehend
aus dem Blick verschwunden.
167
2014
( Kunst
( Haus
( Space02
James Benning. Decoding Fear
101
)
2010
( Kunst
( Haus
( Space02
Zu einer psychologischen
Raumerfahrung wurde die
Ausstellung der Künstlerin
Tatiana Trouvé. Mit an die
Architektur andockenden
Wänden, Fensterflächen und
Metallgittern schuf Trouvé
in Anlehnung an die postapokalyptischen
Landschaften
des Science-Fiction-Romans
Il Grande Ritratto von Dino
Buzzati eine Art „Anti-Raum“,
also einen Ort, an dem die
Grenzen zwischen dem Innen
und Außen verwischt waren.
Die Säulen, die den Space02
dominieren, nahm Trouvé in
ihr Raumkonzept auf, indem
sie weitere Stützen hinzufügte
und damit das strenge architektonische
Raster aufbrach.
Tatiana Trouvé. Il Grande Ritratto
102
)
2020
( Haus
( Space01
( Gebrauch
Space01
→ 108 )
Gebrauch
→ 090 )
→ 105 )
„Am Boden des Space01 gibt es
eine gut sichtbare Spur, die Sol
LeWitts Wall, also bereits die
zweite Ausstellung, hinterlassen
hat. Durch solche Spuren werden
bestimmte Ereignisse oder auch
nur der tägliche Gebrauch in das
Haus eingeschrieben – ein bisschen
so wie die Größen-Markierungen
im Türrahmen des Kinderzimmers
zu Hause.“
Katia Huemer, Kuratorin
109 )
2010
( Kunst
( Haus
( Space01
( Gebrauch
Entwurf
→ 081 )
Gebrauch
→ 079 )
„Zuerst tauchen Köpfe auf. Der
Kopf der Besucherin. Wie orientieren
sich Besucherinnen nach
dem Verlassen des Travelators,
wenn sie im Space01 an gekommen
sind? Neugierige,
fragende, orientierungssuchende
Blicke. Dann die Entscheidung.
Die Besucherin dreht sich um.
Es folgt ein Blick in den sich auf -
tuenden Ausstellungsraum.“
Gabriel Johannes Zisler Kratochwil Bianchi, Ausstellungsaufsicht
110
)
2009
( Kunst
( Haus
( Space01
Schere – Stein – Papier. Pop-Musik als Gegenstand Bildender Kunst.
Installation von Mike Kelley
113
)
2005
( Kunst
( Haus
( Space01
Für die Gruppenausstellung
Chikaku, die einen Blick
auf das zeitgenössische Kunstgeschehen
in Japan warf, entwickelte
der Architekt Makoto
Sei Watanabe ein aufwendiges
Raumkonzept, das es ermöglichte,
den vielfältigen und
verschlungenen Wegen des
künstlerischen Ausdrucks
adäquat zu folgen. Durch den
Space01 wand sich ein paraventähnliches,
die organische
Raumform aufnehmendes
Textilband, das neue Räume
aufmachte, Durchblicke verstellte
oder bestimmte Blickwinkel
erzeugte.
Chikaku. Zeit und Erinnerung in Japan
114
)
2010
( Kunst
( Haus
( Space01
BLESS N°41. Retroperspektives Heim
121
)
2020
( Kunst
( Haus
( Space01
Space02
→ 104
Space01
→ 133
Herbert Brandl. MORGEN
122
)
2019
( Kunst
( Haus
( Space01
Space02
→ 091 )
BIX
→ 207 )
Gebrauch
→ 180 )
Connected. Peter Kogler with …
129
)
2014
( Kunst
( Haus
( Space01
Die poetisch anmutende Installation
der Malerin Katharina
Grosse trans formierte den
Raum in eine dreidimensionale
Malerei. In ihrer Ausstellung
„Wer, ich? Wen, Du?“ passte
die Künst lerin einen Falten
werfenden und gestauchten
Malgrund aus weichem
Schaumstoff an die organische
Form des Ausstellungsraumes
an. Das Material legte sich
wellenförmig in die Architektur
des Space01.
In einem dynamischen Malprozess
hatte Grosse mit
kräftigen Farben diesen Untergrund
besprüht. So entstand
eine abstrakte künstlerische
Landschaft aus fließenden
Farbverläufen. Die Schaumstoffberge
konnten um
wandert, aus sicherheitstechnischen
Gründen aber nicht
(wie ursprünglich geplant)
betreten werden. Nichtsdestotrotz
manifestierte sich aufgrund
der Tunnel, Nischen und
Höhlen, die sich aus der Platzierung
des Schaumstoffs und
dessen Unterkonstruktion
ergaben, das Gefühl, sich in
mitten einer nicht aufgespannten
Leinwand zu bewegen.
Katharina Grosse „Wer, ich? Wen, Du?“
130
)
2003
( friendly alien
Zeichnung einer Schülerin des BG/BRG Carneri,
entstanden in der Bauphase des Kunsthauses
141
)
Der Friendly-Alien-Effekt.
Arten des
architektonischen
Gebrauchs
Sophia Walk
219
2017
( Haus
( Vorplatz
Vorplatz
→ 036 )
Vorplatz, Gestaltung von Topotek 1
150 )
der mehr ist als eine bloße Übergangsfläche von einem Objekt zum anderen. Dieser
Zwischenraum ist gleichsam Relationsraum, in dem die Dinge in Verhältnisse zueinander
gesetzt werden. In diesem Zwischenraum findet nicht nur ein Sehen von Kunst,
von Objekten, von Ausgestelltem statt, sondern auch ein Beobachten der anderen
‚ Sehenden‘. Wie sehen sie auf das Ausgestellte? Was sehen sie? Wie lange sehen sie sich
das an, was ich sehe? Sehen sie das, was ich sehe? Übersehe ich das, was sie sehen?
Interpretieren sie es nur anders?
Ausstellen bedeutet, etwas
im Verstehenskontext zu zeigen
Die Rolle der Architektur, das Ausmaß des Einflusses auf den Gebrauch und somit die
Architekturerfahrung werden erst deutlich, wenn man im selben Haus mehrere Ausstellungen
kuratiert, aufbaut, vermittelt, besucht – die sich im Kunsthaus gänzlich voneinander
unterscheiden. In der Architekturerfahrung spielen für Cook und Fournier
das Unbekannte, Unerwartete und Unvorhersehbare eine bedeutende Rolle. Dies
bezieht sich auch auf das Ausstellungsmachen, denn gerade im Kunsthaus Graz wird
jede Ausstellung neu mit der Architektur verhandelt. Als Haus des Abenteuers und der
Überraschungen beschrieb Fournier das Kunsthaus. Er spricht in diesem Zusammenhang
von einer Art überraschender Neugier: „The nice thing about the Kunsthaus is
that each time a new curator comes to do an installation, he or she reinvents the space.
And so for me, coming up into the Kunsthaus is always a surprise. It’s always: what has
been done with the space?“ 56 Im Kunsthaus Graz auszustellen, heißt, sich mit Raum
auseinanderzusetzen. Mit dem Raum auseinandersetzen zu müssen. 57 Zu können.
Als Künstlerin und als Kuratorin, im Aufbau, in der Vermittlung und in der Rezeption.
Hier müssen Ausstellungen sowohl vertikal als auch horizontal gedacht werden. Die
Ausein andersetzung mit Horizontalität und Vertikalität der Ausstellungsarchitektur
beginnt im Kunsthaus früher, setzt dort an, wo in anderen Häusern die Räume spezifischer
vordefiniert sind, beispielsweise durch weiße Wände, die wenigstens eine Vertikalität
vorgeben.
Der Raum des Kunsthauses fordert nach anderen Logiken ein anderes Verhalten ein.
Wände müssen neu gedacht, Bewegungen durch das Museum neu geplant, Lichtverhältnisse
neu geschaffen werden.
Die Architektur eines Museums- bzw. Ausstellungsgebäudes kann, wie beim Kunsthaus
Graz, zur Bedingung dafür werden, welche Künstlerinnen vor diesem architektonischen
Hintergrund ihre Werke zu zeigen bereit sind.
Wenn Ausstellen bedeutet, etwas in einem Verstehenskontext zu zeigen, stellt Architektur
sich immer selbst mit aus, ist immer ausgestellt. Verstehenskontext meint nicht
nur die bauliche Umgebung, sondern auch den (stadt)räumlichen, den sozialen, den
politischen, den gesellschaftlichen, den zeitlichen Zusammenhang. Es ist praktisch
unmöglich, Architektur ohne ihren jeweiligen Kontext zu betrachten und zu verstehen.
Ein Museum ohne dessen sich vielfältig zeigende Arten des Gebrauchs zu verstehen,
ist ebenfalls unmöglich. Im Entwurf und in der Planung von Museumsbauten wird dies
jedoch nach wie vor unzureichend berücksichtigt. Im Museum als Ort des Zeigens und
Verweisens werden die Arten des Zeigens beeinflusst durch die jeweilige Architektur.
→ Space02
088 )
→ Space01
093 )
→ Entwurf
011 )
237
1964
( Referenz
↗ S. 233
↗ S. 261
↗ S. 265
( Abb. 1 ) Ron Herron, A Walking City
156
)
A Familiar Alien.
Das Kunsthaus Graz,
Archigram und
die „Grazer Schule“
1962–2003
Anselm Wagner
259
1960
( Referenz
( Abb. 9 ) Victor Lundy, AEC-Pavillon, in: Archigram Nr. 6 –
„Current Scene“ und „Cel’s Bit“, 1965
164
)
in Düsseldorf bzw. Berlin haben) und drei aus Graz: Günther Domenig, Szyszkowitz +
Kowalski und Volker Giencke. 44 Der für Cook allzu postmodern gebliebene Hollein, dem
er in der Einleitung nur mehr eine historische Rolle zubilligt, taucht als „zu formell“ im
Katalog nicht mehr auf, während der Bildhauer Walter Pichler zum neuen Gründervater
nicht nur der österreichischen, sondern der internationalen experimentellen Architektur
avanciert, der „weltweit zur Inspiration“ wurde. 45 Jetzt ist es auch nicht mehr
das Mobile und Ephemere von aufblasbaren Raumkapseln, sondern das Archaische
und Körperliche von „erdgebundenen Kammern“, 46 das Cook an Pichlers Werk interessiert.
Das postmoderne Ende der Utopien und ihr Ersatz durch die individuellen Mythologien
der Kunst ist an Cook nicht spurlos vorübergegangen. Dem entspricht auch
die Entwicklung der „Grazer Schule“ weg von den megastrukturellen Techno-Utopien
hin zur radikal-individuellen, skulpturalen Geste, 47 wie sie vor allem für Szyszkowitz +
Kowalski und Günther Domenig typisch ist. Letzteren identifiziert Cook jetzt als
„Schlüsselfigur“ der „Grazer Schule“, die er als „implizit anarchistisch“, expressionistisch
sowie „dynamisch und erfinderisch“ beschreibt. 48
Von Domenig stammt auch jenes Bauwerk der 1970er-Jahre, das als engster lokaler
Verwandter des Kunsthauses bezeichnet werden muss und das Cook 2016 als „certainly
an inspiration“ für das „friendly alien“ anführt: die Mehrzweckhalle für die Schulschwestern
in Graz-Eggenberg, 1973 zur Zeit der noch bestehenden Partnerschaft mit
Eilfried Huth in Auftrag gegeben und konzipiert und bis 1977 von Domenig (und seinem
Mitarbeiter Volker Giencke) ausgeführt. Auf die Flexibilität erfordernde Funktion hätte
damals jeder andere mit einer möglichst neutralen, leichten und womöglich veränderbaren
Hülle geantwortet. Domenig baut dagegen eine Höhle aus Spritzbeton; einer
Technik, wie sie in Österreich bis dahin nur im Tunnelbau üblich ist. Die Materialwahl
kommt dabei – vergleichbar mit dem Kunsthaus – nicht ganz freiwillig zustande, da die
Baubehörde die ursprünglich geplante Holzkonstruktion wegen Brandgefahr ablehnt. 49
Mit der strukturalistischen ersten „Grazer Schule“ hat die Mehrzweckhalle nichts zu
tun, vielmehr ist die von Cook bei Pichler entdeckte Verbindung von archaischer Körperlichkeit
und Erdgebundenheit zentrales Motiv: Das sich in den Innenhof duckende
Gebäude scheint organisch wie ein Felsen aus dem Boden gewachsen und hat zugleich
etwas Animalisches: „A kind of crouching creature“ sieht Peter Blundell Jones darin; 50
„kriecht es aus den Hofmauern […]?“, fragt Christian Hunziker 51 und Friedrich Achleitner
stellt eine „doppelte Wirkung von Höhle und Schale als Ablagerung von Lebensprozessen“
fest. 52 Domenig selbst führt die Form des versteinerten Reptilienkörpers nicht
bloß auf eine individuelle, sondern eine kollektive Geste zurück, da den Handwerkern
„Spielraum für schöpferische Entfaltungsmöglichkeiten“ geblieben sei und die „Arbeit
wieder Freude“ gemacht habe. 53
Domenigs Kehrtwende zum Erdigen und Archaischen wird unabhängig davon auch jenseits
des Ärmelkanals vollzogen. Zur selben Zeit, als Domenig mit der Planung der
Mehrzweckhalle beginnt, arbeitet Cook an seinen „Klumpen“- und „Erdhügel“-Bildern,
bewachsenen Hügeln mit daraus hervorgereckten Zungen und höhlenartigen Eingängen,
die auch als glatte Kuppelräume ausgeführt werden, deren Schale zur lichtdurchlässigen
Membran ausdünnt. Diese Wendung von der Raumkapsel zur Höhle mag überraschen,
bleibt aber auf der Linie der monadischen Existenz gemäß des Archigram-
Slogans „Everybody is a satellite“, 54 wenn auch jetzt in einer naturwüchsigen Low-Tech-
Abb. 13
→ Referenz
168 )
Abb. 14
→ Referenz
169 )
271
2000
( Skin
( Entwurf
Skin
→ 1 7 1 )
→ 1 76 )
→ 180 )
↗ S. 77
↗ S. 79
Organische Hülle mit eingebetteten Funktionen.
Skizze aus dem Wettbewerb, Peter Cook
171
)
2004
( Haus
( Bubble
Bubble
→ 1 7 3 )
→ 1 7 4 )
Nozzle
→ 1 4 1 )
Entwurf
→ 0 3 3 )
Aufnahme der Zepp-Cam
172
)
2000
( Skin
( Entwurf
Entwurf
→ 1 76 )
↗ S. 49
↗ S. 273
Außenhaut mit Nozzles. Konzeptmodell aus dem Wettbewerb,
Marcos Cruz
173
)
2002
( Bubble
( Entwurf
Gebrauch
→ 180 )
Space01
→ 047 )
↗ S. 47
3-D-Zeichnung der Tragkonstruktion, Gernot Stangl
174
)
2003
( Haus
( Space03
↗ S. 49
177
)
2020
( Haus
( Space03
( Gebrauch
„Die Fenster im Space03 erzählen viel über
die Besonderheit des Hauses. Es löst
Neugier aus, dass man durch den Boden
schauen kann. An diesen Fenstern ist die
Form des Hauses und dessen blaue Farbe
in einer Art Mikrokosmos zusammengefasst
ganz nah erlebbar. Und die Teppiche
sind eigentlich die Vorhänge.“
Antonia Veitschegger, Kunstvermittlerin
178
)
2019
( Kunst
( Haus
( Schnitt
→ 005 ) Haustier
→ 036 ) Vorplatz
→ 042 ) Visual Grammar
→ 044 ) C.R.E.A.M.
→ 049 ) Katzenbaum
→ 057 ) Visual Grammar
→ 059 ) Shop
→ 064 ) Soft Interventions
→ 150 ) Vorplatz
→ 190 ) Vorplatz
→ 191 ) C.R.E.A.M.
→ 193 ) Number of Visitors
→ 196 ) Visual Grammar
187
)
daher eine große Anzahl von Einzelpaneelen mit einem Abstand von fünf bis zehn
Zentimetern zwischen ihnen verwenden. Also statt einer glatten, durchgehenden
Oberfläche ist es tatsächlich eine fragmentierte Haut geworden. Diese Veränderung
war eine ziemlich radikale Veränderung, das Ideal konnte nicht erreicht werden und
wir mussten improvisieren. Aber dann führte es tatsächlich zu einem Ergebnis, das
seine eigene Ästhetik besitzt, und es ist eine Ästhetik, die ihre Qualitäten hat. Also
auch wenn es Improvisation war, so führte es doch zu interessanten Details, die wir
vorher nicht erwartet hatten.
● Gibt es eine große Enttäuschung?
CF
Nein, denn wie wir gesehen haben, führten solche Veränderungen zu positiven Alternativlösungen.
Ein weiteres Beispiel ist Space01, in vielerlei Hinsicht der wichtigste
Raum im ganzen Museum, weil er die doppelte Höhe hat. Er ist nicht wirklich so, wie
wir ihn ursprüngliche haben wollten. Die spiralförmige Beleuchtung ist zum Beispiel
etwas, womit wir nicht wirklich zufrieden sind. Wir haben versucht, den Kunden davon
zu überzeugen, uns zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, damit die Innenhaut,
das Metallgeflecht, das man innen sehen kann, bis in die Düsen hinein verlängert
werden kann. Jetzt, wie man sehen kann, gibt es nur eine Düse, die dem Schloßberg
zugewandt ist, die vollständig mit der Innenhaut ausgekleidet ist. Jedoch sollten
alle Düsen von dieser Innenauskleidung profitieren. Die Innenhaut sollte auch
glatter und feiner sein, als sie es jetzt ist, aber solche Enttäuschungen sind im Vergleich
zur Gesamtwirkung völlig unbedeutend.
● In anderen Fällen hat der Zufall zu überzeugenden Lösungen geführt.
CF
Ich habe die Arbeit von John Cage immer geliebt, und ich liebe die Philosophie von
John Cage und seine Erkenntnis der Bedeutung des Zufalls. Man muss den Zufall
ehren und begrüßen. Der Zufall muss als ein sehr wichtiger Teil der eigenen Arbeit
als Architekt anerkannt werden. Es gibt einige Dinge, die Sie entscheiden, aber einige
der interessanteren Dinge werden nicht von Ihnen entschieden, sie geschehen. Es
gab bei der Gestaltung des Kunsthauses viele Entscheidungen oder besser gesagt
„Nicht-Entscheidungen“, die zufällig getroffen wurden, und ich denke, sie haben sich
als einige der besten Entscheidungen herausgestellt. Auch die Tatsache, dass wir uns
entschieden haben, das alte Gebäude – das Eiserne Haus – zu behalten, was nicht
unser Entwurf war, und die Tatsache, dass wir es einbezogen haben in unseren Entwurf,
bringt, wenn man will, ein Element der Unvorhersehbarkeit mit sich, denn es
hatte seine eigenen Anforderungen. Wir haben es gerne an Bord genommen. Es ist
immer eine Freude, wenn dein Gebäude nicht ganz etwas ist, das man bewusst und
de terministisch entscheiden kann. Man sollte bereit sein, Dinge geschehen zu
lassen.
NJ
Das Kunsthaus ist eigentlich zufällig blau. Mathis Osterhage, der Modellbauer, hatte
nur gelbe und blaue Pigmente für das Harz-Modell, das gefärbt werden musste. Gelb
war offensichtlich keine gute Wahl, denn die Blasenform des Modells würde nur falsche
Konnotationen provozieren. Also sagten wir, es müsse das blaue Pigment sein,
und das ist der einzige Grund. Es gibt keinen anderen Grund als den, den der Modellbauer
in seiner Schachtel hatte. Obwohl dieser Zufall nicht ausschließt, dass Blau
wirklich die passende Farbe des Gebäudes ist.
→ Gebrauch
140 )
↗ Schnitt
S. 346
→ Nozzle
122 ) 123)
→ Eisernes Haus
022 ) 023 )
303
2019
( Haus
( Fassade
Aufnahme von Gerlinde Becker
199 )
2020
( Haus
( Fassade
Aufnahme von Meinrad Hopfgartner
200
)
2004
( Kunst
( Haus
( Graz
( BIX
205 )
2004
( Kunst
( Haus
( Graz
( BIX
Lia, int.5_27/G.S.I.L.XXX
206
)
2004
( friendly alien
Auszug aus dem Gästebuch
218
)
)
346
347
Impressum )
Die Kunsthaus Graz
GmbH steht je
zur Hälfte im Eigentum
der Stadt Graz und
der Universalmuseum
Joanneum GmbH,
einer Gesellschaft des
Landes Steiermark.
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Herausgeberinnen
Redaktion
Konzept
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Sophia Walk
Anna Lena von Helldorff
Katia Huemer
Lektorat
Jörg Eipper-Kaiser
Gestaltung
Anna Lena von Helldorff
Bildbearbeitung
Michael Neubacher
Druck
Medienfabrik Graz
Papier
Magno satin, 300 g
Biotop 3, 100g
Magno satin, 150g
Schrift
Stelvio (AT)
(Vielen Dank an
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8020 Graz
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001 ) Maria Neugebauer
005 ) Bildrecht,
Wien 2021
006 ) 015 ) 037 ) 044 )
046 ) 051 ) 052 ) 053 )
054 ) 059 ) 067 ) 068 )
091 ) 092 ) 095 ) 099 )
100 ) 101 ) 107 ) 112 )
114 ) 115 ) 118 ) 119 )
121 ) 122 ) 124 ) 125 )
127 ) 128 ) 129 ) 133 )
134 ) 135 ) 137 ) 138 )
139 ) 142 ) 146 ) 148 )
150 ) 179 ) 182 ) 193 )
207 ) 212 ) 213 ) 216 )
Niki Lackner / UMJ
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016 ) 021 ) 024 ) 028 ) 043 )
049 ) 058 ) 065 ) 066 )
070 ) 072 ) 074 ) 075 )
079 ) 090 ) 096 ) 105 )
109 ) 110 ) 123 ) 132 )
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098 ) 102 ) 108 ) 111 )
113 ) 116 ) 130 ) 136 )
143 ) 145 ) 209 ) 210 ) 211 )
Niki Lackner / UMJ;
Bildrecht, Wien 2021
093 ) Rainer Stadlbauer
103 ) Österreichische
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104 ) Markus Wörgötter
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166 ) Archiv der TU Graz
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183 ) 188 ) Kunstvermittlung /
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191 ) Niki Lackner / UMJ;
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mit Rasmus Koch
194 ) Christoph Edlinger
195 ) Martina Margarete Berger
198 ) Gerhard Moderitz
199 ) Gerlinde Becker
200 ) Meinrad Hopfgartner
214 ) Paul Schwarzl
217 ) Johannes Diem