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Daniel A. Gleich: Die lukanischen Paulusreden – Ein sprachlicher und inhaltlicher Vergleich zwischen dem paulinischen Redestoff in Apg 9–28 und dem Corpus Paulinum (Leseprobe)

In der vorliegenden Arbeit werden alle in oratio recta verfassten Texte, die in der Apostelgeschichte Paulus zugeschrieben werden, im Hinblick auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Briefen des Corpus Paulinum untersucht. Hierbei zeigt sich, dass für alle längeren Reden und einige kurze Redetexte des lukanischen Paulus viele Parallelen mit einer hohen inhaltlichen Übereinstimmung im Corpus Paulinum zu finden sind. Nicht bestätigt haben sich hingegen solche Forschungspositionen, die entweder inhaltliche Widersprüche zwischen den Aussagen des Paulus der Reden in der Apostelgeschichte und denen des Paulus der unumstrittenen Briefe des Corpus Paulinum behaupten oder umgekehrt von einer literarischen Abhängigkeit der beiden Corpora ausgehen. [The Lukan speeches of Paul. A comparison of the language and content between the speeches attributed to Paul in Acts 9-28 and the Pauline corpus] The present study examines all the oratio recta texts attributed to Paul in Acts and compares them with the letters of the Pauline corpus in terms of their similarities and differences. It becomes clear that in the Pauline corpus many parallels can be found for all the longer speeches and some of the shorter speeches attributed to Paul in Acts, with a high degree of agreement on a propositional level. The study did not confirm the position of those who assume either contradictions between the statements of the Lukan Paul and those of the Paul of the undisputed letters or, conversely, a literary dependency between the two corpora.

In der vorliegenden Arbeit werden alle in oratio recta verfassten Texte, die in der Apostelgeschichte Paulus zugeschrieben werden, im Hinblick auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Briefen des Corpus Paulinum untersucht. Hierbei zeigt sich, dass für alle längeren Reden und einige kurze Redetexte des lukanischen Paulus viele Parallelen mit einer hohen inhaltlichen Übereinstimmung im Corpus Paulinum zu finden sind. Nicht bestätigt haben sich hingegen solche Forschungspositionen, die entweder inhaltliche Widersprüche zwischen den Aussagen des Paulus der Reden in der Apostelgeschichte und denen des Paulus der unumstrittenen Briefe des Corpus Paulinum behaupten oder umgekehrt von einer literarischen Abhängigkeit der beiden Corpora ausgehen.

[The Lukan speeches of Paul. A comparison of the language and content between the speeches attributed to Paul in Acts 9-28 and the Pauline corpus]
The present study examines all the oratio recta texts attributed to Paul in Acts and compares them with the letters of the Pauline corpus in terms of their similarities and differences. It becomes clear that in the Pauline corpus many parallels can be found for all the longer speeches and some of the shorter speeches attributed to Paul in Acts, with a high degree of agreement on a propositional level. The study did not confirm the position of those who assume either contradictions between the statements of the Lukan Paul and those of the Paul of the undisputed letters or, conversely, a literary dependency between the two corpora.

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1 <strong>E<strong>in</strong></strong>leitung<br />

In der gegenwärtigen Forschung zur Apostelgeschichte gibt es wieder vermehrt<br />

Stimmen, die dafür plädieren, den Autor der Apostelgeschichte nicht gegen den<br />

Paulus der unumstrittenen Paulusbriefe auszuspielen. Jens Schröter fasst diese<br />

Trendwende <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em 2007 erschienenen Aufsatz so zusammen:<br />

»In der neueren <strong>Apg</strong>-Forschung ist e<strong>in</strong>e deutliche Tendenz erkennbar, die von der<br />

älteren deutschen Forschung aufgebaute Diastase <strong>zwischen</strong> Lukas <strong>und</strong> Paulus zu<br />

verabschieden. […] <strong>Die</strong> Unterschiede <strong>zwischen</strong> der Theologie des Paulus <strong>in</strong> der <strong>Apg</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Briefen s<strong>in</strong>d vielmehr, wie <strong>in</strong> neuerer Zeit verschiedentlich herausgestellt<br />

wurde, zu Unrecht zu gr<strong>und</strong>legenden Widersprüchen aufgebaut worden. Sie<br />

lassen sich dagegen wesentlich angemessener als Rezeption des Wirkens des Paulus<br />

aus veränderter Perspektive verstehen.« 1<br />

Untersucht man jedoch den gesamten <strong>Redestoff</strong> des <strong>lukanischen</strong> Paulus, wird<br />

schnell deutlich, dass diese Tendenz <strong>in</strong> der Forschung (noch) nicht als Konsens<br />

bezeichnet werden kann. Besonders <strong>in</strong> den deutschsprachigen Kommentaren<br />

zur Apostelgeschichte wird regelmäßig auf die unvere<strong>in</strong>baren Differenzen <strong>zwischen</strong><br />

den Aussagen des <strong>lukanischen</strong> Paulus <strong>und</strong> der Theologie der unumstrittenen<br />

Paulusbriefe h<strong>in</strong>gewiesen. 2<br />

1<br />

Jens Schröter: Kirche im Anschluss an Paulus. Aspekte der Paulusrezeption <strong>in</strong> der<br />

Apostelgeschichte <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Pastoralbriefen, <strong>in</strong>: ZNW 98 (2007), 77---104, hier: 79. Carl<br />

R. Holladay sieht darüber h<strong>in</strong>aus auch e<strong>in</strong>en Konsens <strong>in</strong> der aktuellen Forschung zu den<br />

Reden der Apostelgeschichte <strong>in</strong> Bezug auf deren doppelten Ursprung: »(5) while they [die<br />

Reden] ostensibly represent early Christian preach<strong>in</strong>g dur<strong>in</strong>g the apostolic period, they<br />

also, and probably more clearly, reflect what was be<strong>in</strong>g proclaimed <strong>in</strong> Luke’s own time.«<br />

Carl R. Holladay: Acts as Kerygma. Λαλεῖν τὸν λόγον, <strong>in</strong>: NTS 63 (2017), 153---182,<br />

hier: 172.<br />

2<br />

Jacob Jervell: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte, Gött<strong>in</strong>gen 1998, 455f.; Gerd Lü<strong>dem</strong>ann: Das frühe<br />

Christentum nach den Traditionen der Apostelgeschichte. <strong>E<strong>in</strong></strong> Kommentar, Gött<strong>in</strong>gen<br />

1987, 160; 201; Jürgen Roloff: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte, Gött<strong>in</strong>gen 2 1988, 208; 220; 267;<br />

Gerhard Schneider: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte. II. Teil, Freiburg 1982, 140. Stanley Porter


24<br />

1 <strong>E<strong>in</strong></strong>leitung<br />

Es gibt jedoch <strong>in</strong> der aktuellen Forschung ke<strong>in</strong>e systematische Untersuchung,<br />

<strong>in</strong> welcher alle <strong>Paulusreden</strong> mit den authentischen Paulusbriefen verglichen<br />

<strong>und</strong> auf Übere<strong>in</strong>stimmungen <strong>und</strong> Differenzen befragt werden. <strong>Die</strong> vorliegende<br />

Arbeit möchte diese Aufgabe <strong>in</strong> Angriff nehmen, um e<strong>in</strong>e Antwort auf<br />

folgende Fragestellung zu geben: Welche Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>und</strong> Unterschiede<br />

weisen die <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> mit den umstrittenen <strong>und</strong> unumstrittenen<br />

Paulusbriefen auf?<br />

Im zweiten Kapitel dieser Untersuchung werden die wichtigsten Beiträge<br />

aus der Auslegungs- <strong>und</strong> Forschungsgeschichte von der Zeit der Kirchenväter<br />

bis <strong>in</strong> die Gegenwart vorgestellt, die sich mit der Frage nach <strong>dem</strong> Verhältnis<br />

<strong>zwischen</strong> den <strong>Paulusreden</strong> <strong>in</strong> der Apostelgeschichte <strong>und</strong> den neutestamentlichen<br />

Paulusbriefen beschäftigt haben. <strong>E<strong>in</strong></strong> besonderes Augenmerk liegt bei dieser<br />

Darstellung auf den Auslegern, die neue Fragestellungen oder neue methodische<br />

Ansätze <strong>in</strong> die Diskussion e<strong>in</strong>gebracht haben.<br />

Es ist <strong>in</strong> der Forschung zur Apostelgeschichte allgeme<strong>in</strong> anerkannt, dass<br />

sich e<strong>in</strong>e Untersuchung der <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> nicht nach modernen,<br />

sondern nach antiken Maßstäben <strong>und</strong> Gepflogenheiten der Redewiedergabe<br />

richten muss. Im dritten Kapitel werden daher e<strong>in</strong>ige repräsentative antike Geschichtsschreiber<br />

auf ihren Umgang mit historischen Reden befragt. Das Interesse<br />

gilt hierbei zum e<strong>in</strong>en den methodischen Überlegungen zur Verarbeitung<br />

von Reden, die von antiken Geschichtsschreibern selbst formuliert wurden. Zum<br />

anderen werden aber auch Reden antiker Historiographen untersucht, zu denen<br />

Quellen oder Parallelen vorliegen.<br />

Bevor die <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> mit möglichen Parallelen verglichen<br />

werden können, muss im vierten Kapitel geklärt werden, welche <strong>paul<strong>in</strong>ischen</strong><br />

Texte <strong>in</strong>nerhalb der Apostelgeschichte überhaupt zu den <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong><br />

zu zählen s<strong>in</strong>d. Dazu wird zunächst der Gesamtumfang der <strong>in</strong> direkter Rede<br />

(oratio recta) verfassten Texte ermittelt, die <strong>in</strong>nerhalb der Erzählung der Apostelgeschichte<br />

Paulus zugeschrieben werden. Im Anschluss daran werden verschiedene<br />

<strong>in</strong> der Forschung vorgeschlagene Zählungen <strong>und</strong> Gattungen der Reden<br />

diskutiert <strong>und</strong> evaluiert.<br />

Im fünften Kapitel muss daraufh<strong>in</strong> geklärt werden, welche Texte als <strong>Vergleich</strong>smaterial<br />

herangezogen werden können <strong>und</strong> wie diese dargestellt <strong>und</strong><br />

klassifiziert werden. Dabei geht es zunächst um die für die Ermittlung der Parallelen<br />

zur Verfügung stehenden Hilfsmittel. Darauf folgen e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise zur<br />

beschreibt die Situation <strong>in</strong> der deutschsprachigen Forschung so: »In fact, much German<br />

scholarship, especially of an earlier period […] cont<strong>in</strong>ued to promote the disjunction<br />

between the Paul of Acts and the Paul of the letters. This approach probably reached its<br />

def<strong>in</strong>itive statements <strong>in</strong> two publications of the 1950s and 1960s, the commentary on<br />

Acts of Ernst Haenchen (English translation, 1971 ) and an article on the ›Paul<strong>in</strong>ism‹ of<br />

Acts by Philipp Vielhauer (English translation, 1980 ). Much (though certa<strong>in</strong>ly not all) of<br />

the German commentary tradition s<strong>in</strong>ce Haenchen has followed along this path;« Stanley<br />

E. Porter: The Portrait of Paul <strong>in</strong> Acts, <strong>in</strong>: Westerholm, Stephen (Hg.): The Blackwell<br />

Companion to Paul, Chichester, West Sussex 2011, 124---138, hier: 125.


1 <strong>E<strong>in</strong></strong>leitung 25<br />

tabellarischen Darstellung der Parallelen, die am Anfang jeder <strong>E<strong>in</strong></strong>zelanalyse<br />

stehen soll. Hierauf wird die gewählte Klassifizierung erläutert, mit deren Hilfe<br />

jede Parallele <strong>in</strong> den Paulusbriefen nach <strong>dem</strong> Grad an Übere<strong>in</strong>stimmung zum<br />

jeweiligen Redetext der Apostelgeschichte bewertet wird. Das Kapitel schließt<br />

mit e<strong>in</strong>er Evaluation der <strong>in</strong> der Literatur anzutreffenden Gebrauchsarten der Bezeichnung<br />

»Paul<strong>in</strong>ismus« <strong>in</strong> Bezug auf ihre Brauchbarkeit für die Klassifizierung<br />

der hier untersuchten Parallelen.<br />

Mit <strong>dem</strong> sechsten Kapitel beg<strong>in</strong>nt der eigentliche Hauptteil der Arbeit. <strong>Die</strong>ser<br />

besteht aus <strong>in</strong>sgesamt vier Kapiteln (6---9), <strong>in</strong> welchen die <strong>paul<strong>in</strong>ischen</strong> Redetexte<br />

nach ihrer jeweiligen Gattung gruppiert <strong>und</strong> auf Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>und</strong><br />

Unterschiede mit möglichen Parallelen befragt werden. Den Ausgangspunkt bildet<br />

im sechsten Kapitel die Untersuchung der Abschiedsrede des <strong>lukanischen</strong><br />

Paulus <strong>in</strong> Milet (<strong>Apg</strong> 20,18---35), die sich dazu aufgr<strong>und</strong> ihres allgeme<strong>in</strong> anerkannt<br />

hohen Anteils an <strong>in</strong>haltlich mit den Paulusbriefen vergleichbaren Aussagen<br />

besonders eignet. Dem Verhältnis dieser Rede zu den Paulusbriefen widmen<br />

sich auch jüngere Studien, sodass <strong>in</strong> diesem Kapitel an bestehende Diskussionen<br />

angeknüpft werden kann.<br />

Auch zu den im siebten Kapitel behandelten Missionsreden des <strong>lukanischen</strong><br />

Paulus wurde <strong>in</strong> der Forschung immer wieder nach Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>und</strong> Unterschieden<br />

zu den Paulusbriefen gefragt. Im Fokus stehen besonders die Komb<strong>in</strong>ation<br />

paul<strong>in</strong>ischer Schlüsselwörter (νόμος, δικαιόω <strong>und</strong> πιστεύω) <strong>in</strong> <strong>Apg</strong><br />

13,38---39 <strong>und</strong> die Aussagen zur Gotteserkenntnis <strong>in</strong> <strong>Apg</strong> 14,16---17 <strong>und</strong> <strong>Apg</strong><br />

17,22---28. Hier stellt sich besonders die Frage nach den Unterschieden <strong>zwischen</strong><br />

ähnlichen Aussagen zu spezifisch <strong>paul<strong>in</strong>ischen</strong> Themen <strong>in</strong> den Missionsreden<br />

des <strong>lukanischen</strong> Paulus <strong>und</strong> solchen <strong>in</strong> den Paulusbriefen. Allerd<strong>in</strong>gs bilden<br />

diese <strong>in</strong> der Forschung bereits viel diskutierten Verse nur e<strong>in</strong>en Teil der Parallelen<br />

<strong>zwischen</strong> den Missionsreden <strong>und</strong> den Paulusbriefen.<br />

Ab <strong>Apg</strong> 21,32 bef<strong>in</strong>det sich der lukanische Paulus <strong>in</strong> Haft <strong>und</strong> muss sich<br />

immer wieder <strong>in</strong> diversen Gerichtssituationen selbst verteidigen. Um diese Verteidigungsreden,<br />

die bisher noch nicht systematisch mit den Paulusbriefen verglichen<br />

wurden, geht es im achten Kapitel. Mehr als <strong>in</strong> den Reden der anderen<br />

beiden oben erwähnten Gattungen f<strong>in</strong>den sich hier Geme<strong>in</strong>samkeiten zu den<br />

autobiographischen Angaben der Paulusbriefe.<br />

Neben den längeren Redetexten f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der Apostelgeschichte auch<br />

noch kürzere Redestücke des <strong>lukanischen</strong> Paulus, die gelegentlich ebenfalls <strong>in</strong>haltlich<br />

ausreichend gehaltvoll s<strong>in</strong>d, um sie mit möglichen Parallelen im <strong>Corpus</strong><br />

Paul<strong>in</strong>um zu vergleichen. Solchen Texten widmet sich das neunte <strong>und</strong> letzte Kapitel<br />

des Hauptteils.<br />

Zum Schluss werden <strong>in</strong> Kapitel 10 die Teilergebnisse zusammengefasst <strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong> Gesamtüberblick zu den Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>und</strong> Unterschieden <strong>zwischen</strong> den<br />

<strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> <strong>und</strong> den Paulusbriefen des Neuen Testaments formuliert.


26<br />

1 <strong>E<strong>in</strong></strong>leitung<br />

<strong>Die</strong>se Arbeit möchte ke<strong>in</strong>en Beitrag zur Diskussion um die Verfasserschaft<br />

der Apostelgeschichte leisten. Im Folgenden wird der Verfasser der Apostelgeschichte<br />

e<strong>in</strong>fachheitshalber Lukas genannt, ohne damit e<strong>in</strong>e historische Entscheidung<br />

vorauszusetzen.<br />

Wenn im Untertitel der Arbeit der »paul<strong>in</strong>ische <strong>Redestoff</strong>« genannt wird,<br />

dann handelt es sich dabei ebenfalls nicht um e<strong>in</strong> historisches Urteil zum Ursprung<br />

dieses <strong>Redestoff</strong>s. Mit dieser Bezeichnung sollen lediglich die Paulus zugeschriebenen<br />

Reden der Apostelgeschichte von Reden anderer Akteure <strong>in</strong>nerhalb<br />

der Erzählung unterschieden werden. <strong>Die</strong>s gilt auch für die Wendungen<br />

»paul<strong>in</strong>isches Re<strong>dem</strong>aterial«, »paul<strong>in</strong>ische Redetexte« <strong>und</strong> »<strong>Paulusreden</strong>«, die<br />

im Folgenden synonym gebraucht werden.<br />

Anstatt e<strong>in</strong>es Stellenregisters f<strong>in</strong>det sich im Anhang e<strong>in</strong>e Übersicht der Stellenangaben,<br />

die <strong>in</strong> den Kapiteln dieser Arbeit zu den jeweiligen Redetexten des<br />

<strong>lukanischen</strong> Paulus diskutiert werden. So können mühelos durch die Angaben<br />

im Anhang über das Inhaltsverzeichnis auch die entsprechende Abschnitte <strong>und</strong><br />

deren Seitenzahlen identifiziert werden.<br />

<strong>Die</strong> <strong>in</strong> dieser Arbeit benutzten Abkürzungen richten sich nach den Abkürzungsverzeichnissen<br />

der Standardwerke RGG (4. Aufl.) 3 , IATG (3. Aufl.) 4<br />

<strong>und</strong><br />

DNP 5 . Für jedes Werk, das sich nicht im Abkürzungsverzeichnis der RGG f<strong>in</strong>det,<br />

wird die Abkürzung nach IATG gebraucht. Kommt das Werk auch dort nicht vor,<br />

wird die Abkürzung nach DNP verwendet. <strong>Die</strong> Abkürzung »Nestle-Aland« steht<br />

<strong>in</strong> dieser Arbeit nicht für die im Abkürzungsverzeichnis des RGG aufgeführte<br />

27. Auflage des Novum Testamentum Graece, sondern für die zum Abfassungszeitpunkt<br />

aktuelle 28. Auflage. Wo Texte aus der Septuag<strong>in</strong>ta (LXX) angeführt<br />

werden, liegt die Ausgabe von Alfred Rahlfs <strong>in</strong> der von Robert Hanhart herausgegebenen<br />

Editio altera zugr<strong>und</strong>e.<br />

3<br />

Redaktion der RGG⁴ (Hrsg.): Abkürzungen Theologie <strong>und</strong> Religionswissenschaft nach<br />

RGG⁴, Tüb<strong>in</strong>gen 2007.<br />

4<br />

Siegfried Schwertner: IATG³ --- Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie<br />

<strong>und</strong> Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben,<br />

Berl<strong>in</strong> / Boston 3 2014.<br />

5<br />

Christ<strong>in</strong>e Walde (Hrsg.): Der neue Pauly --- Supplemente. Kulturhistorisches Werklexikon,<br />

Stuttgart / Weimar 2010.


2 Auslegungs- <strong>und</strong><br />

forschungsgeschichtlicher<br />

Überblick<br />

In e<strong>in</strong>igen der neueren Arbeiten zu den Reden der Apostelgeschichte beg<strong>in</strong>nt<br />

der forschungsgeschichtliche Überblick mit Exegeten des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, wie<br />

J. G. Eichhorn 6 oder F. C. Baur 7 . Das hängt wohl nicht zuletzt damit zusammen,<br />

dass man den »vorkritischen« Exegeten noch ke<strong>in</strong>e differenzierte Reflexion über<br />

die Entstehung der Reden <strong>in</strong> der Apostelgeschichte zutraut. So leitet Janusz Kucicki<br />

se<strong>in</strong>e Darstellung der Forschungsgeschichte mit den Worten e<strong>in</strong>:<br />

»Ever s<strong>in</strong>ce the first written comments on the Acts of the Apostles it was believed<br />

that all speeches <strong>in</strong> Acts are the orig<strong>in</strong>al words of the speakers and this axiomatic<br />

statement determ<strong>in</strong>ed <strong>in</strong>terpretations of the speeches until the n<strong>in</strong>eteenth century.« 8<br />

Wie ich im Folgenden nachzuweisen versuche, wird e<strong>in</strong>e solche stark verkürzte<br />

Sicht den »vorkritischen« Beiträgen ke<strong>in</strong>eswegs gerecht. Auch <strong>in</strong> der »vorkritischen«<br />

Exegese gab es Ause<strong>in</strong>andersetzungen über unterschiedliche Vorstellungen<br />

zur Entstehung der Reden <strong>in</strong> der Apostelgeschichte <strong>und</strong> was davon auf den<br />

Autor der Apostelgeschichte zurückgeht.<br />

In diesem Kapitel sollen e<strong>in</strong>ige Beiträge aus den verschiedenen Epochen der<br />

Auslegungsgeschichte besprochen werden. Es handelt sich hierbei nicht um e<strong>in</strong>en<br />

vollständigen Bericht, sondern um e<strong>in</strong>e exemplarische Auswahl. 9 <strong>Die</strong> Dar-<br />

6<br />

Marion L. Soards: The Speeches <strong>in</strong> Acts. Their Content, Context, and Concerns, Louisville,<br />

KY 1994, 2; Janusz Kucicki: The Function of the Speeches <strong>in</strong> the Acts of the Apostles.<br />

A Key to Interpretation of Luke's Use of Speeches <strong>in</strong> Acts, Leiden 2018, 2.<br />

7<br />

Osvaldo Padilla: The Speeches of Outsiders <strong>in</strong> Acts. Poetics, Theology and Historiography,<br />

Cambridge 2008, 17.<br />

8<br />

Kucicki: The Function of the Speeches (s.o. Anm. 6), 3.<br />

9<br />

Ergänzungen f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong>: W. Ward Gasque: A History of the Criticism of the Acts of<br />

the Apostles, Eugene, OR 2000; Paul-Gerhard Müller: Der »Paul<strong>in</strong>ismus« <strong>in</strong> der Apostelgeschichte.<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong> forschungsgeschichtlicher Überblick, <strong>in</strong>: Kertelge, Karl (Hg.): Paulus


28<br />

2 Auslegungs- <strong>und</strong> forschungsgeschichtlicher Überblick<br />

stellung ist dabei chronologisch nach der jeweils ersten relevanten Veröffentlichung<br />

e<strong>in</strong>es Autors geordnet. Weitere Arbeiten desselben Autors zum Thema<br />

werden ungeachtet des Datums im direkten Anschluss besprochen.<br />

Da <strong>in</strong> den bisherigen Untersuchungen zu den <strong>Paulusreden</strong> der Apostelgeschichte<br />

die Beiträge der Exegese vor <strong>dem</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert nur am Rande gewürdigt<br />

wurden, soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, diese<br />

Lücke durch gelegentlich auch etwas längere Darstellungen der Werke dieser<br />

Epoche zu schließen.<br />

2.1 Kirchenväter<br />

Ausführliche Abhandlungen zur Apostelgeschichte gibt es <strong>in</strong> der frühen Kirche<br />

nur wenige. 10 Johannes Chrysostomus beklagte, dass die Apostelgeschichte vielen<br />

nur wenig bekannt sei oder sogar überhaupt nicht. 11 <strong>Die</strong> folgende Darstellung<br />

beschränkt sich deshalb auf zwei Beispiele, Irenäus von Lyon, bei <strong>dem</strong> sich der<br />

erste unumstrittene explizite Bezug zur Apostelgeschichte außerhalb des Neuen<br />

Testaments f<strong>in</strong>det, 12 <strong>und</strong> Johannes Chrysostomus, von <strong>dem</strong> uns die älteste erhaltene<br />

fortlaufende Auslegung der Apostelgeschichte vorliegt. 13 Damit ist freilich<br />

längst nicht alles darüber gesagt, wie die Exegese vor der Reformationszeit mit<br />

den Reden der Apostelgeschichte umgegangen ist. Dennoch werden Fragen <strong>und</strong><br />

Besonderheiten <strong>in</strong> der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den Texten <strong>in</strong>nerhalb dieser<br />

Epoche exemplarisch an den Werken der beiden ausgewählten Theologen deutlich.<br />

Irenäus von Lyon stellte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schrift Adversus haereses verschiedene<br />

Aussagen über Gott im Neuen Testament <strong>dem</strong> Gottesbild se<strong>in</strong>er Gegner gegenüber.<br />

<strong>Die</strong> Darstellung beg<strong>in</strong>nt mit Lukas (III, 10,1---5) <strong>und</strong> handelt später von<br />

Petrus (III 12,1---5), Paulus (III 12,9) <strong>und</strong> Stephanus (III 12,10). Bezüge zu den<br />

<strong>in</strong> den neutestamentlichen Spätschriften. Zur Paulusrezeption im Neuen Testament, Freiburg<br />

1981, 157---201, hier: 157---201; Soards: The Speeches <strong>in</strong> Acts (s.o. Anm. 6), 2---5;<br />

Padilla: The Speeches of Outsiders <strong>in</strong> Acts (s.o. Anm. 7), 16---38; <strong>Daniel</strong> Lynwood Smith:<br />

The Rhetoric of Interruption. Speech-Mak<strong>in</strong>g, Turn-Tak<strong>in</strong>g, and Rule-Break<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Luke-<br />

Acts and Ancient Greek Narrative, Berl<strong>in</strong> 2012, 3---8.<br />

10<br />

W. Ward Gasque nennt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er forschungsgeschichtlichen Studie zur Apostelgeschichte<br />

19 Werke aus der Zeit vor der Reformation. Vgl. Gasque: A History of the Criticism<br />

(s.o. Anm. 9), 7.<br />

11<br />

Chrys.hom. <strong>in</strong> Ac. 1 (PG 60,15,54---56).<br />

12<br />

Andrew Gregory: The Reception of Luke and Acts <strong>in</strong> the Period before Irenaeus. Look<strong>in</strong>g<br />

for Luke <strong>in</strong> the Second Century, Tüb<strong>in</strong>gen 2003, 299. Vgl. auch: Heidi J. Hornik <strong>und</strong><br />

Mikeal Carl Parsons: The Acts of the Apostles Through the Centuries, Chicester 2017,<br />

8.<br />

13<br />

François Bovon: The Reception of the Book of Acts <strong>in</strong> Late Antiquity, <strong>in</strong>: ders.: The<br />

Emergence of Christianity. Collected Studies III, hg. von Luke Drake, Tüb<strong>in</strong>gen 2013,<br />

126---146, hier: 137.


2.1 Kirchenväter 29<br />

Reden <strong>in</strong> der Apostelgeschichte f<strong>in</strong>den sich nicht im Abschnitt zur Gotteslehre<br />

bei Lukas, sondern <strong>in</strong> den Abschnitten zu Petrus, Paulus <strong>und</strong> Stephanus. Irenäus<br />

g<strong>in</strong>g <strong>dem</strong>nach davon aus, dass diese Reden nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Ausdruck der<br />

Theologie des Lukas s<strong>in</strong>d, sondern der Theologie des Petrus, Paulus <strong>und</strong> Stephanus,<br />

obwohl Irenäus die Apostelgeschichte <strong>in</strong>sgesamt als das Zeugnis des Lukas<br />

verstand (III 14,1). So schreibt Irenäus am Ende e<strong>in</strong>es Abschnittes über die Abschiedsrede<br />

des Apostels Paulus <strong>in</strong> Milet (<strong>Apg</strong> 20,18---35): »So teilten die Apostel<br />

schlicht <strong>und</strong> ohne Mißgunst gegen jedermann allen mit, was sie vom Herrn gelernt<br />

hatten. Genauso teilte Lukas auch ohne Mißgunst gegen jedermann das<br />

mit, was er von ihnen gelernt hatte […].« 14<br />

Bereits Irenäus kannte allerd<strong>in</strong>gs auch <strong>E<strong>in</strong></strong>wände, die e<strong>in</strong>e Kompatibilität<br />

<strong>zwischen</strong> den <strong>Paulusreden</strong> <strong>in</strong> der Apostelgeschichte <strong>und</strong> den Paulusbriefen <strong>in</strong>frage<br />

stellten. Nach Irenäus unterschieden die von ihm bekämpften Häretiker<br />

im <strong>lukanischen</strong> Doppelwerk <strong>zwischen</strong> wahren (veritas) Berichten <strong>und</strong> solchen,<br />

bei denen Lukas die Wahrheit schlicht nicht gekannt habe (non cognovisset veritatem)<br />

(III 14,4). Zur zweiten Kategorie gehören nach den Gegnern des Irenäus<br />

auch die <strong>lukanischen</strong> Berichte über Paulus. Irenäus selbst argumentierte h<strong>in</strong>gegen<br />

dafür, dass Lukas »die Wahrheit mit aller Sorgfalt verkündet« 15 . Im Abschnitt<br />

zur Gotteslehre bei Paulus zitierte Irenäus Auszüge aus der Areopagrede<br />

<strong>und</strong> fügte abschließend h<strong>in</strong>zu: »Daß mit diesen Aussagen alle se<strong>in</strong>e [Paulus]<br />

Briefe übere<strong>in</strong>stimmen, werde ich an e<strong>in</strong>er Stelle, die sich dafür anbietet, eben<br />

aus diesen Briefen beweisen« 16 . Es sche<strong>in</strong>t <strong>dem</strong>nach auch <strong>E<strong>in</strong></strong>wände gegen die<br />

Echtheit der Areopagrede gegeben zu haben, die Irenäus mit e<strong>in</strong>er Untersuchung<br />

der Kompatibilität der Aussagen dieser Rede mit entsprechenden Aussagen<br />

<strong>in</strong> den Paulusbriefen widerlegen wollte.<br />

Unter den frühen Kirchenvätern ragt Johannes Chrysostomus als Ausleger<br />

der Apostelgeschichte besonders heraus. In se<strong>in</strong>en 55 Homilien behandelte er<br />

be<strong>in</strong>ahe den gesamten Text der Apostelgeschichte. 17 Ganze vier Homilien widmete<br />

er alle<strong>in</strong> der Überschrift ΠΡΑΞΕΙΣ ΑΠΟΣΤΟΛΩΝ. Chrysostomus setzte sich<br />

zwar nirgends gr<strong>und</strong>sätzlich mit den Reden der Apostelgeschichte <strong>und</strong> ihrem<br />

Ursprung ause<strong>in</strong>ander. Er sche<strong>in</strong>t jedoch davon ausgegangen zu se<strong>in</strong>, dass die<br />

Wiedergaben der Reden <strong>in</strong> der Apostelgeschichte vollständig s<strong>in</strong>d. Jedenfalls<br />

schloss er gelegentlich von <strong>dem</strong> genauen Wortlaut der Reden auch auf das, was<br />

bei dieser Gelegenheit nicht gesagt worden sei.<br />

»Und <strong>in</strong> Athen nannte Paulus ihn [Jesus] auch e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>en Menschen, <strong>und</strong> sagte<br />

nicht mehr (οὐδὲν πλέον εἰπών).« 18<br />

14<br />

Iren.haer. III 14,2 (FChr 8/3, 173 Brox).<br />

15<br />

Iren.haer. III 15,1 (FChr 8/3, 179 Brox).<br />

16<br />

Iren.haer. III 12,9 (FChr 8/3, 147 Brox).<br />

17<br />

F. T. Gignac: The Text of Acts <strong>in</strong> Chrysostom's Homilies, <strong>in</strong>: Tr. 26 (1970), 308---315,<br />

hier: 308.<br />

18<br />

Chrys.hom. <strong>in</strong> Ac. 1 (PG 60,15,54---56).


30<br />

2 Auslegungs- <strong>und</strong> forschungsgeschichtlicher Überblick<br />

»Und er sagte nicht (οὐκ εἶπεν): <strong>Die</strong> Proselyten, denn das war e<strong>in</strong> unglücklicher<br />

Name.« 19<br />

»Und er sagte nicht (οὐκ εἶπεν): Sie verklagten (Ἐνέτυχον), sondern: Sie ersuchten<br />

(ᾘτήσαντο), denn sie fanden ke<strong>in</strong>e Todesschuld, um ihn töten zu lassen.« 20<br />

»Und er sagte nicht (οὐκ εἶπεν): Von nieman<strong>dem</strong> habe ich begehrt die notwendigen<br />

D<strong>in</strong>ge […].« 21<br />

Vere<strong>in</strong>zelt wandte Chrysostomus allerd<strong>in</strong>gs auch das Stilmittel der Prosopopöie<br />

an <strong>und</strong> verband sie mit e<strong>in</strong>em wörtlichen Zitat aus der Rede, <strong>in</strong><strong>dem</strong> er Paulus<br />

mehr sagen liess, als im jeweiligen Text der Apostelgeschichte zu f<strong>in</strong>den ist. 22 In<br />

der Kommentierung zu <strong>Apg</strong> 17,22 ergänzte Chrysostomus beispielsweise die<br />

wörtliche Rede wie folgt:<br />

<strong>Apg</strong> 17,22---23 PG 51,73 (Zeilen 44---49)<br />

»Männer von Athen,<br />

ich sehe wie religiös ihr <strong>in</strong> allem seid<br />

(κατὰ πάντα ὡς δεισιδαιμονεστέρους<br />

ὑμᾶς θεωρῶ).<br />

[…] fand ich e<strong>in</strong>en Altar, <strong>in</strong> <strong>dem</strong> e<strong>in</strong>geschrieben<br />

(ἐπεγέγραπτο) war: <strong>E<strong>in</strong></strong>em unbekannten<br />

Gott (Ἀγνώστῳ θεῷ).«<br />

»Deshalb sagte Paulus anfangs:<br />

»Ich sehe wie religiös ihr <strong>in</strong> allem seid<br />

(Κατὰ πάντα ὡς δεισιδαιμονεστέρους<br />

ὑμᾶς ὁρῶ 23 ).<br />

Denn ihr dient (θεραπεύετε) nicht alle<strong>in</strong><br />

den euch (ὑμῖν) bekannten Göttern, sondern<br />

auch denen, die euch (ὑμῖν) noch<br />

nicht bekannt s<strong>in</strong>d.«<br />

Deshalb schrieben (ἐπέγραψαν) jene<br />

(Ἐκεῖνοι) h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>: <strong>E<strong>in</strong></strong>em unbekannten<br />

Gott (Ἀγνώστῳ Θεῷ).<br />

Paulus aber <strong>in</strong>terpretierte.«<br />

Tabelle 1: <strong>Vergleich</strong> <strong>Apg</strong> 17,22---23 / PG 51,73 (Zeilen 44---49)<br />

Chrysostomus zitierte anfangs wörtlich aus <strong>Apg</strong> 17,22 <strong>und</strong> fügte dann noch e<strong>in</strong>en<br />

erklärenden Zusatz e<strong>in</strong>. <strong>Die</strong>sen formulierte er jedoch aus der Perspektive<br />

des Apostels Paulus, <strong>in</strong><strong>dem</strong> er sich weiterh<strong>in</strong> der oratio recta bediente, wie an<br />

19<br />

Chrys.hom. <strong>in</strong> Ac. 29 zu <strong>Apg</strong> 13,16 (PG 60,213,39---40).<br />

20<br />

Ebd. zu <strong>Apg</strong> 13,28 (PG 60,215,59---60).<br />

21<br />

Chrys.hom. <strong>in</strong> Ac. 45 zu <strong>Apg</strong> 20,33 (PG 60,316,5---6).<br />

22<br />

Michael Bruce Compton: Introduc<strong>in</strong>g the Acts of the Apostles. A Study of John<br />

Chrysostom's On the Beg<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g of Acts, University of Virg<strong>in</strong>ia, Richmond, VA 1996, 249.<br />

23<br />

<strong>Die</strong>ses Synonym f<strong>in</strong>det sich an dieser Stelle <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er erhaltenen Handschrift. Es<br />

könnte sich daher um e<strong>in</strong>e verloren gegangene Textvariante handeln (vgl. א <strong>und</strong> D zu<br />

<strong>Apg</strong> 8,23) oder um e<strong>in</strong>e bewusste oder unbewusste Änderung des Textes durch<br />

Chrysostomus.


2.2 Reformationszeit 31<br />

der gebeugten Form von θεραπεύω <strong>in</strong> der zweiten Person Plural <strong>und</strong> den entsprechenden<br />

Personalpronomen deutlich wird. Anschließend verließ Chrysostomus<br />

diese Perspektive <strong>und</strong> griff <strong>Apg</strong> 17,23 wieder im Stil se<strong>in</strong>er vorherigen Ausführungen<br />

auf.<br />

Trotz dieser gelegentlichen Abweichung begrenzte sich Johannes Chrysostomus<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Auslegung größtenteils auf den Wortlaut <strong>und</strong> den Umfang der<br />

<strong>Paulusreden</strong>, wie sie <strong>in</strong> der Apostelgeschichte wiedergegeben werden. Obwohl<br />

Chrysostomus auch Fragen der Verfasserschaft <strong>und</strong> Abfassungszeit besprach<br />

(vgl. PG 51,71,37), g<strong>in</strong>g er auf die spezifische Frage nach <strong>dem</strong> Ursprung der<br />

Reden <strong>in</strong> der Apostelgeschichte nicht e<strong>in</strong>.<br />

Zwischen <strong>dem</strong> 5. <strong>und</strong> <strong>dem</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>ert gibt es nur vere<strong>in</strong>zelte erhaltene<br />

Beiträge zur Auslegung der Apostelgeschichte. 24 Erst durch das mit Erasmus <strong>und</strong><br />

der Reformation neu erwachte Interesse an der Kommentierung des Neuen Testaments,<br />

nahmen auch die Beiträge zu, die sich mit der Apostelgeschichte beschäftigten.<br />

25<br />

2.2 Reformationszeit<br />

In se<strong>in</strong>er Vorrede zur Apostelgeschichte erklärte Mart<strong>in</strong> Luther, dass die Apostelgeschichte<br />

e<strong>in</strong>e gute Ergänzung <strong>und</strong> Bestätigung der Paulusbriefe sei. Hier<br />

f<strong>in</strong>de man <strong>in</strong> Geschichten <strong>und</strong> Beispielen den Beweis dafür, dass alle<strong>in</strong> der<br />

Glaube rechtfertige. Das gelte im Besonderen für die Reden der Apostelgeschichte:<br />

»Sihe an alle predigt Sanct Petri, Stephani <strong>und</strong> Philippi, So wirstu f<strong>in</strong>den,<br />

das es alles dah<strong>in</strong> gehet, das wir alle<strong>in</strong> durch den glauben Christi, on Gesetz<br />

<strong>und</strong> werck, müssen zur gnaden komen, <strong>und</strong> gerecht werden.« (WA Bibel VI,<br />

416).<br />

Vorlesungen oder Kommentare zur Apostelgeschichte gibt es von Luther<br />

nicht. Allerd<strong>in</strong>gs f<strong>in</strong>den sich unter se<strong>in</strong>en Predigten auch e<strong>in</strong>ige Auslegungen<br />

zu verschiedenen Texten der Apostelgeschichte. Am 7. April 1545 (Osterdiens-<br />

24<br />

Vgl. zur Rezeption der Apostelgeschichte bis <strong>in</strong>s 6. Jahrh<strong>und</strong>ert: Bovon: The Reception<br />

of the Book of Acts <strong>in</strong> Late Antiquity (s.o. Anm. 13). Beda Venerabilis verfasste im frühen<br />

8. Jahrh<strong>und</strong>ert den ersten britischen Kommentar zur Apostelgeschichte (vgl. Hornik,<br />

Parsons: The Acts of the Apostles Through the Centuries (s.o. Anm. 12), 8), der zwar<br />

gelegentlich die allegorischen Auslegungen zur Apostelgeschichte des römischen Dichters<br />

Arator zitiert <strong>und</strong> auch eigene solche Auslegungen produziert, der <strong>in</strong> der Kommentierung<br />

aber überraschenderweise auch vielfach darauf verzichtet <strong>und</strong> stattdessen textkritische,<br />

grammatikalische <strong>und</strong> historische Fragen diskutiert (vgl. Beda Venerabilis:<br />

Commentary on the Acts of the Apostles, hier: xviii-xxiii). Dennoch f<strong>in</strong>den sich bei Beda<br />

ke<strong>in</strong>e Bemerkungen, die den Ursprung der Reden betreffen oder deren Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

<strong>und</strong> Unterschiede zu den Briefen des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um.<br />

25<br />

Gasque: A History of the Criticism (s.o. Anm. 9), 8.


32<br />

2 Auslegungs- <strong>und</strong> forschungsgeschichtlicher Überblick<br />

tag) predigte Luther beispielsweise über die Rede des Apostels Paulus im pisidischen<br />

Antiochien (<strong>Apg</strong> 13,16b---41) <strong>und</strong> wie so oft saß auch Georg Rörer 26 unter<br />

den Zuhörern <strong>und</strong> schrieb mit. In dieser Mitschrift f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis darauf,<br />

dass Luther <strong>Apg</strong> 13,30---37 für e<strong>in</strong>e Zusammenfassung dessen hält, was<br />

Paulus bei dieser Gelegenheit ausführlicher gesagt habe: »S. Paulus dr<strong>in</strong>gt dah<strong>in</strong>,<br />

das ers bezeugt, Christus sey warer Meßias. Es ist e<strong>in</strong>e lange predigt gewesen.<br />

Hie ists nur stuckweis, aber darauff dr<strong>in</strong>gt er, Den hat gott von toten erwecket<br />

[...].« (WA 49, 698)<br />

Etwas ausgefeilter f<strong>in</strong>det sich dieser Teil der Predigt <strong>in</strong> der Fassung, die<br />

Casper Cruciger nachträglich noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en späteren Druck der bereits 1544<br />

erschienenen Sommerpostille aufgenommen hat (vgl. WA 22, XIX). Dort lautet<br />

dieser Abschnitt so:<br />

»Er [Paulus] beweiset aber se<strong>in</strong>e Predigt von der Aufferstehung Christi mit vielen<br />

gewaltigen Sprüchen aus der Schrifft, welche er on zweivel mit vielen worten ausgestrichen<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong> lange Predigt darvon gethan, welche hie nicht ganz beschrieben,<br />

sondern nur stückweise auffs kurzte angezeigt.« (WA 22, 444)<br />

In beiden Fassungen f<strong>in</strong>det sich im Kern die Überzeugung, dass die Predigt des<br />

Apostels Paulus länger war, als sie <strong>in</strong> der Apostelgeschichte überliefert ist. Zugleich<br />

geht Luther davon aus, dass die theologischen Kernaussagen der <strong>Paulusreden</strong><br />

<strong>und</strong> der Paulusbriefe harmonieren (vgl. WA Bibel VI, 414---417).<br />

Unter den Wittenberger Theologen um Mart<strong>in</strong> Luther war es Justus Jonas<br />

der Ältere, der sich der Auslegung der Apostelgeschichte <strong>in</strong> besonderem Maße<br />

annahm. Im Jahr 1524 veröffentlichte er se<strong>in</strong>e Annotationes zur Apostelgeschichte,<br />

welche er <strong>dem</strong> Herzog von Sachsen widmete <strong>und</strong> ihn zugleich auf die<br />

Bezüge <strong>zwischen</strong> Paulus <strong>und</strong> Luther h<strong>in</strong>wies. 27 Abgesehen davon <strong>in</strong>terpretierte<br />

Jonas die Apostelgeschichte jedoch größtenteils vor <strong>dem</strong> H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> antiker<br />

Gegebenheiten. Er wies beispielsweise immer wieder auf hebräische Ausdrucksweisen<br />

28 , geographische Zusammenhänge 29 <strong>und</strong> außerbiblische literarische Parallelen<br />

30 h<strong>in</strong>.<br />

Zum Ursprung der <strong>Paulusreden</strong> äußerte sich Jonas allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Auslegung<br />

nicht. Da er Lukas für e<strong>in</strong>en ständigen Begleiter des Apostels Paulus<br />

26<br />

Zu Rörers Zuverlässigkeit <strong>in</strong> der Anfertigung von Mitschriften vgl.: Stefan Michel:<br />

Sammler --- Chronist --- Korrektor --- Editor. Zur Bedeutung des Sammlers Georg Rörer<br />

(1492-1557) <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Sammlung für die Wittenberger Reformation, <strong>in</strong>: Michel, Stefan;<br />

Speer, Christian (Hgg.): Georg Rörer (1492---1557). Der Chronist der Wittenberger Reformation,<br />

Leipzig 2012, 9---58.<br />

27<br />

Justus Jonas: Annotationes oder Anzaygungen über das Buch der Aposteln Geschicht,<br />

Augspurg 1525, fol. 3ᵛ.<br />

28<br />

Vgl. a.a.O., fol. h1ʳ; h4ʳ; l4ᵛ; m3ʳ.<br />

29<br />

Vgl. a.a.O., fol. l3ʳ; m2ᵛ.<br />

30<br />

Vgl. a.a.O., fol. o1ᵛ.


2.2 Reformationszeit 33<br />

hielt, 31 wird er jedoch auch davon ausgegangen se<strong>in</strong>, dass Lukas die <strong>Paulusreden</strong><br />

selbst gehört hat oder von Paulus überliefert bekam.<br />

Ähnlich wie vor ihm schon Johannes Chrysostomus, wendete auch Justus<br />

Jonas bei den Reden e<strong>in</strong>e Art Prosopopöie an. Im Unterschied zu Chrysostomus<br />

<strong>in</strong>tegrierte Jonas den ergänzten Text allerd<strong>in</strong>gs nicht direkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong> wörtliches<br />

Zitat. Vielmehr zitierte oder paraphrasierte er zunächst den Text <strong>und</strong> verdeutlichte<br />

anschließend die Aussage durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> wörtlicher Rede formulierte Erklärung.<br />

Bei der Predigt des Stephanus leitete er zu dieser Erklärung mit e<strong>in</strong>er<br />

Formel (siehe Hervorhebung) über: »Jr habt Mosen von eüch gestossen vnd verworffen.<br />

[...] Als wolt er sagen / Wenn Moses yetzt da wär / so würdet jr jn gleich<br />

so wol von eüch verstossen / als jr mir thut [...].« 32<br />

Bei der Auslegung der <strong>Paulusreden</strong> stehen Paraphrase <strong>und</strong> Erklärung allerd<strong>in</strong>gs<br />

auch unmittelbar nebene<strong>in</strong>ander. <strong>Die</strong> Nacherzählung der Passionsereignisse<br />

<strong>in</strong> <strong>Apg</strong> 13,27---29 paraphrasierte Jonas <strong>und</strong> ergänzte sie zugleich mit e<strong>in</strong>er<br />

theologischen Deutung (siehe Hervorhebung):<br />

»Nach <strong>dem</strong> ewre fürsten / die wort der propheten nit haben recht verstanden / sonder<br />

die von a<strong>in</strong>em eüsserlichen vn flaischlichen reich vernommen / da haben sy nichts<br />

gewißt vmb den rat <strong>und</strong> anschlag gottes / vnnd haben geleich <strong>dem</strong>nach den rechten<br />

Messiam tödt vnd vmb pracht.« 33<br />

Justus Jonas sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> den <strong>Paulusreden</strong> der Apostelgeschichte zuverlässige Darbietungen<br />

dessen gesehen zu haben, was <strong>in</strong> der jeweiligen Situation tatsächlich<br />

gesagt wurde. Zugleich paraphrasierte <strong>und</strong> ergänzte er sie mit den nötigen Erklärungen,<br />

um se<strong>in</strong>en Lesern den theologischen Gehalt der kompakten Aussagen<br />

zu entfalten. Luthers Ansicht, dass Paulus selbst ausführlicher geredet haben<br />

könnte <strong>und</strong> lediglich Lukas für die komprimierte Darstellung verantwortlich<br />

sei, kommt bei Jonas nicht explizit vor.<br />

In Genf hielt der Reformator Johannes Calv<strong>in</strong> ab 1549 e<strong>in</strong>e längere Predigtreihe<br />

über die Apostelgeschichte. Wie bei Calv<strong>in</strong> üblich, entstand daraus im Anschluss<br />

auch e<strong>in</strong> Kommentar zu derselben. Der erste Band (<strong>Apg</strong> 1---13) erschien<br />

1552 <strong>und</strong> wurde 1554 durch den zweiten Band (<strong>Apg</strong> 14---28) ergänzt. 34 Bereits<br />

am Anfang des Kommentars wird deutlich, dass Calv<strong>in</strong> sich auch mit der Herkunft<br />

e<strong>in</strong>es Textes befasste, wie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Überlegungen zu <strong>Apg</strong> 1,18---19 deutlich<br />

wird:<br />

31<br />

Vgl. a.a.O., fol. a3ʳ.<br />

32<br />

A.a.O., fol. h2ᵛ.<br />

33<br />

A.a.O., fol. l4ᵛ.<br />

34<br />

Vgl. Raymond A. Blacketer: Kommentare <strong>und</strong> Vorreden, <strong>in</strong>: Selderhuis, Herman J.<br />

(Hg.): Calv<strong>in</strong> Handbuch, Tüb<strong>in</strong>gen 2012, 179---190, hier: 180---185.


3 Zur Redewiedergabe <strong>in</strong> der antiken<br />

Geschichtsschreibung<br />

Zur antiken Geschichtsschreibung gehören Reden ganz selbstverständlich dazu.<br />

Zwar wurde deren Länge, Häufigkeit <strong>und</strong> Stil unter den Geschichtsschreibern<br />

kontrovers diskutiert, nicht aber, ob Reden überhaupt Teil e<strong>in</strong>es historiographischen<br />

Werkes se<strong>in</strong> sollten. 154 Wie im forschungsgeschichtlichen Überblick deutlich<br />

wurde, haben sich Exegeten unterschiedlicher Positionen dafür ausgesprochen,<br />

die antiken Gepflogenheiten <strong>in</strong> Bezug auf die literarische Verarbeitung<br />

von Reden auch bei der Untersuchung der Reden <strong>in</strong> der Apostelgeschichte zu<br />

berücksichtigen.<br />

Im Folgenden werden zunächst e<strong>in</strong>ige Ausführungen bei Thucydides <strong>und</strong><br />

Polybius über ihren historischen Anspruch an Reden <strong>in</strong> der Geschichtsschreibung<br />

besprochen. Im Anschluss daran werden e<strong>in</strong>zelne Beispiele der Redewiedergabe<br />

bei Josephus <strong>und</strong> Tacitus im <strong>Vergleich</strong> mit möglichen Parallelen überprüft,<br />

um auch den praktischen Umgang mit Reden exemplarisch<br />

nachzuvollziehen. 155<br />

154<br />

John Mar<strong>in</strong>cola: Speeches <strong>in</strong> Classical Historiography, <strong>in</strong>: Mar<strong>in</strong>cola, John (Hg.): A<br />

Companion to Greek and Roman Historiography. Volume I, Malden, MA 2007, 118---132,<br />

hier: 118---119.<br />

155<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>e ähnliche Untersuchung hat Bruce W<strong>in</strong>ter vorgelegt. Er vergleicht das Profil des<br />

Philosophen Favor<strong>in</strong>us <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en eigenen erhaltenen Reden mit <strong>dem</strong>, was se<strong>in</strong> Schüler<br />

<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong> Gellius kurze Zeit nach Favor<strong>in</strong>us' Tod über ihn geschrieben hat <strong>und</strong> <strong>dem</strong>,<br />

was sich <strong>in</strong> der 80 Jahre nach Favor<strong>in</strong>us' Tod von Philostratus verfassten Schrift über ihn<br />

f<strong>in</strong>det. W<strong>in</strong>ter kommt zu <strong>dem</strong> Ergebnis, dass das Zeugnis des Zeitgenossen Gellius wesentlich<br />

vollständiger ist als die wesentlich später entstandene Darstellung des Philostratus.<br />

Vgl. T. W. Hillard, Alanna Nobbs <strong>und</strong> Bruce W. W<strong>in</strong>ter: Acts and the Paul<strong>in</strong>e<br />

<strong>Corpus</strong>. Part I: Ancient Literary Parallels, <strong>in</strong>: W<strong>in</strong>ter, Bruce W.; Clarke, Andrew D. (Hgg.):<br />

The Book of Acts <strong>in</strong> Its Ancient Literary Sett<strong>in</strong>g, Grand Rapids, MI 1993, 183---213, hier:<br />

196---205.


62<br />

3 Zur Redewiedergabe <strong>in</strong> der antiken Geschichtsschreibung<br />

3.1 Der Redensatz des Thucydides<br />

Thucydides gilt als e<strong>in</strong>er der ersten großen Geschichtsschreiber, der <strong>in</strong> vielfältiger<br />

Weise von den nachfolgenden Generationen nachgeahmt wurde. 156 Se<strong>in</strong> Geschichtswerk<br />

hat e<strong>in</strong>en ungefähren Umfang von 152.000 Wörtern, wovon sich<br />

ca. 22% <strong>in</strong>nerhalb solcher Reden bef<strong>in</strong>den, die <strong>in</strong> oratio recta verfasst wurden. 157<br />

Thucydides formulierte jedoch se<strong>in</strong>e Reden nicht immer <strong>in</strong> direkter Rede, sondern<br />

häufig auch <strong>in</strong> <strong>in</strong>direkter Rede. Friedrich Blass zählt 41 Reden <strong>und</strong> 2 Dialoge.<br />

158 William West def<strong>in</strong>iert das, was e<strong>in</strong>e Rede ausmacht, deutlich weiter als<br />

Blass <strong>und</strong> kommt dadurch auch auf wesentlich höhere Zahlen: »I would suggest<br />

that a speech be def<strong>in</strong>ed as the report, <strong>in</strong> direct or <strong>in</strong>direct discourse, of what<br />

was said (or its substance) <strong>in</strong> any particular <strong>in</strong>stance;« 159 . Somit zählt West 140<br />

Reden, die er <strong>in</strong> unterschiedliche Kategorien aufteilt. 160 <strong>Die</strong> folgende Tabelle ist<br />

e<strong>in</strong>e Zusammenfassung <strong>und</strong> Ergänzung se<strong>in</strong>er Ausführungen. 161<br />

Dir. Rede Gemischt Indir. Rede Gesamt<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>zelreden 20 (26%) 3 (4%) 54 (70%) 77<br />

Redepaare 23 (50%) --- 23 (50%) 46<br />

Ergänzende Reden 9 (60%) --- 6 (40%) 15<br />

Reden <strong>in</strong> parallelen<br />

Situationen<br />

--- --- 2 (100%) 2<br />

Gesamt 52 (37%) 3 (2%) 85 (61%) 140<br />

Tabelle 2: Reden bei Thucydides nach West<br />

Thucydides stellte allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Geschichtswerk nicht nur die Reden<br />

selbst dar, sondern formulierte auch gr<strong>und</strong>sätzliche Überlegungen zum Umgang<br />

mit denselben <strong>in</strong> der Geschichtsschreibung. <strong>Die</strong>se Überlegungen f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong><br />

156<br />

Beat Näf: Antike Geschichtsschreibung. Form - Leistung - Wirkung, Stuttgart 2010,<br />

182. Zu dieser Nachahmung gehörte allerd<strong>in</strong>gs auch die Kritik an den Vorgängern, die<br />

Thucydides bereits an Herodot <strong>und</strong> Herodot an Homer übte <strong>und</strong> genauso auch wieder an<br />

Herodot <strong>und</strong> Thucydides von nachfolgenden Historiographen geübt wurde.<br />

157<br />

Arm<strong>in</strong> D. Baum: Zu Funktion <strong>und</strong> Authentizitätsanspruch der oratio recta. Hebräische<br />

<strong>und</strong> griechische Geschichtsschreibung im <strong>Vergleich</strong>, <strong>in</strong>: ZAW 115 (2003), 586---607, hier:<br />

592---593.<br />

158<br />

Friedrich Blass: <strong>Die</strong> attische Beredsamkeit. Erste Abtheilung: Von Gorgias bis Lysias,<br />

Leipzig 2 1887, 231.<br />

159<br />

William C. [III.] West: The Speeches <strong>in</strong> Thucydides. A Description and List<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>:<br />

Kennedy, George A. (Hg.): The Speeches <strong>in</strong> Thucydides, Charlotte, NC 1973, 3---15, hier:<br />

4.<br />

160<br />

A.a.O., 5---15.<br />

161<br />

West selbst gibt nur die Gesamtzahl der Reden <strong>und</strong> die Anzahl an Paarreden, ergänzenden<br />

Reden <strong>und</strong> Reden <strong>in</strong> parallelen Situationen an. <strong>Die</strong> Kategorie »<strong>E<strong>in</strong></strong>zelreden« f<strong>in</strong>det<br />

sich bei ihm nicht. In der folgenden Tabelle handelt es sich bei den Werten dieser Kategorie<br />

um die jeweilige Differenz <strong>zwischen</strong> der von West genannten Gesamtzahl e<strong>in</strong>er<br />

Spalte <strong>und</strong> der Summe der anderen Kategorien <strong>in</strong>nerhalb dieser Spalte.


3.1 Der Redensatz des Thucydides 63<br />

<strong>dem</strong> sogenannten Redensatz 162 , welchen Thucydides mit anderen Ausführungen<br />

zur Geschichtsschreibung se<strong>in</strong>er eigentlichen Darstellung des Peloponnesischen<br />

Krieges voranstellte. Bereits 1942 wies F. F. Bruce auf die prägende Funktion<br />

dieses Satzes für die antike Geschichtsschreibung <strong>in</strong>sgesamt h<strong>in</strong>, deren Tradition<br />

auch Lukas geerbt habe. 163 Nur zwei Jahre später beschäftigte sich auch<br />

Mart<strong>in</strong> Dibelius mit <strong>dem</strong> Methodensatz als Gr<strong>und</strong>lage für se<strong>in</strong>e Untersuchung<br />

der Reden <strong>in</strong> der Apostelgeschichte. Im Unterschied zu Bruce betonte Dibelius<br />

allerd<strong>in</strong>gs auch die Mehrdeutigkeit dieses Satzes, die e<strong>in</strong> Problem für die Ermittlung<br />

dessen, was Thucydides genau für se<strong>in</strong>e Reden beanspruchte, darstelle. 164<br />

Wie sich dieses anfängliche Problembewusstse<strong>in</strong> bei Dibelius <strong>und</strong> e<strong>in</strong>igen anderen<br />

deutschsprachigen Exegeten im Laufe der Zeit zu der Gewissheit wandelte,<br />

dass Thucydides ke<strong>in</strong>erlei Historizität für se<strong>in</strong>e Reden beanspruche, zeichnet<br />

Klaus Haacker <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Aufsatz »Umstrittene Reden« detailliert nach. 165<br />

Anschließend<br />

fasst Haacker auch die Beiträge zum Methodensatz des Thucydides<br />

von F. F. Bruce, A. W. Gomme <strong>und</strong> anderen Altphilologen <strong>und</strong> Historikern im<br />

englischsprachigen Raum zusammen, welche diesen Methodensatz des Thucydides<br />

wesentlich konservativer <strong>in</strong>terpretieren. 166<br />

Dass diese Kontroverse auch<br />

gegenwärtig noch nicht zur Ruhe gekommen ist, hat Stefan Feddern 2016 wieder<br />

festgestellt:<br />

»Thucydides’ statements <strong>in</strong> the so-called Methodenkapitel […] have been the subject<br />

of numerous <strong>in</strong>vestigations. Especially with regard to the speeches, modern scholars<br />

have presented many po<strong>in</strong>ts and cont<strong>in</strong>ue to offer much discussion, often extremely<br />

controversially.« 167<br />

162<br />

Thuc. 1,22,1.<br />

163<br />

Bruce: The Speeches <strong>in</strong> the Acts of the Apostles (s.o. Anm. 111), 6.<br />

164<br />

Dibelius: <strong>Die</strong> Reden der Apostelgeschichte (s.o. Anm. 102), 122.<br />

165<br />

Klaus Haacker: Umstrittene Reden. Thukydides als Vorbild des Lukas?, <strong>in</strong>: ThBeitr<br />

49 (2018), 102---119, hier: 103---109.<br />

166<br />

A.a.O., 109---112.<br />

167<br />

Stefan Feddern: Thucydides’ Methodenkapitel <strong>in</strong> the Light of the Ancient Evidence,<br />

<strong>in</strong>: Liotsakis, Vasileios; Farr<strong>in</strong>gton, Scott (Hgg.): The Art of History. Literary Perspectives<br />

on Greek and Roman Historiography, Berl<strong>in</strong>, Boston 2016, 119---144, hier: 119. <strong>Die</strong>se<br />

Kontroverse f<strong>in</strong>det auch <strong>zwischen</strong> unterschiedlichen Artikeln <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong> <strong>und</strong> desselben<br />

Lexikons statt. So schreibt Simon Hornblower beispielsweise <strong>in</strong> »Der Neue Pauly«<br />

zum Stichwort »Thukydides«: »Anders jedoch als se<strong>in</strong>e Vorgänger […] nimmt [Thucydides]<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigartigen Methodenkapitel (1,22) für sich <strong>in</strong> Anspruch, den Rednern<br />

das <strong>in</strong> der jeweiligen Situation rhetorisch Notwendige (ta déonta) <strong>in</strong> den M<strong>und</strong> gelegt<br />

<strong>und</strong> dies <strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>klang mit den wesentlichen Inhalten des wirklich Gesagten gebracht zu<br />

haben.« Simon Hornblower: Thukydides. 2.II.B. Methode, <strong>in</strong>: Cancik, Hubert; u.a. (Hgg.):<br />

Der Neue Pauly, Leiden 2006. Stefan Me<strong>in</strong>eke schreibt dagegen <strong>in</strong> <strong>dem</strong>selben Lexikon<br />

zum Stichwort »Thukydidismus«: »<strong>Die</strong> sprachliche Form, die Anwendung bestimmter<br />

Darstellungstechniken (wie die der Motiverhellung der Akteure dienende <strong>E<strong>in</strong></strong>fügung von


4 Das Quellenmaterial<br />

Wie im Fall der Rede Senecas <strong>in</strong> Tacitus‘ Annales gibt es auch für die <strong>in</strong> der<br />

Apostelgeschichte enthaltenen <strong>Paulusreden</strong> ke<strong>in</strong>e parallele Überlieferung, die<br />

e<strong>in</strong>en direkten <strong>Vergleich</strong> erlauben würde. 216 Jedoch können auch die Aussagen<br />

der <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> ähnlich wie <strong>in</strong> der Forschung zur tacit<strong>in</strong>ischen<br />

Senecarede e<strong>in</strong>zeln mit möglichen Parallelen im <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um verglichen<br />

werden, um ihre <strong>in</strong>haltliche Kompatibilität zu überprüfen. <strong>E<strong>in</strong></strong>er Antwort zu der<br />

Frage nach <strong>dem</strong> spezifisch <strong>lukanischen</strong> Umgang mit Reden kann man sich<br />

dadurch nähern, dass man sowohl die Geme<strong>in</strong>samkeiten als auch die Unterschiede<br />

<strong>zwischen</strong> den <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> <strong>und</strong> den Paulusbriefen des<br />

Neuen Testaments durch e<strong>in</strong>en <strong>Vergleich</strong> erfasst.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n muss geklärt werden, welcher <strong>Redestoff</strong> <strong>in</strong> der Apostelgeschichte<br />

für diese Untersuchung überhaupt relevant ist (A) <strong>und</strong> wie derselbe gruppiert<br />

werden kann (B). Damit zusammen hängt die Frage nach den Längenunterschieden<br />

<strong>zwischen</strong> den Redetexten (C) <strong>und</strong> den unterschiedlichen Funktionen derselben<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Erzählung (D).<br />

4.1 Der Gesamtumfang der <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong><br />

<strong>Die</strong> Apostelgeschichte besteht aus 18.472 Wörtern, von denen 8.398 (45%) <strong>in</strong><br />

oratio recta formuliert s<strong>in</strong>d. 217 Indirekte Rede (oratio obliqua) gibt es h<strong>in</strong>gegen<br />

216<br />

Im <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um wird nur <strong>in</strong> Gal 2,14 auf e<strong>in</strong>e historische Rede des Apostels verwiesen,<br />

zu welcher es jedoch ke<strong>in</strong>e Parallele <strong>in</strong> der Apostelgeschichte gibt.<br />

217<br />

<strong>Die</strong> folgenden Zählungen basieren auf der von der Software BibleWorks Version 10<br />

mitgelieferten digitalen Ausgabe der 28. Auflage des Novum Testamentum Graece<br />

(Nestle-Aland). Texte <strong>in</strong> direkter Rede wurden manuell <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Dokument des Textverarbeitungsprogramms<br />

Microsoft Word kopiert <strong>und</strong> die Wortzahl dort mit der Funktion<br />

»Wörter zählen« erfasst. Es bestehen leichte Abweichungen zu den Ergebnissen, die mit<br />

der syntaktischen Datenbank zum Nestle-Aland <strong>in</strong> der Software Accordance ermittelt<br />

werden konnten. <strong>Die</strong> Gesamtwortzahl der Texte <strong>in</strong> oratio recta beträgt nach Accordance


78<br />

4 Das Quellenmaterial<br />

kaum. 218 Der Anteil an direkter Rede <strong>in</strong>nerhalb der Kapitel schwankt <strong>zwischen</strong><br />

2% (<strong>Apg</strong> 12) <strong>und</strong> 92% (<strong>Apg</strong> 7) <strong>und</strong> verteilt sich wie folgt auf die Redner:<br />

Petrus 1.901 (23%)<br />

Stephanus 1.031 (12%)<br />

Paulus 2.846 (34%)<br />

Andere 2.620 (31%)<br />

Gesamt 8.398<br />

Tabelle 7: Redeanteile <strong>in</strong> der Apostelgeschichte nach Redner<br />

Mit 34% erhält der lukanische Paulus den höchsten Redeanteil <strong>in</strong> der Apostelgeschichte.<br />

In Relation zur gesamten Wortzahl der Apostelgeschichte machen die<br />

oratio recta Texte des <strong>lukanischen</strong> Paulus 15% aus. Im Unterschied dazu f<strong>in</strong>den<br />

sich <strong>in</strong> der Apostelgeschichte lediglich 39 Wörter <strong>in</strong> oratio obliqua, die Paulus<br />

zugeschrieben werden (9,20.22; 17,3; 18,5.28; 20,38; 27,33), <strong>und</strong> weitere 21<br />

Wörter, die Paulus <strong>und</strong> Barnabas nach der Apostelgeschichte geme<strong>in</strong>sam vortragen<br />

(<strong>Apg</strong> 13,43; 14,22.27). Demnach besteht das paul<strong>in</strong>ische Re<strong>dem</strong>aterial <strong>in</strong><br />

der Apostelgeschichte zu 98% aus oratio recta <strong>und</strong> zu 2% aus oratio obliqua. <strong>Die</strong><br />

Untersuchung befasst sich daher fast ausschließlich mit den entsprechenden <strong>in</strong><br />

oratio recta verfassten Texten.<br />

4.2 <strong>Die</strong> Zahl der <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong><br />

Obwohl die Aufteilung der Texte <strong>in</strong> oratio recta auf die jeweiligen Redner e<strong>in</strong>deutig<br />

ist, wird die Frage nach der Anzahl der Reden <strong>in</strong> der Apostelgeschichte<br />

von Exegeten sehr unterschiedlich beantwortet. Folgende Zahlen werden vertreten:<br />

8.537. <strong>Die</strong>se ger<strong>in</strong>ge Abweichung ist unter anderem durch solche Texte bed<strong>in</strong>gt, <strong>in</strong> welchen<br />

e<strong>in</strong>e Mischung von direkter <strong>und</strong> <strong>in</strong>direkter Rede vorkommt. So ist beispielsweise<br />

<strong>in</strong> <strong>Apg</strong> 1,4 nicht e<strong>in</strong>deutig erkennbar, wo die <strong>in</strong>direkte Rede aufhört <strong>und</strong> die direkte Rede<br />

beg<strong>in</strong>nt. Größere Unterschiede bestehen h<strong>in</strong>gegen zu der früheren Ermittlung von<br />

Richard Pervo, der nicht die Wortzahl, sondern die Verse <strong>in</strong> der Apostelgeschichte zählte,<br />

welche oratio recta enthalten. Auf dieser Zählung basierend geht Pervo von 51% oratio<br />

recta <strong>in</strong> der Apostelgeschichte aus. Richard I. Pervo: Direct Speech <strong>in</strong> Acts and the Question<br />

of Genre, <strong>in</strong>: JSNT 28 (2006), 285---307, hier: 288. Arm<strong>in</strong> Baum hat die Wortzahl<br />

anhand digitaler Ausgaben moderner Bibelübersetzungen errechnet <strong>und</strong> kommt auf e<strong>in</strong>en<br />

Anteil von ca. 49% (9.100 Wörter). Baum: Paul<strong>in</strong>ismen <strong>in</strong> den Missionsreden (s.o.<br />

Anm. 130), 405.<br />

218<br />

In der Apostelgeschichte werden vor allem Befehle (z.B. <strong>Apg</strong> 4,15.18; 5,34.40; 22,24;<br />

23,2) <strong>und</strong> andere Anweisungen (z.B. <strong>Apg</strong> 1,4; 10,48; 11,23), Fragen (z.B. <strong>Apg</strong> 10,18;<br />

21,33) <strong>und</strong> Zusammenfassungen der Verkündigungstätigkeit (z.B. <strong>Apg</strong> 8,35; 9,20.22.27;<br />

17,3; 18,5) <strong>in</strong> oratio obliqua wiedergegeben. Solche Texte umfassen vere<strong>in</strong>zelt etwas<br />

mehr als 20 Wörter, aber nie mehr als 30 Wörter.


4.2 <strong>Die</strong> Zahl der <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> 79<br />

Anzahl Vertreter<br />

10 G. H. R. Horsley 219<br />

12 Col<strong>in</strong> J. Hemer 220<br />

13 Joshua D. Garroway 221<br />

18 E. Jacquier 222 ; (Ulrich Wilckens 223 )<br />

19 F. F. Bruce 224<br />

24 Henry J. Cadbury 225 ; Mart<strong>in</strong> Dibelius 226 ; Gerhard Schneider 227 ; Rudolf Pesch<br />

228<br />

25 G. A. Kennedy 229<br />

28 Joseph A. Fitzmyer 230<br />

36 Marion L. Soards 231<br />

Tabelle 8: Positionen zur Zählung der Reden <strong>in</strong> der Apostelgeschichte<br />

<strong>Die</strong> Zählung der Reden hängt damit zusammen, wie die jeweiligen Exegeten den<br />

Unterschied <strong>zwischen</strong> e<strong>in</strong>er formalen Rede <strong>und</strong> sonstigem Re<strong>dem</strong>aterial def<strong>in</strong>ieren.<br />

<strong>Die</strong> wenigsten oben genannten Autoren geben Auskunft über die ihrer Zählung<br />

zugr<strong>und</strong>eliegenden Def<strong>in</strong>ition.<br />

<strong>Die</strong> restriktivste Zählung stammt von G. H. R. Horsley, der zwar ebenfalls<br />

ke<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition nennt, aber doch andeutet, dass die Länge se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach<br />

zu den wesentlichen Kriterien für die Bestimmung formaler Reden zählt. 232 In<strong>dem</strong><br />

er weiter <strong>zwischen</strong> Reden, Dialogen <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>zeilern unterscheidet, wird<br />

ebenfalls deutlich, dass Horsley Dialoge <strong>und</strong> sehr kurze Redetexte nicht zu den<br />

formalen Reden zählt. 233<br />

Explizit legt nur Marion L. Soards e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition vor, die bei ihm wesentlich<br />

weiter gefasst ist als bei allen anderen: »A speech is a deliberatively formulated<br />

219<br />

Horsley, G. H. R.: Speeches and Dialogue <strong>in</strong> Acts (s.o. Anm. 188), 613.<br />

220<br />

Col<strong>in</strong> J. Hemer: The Book of Acts <strong>in</strong> the Sett<strong>in</strong>g of Hellenistic History, Tüb<strong>in</strong>gen 1989,<br />

415.<br />

221<br />

Joshua D. Garroway: »Apostolic Irresistibility« and the Interrupted Speeches <strong>in</strong> Acts,<br />

<strong>in</strong>: CBQ 74 (2012), 738---752, hier: 745---746.<br />

222<br />

E. Jacquier: Les Actes des Apôtres, Paris 1926, 275.<br />

223<br />

Wilckens: <strong>Die</strong> Missionsreden der Apostelgeschichte (s.o. Anm. 116), 7f.<br />

224<br />

Bruce: The Speeches <strong>in</strong> the Acts of the Apostles (s.o. Anm. 111), 5.<br />

225<br />

Cadbury: The Speeches <strong>in</strong> Acts (s.o. Anm. 106), 403.<br />

226<br />

Dibelius: <strong>Die</strong> Reden der Apostelgeschichte (s.o. Anm. 102), 130.<br />

227<br />

Gerhard Schneider: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte. I. Teil, Freiburg 1980, 95---103.<br />

228<br />

Rudolf Pesch: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte. Teilband 1 (<strong>Apg</strong> 1-12), Neukirchen-Vluyn 1986,<br />

42.<br />

229<br />

George A. Kennedy: New Testament Interpretation through Rhetorical Criticism, Chapel<br />

Hill 1984, 114---140.<br />

230<br />

Joseph A. Fitzmyer: Acts of the Apostles, New York, NY 1998, 85---88.<br />

231<br />

Soards: The Speeches <strong>in</strong> Acts (s.o. Anm. 6), 18-22.<br />

232<br />

Horsley, G. H. R.: Speeches and Dialogue <strong>in</strong> Acts (s.o. Anm. 188), 610. Auf den arbiträren<br />

Charakter e<strong>in</strong>er solchen Unterscheidung bei den Reden der Apostelgeschichte hat<br />

bereits Col<strong>in</strong> Hemer aufmerksam gemacht. Hemer: The Book of Acts (s.o. Anm. 220), 416.<br />

233<br />

Horsley, G. H. R.: Speeches and Dialogue <strong>in</strong> Acts (s.o. Anm. 188), 613.


5 <strong>Die</strong> Methodik<br />

Im ersten Abschnitt dieses Kapitels zur Methodik der vorliegenden Untersuchung<br />

geht es um die Vorgehensweise bei der Ermittlung von Parallelen <strong>zwischen</strong><br />

den <strong>Paulusreden</strong> <strong>und</strong> Texten <strong>in</strong>nerhalb <strong>und</strong> außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um<br />

(A). Danach sollen die Überlegungen dargelegt werden, auf welchen die<br />

Darstellungsform der Parallelen beruhen (B). In den letzten beiden Abschnitten<br />

wird die Frage nach e<strong>in</strong>er passenden Klassifizierung (C) <strong>und</strong> Bezeichnung (D)<br />

der Parallelen reflektiert.<br />

5.1 <strong>Die</strong> Ermittlung der Parallelen<br />

<strong>Die</strong> Fragestellung der Arbeit bezieht sich auf den <strong>Vergleich</strong> der <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong><br />

mit den neutestamentlichen Paulusbriefen, weshalb auch dort zuerst<br />

nach Parallelen gesucht wird. Um die Qualität solcher Parallelen besser beurteilen<br />

zu können, müssen jedoch auch Parallelen aus anderen Texten als <strong>Vergleich</strong>sgröße<br />

h<strong>in</strong>zugezogen werden. Hierbei wäre es freilich wünschenswert,<br />

das größtmögliche Korpus antiker <strong>Vergleich</strong>stexte heranzuziehen, um womöglich<br />

sogar Aussagen identifizieren zu können, die exklusiv <strong>in</strong> den <strong>lukanischen</strong><br />

<strong>Paulusreden</strong> <strong>und</strong> den neutestamentlichen Paulusbriefen belegt s<strong>in</strong>d. Dadurch<br />

hätte man allerd<strong>in</strong>gs nur e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß dessen ermittelt, was Paulus gesagt<br />

haben könnte. Da jedoch auch die unumstrittenen Paulusbriefe Aussagen enthalten,<br />

zu welchen sich außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um Parallelen f<strong>in</strong>den lassen,<br />

246 wäre e<strong>in</strong>e solche Verengung auf exklusiv paul<strong>in</strong>ische Aussagen <strong>in</strong> den<br />

<strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> nicht zielführend. Vielmehr gilt es möglichst alle Parallelen<br />

<strong>zwischen</strong> den <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> <strong>und</strong> <strong>dem</strong> <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um auf<br />

Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>und</strong> Unterschiede zu untersuchen <strong>und</strong> Parallelen außerhalb<br />

des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um lediglich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt h<strong>in</strong>zuziehen, um zusätzlich<br />

<strong>zwischen</strong> breit belegten <strong>und</strong> selteneren Aussagen zu unterscheiden.<br />

246<br />

Vgl. Markus Öhler: Bauste<strong>in</strong>e aus frühchristlicher Theologie, <strong>in</strong>: Horn, Friedrich W.<br />

(Hg.): Paulus Handbuch, Tüb<strong>in</strong>gen 2013, 497---504, hier: 499---502.


86<br />

5 <strong>Die</strong> Methodik<br />

Angesichts der zeit<strong>in</strong>tensiven Arbeitsschritte, die für die Suche nach <strong>in</strong>haltlichen<br />

Parallelen, deren Vokabular sich auch unterscheiden kann, notwendig<br />

s<strong>in</strong>d, wurde die Auswahl der <strong>Vergleich</strong>stexte auf das Neue Testament <strong>und</strong> die<br />

Apostolischen Väter beschränkt. Das Griechische Neue Testament umfasst<br />

138.027 Wörter. 247 Zieht man davon die 2.846 Wörter der <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong><br />

<strong>und</strong> die 32.408 Wörter des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ab, bleiben noch 102.773 Wörter<br />

übrig. Ergänzt durch die 63.217 Wörter der Apostolischen Väter 248 ergibt sich<br />

somit e<strong>in</strong>e Textsammlung mit e<strong>in</strong>em Umfang von 165.990 Wörtern.<br />

Als Ausgangspunkt für den <strong>Vergleich</strong> <strong>zwischen</strong> den <strong>Paulusreden</strong> der Apostelgeschichte<br />

<strong>und</strong> Paralleltexten im Neuen Testament wurden die angegebenen<br />

Parallelstellen im äußeren Apparat des Nestle-Aland verwendet. Zur Ermittlung<br />

möglicher weiterer Parallelen im Neuen Testament <strong>und</strong> bei den Apostolischen<br />

Vätern wurde zunächst mit der Forschungssoftware für Bibelwissenschaften<br />

BibleWorks nach weiteren Vorkommen markanter Lemmata <strong>und</strong> Konstruktionen<br />

gesucht. In e<strong>in</strong>em nächsten Schritt wurde mithilfe des Greek-English Lexicon<br />

of the New Testament Based On Semantic Doma<strong>in</strong>s 249 auch nach Synonymen<br />

gesucht. Anschließend wurden <strong>in</strong> Monographien, Aufsätzen <strong>und</strong> Kommentaren<br />

erwähnte Parallelstellen gesammelt. 250<br />

In Bezug auf diese Arbeitsschritte ist zu beachten, worauf bereits Steve Walton<br />

251 <strong>und</strong> Richard Pervo 252 <strong>in</strong> ihren Untersuchungen h<strong>in</strong>gewiesen haben: <strong>Die</strong> Ermittlung<br />

von Parallelen bleibt e<strong>in</strong> zum<strong>in</strong>dest teilweise subjektives Unternehmen.<br />

Nach<strong>dem</strong> alle Parallelen mit Hilfe der oben genannten Mittel identifiziert<br />

wurden, fanden sich weitere <strong>und</strong> zum Teil auch <strong>in</strong>haltlich noch reichere Parallelen<br />

erst durch das wiederholte Lesen der Texte des Neuen Testaments <strong>und</strong> der<br />

Apostolischen Väter. Es ist somit nicht auszuschließen, dass es noch weitere<br />

Parallelen mit vielen Geme<strong>in</strong>samkeiten gibt, die durch das hier beschriebene<br />

Verfahren nicht identifiziert wurden.<br />

Andererseits handelt es sich bei den <strong>in</strong> der Untersuchung angeführten Paralleltexten<br />

aus <strong>dem</strong> Neuen Testament <strong>und</strong> den Apostolischen Vätern bereits um<br />

e<strong>in</strong>e Auswahl <strong>und</strong> nicht um vollständige Listen aller Texte mit möglichen Bezü-<br />

247<br />

Zählung basiert auf den <strong>in</strong> BibleWorks 10 ermittelten Werten zur 28. Auflage des<br />

Nestle-Aland.<br />

248<br />

Zählung basiert auf den <strong>in</strong> BibleWorks 10 ermittelten Werten zum griechischen Text<br />

der Apostolischen Väter (1Clem, 2Clem, Barn, Diog, IgnEph, IgnMagn, IgnTrall, IgnRöm,<br />

IgnPhld, IgnSm, IgnPol, Polyk, Herm, MartPol, Did).<br />

249<br />

J. P. Louw <strong>und</strong> E. A. Nida: Greek-English Lexicon of the New Testament Based on<br />

Semantic Doma<strong>in</strong>s, New York, NY 2 1988.<br />

250<br />

Ähnlich geht auch Richard Pervo bei der Erfassung von Parallelen zur Apostelgeschichte<br />

vor. Vgl. Pervo: Dat<strong>in</strong>g Acts (s.o. Anm. 134), 260.<br />

251<br />

Steve Walton: Leadership and Lifestyle. The Portrait of Paul <strong>in</strong> the Miletus Speech<br />

and 1 Thessalonians, Cambridge 2000, 199.<br />

252<br />

Pervo: Dat<strong>in</strong>g Acts (s.o. Anm. 134), 260.


5.2 <strong>Die</strong> Darstellung der Parallelen 87<br />

gen zum Ausgangstext. <strong>Vergleich</strong>stexte, deren Geme<strong>in</strong>samkeiten zu e<strong>in</strong>er Aussage<br />

<strong>in</strong>nerhalb der <strong>Paulusreden</strong> sich re<strong>in</strong> auf den Wortlaut beschränken, <strong>in</strong>haltlich<br />

allerd<strong>in</strong>gs etwas völlig anderes aussagen, werden nicht besprochen.<br />

5.2 <strong>Die</strong> Darstellung der Parallelen<br />

In der vorliegenden Untersuchung werden der jeweilige Text der Apostelgeschichte<br />

<strong>und</strong> die Parallelen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eigenen deutschen Übersetzung <strong>in</strong> Tabellen<br />

e<strong>in</strong>ander gegenübergestellt. Um die Anschaulichkeit zu verbessern, werden parallele<br />

Elemente im <strong>Vergleich</strong>stext auf derselben Zeile dargestellt wie das entsprechende<br />

Element im Text der Apostelgeschichte. Gelegentlich entsprechen<br />

die Paralleltexte dadurch nicht mehr <strong>dem</strong> ursprünglichen Argumentationsverlauf<br />

<strong>in</strong>nerhalb des Brieftextes, was jedoch durch die Versangabe am Ende jedes<br />

Textabschnitts angezeigt wird. <strong>Die</strong> folgende Tabelle aus Kapitel 6 dient zur Illustration.<br />

<strong>Apg</strong><br />

1 »[…] <strong>und</strong> er<strong>in</strong>nert euch<br />

(μνημονεύοντες) daran,<br />

2 dass ich drei Jahre lang Tag <strong>und</strong><br />

Nacht (νύκτα καὶ ἡμέραν) nicht aufgehört<br />

habe mit Tränen e<strong>in</strong>en jeden (ἕνα<br />

ἕκαστον) zu ermahnen.« (20,31)<br />

3 »Silber oder Gold oder Kleider habe<br />

ich von nieman<strong>dem</strong> begehrt.« (20,33)<br />

4 »Ihr selbst wisst, dass diese Hände<br />

me<strong>in</strong>en Bedürfnissen <strong>und</strong> denen derer,<br />

die mit mir waren, gedient haben.«<br />

(20,34)<br />

1Thess {A+}<br />

1 »Denn ihr er<strong>in</strong>nert euch (μνημονεύετε),<br />

Brüder,« (2,9a)<br />

2 »[…] Tag <strong>und</strong> Nacht (νυκτὸς καὶ ἡμέρας)<br />

[…]« (2,9b)<br />

3 »Denn wir s<strong>in</strong>d niemals […] aufgetreten<br />

[…] mit versteckter Habsucht […].« (2,5)<br />

4 »[…] haben wir gearbeitet, um niemanden<br />

von euch zu belasten […].« (2,9c)<br />

Tabelle 11: Demonstration der <strong>Vergleich</strong>stabellen<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>e Aussage h<strong>in</strong>ter <strong>dem</strong> Symbol 1 <strong>in</strong> der l<strong>in</strong>ken Spalte weist <strong>in</strong>haltliche Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

mit der Aussage, die sich <strong>in</strong> der rechten Spalte h<strong>in</strong>ter <strong>dem</strong> Symbol<br />

1 f<strong>in</strong>det, auf. Wo über die <strong>in</strong>haltlichen Geme<strong>in</strong>samkeiten h<strong>in</strong>aus auch Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

im Wortlaut (<strong>in</strong> Bezug auf die griechische Wortwurzel)<br />

bestehen, wird der entsprechende griechische Text <strong>in</strong> Klammern angegeben.<br />

<strong>Die</strong> Klassifizierung der Parallele erfolgt <strong>in</strong> geschweiften Klammern h<strong>in</strong>ter der<br />

Abkürzung des Buches <strong>in</strong> der ersten Zeile. Im nächsten Abschnitt geht es um<br />

die Kriterien, nach welchen diese Klassifizierung durchgeführt wird.


6 <strong>Die</strong> Abschiedsrede des Paulus <strong>in</strong><br />

Milet (<strong>Apg</strong> 20,18<strong>–</strong>35)<br />

Inmitten se<strong>in</strong>er Rückreise von Ἑλλάς nach Συρία (<strong>Apg</strong> 20,3---4), die wie schon<br />

zuvor (<strong>Apg</strong> 18,21b---22) über Jerusalem führen sollte (<strong>Apg</strong> 20,16b), macht der<br />

lukanische Paulus <strong>in</strong> Milet halt, um die Ältesten aus Ephesus zu sprechen. An<br />

sie ist die Rede <strong>in</strong>nerhalb der Erzählung gerichtet <strong>und</strong> als e<strong>in</strong>zige an christliche<br />

Hörer adressierte Rede f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> ihr auch e<strong>in</strong>ige thematische Schwerpunkte,<br />

die so <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er anderen <strong>lukanischen</strong> Paulusrede vorkommen.<br />

6.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick<br />

<strong>Die</strong> Rede <strong>in</strong> <strong>Apg</strong> 20,18---35 enthält nach Joseph Fitzmyer von allen Reden der<br />

Apostelgeschichte die meisten Anklänge an Ideen, die sich auch <strong>in</strong> den Paulusbriefen<br />

f<strong>in</strong>den. 287 Dass es zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e Vielzahl an Parallelen <strong>zwischen</strong> der<br />

Miletrede <strong>und</strong> manchen umstrittenen <strong>und</strong> unumstrittenen Paulusbriefen gibt,<br />

wird <strong>in</strong> der gegenwärtigen Forschung häufig anerkannt. 288 Geht es allerd<strong>in</strong>gs um<br />

die Frage, worauf diese Parallelen zurückzuführen s<strong>in</strong>d, kann von e<strong>in</strong>em Konsens<br />

ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>. Jedoch wird die Position, dass Lukas die Miletrede völlig<br />

frei erf<strong>und</strong>en habe, ohne auf e<strong>in</strong>e wie auch immer geartete Quelle zurückzugreifen,<br />

<strong>in</strong> den aktuellen Kommentaren me<strong>in</strong>es Wissens nicht vertreten. <strong>Die</strong> gängigen<br />

Positionen lassen sich grob <strong>in</strong> drei Gruppen unterteilen: 1) <strong>Die</strong> Miletrede<br />

basiere auf <strong>dem</strong> Bericht e<strong>in</strong>es Augen- <strong>und</strong> Ohrenzeugen. 2) Es bestehe e<strong>in</strong>e literarische<br />

Abhängigkeit <strong>zwischen</strong> der Miletrede <strong>und</strong> den Paulusbriefen. 3) Bei<br />

<strong>dem</strong> Autor der Apostelgeschichte <strong>und</strong> <strong>dem</strong> des Ersten Thessalonicherbriefs handele<br />

es sich um dieselbe Person. 4) <strong>Die</strong> Miletrede basiere auf e<strong>in</strong>er oder mehreren<br />

anderen <strong>paul<strong>in</strong>ischen</strong> Quelle(n).<br />

287<br />

Fitzmyer: Acts of the Apostles (s.o. Anm. 230), 675.<br />

288<br />

Jervell: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte (s.o. Anm. 2), 516; Craig S. Keener: Acts: An Exegetical<br />

Commentary. Volume 3: 15:1-23:35, Grand Rapids, MI 2014, 3000; Joseph Barber<br />

Lightfoot: The Acts of the Apostles. A Newly Discovered Commentary, hier: 134; Pervo:<br />

Dat<strong>in</strong>g Acts (s.o. Anm. 134), 111; David G. Peterson: The Acts of the Apostles, Grand<br />

Rapids, MI 2009, 560; Roloff: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte (s.o. Anm. 2), 301.


100<br />

6 <strong>Die</strong> Abschiedsrede des Paulus <strong>in</strong> Milet (<strong>Apg</strong> 20,18<strong>–</strong>35)<br />

6.1.1 Augen- <strong>und</strong> Ohrenzeugenschaft<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>ige Exegeten gehen davon aus, dass es sich bei den Wir-Passagen um Berichte<br />

e<strong>in</strong>es Augen- <strong>und</strong> Ohrenzeugen der Ereignisse handelt, die der Autor der<br />

Apostelgeschichte verarbeitet hat. Bei <strong>dem</strong> Augen- <strong>und</strong> Ohrenzeugen handele es<br />

sich nach dieser Position entweder um den Autor der Apostelgeschichte selbst<br />

oder um e<strong>in</strong>en Informanten. <strong>Die</strong>ser Augen- <strong>und</strong> Ohrenzeuge sei <strong>dem</strong>nach auch<br />

anwesend gewesen, als Paulus e<strong>in</strong>e Rede an die Ältesten von Ephesus <strong>in</strong> Milet<br />

gehalten habe. Nahezu alle Vertreter dieser Position stimmen jedoch dar<strong>in</strong> übere<strong>in</strong>,<br />

dass die Miletrede ke<strong>in</strong>e wörtliche Niederschrift der Rede darstellt, sondern<br />

e<strong>in</strong>e sprachlich angepasste <strong>in</strong>haltliche Zusammenfassung. 289<br />

6.1.2 Literarische Abhängigkeit der Apostelgeschichte vom <strong>Corpus</strong><br />

Paul<strong>in</strong>um<br />

Andere Forscher deuten die hohe Anzahl an Parallelen <strong>und</strong> den Grad ihrer Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

als H<strong>in</strong>weis darauf, dass e<strong>in</strong> Abschreibeverhältnis vorliegt. H.<br />

Schulze hatte bereits <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em 1900 erschienen Aufsatz argumentiert, dass Lukas<br />

<strong>in</strong> der Abschiedsrede <strong>in</strong> <strong>Apg</strong> 20,18---35 aus den Paulusbriefen zitiert. 290 Zwei<br />

neuere Vertreter dieser Position s<strong>in</strong>d Lars Aejmelaeus <strong>und</strong> Richard Pervo.<br />

Beide Exegeten s<strong>in</strong>d sich zwar bewusst, dass die Ergebnisse e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong> statistischen<br />

Untersuchung der Wortlautübere<strong>in</strong>stimmung <strong>zwischen</strong> der Miletrede <strong>und</strong><br />

den Paulusbriefen noch nicht ausreichen, um die Evidenz e<strong>in</strong>es Abschreibeverhältnisses<br />

zu postulieren. Jedoch sehen sie <strong>in</strong> der Kumulation der vielen kle<strong>in</strong>en<br />

Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>zwischen</strong> Wörtern, Wendungen <strong>und</strong> <strong>in</strong>haltlichen Aussagen<br />

e<strong>in</strong> schwerwiegendes Argument für e<strong>in</strong>e literarische Abhängigkeit. 291<br />

6.1.3 Geme<strong>in</strong>samer Autor der Apostelgeschichte <strong>und</strong> des<br />

1. Thessalonicherbriefs<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>e eng mit der Position e<strong>in</strong>er literarischen Abhängigkeit verwandte Hypothese<br />

hat Günther Schwab kürzlich vorgelegt. 292<br />

Schwab analysiert lexikalische,<br />

289<br />

Vgl. Harnack: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte (s.o. Anm. 93), 109; Dodd: The Apostolic<br />

Preach<strong>in</strong>g and Its Developments (s.o. Anm. 110), 18; F. F. Bruce: The Book of Acts, Grand<br />

Rapids, MI 2 1988, 388; Wither<strong>in</strong>gton: The Acts of the Apostles (s.o. Anm. 237), 615;<br />

Darrell L. Bock: Acts, Grand Rapids, MI 2007, 623f.; Keener: Acts: An Exegetical Commentary<br />

(s.o. Anm. 288), 2998.<br />

290<br />

H. Schulze: <strong>Die</strong> Unterlagen für die Abschiedsrede von Milet <strong>in</strong> Apostelgesch. 20,18---<br />

38, <strong>in</strong>: ThStKr 73 (1900), 119---125, hier: 119.<br />

291<br />

Aejmelaeus: <strong>Die</strong> Rezeption der Paulusbriefe <strong>in</strong> der Miletrede (<strong>Apg</strong> 20:18---35) (s.o.<br />

Anm. 99), 97; Pervo: Dat<strong>in</strong>g Acts (s.o. Anm. 134), 144.<br />

292<br />

Günther Schwab: Echtheitskritische Untersuchungen zu den vier kle<strong>in</strong>eren Paulusbriefen.<br />

Band 1, Halbband B: Beobachtungen zur Sprache des ersten Thessalonikerbriefs,<br />

Norderstedt 2011.


6.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick 101<br />

strukturelle <strong>und</strong> motivische Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>zwischen</strong> <strong>dem</strong> 1. Thessalonicherbrief<br />

<strong>und</strong> <strong>dem</strong> <strong>lukanischen</strong> Doppelwerk. Dazu baut er auch auf den Arbeiten von<br />

Steve Walton <strong>und</strong> Lars Aejmelaeus zur Miletrede auf, <strong>in</strong><strong>dem</strong> er Waltons Argumente<br />

für e<strong>in</strong>e bewusst gestaltete Parallelität <strong>zwischen</strong> Jesus im Lukasevangelium<br />

<strong>und</strong> Paulus <strong>in</strong> der Apostelgeschichte mit Aejmelaeus’ Argumenten für e<strong>in</strong>e<br />

literarische Abhängigkeit <strong>zwischen</strong> der Miletrede <strong>und</strong> <strong>dem</strong> 1. Brief an die Thessalonicher<br />

komb<strong>in</strong>iert. Im Unterschied zu jenen geht es Schwab jedoch nicht<br />

darum, den Ursprung der Miletrede zu beleuchten, sondern den Ursprung des<br />

1. Thessalonicherbriefs. Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach weisen die Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>zwischen</strong><br />

diesen beiden Texten nicht auf e<strong>in</strong>e literarische Abhängigkeit, sondern<br />

auf die lukanische Verfasserschaft des 1. Thessalonischerbriefs. 293<br />

6.1.4 Andere paul<strong>in</strong>ische Quellen<br />

Charles K. Barrett formuliert aufbauend auf der Miletrede se<strong>in</strong>e Bedenken gegen<br />

e<strong>in</strong>e literarische Verb<strong>in</strong>dung <strong>zwischen</strong> den Reden allgeme<strong>in</strong> <strong>und</strong> den Paulusbriefen.<br />

Ke<strong>in</strong>e der vielen Parallelen kann se<strong>in</strong>er Ansicht nach überzeugend<br />

als direkte Anspielung auf das <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um gedeutet werden. Wenn das<br />

aber schon für diese mit Parallelen übersäte Rede zuträfe, dann stünden Vertreter<br />

e<strong>in</strong>es Abschreibeverhältnisses, welches e<strong>in</strong>e späte Datierung der Apostelgeschichte<br />

voraussetzt, vor e<strong>in</strong>em Problem, so Barrett. Denn »[h]ow could a devoted<br />

admirer of Paul, writ<strong>in</strong>g up to a generation after Paul’s death, be unaware<br />

of Paul’s literary legacy to the church?« 294 Barrett geht allerd<strong>in</strong>gs davon aus, dass<br />

die Miletrede <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ganz ähnlichen Situation <strong>und</strong> Zeit entstanden sei wie die<br />

Pastoralbriefe, da e<strong>in</strong>e Beziehung <strong>zwischen</strong> diesen beiden Texten zu beobachten<br />

sei. Vage konkretisiert Barrett, dass Lukas Kontakt zur <strong>paul<strong>in</strong>ischen</strong> Tradition<br />

gehabt habe, über deren Inhalt <strong>und</strong> Herkunft sich Barrett allerd<strong>in</strong>gs nicht weiter<br />

äußert. 295<br />

Auch die meisten deutschsprachigen Kommentatoren der Apostelgeschichte<br />

sprechen sich für e<strong>in</strong>(ig)e irgendwie sonst vom Autor verarbeitete Quelle(n) aus.<br />

Walter Schmithals geht von e<strong>in</strong>er Paulusquelle aus, die von <strong>dem</strong>selben Verfasser<br />

<strong>und</strong> auch zur ungefähr selben Zeit wie die Pastoralbriefe geschrieben<br />

wurde. <strong>Die</strong>se Quelle habe lediglich e<strong>in</strong>e Rede enthalten, die auch den zentralen<br />

Teil der Quelle bildete <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>Apg</strong> 20,18---35 verarbeitet wurde. Wie die Pastoralbriefe<br />

habe diese Paulusquelle die Abwehr e<strong>in</strong>er gnostischen Lehre zum<br />

Ziel. 296 Im Unterschied zu anderen nimmt Schmithals auch e<strong>in</strong>e präzise Bestimmung<br />

dieser Lehre <strong>in</strong> Angriff: »Bei den Irrlehrern <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z Asien handelt<br />

293<br />

A.a.O., 229f.<br />

294<br />

Charles K. Barrett: A Critical and Exegetical Commentary on the Acts of the Apostles.<br />

Volume II: Introduction and Commentary on Acts XV-XXVIII, Ed<strong>in</strong>burgh 1998, 964.<br />

295<br />

A.a.O., 967.<br />

296<br />

Schmithals: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte des Lukas (s.o. Anm. 255), 191.


7 <strong>Die</strong> Missionsreden des Paulus<br />

Zu den Missionsreden des Paulus werden üblicherweise die Rede an Juden im<br />

pisidischen Antiochien (<strong>Apg</strong> 13,16b---41) <strong>und</strong> die Reden an Heiden <strong>in</strong> Lystra<br />

(14,15b---17) <strong>und</strong> Athen (<strong>Apg</strong> 17,22---31) gezählt. 390<br />

Manche Exegeten nehmen<br />

auch noch die Abschnitte <strong>Apg</strong> 13,46---47 <strong>und</strong> 28,25b---28 <strong>in</strong> diese Kategorie auf, 391<br />

die hier jedoch aufgr<strong>und</strong> ihrer Kürze im letzten Kapitel mit den anderen kürzeren<br />

<strong>paul<strong>in</strong>ischen</strong> Redetexten der Apostelgeschichte besprochen werden.<br />

7.1 Apostelgeschichte 13,16b<strong>–</strong>41<br />

Obwohl Paulus als Hauptakteur des zweiten Teils der Apostelgeschichte genau<br />

genommen schon im neunten Kapitel zu (drei) Wort(en) kommt, f<strong>in</strong>den sich<br />

doch die ersten zusammenhängenden Sätze, die ihm zugeschrieben werden, erst<br />

<strong>in</strong> Kapitel 13. Im Rahmen der Erzählung handelt es sich um e<strong>in</strong>e Rede <strong>in</strong> der<br />

Synagoge des pisidischen Antiochien. Hier versammeln sich Paulus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e<br />

Begleiter am Sabbat mit den örtlichen Juden <strong>und</strong> Gottesfürchtigen zum Gottesdienst.<br />

Im Anschluss an die Lesung aus <strong>dem</strong> Gesetz <strong>und</strong> den Propheten laden<br />

die Synagogenvorsteher sie e<strong>in</strong>, Worte an die versammelte Geme<strong>in</strong>de zu richten.<br />

<strong>Die</strong> Rede <strong>in</strong> <strong>Apg</strong> 13,16b---41 ist die Antwort des <strong>lukanischen</strong> Paulus auf diese<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>ladung.<br />

7.1.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick<br />

In der exegetischen Literatur zu <strong>Apg</strong> 13,16---41 fällt das Urteil über das Verhältnis<br />

dieses Textes zu den Paulusbriefen sehr unterschiedlich aus. Insgesamt lassen<br />

sich die verschiedenen Positionen <strong>in</strong> drei grobe Kategorien unterteilen:<br />

390<br />

Schneider: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte (s.o. Anm. 227), 96; Berger: Formen <strong>und</strong> Gattungen<br />

im Neuen Testament (s.o. Anm. 258), 130f.<br />

391<br />

Baum: Paul<strong>in</strong>ismen <strong>in</strong> den Missionsreden (s.o. Anm. 130), 406.


146<br />

7 <strong>Die</strong> Missionsreden des Paulus<br />

1. <strong>Die</strong> Rede steht zum<strong>in</strong>dest teilweise im Gegensatz zur Theologie des<br />

Apostels Paulus.<br />

2. <strong>Die</strong> Rede enthält lukanisch <strong>in</strong>terpretierte paul<strong>in</strong>ische Theologie. <strong>Die</strong>se<br />

Interpretation geht zwar über Paulus h<strong>in</strong>aus, steht aber nicht im Gegensatz<br />

zu ihm.<br />

3. <strong>Die</strong> Rede stehe <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>erlei Widerspruch zur Theologie des Paulus,<br />

sondern weise vielmehr e<strong>in</strong>e Vielzahl von Parallelen zu derselben auf.<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong> Vertreter der ersten Position ist Jürgen Roloff, der besonders im Zusammenhang<br />

mit <strong>Apg</strong> 13,38---39 auf mehrere Gegensätze zur <strong>paul<strong>in</strong>ischen</strong> Theologie, wie<br />

sie sich <strong>in</strong> den unumstrittenen Briefen zeigt, h<strong>in</strong>weist. 392<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong> Vertreter der zweiten Position ist Josef Zmijewski. Er greift <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Kommentar zur Synagogenrede das Problem des Paul<strong>in</strong>ismus <strong>in</strong> der Apostelgeschichte<br />

<strong>in</strong>sgesamt auf <strong>und</strong> stellt aufgr<strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Untersuchung von <strong>Apg</strong> 13,13---<br />

43 drei D<strong>in</strong>ge fest:<br />

1. Lukas kannte die paul<strong>in</strong>ische Theologie (vor allem die Lehre von der<br />

Rechtfertigung durch den Glauben an Jesus Christus <strong>und</strong> nicht durch<br />

das Gesetz) wahrsche<strong>in</strong>lich aus e<strong>in</strong>er ihm zugänglichen Paulustradition<br />

(womöglich aus Antiochien) sehr gut.<br />

2. Lukas fügte allerd<strong>in</strong>gs se<strong>in</strong>er Darstellung der Theologie des Apostels<br />

Paulus noch se<strong>in</strong>e eigene Deutung h<strong>in</strong>zu. Demnach sei die Erwähnung<br />

der Sündenvergebung e<strong>in</strong>e lukanische Erläuterung der Rechtfertigung.<br />

3. <strong>Die</strong> früheren negativen Urteile von Vielhauer <strong>und</strong> anderen, die Lukas<br />

jeden echten Paul<strong>in</strong>ismus absprechen wollten, s<strong>in</strong>d zu überdenken<br />

<strong>und</strong> differenzierter zu formulieren. In Bezug auf <strong>Apg</strong> 13 dürfen die Unterschiede<br />

<strong>zwischen</strong> Paulus <strong>und</strong> Lukas nicht überbetont werden, da die<br />

sachlich-theologischen Geme<strong>in</strong>samkeiten viel größer seien. Deshalb<br />

solle man statt von Gegensätzen <strong>zwischen</strong> <strong>dem</strong> »echten« <strong>und</strong> <strong>dem</strong> »<strong>lukanischen</strong>«<br />

Paulus lieber von Nuancierungen sprechen. 393<br />

Rudolf Pesch ist e<strong>in</strong> Vertreter 394 der dritten obengenannten Position. Am Ende<br />

se<strong>in</strong>er Untersuchung der Parallelen <strong>zwischen</strong> <strong>Apg</strong> 13,38---39 <strong>und</strong> den Schriften<br />

des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um kommt Pesch zu <strong>dem</strong> Ergebnis, dass:<br />

»die Analyse der Predigt Pauli <strong>in</strong> der Synagoge des pisidischen Antiochien dafür<br />

spricht, daß schon die vorluk. Quelle e<strong>in</strong>e Pauluspredigt überlieferte […]. <strong>Die</strong> Predigt<br />

392<br />

Roloff: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte (s.o. Anm. 2), 208.<br />

393<br />

Zmijewski: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte (s.o. Anm. 241), 513---515. <strong>Die</strong>se Position f<strong>in</strong>det sich<br />

neuerd<strong>in</strong>gs auch bei Schröter: Kirche im Anschluss an Paulus (s.o. Anm. 1), 79. Ganz<br />

ähnlich auch Jervell: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte (s.o. Anm. 2), 366---368.<br />

394<br />

Unter anderen zählen ebenfalls dazu: Bruce: The Book of Acts (s.o. Anm. 289), 252---<br />

263; Dodd: The Apostolic Preach<strong>in</strong>g and Its Developments (s.o. Anm. 110), 30; Craig S.<br />

Keener: Acts: An Exegetical Commentary. Volume 2: 3:1-14:28, Grand Rapids, MI 2013,<br />

2052f.


7.1 Apostelgeschichte 13,16b<strong>–</strong>41 147<br />

[…] lässt Paulus auch --- wie er es <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Briefen tut --- das gr<strong>und</strong>legende »Evangelium«<br />

(vgl. Röm 1,2---4; 1Kor 15,3---5) predigen <strong>und</strong> den traditionellen christologischen<br />

Schriftbeweis benutzen; auch die <strong>in</strong> der Predigt vorausgesetzte Sicht der Erwählungsgeschichte<br />

Israels ist Paulus nicht fremd (vgl. Röm 9---11). […] <strong>Die</strong><br />

paul<strong>in</strong>ische Rechtfertigungslehre […] entspricht […] der historisch vorausgesetzten<br />

Situation […].« 395<br />

Im Folgenden wird der Text von <strong>Apg</strong> 13,16b---41 mit Parallelen <strong>in</strong>nerhalb <strong>und</strong><br />

außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um verglichen. Dabei werden die Argumente, welche<br />

von den Anhängern der oben genannten Positionen zu den jeweiligen Textabschnitten<br />

angeführt werden, anhand der untersuchten Parallelen überprüft.<br />

7.1.2 Gliederung<br />

In der Forschung wurden immer wieder die Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>zwischen</strong> den<br />

Gliederungen der Missionsreden von unterschiedlichen Akteuren <strong>in</strong> der Apostelgeschichte<br />

betont. Bereits Mart<strong>in</strong> Dibelius wies auf e<strong>in</strong> Schema h<strong>in</strong>, welches<br />

sich im Aufbau aller an Juden gerichteten Missionsreden der Apostelgeschichte<br />

wiederf<strong>in</strong>de. Im Anschluss an Dibelius wurde dieses Schema von Eduard<br />

Schweizer <strong>und</strong> Ulrich Wilckens wie folgt modifiziert:<br />

Mart<strong>in</strong> Dibelius 396 Eduard Schweizer 397 Ulrich Wilckens 398<br />

1. <strong>E<strong>in</strong></strong>leitung<br />

2. Kerygma (Jesu Leben,<br />

Leiden, Auferstehung)<br />

3. Schriftbeweis<br />

4. Bußmahnung<br />

1. Anrede<br />

2. Aufruf zum Hören<br />

3. Feststellung e<strong>in</strong>es<br />

Missverständnisses<br />

4. Schriftstelle<br />

5. Kerygma<br />

6. Schriftbeweis<br />

7. Feststellung e<strong>in</strong>es<br />

Missverständnisses<br />

8. Heilsverkündigung<br />

1. <strong>E<strong>in</strong></strong>leitung<br />

2. Jesuskerygma<br />

a. Schuldhaftes<br />

Handeln der Juden<br />

an Jesus<br />

b. Errettendes Handeln<br />

Gottes an<br />

Jesus<br />

3. Heilsverkündigung<br />

mit Ruf zur Umkehr<br />

Tabelle 43: Schemata der Missionsreden nach Dibelius, Schweizer <strong>und</strong> Wilckens<br />

395<br />

Pesch: <strong>Die</strong> Apostelgeschichte (s.o. Anm. 298), 42.<br />

396<br />

Dibelius: <strong>Die</strong> Reden der Apostelgeschichte (s.o. Anm. 102), 142.<br />

397<br />

Eduard Schweizer: Zu den Reden der Apostelgeschichte, <strong>in</strong>: ders.: Neotestamentica,<br />

Zürich 1963, 418---428, hier: 423.<br />

398<br />

Wilckens: <strong>Die</strong> Missionsreden der Apostelgeschichte (s.o. Anm. 116), 54.


Inhalt<br />

Tabellenverzeichnis ..................................................................... 15<br />

1 <strong>E<strong>in</strong></strong>leitung .................................................................................. 23<br />

2 Auslegungs- <strong>und</strong> forschungsgeschichtlicher<br />

Überblick ................................................................................... 27<br />

2.1 Kirchenväter ......................................................................... 28<br />

2.2 Reformationszeit .................................................................. 31<br />

2.3 17. <strong>und</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>ert ....................................................... 35<br />

2.4 19. Jahrh<strong>und</strong>ert .................................................................... 39<br />

2.5 20. <strong>und</strong> 21. Jahrh<strong>und</strong>ert ....................................................... 44<br />

2.6 Exkurs: Neuere re<strong>in</strong> literarische Untersuchungen .............. 56<br />

2.7 Fazit ....................................................................................... 58<br />

3 Zur Redewiedergabe <strong>in</strong> der antiken<br />

Geschichtsschreibung ........................................................... 61<br />

3.1 Der Redensatz des Thucydides ............................................ 62<br />

3.2 Methodenreflexionen bei Polybius ..................................... 66<br />

3.3 <strong>Die</strong> Methode der Redewiedergabe bei Josephus .............. 67<br />

3.4 <strong>Die</strong> Methode der Redewiedergabe bei Tacitus .................. 71<br />

3.5 Fazit ....................................................................................... 75<br />

4 Das Quellenmaterial .............................................................. 77<br />

4.1 Der Gesamtumfang der <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> ............. 77<br />

4.2 <strong>Die</strong> Zahl der <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> ................................ 78<br />

4.3 <strong>Die</strong> Länge der <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> ............................. 80


10<br />

Inhalt<br />

4.4 <strong>Die</strong> Gattungen der <strong>lukanischen</strong> <strong>Paulusreden</strong> ..................... 82<br />

4.5 Fazit ....................................................................................... 84<br />

5 <strong>Die</strong> Methodik ........................................................................... 85<br />

5.1 <strong>Die</strong> Ermittlung der Parallelen .............................................. 85<br />

5.2 <strong>Die</strong> Darstellung der Parallelen ............................................. 87<br />

5.3 <strong>Die</strong> Klassifizierung der Parallelen ....................................... 88<br />

5.4 Zur Bezeichnung »Paul<strong>in</strong>ismus« .......................................... 90<br />

5.4.1 »Paul<strong>in</strong>ismus« als Bezeichnung e<strong>in</strong>er spezifisch<br />

<strong>paul<strong>in</strong>ischen</strong> Lehre................................................................ 91<br />

5.4.2 »Paul<strong>in</strong>ismus« als Bezeichnung e<strong>in</strong>er Haltung<br />

gegenüber Paulus ................................................................. 92<br />

5.4.3 »Paul<strong>in</strong>ismus« als Bezeichnung von Paulus <strong>in</strong>spirierter<br />

Aussagen ............................................................................... 92<br />

5.4.4 »Paul<strong>in</strong>ismus« als Bezeichnung paul<strong>in</strong>ischer<br />

Term<strong>in</strong>ologie ........................................................................ 94<br />

5.4.5 »Paul<strong>in</strong>ismus« als Bezeichung paul<strong>in</strong>ischer Inhalte ............ 96<br />

5.4.6 Fazit ....................................................................................... 96<br />

6 <strong>Die</strong> Abschiedsrede des Paulus <strong>in</strong> Milet (<strong>Apg</strong><br />

20,18<strong>–</strong>35).................................................................................... 99<br />

6.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick .................................. 99<br />

6.1.1 Augen- <strong>und</strong> Ohrenzeugenschaft ....................................... 100<br />

6.1.2 Literarische Abhängigkeit der Apostelgeschichte vom<br />

<strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um................................................................. 100<br />

6.1.3 Geme<strong>in</strong>samer Autor der Apostelgeschichte <strong>und</strong> des<br />

1. Thessalonicherbriefs ....................................................... 100<br />

6.1.4 Andere paul<strong>in</strong>ische Quellen ............................................... 101<br />

6.2 Gliederung .......................................................................... 103<br />

6.3 Gattung ............................................................................... 104<br />

6.4 <strong>Apg</strong> 20,18<strong>–</strong>21: Rückblick auf das Verhalten <strong>und</strong> die<br />

Verkündigung ..................................................................... 106<br />

6.4.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 106<br />

6.4.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 111<br />

6.4.3 Zusammenfassung .............................................................. 111<br />

6.5 <strong>Apg</strong> 20,22<strong>–</strong>27: Ausblick ...................................................... 112<br />

6.5.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 113<br />

6.5.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 117<br />

6.5.3 Zusammenfassung .............................................................. 118


Inhalt 11<br />

6.6 <strong>Apg</strong> 20,28<strong>–</strong>30: Aufruf an die Aufseher ............................. 119<br />

6.6.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 120<br />

6.6.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 125<br />

6.6.3 Zusammenfassung .............................................................. 128<br />

6.7 <strong>Apg</strong> 20,31<strong>–</strong>35: Aufruf an die ganze Geme<strong>in</strong>de ................ 128<br />

6.7.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 129<br />

6.7.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 132<br />

6.7.3 Zusammenfassung .............................................................. 133<br />

6.8 Thematische Parallelen ...................................................... 134<br />

6.8.1 Thematische Parallelen zum Lukasevangelium ................ 134<br />

6.8.2 Thematische Parallelen zu den Pastoralbriefen ................ 137<br />

6.9 Fazit: Paul<strong>in</strong>ismen <strong>in</strong> der Abschiedsrede des Paulus ........ 140<br />

7 <strong>Die</strong> Missionsreden des Paulus .......................................... 145<br />

7.1 Apostelgeschichte 13,16b<strong>–</strong>41 ............................................ 145<br />

7.1.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick ................................. 145<br />

7.1.2 Gliederung .......................................................................... 147<br />

7.1.3 <strong>Apg</strong> 13,17<strong>–</strong>20: Israels Erwählung <strong>und</strong> Gottes Handeln<br />

im Exodus ............................................................................ 148<br />

7.1.3.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 149<br />

7.1.3.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 151<br />

7.1.3.3 Zusammenfassung .............................................................. 156<br />

7.1.4 <strong>Apg</strong> 13,21<strong>–</strong>23: Jesus als Gesalbter Gottes <strong>und</strong> Retter<br />

Israels................................................................................... 156<br />

7.1.4.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 157<br />

7.1.4.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 158<br />

7.1.4.3 Zusammenfassung .............................................................. 161<br />

7.1.5 <strong>Apg</strong> 13,24<strong>–</strong>25: Das Zeugnis des Täufers ............................ 162<br />

7.1.5.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 162<br />

7.1.5.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 163<br />

7.1.5.3 Zusammenfassung .............................................................. 164<br />

7.1.6 <strong>Apg</strong> 13,26: Zuspruch des Rettungsangebots ..................... 165<br />

7.1.7 <strong>Apg</strong> 13,27<strong>–</strong>29: Jesu H<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong> Jerusalem ................... 165<br />

7.1.7.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 166<br />

7.1.7.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 168<br />

7.1.7.3 Zusammenfassung .............................................................. 169<br />

7.1.8 <strong>Apg</strong> 13,30: Jesu Auferweckung von den Toten ................ 170<br />

7.1.8.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 170<br />

7.1.8.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 171<br />

7.1.8.3 Zusammenfassung .............................................................. 171<br />

7.1.9 <strong>Apg</strong> 13,31<strong>–</strong>33: Das Zeugnis der Jünger Jesu <strong>und</strong> die<br />

Verkündigung des Paulus .................................................. 172<br />

7.1.9.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 172<br />

7.1.9.2 Exkurs: Alttestamentliche Zitate <strong>in</strong> den <strong>Paulusreden</strong> ....... 175<br />

7.1.9.3 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 176<br />

7.1.9.4 Zusammenfassung .............................................................. 177


12<br />

Inhalt<br />

7.1.10 <strong>Apg</strong> 13,34<strong>–</strong>37: Kont<strong>in</strong>uität <strong>und</strong> Diskont<strong>in</strong>uität mit<br />

David ................................................................................... 178<br />

7.1.10.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 178<br />

7.1.10.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 179<br />

7.1.10.3 Zusammenfassung .............................................................. 179<br />

7.1.11 <strong>Apg</strong> 13,38<strong>–</strong>41: Glauben <strong>und</strong> Unglauben ........................... 180<br />

7.1.11.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 180<br />

7.1.11.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 183<br />

7.1.11.3 <strong>E<strong>in</strong></strong>wände ............................................................................ 184<br />

7.1.11.4 Zusammenfassung .............................................................. 186<br />

7.1.12 Zusammenfassung .............................................................. 187<br />

7.2 Apostelgeschichte 14,15b<strong>–</strong>17 ............................................ 189<br />

7.2.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick ................................. 189<br />

7.2.2 Gliederung .......................................................................... 190<br />

7.2.3 <strong>Apg</strong> 14,15b<strong>–</strong>c: Aufforderung zur Umkehr ........................ 190<br />

7.2.3.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>ium ...................... 190<br />

7.2.3.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 194<br />

7.2.3.3 Zusammenfassung .............................................................. 195<br />

7.2.4 <strong>Apg</strong> 14,16<strong>–</strong>17: Gottes Handeln mit den Heiden ............... 196<br />

7.2.4.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 196<br />

7.2.4.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 197<br />

7.2.4.3 Zusammenfassung .............................................................. 197<br />

7.2.5 Zusammenfassung .............................................................. 198<br />

7.3 Apostelgeschichte 17,22<strong>–</strong>31 .............................................. 199<br />

7.3.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick ................................. 199<br />

7.3.2 Gattung ............................................................................... 200<br />

7.3.3 Gliederung .......................................................................... 202<br />

7.3.4 <strong>Apg</strong> 17,22<strong>–</strong>23: <strong>Die</strong> Unwissenheit der Athener .................. 203<br />

7.3.5 <strong>Apg</strong> 17,24<strong>–</strong>25: <strong>Die</strong> Bedürfnislosigkeit Gottes .................... 206<br />

7.3.5.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 207<br />

7.3.5.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 208<br />

7.3.5.3 Zusammenfassung .............................................................. 210<br />

7.3.6 <strong>Apg</strong> 17,26<strong>–</strong>27: <strong>Die</strong> Erschaffung der Menschen <strong>und</strong> die<br />

Nähe des Schöpfers ............................................................ 210<br />

7.3.6.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 211<br />

7.3.6.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 212<br />

7.3.6.3 Zusammenfassung .............................................................. 213<br />

7.3.7 <strong>Apg</strong> 17,28<strong>–</strong>29: Richtige <strong>und</strong> falsche Vorstellungen von<br />

Gott ..................................................................................... 214<br />

7.3.7.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 214<br />

7.3.7.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 216<br />

7.3.7.3 Zusammenfassung .............................................................. 216<br />

7.3.8 <strong>Apg</strong> 17,30<strong>–</strong>31: Das Gericht Gottes ..................................... 217<br />

7.3.8.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 217<br />

7.3.8.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 221<br />

7.3.8.3 Zusammenfassung .............................................................. 222<br />

7.3.9 Zusammenfassung .............................................................. 222<br />

7.4 Fazit: Paul<strong>in</strong>ismen <strong>in</strong> den Missionsreden des Paulus ....... 224


Inhalt 13<br />

8 <strong>Die</strong> Verteidigungsreden des Paulus ............................... 227<br />

8.1 Apostelgeschichte 22,1<strong>–</strong>21 ................................................ 228<br />

8.1.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick ................................. 228<br />

8.1.2 Gliederung .......................................................................... 230<br />

8.1.3 <strong>Apg</strong> 22,1<strong>–</strong>10: <strong>Die</strong> vorchristliche Zeit des Paulus ................ 230<br />

8.1.3.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 231<br />

8.1.3.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 237<br />

8.1.3.3 Zusammenfassung .............................................................. 239<br />

8.1.4 <strong>Apg</strong> 22,11<strong>–</strong>16: Das Treffen mit Hananias <strong>in</strong> Damaskus .... 240<br />

8.1.4.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 240<br />

8.1.4.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 244<br />

8.1.4.3 Zusammenfassung .............................................................. 244<br />

8.1.5 <strong>Apg</strong> 22,17<strong>–</strong>21: <strong>Die</strong> Vision im Jerusalemer Tempel ............ 245<br />

8.1.6 Zusammenfassung .............................................................. 246<br />

8.2 Apostelgeschichte 23,1b.3.5<strong>–</strong>6b ........................................ 247<br />

8.2.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick ................................. 247<br />

8.2.2 Gliederung .......................................................................... 248<br />

8.2.3 <strong>Apg</strong> 23,1b: Paulus’ Lebenswandel vor Gott ...................... 248<br />

8.2.3.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 249<br />

8.2.3.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 250<br />

8.2.3.3 Zusammenfassung .............................................................. 251<br />

8.2.4 <strong>Apg</strong> 23,3: Gerichtswort gegen den Hohenpriester ........... 251<br />

8.2.4.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 251<br />

8.2.4.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 253<br />

8.2.4.3 Zusammenfassung .............................................................. 253<br />

8.2.5 <strong>Apg</strong> 23,5: Unwissenheitsbeteuerung ................................ 254<br />

8.2.6 <strong>Apg</strong> 23,6b: Ausruf über die Auferstehung ........................ 254<br />

8.2.7 Zusammenfassung .............................................................. 257<br />

8.3 Apostelgeschichte 24,10<strong>–</strong>21 .............................................. 258<br />

8.3.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick ................................. 258<br />

8.3.2 Gliederung .......................................................................... 259<br />

8.3.3 <strong>Apg</strong> 24,10<strong>–</strong>13: Anrede <strong>und</strong> erste Abwehr der Anklage ... 259<br />

8.3.4 <strong>Apg</strong> 24,14<strong>–</strong>16: Erstes Bekenntnis ....................................... 259<br />

8.3.4.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 260<br />

8.3.4.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 263<br />

8.3.4.3 Zusammenfassung .............................................................. 264<br />

8.3.5 <strong>Apg</strong> 24,17<strong>–</strong>20: Zweite Abwehr der Anklage ..................... 265<br />

8.3.6 <strong>Apg</strong> 24,21: Zweites Bekenntnis .......................................... 267<br />

8.3.7 Zusammenfassung .............................................................. 267<br />

8.4 Apostelgeschichte 26,2<strong>–</strong>23 ................................................ 269<br />

8.4.1 Forschungsgeschichtlicher Überblick ................................. 269<br />

8.4.2 Gliederung .......................................................................... 269<br />

8.4.3 <strong>Apg</strong> 26,2<strong>–</strong>8: Anrede, Biographie <strong>und</strong> Anklage ................. 270<br />

8.4.4 <strong>Apg</strong> 26,9<strong>–</strong>11: Paulus’ Verfolgertätigkeit ........................... 274<br />

8.4.5 <strong>Apg</strong> 26,12<strong>–</strong>14: Ersche<strong>in</strong>ung auf <strong>dem</strong> Weg ........................ 276<br />

8.4.6 <strong>Apg</strong> 26,15<strong>–</strong>17: Jesus als Verfolgter <strong>und</strong> Paulus'<br />

Erwählung ........................................................................... 277<br />

8.4.7 <strong>Apg</strong> 26,18: Jesu Auftrag an Paulus .................................... 279


14<br />

Inhalt<br />

8.4.7.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 280<br />

8.4.7.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 281<br />

8.4.7.3 Zusammenfassung .............................................................. 283<br />

8.4.8 <strong>Apg</strong> 26,19<strong>–</strong>21: Paulus’ Verkündigungstätigkeit ................ 284<br />

8.4.8.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 284<br />

8.4.8.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 285<br />

8.4.8.3 Zusammenfassung .............................................................. 286<br />

8.4.9 <strong>Apg</strong> 26,22<strong>–</strong>23: Zeugnis von Jesu Tod <strong>und</strong> Auferstehung . 286<br />

8.4.9.1 Parallelen <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ....................... 286<br />

8.4.9.2 Parallelen außerhalb des <strong>Corpus</strong> Paul<strong>in</strong>um ...................... 289<br />

8.4.9.3 Zusammenfassung .............................................................. 290<br />

8.4.10 Zusammenfassung .............................................................. 291<br />

8.5 Fazit: Paul<strong>in</strong>ismen <strong>in</strong> den Verteidigungsreden des<br />

Paulus .................................................................................. 293<br />

9 Kürzerer paul<strong>in</strong>ischer <strong>Redestoff</strong> ..................................... 297<br />

9.1 <strong>Apg</strong> 13,10<strong>–</strong>11a .................................................................... 298<br />

9.2 <strong>Apg</strong> 13,46<strong>–</strong>47 ...................................................................... 300<br />

9.3 <strong>Apg</strong> 14,22c .......................................................................... 305<br />

9.4 <strong>Apg</strong> 17,3 .............................................................................. 307<br />

9.5 <strong>Apg</strong> 18,21 ............................................................................ 309<br />

9.6 <strong>Apg</strong> 19,21b .......................................................................... 310<br />

9.7 <strong>Apg</strong> 21,13 ............................................................................ 311<br />

9.8 <strong>Apg</strong> 28,25b<strong>–</strong>28 .................................................................... 313<br />

9.9 Fazit: Paul<strong>in</strong>ismen <strong>in</strong> <strong>dem</strong> kürzeren <strong>paul<strong>in</strong>ischen</strong><br />

<strong>Redestoff</strong> ............................................................................ 314<br />

10 Gesamtergebnis .................................................................... 317<br />

Literaturverzeichnis ................................................................... 325<br />

Anhang: Übersicht der Parallelen......................................... 339<br />

Summary ....................................................................................... 343<br />

Zusammenfassung ..................................................................... 347


<strong>Daniel</strong> A. <strong>Gleich</strong>, Dr. theol., Jahrgang 1985, studierte Evangelische<br />

Theologie an <strong>dem</strong> Theologischen Sem<strong>in</strong>ar St. Chrischona (Basel),<br />

<strong>dem</strong> Covenant Theological Sem<strong>in</strong>ary (St. Louis/USA) <strong>und</strong> der Eberhard<br />

Karls Universität Tüb<strong>in</strong>gen. Er ist Dozent für Neues Testament<br />

am Theologischen Sem<strong>in</strong>ar St. Chrischona. Mit der vorliegenden Arbeit<br />

wurde er 2019 im Bereich Neues Testament an der Evangelische<br />

Theologische Faculteit (ETF) Leuven promoviert.<br />

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

<strong>Die</strong> Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation <strong>in</strong><br />

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<strong>und</strong> Verarbeitung <strong>in</strong> elektronischen Systemen.<br />

Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.<br />

Cover: Zacharias Bähr<strong>in</strong>g, Leipzig<br />

Satz: <strong>Daniel</strong> A. <strong>Gleich</strong>, Bett<strong>in</strong>gen/Schweiz<br />

Druck <strong>und</strong> B<strong>in</strong>den: Hubert & Co., Gött<strong>in</strong>gen<br />

ISBN 978-3-374-06868-5 // eISBN (PDF) 978-3-374-06870-8<br />

www.eva-leipzig.de

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