Baumeister 6/2021
Kuratiert von Snohetta
Kuratiert von Snohetta
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B6<br />
B A U<br />
Juni 21<br />
118. Jahrgang<br />
Das Architektur-Magazin<br />
4 194673 016508<br />
MEISTER<br />
:<br />
06<br />
D 16,50 €<br />
A,L 19 €<br />
I 19,90 €<br />
CH 2 4 S F R<br />
KURATIERT<br />
VON<br />
SNØHETTA
Editorial<br />
Die Zeichnung<br />
auf dem Cover<br />
stammt von<br />
der Künstlerin<br />
Andrea Lüth.<br />
Ihre künstlerisch-illustrativen<br />
Interpretationen<br />
der<br />
Herangehensund<br />
Arbeitsweise<br />
von<br />
Snøhetta finden<br />
sich auch im<br />
Heft verteilt<br />
(alle Zeichnungen<br />
ohne<br />
Titel, Ölkreide<br />
auf Papier,<br />
29,7 × 21 cm,<br />
2020/<strong>2021</strong>).<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
bei jedem Entwicklungsschritt, den die Bautechnik über die<br />
Jahrtausende gemacht hat, schaute eine neue <strong>Baumeister</strong>generation<br />
auf die Natur, um Inspiration zu finden, wie denn<br />
die neuen Möglichkeiten zu nutzen wären. Heute lassen digital-gestützte<br />
Entwurfsmethoden eine nie gekannte Freiheit der<br />
Formerfindung zu. Es ist zu einem erheblichen Teil das Verdienst<br />
des Architekturbüros Snøhetta aus Oslo, dessen Anfänge in der<br />
Arbeitsgemeinschaft aus Architekten und Landschaftsarchitekten<br />
liegen, die neuen Möglichkeiten des parametrischen<br />
Entwerfens für eine Baukunst fruchtbar gemacht zu haben,<br />
deren Lehrmeister die Natur ist.<br />
Snøhetta bezieht sich mit seiner Architektursprache auf die<br />
Formen der Landschaft in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen.<br />
Ihnen geht es dabei nicht um Naturnachahmung als<br />
Bauschmuck, wie er seit frühesten Zeiten in der Architektur zu<br />
finden ist. Was sie reizt, ist das Naturerleben auf menschengeschaffene<br />
Strukturen zu übertragen. Das illustriert ihre berühmte<br />
Oper in Oslo besonders reizvoll, die wie ein Berg bestiegen<br />
werden kann und deren „Hang“ bis in Wasser des Osloer Hafens<br />
abfällt. „Zum ersten Mal“, sagt Snøhetta-Gründer Kjetil Trædal<br />
Thorsen, „können die Menschen nicht nur in, sondern auch auf<br />
die Oper gehen.“ Snøhetta leitet aus den perfekten geomorphologischen<br />
Hervorbringungen der Erdgeschichte Möglichkeiten<br />
ab, unser festgefügtes Bild von räumlichen Zusammenhängen<br />
zu durchbrechen. „Wir suchen immer das Auf, Unter,<br />
Neben, Dazwischen als Fortsetzung des Raums“, beschreibt es<br />
Kjetil Trædal Thorsen.<br />
Wir freuen uns sehr, dass sich Snøhetta bereit erklärt hat, in diesem<br />
Jahr die kuratierte Ausgabe zu gestalten, so dass wir sie<br />
ein Stück des Weges auf ihren Explorationen begleiten können.<br />
Fast ein Jahr haben die Partner und Teammitglieder des<br />
Büros mit enormem Engagement an diesem Heft gearbeitet –<br />
besonders danken möchten wir hier Peter Zöch, Claudia Fuchs<br />
und dem Designbüro Herburg Weiland für die sensible Umsetzung.<br />
Das Ergebnis vermittelt anschaulicher als jede Werkschau<br />
die Ideen und Konzepte, die die Arbeit von Snøhetta<br />
prägen. Es ist ein kleines Kunstwerk geworden, das genau so<br />
vielgestaltig ist wie die Arbeit seiner Schöpfer.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen,<br />
Ihr Fabian Peters<br />
f.peters@georg-media.de<br />
@der_baumeister<br />
@baumeister_architekturmagazin
I. II. III.<br />
Context & Concept<br />
Cultural Spaces<br />
Building the Future<br />
17<br />
Kontext und Konzept<br />
Kjetil Trædal Thorsen<br />
50<br />
Culture Wrap<br />
Craig Dykers<br />
77<br />
Rapid Prototyping<br />
Tine Hegli, Kristian Edwards<br />
20<br />
Ausblick auf eine neue<br />
Landschaft<br />
Eelco Hooftman<br />
30<br />
Kontext, Sensibilität und<br />
Kreativität<br />
Anna Heringer<br />
34<br />
Wittgenstein und der<br />
Perspektivenweg<br />
Allan Janik<br />
52<br />
Architektur und Landschaft<br />
als kulturelle Vision<br />
Kathrin Aste, Frank Ludin<br />
58<br />
Den Code knacken und<br />
neu durchstarten<br />
Kristin Hanusch-Linser<br />
64<br />
Vektoren anstelle<br />
von Grenzen<br />
Gareth Doherty<br />
40<br />
70<br />
Von der kaiserlichen<br />
The French Laundry<br />
zur ländlichen Typologie Thomas Keller<br />
Liu Yuyang<br />
tta<br />
80<br />
Planetary Rereading<br />
Georg Vrachliotis<br />
84<br />
Ein Plädoyer für den Lehmbau<br />
Martin Rauch<br />
90<br />
Entwerfen mithilfe von Daten<br />
Ali Malkawi<br />
94<br />
Lexikon für den Urbanismus<br />
im 21. Jahrhundert<br />
Kelly Shannon,<br />
Bruno De Meulder<br />
104<br />
Architektur, Gesellschaft<br />
und Verantwortung<br />
Martha Thorne<br />
110<br />
Fiction for Future<br />
David Kienpointner<br />
114<br />
Das Heft als<br />
Ausstellungsraum<br />
7
Tungestølen-Berghütten am Jostedal-<br />
Gletscher, Norwegen (2019)<br />
16<br />
FOTO: JAN M. LILLEBØ
Kontext und Konzept<br />
Sowohl Kontext als auch Konzept sind Begriffe, die im Zusammenhang<br />
mit Snøhettas Arbeit häufig auftauchen –<br />
genauso wie das Thema Entwurf als gemeinsame Herausforderung.<br />
Die nachträgliche Analyse der Intention<br />
kollektiver Bemühungen ergibt eine klarere und präzisere<br />
Beschreibung intuitiver Handlungen und Entwurfsentscheidungen.<br />
Dieses „post-rationalizing“ erlaubt uns,<br />
unseren kollektiven Entwurfsprozess besser zu verstehen.<br />
Kjetil Trædal Thorsen<br />
Während eines Vortrags im Jahr 2017 in Innsbruck<br />
wagte ich mich weit vor und bezeichnete Snøhetta als<br />
„conceptual contextualists“ – als „konzeptuelle Kontextualisten“.<br />
Seither habe ich mich intensiver mit der<br />
Beziehung von Kontext und Konzept auseinandergesetzt<br />
und möchte im Folgenden meine Gedanken<br />
erläutern.<br />
Die Mischung aus subjektiven und objektiven Parametern<br />
ist komplex und verändert sich ständig. Die<br />
wichtigste Erkenntnis, wenn man Projekte in den Bereichen<br />
Architektur, Landschaftsarchitektur, Innenraumgestaltung,<br />
Grafikdesign oder Produktdesign<br />
umsetzt, ist vielleicht die, dass all diese Projekte, ob<br />
allein oder in Kombination, irgendwann selbst zum<br />
Kontext für andere werden, die sie wiederum mit neuen<br />
Konzepten interpretieren.<br />
Um komplexe und scheinbar nicht zusammenhängende<br />
Gegebenheiten in unseren Entwurfsprozessen<br />
zusammenzuführen, hat Snøhetta eine spezielle Workshop-Methodik<br />
entwickelt. Diese basiert auf einer Reihe<br />
von kreativen Impulsen, die Arne Carlsen, Stewart<br />
Clegg und Reidar Gjersvik in der wissenschaftlichen<br />
Publikation „Idea Works“ beschreiben. Drei dieser<br />
Impulsgeber wurden als Themen für den Workshop<br />
ausgewählt. Dabei handelt es sich um „prepping“,<br />
„zooming out“ und „getting physical“. Der letzte Punkt<br />
wird hier nicht weiter ausgeführt. Dabei geht es darum,<br />
die Ergebnisse der beiden ersten Schritte in Arbeitsmodellen<br />
und Artefakten auszudrücken. Interessierte<br />
Leser und Leserinnen seien auf die Publikation<br />
„Idea Works“ verwiesen.„Prepping“ bedeutet,<br />
„Wissen sorgfältig vor zubereiten, aufzubauen und zu<br />
beleben, um das Potenzial voll ausschöpfen und im<br />
Entwurfsprozess effektiv nutzen zu können“. Im<br />
Wesentlichen handelt es sich darum, gemeinsam ein<br />
Verständnis für zusammenhängende Bedingungen zu<br />
entwickeln, die assoziative Bilder beeinflussen und<br />
auslösen, bevor man mit dem eigentlichen konzeptionellen<br />
Denken beginnt. Dies erfordert umfassende<br />
Recherchen und Untersuchungen im Vorfeld. Die<br />
Prepping-Phase ist daher eng mit dem Kontextverständnis<br />
verbunden.<br />
Heute versteht man Kontext im Allgemeinen als die<br />
wechselseitigen Bedingungen, unter denen etwas<br />
existiert oder sich ereignet. In unserer ersten Publikation<br />
„Conditions“, die von Lars Müller Publishers im<br />
Jahr 2007 veröffentlicht wurde, haben wir einige Aspekte<br />
konditionierten Verhaltens zur Diskussion gestellt.<br />
Unter Kontext versteht man jedoch auch eine<br />
Reihe von Umständen oder (historischen) Tatsachen,<br />
die im Zusammenhang mit einem bestimmten Ereignis,<br />
einer bestimmten Situation, einem bestimmten<br />
Entwurf oder Design stehen.<br />
Im frühen 15. Jahrhundert wurde Kontext als „vollständige<br />
Komposition, Chronik und als solche der gesamte<br />
Text einer Schrift“ definiert, „abgeleitet von dem<br />
lateinischen Begriff contextus ‚Zusammenfügung‘,<br />
ursprünglich ein Partizip von contextere ‚zusammenweben‘“.<br />
Angesichts dieser Deutung könnte man Kontext<br />
als „Teile einer Schrift oder eines Diskurses“ verstehen,<br />
„die einem anderen Teil, auf den Bezug genommen<br />
oder der zitiert wird, vorausgehen oder folgen<br />
und in direktem Zusammenhang damit stehen“. 1<br />
Meiner Meinung nach ist jedoch die zeitgenössische<br />
Verwendung des Begriffs Kontext, wie oben beschrieben,<br />
für unsere Profession am relevantesten. Es ist<br />
wichtig zu verstehen, dass Kontext nicht nur aus ein<br />
oder zwei Dingen besteht, die die Gegebenheiten<br />
eines Ereignisses oder Ortes beschreiben oder, in<br />
unserem Fall, die eines Entwurfs. Vielmehr stellt er die<br />
17
IV<br />
K<br />
Lageplan:<br />
I<br />
A<br />
A Portal<br />
B Plattform<br />
C Bank<br />
D Treppe<br />
E Plattform<br />
Großer Stein<br />
G<br />
J<br />
H<br />
F<br />
B<br />
1 Portal<br />
Portal<br />
2 Plattform<br />
Platform<br />
3 Bank<br />
Bench<br />
4 Treppe<br />
Stairs<br />
F Yin-Yang-<br />
Bank<br />
G Lehne<br />
H Bank<br />
I Bank<br />
J Auditorium<br />
K Bergstation<br />
Seegrube<br />
D<br />
C<br />
E<br />
ZEICHNUNG: SNØHETTA<br />
5 Plattform<br />
Platform G<br />
6 Ying Yang<br />
Ying Yang<br />
7 Lehne<br />
Backrest<br />
8 Bank<br />
Bench<br />
9 Bank<br />
Bench<br />
10 Auditorium<br />
Auditorium<br />
Lageplan<br />
Site plan<br />
0 20<br />
36
I<br />
„Die Dinge liegen<br />
unmittelbar vor<br />
unseren Augen …“<br />
(B Plattform)<br />
II<br />
„Gewisses am Sehen<br />
kommt uns<br />
rätselhaft vor, weil<br />
uns das ganze Sehen<br />
nicht rätselhaft<br />
genug vorkommt.“<br />
(C Bank)<br />
III<br />
„Der Begriff ‚Sehen‘<br />
macht einen wirren<br />
Eindruck. Nun,<br />
so ist er. Ich sehe<br />
in die Landschaft;<br />
mein Blick schweift,<br />
ich sehe allerlei<br />
klare und unklare<br />
Bewegung; dies<br />
prägt sich mir klar<br />
ein, jenes nur ganz<br />
verschwommen.<br />
Wie gänzlich zerrissen<br />
uns doch<br />
erscheinen kann,<br />
was wir sehen!“<br />
(E Plattform)<br />
IV<br />
„Ist das Auffallen<br />
Schauen &<br />
Denken? Nein.“<br />
(D Treppe)<br />
Wittgenstein<br />
und der<br />
Perspektivenweg<br />
Auf der Innsbrucker<br />
Nordkette hat Snøhetta<br />
zehn architektonische<br />
Elemente entlang<br />
des Perspektivenwegs<br />
gestaltet.<br />
Die subtilen Eingriffe<br />
markieren besondere<br />
Orte und lenken die<br />
Aufmerksamkeit auf<br />
die Eigenheiten<br />
der Bergwelt. Zitate<br />
des Philosophen Ludwig<br />
Wittgenstein –<br />
ausgewählt durch den<br />
Wittgenstein-Experten<br />
Allan Janik – ergänzen<br />
jedes Element.<br />
Allan Janik<br />
im Gespräch mit<br />
sich selbst<br />
Allan: Warum eigentlich eignet sich<br />
Wittgensteins Werk besonders als<br />
Anleitung zur Reflexion über diesen<br />
herrlichen Wanderweg, den Snøhetta<br />
in den Bergen oberhalb von Innsbruck<br />
realisiert hat?<br />
Professor Janik: Aus vielen Gründen:<br />
wegen seiner Liebe zur Natur, seinem<br />
profunden Interesse für das Bauen<br />
und seiner außergewöhnlichen Sensibilität<br />
für Stilfragen – schließlich<br />
baute er für seine Schwester Ende<br />
der 1920er-Jahre ein sehr interessantes<br />
und ungewöhnliches Haus. Auch<br />
deswegen, weil er darauf beharrte,<br />
dass Architekten und Philosophen<br />
mit den gleichen Schwierigkeiten zu<br />
kämpfen haben, sowie wegen der<br />
stilistischen Feinheiten seiner eigenen<br />
Art, Gedankengänge anzuregen.<br />
Aber vor allem, weil er darauf<br />
bestand, dass „normales“ Sehen<br />
perspektivisch ist, und zu guter Letzt,<br />
weil er sich der Schwierigkeiten bewusst<br />
war, zu begreifen, was wir für<br />
gewöhnlich als Sehen bezeichnen.<br />
Seine tiefen Einsichten, wie wir, Philosophen<br />
und Normalsterbliche, dazu<br />
neigen, dies mit jedem neuen Gedankengang<br />
misszuverstehen, führten<br />
ihn zu der Erkenntnis, dass man<br />
uns nur dann von unserer Tendenz<br />
zum Missverständnis abbringen kann,<br />
wenn man sie an ihren Wurzeln packt.<br />
Zudem verglich er seine philosophische<br />
Tätigkeit mit der Gestaltung<br />
eines Albums voller Skizzen, die eine<br />
Landschaft kreuz und quer in alle<br />
Richtungen erfassen und zusammen<br />
ein Gesamtbild dieser Landschaft<br />
wiedergeben, was eine einzelne<br />
Skizze nicht leisten könnte. Hiermit<br />
wollte er demonstrieren, wie kompliziert<br />
die Funktionsweise der Sprache<br />
ist. Man könnte sagen, dass dies eine<br />
Art philosophischen „Perspektivenweg“<br />
darstellt.<br />
Allan: Es ist also kein Zufall, dass sich<br />
seine Gedankengänge dort wiederfinden.<br />
Können Sie mir mehr darüber<br />
erzählen?<br />
Prof. J.: Sicher. Zunächst einmal<br />
machte Ludwig Wittgenstein sehr<br />
gerne lange Spaziergänge, um sich<br />
von den intensiven Anstrengungen<br />
des Philosophierens zu erholen. Sei es<br />
in Cambridge, im norwegischen Skjolden,<br />
in Leenane im Westen Irlands,<br />
im Prater in Wien oder gar auf dem<br />
Mount Tom in Holyoke, Massachusetts<br />
(wo ich aufgewachsen bin!).<br />
Entscheidend war, der Natur nahe zu<br />
sein.<br />
Allan: Hey, Sie meinen, Ihre Wege<br />
haben sich tatsächlich gekreuzt?<br />
Prof. J.: Richtig, mein Vater ging am<br />
Mount Tom fischen, und unsere Familie<br />
machte dort öfters ein Picknick.<br />
Doch leider war ich erst acht Jahre<br />
alt, als Wittgenstein dort war (er besuchte<br />
seine Schülerin Alice Ambrose<br />
am Smith College im nahe gelegenen<br />
Northampton – hier lebte<br />
zweihundert Jahre zuvor Jonathan<br />
Edwards, der vielleicht größte, sicherlich<br />
jedoch der rigoroseste<br />
37
Der leichte Baukörper mit dem schwebenden Dach interpretiert die traditionelle Hoftypologie auf neue Art.<br />
42<br />
FOTOS: FANGFANG TIAN
Von der kaiserlichen<br />
zur ländlichen<br />
Typologie: Tradition<br />
und Trans formation<br />
von Höfen und<br />
Dächern<br />
In der chinesischen<br />
Architektur haben<br />
Hofhäuser für mehrere<br />
Familien eine lange<br />
Tradition. Das „XY<br />
Yun House“ stellt<br />
eine zeitge nössische<br />
Interpre tation der<br />
Hoftypologie dar.<br />
Liu Yuyang<br />
In der traditionellen chinesischen<br />
Hoftypologie wird der Innenhof nicht<br />
nur durch einen Negativraum, sondern<br />
durch die ihn umgebenden Elemente<br />
definiert. Diese sind jedoch<br />
keine Wände, sondern ein schwebend<br />
erscheinendes Dach sowie<br />
eine leicht erhöhte Plattform als Abgrenzung<br />
vom Erdboden und Übergang<br />
zwischen der inneren Welt der<br />
Familie und der äußeren Welt, der<br />
Natur.<br />
B<br />
ei unserem Projekt in Xing Ping in der<br />
südchinesischen Provinz Guangxi<br />
verwandelten wir eine Gruppe historischer<br />
Hofhäuser in eine Hotelanlage<br />
mit Wellnesszentrum. Sie umfasst<br />
auch das XY Yun House, das sich am<br />
Ende des Dorfs etwas oberhalb der<br />
Straße am Fuß eines Berghangs befindet.<br />
In diese Topografie betteten<br />
wir diesen als Yoga-Pavillon genutzten<br />
Baukörper mit einer rund hundert<br />
Quadratmeter großen Plattform und<br />
integrierten Swimmingpools ein. Dieses<br />
Projekt ist eine sehr interessante<br />
Transformation der traditionellen Pavillontypologie<br />
in der chinesischen<br />
Landschaft. Der Entwurf der weit auskragenden<br />
Stahlkonstruktion beruht<br />
auf der Abstraktion einer Landschaft<br />
oder der Pavillonarchitektur früherer<br />
Zeiten.<br />
Der Charakter des Raums, dessen<br />
Volumen durch das schwebende<br />
Dach und die leicht erhöhte Plattform<br />
definiert wird, spielt deutlich auf<br />
die Verbotene Stadt in Peking an.<br />
Diese durch und durch kaiserliche<br />
Hoftypologie ist auch in vielen anderen<br />
Teilen Chinas vorzufinden. Die<br />
Idee der Raumdefinition basiert auf<br />
demselben Konzept. Die Zeitlosigkeit<br />
dieses Raums wird nicht nur durch<br />
die schlichte Linearität seiner Form<br />
definiert, sondern auch durch die Aktivitäten,<br />
die Ereignisse, das Leben,<br />
das sowohl im traditionellen Innenhof<br />
als auch im von uns entworfenen<br />
Pavillon stattfindet.<br />
Die Abstraktion und Schlichtheit der<br />
Form ermöglicht eine Vielzahl unterschiedlicher<br />
Aktivitäten. Dies ist der<br />
Kern unserer Antwort auf die grundlegende<br />
Frage, was ein Innenhof ist. Wir<br />
wollten dieser Frage nicht nur in der<br />
Stadt oder in den sehr formellen und<br />
offiziellen Bereichen des kaiserlichen<br />
Gartens nachgehen, sondern auch in<br />
einer sehr ländlichen Umgebung.<br />
Im Grunde handelt es sich um eine<br />
Reflexion über Architektur und Raum,<br />
die eine tiefgehende chinesische<br />
Philosophie repräsentiert. Damit<br />
meine ich, dass wir die typologische<br />
Entwicklung des Innenhofs oft als etwas<br />
„Städtisches“, als etwas sehr<br />
Offizielles und Allgemeingültiges<br />
betrachten, während wir uns gleichzeitig<br />
näher für die Details interessieren<br />
sollten. Anhand dieser Details,<br />
dieses Mikrokosmos des Raums und<br />
der Elemente, sehen wir die Dinge in<br />
einem anderen Licht. Dies führt zu einer<br />
stärkeren kosmischen Wirkkraft,<br />
vielleicht auch zu einem universelleren<br />
Verständnis.<br />
Das Interessante an dieser Hoftypologie<br />
ist aus meiner Sicht, dass sie<br />
tatsächlich sehr wandelbar ist und<br />
transformierend wirkt und dass sie<br />
ermöglichte, den strengen Regeln<br />
der Verbotenen Stadt zu entfliehen.<br />
Innerhalb dieser stellt der Garten<br />
den wandlungsfähigsten und unbeschwertesten<br />
Teil dar, denn hier<br />
konnte sich die kaiserliche Familie<br />
im Alltagsleben entspannen. Überträgt<br />
man dies auf eine Wohntypologie<br />
oder einen städtischen Kontext,<br />
verwandelt es sich in etwas viel Fragmentierteres.<br />
In einer ländlichen<br />
Umgebung werden verstärkt lokale<br />
Materialien verwendet und der Typus<br />
dem lokalen Klima angepasst, sodass<br />
er sehr gut auf ökologische Anforderungen<br />
reagieren kann.<br />
I<br />
m Hinblick auf diese Aspekte entwarfen<br />
wir den Pavillon innerhalb<br />
des Dorfes, das wir unter Berücksichtigung<br />
des Vorhandenen umgestalteten.<br />
Beides folgt derselben Logik<br />
und Anordnung, von formal zu informell<br />
und von geordnet zu dynamisch.<br />
Man erkennt also eine bestimmte<br />
Ebene der Transformation,<br />
insbesondere in der Art und Weise,<br />
wie sie eine bestimmte chinesische<br />
Philosophie widerspiegelt, dass das<br />
Detail und das Universelle in derselben<br />
Ordnung und derselben Gedankenfolge<br />
gründen. Die Adaption<br />
dieser Ordnung zeigt, welche Entwurfsgedanken<br />
dahinterstehen und<br />
wie sie die Nutzer inspirieren.<br />
Liu Yuyang<br />
ist Gründer und Leiter<br />
des in Schanghai ansässigen<br />
Ateliers Liu<br />
Yuyang Architects,<br />
Mitglied des Shanghai<br />
Archi tectural Society<br />
Academic Committee<br />
und Design Studio<br />
Advisor am College<br />
of Architecture and<br />
Urban Planning, Tongji<br />
University.<br />
43
VI<br />
54<br />
FOTO: MARC LINS; ILLUSTRATION: LAAC
I<br />
Top of Tyrol, Plattform<br />
am Stubaier<br />
Gletscher von<br />
LAAC (2009)<br />
II<br />
Neugestaltung<br />
des Landhausplatzes<br />
in Innsbruck<br />
von LAAC (2010)<br />
III<br />
Landschaftsvisualisierung<br />
IV<br />
Transformation<br />
des Landhausplatzes,<br />
Mesh Model<br />
V<br />
Copa Cagrana<br />
Neu in Wien,<br />
Masterplankonzept<br />
Ufergestaltung<br />
von LAAC<br />
(2016)<br />
VI<br />
Copa Cagrana<br />
Neu in Wien,<br />
Diagramm<br />
Architektur<br />
und Landschaft als<br />
kulturelle Vision<br />
Die Architektur<br />
ist wie die Landschaft<br />
ein komplex<br />
dyna misches System,<br />
eine wandlungsfähige<br />
Sphäre und<br />
per se kontextuell –<br />
ein Essay.<br />
Kathrin Aste,<br />
Frank Ludin<br />
Beschäftigt man sich mit dem Landschaftsbegriff,<br />
so stellt man fest, dass<br />
zwei grundlegende Unterschiede<br />
das Verständnis von Landschaft prägen.<br />
Einerseits wird die Landschaft<br />
als physisch-materielle Einheit gesehen,<br />
als greifbare Wirklichkeit mit<br />
einer räumlichen Ausdehnung, was<br />
dem naturwissenschaftlichen Landschaftsbegriff<br />
entspricht. Andererseits<br />
als soziales Konstrukt, als mentale<br />
Einheit oder als Idee, die erst<br />
durch die menschliche Wahrnehmung<br />
existent wird, was dem Ansatz<br />
des philosophisch-kulturwissenschaftlichen<br />
Landschaftsbegriffs<br />
folgt. Aufgrund der Vielfalt der Definition<br />
wird der Landschaftsbegriff<br />
auch gerne als „kompositorisch“ bezeichnet<br />
1 – ein Ansatz, der die Landschaft<br />
selbst als eine aus vielen Subsystemen<br />
bestehende Komposition<br />
versteht. Viele Qualitäten der natürlichen<br />
Landschaft können auch auf<br />
die urbane und kulturelle Landschaft<br />
übertragen werden. Als symbiotische<br />
Formation aus organischen und<br />
anorganischen Komponenten ist sie<br />
auch für die Genese von Architektur<br />
eine endlose Quelle der Inspiration.<br />
Ihre Virtuosität liegt darin, ein Terrain<br />
zu schaffen, auf dem Diversität stattfinden<br />
kann.<br />
S<br />
eit den großen Landart-Projekten der<br />
1970er-Jahre, die den geografischen<br />
Raum beziehungsweise die Landschaft<br />
in ein Kunstwerk transformierten,<br />
hat sich auch der architektonische<br />
Raum verändert, indem er die<br />
Idee des Raums als Gefäß durch die<br />
Idee des Raums als Gefüge ersetzt.<br />
Ein Raumverständnis, dem die landschaftliche<br />
und geomorphe Logik eines<br />
dreidimensionalen, stofflichen<br />
Gebildes zugrunde liegt. Dieses Gefüge<br />
kann morphologisch nach Form<br />
und Aussehen beschrieben werden,<br />
seine Bestandteile und Verknüpfungen<br />
können als Struktur untersucht<br />
und als Resultat von Prozessen verstanden<br />
werden.<br />
Landschaft ist Formation<br />
und Information<br />
In seinem Buch „The Sympathy of<br />
Things“ beschreibt Lars Spuybroek<br />
55
Vektoren anstelle<br />
von Grenzen<br />
Visionen für Post-<br />
Brexit-Landschaften<br />
im irischen Nordwesten<br />
Gareth Doherty<br />
Für gewöhnlich entwerfen wir Räume<br />
mithilfe von Linien. Linien schaffen<br />
Grenzen; und Grenzen trennen.<br />
Durch das Ziehen einer Grenze erzeugen<br />
wir eine binäre Situation. Etwas<br />
oder jemand auf der einen Seite<br />
der Linie wird von der anderen Seite<br />
ausgeschlossen. Was wir als „Kultur“<br />
bezeichnen, ob populäre oder Hochkultur,<br />
wird häufig einem bestimmten<br />
begrenzten Raum zugeordnet.<br />
Die Globalisierung erschwert es allerdings<br />
zunehmend, eine Kultur mit<br />
einem bestimmten nationalen Territorium<br />
zu assoziieren (Menschen auf<br />
der ganzen Welt trinken beispielsweise<br />
Coca-Cola oder praktizieren<br />
Yoga). Daher sollte man den Begriff<br />
„Kultur“ nicht für eine bestimmte territoriale<br />
Hegemonie als selbstverständliche<br />
Repräsentation des Ganzen<br />
verwenden. Die Anthropologin<br />
Lila Abu-Lughod fordert in ihrem einflussreichen<br />
wissenschaftlichen Text<br />
„Writing Against Culture“, den Begriff<br />
„Kultur“ zu überdenken. Denn innerhalb<br />
einer „Kultur“ wird das Andersartige<br />
bedauerlicherweise oftmals<br />
ausgegrenzt, Minderheiten bleiben<br />
unsichtbar. Doch wie könnte ein solcher<br />
Ansatz aussehen, wenn man<br />
versucht, den Raum und die Grenzen<br />
einer Region zu definieren? 1 Muss<br />
eine Region eine eigene Kultur haben?<br />
Nimmt Kultur einen bestimmten<br />
Raum ein?<br />
Der Brexit – der Austritt des Vereinigten<br />
Königreichs aus der Europäischen<br />
Union – stellt den irischen<br />
Nordwesten vor besondere Herausforderungen.<br />
Die unweigerlich entstehende<br />
Grenze zwischen Vereinigtem<br />
Königreich und der EU würde die<br />
alltäglichen räumlichen Praktiken in<br />
der Region in Zweifel ziehen. Der<br />
grenzüberschreitende Alltag, der<br />
den sozialen und kulturellen Austausch<br />
belebt, würde künftig in Frage<br />
gestellt. Eine harte Grenze würde die<br />
Wirtschaft, den sozialen Austausch<br />
und den fragilen Frieden bedrohen,<br />
der seit dem Ende der Unruhen in den<br />
Neunzigerjahren besteht.<br />
Bei der Untersuchung der Einschränkungen<br />
und zukünftigen Form einer<br />
grenzüberschreitenden Region zwischen<br />
Irland und Nordirland suchten<br />
wir nach Belegen, dass eine grenzüberschreitende<br />
Region bereits existiert,<br />
sie jedoch aufgrund der politischen<br />
Grenzen auf den Karten nicht<br />
verzeichnet ist. Mithilfe einer engagierten<br />
Feldforschung in Gemeinden,<br />
Gehöften und Dörfern auf<br />
beiden Seiten der Grenze wurden<br />
alltägliche grenzüberschreitende<br />
Interaktionen beobachtet und dokumentiert.<br />
Eine der Schlussfolgerungen<br />
war, die Grenze nicht als Linie,<br />
sondern als Landschaft zu betrachten.<br />
Dies würde dazu beitragen, die<br />
so leicht durch Linien zu erzeugenden<br />
binären Situationen aufzulösen,<br />
wie etwa lokal/nicht lokal, irisch/<br />
nordirisch, irisch/britisch oder auch<br />
die binäre Situation zwischen der EU<br />
und dem Vereinigten Königreich. 2<br />
Die folgenden drei Fragen<br />
wurden gestellt:<br />
I:<br />
Gibt es im irischen<br />
Nordwesten eine grenzübers<br />
chreitende Region?<br />
II:<br />
Wenn ja, wie soll die Region<br />
auf einer Karte dargestellt<br />
werden?<br />
III:<br />
Wie könnte sich die Region<br />
in den nächsten 200 Jahren<br />
entwickeln?<br />
Frage I:<br />
Wir haben nach Belegen einer grenzüberschreitenden<br />
Region gesucht.<br />
Inspiriert von Brian Friel (1929–2015),<br />
einem der größten Dramatiker, der in<br />
englischer Sprache geschrieben und<br />
in der Region gelebt hat, suchten<br />
wir nach Dokumenten, Klängen und<br />
Bildern, die typisch für die Region<br />
sind. Durch Feldforschung haben wir<br />
Belege aus verschiedenen Quellen<br />
zusammengestellt und zu einer Broschürenreihe<br />
zusammengefasst. 3<br />
Diese Broschüren befassen sich mit<br />
verschiedenen räumlichen und sozi-<br />
64
Gibt es im irischen Nordwesten eine grenzüberschreitende Region?<br />
ILLUSTRATION: CRITICAL LANDSCAPES DESIGN LAB.<br />
alen Themen, von der Einführung der<br />
Elektrizität bis hin zum grenzüberschreitenden<br />
öffentlichen Nahverkehr.<br />
Zudem gehen sie auch auf die<br />
sprachliche und religiöse Struktur<br />
des Gebiets ein. Alle Broschüren verweisen<br />
auf die gemeinsame grenzüberschreitende<br />
Region, die aus alltäglichen<br />
Interaktionen und familiären<br />
Bindungen besteht und eine Mischung<br />
verschiedener „Kulturen“ der<br />
Briten, Iren, Ulster-Schotten und vielen<br />
anderen darstellt.<br />
Bild oben: Breaking Boundaries<br />
(Grenzen aufbrechen) zeigt die<br />
Nordwestregion, als ob ein Erdbeben<br />
das Land entlang der politischen<br />
Grenze physisch gespalten hätte.<br />
Diese fiktive Darstellung bildet die<br />
Elemente ab, die beide Seiten dieser<br />
Grenze teilen, von der Atmosphäre<br />
über Oberflächeneigenschaften bis<br />
hin zu Infrastruktur, Geologie und<br />
Hydrologie.<br />
65
70<br />
FOTOS: MICHAEL GRIMM
The French Laundry<br />
Die Küche als<br />
kultureller Raum<br />
Die innovative und funktionale<br />
Neugestaltung der Küche ermöglichte<br />
es unserem Team, das Restaurant<br />
weiterzuentwickeln und<br />
neue Standards zu setzen. Das<br />
Konzept von Snøhetta bietet nicht<br />
nur mehr Raum zum Arbeiten,<br />
sondern schafft auch ein offenes<br />
Umfeld für die Köche. Wir arbeiten<br />
nun in einem weitläufigen, kontinuierlichen<br />
Raum, der visuell und<br />
räumlich eine Einheit bildet. Die<br />
konkave Decke verbessert die<br />
Akustik im Raum und dämpft den<br />
Schall. Die Tatsache, dass nur mehr<br />
ein leises Summen wahrnehmbar<br />
ist, erleichtert die Kommunikation<br />
und Verständigung. „The French<br />
Laundry“ ist tief verankert in Traditionen,<br />
von den Fertigkeiten und<br />
Methoden unserer Vorgänger bis<br />
zur ikonischen blauen Tür unseres<br />
Restaurants. Diese Traditionen werden<br />
mit der bewussten Entscheidung<br />
weitergeführt, für neue Ideen<br />
und Kreativität in unserer Küche<br />
offen zu sein. Snøhetta hat dazu<br />
beigetragen, diese Ziele zu erreichen.<br />
Snøhetta hat in Zusammenarbeit<br />
mit Küchenchef<br />
Thomas Keller und<br />
Envelope A + D die Küche<br />
und den Innenhof<br />
von The French Laundry<br />
in Yountville, Kalifornien,<br />
neu beziehungsweise<br />
umgestaltet. Das<br />
mit drei Michelin-Sternen<br />
ausgezeichnete<br />
Restaurant von Thomas<br />
Keller wurde 1994 eröffnet.<br />
Es gilt als Mekka<br />
für gehobene französische<br />
Küche und zählt<br />
zur Spitzenklasse kulinarischer<br />
Kultur. Die<br />
Neugestaltung stellt<br />
die erste größere Renovierung<br />
des Gebäudes<br />
seit mehr als zwei<br />
Jahrzehnten dar, wobei<br />
die Fläche des Gästebereichs<br />
im Garten<br />
verdoppelt wurde.<br />
Keller und sein Team<br />
verfügen nun über ein<br />
erstklassiges Arbeitsumfeld,<br />
um Innovationen<br />
ihrer Kochkunst<br />
und ihres Services voranzutreiben.<br />
Steak and Potatoes<br />
100-Day Dry-Aged<br />
Côte de Bœuf, Braised<br />
Brisket “Tater Tots” and<br />
Gem Lettuce Salad<br />
with Tony’s Green Goddess<br />
Dressing<br />
We always like to serve<br />
a main meat course.<br />
Here David (David<br />
Breeden is Chef de<br />
Cuisine of The French<br />
Laundry) returns to<br />
the story of his father’s<br />
favorite restaurant,<br />
Augustino’s Ristorante,<br />
in Greeneville, Tennessee,<br />
where his father<br />
would dip his steak in<br />
their Green Goddess<br />
dressing. (David would<br />
eventually wash dishes<br />
there when he was<br />
sixteen.) He swears by<br />
their take on the famous<br />
salad dressing<br />
from the 1970s, and in<br />
keeping with the ’70s<br />
motif, he serves it with<br />
tater tots.<br />
The steak<br />
We dry-age this beautiful<br />
bone-in rib steak<br />
Tater tots<br />
Russet potatoes are<br />
cooked whole, then<br />
peeled, grated and<br />
mixed with about<br />
20 per cent braised<br />
beef brisket. They’re<br />
shaped, then coated<br />
in dried potato flakes,<br />
using a standard<br />
breading procedure<br />
and deep-fried for<br />
service.<br />
Green Goddess<br />
dressing<br />
Equal weights diced<br />
sweet onion and tarragon<br />
vinegar, along<br />
with sliced garlic,<br />
capers and anchovies,<br />
plus a hit of salt and<br />
sugar are combined,<br />
macerated and blended<br />
until chunky, then<br />
mixed with avocado,<br />
mayonnaise and<br />
crème fraîche. Fresh<br />
chopped watercress,<br />
parsley, tarragon and<br />
dill finish the sauce,<br />
which then coats a half<br />
head of Gem lettuce.<br />
Sauce on the side!<br />
from Snake River Farms<br />
Extra Green Goddess<br />
for one hundred days.<br />
dressing, of course<br />
We then seal it in a<br />
FOTO: DEBORAH JONES<br />
Thomas Keller<br />
ist Küchenchef und<br />
Inhaber von The French<br />
Laundry (sowie weiterer<br />
Restaurants). Er ist<br />
bekannt für seine Kochkünste<br />
und hohen kulinarischen<br />
Standards.<br />
bag with beef fat and<br />
cook it at 64˚C (147˚F) –<br />
yes, that high – for two<br />
hours, let it rest in that<br />
fat, then finish it over a<br />
smoky wood fire.<br />
Originalrezept aus:<br />
„The French Laundry,<br />
Per Se“ von Thomas<br />
Keller (Artisan Books).<br />
Copyright © 2020<br />
71
VII<br />
VIII<br />
IX<br />
FOTO LINKS: BENEDIKT REDMANN; MITTE VON OBEN NACH UNTEN: MARKUS BÜHLER (2); DEREK LI WAN PO<br />
86
I<br />
Haus Rauch in<br />
Schlins (2008) von<br />
Roger Boltshauser<br />
und Martin Rauch.<br />
Stampflehmwände<br />
und kalkulierte Erosion:<br />
Mit der Zeit<br />
wittert die oberste<br />
feine Lehmschicht<br />
ab, die freigelegten<br />
Steine stabilisieren<br />
die Wand.<br />
II + IV<br />
Für die Fassaden<br />
des Alnatura-Bürohauses<br />
der Architekten<br />
Haas Cook<br />
Zemmrich wurden<br />
Stampflehm-Fertigelemente<br />
mit integrierter<br />
Kerndämmung<br />
und geothermischer<br />
Wandheizung<br />
vor Ort<br />
gefertigt.<br />
III + V<br />
Die neue „Erden“-<br />
Werkhalle der<br />
Lehm-Ton-Erde<br />
Baukunst von Martin<br />
Rauch ist selbst<br />
als Pilotprojekt in<br />
Hybridkonstruktion<br />
aus Holz-Massivbauweise<br />
und<br />
Stampflehm konzipiert.<br />
In der Fertigungsstraße<br />
wird<br />
die Mischung maschinell<br />
in die<br />
Schalung gefüllt<br />
und mit Walzen und<br />
Stampfern verdichtet.<br />
VI – IX<br />
Ricola-Kräuterzentrum<br />
in Laufen<br />
(2012) von Herzog &<br />
de Meuron. Die<br />
Elemente der<br />
Stampflehmfassade<br />
werden durch die<br />
mit Stampflehm retuschierten<br />
Fugen<br />
zu einer monolithischen<br />
Wand verbunden.<br />
Zurück zur Zukunft:<br />
Ein Plädoyer für den<br />
Lehmbau<br />
Das nächste Jahrzehnt<br />
wird eine Ära<br />
des Lehmbaus sein.<br />
Lehm als Baustoff<br />
kann Antworten<br />
geben auf die wichtigsten<br />
Herausforderungen<br />
unserer<br />
Zeit: den Klimawan del<br />
und die soziale<br />
Gerechtigkeit. Und<br />
er bringt einen neuen<br />
Aspekt der Verantwortung<br />
in das Planen<br />
und Bauen ein: „Einfach<br />
bauen, Perfektionismus<br />
relativieren.“<br />
Martin Rauch<br />
Im Zuge der Debatte um die Nachhaltigkeit<br />
von Baustoffen und der<br />
weltweiten Klimaveränderung steigt<br />
das Interesse vor allem an Stampflehmkonstruktionen<br />
deutlich. Stampflehm<br />
zählt zur stabilsten und dauerhaftesten<br />
unter den Lehmbautechniken.<br />
Auch architektonisch und gestalterisch<br />
bietet Stampflehm durch<br />
seine Schichtungen ein enormes<br />
Potenzial.<br />
D<br />
er Baustoff ist nichts anderes als erodiertes<br />
und sedimentiertes Gestein,<br />
das weltweit fast überall unbegrenzt<br />
und gratis von der Natur zur Verfügung<br />
gestellt wird. Auf dieser Erdkruste<br />
wächst unser Wald, der ständig<br />
nachwachsende Materialien für<br />
klimagerechtes Bauen liefert. Lehm<br />
und Holz waren schon in der Vergangenheit<br />
die perfekte Kombination für<br />
nachhaltiges Bauen – und sind es<br />
auch in der Zukunft. Das Zusammenspiel<br />
der Eigenschaften beider Materialien<br />
ist eine perfekte Symbiose,<br />
wenn die pure Erde als lastabtragendes<br />
Element und Holz für Dach- und<br />
Deckenkonstruktionen eingesetzt<br />
werden.<br />
W<br />
ir müssen wieder lernen, in kleinen,<br />
geschlossenen Materialkreisläufen<br />
zu bauen. Alles wird früher oder später<br />
wieder ab- oder umgebaut. Deshalb<br />
sollten die Gebäude und Baustoffe<br />
unserer Städte der Zukunft<br />
wiederverwendet und zur Rohstoffquelle<br />
werden. Der derzeit vorwiegende<br />
Baustoff Stahlbeton ist an sich<br />
ein genialer Baustoff. Doch sein<br />
größtes klimaschädliches Problem<br />
ist, dass er zu inflationär verwendet<br />
wird. Denn die Forschung und Entwicklung<br />
hat die Verwendung von<br />
Beton und Stahl standardisiert und<br />
vereinfacht. Ein wesentlicher Grund<br />
sind auch die künstlich verbilligten<br />
Materialkosten, denn diese beinhalten<br />
nicht die Umweltschäden, die<br />
durch Herstellung, Nutzung und Entsorgung<br />
entstehen. Hier braucht es<br />
überregionale politische Entscheidungen<br />
zur Kostenwahrheit von Baustoffen.<br />
87
David Kienpointner<br />
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COMIC: DAVID KIENPOINTNER<br />
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