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Brief eines Borkumer Fährschiffers von 1885 entdeckt von Simon Schermerhorn

Artikel aus dem auf Borkum erscheinenden Ditjes un` Datjes. Ausgabe 2021

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Ditjes un` Datjes<br />

<strong>Brief</strong> <strong>eines</strong> <strong>Borkumer</strong> <strong>Fährschiffers</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>1885</strong> <strong>entdeckt</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Simon</strong> <strong>Schermerhorn</strong><br />

Im Dezember <strong>1885</strong>, also vor mehr als 135 Jahren, schrieb Klaas Eilderts<br />

Gerhards (1838-1909) einen <strong>Brief</strong> an Jelle Jelles Croles, den Erbauer<br />

s<strong>eines</strong> neuen Fährschiffs Johanna. Dieses Schiff wurde in IJlst, einer<br />

kleinen Stadt in Friesland im Norden der Niederlande, gebaut.<br />

Das Dokument wurde zusammen mit <strong>Brief</strong>en <strong>von</strong> vier anderen Skippern<br />

<strong>von</strong> der Familie Croles aufbewahrt. Das Archiv der Croles-Werft<br />

ist leider verschollen, aber diese <strong>Brief</strong>e sind vor kurzem wieder aufgetaucht.<br />

Der Fährschiffer Klaas Gerhards kümmerte sich um den Warentransport<br />

mit einem Segelschiff zwischen Borkum, Emden und Delfzijl. Mit<br />

dem Schiff konnten auch Passagiere nach Borkum reisen. Zu Gerhards<br />

offizielle Aufgaben gehörte auch der Transport der Post.<br />

Aurora<br />

Der älteste Bericht über Fährschiffer K.E. Gerhards, der zur Zeit auffindbar<br />

ist, stammt vom 29. Juli 1863. An diesem Tag erreichte Gerhards<br />

mit der Aurora, dem Vorgänger der Johanna, <strong>von</strong> Borkum kommend<br />

den Emder Hafen. Die kleinere Aurora wurde ebenfalls <strong>von</strong> Jelle<br />

Croles in IJlst gebaut.<br />

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Ditjes un` Datjes<br />

Gemälde der „Aurora“ im Heimatmuseum „Dykhus“ auf Borkum<br />

Foto: Klaas Bakker - Heimatverein Borkum<br />

Das Buch „...und fuhren weit übers Meer - Zur Geschichte der ostfriesischen<br />

Segelschiffahrt“ <strong>von</strong> Karl-Heinz Wiechers, enthält ein Foto<br />

der Aurora aus dem Jahr 1866. Die Aurora wurde wahrscheinlich 1863<br />

erbaut. Wiechers berichtet, dass das <strong>1885</strong> für 5.625,00 niederländische<br />

Gulden gebaute Schiff <strong>von</strong> Jelle Jelle Crobs in IJlst gebaut wurde. Der<br />

Name Crobs muss tatsächlich „Croles“ sein. Als Gerhards zur neuen<br />

Johanna wechselte, war E.H. Meeuw Skipper auf der Aurora. Von diesem<br />

Moment an war Gerhards Reeder der Schiffe Aurora und Johanna und<br />

Kapitän der Johanna.<br />

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Ditjes un` Datjes<br />

Klaas Eilderts Gerhards (1838-1909) wurde auf Borkum geboren und<br />

ist dort aufgewachsen. Sein Vater war Kapitän der Barkasse Elisabeth.<br />

Sein Großvater war <strong>von</strong> 1812 bis 1839 Kapitän des Schiffes Les Trois<br />

Frères. Klaas heiratete 1864 die Kapitänstochter Anke Hidden Staghouwer<br />

(1848-1871). Ihr Vater segelte mit der Twee Gebroeders. Das<br />

Paar hatte drei Kinder: Mayke, Hidde und Trientke. Nach Ankes Tod<br />

heiratete er 1878 Johanna, die Schwester seiner verstorbenen ersten<br />

Frau. Dies erklärt auch den Namen des <strong>1885</strong> neu gebauten Schiffes<br />

Johanna. Klaas und Johanna bekamen 1879 einen Sohn namens Eildert.<br />

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Johanna<br />

Die Johanna war ein Schiff mit einer Länge <strong>von</strong> 17,29 Metern, einer<br />

Breite <strong>von</strong> 4,92 Metern und einem Tiefgang <strong>von</strong> 1,5 Metern. Die Nutzlast<br />

betrug 34 Tonnen. Am 26. Juni <strong>1885</strong> fuhr Gerhards mit der nagelneuen<br />

Johanna <strong>von</strong> Oostmahorn zum Heimathafen Borkum, berichtete<br />

eine niederländische Zeitung.<br />

Das Foto der Johanna im Hafen <strong>von</strong> Emden aus dem Jahr 1900 stammt<br />

aus der Sammlung des Heimatvereins Borkum: Klaas Gerhards und<br />

einige Unbekannte in Sonntagsanzügen, im Gegensatz zu den beiden<br />

Besatzungsmitgliedern in Arbeitskleidung, am Liegeplatz im Ratsdelft<br />

in Emden.<br />

Die offizielle „Musterrolle“ des „Fährschiff Johanna“ <strong>von</strong> 1894 ist<br />

erhalten geblieben. Es listet die Besatzungsmitglieder Jan Bekaan (20)<br />

und Harm Feeken (18) auf. Ob sie auch auf dem Foto sind, ist nicht<br />

bekannt.<br />

1901 wurde die Johanna mit einem 10 PS starken Motor ausgestattet.<br />

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Ditjes un` Datjes<br />

Dies erleichterte die Überfahrt<br />

erheblich. Am 19. Januar 1904<br />

gibt es im „Nieuwsblad van<br />

het Noorden“ einen erwähnenswerten<br />

Bericht: Kapitän<br />

Gerhards kam mit seiner<br />

deutschen Tjalk Johanna in<br />

Delfzijl an und lieferte 53<br />

Ballen (10.500 Kilo) Kokosfasern<br />

vom Dampfschiff Anglia,<br />

welches im November 1903<br />

verunglückt war. Stückgut<br />

und eine Leiche waren auf Borkum angespült worden.<br />

Nach 20 Jahren treuen Dienstes wurde die Johanna 1905 an die Reederei<br />

Juist verkauft. Klaas Gerhards war damals bereits 67 Jahre alt.<br />

Die Reise <strong>von</strong> Borkum nach Emden<br />

Die Berücksichtigung der Gezeiten ist sehr wichtig, wenn man <strong>von</strong><br />

Borkum nach Emden segeln will. In der Ems herrscht eine starke Strömung.<br />

Nehmen wir an, man wollte am 1. Februar 2021 zum Festland<br />

segeln, als wäre es <strong>1885</strong>. Zu der Zeit war das so genannte „Hopp“, der<br />

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Ditjes un` Datjes<br />

natürliche Hafen der Insel, aber es gab keinen Steg. An diesem Tag war<br />

Niedrigwasser um 7:27 Uhr und Hochwasser in Emden um 14:34 Uhr.<br />

Aber das Schiff liegt, trocken gefallen, im Hopp und muss warten, bis<br />

das Wasser hoch genug für die Abfahrt ist. Wenn der Wind günstig ist,<br />

könnte man sofort los segeln, wenn nicht, heißt es zunächst rudern.<br />

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Ditjes un` Datjes<br />

Klaas Gerhards wusste sehr genau, wie er die Überfahrt unter Berücksichtigung<br />

<strong>von</strong> Ebbe und Flut, Prielen (Fahrwasserrinnen im Watt) und<br />

Wind so gut wie möglich durchführen konnte.<br />

Bei günstigen Winden war es noch relativ einfach, aber bei Gegenwind<br />

oder Flaute kam es auf Erfahrung und gute Seemannschaft an. Unter<br />

ungünstigen Umständen musste geankert werden und die Fahrt dauerte<br />

viel länger als normal.<br />

Bei starkem Wind und starken Strömungen ist die Ems eine nicht<br />

ungefährliche Wasserstraße. Besonders wenn Strömung und Wind in<br />

entgegengesetzter Richtung stehen. Der Skipper wurde <strong>von</strong> zwei Besatzungsmitgliedern<br />

bei der schweren Arbeit unterstützt. Es war also nicht<br />

einfach, um in das Zentrum <strong>von</strong> Emden hinein oder heraus zu gelangen.<br />

In Emden ist es immer mehr als eine Stunde später Hoch- oder Niedrigwasser<br />

als in Borkum. Dies ist günstig für die Reise <strong>von</strong> Borkum nach<br />

Emden, da man dann mit der Strömung 1,5 Stunden länger Zeit hat<br />

als <strong>von</strong> Emden nach Borkum. 1887 wurde die Kleinbahn-Trasse zum<br />

Landeplatz in der Fischerbalje gebaut. Das erleichterte<br />

das Be- und Entladen erheblich. Auch war es<br />

möglich, bei Niedrigwasser an- und abzulegen.<br />

Jelle Croles<br />

Der Schiffbauer Jelle Jelles Croles (1826-1900)<br />

stammte aus einer bekannten Familie <strong>von</strong> Schiffbauern.<br />

Die Werft Croles baute ab 1778 Dutzende großer<br />

und kleiner Holzschiffe in IJlst. 1851 wurde er unvorhergesehen<br />

Nachfolger s<strong>eines</strong> Vaters, der während<br />

<strong>eines</strong> Wintersegeltörns mit einem Sohn ertrunken war.<br />

Ein tragisches Unglück!<br />

Croles war nicht nur Schiffbauer, sondern auch<br />

Stadtrat und Abgeordneter. 1895 wurde auf den Bau<br />

<strong>von</strong> Eisenschiffen umgestellt. Die Werft wurde 1911<br />

verkauft.<br />

10<br />

Portrait des Schiffsbauers<br />

Jelle Jelles Croles.<br />

Wie damals nicht unüblich<br />

hießen sowohl sein<br />

Vater als auch sein Sohn<br />

Jelle Jelles.


Ditjes un` Datjes<br />

Der <strong>Brief</strong><br />

Klaas Gerhards schrieb den vierseitigen <strong>Brief</strong> an Jelle Croles auf Niederländisch.<br />

Zu dieser Zeit wurde auf Borkum zum Teil noch Niederländisch<br />

gesprochen und in der Kirche auf Niederländisch gepredigt. Die<br />

Zitate wurden aus Gründen der Lesbarkeit vom alten Niederländischen<br />

ins zeitgenössische Deutsch übersetzt. Die ersten anderthalb Seiten des<br />

<strong>Brief</strong>es sind eine wahre Predigt, die mit der Hoffnung endet, dass „der<br />

Herr uns beistehen und uns helfen wird, uns durch dieses Leben zur<br />

ewigen Erlösung zu führen, das gebe uns Gott mit Hilfe s<strong>eines</strong> geliebten<br />

Sohnes, unserem Herrn, Jesus Christus „. Gerhards und Croles waren<br />

angesichts dieser „Predigt“ wahrscheinlich beide zutiefst religiöse Menschen.<br />

Aus dem <strong>Brief</strong> geht hervor, dass Klaas Gerhards sich der persönlichen<br />

Umstände der Familie Croles bewusst ist. Er schreibt über die gesundheitlichen<br />

Probleme des Schiffbauers und s<strong>eines</strong> 16-jährigen Sohnes.<br />

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Das original<br />

Ditjes un` Datjes<br />

Für den Sohn fügte Jelle Gerhards eine Karte mit dem Spruch „Bis jetzt<br />

hat Gott geholfen, Gott hilft, Gott wird weiter helfen“ hinzu.<br />

Das Haus <strong>von</strong> Croles wird auch erwähnt: „Ich freue mich über die Renovierung<br />

Ihres Hauses, es war auch notwendig, Ihre Familie wird mir<br />

darin zustimmen. Gott gebe Ihnen und den Ihren, noch viele Jahre, um<br />

ein zufriedenes und christliches Leben zu führen. “<br />

Klaas schreibt dann über die Erfahrungen mit dem neuen Schiff Johanna.<br />

Er ist voll des Lobes über die Segeleigenschaften:<br />

„Lieber Freund, was die ‚Johanna‘ betrifft, ist es leicht, mit durchschnittlichem<br />

Wind und vollen Segeln zu steuern. Ich bin bisher nicht auf ein Schiff<br />

gestoßen, das beim Segeln mit mir mithalten konnte. Auch mit dem Kruiser<br />

van Delfzijl bin ich gesegelt, schon bei einer durchschnittlichen Windstärke<br />

war das Schiff nicht mehr zu segeln, also bin ich mir sicher, dass er bei<br />

starken Winden nicht mithalten kann.“<br />

Klaas Gerhards erklärt seine Vorliebe für den Bau <strong>eines</strong> Schiffes in den<br />

Niederlanden. Er schreibt: „Ich zähle die Schiffe, die hier gebaut wurden,<br />

überhaupt nicht. Der Schiffbauer <strong>von</strong> Greetsiel, <strong>von</strong> dem ich Ihnen erzählt<br />

habe, hat auch ein Schiff nach Borkum und <strong>eines</strong> nach Greetsiel geliefert. Er<br />

wollte mit mir um beide Schiffe wetten, während mein Schiff noch auf der<br />

Werft war. Sie würden schneller segeln als die ‚Johanna‘. Wenn ich angenom-<br />

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Ditjes un` Datjes<br />

men hätte, hätte er beide Schiffe verloren. Was für ein dummer Kerl“.<br />

Die Erfahrungen mit dem neuen Schiff lassen sich wie folgt zusammenfassen:<br />

„Ich bin in jeder Hinsicht mit meinem Schiff zufrieden. Und nochmals vielen<br />

Dank für die gute Arbeit. Das Schiff ist so dicht wie eine Flasche. Wir müssen<br />

niemals pumpen “.<br />

Klaas Gerhards schickt mit dem <strong>Brief</strong> einen Segelplan für 1886. Auf<br />

diese Weise kann Croles einen geeigneten Termin für einen Besuch<br />

mit seinem Sohn Jelle auswählen. Wenn Croles dies 14 Tage im Voraus<br />

meldet, wird Gerhards ihn in Delfzijl abholen.<br />

Der <strong>Brief</strong> endet mit den besten Wünschen für das Jahr 1886 und ist mit<br />

„Ihr Freund KE Gerhards“ signiert.<br />

Über den Autor dieses Artikels<br />

<strong>Simon</strong> <strong>Schermerhorn</strong>, Jahrgang 1952, veröffentlicht<br />

Artikel zu maritimen Themen und<br />

sammelt maritime Gemälde nach einer Karriere<br />

als ICT-Manager. Er lebt in Friesland (Niederlande)<br />

und hat mit seinem Schiff Moente<br />

bereits zweimal Borkum und anderen deutsche<br />

Nordsee-Inseln besucht.<br />

Kontakt: s.schermerhorn@planet.nl<br />

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