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Dissertation

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ung gefragt wird, so ist damit nicht nur eine ideologische Umorientierung in der Lehre ge-<br />

meint, sondern allgemein eine politisch zu deutende Veränderung im Angebotsspektrum auch<br />

in Hinblick auf kriegsrelevante Unterrichtsthemen. Eine deutliche Beeinflussung zeigte sich<br />

nach 1945, hervorgerufen durch die Re-education-Politik in Verbindung mit der geistigen<br />

Verunsicherung durch Kriegsgreuel, Konzentrationslager und Atombomben, um nur die<br />

wichtigsten Schlagworte zu nennen. Erkennbar ist sie unter anderem am Aufleben des<br />

studium generale in den ersten Nachkriegsjahren. Die klassische humanistische Bildung<br />

gewann an Bedeutung; man suchte ein Weltbild, das vor allem den jungen Menschen Halt<br />

bieten konnte. 57 Auch die Göttinger Naturwissenschaftler beteiligten sich am studium<br />

generale. Welche Inhalte sie vermittelten, zeigt Kapitel 4.<br />

0.5 Über Modellannahmen zur Wissenschaftsentwicklung<br />

Um die Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Politik analytisch erfassen zu können,<br />

schlug Mitchell Ash ein Challenge-Response-Modell vor, das allerdings bis jetzt nur in skiz-<br />

zenhafter Form vorliegt. 58 Politische Veränderungen, die nichts mit Wissenschaft im engeren<br />

Sinn zu tun haben müssen, konnten Wissenschaftswandlungen ermöglichen oder stimulieren,<br />

indem sie neue Zielsetzungen, Probleme oder Herausforderungen aufwarfen, die von den<br />

Wissenschaftlern aufgegriffen oder abgewehrt wurden. Weder Kontinuität noch Wandel<br />

waren in solchen Zeiten selbstverständlich; beides musste von der daran interessierten Seite<br />

erst durchgesetzt werden. Die Betonung liegt auf dem Aushandlungsprozess und nicht auf<br />

dem (vermeintlich zu erwartenden) Ergebnis. Ash spricht daher von<br />

„Ermöglichungsverhältnissen“, welche die Verzahnung von Wissenschaft und Politik<br />

beschreiben. 59<br />

Meiner These zu Folge waren die einzelnen Physikinstitute durch die dort vorhandenen,<br />

engen kollegialen Bindungen der maßgebende Ort für den Verlauf der Nazifizierung wie<br />

Entnazifizierung. Daher fungieren sie in der Analyse der Göttinger Physik als Grundeinheit<br />

der Betrachtung. An ihrer Spitze stand der Institutsdirektor. Er war der einzige Ordinarius im<br />

Institut; die anderen Institutsmitglieder, zu denen ein deutliches Machtgefälle herrschte,<br />

waren außerplanmäßige Professoren, Privatdozenten, Assistenten, Hilfsassistenten und<br />

57 Die deutschen Professoren bekannten sich auf der ersten Nachkriegs-Hochschulkonferenz im September 1945<br />

in Göttingen einstimmig zu der von dem späteren Kultusminister Adolf Grimme geforderten „Rückkehr zum<br />

humanistischen Gymnasium, als dem dringendsten Erfordernis im Erziehungswesen“. Siehe Heinemann (Hrsg.)<br />

[1990]c S. 66ff.<br />

58 Siehe Ash [1995]a und [1999] S. 353f.<br />

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