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moneyeditorial<br />

EDITORIAL<br />

FRANK MERTGEN<br />

STELLV. CHEFREDAKTEUR FOCUS-MONEY<br />

Wahnsinn mit Methode<br />

Corona hat viele Nebenfolgen. Die Pandemie brachte auch die Diagnose, dass<br />

der deutsche Staat längst nicht so effektiv ist, wie man in nostalgischer Erinnerung<br />

glauben mochte. Deutschland hinkt etwa bei der Digitalisierung hinterher,<br />

egal, ob es um Gesundheitsbehörden oder Schulen geht. Überraschend? Kaum.<br />

Ich zitiere einmal aus meinem Editorial vom 2. Mai 2018: „Müssen Sie auch immer<br />

Urlaub nehmen, wenn Sie ein Auto ummelden wollen oder andere Amtsbesuche anstehen?<br />

Im Koalitionsvertrag von 2013 stand: Zumindest die 100 wichtigsten und<br />

am häufigsten genutzten Verwaltungsleistungen sollten innerhalb der nächsten vier<br />

Jahre bundesweit einheitlich online angeboten werden. Das hat ein Land wie Estland (!)<br />

schon vor 15 Jahren geschafft. Deutschland rangiert hier im EU-Vergleich auf Rang<br />

20 und hat sich den Ruf als digitales Entwicklungsland redlich verdient.“<br />

Schludereien statt solides Handwerk – mehr traut man sich ja gar nicht mehr zu<br />

verlangen – sind auch in anderen Bereichen des Staats-Handelns zu finden, in der<br />

Gesetzgebung etwa. Frei nach dem Berliner (Landesregierung) Motto: Wir erlassen<br />

eine offenkundig verfassungswidrige Mietpreisbremse, die gilt dann genau so lange,<br />

bis das Bundesverfassungsgericht sie verwirft.<br />

Das kann der Bund in der Steuergesetzgebung auch. Die von Fachleuten schon lange<br />

vorgebrachten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rentenbesteuerung wurden<br />

jahrelang ignoriert. Bis vergangene Woche, als der Bundesfinanzhof (BFH) die<br />

unzulässige Doppelbesteuerung vor allem künftiger Rentner-Jahrgänge feststellte.<br />

Und der Politik eine neue Formel für die Berechnung der Rentenbesteuerung vorgab.<br />

Welch eine Klatsche. Faszinierend, wie routiniert der Bundesfinanzminister die einsteckte<br />

und im Wahlkampf gleich zu einer Vorwärtsverteidigung zu nutzen suchte:<br />

„Die nächste Legislaturperiode muss direkt mit einer Steuerreform beginnen.“ Die Korrektur<br />

der Doppelbesteuerung wird künftig, etwa 2040, einen zusätzlichen zweistelligen<br />

Milliardenbetrag kosten – jedes Jahr. Darauf ist natürlich niemand eingestellt<br />

in einer Koalition, die mit ständigen Leistungsausweitungen dafür gesorgt hat, dass<br />

der jährliche Bundeszuschuss zur Rente von gut 62 Milliarden Euro (2015) bis 2025<br />

– so die Prognose – auf rund 119 Milliarden Euro fast verdoppelt werden muss.<br />

Aber ist die sehenden Auges in Kauf genommene Doppelbesteuerung der Rentner<br />

eine Ausnahme im Steuerrecht? Keineswegs. Anleger wissen das nur zu gut.<br />

Beispiel Solidaritätszuschlag. Den müssen viele Einkommensteuerzahler <strong>2021</strong><br />

zwar nicht mehr berappen, wohl aber weiter in voller Höhe Anleger (sowie viele Betriebe,<br />

siehe FOCUS-MONEY 37/2019). Auch zum Soli liegt schon eine Musterklage<br />

beim BFH. Immerhin hat das bereits dazu geführt, dass mit Schreiben des Bundesfinanzministeriums<br />

vom 4. Januar <strong>2021</strong> für die „Veranlagungszeiträume ab 2020“<br />

die Steuerfestsetzung des Solidaritätszuschlags automatisch nur vorläufig ist. Das<br />

wirkt schon wie ein Eingeständnis der Verfassungswidrigkeit.<br />

Beispiel Investmentsteuergesetz. Ein Fondssparer klagt gegen eine Übergangsregel<br />

im Investmentsteuergesetz. Betroffen sind zahlreiche Anleger, die vor der Investmentsteuerreform<br />

2018 Fondsanteile erworben hatten und ab 2018 verkauft<br />

haben. Im Fall des Klägers werden laut Bund der Steuerzahler „danach Fondsgewinne<br />

besteuert, die er tatsächlich gar nicht erzielte. Nach dem Gesetz ist es sogar möglich,<br />

dass die Steuerlast den Gewinn übersteigt und damit die Vermögenssubstanz<br />

verzehrt.“ Das hatte FOCUS-MONEY auch schon in Ausgabe 8/2019 vorgerechnet.<br />

Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode (Shakespeare).<br />

MEINE LESETIPPS<br />

INFLATION,<br />

NA UND?<br />

Sie finden in unserer Titelstory viele<br />

Analysen zur Inflation. Auch Lehren<br />

aus der Geschichte – wenn zum<br />

Beispiel Konzerne schon in den<br />

70er-Jahren zwei Ölpreisexplosionen<br />

weggesteckt haben, sollten ihre Aktien<br />

auch jetzt Schutz bieten Seite 26<br />

HIDDEN<br />

CHAMPIONS<br />

In der Schweiz sind innovative<br />

Mittelständler fast noch wichtiger<br />

und erfolgreicher als hierzulande.<br />

Eine große Studie untersucht solche<br />

heimlichen Gewinner – hier sind die<br />

Aktien dreier Top-Firmen Seite 30<br />

DIE GROSSE<br />

AKTIENANALYSE<br />

In der Corona-Pandemie haben sich<br />

die Menschen europaweit Haustiere<br />

zugelegt, die sie verwöhnen. Kann<br />

Tierbedarfsversender Zooplus das<br />

Tempo halten? Seite 48<br />

Ihr<br />

FOCUS-MONEY <strong>24</strong>/<strong>2021</strong><br />

Foto: S. Ugurlu/FOCUS-MONEY Composing: FOCUS-MONEY<br />

3


moneyinhalt<br />

9. JUNI <strong>2021</strong> www.money.de<br />

moneykompakt<br />

6 Brennpunkt Krypto: Wie es nach<br />

dem Kurscrash weitergeht<br />

98 Andis Börsenbarometer: Knapp<br />

acht Prozent Rendite mit ETFs auf<br />

die „Welt-AG“<br />

moneytitel<br />

8 Interview: Börsenexperte Stefan<br />

Riße erklärt, warum die Zeiten der<br />

Preisruhe vorbei sind, was<br />

Bürgern und Sparern droht – und<br />

wie sie sich wehren<br />

12 Studie: Welche Inflationsszenarien<br />

drohen und wie Anleger<br />

ihr Geld retten<br />

18 Goldminen: Die Top-Werte aus<br />

der zweiten Reihe<br />

21 Starke Aktien: Mit diesen Aktien<br />

sind Anleger auf der sicheren<br />

Seite – Procter & Gamble,<br />

Johnson & Johnson, Coca-Cola,<br />

LVMH und Allianz<br />

<strong>24</strong> US-Inflationsschutz: Aktien für<br />

den Konter gegen die teurere<br />

Lebenshaltung<br />

26 Analyse: Ein Vergleich mit<br />

früheren Teuerungsperioden<br />

bringt die Gewinner ans Licht<br />

moneymarkets<br />

30 Schweizer Aktien: FOCUS-MONEY<br />

stellt drei Nischen-Champions vor<br />

– LEM, Bachem und Komax<br />

34 SAF-Holland: Für den Truck-<br />

Zulieferer geht es wieder aufwärts<br />

8<br />

Zeitbombe Inflation<br />

Schuldenwahnsinn, Rohstoffrally und Rekordersparnis<br />

– der Giftcocktail für eine Superinflation<br />

ist gemixt. Wie schlimm wird’s an der Preisfront<br />

und was bedeutet das für Ihr Geld? FOCUS-<br />

MONEY zeigt, wie Anleger jetzt klug<br />

investieren und die Inflation<br />

auskontern<br />

35 Fashionette: Die Online-Plattform<br />

für Modeaccessoires expandiert<br />

36 BEACH-Aktien: Welche Urlaubsaktien<br />

vor dem Giga-Boom stehen<br />

39 Wienerberger: Der Ziegelbauer<br />

profitiert von Aufholeffekten<br />

40 Adva Optical: Die Aktie des<br />

Netzwerkprofis ist heiß<br />

42 Blockchain: Mit den richtigen<br />

Fonds und Zertifikaten vom<br />

Mega-Boom profitieren<br />

46 Low Beta: Mehr Rendite bei<br />

weniger Risiko – dieser Aktienmix<br />

macht’s möglich<br />

52 Direktmarketing: Diese Konsumaktien<br />

liegen besonders im Trend<br />

54 Tech-Bonuszertifikate: Mit<br />

diesen Papieren überbrücken<br />

Anleger die Durststrecke<br />

57 Sprout Social: Der Marketingprofi<br />

ist bei Social-Media-Firmen heiß<br />

begehrt – die Aktie auch<br />

58 Musterdepots: Frank Fischer<br />

greift bei Alibaba zu<br />

moneyyou<br />

48 Aktienanalyse: Warum die<br />

Sonderkonjunktur für Zooplus<br />

nach Corona weitergeht<br />

51 Chartsignal der Woche: Die<br />

Deutsche Post vor Kaufsignal<br />

51 Börsenwissen: Was „Goldenes<br />

Kreuz“ und „Todeskreuz“ in der<br />

Charttechnik bedeuten<br />

4<br />

Titelfoto: Fotolia FOCUS-MONEY <strong>24</strong>/<strong>2021</strong>


moneyanlegerschutz<br />

59 Megaboom SPACs: Auf welche<br />

Fallstricke Anleger achten sollten<br />

59 Experten-Tipp: Warum zahlen<br />

Firmen Cyberkriminellen Geld?<br />

moneyservice<br />

60 Steuerberater: Wer gehört zu den<br />

Besten hierzulande? Der große<br />

FOCUS-MONEY-Test verrät es<br />

72 Sterbegeldpolicen: Welche<br />

Assekuranzen die besten Tarife<br />

im Portfolio haben<br />

76 Fertighäuser: Der Traum vom<br />

Eigenheim lebt. Tipps zur<br />

Finanzierung und staatlichen<br />

Förderung<br />

moneyanalyse<br />

81 Fonds<br />

82 Deutsche Aktien<br />

90 Internationale Aktien<br />

96 ETFs<br />

97 Zertifikate<br />

36<br />

Bella Figura<br />

Nach der Krise ist vor dem Boom: Die Aussichten für die Urlaubsindustrie<br />

werden mit jedem Tag besser. FOCUS-MONEY zeigt, welche BEACH-Aktien<br />

bald durchstarten und kräftig Sonne ins Depot bringen<br />

42<br />

Auf Erfolg programmiert<br />

Die Blockchain-Technologie hat<br />

ihren Siegeszug angetreten. Mit<br />

welchen Fonds und Zertifikaten<br />

Anleger das Jahrhundertthema<br />

breit gestreut spielen können<br />

moneyrubriken<br />

3 Editorial<br />

80 Leserbriefe – Impressum<br />

98 Termine<br />

48<br />

Tierisch gut<br />

Der Tierbedarf-Profi Zooplus profitiert von der<br />

Corona-Pandemie gleich mehrfach.<br />

FOCUS-MONEY zeigt, warum die Sonderkonjunktur<br />

noch eine ganze Weile anhält<br />

30<br />

„Der Bruttogewinn pro Stunde ist in der Schweizer<br />

Industrie doppelt so hoch wie in konkurrierenden Staaten“<br />

JEAN-PIERRE JEANNET, MARKETING-PROFESSOR, SPEZIALIST SCHWEIZER NEBENWERTE<br />

FOCUS-MONEY <strong>24</strong>/<strong>2021</strong> Fotos: EZB, iStock, 123RF, Depositphotos<br />

Composing: FOCUS-MONEY<br />

5


moneytitel<br />

INTERVIEW<br />

Inflation ist Folge und Lösung<br />

des Verschuldungsproblems“<br />

Praxisnah und logisch stringent erklärt<br />

Stefan Riße in seinem neuen Buch,<br />

warum die Zeiten der Preisruhe vorbei<br />

sind, was Bürgern und Sparern droht<br />

– und wie sie sich wehren<br />

von BERND JOHANN<br />

„Die Inflation kommt“ lautet der Titel Ihres neuen Buches.<br />

Das klingt sehr bestimmt. Lehnen Sie sich da nicht zu weit<br />

aus dem Fenster? Die Mehrheit der Experten sieht das ganz anders<br />

und erwartet schlimmstenfalls einen Preisbuckel als Echo<br />

auf die Pandemie.<br />

Stefan Riße: Das eine schließt das andere nicht aus. Es ist<br />

durchaus möglich, dass der aktuelle, vor allem auch durch<br />

Basiseffekte ausgelöste Preisauftrieb in vielen Bereichen wieder<br />

etwas abklingt. Ich beziehe mich aber nicht nur auf <strong>2021</strong><br />

oder 2022, sondern auf die ganze Dekade und auch noch länger.<br />

Und da, befürchte ich, bleibt es nicht bei einem Preisbuckel.<br />

Da kommt eine ganze Inflationswelle.<br />

Was macht Sie da so sicher? Die in der Pandemie aufgestaute<br />

Nachfrage ist irgendwann befriedigt. Auch die staatlichen<br />

Stützungsprogramme laufen nicht ewig.<br />

Stefan Riße: In diesen Punkten mögen Sie<br />

recht haben. Ich denke mehr an die<br />

8 FOCUS-MONEY <strong>24</strong>/<strong>2021</strong>


grundlegenden Trends. Vor allem die<br />

Globalisierung leistete praktisch seit Anfang<br />

der Neunzigerjahre einer deflatorischen<br />

Entwicklung Vorschub. Dieser<br />

Trend läuft aus. Künftig werden wir eine<br />

inflatorische Grundtendenz haben, die<br />

unweigerlich zu steigenden Preisen<br />

führt.<br />

Und wo soll diese herkommen?<br />

Stefan Riße: Ein Kernfaktor ist die Demografie.<br />

Dank Globalisierung wurden<br />

über praktisch drei Jahrzehnte billige Arbeitskräfte<br />

etwa aus China und Osteuropa<br />

in den globalen Produktionsprozess<br />

eingebunden. Das wirkte lohndämpfend.<br />

Mittlerweile altert aber auch dort die Bevölkerung,<br />

das Reservoir trocknet aus.<br />

Gleichzeitig verdienen die ehemaligen<br />

Billigkräfte besser, was Konsum und<br />

Nachfrage antreibt. Konkret: Ein massiver<br />

deflatorischer Faktor, der über lange<br />

Jahre dämpfend wirkte, dreht sich um. Zwar nicht sofort,<br />

aber ab 2025 kippt das Ganze. Und das ist nicht alles.<br />

Was soll die Preise noch hochtreiben?<br />

Stefan Riße: Die Löhne. Sie werden gleich doppelt zu einem<br />

starken Motor. Der erste Aspekt ist rein politisch. Die Globalisierung<br />

schuf viele Gewinner, aber auch Verlierer, vor allem<br />

in den unteren Einkommensschichten. Die Löhne stiegen<br />

hier oft nur mäßig. So etwas fördert politischen Extremismus.<br />

Es ist zu bezweifeln, dass etwa in den USA ohne diese<br />

Benachteiligten ein Donald Trump hätte Präsident werden<br />

können. Auch in Europa erhalten extreme Parteien Zulauf.<br />

Hier wird die Politik gegensteuern.<br />

Und wie?<br />

Stefan Riße: Denken Sie an die Diskussion um ein Bürgergeld,<br />

nicht nur in Deutschland. Und die plötzlichen Forderungen<br />

nach einer massiven Erhöhung des Mindestlohns<br />

jetzt in den USA von 7,25 auf 15 Dollar und bei uns auf zwölf<br />

Euro. Die Regierenden fürchten offenbar um den sozialen<br />

Frieden. Mit Blick auf die Preise führt das zur Verteuerung<br />

von Dienstleistungen oder anderen arbeitsintensiven Tätigkeiten.<br />

Das ist ein Klassiker, zumal sich auch bei Höherqualifizierten<br />

die Lohnspirale nach oben dreht. Einen immer<br />

stärker drückenden Fachkräftemangel gibt es ja nicht nur in<br />

Deutschland. Stichworte IT oder Seniorenpflege.<br />

Das ist eher die mittlere Sicht. Kurzfristig spricht das nicht unbedingt<br />

gegen eine Preisentspannung nach Corona.<br />

Stefan Riße: Ja, das sind die langfristigen, generellen<br />

Grundtrends. Aber schon jetzt beginnen weitere Dinge zu<br />

greifen, Einzelfaktoren, die im Bündel gleichfalls klar inflationär<br />

wirken. Die Pandemie sprachen wir schon an. Neben<br />

einem Nachfragestau bewirkt sie auch ein kleineres Angebot,<br />

wegen Pleiten oder Lieferschwierigkeiten durch Störung<br />

der Einkaufsketten. Beispiele: Halbleitermangel, der<br />

DIE INFLATION KOMMT – wie<br />

Sie sich schon jetzt schützen:<br />

Das 280 Seiten starke Werk von<br />

Autor Stefan Riße erschien im<br />

Münchner Finanzbuch-Verlag<br />

Autofabriken lahmlegte, oder Mangel an<br />

Holz für den Bau. Die Anlieferung „just<br />

in time“ aus allen Ecken der Welt funktioniert<br />

nicht mehr und wird im Fall China<br />

auch politisch hinterfragt. Das betrifft<br />

neben Mikrochips etwa Dinge wie Pharmazeutika,<br />

Mobiltelefone, Batterien für<br />

E-Autos und so fort. Die Firmen werden<br />

daraus ihre Lehren ziehen und mehr vor<br />

Ort produzieren lassen, auch wegen des<br />

neuen Lieferkettengesetzes. Das ist teurer,<br />

und diese Kosten werden sie in den<br />

Preisen weitergeben. Kurz: Das künftige<br />

Mehr an Sicherheit und Nachhaltigkeit<br />

in Lieferketten wird der Verbraucher mit<br />

höheren Preisen bezahlen.<br />

Sie sprachen von mehreren Treibern?<br />

Stefan Riße: Hinzu kommen die Rohstoffpreise.<br />

Das wird noch völlig unterschätzt,<br />

weil man sich über die Jahre eher<br />

an Stagnation oder Verbilligung gewöhnt<br />

hat. Dabei steigen die Preise für Rohöl und Stahl parallel zur<br />

Erholung der Wirtschaft vor allem in China bereits klar an.<br />

Und es ist absehbar, dass die Förderung von Elektromobilität<br />

und erneuerbaren Energien in Europa und neuerdings<br />

auch in den USA zu einer nachhaltigen Verteuerung hierfür<br />

benötigter Metalle wie Kupfer, Zinn, Nickel, Kobalt oder Silber<br />

führt. Das wird auf die Produktpreise durchschlagen,<br />

auch in vielen anderen Branchen.<br />

Einen weiteren Inflationsmotor bilden Immobilien und<br />

Mieten. Zum Teil ist der globale Preisboom hier Ausfluss der<br />

Inflation der Vermögenspreise, ausgelöst durch die Geldflut<br />

der Notenbanken und extrem tiefe Zinsen. Speziell in<br />

Deutschland, wo Bauen wegen gesetzlicher Vorschriften<br />

schon jetzt so teuer ist wie sonst nirgends, wird die Energiewende<br />

mit den Themen Isolierung und moderne Heizung<br />

immer mehr Geld verschlingen. Zudem wird die Dekarbonisierung<br />

Energie massiv verteuern. Damit steigen die Immobilienpreise<br />

weiter und natürlich auch die Mieten. Dinge<br />

wie Mietpreisbremsen sind da eher Zeichen politischer<br />

Hilflosigkeit.<br />

Das klingt nicht gut. Also haben die Finanzmärkte doch recht, wenn<br />

sie eine höhere Inflation einkalkulieren und negativ reagieren?<br />

Stefan Riße: Ja und nein. Richtig liegen sie, wenn sie sich<br />

auf eine höhere Teuerung einstellen. Falsch liegen sie, wenn<br />

sie deswegen negativ reagieren. Denn ein entscheidendes<br />

Korrektiv fällt diesmal aus: die Notenbanken. In der Vergangenheit<br />

setzte nicht die Inflation an sich den Börsen zu, sondern<br />

die dadurch ausgelösten Bremsmanöver der Zentralbanken.<br />

Anfang der 1980er-Jahre gab es Leitzinsen von 20<br />

Prozent in den USA und 7,5 Prozent in Deutschland, als die<br />

Inflation bis 14 Prozent in den Staaten und auf mehr als sechs<br />

bei uns hochschnellte. Klar, dass das den Märkten zusetzte.<br />

Heute sind selbst auch nur ansatzweise hohe Zinsen undenkbar.<br />

Gegenwehr von den Notenbanken ist sogar bei stärker<br />

anziehenden Preisen diesmal kaum zu befürchten.<br />

FOCUS-MONEY <strong>24</strong>/<strong>2021</strong><br />

9


moneytitel<br />

INFLATION<br />

Am Anfang<br />

war das Geld . . .<br />

... dann druckten die Notenbanken immer<br />

mehr davon. Klar, dass das die Teuerung<br />

anheizt – aktuell vielleicht sogar besonders<br />

heftig. Das zeigt eine brisante Studie der<br />

Vermögensverwaltung Incrementum.<br />

Wer sein Geld retten will, liest!<br />

von ANDREAS KÖRNER<br />

GIGANTISCHE GELDFLUT:<br />

Notenbanken wie die EZB<br />

pumpen ungebremst<br />

Billionen in den Markt<br />

12<br />

FOCUS-MONEY <strong>24</strong>/<strong>2021</strong>


Gut möglich, dass sich viele Deutsche noch ärgern werden,<br />

dass sie während der Corona-Krise so eisern gespart<br />

haben. Einerseits hatten sie durch die Ausgangsbeschränkungen<br />

ohnehin weniger Möglichkeiten, zu<br />

shoppen oder zu reisen. Andererseits haben sie aus Angst vor<br />

Konjunktureinbruch und Jobverlust so viel zur Seite gelegt<br />

wie noch nie. Die DZ Bank hat ermittelt, dass die Sparquote<br />

im vergangenen Jahr auf 17 Prozent des verfügbaren Einkommens<br />

gesprungen ist (2019: elf Prozent). Die Bürger<br />

packten allein in diesen zwölf Monaten 330 Milliarden Euro<br />

auf die hohe Kante – 100 Milliarden mehr als im Jahr davor.<br />

Insgesamt ist das Barvermögen hierzulande 2020 auf den<br />

Rekordwert von 7,1 Billionen Euro gestiegen.<br />

Doch was passiert mit all dem schönen Geld, das großteils<br />

auf Konten, in Zinspapieren oder Versicherungspolicen<br />

schlummert? Nichts Gutes, wenn man der brandaktuellen<br />

Studie mit dem Titel „Der monetäre Klimawandel“ der Liechtensteiner<br />

Vermögensverwaltung Incrementum glaubt. Und<br />

genau dafür gibt es gewichtige Gründe. Schon zuletzt ist die<br />

Geschwindigkeit der Geldentwertung in den USA mit 4,2<br />

Prozent regelrecht explodiert, auch die aktuelle Mai-Rate für<br />

Deutschland von 2,5 Prozent liegt meilenweit über den zuletzt<br />

gewohnten Werten. Mittlerweile geht sogar die Bundesbank<br />

davon aus, dass die Rate noch <strong>2021</strong> zeitweise auf über<br />

vier Prozent steigt. Der Sprung ist riesig, wenn man bedenkt,<br />

dass die Teuerungswerte noch vor Jahresfrist negativ waren.<br />

Bereits zum 28. Mal erscheint das Incrementum-Werk, das<br />

als weltweit umfangreichste Analyse zum Goldmarkt gilt, der<br />

untrennbar mit der Inflationsthematik verwoben ist. Längst<br />

avancierte die turnusmäßige Untersuchung zum „Goldstandard“<br />

unter Finanzprofis. Stolze 357 Seiten umfasst die diesjährige<br />

Ausgabe. Die Incrementum-Geschäftsführer Mark J.<br />

Valek und Ronald-Peter Stöferle zählen zu den profiliertesten<br />

Edelmetallexperten in der Finanzwelt. Für die beiden ist klar:<br />

Es drohen nicht weniger als ein „Paradigmenwechsel“ und „ein<br />

monetärer Klimawandel“. Vor uns liege ohne Zweifel „eine Phase<br />

höherer Inflationsraten“ – vielleicht sogar viel höherer. Dennoch<br />

würden die Notenbanken die Realzinsen „auch in der<br />

nächsten Dekade im negativen Bereich“ halten und quasi „ohne<br />

Mengenbeschränkung“ Geld drucken. Klar, dass das die Teuerung<br />

und den Goldpreis massiv treiben dürfte. Welches (beeindruckende)<br />

Kursziel die Incrementum-Profis ausrufen, erfährt,<br />

wer diesen Text zu Ende liest. Im Anschluss werden ausführlich<br />

kluge Goldinvestments vorgestellt, mit denen auch Normalanleger<br />

die drohende Geldentwertung kontern können.<br />

Vorsicht, das Klima dreht<br />

Was uns erwartet. Doch was bedeutet „monetärer Klimawandel“<br />

genau für die Anleger und Verbraucher, die Angst<br />

um ihre Euros haben?<br />

„Wir spielen damit auf einen vielschichtigen Paradigmenwechsel<br />

an, der durch die Pandemie und die politischen Reaktionen<br />

darauf ausgelöst wurde“, so Stöferle und Valek. Der<br />

fiskalische Konservativismus sei schon seit geraumer Zeit auf<br />

dem Rückzug. Im Euro-Raum herrschte im Nachklang der<br />

Griechenland-Krise – insbesondere auf Betreiben Deutschlands<br />

– noch das Credo der schwäbischen Hausfrau. Doch<br />

spätestens seit der Pandemie fänden Regierungen zuneh-<br />

Mehr Geld-Druck als in den Siebzigern<br />

In den USA ist die Geldmenge (M2*) durch coronabedingte<br />

Konjunktur- und Notenbankprogramme<br />

stärker gewachsen als in der berüchtigten Inflationsdekade<br />

(Extra-Artikel dazu auf Seite 26).<br />

Das Geldmengenwachstum ist rasanter<br />

als in den 1970er-Jahren<br />

1960 70 80 90 00 10 20<br />

Quelle: Incrementum; *Bargeld und Sichteinlagen Jahresvergl.<br />

Die Geldmenge läuft voraus<br />

Auch in den anderen Industrieländern (OECD) ist<br />

die Summe des umlaufenden Geldes (hier M3*)<br />

drastisch angestiegen. Da diese den Trend für die<br />

Preise vorgibt, droht den Konsumenten Ungemach.<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

OECD-Geldmenge vs. OECD-Inflation (CPI)<br />

in Prozent<br />

OECD-Inflation<br />

OECD-Geldmenge<br />

0<br />

–4<br />

1981 84 87 90 93 96 99 02 05 08 11 14 17 2020<br />

Quellen: Fed St. Louis, Incrementum; *M2 plus Termineinlagen<br />

Wehe, wenn die Geschwindigkeit steigt<br />

Ein zentraler Faktor für die Inflation ist das Tempo,<br />

mit dem Geld* zirkuliert. Während der Pandemie<br />

ging dieses, wie hier exemplarisch für die USA gezeigt,<br />

stark zurück und bremst die Teuerung – noch.<br />

Die Umlaufgeschwindigkeit ist sehr niedrig<br />

1960 70 80 90 00 10 20<br />

Quelle: Incrementum; *hier M2<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

12<br />

8<br />

4<br />

0<br />

2,0<br />

1,8<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1,0<br />

FOCUS-MONEY <strong>24</strong>/<strong>2021</strong> Fotos: EZB Composing: FOCUS-MONEY<br />

13


moneytitel<br />

GOLDMINE: Relativ stabile<br />

Kosten sind bei den<br />

fundamental guten Minen<br />

Basis für satte Gewinnmargen<br />

Wenn Größe für Qualität spricht<br />

Die größten Goldproduzenten nehmen auch die<br />

meisten Top-Positionen in den Portfolios der Branchenfonds<br />

ein.<br />

Anzahl Top-Positionen in<br />

Goldminenfonds-Portfolios<br />

Abbaukosten im Goldbergbau<br />

Instandhaltungsinvestitionen<br />

Sonstiges<br />

Administration<br />

Exploration<br />

operativ<br />

Newmont 16<br />

Kinross Gold 12<br />

Agnico Eagle Mines 11<br />

Gold Fields 11<br />

Endeavour Mining 10<br />

Kirkland Lake Gold 10<br />

Anglogold Ashanti 9<br />

Barrick Gold 9<br />

Pan American Silver<br />

8<br />

Wheaton Precious Metals 8<br />

nicht in Top 10<br />

des Nyse-Gold-<br />

Bugs-Index<br />

oder VanEck-<br />

Vectors-Gold-<br />

Miners-ETF<br />

enthalten<br />

Kosten unter Kontrolle<br />

Eine Kostenwelle beim Goldabbau sollte im neuen<br />

Goldpreiszyklus nicht so stark ausfallen wie 2012.<br />

Die Gewinnmargen dürften daher hoch bleiben.<br />

Risiko: höhere Besteuerung und Abgaben.<br />

2004 06 08 10 12 14 16 18 2020<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

Quelle: TD Securities Quellen: Fonds, FOCUS-MONEY<br />

GOLDMINEN<br />

Über den Tellerrand<br />

schauen<br />

Fondsmanager wählen ihre Favoriten penibel<br />

aus. Oft müssen sie sich aber auch an die<br />

größten Goldproduzenten halten. Ein Blick<br />

auf die zweite Reihe sollte für Anleger lohnen<br />

von JOHANNES HEINRITZI<br />

Ein Putsch in Mali, ein Streik in Chile, verfrühter Wärmeeinbruch<br />

in Kanada oder das Fehlen von Ersatzteilen<br />

in der Türkei – es gibt viele Gründe, warum die<br />

Aktien von Goldproduzenten plötzlich in die Knie gehen können.<br />

Auf der anderen Seite gehen die Kurse durch die<br />

Decke, wenn es zu neuen Goldentdeckungen kommt, sich<br />

eine Übernahme anbahnt oder auch ein prominenter Branchenkenner<br />

bei einem Projektentwickler einsteigt. Manager<br />

von Goldminenfonds können in der Regel schnell reagieren.<br />

Sie sitzen nahe an den Informationsquellen und haben für<br />

gewöhnlich gute Branchen- und Unternehmensanalysten an<br />

der Hand. Privatanleger erkennen meist erst am Aktienkurs,<br />

dass es neue Entwicklungen gibt. Das gilt für negative wie<br />

auch für positive Entwicklungen. Als im heutigen Umfeld po-<br />

18 Foto: Bloomberg<br />

FOCUS-MONEY <strong>24</strong>/<strong>2021</strong>

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