Broschüre "Häusliche Gewalt gegen ältere Frauen"
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Ko-finanziert von der<br />
Europäischen Union<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
<strong>gegen</strong> <strong>ältere</strong> Frauen
Impressum:<br />
Österreichisches Rotes Kreuz, Generalsekretariat, Wiedner Hauptstraße 32, 1041 Wien,<br />
ZVR-Zahl: 432857691, E-Mail: service@roteskreuz.at, www.roteskreuz.at<br />
© Österreichisches Rotes Kreuz, September 2020.<br />
Layout und Produktion: markushechenberger.net Werbeagentur<br />
Das Projekt wird von der Europäischen Union (Rights, Equality and Citizenship Programm<br />
(2014-2020)) ko-finanziert. Der Inhalt dieses Leaflets gibt nur die Ansicht der AutorInnen wieder und<br />
die Europäische Union übernimmt keine Verantwortung dafür.
Ältere Frauen als Opfer häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />
Unter den Begriff „häusliche <strong>Gewalt</strong>“ fallen Handlungen körperlicher,<br />
seelischer, sexueller und finanzieller <strong>Gewalt</strong>, sowie Freiheitsbeschränkungen<br />
und Vernachlässigung,<br />
<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> umfasst<br />
• alle <strong>Gewalt</strong>handlungen innerhalb einer Familie unabhängig<br />
davon, ob es einen gemeinsamen Wohnsitz gibt oder nicht<br />
• <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong>über Personen innerhalb eines gemeinsamen<br />
Haushalts<br />
• <strong>Gewalt</strong> zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder<br />
Partner_innen<br />
<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> Frauen ist eine Verletzung der Menschenrechte!<br />
<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> Frauen in Zahlen<br />
Jede dritte Frau hat in der Kindheit körperliche, sexuelle oder<br />
psychische <strong>Gewalt</strong> durch Erwachsene erlebt.<br />
Jede fünfte Frau erlebt ab ihrem 15. Lebensjahr physische und/oder<br />
sexuelle <strong>Gewalt</strong>.<br />
Vier von fünf Frauen wissen nicht, wo sie sich bei <strong>Gewalt</strong> hinwenden<br />
können.<br />
<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> Frauen kennt keine Altersgrenzen. Eine hohe<br />
Dunkelziffer ist besonders bei <strong>ältere</strong>n Frauen zu vermuten.<br />
Persönliche und soziale Hürden verhindern oft, dass diese<br />
Frauen sich aktiv Hilfe suchen.<br />
3
Welche Formen von häuslicher <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong><br />
<strong>ältere</strong> Frauen kommen häufig vor?<br />
• Seelische oder emotionale <strong>Gewalt</strong>: z.B. verspotten, auslachen,<br />
drohen, Kontakte verwehren, vor anderen demütigen, als<br />
Objekt behandeln, ignorieren, …<br />
• Materielle/finanzielle <strong>Gewalt</strong>: z.B. Einkommen unterschlagen,<br />
Bargeld wegnehmen, Besitz ungefragt veräußern, Vorräte plündern,<br />
aber auch gewünschte oder notwendige Anschaffungen<br />
aus dem Budget der Betreffenden verweigern (aus „Sparsamkeit“),<br />
…<br />
• Einschränkung des freien Willens: z.B. gewünschte Unternehmungen/<br />
Beschäftigungen verbieten, zu ungewünschten Aktivitäten<br />
nötigen, Besuche vorschreiben oder unterbinden, Kleidung<br />
oder Aufenthaltsort vorschreiben, Genussmittel entziehen,<br />
jemanden einsperren<br />
• Körperliche <strong>Gewalt</strong>: z.B. zerren, schlagen, stoßen,<br />
verbrühen, …<br />
• Sexueller Missbrauch: z.B. zu sexuellen Handlungen nötigen<br />
oder dafür benutzen, unangemessene Bilder oder Schilderungen<br />
aufzwingen, …<br />
• Vernachlässigung: z.B. Nahrung, Hilfsmittel oder Medikamente<br />
vorenthalten, nicht für die Körperpflege oder Reinigung<br />
von Kleidung und Umgebung von hilfebedürftigen Menschen<br />
sorgen<br />
Bei <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>ältere</strong> Menschen handelt es sich um eine<br />
einmalige oder wiederholte Handlung im Rahmen einer<br />
Vertrauensbeziehung oder um die Unterlassung geeigneter<br />
Maßnahmen, wodurch <strong>ältere</strong>n Menschen Schaden oder Leid<br />
zufügt wird.<br />
Weltgesundheitsorganisation/WHO 2002: Erklärung von Toronto zum Schutz <strong>ältere</strong>r<br />
Menschen vor <strong>Gewalt</strong><br />
4
Risikofaktoren für häusliche <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong><br />
<strong>ältere</strong> Frauen<br />
Es gibt Faktoren und Konstellationen, die das Risiko für häusliche<br />
<strong>Gewalt</strong> erhöhen. Dazu gehören<br />
• eine konflikt- und gewaltbelastete Familiengeschichte<br />
• wechselseitige Abhängigkeiten innerhalb der Familie oder<br />
Lebensgemeinschaft<br />
• eine gemeinsame Wohnung<br />
• soziale Isolation<br />
• Suchtproblematik<br />
• schlechte Wohnverhältnisse, angespannte finanzielle Situation,<br />
Arbeitslosigkeit<br />
• hohe körperliche und seelische Belastung insbesondere bei<br />
Pflegebedürftigkeit<br />
Es gibt Lebensbedingungen, die das Risiko häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />
erhöhen. Es ist wichtig, diese rechtzeitig zu erkennen!<br />
Allgemeine Diskriminierung und Ignoranz fördern<br />
häusliche <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>ältere</strong> Frauen.<br />
Es gibt leider viele negative Vorurteile und abwertende Einstellungen<br />
<strong>gegen</strong>über alten Menschen, insbesondere Frauen. Das trägt<br />
dazu bei, dass respektloses Verhalten, Demütigungen und Übergriffe<br />
toleriert werden.<br />
Manchmal möchten die Menschen im persönlichen Umfeld einer<br />
<strong>ältere</strong>n Frau die <strong>Gewalt</strong>ausübung auch nicht wahrhaben. Vermutete<br />
oder sogar beobachtete Übergriffe werden dann ignoriert<br />
oder verharmlost. Das erschwert es Freund_innen, Nachbar_innen<br />
oder entfernteren Familienmitgliedern die <strong>Gewalt</strong> zu erkennen und<br />
ihr ent<strong>gegen</strong>zutreten.<br />
„Die <strong>Gewalt</strong> lebt davon, dass sie von anständigen Menschen<br />
nicht für möglich gehalten wird.“ <br />
( J.P. Sartre)<br />
5
Woran kann man erkennen, ob jemand von<br />
<strong>Gewalt</strong> betroffen ist?<br />
• Hinweise auf mögliche körperliche <strong>Gewalt</strong><br />
Es sind blaue Flecken, Kratzer, Hautabschürfungen oder<br />
Verbrennungen zu erkennen, oder die Frau weigert sich Kleidungsstücke<br />
abzulegen und verhält sich ängstlich, wenn sich<br />
jemand nähern möchte.<br />
• Hinweise auf mögliche emotionale/seelische <strong>Gewalt</strong><br />
Die Frau wirkt emotional auffallend aufgewühlt oder in sich<br />
zurückgezogen, leidet unter Schlaflosigkeit, ist ungewöhnlich<br />
schreckhaft/verstört oder unsicher, ist „grundlos“ deprimiert. Es<br />
wird in herabwürdigender Weise mit ihr umgegangen.<br />
• Hinweise auf mögliche finanzielle Ausbeutung<br />
Es gibt plötzlich Probleme Rechnungen zu bezahlen oder Unternehmungen<br />
zu tätigen, die Geld kosten. Es besteht Nahrungsmittelknappheit<br />
im Haus, wertvolle Gegenstände fehlen.<br />
• Hinweise auf mögliche Einschränkung des freien Willens<br />
Verabredungen mit Freund_innen werden nicht mehr wahrgenommen,<br />
Vorhaben und Vereinbarungen abgesagt, geliebte<br />
Aktivitäten reduziert. Angehörige schirmen die Betreffende<br />
sehr bestimmt <strong>gegen</strong>über Besucher_innen ab, Telefonate und<br />
Nachrichten werden nicht weitergeleitet.<br />
• Hinweise auf möglichen sexuellen Missbrauch<br />
Besondere Schreckhaftigkeit, Zurückziehen bei Annäherung,<br />
schamhaftes Verhalten bei Berührungen, Nähe wird vermieden,<br />
Angehörige zeigen sich Besucher_innen <strong>gegen</strong>über misstrauisch.<br />
• Hinweise auf mögliche Vernachlässigung<br />
Unzureichende persönliche Hygiene, verschlissene oder<br />
beschmutzte Kleidung, keine Frisur, unsaubere Wohnung,<br />
fehlende Hilfsmittel, Gewichtsabnahme, schlechter Hautzustand<br />
und ausweichende Antworten auf diesbezügliche Nachfragen.<br />
6<br />
Niemand ist absolut vor <strong>Gewalt</strong> gefeit.<br />
<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>ältere</strong> Personen kann jedem und jeder –<br />
und in jeder Familie – passieren!
Pflegebedürftigkeit als Risikofaktor<br />
für <strong>Gewalt</strong>?<br />
Die (ungewohnte) persönliche Abhängigkeit vom Partner oder<br />
von Familienmitgliedern führt bei pflegebedürftigen Personen<br />
manchmal zu Scham und Schuldgefühlen („Belastung sein“). Schuldgefühle<br />
tun jedoch keiner Beziehung gut.<br />
Die mit der Pflege verbundene Rollenumkehr kann zu Verunsicherung<br />
und zu einem Verlust des gewohnten Selbstwertgefühls bei<br />
der pflegebedürftigen Person führen. Auch das ist nicht einfach zu<br />
bewältigen.<br />
Auf Seiten pflegender Angehöriger wirkt sich ein stark fremdbestimmter<br />
Tagesablauf auf die Beziehung aus. „Immer da sein<br />
müssen“ ist sehr belastend.<br />
Weitere Faktoren, die Stress in die Beziehung bringen können, sind<br />
ungewollte Änderungen der Lebensplanung, Isolation, Sorge um<br />
den Gesundheitszustand und Ängste. Hinzu kommt das Gefühl der<br />
Alleinverantwortung, insbesondere wenn der „Partner“ verloren<br />
geht, wie z.B. bei Demenz.<br />
Pflegebedürftigkeit muss nicht zu <strong>Gewalt</strong> führen!<br />
• Wichtig ist es, die Situation zu besprechen – am besten ehrlich<br />
und offen mit allen unmittelbar Beteiligten und mit ausgewählten<br />
möglichen Unterstützern (aus Familie, Nachbarschaft,<br />
Freundeskreis).<br />
• Gestehen Sie sich und anderen ein, dass Sie ungewohnt gefordert<br />
und bisweilen auch überfordert sind.<br />
• Holen Sie sich frühzeitig professionelle Beratung und Hilfe.<br />
• Achten Sie darauf, dass jede/r der Beteiligten seine/ihre Freiräume<br />
für sich selbst behält, und achten Sie auf die Privatsphäre.<br />
• Schließen Sie Alternativen der Gestaltung des Zusammen- oder<br />
auch Getrenntlebens nicht aus: keinen Ausweg aus einer beengenden<br />
Situation zu sehen verstärkt Aggressionen.<br />
7
Warum suchen von <strong>Gewalt</strong> betroffene <strong>ältere</strong><br />
Frauen nicht öfter Hilfe?<br />
Oft bestehen <strong>Gewalt</strong>beziehungen schon über eine sehr lange Zeit.<br />
Der Glaube an Veränderung und das Denken in Alternativen sind<br />
verloren gegangen.<br />
Viele <strong>ältere</strong> Frauen haben kein oder nur ein geringes eigenes<br />
Einkommen, es fehlen Ressourcen für ein angemessenes Auskommen<br />
bzw. Unterkommen.<br />
Oft gibt es wenig Verständnis und Unterstützung seitens der<br />
erwachsenen Kinder.<br />
Bei <strong>Gewalt</strong> durch erwachsene Kinder oder Enkel besteht eine<br />
besonders große Hemmschwelle, dies vor sich selbst und anderen<br />
zuzugeben.<br />
Oft schweigen <strong>ältere</strong> Frauen aus Scham oder aufgrund von<br />
Abhängigkeitsverhältnissen.<br />
8
Wie können Sie helfen?<br />
• Achten Sie auf Ihr Bauchgefühl! Wenn Sie meinen, „da stimmt<br />
was nicht“, dann schauen und hören Sie genauer hin.<br />
• Geben Sie der betreffenden Person zu erkennen, dass Sie bereit<br />
sind zuzuhören.<br />
• Wenn keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht,<br />
lassen Sie sich und der betreffenden Person Zeit und haben Sie<br />
Geduld.<br />
• Vertrauliche Gespräche brauchen Ruhe und einen geschützten<br />
Raum – keinesfalls sollten Sie das Thema eigenmächtig in<br />
Gegenwart Dritter oder gar des potenziellen <strong>Gewalt</strong>täters/der<br />
<strong>Gewalt</strong>täterin ansprechen.<br />
• Nehmen Sie eine klare Haltung <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong> ein, aber bleiben<br />
Sie sachlich.<br />
Jede Frau hat das Recht auf ein Leben ohne <strong>Gewalt</strong> –<br />
in jedem Alter!<br />
9
Wo gibt es Hilfe?<br />
10<br />
Polizeinotruf: 133<br />
sofortige Gefahrenabwehr<br />
Beratungstelefon <strong>Gewalt</strong> und Alter: 0699 11 2000 99<br />
vertrauliche und kostenlose telefonische Beratung von Pro Senectute<br />
Österreich, online unter www.prosenectute.at<br />
Die Pro Senectute Hotline ist die erste Ansprechstelle, wenn Sie<br />
• selbst <strong>Gewalt</strong> erfahren<br />
• <strong>Gewalt</strong>handlungen <strong>gegen</strong> <strong>ältere</strong> Menschen beobachten<br />
• befürchten, bei der Betreuung und Pflege von <strong>ältere</strong>n Menschen<br />
selbst <strong>Gewalt</strong> anzuwenden – zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen<br />
• allgemeine Fragen zum Thema haben<br />
• Informationen zu weiteren Unterstützungseinrichtungen wünschen<br />
Frauenhelpline: 0800 222 555<br />
Online unter www.frauenhelpline.at.<br />
Die Frauenhelpline <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong> bietet rund um die Uhr Informationen,<br />
Hilfestellungen, Entlastung und Stärkung – auch in Akutsituationen.<br />
Telefonseelsorge: 142 (Notruf), täglich 0–24 Uhr<br />
Online unter www.telefonseelsorge.at<br />
Telefon-, E-Mail- und Chat-Beratung für Menschen in schwierigen<br />
Lebenssituationen oder Krisenzeiten.<br />
Ö3-Kummernummer: 116 123<br />
Telefonberatung durch das Rote Kreuz<br />
Täglich zwischen 16 und 24 Uhr hören Ihnen geschulte Rotkreuz-<br />
Mitarbeiter_innen zu, zeigen Lösungswege auf oder stellen den<br />
Kontakt zu weiterführender Betreuung her.
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