Kulturfenster Nr. 03|2021 - Juni 2021
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BLASMUSIK
CHORWESEN
HEIMATPFLEGE
in Südtirol
Nr. 3
JUNI
2021
Traminer Freskenzyklus neu interpretiert
Ausblick und Vorfreude auf das Jugendfestival 2022
Wie die Chormusik auf Krisen reagiert
Poste Italiane SpA – Sped. in a.p. | -70% – NE BOLZANO – 71. Jahrgang – Zweimonatszeitschrift
Poste Italiane SpA – Sped. in a.p. | -70% – NE BOLZANO – 73. Jahrgang – Zweimonatszeitschrift
vorausgeschickt
Aus der Geschichte lernen
Liebe Leserinnen und Leser,
der Heimatpflegeverband widmet seine
Titelgeschichte der neuen, sehr aufschlussreichen
Interpretation des Freskenzyklus
von Bartlme Dill Riemenschneider
in der so genannten „Trinkstube“ des Ansitzes
Langenmantel in Tramin. Dementsprechend
ziert auch der zweigesichtige
römische Gott Janus das Titelbild dieser
Ausgabe. Er ist der Gott des Anfangs und
des Endes, der Gott allen Ursprungs, nach
dem auch der Monat „Januar“ benannt
ist. Wie kaum ein anderer kann er wohl
auch als aktuelles Symbol für das (nahende)
Ende der Corona-Pandemie und
den gemeinsamen Neubeginn stehen.
Gleichermaßen zuversichtlich schaut der
Verband Südtiroler Musikkapellen mit Vorfreude
auf das Jugendfestival 2022, das
Leidenschaft für Musik, Bewegung, Tanz
und Schauspiel vereinen will. Die gleiche
Zuversicht war auch in der Mitgliedervollversammlung
des Verbandes zu spüren,
denn im Rückblick auf dieses besondere
Jahr habe sich vor allem gezeigt, dass
die Blasmusik die Menschen gerade in
schwierigen Zeiten bewegt.
Die Kunst wird diejenige sein, die nach
überstandender Krise die Corona-Zeit aufund
verarbeiten wird, damit wir aus der Geschichte
lernen können. So hat auch die
Chormusik immer schon auf Katastrophen
und Krisen reagiert. Der Akustiker und
Musikwissenschaftler Karsten Blüthgen
gibt dazu im Hauptthema des Chorverbandes
einen interessanten historischen
Überblick, wie die Komponisten dem Unfassbaren
Ausdruck verliehen und dadurch
Trost gespendet haben.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen wiederum
eine unterhaltsame, aber auch informative
Lektüre und einen aufschlussreichen
Blick durch unser „KulturFenster“.
Stephan Niederegger
„
Wenn ich einen Tag nicht übe, merke ich
das. Wenn ich zwei Tage nicht übe, hört
es mein Orchester. Wenn ich drei Tage
nicht übe, hört es mein Publikum.
„
Yehudi Menuhin
„
Die Musik hat von allen Künsten den
tiefsten Einfluss auf das Gemüt. Ein
Gesetzgeber sollte sie deshalb am meisten
unterstützen.
„
Napoleon Bonaparte
KulturFenster
2 03/Juni 2021
Inhalt
In dieser Ausgabe
Heimatpege
Riemenschneider-Fresken neu interpretiert ......................... 4
Nicht nur Beruf, sondern Berufung
Josef Oberhofer geht in Pension........................................ 10
„Wir sind am Puls der Zeit“
Josef Oberhofer im Gespräch ............................................ 12
Espan und Mult
Flurnamen aus der Agrargeschichte, Teil 2........................ 15
Dorferneuerung mit Bürgerbeteiligung
Die Geschäftsstelle des Landes Tirol .................................. 16
Wir sollen authentisch bleiben
Den Tourismus nachhaltig und resilient gestalten............... 18
Dinge des Alltags: Schnapshund und Schnapsschwein...... 19
50 Jahre Einsatz für Natur- und Heimatschutz
„Lia per Natura y Usanzes“ feiert Jubiläum ....................... 20
Die Bergmannstracht
„Glück auf!“ in festlichem Gewand .................................... 22
Großer Einsatz für die Kulturlandschaften Tirols
Im Gedenken an Dipl. Ing. Josef Menardi (1925–2020)..... 23
Chorwesen
Auf Krisen antworten – Chormusik hat schon immer
auf Katastophen und Krisen reagiert.................................. 48
Chorporträt „lautstark“ ...................................................... 52
Eigene Emotonen ausdrücken
Die jugen Rapper Duzzy & LA ........................................... 54
Veranstaltungen und Kurse 2021 ...................................... 55
Unser Lieblingslied
Erfoglreiches Online-Konzert ............................................. 56
Sichere Chorproben in der Pandemie
Webinar mit Bernd Gänsbacher ........................................ 57
Harmonie und Einfachheit
Die Komponistin Annelies Oberschmied im Gespräch........ 58
Blasmusik
Leidenschaft für Musik, Bewegung, Tanz, Schauspiel
Ausblick und Vorfreude auf das Jugendfestival 2022 ......... 24
„Blasmusik bewegt – wieder!“
73. VSM-Mitgliedervollversammlung.................................. 29
Es war einmal … eine Musikkapelle
Bitte um Mitarbeit bei der Suche nach
verschollenen Musikkapellen............................................. 31
50 Jahre Leistungsabzeichen im VSM
Eine Erfolgsgeschichte mit Fortsetzung.............................. 32
70 Jahre Österreichischer Blasmusikverband
Eine umfassende Chronik zum Geburtstag ........................ 33
Jung, rhythmisch, „GiGantisch“
Das „GiGa Percussion Duo“ im Porträt .............................. 34
Brennerwind
Die Jugendkapelle von Pflersch und Gossensass............... 36
„Ohne Musik wird es leise“
Die Musikkapelle und die Pandemie.................................. 38
Sepp Thaler, der große (Blas-)Musikpionier Südtirols
Persönliche Erinnerungen von Gottfried Veit ...................... 39
Vivat Athesis! – von Johann Finatzer
Eine Hommage an das Land an der Etsch ......................... 42
Üben mit Video- und Tonaufnahme
Das Smartphone als nützlicher Übungspartner.................. 44
Einspielhilfen für Blasorchester ......................................... 45
Die Konzertmeister-App – Clevere Terminplanung für
Musikvereine, Orchester und Chöre................................... 46
kurz notiert
Neues von den Musikkapellen........................................... 47
Impressum
Mitteilungsblatt
- des Verbandes Südtiroler Musikkapellen
Redaktion: Stephan Niederegger, kulturfenster@vsm.bz.it
- des Südtiroler Chorverbandes
Redaktion: Paul Bertagnolli, info@scv.bz.it
- des Heimatpflegeverbandes Südtirol
Redaktion: Florian Trojer, florian@hpv.bz.it
Anschrift:
Schlernstraße Nr. 1 (Waltherhaus), I-39100 Bozen
Tel. +39 0471 976 387 – info@vsm.bz.it
Raiffeisen-Landesbank Bozen
IBAN = IT 60 S 03493 11600 000300011771
SWIFT-BIC = RZSBIT2B
Jahresabonnement = 20,00 Euro
Ermächtigung Landesgericht Bozen Nr. 27/1948
presserechtlich verantwortlich: Stephan Niederegger
Druck: Ferrari-Auer, Bozen
Das Blatt erscheint zweimonatlich am 15. Februar, April, Juni, August, Oktober und
Dezember. Redaktionsschluss ist der 15. des jeweiligen Vormonats.
Eingesandte Bilder und Texte verbleiben im Eigentum der Redaktion und werden nicht
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Art, auch auszugsweise, sind nur mit vorheriger Genehmigung der Redaktion erlaubt.
Sämtliche Formulierungen gelten völlig gleichrangig für Personen beiderlei Geschlechts.
gefördert von der Kulturabteilung
der Südtiroler Landesregierung
KulturFenster
3 03/Juni 2021
Venus „Cythare“ mit blindem Amor
Die Liebe (Venus, Erato) stellt gemeinsam mit der Kunst (Apollo) und
der Welt des Geistes (Vergil) im Traminer Freskenzyklus von Bartlme
Dill Riemenscheider die lebenspendenden Mächte dar.
KulturFenster
4 03/Juni 2021
erforscht
Riemenschneider-Fresken
neu interpretiert
Neuerscheinung von Wolfgang Strobl über die Trinkstube im
Langenmantel-Haus in Tramin
Der renommierte Altphilologe und Historiker
Wolfgang Strobl aus Toblach hat in
der „Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte“
2019 eine höchst interessante
und aufschlussreiche Neuinterpretation des
Freskenzyklus in der sogenannten Trinkstube
des Ansitzes Langenmantel in Tramin vorgelegt.
Unter dem Titel „Ianus Bifrons – ein
Künstlerleben in Widerspruch und Einheit“
liefert der Autor eine faszinierend schlüssige
Deutung der Fresken als Ausdruck einer
subversiv täuferischen Haltung des berühmten
Würzburger Renaissance-Künstlers
Bartlme Dill Riemenschneider.
Forschungsgeschichtliches
„Die intendierte Aussage und Botschaft
dieses singulären, ausgeklügelt und gleichzeitig
mysteriös wirkenden Bildprogramms
konnte bisher weder entschlüsselt noch hinreichend
erklärt werden“, stellt Autor Wolfgang
Strobl in der Einleitung fest. 1 In seinen
Ausführungen zur Forschungsgeschichte
erläutert er, dass zwar im Jahr 1928 eine
erste ausführliche und bis heute grundlegende
Studie, verfasst vom Tiroler Landeskonservator
Josef Garber, erschienen ist,
dass aber erst der Innsbrucker Kunsthistoriker
und Volkskundler Josef Ringler in den
frühen 1950er-Jahren die Fresken dem bis
dahin nahezu unbekannten Bartlme Dill
Riemenschneider zuschreiben konnte. Bis
in die 1960er-Jahre war das Bildprogramm
inhaltlich identifiziert. Und in jüngster Zeit
haben die Kunsthistoriker Helmut Stampfer
und Hanns Paul Ties maßgebliche wissenschaftliche
Beiträge zur Bedeutung der
Malereien für die Tiroler Kunstgeschichte
geliefert: Stampfer schätzt die Qualität und
Originalität als „sehr hoch“ ein. Ties betont,
dass „sich innerhalb des erhaltenen Bestandes
an profanen Wandmalereien aus
der europäischen Renaissance“ dem Zyklus
„nichts auch nur annähernd Vergleichbares
zur Seite stellen“ lasse. 2
Gesamtansicht der äußerst interessanten, aber renovierungsbedürftigen Trinkstube
Der Künstler und das Täufertum in Tirol
Bartlme Dill Riemenschneider, Sohn des
weitaus bekannteren Würzburger Bildhauers
und Holzschnitzers Tilman Riemenschneider,
war ein dem Täufertum
zugeneigter Künstler. Über sein Leben ist
recht wenig bekannt. Sowohl in der Werkstatt
seines Vaters als wahrscheinlich auch
in der Nürnberger Werkstatt von Albrecht
Dürer eignete sich Bartlme Dill Techniken
und Ausdrucksformen des künstlerischen
Schaffens an.
1525 verließ Bartlme Dill seine Heimatstadt,
die auch in den Sog der Bauernkriege geraten
war und den Vater seine Ämter und
einen großen Teil seines Vermögens gekostet
hatte. Der junge Bartlme Dill fasste im
südlichen Tirol Fuß. Seine religiöse Einstellung
wurde bald bekannt, hatte er doch in
Tirol die Möglichkeit eines Anschlusses an
täuferische Gruppen, die hier ab 1520 entstanden
waren und sogar für bestimmte Zeit
Fotos: Heimatpflegeverband Südtirol
die Dimension einer Volksbewegung annahmen.
„Die schwerwiegenden Missstände
in der katholischen Kirche, aber auch die
Verwaltung in Verwaltung und Justiz sowie
die tiefe Sehnsucht nach Heil und Erlösung
trieben viele Menschen in die Arme
der neuen reformatorischen Glaubenslehre.“
3 Landesherr Ferdinand I. verfolgte
die Täufer mit großer Härte, und die zahlreichen
Hinrichtungen zwangen die Täufergemeinde
in den Untergrund.
1528 wurde Bartlme Dill Riemenschneider
gemeinsam mit seiner Ehefrau Katharina
Wolff verhaftet, zum Widerruf gezwungen
und dann begnadigt. Riemenschneider
wurde aber in den darauffolgenden Jahren
„rückfällig“ und riskierte in Bozen sogar
die Todesstrafe. Er kam schließlich davon,
sodass man annehmen kann, dass
höchste kirchliche Kreise (Fürstbischof
Bernhard von Cles) die schützende Hand
über ihn gehalten hatten.
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KulturFenster
5 03/Juni 2021
erforscht
Das Bildprogramm
Das 1547 geschaffene Bildprogramm mit
den elf Fresken und den 13 Figuren im
Loggia-Dachgeschoss, das dem adeligen
Besitzer und dessen Freunden ein geselliges
Zusammensein in einer besonderen
Atmosphäre bot, orientiert sich gänzlich an
der griechischen und römischen Antike:
Es werden die Gottheiten Ianus, Phoebus
Apollo, Pan, Venus (als Venus Cytherea in
Begleitung des blinden Amor) und die Zauberin
Kirke dargestellt. Ebenso sieht man
die vier Musen Erato, Kalliope, Urania und
Terpsichore als Einzelfiguren und den römischen
Dichter Vergil neben Madina sowie
König Midas neben dem schweinsköpfigen
Gryllus als Paare.
Diese Figuren „dienten sehr wahrscheinlich
der Verschlüsselung einer Botschaft, die
wegen ihrer Brisanz und Subversivität nicht
offen und direkt ausgesprochen bzw. dargestellt
werden konnte. Die mythologische
bzw. allegorische Codierung eröffnete dem
Künstler die Möglichkeit, das Unaussprechliche
und Unsagbare zu verhüllen und damit
die eigentliche Bildaussage allein einem
sehr kleinen Kreis Eingeweihter lesbar und
verständlich zu machen.“ 4 Strobl geht davon
aus, dass Riemenschneider damit der
Nachwelt eine geistige Hinterlassenschaft
über prägende Momente seines täuferischen
Lebens hinterlassen wollte, und belegt das
auch sehr genau (siehe Beschreibungen).
Die Laute spielende Muse Kalliope
Hans Langenmantel als bekennender Täufer?
Hans Langenmantel, Angehöriger eines ursprünglich aus Augsburg stammenden Adelsgeschlechts, das sich
im frühen 15. Jahrhundert auch in Tramin niedergelassen hatte, verfügte hier über Land- und Gutsbesitz und
ließ seinen Traminer Ansitz um 1545 umbauen und restaurieren. In diesem Zusammenhang engagierte er
auch Bartlme Dill Riemenschneider, der seinem Auftraggeber 1546 einen Fayence-Ofen mit der Geschichte
von Jason und Medea dekorierte. Bei dieser Gelegenheit dürfte auch die Idee zur Gestaltung des obersten
Geschosses mit dem Freskenzyklus geboren worden sein.
„Sehr wahrscheinlich entstand der kirchen- und obrigkeitskritische Freskenzyklus nicht ohne das Wissen und
Einverständnis des Auftraggebers“ 11 , so Autor Strobl und mutmaßt, dass die begüterten Traminer Langenmantel,
die „nicht durch besondere äußere Frömmigkeit und Akte der Werkheiligkeit“ 12 aufgefallen seien, „selbst
dem Täufertum anhing oder mit dem täuferischen Bekenntnis zumindest in hohem Maße sympathisierte“. 13
KulturFenster
6 03/Juni 2021
Heimatpege
Zweigesichtiger Ianus
Dem altrömischen Gott der Anfänge, Aus-,
Ein- und Durchgänge, kommt in der Trinkstube
eine besondere Bedeutung zu, hervorgehoben
durch die zentrale Stelle an
der Südseite des Raumes, durch die nur
hier verwendete grüne Farbe und den Löwenkopf
und durch die gekonnt in den Bildinhalt
integrierte Jahreszahl „15 – 47“,
die den gesamten Freskenzyklus datiert.
Strobl deutet den zweigesichtigen Janus
als doppeltes Selbstporträt des Künstlers,
der sich linksseitig als efeubekränzter und
an Gott Dionysos erinnernder Jüngling mit
einer Traube in der Rechten im Alter von
15 Jahren und rechtsseitig als gereifter
bärtiger Mann mit stechendem Blick und
mit Trinkbecher in der Linken im Alter von
47 Jahren darstellt.
In übertragener Bedeutung steht Ianus
auch für die Ambivalenz, und so erzählt
Riemenschneiders Figur „in komprimierter
Form von einem Künstlerleben, von der
Entwicklung und Reifung eines unerfahrenen
Jünglings zu einem abgeklärten und
scharfblickenden Mann. Sie erzählt aber
auch von dem Leben eines Künstlers im
Widerspruch, von einem Leben mit zwei
Gesichtern, einem offen-öffentlichen, angepassten,
systemkonformen und einem
verborgen-getarnten, subversiven und rebellierenden.
Von einem Künstler, der sich
aufgrund seiner religiösen Überzeugung
zeitlebens genötigt sah, das eine zu denken,
das andere zu sagen und die daraus
resultierende Spannung zu ertragen.“ 5
Vergil und Madina
„Madina“ und „Virgillius Mago“
Dieses anscheinend nicht ganz in den
Freskenzyklus passende Bild – alle anderen
Fresken nehmen auf die die griechische
Mythologie Bezug – verweist auf
die seit dem 13. Jahrhundert weit verbreitete
Vergil-Legende. Demnach hat sich
der römische Dichter Vergil in die Tochter
eines Kaisers verliebt – bei Riemenschneider
heißt sie Madina. Er rächte sich dann,
von ihr schmählich öffentlich bloßgestellt,
kraft seiner zauberischen Fähigkeiten, indem
er in Rom sämtliche Feuer zum Erlöschen
brachte und sich daher alle Römer
an die Kaisertochter wenden mussten, um
sich das Feuer mit einer Kerze in ihrem
Schoß neu zu entzünden.
Die Decodierung dieses Bildes durch
den Autor Strobl besagt, dass die gänzlich
nackt dargestellte schamlose Madina
als „Hure Babylon“ die Kirche verkörpert
und Vergil den Künstler Riemenschneider,
der an dieser gerechte Rache nimmt. Riemenschneider
hat, wie viele andere Wiedertäufer
auch, am eigenen Leib erfahren
müssen, was es heißt, verfolgt, verhört, öffentlich
vorgeführt zu werden und seinen
religiösen Überzeugungen abschwören
zu müssen. Am Ende aber, so Riemenschneider,
siegt der Künstler, der geistbegabte
Mensch über brachiale Gewalt und
dumpfe Einfältigkeit.
Midas und Gryllus, Apollo
und Pan
Mit König Midas aus der griechischen Mythologie
ist auch die Brücke zu Apollo und
Pan geschlagen. Midas, dem aufgrund
seines verhängnisvollen Wunsches alles,
was er berührte, zu Gold wurde, trennte
sich nach dem befreienden Bad im Fluss
Paktolos von all seinen Reichtümern und
schloss sich dem Hirtengott Pan an. Als
Richter in einem Musikerstreit zwischen
Apollon und Pan sprach Midas seinem
„Midas“ und „Grillus“
KulturFenster
7 03/Juni 2021
erforscht
Die Muse Erato mit Flöte und Trommel Die Zauberin Kirke Gott Pan: halb Mensch, halb Ziege mit Dudelsack
Herrn Pan den Siegespreis zu, was Apollon
schwer kränkte und dazu veranlasste,
Midas Eselsohren wachsen zu lassen.
Der in den Traminer Fresken neben dem
mit Eselsohren ausgestatteten Midas dargestellte
eberköpfige Gryllus ist laut Sage
ein Gefährte des Odysseus, der nach seiner
Umwandlung in ein Schwein durch
die Zauberin Kirke seine in Aussicht gestellte
Rückverwandlung ablehnte und
seine tierische Existenz beibehalten wollte.
Strobl interpretiert diese Figuren so, dass
Riemenschneider mit König Midas den
Tiroler Landesfürsten Ferdinand I. in all
seiner Maßlosigkeit, Geldgier, Torheit und
mit seinem fehlenden Kunstsinn darstellen
wollte. Der ihm zur Seite gestellte
Gryllus mit dem Zylinder als Abzeichen
eines höheren Standes lässt auf Ratgeber
des Landesfürsten, speziell auf den
in Tirol so verhassten leitenden Finanzbeamten
Gabriel Salamanca, schließen.
Die täuferische Kritik an den weltlichen
Machtinstitutionen und an der fehlenden
Trennung zwischen Kirche und Staat lässt
sich laut Strobl anhand dieses Freskos
belegen.
Die Zauberin Kirke
Laut griechischer Mythologie ist sie diejenige,
die durch einen Zaubertrank die
Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt
hatte und Odysseus an sich binden
wollte. Die Riemenschneider Kirke ist
als schöne junge Frau mit wallenden Haaren
dargestellt, die in ihrer Rechten einen
großen goldenen Trinkbecher hält und mit
der Linken mit einem langstieligen gefiederten
Löffel in einem Topf rührt, dem eine
Kröte und ein Maulwurf entspringen. „Man
kann davon ausgehen, dass Riemenschneider
mit der Darstellung Kirkes in chiffrierter
Form auf die römische Kirche anspielen
wollte“ und „die eigenwillige Namensgebung
CIRES“ dürfte laut Strobl eine weitere
„Verschleierungsstrategie“ sein. 6 Der
Autor geht auf die symbolträchtige kulturhistorische
Bedeutung der Kröte als Verkörperung
des Bösen, Sündhaften und
Häretischen ein: Die vom wahren Glauben
abgefallenen Kirche („Kirke“-„Kirche“)
verbreitet falsche, die Seele schädigende
Lehren, bringt die Menschen um den Verstand
und macht sie zu willigen Helfern
eines repressiven Systems.
Die Trinkbecher in den
Händen von Kirke und Ianus
Wolfgang Strobl richtet noch gesondert den
Blick auf zwei in den Fresken dargestellte
Trinkgefäße: Kirke stellt einen großen goldenen
Becher ostentativ zur Schau, was
auch auf die täuferische Kritik an dem
zur Schau getragenen Prunk der Kirche
und an der Verbreitung der bösen Tranks,
also der falschen Lehren durch die Kirche,
schließen lässt. Ianus hält einen kleineren,
einfachen, allein mit einem schmalen
Goldrand verzierten und mit gutem Wein
gefüllten Becher. Das am Tisch liegende
Brot und die Traube in der Rechten machen
die Anspielung auf das Abendmahl
noch evidenter: Die Täufer glaubten zwar
nicht an die reale Präsenz Christi in Form
von Fleisch und Blut, waren aber überzeugt,
dass das Abendmahl als gemeinsames
Gedächtnismahl in Form von Wein
und Brot für alle in Christus Getauften seinen
Ausdruck finden soll.
Strobl deutet den runden Tisch, an dem
sich Ianus befindet, auf die Gleichberechtigung
aller am Mahle Beteiligten, denn
die Täufer unterscheiden nicht zwischen
Priestern und Laien. Durch einen weiteren
ikonografischen Vergleich an zwei anderen
Selbstporträts Riemenschneiders leitet
Strobl für den Traminer Ianus ab, dass
„sich Riemenschneider in der zentral positionierten
Ianus-Figur auch als täuferischer
,Priester' und Gemeindevorsteher
darstellen wollte“. 7
Einige ikonograsche
Notizen
Das Porträt – und als Sonderformen das
Selbst- und Kryptoporträt – erlebte in der
Renaissance eine Blütezeit. Strobl stellt
Hinweise zur Selbstportätierung Riemenschneiders
in anderen Werken und zu an-
KulturFenster
8 03/Juni 2021
Heimatpege
Die Muse Terpsichore mit Orgelpositiv
Gesangsbuch in der Hand des Gottes Apollo mit Text „O, alle foll alle//foll//Kannen leer-Kannen leer“
deren künstlerischen Ianus-Darstellungen
her, an denen sich Riemenschneider inspiriert
haben dürfte.
„O, alle foll alle// foll// Kannen leer-Kannen
leer“ kann man nebst einer Notation
im Gesangsbuch, das der Traminer Apollon
aufgeschlagen in seiner Linken hält,
ablesen – ein im 16. Jahrhundert weit
verbreitetes Trinklied, wie Strobl beweist.
Den Musikinstrumenten als Attributen
der Musen und Götter kommt auch symbolhafte
Bedeutung zu. Apollo spielt die
klassische Doppelflöte, eine Harfe ist im
Hintergrund zu erkennen. Pan bläst den
Dudelsack, Erato spielt die Flöte und zugleich
die Handtrommel, Kalliope die Laute,
Urania die Posaune und Terpsichore das
Orgelpositiv. Da die vier Musen nicht mit
den ihnen gewöhnlich zugeschriebenen
Instrumenten ausgestattet sind, nimmt
Strobl an, dass der Zuteilung eine „codierte
Bedeutung“ 8 zugrunde liegt und belegt
diese durch ikonografische Verweise
sowie durch den Hinweis auf die Teilung
des Raumes in eine profan dominierte,
positiv konnotierte und in eine mehr sakral
bestimmte negativ geprägte Sphäre.
Zur Komposition und
Anordnung der Bilder
„Der Blick auf die Anordnung der Fresken
suggeriert, dass Riemenschneider
den an sich profanen Raum einer vermeintlichen
,Trinkstube' wie einen Sakralraum
gestaltet, indem er Ianus in den Mittelpunkt
rückt und zu seiner Rechten die
lebensspendenden, zu seiner Linken die
lebensbedrohenden Mächte darstellt.“ 9
Es dürfte sich laut Strobl bei der Traminer
„Trinkstube“ um ein „geschickt und
raffiniert getarntes Konventikel, also einen
Versammlungs- bzw. Kultraum einer
Täufergemeinschaft gehandelt haben“. 10
Claudia Plaikner
1
Strobl Wolfgang, „Ianus Bifrons“ – Ein Künstlerleben
in Widerspruch und Einheit, Sonderdruck aus:
Zeitschrift für bayerischen Landesgeschichte 2019,
Bd. 82, [Heft 2], S. 381
2
Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 385f.
3
Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 393
4
Strobl, „Ianus Bifrons“, S 394
5
Strobl, „Ianus Bifrons“, S.398f.
6
Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 404
7
Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 411
8
Strobl, „Ianus bifrons“, S. 426
9
Strobl, „Ianus Bifrons, S.430 f.
10
Strobl, „Ianus Bifrons, S. 433
11
Strobl, „Ianus Bifrons“, S. 416
12
Strobl, „Ianus Bifrons”, S. 417
13
Ebenda
Aus der Redaktion
Ihre Beiträge (Texte und Bilder) für die Heimatpflegeseiten
senden Sie bitte an: florian@hpv.bz.it
Für etwaige Vorschläge und Fragen erreichen Sie uns unter
folgender Nummer: +39 0471 973 693 (Heimatpflegeverband)
Redaktionsschluss für
die nächste Ausgabe des
KulturFensters ist
Donnerstag, 15. Juli 2021
KulturFenster
9 03/Juni 2021
informiert & reektiert
Nicht nur Beruf, sondern Berufung
Josef Oberhofer geht nach 30 Jahren Tätigkeit im
Heimatpflegeverband in Pension
Er hat einige Landesobleute, viele Vorstandsmitglieder,
Sachbearbeiter, Fachberater,
Bezirks- und Vereinsobleute im
Heimatpflegeverband kommen und gehen
gesehen: Der gebürtige Traminer Josef
Oberhofer hat 30 Jahre lang vom vierten
Stock des Waltherhauses in Bozen aus
die Geschäftsführung des Heimatpflegeverbandes
innegehabt. Nun tritt er in den
wohlverdienten Ruhestand.
Es scheint so, als ob Tramin geradezu
prädestiniert sei, um wichtige Akteure
für die Heimatpflege in Tirol hervorzubringen,
war es doch auch ein Traminer,
Kunibert Zimmeter, der im Jahr 1908 den
ersten Heimatpflegeverein Tirols gegründet
hat. Josef Oberhofer hat am 8. November
1990 unter der Obmannschaft
von Ludwig Walther Regele die Geschäftsführung
übernommen. Jetzt, wenn er am
30. Juni 2021 in den Ruhestand tritt, ist
es ein Wahltraminer, Florian Trojer, der
seine Agenden übernimmt.
In diesen drei Dezennien hat Josef Oberhofer
ganz wesentlich die Geschichte und
Geschicke des HPV mitgeprägt. Er war für
die allermeisten Heimatpfleger*innen im
Land die Ansprechperson schlechthin.
Abgesehen von der vielen täglichen bürokratischen
Arbeit, der Mitgliederbetreuung,
der Kontaktpflege mit den verschiedenen
Ämtern hat Josef auch inhaltlich Akzente
gesetzt. Dadurch dass er diesen Beruf nie
nur als Brotberuf angesehen hat, sondern
für den Verband „brannte“ und von den
Zielsetzungen begeistert war, hat er vieles
mitgestaltet. Er war und ist Garant für Qualität,
Kontinuität und Innovation gleichermaßen.
Einige seiner maßgeblichen Aktivitäten
sind nebenstehend aufgelistet.
Der Netzwerker Josef Oberhofer war in
den vergangenen Jahren bei vielen Veranstaltungen
von „Bund Heimat und Umwelt/Bonn“
in Berlin, Aschaffenburg, Freiburg,
Bonn und Leipzig als Referent tätig.
Auch die Aufnahme des HPV als Mitglied
im Landschaftsschutznetzwerk Civilscape
(2011) und in das europäische Verzeichnis
der „Landschaftsobservatorien“ (2012)
sowie die Gründung des „Netzwerk Kulturerbe“
(2019) ist unter maßgeblichem
Einsatz des weitsichtigen Geschäftsführers
gelungen.
Josef Oberhofer hat auch die Ausbildung
zum „kommunalen Klimaschutzbeauftragten“
durchlaufen.
Viele festliche Höhepunkte wurden auch
aufgrund der umsichtigen und professionellen
Vorbereitung und Durchführung
durch den Verbandsgeschäftsführer
zu bleibenden Erlebnissen, etwa die
Heimatpflegefeste auf Schloss Prösels
(1995, 2005, 2015), die Heimatpreisverleihungen
(1992, 1994, 2000, 2008) sowie
die Feiern anlässlich „90 Jahre Heimatschutz
in Tirol“ 1998 in Tramin, „50
Jahre Landesverband für Heimatpflege in
Südtirol“ 1998 auf Schloss Sigmundskron,
„100 Jahre Heimatschutz in Tirol“ 2008
auf Schloss Tirol und „70 Jahre Heimatpflege“
2019 in Matschatsch.
„
„
Josef Oberhofer war und ist Garant
für Qualität, Kontinuität und Innovation
gleichermaßen.
Claudia Plaikner
Und wo wurden alle diese Tätigkeiten
geplant? An einem geordneten Schreibtisch
im Büro des HPV, der ein Musterbeispiel
für alles im Blick haltendes Arbeiten
war. Die Buchhaltung und generell
die Finanzen verwaltete Josef mit großer
Sorgfalt. Er verstand es immer, den Verband
möglichst unbeschadet durch alle
Untiefen der finanziellen und personellen
Herausforderungen zu führen. Mit seiner
Freundlichkeit, seinem Charme und seiner
entwaffnenden Ehrlichkeit erreichte
er vieles. Josef konnte aber auch durchaus
leidenschaftlich sein: Wenn evidente
Gemeinsamer Einsatz für
den Schutz des Natur- und
Kulturerbes: Karl Obwegs
(langjähriger Heimatpflege-
Ortsbeauftragter des Gadertales),
Ehrenobmann Peter
Ortner (damals noch Obmann),
die jetzige Obfrau
Claudia Plaikner und Josef
Oberhofer (v. l.).
KulturFenster
10 03/Juni 2021
Heimatpege
Schieflagen in Gesellschaft und Politik aufzuzeigen
waren, so argumentierte er mit
Verstand und auch viel Impetus.
Großes Verantwortungsbewusstsein zeigte
Josef auch bei den Übergängen des Verbandes
in neue Phasen. Ich kenne Josef
seit 1996, als ich in den Vorstand des
HPV gewählt wurde. Seit 2008 war ich
Obmannstellvertreterin von Peter Ortner,
und 2017 haben mich die Südtiroler
Heimatpfleger*innen zu ihrer Obfrau gewählt.
Zu wissen, dass ich auf die absolute
Loyalität des Geschäftsführers Oberhofer
setzen kann, und ermutigt durch
seinen Zuspruch konnte ich dieses Amt
beruhigt annehmen. Ich habe ganz viel
von dem, was die Entwicklung des Verbandes
und die Tätigkeit des Verbandsgeschäftsführers
anbelangt, hautnah miterlebt
und viel gelernt – auch von Josef.
Ich danke dir, lieber Josef, für deinen unermüdlichen
Einsatz zum Wohle unserer
Heimat und unseres Verbandes und ich
wünsche dir viele erlebnisreiche, glückliche
und etwas ruhigere Jahre! Als Heimatpfleger
aus Berufung wirst du uns sicherlich
auch weiterhin verbunden bleiben.
Claudia Plaikner, Verbandsobfrau
Maßgebliche Aktivitäten
➤ 1990 gründete Josef Oberhofer mit einigen Persönlichkeiten aus Politik und
Wirtschaft das Komitee gegen den Ausbau des Bozner Flughafens.
➤ Richtungsweisend war die Betreuung der bäuerlichen Kleindenkmäler, wobei
er die bis heute geltenden Richtlinien für die Vergabe von Beiträgen im Bereich
der Landschaftspflege ausarbeitete. Ganz besonders setzte er sich hierbei für
die Erhaltung der inzwischen rar gewordenen Strohdächer ein.
➤ Josef Oberhofer organisierte zwischen 1991 und 2012 zehn Naturschutzwochen
für Heimatpfleger*innen und Lehrpersonen.
➤ Das Ehrengrab von Max Valier am Münchner Westfriedhof wird auf Initiative
von Josef Oberhofer seit 30 Jahren vom Heimatpflegeverband Südtirol gepflegt.
➤ Gemeinsam mit dem damaligen Obmann Peter Ortner gelang ihm 1997 die
Einführung des Ensembleschutzgesetzes, und er organisierte mehrere internationale
Tagungen zum Thema Ensembleschutz (1993, 2003).
➤ Auch die Einrichtung des Landschaftsfonds wurde auf seine und Peter Ortners
Initiative hin umgesetzt.
➤ Er betätigte sich beratend als Mitglied der I. Landeskommission für Landschaftsschutz,
des UVP-Beirates und des Landschaftsfonds.
➤ Josef Oberhofer betrieb aktiv die Gründung des Welschtiroler Heimatpflegevereines
(2007).
➤ In der Informationsbroschüre „Landschaftspflege in Südtirol“ (1994), in der
Festschrift anlässlich der 100-Jahr-Feier auf Schloss Tirol (2008) und beim
Drehbuch für den Film H€IMAT (2003) trat Josef als Co-Autor in Erscheinung.
➤ Im Tiroler Gedenkjahr 2009 konzipierte er für die Jugend das Online-Gewinnspiel
„syndrome09“.
Die Kulturlandschaft liegt ihm am Herzen:
Von Hans Rottensteiner übernahm
Josef Oberhofer die Initiativen
zur „Rettung“ der letzten Strohdächer
Südtirols.
Für das überdimensionierte Fahrsicherheitszentrum in Pfatten musste eine der letzten Auen
in Südtirol weichen. Josef Oberhofer wollte das Ausmaß der Zerstörung im Bild festhalten,
organisierte sich einen Rundflug über das Gelände und machte eine Luftaufnahme.
KulturFenster
11 03/Juni 2021
informiert & reektiert
„Wir sind am Puls der Zeit“
Josef Oberhofer über Flughafenproteste und Bremstests,
den Klimaschutz und die Zukunft des HPV
Er liebt und lebt seinen Beruf. Gerade deswegen
will der Geschäftsführer des Heimatpflegeverbandes
Südtirol seine Verantwortung
nun „in jüngere Hände legen“,
wie er es ausdrückt. Warum das so ist, mit
welchem Blick auf die Vergangenheit und
die Zukunft er Ende Juni in Pension geht
und was er als „Rentner“ vorhat, das erzählt
Josef Oberhofer im Interview.
KulturFenster: Mit welchen Gedanken und
Gefühlen räumen Sie am 30. Juni Ihren
Schreibtisch?
Josef Oberhofer: Mit dem guten Gefühl,
den Verband in seinen Anliegen und Interessen
ein Stück weit vorangebracht
zu haben. Auch gehe ich mit dem beruhigenden
Wissen, dass ich genügend
Zeit hatte, meine Nachfolge vorzubereiten.
Allerdings begleitet mich auch der
beunruhigende Gedanke in die Rente,
dass die Heimatpflege in Zukunft einen
noch schwierigeren Stand haben könnte
als es bisher schon der Fall war.
KF: Inwiefern?
Oberhofer: Insofern, dass ich in den über
30 Jahren meiner Tätigkeit große Veränderungen
miterlebt habe. Der technische
Fortschritt und ein zunehmender Wohlstand
haben in Wirtschaft und Gesellschaft
zum blinden Glauben geführt, dass alles
machbar sei – losgelöst vom historisch
Gewachsenen. Dieser Prozess, der schleichend
vor sich geht, führt in meinen Augen
immer mehr zu einer Verwilderung
des Geschmacks und geht leider nicht
mit einem tiefgreifenden Diskurs über die
gesellschaftliche und landschaftliche
Entwicklung unserer Heimat einher.
Vielen Menschen ist das Gespür
für das richtige Maß verlorengegangen.
Um es mit den Worten
von Silvius Magnago zu sagen:
„Zuviel Wohlstand tut den Leuten
nicht gut und führt zu einer geistigen
Verfettung.“ Diesem
gefährlichen Prozess Einhalt
zu gebieten, wird
noch eine große Herausforderung.
KF: Apropos Herausforderung. Dieser haben
Sie sich gestellt, als Sie 1990 einen
damals nicht ganz harmonischen Verband
übernommen haben. Wie kam es dazu?
Oberhofer: Ich habe mich nach meinem
Studienaufenthalt in Venedig und nach
einigen Arbeitserfahrungen im In- und
Ausland auf eine Stellenanzeige in der
Zeitung – „Geschäftsführer für Heimatpflegeverband
Südtirol gesucht“ – beworben,
weil mich das Anforderungsprofil sehr
angesprochen hat. Außer mir bewarben
sich noch einige, zum Teil
recht prominente Südtiroler,
die weit mehr
Einblick in die Materie
hatten …
„
Der technische Fortschritt und ein zunehmender
Wohlstand haben in Wirtschaft
und Gesellschaft zum blinden
Glauben geführt, dass alles machbar
sei – losgelöst vom historisch Ge-
„
wachsenen.
Josef Oberhofer
Foto: Florian Trojer
KulturFenster
12 03/Juni 2021
Heimatpege
KF: … aber man entschied sich für Sie.
Oberhofer: Ja, der damalige Vorstand entschied
sich vermutlich wohl bewusst für
einen Quereinsteiger, der den Verband –
abseits von persönlichen Interessen – sowohl
nach innen als auch nach außen wieder
ins Lot bringt.
KF: Ist Ihnen das gelungen?
Oberhofer: Ich denke schon. Ich habe von
Beginn an versucht, über jegliche Konflikte
hinweg die Ziele des Verbandes in den
Mittelpunkt zu stellen. Schon eine Woche
nach meinem Arbeitsbeginn habe ich zusammen
mit einigen namhaften Persönlichkeiten
das Komitee gegen den Ausbau
des Bozner Flughafens gegründet. Nach
und nach kamen viele neue Themen aufs
Tapet. Ich wuchs mit den Aufgaben, und
damit wuchs auch meine Begeisterung für
die Heimatpflege.
Bei der letzten Naturschutzwoche 2012 verabschiedet sich Josef Oberhofer von Prof. Franz
Wolkinger aus Graz, der seit 1970 alle Naturschutzwochen geleitet hatte.
KF: Welche Aktionen oder Themen des
Heimatpflegeverbandes werden Ihnen in
besonderer Erinnerung bleiben?
Oberhofer: In Erinnerung bleiben naturgemäß
Themen, die immer wiederkehren.
Der Flughafen begleitet mich, wie gesagt,
seit den ersten Arbeitstagen. Wegweisend
war für mich auch der Ensembleschutz,
der 1997 unter Obmann Peter Ortner in
einem Gesetz festgelegt wurde und für
den Heimatpflegeverband nach wie vor
Anlass ist, ihn mit viel mehr Konsequenz
und Ernsthaftigkeit einzufordern und umzusetzen.
Ebenso werde ich mich an die
vielen Bauern erinnern, für die ich zur Erhaltung
von bäuerlichen Kleindenkmälern,
Holzzäunen sowie Stroh- und Schindeldächern
jährlich eine finanzielle Unterstützung
seitens der Landesregierung erwirken
konnte. Die vielen Anträge, mit denen
ich mich als Mitglied der I. Landschaftsschutzkommission
und des Landesumweltbeirat
beschäftigt habe, wie die Skigebietserweiterungen
und der Druck seitens der
Wirtschaft, des Tourismus und der Landwirtschaft,
sich immer mehr unberührte
Landschaft zu eigen zu machen, gehören
ebenso dazu. Meine ständige Aufmerksamkeit
erfordert hat zudem der bedenkenlose
und von unseren gewählten Politikern
vielfach geduldete – wenn nicht gar
lobbygesteuerte – Umgang mit unserem
materiellen und immateriellen Kulturerbe.
In Erinnerung bleiben auch kleinere Projekte,
wie etwa der vom damaligen Landeshauptmann
partout gewollte Bergzoo
in Tisens, gegen den wir uns erfolgreich
gewehrt haben, oder das Biotop Krebsbach
in Lana, welches wir im Einvernehmen
mit den Betreibern eines Golfplatzes
erhalten konnten. Leider war unser Einsatz
nicht immer von Erfolg gekrönt. Ich
denke an die Zerstörung zahlreicher kleiner
und größerer Naturschönheiten und
an den Bau des völlig überflüssigen und
viel zu großen Fahrsicherheitszentrums in
Pfatten, dem eine der letzten Auen in Südtirol
weichen musste. Es gäbe noch unzählige
Beispiele.
KF: Bleiben wir beim Positiven. Was hat
Ihnen bei Ihrer Arbeit besondere Freude
bereitet?
Oberhofer: Ich bin vor allem in den ersten
Jahren häufig zu den Menschen hinausgegangen,
habe versucht, sie für das kulturelle
Erbe, das sie besitzen, zu sensibilisieren,
habe sie beraten und ihnen
Unterstützung durch den Verband angeboten.
Dieser Kontakt war sehr bereichernd
für mich. Mit den Jahren hat sich die Arbeit
leider immer mehr ins Büro verlagert.
Auch draußen auf den Höfen ist mehr Hektik
eingekehrt. Es bleibt keine Zeit mehr
für den „Ratscher“ danach, der oft ganz
wichtig ist. Aber zurück zum Positiven: Viel
Freude haben mir auch die Naturschutzwochen
bereitet, die ich von 1991 bis 2012
organisiert habe, um vor allem die Lehrpersonen
als Multiplikatoren in den Schulen
für den Schutz unseres Natur- und Kulturerbes
zu gewinnen.
KF: Eine dieser Naturschutzwochen war ein
ungewöhnliches Erlebnis, wie der Blick ins
Heimatpflegearchiv zutage gebracht hat …
Oberhofer: Stimmt. Das war 2004 in Stilfs.
Auf der Suche nach einer geeigneten Unterkunft
für die rund 60 Teilnehmer des
Lehrganges bin ich dahintergekommen,
„
Ich gehe in Pension, weil ich überzeugt
davon bin, dass der Verband
„
in jüngere Hände gehört.
Josef Oberhofer
KulturFenster
13 03/Juni 2021
informiert & reektiert
„
Meine ständige Aufmerksamkeit erfordert
hat der bedenkenlose und von
unseren gewählten Politikern vielfach
geduldete – wenn nicht gar lobbygesteuerte
– Umgang mit unserem materiellen
und immateriellen
„
Kulturerbe.
Josef Oberhofer
dass die meisten Hotels genau in dieser
Woche, in der wir den Lehrgang abhalten
wollten, ausgebucht waren, weil der Autohersteller
BMW in dieser Zeit auf der Stilfser-Joch-Straße
Bremstests für die Fahrzeuge
durchführen wollte. Bremstests
mitten im Nationalpark! Ich musste diesen
Naturfrevel verhindern, habe die Verantwortlichen
in Bayern angeschrieben
und bin mit dieser Geschichte an sämtliche
Medien im In- und Ausland gegangen.
BMW stellte die Tests daraufhin ein,
aber die betroffenen Hoteliers im Vinschgau
sahen sich um ihr Geschäft gebracht
und traten mit einer Sammelklage gegen
den Verband auf den Plan. Diese Reaktion
hat mich sehr belastet. Der Fall wurde
zum Glück eingestellt, weil ich mich für
die Gesundheit aller eingesetzt und in
sämtlichen Stellungnahmen ausschließlich
auf den Schutz der Natur und Umwelt
gepocht hatte.
KF: Sie haben im Verband zahlreiche Obleute
und Vorstandsmitglieder kommen
und gehen gesehen. Wie sehr haben diese
Wechsel die Ausrichtung des Verbandes
beeinflusst, und welche Rolle haben Sie
als Geschäftsführer da gespielt?
Oberhofer: Natürlich sind es der Vorstand
und der Obmann bzw. die Obfrau, die die
Richtung vorgeben und Themen einbringen.
Da waren dann auch die Schwerpunkte
manchmal unterschiedlich. Als
Geschäftsführer hatte ich die Aufgabe,
gemeinsam mit dem Vorstand Strategien
auszuarbeiten und diese dann gewissenhaft
umzusetzen. Dass ich dem Verband
auch meinen Stempel aufgedrückt habe,
ist der Tatsache geschuldet, dass ich täglich
mit den aktuellen Themen konfrontiert
war und viele auch ganz persönlich
als wichtig empfand. Die Arbeit war für
mich ja nicht nur Job, sondern ich habe
den Beruf gelebt.
KF: Sich auf unterschiedliche Obleute und
Vorstände einzustellen, dürfte nicht immer
leicht sein …
Oberhofer: Für mich war das nie ein Problem,
denn das Wichtigste in der Zusammenarbeit
ist das gegenseitige Vertrauen.
Ich habe die Meinungen der Vorstandsmitglieder
immer ernstgenommen und
gewissenhaft gearbeitet. Das hat im Gegenzug
auch mir Vertrauen eingebracht.
KF: Glauben Sie, dass die Struktur des Heimatpflegeverbandes
noch zeitgemäß ist?
Oberhofer: Ich denke, ja. Der Verband ist
kapillar vertreten und dementsprechend
kann bei wichtigen Angelegenheiten auch
rasch vor Ort reagiert werden. Das Problem
ist eher, dass immer weniger Leute
vor Ort die „Schneid“ aufbringen, sich für
oder gegen etwas im eigenen Dorf einzusetzen,
weil sie Gefahr laufen, abgestraft
und benachteilig zu werden. Es handelt
sich ausschließlich um Ehrenämter, die
weder Geld noch Ruhm einbringen. Mit
dem neuen Raumordnungsgesetz, das
den Gemeindevertretern noch mehr Spielraum
für Entscheidungen gibt, wird sich
dieser Umstand eher weiter verschärfen.
KF: Woran hätten Sie gern noch gearbeitet,
wären Sie nicht bald im Ruhestand?
Oberhofer: Am Thema „Klimaschutz“. Ich
habe vor einigen Jahren eine Ausbildung
zum kommunalen Klimaschutzbeauftragten
absolviert, aber schon bald gespürt,
dass hierzulande in der Bevölkerung noch
sehr wenig Sensibilität für das Thema vorhanden
ist. Es gibt zwar diverse und im
Prinzip gute Initiativen zum Schutz des
Klimas, aber kein großes Netzwerk, das
auch Einfluss auf die Entscheidungen der
Politik hat. Letztendlich überwiegen immer
noch die Interessen der Wirtschaft.
Dem entgegenzuwirken, wäre mir noch
ein großes Anliegen. Aber ich weiß den
Heimatpflegeverband in guten Händen.
Vor allem Obfrau Claudia Plaikner denkt
und arbeitet sehr breitgefächert, ist offen
für Neues und scheut sich auch nicht,
die Position des Heimatpflegeverbandes
klar darzulegen.
KF: Trotz Motivation und Ideen gehen Sie
jetzt in Pension. Warum?
Oberhofer: Weil ich überzeugt davon bin,
dass der Verband in jüngere Hände gehört.
Ich merke seit einiger Zeit, dass die Routine,
die sich naturgemäß eingestellt hat,
manchmal hemmend wirkt. Zwar brenne
ich nach wie vor für meinen Beruf und für
die Themen des Heimatpflegeverbandes,
aber ich spüre, dass mir ein wenig die zeitgemäße
Herangehensweise vor allem an
die neueren Themen, die den Verband
beschäftigen, fehlt. Mein Anliegen ist es
aber, dass der Verband zunehmend jüngere
Menschen anspricht, sie für unsere
Interessen gewinnt. Deshalb finde ich es
wichtig, die Jugend über deren Kanäle anzusprechen
und mitzuziehen.
KF: Ist der Verband „altmodisch“?
Oberhofer: Nein, er ist sogar sehr modern.
Wir sind mit unseren Themen stets
am Puls der Zeit, in einigen Bereichen
manchmal auch der Zeit voraus. Unser
Handicap ist vielleicht, dass im Hinblick
auf die Zerstörung des Natur- und Kulturerbes
die allgemeine Wahrnehmung fehlt
– ähnlich wie beim Klimawandel. Da ist es
immer schwierig, die Menschen zu überzeugen
und mitzunehmen. Wir werden
oft als Neinsager oder Verhinderer abgestempelt,
ohne unsere zukunftsweisende
Haltung zu sehen. Andererseits habe ich
schon öfter erlebt, dass junge Leute begeistert
und aufgeschlossen sind, wenn
sie Einblick in die Verbandsarbeit bekommen.
Daran müssen wir anknüpfen – auf
junge Art und Weise.
„
Ich bin überzeugt, dass der Verband
„
in jüngere Hände gehört.
Josef Oberhofer
KF: Werden Sie dem Verband in irgendeiner
Weise treu bleiben?
Oberhofer: Wenn ich um Rat oder Hilfe gefragt
werde, bringe ich mich gerne ein. Ich
werde die Entwicklung des Landes weiterhin
beobachten und mich für die Belange
der Heimatpflege einsetzen.
KF: Und was werden Sie sonst noch im
Ruhestand tun?
Oberhofer: Ich möchte mir noch gerne viele
schöne Flecken dieser wunderbaren Welt
ansehen, und sie auf gemütliche und umweltfreundliche
Art bereisen. Als leidenschaftlicher
Bahnfahrer wird mir das hoffentlich
gelingen.
Interview: Edith Runer
KulturFenster
14 03/Juni 2021
Heimatpege
Espan und Mult
Serie: Flurnamen aus der Agrargeschichte (2)
ObereMultenamLangkreuz.
Das Langkreuz
(Bildmitte oben) ist uralte
Gerichtsgrenze
zwischen Nauders
(Oberland, Oberes
Gericht) und Glurns
(Vinschgau), heute
noch Grenze zwischen
Haid und Burgeis. Die
große Weide ist die
Burgeiser Marein.
aus: Franziszeische
Katastermappe 1858
Nach den in der Ausgabe 2/2021 des „KulturFensters“
besprochenen Namen Egert,
Trate und Zelge, die der mittelalterlichen
Dreifelderwirtschaft zugeordnet werden können,
stellt der Kulturanthropologe Johannes
Ortner in dieser Ausgabe weitere zwei Flurnamen
aus der Agrargeschichte vor.
Espan
Espan ist ein auffallender und häufiger
Flurname landauf landab, der in den verschiedenen
Mundarten Südtirols „Erschpam“,
„Easchpam“, „Eschpann“ u. ä.
lautet. In Unterinn gibt es den Hofnamen
„Erschbaumer“ (Ritten), daneben den Familiennamen
Erschbaumer oder Erschbamer.
In all diese Namenformen wird
oft ein „Baum“, speziell ein „Eschbaum“
(Esche), eingeblendet. Damit hat der Name
aber nichts zu tun.
Espan bezeichnet den freien Platz in einer
Flur, der zur Viehweide genutzt wird,
also eine Art Gemeinweide. Bereits in althochdeutschen
Glossaren ist von espan
compascuum die Rede. 1320 ist der Begriff
als ospan, im 14. und 15. Jahrhundert
als espan oder espaum und in Penser
Weistümern – das sind Gewohnheitsrechte
– des 16. Jahrhunderts als das gmain eschpam
belegt.
Der Name „Espan“ leitet sich von „Esch-
Bann“ ab, das ist der Bann- oder Weidezaun,
der die Viehweide von der Ackerflur
trennte. Ein früheres Wort für die Ackeroder
Saatflur lautete nämlich „Esch“ (zu
althochdeutsch ezzisk „Saat, Anpflanzung,
Flur“). Durch das Eschtor oder Eschtürl
wurde das Vieh auf die Weide getrieben.
Die Bezeichnung für den Zaun hat sich im
Laufe der Zeit auf die Weide ausgedehnt.
Vom „Eschtürl“ nahmen die Familiennamen
Tirler und Dirler ihren Ausgang – diese
wohnten also am Eschtürl.
Beispiele aus Südtirol: Lahna-Easchpånn
in Sexten, Easchpina in Pfunders (Hof),
mehrere Eschpam in Pens, die Weide
Ferschpam in Entholz/Ridnaun (wörtlich
’f Erschpam) und der Graben Erschpam
in Verdins/Schenna.
Mult
Bekannt sind die Multen auf der Malser
Haide, deren Bewirtschaftung einst streng
reglementiert war. Am besten ließe sich
„Multen“ mit „Flurzwang“ übersetzen.
Das Wort Mult stammt aus dem Alpenromanischen
*multa „Zwang, Strafe“.
Der Flurzwang schrieb den Bauern vor,
was in einem bestimmten Flurblock angebaut
werden musste, wann und in welcher
zeitlichen Abfolge die Heumahd
vonstatten zu gehen hatte und wie diese
einzufahren war. Diese Vorschrift war
aufgrund der Anlage der Grundstücke
notwendig, vor allem wegen der Durchfahrtsrechte,
die viel Grund beanspruchten
– teilweise bis zu einem Drittel der
Grundfläche. Eine gemischte Nutzung
als Kornacker, Viehweide und Mahd wäre
von der „Logistik“ her schwierig zu bewältigen
gewesen.
Große Multwälder (Bannwälder) finden
sich am Vinschger Nörderberg, in Kastelbell,
Schlanders oder in Laas. Aber
auch unterhalb von Vellau dehnt sich
ein Multwald aus.
Ein Bannwald ist bekanntlich ein Wald,
dessen Nutzung durch die Allgemeinheit
geregelt war, also das Gegenteil eines Privatwaldes.
Bannwälder boten Schutz vor
Muren und Lawinen.
Johannes Ortner
KulturFenster
15 03/Juni 2021
informiert & reektiert
Dorferneuerung mit
Bürgerbeteiligung
In Tirol unterstützt eine Geschäftsstelle
Gemeinden beim Veränderungsprozess
Beispiel einer Dorferneuerung mit Bürger- und Expertenbeteiligung: das Ortszentrum von Mils bei Hall in Tirol. Fotos: Land Tirol/Abteilung Bodenordnung
Wo in der Gemeinde soll die neue Schule
gebaut werden? Wie setzt man Verkehrsberuhigung
konkret um? Was tun mit dem viel
zu alten Vereinshaus? Im Nachbarland Tirol
können sich Gemeinden an die Geschäftsstelle
für Dorferneuerung des Landes Tirol
wenden. Sie werden beim Entscheidungsprozess,
der mit Bürgerbeteiligung erfolgt,
auch finanziell unterstützt. Ein Interview mit
Nikolaus Juen, dem Leiter der Geschäftsstelle
für Dorferneuerung.
KulturFenster: Wann und warum wurde die
Geschäftsstelle für Dorferneuerung in Tirol
eingerichtet?
Nikolaus Juen: Sie wurde bereits 1986 mit
dem Ziel eingerichtet, Gemeinden in ihren
Veränderungsprozessen zu unterstützen.
Die Zusammenarbeit von Anfang an hat
den Vorteil, dass Bauprojekte oder andere
Vorhaben schon in der Ideenentwicklung
und Planungsphase dahingehend begleitet
werden, dass sie von Bürgern oder potenziellen
Nutzern mitgetragen werden und
dass möglichen Fehlentwicklungen vorgebeugt
wird. Heißt konkret: Es soll verhindert
werden, dass ein Projekt zum Beispiel an
den Kosten oder an mangelnder Umsetzbarkeit
scheitert.
„
Die Kombination von Bürger und Expertenbeteiligung
ist essenziell, weil
dadurch das Projekt einerseits nutzerfreundlicher
wird, andererseits die
„
Bereitschaft wächst, es mitzutragen.
Nikolaus Juen
KF: Wer kommt mit welchen Anliegen in Ihre
Geschäftsstelle?
Juen: In der Regel sind es die Gemeinden,
die sich an uns wenden. Es geht
meistens um den Bau oder Umbau von
öffentlichen Einrichtungen – Schulen, Kindergärten,
Friedhöfen, Dorfplätzen, Vereins-
oder Gemeindehäusern. In anderen
Fällen steht die Frage im Raum, was mit
historischer Bausubstanz oder generell alten
Infrastrukturen passieren soll. In kleineren
Gemeinden kann zum Beispiel auch
die Nahversorgung zu einer Herausforderung
werden, da geht es dann um Themen
wie die Direktvermarktung oder die Ansiedelung
eines Supermarktes am Ortsrand.
Wir als Geschäftsstelle werden auch deshalb
zu Rate gezogen, weil die Gemeinden
die Anliegen im Rahmen der Lokalen
Agenda 21 umsetzen.
KulturFenster
16 03/Juni 2021
Heimatpege
KF: Was ist die Lokale Agenda 21?
Juen: Das ist die kommunale Umsetzung
des 1992 beschlossenen UN-Aktionsprogrammes
zur nachhaltigen Entwicklung.
Dieses Programm sieht auf kommunaler
Ebene u. a. eine stärkere Bürgerbeteiligung
vor, mit dem Ziel, eine höhere Lebensqualität
für die Bewohner von Gemeinden
in einem ökologisch vertretbaren
Umfeld zu schaffen.
KF: Können sich somit auch einzelne
Bürger an Sie wenden?
Juen: Es kommen auch Ideen von Bürgern
auf unsere Schreibtische, aber wir
gehen keinen Einzelinteressen oder oppositionellen
Gruppen nach. Unsere Aufgabe
ist es, die Interessen der Gemeindeverwaltungen
und jene der Bürger
zusammenführen.
KF: Wie läuft der Prozess der Dorferneuerung
konkret ab?
Juen: Sehr unterschiedlich. Meistens steigen
wir als Geschäftsstelle für Dorferneuerung
mit einer Gemeindeklausur in den
Prozess ein. Will heißen: Unsere Mitarbeiter
treffen sich mit Gemeindevertretern,
die ihrerseits eventuell bereits einzelne
Experten von außen einladen. Gemeinsam
wird abgesteckt, worum es geht,
in welcher Form man arbeiten möchte,
welche Gruppen es geben soll u. ä.. In
einem zweiten Moment werden Interessensgruppen,
wie beispielsweise Vereinsvertreter
eingeladen. Danach könnte
eine erste Bürgerversammlung stattfinden,
auf der Ideen gesammelt und konkretere
Ziele abgesteckt werden. Bis zum
fertigen Plan dauert es oft mehrere Monate,
selten aber über ein Jahr. Denn es
geht schon darum, eine rasche Umsetzung
herbeizuführen.
KF: Warum ist die Bürger- und Expertenbeteiligung
so wichtig?
Juen: Die Kombination von Bürger und
Expertenbeteiligung ist essenziell, weil
dadurch das Projekt einerseits nutzerfreundlicher
wird, andererseits die Bereitschaft
wächst, es mitzutragen. Für
Zur Person
Nikolaus Juen ist seit 1988 Leiter der Geschäftsstelle
für Dorferneuerung & Lokale Agenda 21
in der Abteilung Bodenordnung des Landes
Tirol. Er ist von Beruf Architekt.
die Umsetzung wichtig ist aber, dass die
Bürger und Experten in ihren Ideen begleitet
werden. Dazu beauftragt die Geschäftsstelle
für Dorferneuerung professionelle
Prozessbegleiter, die Erfahrung
sowohl in der Thematik als auch in der
Moderation haben. Sie haben die Aufgabe,
die verschiedenen Anregungen zu
einer weitgehend gemeinsamen Lösung
zu führen und dabei auch die entsprechende
Gesprächskultur und den Respekt
der Beteiligten zu bewahren. Am
Ende sollte ein von allen gut akzeptiertes
Projekt stehen.
KF: Wer sind die Prozessbegleiter?
Juen: Je nach Aufgabenstellung handelt
es sich um Moderatoren aus verschiedenen
Bereichen. Das können Erwachsenenbildner,
aber auch Fachleute aus
der Wirtschaft sein. Wer sich konkret eignet,
entscheidet die Gemeinde aufgrund
der Vorschläge der Geschäftsstelle. Das
ist dann oft einfach Vertrauenssache.
KF: Das Land Tirol fördert diese Prozessbegleitung
bei der Dorferneuerung. Wie
hoch sind die Förderungen?
Juen: Je nach Finanzkraft der Gemeinde
werden die Kosten, die durch das Hinzuziehen
externer Fachleute entstehen,
zu 50 bis 75 Prozent vom Land Tirol
übernommen.
KF: In Südtirol legen die Gemeinden ihre
Projekte oft wie selbstverständlich in die
Hände der lokalen Planer und Architekten.
Sie plädieren eher für Wettbewerbe.
Warum?
Juen: Es müssen nicht zwangsläufig
Wettbewerbe sein, aber die Erfahrung
zeigt, dass es sich lohnt, für etwas, auf
das man lange hinarbeitet und das viel
kostet, mehrere Ideen und Meinungen
einzuholen, um sich dann für das beste
Projekt zu entscheiden. Die Erfahrung
zeigt jedoch auch, dass Wettbewerbe –
vor allem im Baubereich – kostensparend
sind. Denn sehr oft sind die intelligenten
Projekte auch die kleineren Projekte.
Interview: Edith Runer
Summer
Dr Summer lócht ins iaz ins Lond,
mit an farbign, sunnign Giwond,
a kluager Wind wiag Grous und Klea,
Kinder loun sich treibm in Sea.
Die Baidn fliagn und suachn ummr,
brauchn an stilln, wormen Summr,
ols wos bliahnt schtrebm sie un,
mit gêila Sackler fliagn sie drfun.
Dr wilda Mougn leichtet weit,
in dear hoachn Summerzeit,
und in schpotn Sunnenliacht,
dr Mischtköfr sich verkriacht.
Die Schwolbm treibm in dr Luft,
die Roasnschtaudn verbroatn Duft,
die Grilln mian die Geign schtimmen,
af Nocht heart man sie lauthols singen.
Des isch dr Summer mit oldr Procht,
der ins iaz ins Landl innerlócht,
es tauert nicht nor isch der goldina Summer,
viel zu schnell schun wieder ummer.
Anna Steinacher, Verdings
KulturFenster
17 03/Juni 2021
informiert & reektiert
Wir sollen authentisch bleiben
Landestourismusentwicklungskonzept muss Weichen für
nachhaltige Entwicklung setzen
Prunkbauten wie dieses Hotel stehen für
alles andere als für nachhaltigen Tourismus.
Foto: HPV
Der Tourismusbereich ist von der Coronakrise
auch in Südtirol stark betroffen. Umso
wichtiger ist es, jetzt Maßnahmen zu treffen,
um den Tourismus im Land nach der Krise
nachhaltig und resilient zu gestalten. Genau
das soll mit dem geplanten Landestourismuskonzept
geschehen, betonte Landesrat
Arnold Schuler bei einem Treffen mit dem
Heimatpflegeverband Südtirol.
Seit Jahrzehnten weist der Heimatpflegeverband
darauf hin, dass die wichtigste
Ressource für den Tourismus in Südtirol
die einzigartige und authentische Naturund
Kulturlandschaft ist. Mit dem überhitzten
Ausbau des Tourismussektors und
den bekannten Auswüchsen werden diese
Qualitäten Südtirols sowohl für Einheimische
als auch für Touristen bedroht. „Wir
sollen und müssen authentisch bleiben“,
ist deshalb auch Landesrat Arnold Schuler
überzeugt und plant mit dem neuen
Landestourismusentwicklungskonzept die
Weichen für eine nachhaltigere Entwicklung
zu setzen.
Bettenobergrenze und mehr
Ein wichtiger Schritt ist der geplante Abgleich
zwischen genehmigter Bettenanzahl
und tatsächlichen Übernachtungen und
vor allem auch die Miteinberechnung der
nichtgewerblichen Betten aus Privatzimmern,
Urlaub auf dem Bauernhof und
Airbnb, um einen tatsächlichen Überblick
über die Kapazitäten im Südtiroler Tourismus
zu bekommen. Allzu oft wurden in der
Vergangenheit beispielsweise Gästebetten
als Personalbetten deklariert. Sehr zu begrüßen
ist aus Sicht des Heimatpflegeverbandes
die Abschaffung der Möglichkeit
der quantitativen Erweiterung, während das
Problem der qualitativen Erweiterung aber
bestehen bleibt. Der Heimatpflegeverband
appelliert an die Landesregierung, auch
hier Richtlinien vorzugeben.
Schlupöcher für
Tourismuszonen
Mit dem geplanten Landestourismuskonzept
nicht gelöst werden kann das
Problem der bereits zugewiesenen, aber
noch nicht verbauten Betten und Tourismuszonen.
Die Folge: In den nächsten
Jahren sind mehrere touristische Großbauten
zu erwarten, was den Druck auf
die familiengeführten kleinen und mittelgroßen
Betriebe erhöht. Zwar sehen
die neuen Tourismusleitlinien der Lan-
desregierung die verstärkte Unterstützung
der Klein- und Mittelbetriebe vor.
Dazu muss, so der HPV, allerdings den
großen Tourismusscheinwelten ein Riegel
vorgeschoben werden. Der Heimatpflegeverband
verurteilt auch die noch bestehenden
Schlupflöcher für Tourismuszonen
sowie die oft ungleiche gesetzliche
Behandlung von touristischen Projekten
und Wohnbauprojekten.
Der Heimatpflegeverband betont: Die
Sommer- und Wintersaisonen vor der
Coronakrise haben gezeigt, dass das
Phänomen des „Overtourism“ auch auf
Südtirol zutrifft. Gerade jetzt wäre es
notwendig, die Weichen für eine nachhaltige
Entwicklung zu setzen. Mit den
neuen Tourismusleitlinien hat man eine
gute Grundlage geschaffen. Nun bleibt zu
hoffen, dass die Leitlinien im geplanten
Landestourismuskonzept auch umgesetzt
werden.
Heimatpflegeverband Südtirol
KulturFenster
18 03/Juni 2021
Dinge des Alltags
aus Geschichte und
Gegenwart
Schnapshund und
Schnapsschwein
Man sollte gar nicht meinen,
dass man aus diesem
Schnapsschweinchen
trinken kann.
Der Schnaps galt in der Vergangenheit als
Heilmittel. Damit wurden müde Knochen
eingerieben, wunde Stellen desinfiziert
oder Verdauungsschwierigkeiten kuriert.
Die Liste der Heilmittel, in denen das
hochprozentige Getränk vorkommt,
ist lang. Wohl nicht umsonst wurde
er „Aqua vitae“, Lebenselixier, genannt.
Er galt aber auch als Liebesgabe
und man trank ihn beim Abschluss
eines Vertrages. In Tirol ist
natürlich auch das „Gipfl-Schnapsl“
bekannt.
In Privatsammlungen und in Museen
ist eine Vielzahl an Schnapsflaschen
mit den dazugehörigen Gläsern erhalten
geblieben. Die Schnapsgläser
tragen im Dialekt die Bezeichnungen
Stamperle, Fraggele oder
Pudel. Die Flaschen waren zum Teil
reich verziert mit Trink- oder Liebessprüchen,
wie zum Beispiel „Mein
Herz soll dir allein, bis auf den Tod
verbunden sein“ oder „Wie treu ich
dir, sei du zu mir.“
Bekannt sind die Nabelflaschenaschen aus Waldglas,
die in den Glashütten von Kramsach
entstanden sind. Sie trugen einen Zinnverschluss
und am Bauch eine Einbuchtung,
woher der Name Nabelflaschea
her-
rührt. Daneben sind auch Gefäße erhalten
geblieben, die sich unter der Bezeichnung
„Scherzgefäße“ verbreitet haben. Ab dem
16. Jahrhundert waren sie besonders bei
Der Schnapshund war eines der beliebtesten
Scherzgefäße.
Fotos: Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
den Zünften sehr beliebt. Doch die Anfänge
dieser Gefäßgattungen gehen bereits auf
die Antike zurück, als man sich bei ausgelassenen
Trinkgelagen damit amüsierte.
Die Gefäße konnten die Form eines
Tieres, zum Beispiel eines Hundes,
Schweines oder Affen haben, oder
eines Gegenstandes wie etwa eines
Stiefels. Manchmal hatten sie auch
die Form eines Musikinstrumentes
wie eines Jagdhorns oder einer Trompete.
Zu den beliebtesten Motiven,
die bis in der Mitte des 19. Jahrhunderts
in Gebrauch waren, zählen die
Schnapshunde, die es in verschiedenen
Formen und Farben gab.
Warum ein Scherzgefäß? Die Bezeichnung
ist wohl nicht nur auf die
ungewöhnlichen Formen zurückzuführen.
Es war anscheinend nicht
ganz leicht, aus diesen Gefäßen zu
trinken, ohne sich dabei zu bekleckern,
was zur allgemeinen Belustigung
in fröhlicher Runde beitrug.
Barbara M. Stocker
KulturFenster
19 03/Juni 2021
angegangenen Jahrzehnte für das Tal von
einem rasanten Wandel gekennzeichnet gewesen,
der sowohl die Gesellschaft als auch
das Landschafts- und Siedlungsbild ergriffen
hatte: Wie die Pilze waren Hotels und
Liftanlagen aus dem Boden geschossen.
Verschwunden waren die Getreidefelder,
und dasselbe Schicksal drohte auch den
typischen Grödner Bauernhöfen.
Der große Fortschrittsoptimismus, das Immer-Mehr
auf der einen Seite führte aber
dazu, dass auf der anderen Seite kritische
Gegenstimmen immer lauter wurden. In
diesem Sinne ist es seit Jahrzehnten Aufgabe
der Lia, das reine wirtschaftliche Kalkül,
den „Homo oeconomicus“, der gerade
in Gröden sehr häufig vorkommt, in seine
Schranken zu weisen.
Sicher handelte es sich dabei nicht imhinausgeblickt
50 Jahre Einsatz für
Natur- und Heimatschutz
„Lia per Natura y Usanzes“ feiert Jubiläum – Rückblick auf
eine umfangreiche Tätigkeit
Seit 50 Jahren setzt sich die „Lia per Natura y Usanzes“ ein für den Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft, für den Schutz von
Luft, Gewässern und Böden, für Flora und Fauna.
Foto: Walter Perathoner
Seit ihrer Gründung vor 50 Jahren setzt sich
die „Lia per Natura y Usanzes“ (Naturschutzund
Heimatpflegeverein) für den Schutz der
Grödner Natur- und Kulturlandschaft ein. Der
Verein leistete damit auf vielen Fronten Pionierarbeit
– und das zu einer Zeit, als Naturschutz
noch lange nicht zum Bewusstsein
der Allgemeinheit gehörte.
Wahrscheinlich bereits 1969 wurde in
St. Ulrich, auf Initiative von Florian Peter
Schrott (allseits als „Flëur“ bekannt), die
Naturschutzgruppe „Lia per Natura y Usanzes“
gegründet. Ursprünglich handelte es
sich dabei um eine Arbeitsgruppe innerhalb
des Trachten- und Heimatvereines. Dieser
konnte in Gröden bereits auf eine lange Tradition
zurückblicken: Kurz nach 1900 gegründet,
wirkte er bis in die 1920er-Jahre,
als seine Tätigkeit von den faschistischen
Machthabern unterbunden wurde. Nach
seiner Wiedergründung 1949 entfaltete er
rasch eine breitgefächerte Tätigkeit, wobei
sich der Volkstanz und der Naturschutz
immer deutlicher als wichtige Arbeitsbereiche
etablierten. So kam es, dass 1963
zunächst eine eigene Volkstanzgruppe ins
Leben gerufen wurde und schließlich (zwischen
1969 und 1971) der Naturschutzverein
„Lia per Natura y Usanzes“.
Getreidefelder weichen
Hotels
Damals stand Gröden mitten in den Vorbereitungen
zu einem Großereignis, der Ski-
WM 1970. Und überhaupt waren die vo-
KulturFenster
20 03/Juni 2021
Heimatpege
„
Nicht zuletzt wegen des tatkräftigen
Einsatzes der „Lia“ konnten einige
einzigartige Naturgebiete bis heute
„
von irreversiblen Eingriffen geschützt
werden.
Engelbert Mauroner
mer um ein einfaches Unterfangen, das
mitunter auch dazu führte, dass die Vereinsmitglieder
als „Ökofaschisten“ beschimpft
wurden. Trotz allem waren und
sind zahlreiche Bemühungen der „Lia“
von Erfolg gekrönt.
Natur vor Eingriffen
bewahrt
Seit mittlerweile 50 Jahren setzt sie sich
für den Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft,
für den Schutz von Luft, Gewässern
und Böden, für Flora und Fauna
ein. Nicht zuletzt wegen dieses tatkräftigen
Einsatzes konnten einige einzigartige
Naturgebiete bis heute von irreversiblen
Eingriffen geschützt werden, wie die Almen
von Innerraschötz oder das Gebiet
von „Cunfin“ unterhalb des Langkofels.
Um die sogenannten „Confinböden“, ein
wichtiges Quellgebiet und Rückzugsgebiet
zahlreicher Tiere und Pflanzen, vor Eingriffen
zu schützen, bemüht sich die Lia
bereits seit mehr als zehn Jahren um den
Einschluss von Langkofel und Sellastock
ins UNESCO-Weltnaturerbe.
Den Wintertourismus
im Auge
In den 1990er-Jahren standen hingegen
Initiativen gegen eine neuerliche Ski-WM
1995 bzw. 1997 sowie gegen den Bau einer
Müllverbrennungsanlage in Gröden
ganz oben auf der Vereinsagenda. Außerdem
setzte man sich für den Abbau
von Schneekanonen im Sommer und gegen
den schädlichen Einsatz von Streusalz
zur Räumung der schneebedeckten Straßen
im Winter ein – oder man wies auf die
verschwenderische und unnütze nächtliche
Beleuchtung der Bergstationen hin.
Damit hat der Verein in zahlreichen Anliegen
eine äußerst wertvolle Sensibilisierungsarbeit
geleistet.
Der Vorstand der „Lia per Natura y Usanzes“: Livio Senoner, Inge Perathoner, Präsident
Engelbert Mauroner, Heidi Stufer und Manuela Piazza (v. l.)
Für Klima und Kultur
Informationsabende, Vorträge und Ausstellungen
trugen dazu bei, ein größeres
Bewusstsein in Sachen Umweltschutz
zu schaffen. Man vergesse dabei nicht,
dass gerade der Schutz der Umwelt auf
lokaler Ebene, wenn nicht gar beim „Ich“
beginnt. Wenn nicht ich damit beginne,
Strom, Wasser oder Müll zu sparen – wer
bitte dann? Lange vor der Fridays-for-
Future-Bewegung wurden Klimaschutz
und alternative Energiequellen thematisiert.
Regelmäßig veranstaltete Biomärkte,
Besichtigungen von Höfen mit
naturnaher Landwirtschaft und Kräuterwanderungen
trugen dazu bei, das Bewusstsein
für gesunde Ernährung und
nachhaltige bzw. solidarische Wirtschaftskreisläufe
zu stärken.
Neben ökologischen verfolgte die „Lia“
immer auch historisch-kulturelle Anliegen.
Dank ihres Einsatzes konnten zahlreiche
Bauten von historischer Bedeutung
Die Feier
Foto: Lia per Natura y Usanzes
restauriert und vor dem sicheren Verfall
bewahrt werden (wie die Burgruine Wolkenstein,
die Kalköfen in Pontives oder
die Getreidemühlen von Pufels). Bereits
1985 gab die Lia außerdem eine Karte
der alten Flur-und Wiesennamen von St.
Ulrich heraus, um zu verhindern, dass
diese allmählich aus dem kollektiven Gedächtnis
verschwinden. 2001 folgte die
toponomastische Karte der Seiser Alm.
Einen wertvollen Beitrag zur Grödner Geschichtsforschung
leisteten außerdem die
Publikationen zur „Grödner Bahn“ (zusammengestellt
von der Historikerin Elfriede
Perathoner).
Nicht zu vergessen sind letztendlich die
Lehrfahrten, zu denen Mitglieder und Interessierte
im Herbst eines jeden Jahres
eingeladen wurden. In diesem Sinne bleibt
nur zu hoffen, dass auch die „Reise“ der
„Lia per Natura y Usanzes“ noch eine
recht lange und erfolgreiche sein möge.
Engelbert Mauroner
Obmann „Lia per Natura y Usanzes“
Am 12. Juni und damit nach Redaktionsschluss war die Feier zum 50-Jahr-Jubiläum
der „Lia per Natura y Usanzes“ geplant. Sie fand gemeinsam mit der Vollversammlung
des Heimatpflegeverbandes Südtirol in St. Ulrich in Gröden statt.
Dabei wurde auch eine Festschrift vorgestellt und ein Film gezeigt. Den Bericht
über die Feier lesen Sie in der nächsten Ausgabe des „KulturFensters“.
KulturFenster
21 03/Juni 2021
getragen
Die Bergmannstracht
„Glück auf!“ in festlichem Gewand
Tracht voller Symbolik
Den Verein Bergknappen Silberbergwerk Terlan gibt es seit 2005.
Tirol war im 15. und 16. Jahrhundert das bedeutendste
Erzabbaugebiet Europas, und das
heutige Südtirol spielte dabei eine gewichtige
Rolle. Egal ob in Prettau, am Schneeberg
zwischen Ridnaun und Passeier, in Villanders
oder in Terlan – in all diesen Gebieten
ist man stolz auf seine Bergbau-Vergangenheit
und zeigt das auch durch das Tragen
der typischen Bergmannstracht.
Wirklich eine Tracht?
Im Begriff „Tracht“ steckt das Wort „tragen“.
Die zwei gehören zusammen. Man
bezeichnet damit eine typische Kleidung,
die von einer bestimmten Gruppe in einer
bestimmten Gegend zu bestimmten Zwecken
getragen wird. Es gibt wohl kaum
eine Tracht, die auf eine so lange Tradition
zurückgreifen kann, wie die Bergmannstracht
in ihrem Ursprung. So wie die heutigen
Südtiroler Trachten das Feiertagsgewand
der bäuerlichen Bevölkerung waren,
so war die Bergmannstracht eben das gemeinsame
Gewand der bergbautreibenden
Knappen. In diesem Sinne hat der Begriff
Tracht seine Berechtigung.
Europaweiter Austausch
Im Mittelalter war die maximilianische Bergmannstracht
aus grobem, hellem Wollstoff
Foto: Verein Bergknappen
mit Kapuze üblich. Ältestes und typischstes
Element war dabei das sogenannte
Berg- oder Arschleder, das niemals fehlen
durfte. Natürlich hat auch bei uns die
Bergmannstracht vom Mittelalter bis herauf
ins 19. Jahrhundert eine vielfältige
Entwicklung durchgemacht. Sie war auch
stets von der Bergmannstracht anderer europäischer
Bergbaugebiete beeinflusst, da
die Bergknappen gerne dorthin zogen, wo
sie Arbeit fanden. So kam es zu einem regen
Austausch untereinander, auch was
die Kleidung anbelangte.
Bergknappen
Silberbergwerk Terlan
Die heute zu festlichen Anlässen getragene
Bergmannstracht hat nichts mit der
Arbeit im Untertagebau zu tun, sondern
geht auf eine Verordnung des Ackerbauministeriums
in Wien von 1890 zurück.
Sie wird von Knappenkapellen, Chören
oder Knappenvereinen getragen und hat
im Brauchtum der ehemaligen Bergbaugebiete
ihren festen Platz. In Terlan zum
Beispiel bemüht sich seit 2005 der Bergknappenverein,
die Erinnerung an den
jahrhundertelangen Silber- und Bleiglanzabbau
wach zu halten. Auch ein ehemaliger
Stollen kann mit Führung wieder betreten
werden.
Die schwarze Bergmannstracht hängt eng
mit der Schutzpatronin der Bergknappen,
der heiligen Barbara, zusammen. Ihr Festtag
ist der 4. Dezember. Auf dem Bergkittel
müssen 29 vergoldete Knöpfe sein, die
das Licht der Sonne symbolisieren, aber
auch auf das Lebensalter der heiligen
Barbara hinweisen, welche der Legende
nach mit 29 Jahren hingerichtet wurde.
Die schwarze Farbe symbolisiert die Dunkelheit
in den Stollen. Die Seidenfransen
an den Ärmeln erinnern an die Reservedochte
für die Öllampen. Am Berghut und
am Oberarm erinnert das Gezähe mit gekreuztem
Bergeisen und Schlägel an die
Erzabbaumethode des Mittelalters.
Agnes Andergassen
Arbeitsgemeinschaft Lebendige Tracht
Bergmannstracht heute - aus: „Schneeberg
in Südtirol“, Hrsg: Südtiroler Bergbaumuseum,
2000
KulturFenster
22 03/Juni 2021
gedenken
Großer Einsatz für die
Kulturlandschaften Tirols
Im Gedenken an Dipl. Ing. Josef Menardi (1925–2020)
Josef Menardi (†)
Foto: Archiv Bundesdenkmalamt Tirol
Ein lebenswertes Tirol, in dem die Spuren
der Vergangenheit lebendig sind, war sein
Ziel, sein Lebensinhalt. Am 1. Oktober 2020
ist mit Hofrat Dipl. Ing. Josef Menardi eine
prägende Persönlichkeit der Tiroler Denkmalpflege
und ein engagierter Heimatpfleger
95-jährig verstorben.
Als Landeskonservator wachte der ausgebildete
Architekt Josef Menardi 15 Jahre
lang über den Denkmalschutz in Tirol.
In dieser Funktion war er nicht nur zuständig
für sämtliche Restaurierungen an
denkmalgeschützten Sakral- und Profanbauten
im Bundesland Tirol und die fachliche
Betreuung der Fassadenaktionen in
Hall, Schwaz, Rattenberg, Pfunds und
Grins. Er leistete auch wertvolle Grundlagenarbeit,
auf die nachfolgende Generationen
von Denkmalpfleger*innen in der
täglichen Arbeit zurückgreifen konnten.
So veranlasste er die Erfassung sämtlicher
denkmalwürdiger Objekte im
Rahmen der Erstellung der Flächenwidmungspläne
aller 279 Tiroler Gemeinden,
initiierte Aktionen zur Erhaltung
alter Holzbrücken, zur Sicherung
von Burgruinen und bäuerlicher Nebengebäude
wie Kornkästen oder Mühlen
und wirkte bei der Kapellenaktion des
Landes mit.
Ab 1963 engagierte sich Josef Menardi
im Verein für Heimatschutz und Heimatpflege
in Nord- und Osttirol, fast 30
Jahre davon (1971–2000) als Obmannstellvertreter.
Ein besonderes Anliegen
war ihm hier die Zusammenarbeit mit
Südtirol, so zum Beispiel als Mitbegründer
des Dachverbandes mit den Nord-,
Ost- und Süd- und Welschtiroler Heimatpflegern.
Beim jährlichen gemeinsamen
Gesamttiroler Heimatpflegetreffen
war Josef Menardi bis ins hohe Alter
stets dabei. Sein großes Fach- und Detailwissen
brachte Josef Menardi auch
bei vielen Gutachten und Themen der
Südtiroler Heimatpfleger ein.
Josef Menardis Bemühungen um die Kulturlandschaften
Tirols und um das baukulturelle
Erbe unseres Landes werden
uns auch in Zukunft ein Vorbild bleiben.
Josef Oberhofer
5‰fürdieNatur-undKulturlandschaft
5‰fürdenHeimatpflegeverband
Seit 2020 ist der Heimatpflegeverband in die Liste der 5-Promille-Empfänger eingetragen. Damit hat man die Möglichkeit, die
Heimatpflege auch über die Steuererklärung zu fördern.
Der Heimatpflegeverband setzt sich für den Erhalt unserer Natur- und Kulturlandschaft und der historischen Baukultur, für eine
offene und traditionsbewusste Gesellschaft, für die Förderung der Volkskultur, der Tracht und der Mundart, für die Heimat ein.
Unterstützen auch Sie die Tätigkeit des Heimatpflegeverbandes, indem Sie bei der Steuererklärung (CU, Mod 730 oder Mod.
UNICO) ganz einfach und unkompliziert im entsprechenden Feld die Steuernummer 80006000212 des Heimatpflegeverbandes
Südtirol eintragen und Ihre Unterschrift daruntersetzen.
Vielen Dank für die Unterstützung!
KulturFenster
23 03/Juni 2021
Wenn Musik so richtig in Bewegung
kommt, wird aus Spaß Begeisterung.
KulturFenster
24 03/Juni 2021
angekündigt
Leidenschaft für Musik,
Bewegung, Tanz, Schauspiel
Ausblick und Vorfreude auf das Jugendfestival 2022
Es ist nicht lange her, dass ich eines Abends
vor meinem Computer saß und unvermittelt
eine kleine Zeitreise unternahm, die mich
wieder einmal an einen roten Faden meiner
beruflichen Laufbahn erinnerte. Ich schaute
mir ein altes Video einer Musicalaufführung
mit Schülern an, die ich im Jahr 2004
während meiner Ausbildungszeit als Musiklehrerin
betreute. Und der rote Faden, von
dem ich spreche, der sogar noch viel früher
begann und sich bis heute durchzieht,
ist meine Leidenschaft für Musik – Bewegung
– Tanz – Schauspiel, am liebsten alles
auf einmal, angetrieben von viel Kreativität
und Fantasie.
Gleich darauf führten mich die Gedanken
noch auf eine zweite Zeitreise – diesmal
aber in die Zukunft, zu einem mit Vorfreude
und Spannung erwarteten Ereignis,
das voraussichtlich im nächsten Jahr
in dieser Form zum ersten Mal in Südtirol
stattfinden kann: ein landesweites Jugendfestival
unter dem Motto Musik und
Bewegung.
Doch zurück zum Ausgangspunkt. Schon
als Kind war ich einerseits begeistert von
allem, was Musik war, andererseits hatte
ich eine Leidenschaft für Bewegung, vor
allem für die ästhetischen Sportarten wie
Turnen, Tanzen… und ebenso begeisterte
mich das Theater, sodass ich bei jeder
Schultheatergruppe dabei war und
auch später viele Gelegenheiten nutzte,
mich in diesem Bereich weiterzubilden.
Genau diese Leidenschaften sollten sich
als der besagte rote Faden durch mein
Berufsleben ziehen.
„
Die Leidenschaft für Bewegung
zieht sich ebenso wie die für Musik
wie ein roter Faden durch mein
„
Berufsleben.
Caroline Hempel
Durch Musikprojekte werden Kinder und Jugendliche ermutigt, sich ihrer kreativen Fähigkeiten
bewusst zu werden und sie auch zum Ausdruck zu bringen.
Der Anfang des „Roten
Fadens“ in Norddeutschland …
Bereits während der Ausbildung fing ich
an, mit Schülern Musicals und Tanzprojekte
einzustudieren und aufzuführen – und dies
begleitete mich durch all die Jahre meiner
bisherigen Berufstätigkeit. Die Projekte waren
vielseitig – kleine Klassenaufführungen,
teilweise auch größere Produktionen, und
darüber hinaus hatte ich Gelegenheit, in
der norddeutschen Stadt Göttingen das
Kindermusicalprojekt „Kids on Stage“ zu
gründen und mit den Kindern und Jugendlichen
zahlreiche Aufführungen zu gestalten.
Ebenso begleitete ich über vier Jahre
lang die Gruppe „Four plus One“ aus vier
gesangs- und theaterbegeisterten Mädchen.
In unserer gemeinsamen Arbeit stand neben
dem Gesangsunterricht auch die Inszenierung
selbst konzipierter Musicals
im Mittelpunkt, kombiniert mit Tanz-Performance
und Instrumenten.
… und die Fortsetzung
in Südtirol
Im Jahre 2017 war schließlich ein Entschluss
in mir gereift, der mein Leben in
mancher Hinsicht sehr verändert hat – der
Umzug nach Südtirol. Es waren das Interesse
am Land und an den Menschen,
die Faszination der Berge, ebenso wie die
Neugier und der Wunsch, etwas Neues
zu beginnen, meinen Horizont zu erweitern
und neue Erfahrungen zu machen,
die mich hierher zogen an diesen Ort, der
sich heute schon nach einer „neuen Heimat“
anfühlt.
Es dauerte nicht lange, da tauchte wieder
der rote Faden in meinem beruflichen Leben
auf. Bereits mehrfach hatte ich Gelegenheit,
ein Musicalprojekt im Rahmen
eines Sommercamps zu begleiten, und
im Rahmen meiner Tätigkeit als Lehrerin
führten wir mit einer Schulklasse am
Ende meines ersten Südtiroler Schuljahrs
KulturFenster
25 03/Juni 2021
angekündigt
Kapellmeisterin – eine neue
Herausforderung
Musik bewegt … die Ausführenden ebenso wie die, die zuhören und zuschauen.
ebenfalls ein Musical auf. Und ich glaube,
mit Gewissheit sagen zu können, dass es
nicht das letzte Projekt dieser Art war, sobald
die Bedingungen es erst einmal wieder
zulassen. Einstweilen hat zumindest
die Bewegung zur Musik in meinem Musikunterricht
immer wieder ihren Raum
und wichtigen Stellenwert.
Was mich immer am meisten fasziniert
hat, war, in der Arbeit mit den verschiedenen
Gruppen zu erleben, wie tief sich
die Erlebnisse den Kindern und Jugendlichen
einprägten und wie sie Jahre später
noch von Proben, Aufführungen und
auch ihren persönlichen Erfahrungen erzählten.
Wie sie strahlten und immer wieder
über sich hinauswuchsen. Wie sie
die Gelegenheit ergriffen, sich weiterzuentwickeln
und persönlich zu wachsen.
Dieses Erleben bedeutete für mich eine
Kraft, die mich selbst immer wieder antrieb
und mir einen Überfluss an Energie
und Begeisterung für diese Projekte
schenkte.
Nun beschränkt sich mein musikalischer
Horizont natürlich keineswegs auf den Bereich
des Musiktheaters, vielmehr liebe
ich gerade die Vielseitigkeit. Nach jahrelanger
Tätigkeit als Chorleiterin bei verschiedenen
Chören bin ich derzeit unter
anderem als Workshopleiterin für den
„Pop-up-Chor“ bei der MURX-Academy
in Eppan tätig. Darüber hinaus traf ich
gleich nach meiner Ankunft in Südtirol
auf eine ganz neue musikalische Herausforderung:
die Leitung einer Musikkapelle
und die Tätigkeit als Kapellmeisterin. Es
war erst zu diesem Zeitpunkt, dass ich
intensiver mit der Blasmusik in Kontakt
kam, da mich diese neue Herausforderung
reizte und ich gerne ausprobieren
wollte, ob ich dieser Aufgabe gewachsen
war – und vor allem, was ich daran lernen
und mir neu aneignen konnte.
So übernahm ich im September 2017 die
musikalische Leitung der Musikkapelle
Pufels, was mir seither immer viel Freude
bereitet und mir ebenso die große Chance
gegeben hat, meine musikalische Tätigkeit,
mein Repertoire und meinen Erfahrungshorizont
zu erweitern. Die Gestaltung
zahlreicher Konzerte und Umzüge
ließ mich auch einen besonderen Einblick
in die Kultur und Tradition des Landes gewinnen
– ein Eindruck, den ich sonst sicherlich
nicht so schnell und intensiv bekommen
hätte.
Beim traditionellen Cäcilienkonzert der
Musikkapelle im Spätherbst 2019 – das
erste Konzert im gerade fertig gestellten
neuen Vereinslokal in Pufels – hatte ich
schließlich die Gelegenheit, persönlich
mit dem Verband Südtiroler Musikkapellen
(VSM) in Kontakt zu kommen.
Die neue Idee war geboren:
Musical und Filmmusik
Das Musical vereint Musik, Gesang, Bewegung, Theater.
Klaus Fischnaller, der Verbandsstabführer,
sprach mich mit großem Enthusiasmus
an, um mich für eine Projektidee
zu gewinnen – eine wunderbare Gelegenheit,
meinen „Roten Faden“ noch etwas
weiter zu spinnen und ihn durch einige
neue „Verknüpfungen“ zu erweitern.
Klaus hatte die Idee, ein großes Festival
für Jugendkapellen aus ganz Südtirol zu
veranstalten, das unter dem Motto „Musik
in Bewegung“ stehen soll. Dabei sollen
auch neue, kreative Wege erkundet
KulturFenster
26 03/Juni 2021
Blasmusik
KF: Wieso genau Musik in Bewegung?
Klaus Fischnaller: Beobachten wir doch
mal Kinder und Jugendliche, wenn sie
Musik hören. Sie tanzen und bewegen
sich dazu, ohne dass wir sie dazu auffordern.
Musik und Bewegung gehören einfach
zusammen. Die Idee dazu ist gebowerden,
Musik, Bewegung und Szene zu
verbinden – weit über das hinaus, was das
reine Spielen und Marschieren in Formationen
bedeutet.
Die neue Idee war geboren und entwickelte
sich weiter. Bei einem ersten Planungstreffen
des Organisationsteams einigten
wir uns schnell auf ein Thema: Das Festival
soll unter dem Motto „Musical und
Filmmusik“ stehen und die Türen öffnen
für verschiedene kreative Arten, Musik,
Bewegung und Szene zu verbinden, immer
in Verbindung zur Blasmusik und
zum Spiel der Kapellen. Mit ein wenig
Fantasie ist da so viel mehr möglich!
Da stehen wir nun, mit der Idee, mit
der Begeisterung und mit der Entschlossenheit,
trotz aller Widrigkeiten
am Ball zu bleiben und
das Projekt in Zukunft Wirklichkeit
werden zu lassen.
Nachdem uns die Entwicklung
der Dinge etwas „ausgebremst“
hat und das Jugendfestival
nicht wie geplant im April 2021 stattfinden
konnte, sind wir indessen nun von
der Möglichkeit einer Realisierung im Jahr
2022 überzeugt und werden weiter mit
Begeisterung darauf hinarbeiten.
Und natürlich hoffen wir, möglichst viele
Zur Person
Die Musikerin, Musikpädagogin, Chorleiterin und Kapellmeisterin
Caroline Hempel (Jahrgang 1974) lebt seit dem Sommer
2017 in Südtirol. Sie absolvierte ihre Ausbildung an
der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover
und erwarb zusätzliche Qualifikationen in den Bereichen
Darstellendes Spiel, Musical, Chorleitung und
Populärmusik. Neben ihrer langjährigen Berufserfahrung
in Deutschland lebte und arbeitete sie zeitweilig in England,
Frankreich und Bosnien-Herzegowina. Sie initiierte
zahlreiche Kinder- und Jugendmusicalprojekte
sowie verschiedene Gesangsformationen und leitete
mehrere Chöre. Ihre Schwerpunkte und Leidenschaften
sind unter anderem Klavier, Gesang,
Musical, Chorleitung und Theater. In
ihrer beruflichen Tätigkeit ist sie bestrebt,
diese Bereiche immer wieder zu kombinieren,
sich selbst damit auszudrücken und
andere auf diesem Weg voranzubringen.
Jugendliche, Jugendleiter, Kapellmeister
und andere Interessierte ebenso begeistern
und motivieren zu können, etwas
beizutragen und mitzumachen!
Wir alle warten nun darauf, endlich wieder
loslegen zu können mit der musikalischen
Arbeit – und dann wird auch unsere
Planung wieder Fahrt aufnehmen. Wir
werden euch auf dem Laufenden halten!
Caroline Hempel
„Die Zukunft gehört der Jugend!“
Einladung zum Jugendfestival 2022
Verbandsstabführer Klaus Fischnaller
und Verbandsjugendleiter-Stellvertreterin
Uta Praxmarer planen für 2022
ein Festival für alle Jugendkapellen.
„Die Freude und der Spaß für die Musik
sollen dabei ganz oben stehen“, unterstreichen
der VSM-Verbandsstabführer
Klaus Fischnaller und die VSM-Verbandsjugendleiter-Stellvertreterin
Uta Praxmarer.
Sie planen und arbeiten schon seit
einiger Zeit an einem Festival mit Musik
Tanz und Bewegung, für und mit unserer
Jugend – ganz nach dem Motto: Die Zukunft
gehört der Jugend!
Es soll ein Festival sein, das es in dieser
Form wahrscheinlich noch nie gegeben
hat und wozu alle Jugendkapellen, egal
ob groß oder klein, erst neu gegründet
oder lange bestehend, eingeladen sind
dabei zu sein.
KulturFenster: Was war dein erster Gedanke,
als du von der Idee des Jugendfestivals
erfahren hast?
Uta Praxmarer: Das hört sich total spannend
an und muss umgesetzt werden.
Musik in Bewegung mit allen Sinnen –
das klingt vielversprechend. Ich würde
meine Jugendkapelle sofort animieren
mitzumachen.
KulturFenster
27 03/Juni 2021
angekündigt
Musik in Bewegung ist viel mehr als „nur
marschieren“; sie bringt Körper, Geist
und Sinne in Bewegung.
ren, als ich anlässlich eines Maturaballs
eine selbst gestaltete Mitternachtseinlage
von Jugendlichen miterleben durfte. Es
war einfach toll zu sehen, wie einfallsreich,
kreativ und mit welcher Freude sie
sich zur Musik bewegt haben.
KF: Zur Musik tanzen ist eins, aber dazu
zu spielen ist doch nochmal anders?
Fischnaller: Ja das stimmt! Es soll auch
kein klassisches Marschieren sein wie
wir es alle kennen. Wir möchten vielmehr
dazu einladen, sich passend zur Musik
zu bewegen. Wo beispielsweise die Musik
im Stand, unterstützend im Hintergrund
oder auch solistisch gespielt wird
und diese mit einfachen Figuren, kreativen
Bewegungsformen, Bühnenbild und
Kostümen unterstützt werden.
Praxmarer: Es gibt ein gutes Konzept,
der Rest ist Raum lassen für Kreativität,
Ideen, Austausch, Begegnungen. Kinder
sind wahre Meister in Sachen Spontanität,
Ausprobieren und Spaß haben.
KF: Welche Hilfestellungen sind geplant?
Fischnaller: Wir werden eigens einen
Workshop anbieten, wo das Projekt an alle
Jugendleiter*innen und Stabführer*innen
im Detail vorgestellt wird. In verschiedenen
Gruppen sollen praktische Beispiele und
Ideen erarbeiten werden, welche als Hilfestellung
und Ideenanstoß dienen sollen.
Weiteres werden wir ständig in Kontakt
mit den Teilnehmenden sein, und wenn
gewünscht, sie auch bei der Vorbereitung
unterstützen.
Blasmusik ist „cool“ und eröffnet zudem eine Menge kreativer Gestaltungsräume.
KF: Was erwartet ihr euch von den
Jugendleiter*innen?
Praxmarer: Neugier, Interesse und Freude,
bei diesem Jugendfestival dabei zu sein.
Dass alle diese tolle Idee mittragen, damit
dieser Tag ein unvergessliches Erlebnis
wird, das noch lange nachwirkt und
Lust auf mehr macht.
Fischnaller: Dass wir gemeinsam an diesem
tollen Projekt arbeiten und es so zu
einem besonderen Erlebnis werden lassen,
das lange in Erinnerung bleiben wird.
Gespräch:
Stephan Niederegger
KulturFenster
28 03/Juni 2021
VSM intern
„Blasmusik bewegt – wieder!“
73. VSM-Mitgliedervollversammlung
Mit der „Intrada“
von Johann Pezel
eröffnete die MK
Naturns die diesjährige
Online-
Mitgliedervollversammlung
des VSM.
Am 24. April hielt der Verband Südtiroler
Musikkapellen seine traditionelle Jahresversammlung
ab. Traditionell waren aber nur
die Inhalte, denn – wie schon im Vorjahr –
wurde die Versammlung coronabedingt per
Videokonferenz organisiert.
Beim letzten Mal saß das Verbandspräsidium
im Raiffeisensaal in Bozen und
die Versammlung wurde übers Internet
ausgestrahlt. Diesmal war es eine reine
Videokonferenz, bei der sowohl die Mitglieder
des Verbandsvorstandes als auch
die Vertreter der Musikkapellen einzeln
über ihren PC zugeschaltet waren. Tonund
Videoeinspielungen der Musikkapellen
Naturns, Vahrn, Mals und Toblach
sowie der Bürgerkapelle Gries und eines
Blechbläserquintetts sorgten für die musikalische
Note.
Wie schon im Vorjahr wurde die heurige VSM Mitgliedervollversammlung coronabedingt
wiederum online abgehalten.
Optimismus nach einem
schwierigen Jahr
Nach mehr als einem Jahr Corona war die
Pandemie auch das alles überragende
Thema. Verbandsobmann Pepi Fauster und
Verbandsgeschäftsführer Andreas Bonell
blickten gemeinsam mit Verbandskapellmeister
Meinhard Windisch, Verbandsjugendleiter
Hans Finatzer und Verbandsstabführer
Klaus Fischnaller auf das vergangene Tätigkeitsjahr
zurück: vom Virus überrumpelt
und gestoppt, Absagen, neue Hoffnung, Öffnungen
und Schließungen, rechtliche Unsicherheit,
fehlende Perspektiven – das waren
die alles bestimmenden Schlagworte.
Man habe versucht, die Gremien auf Verbands-
und Bezirksebene, aber auch die
breite Basis in den Musikkapellen in die
jeweiligen Entscheidungen einzubinden,
damit diese von allen mitgetragen werden
konnten. Dadurch sei es gelungen, „diese
schwere Zeit gemeinsam zu überbrücken“
und dem Dreijahresmotto des Verbandes
„Blasmusik bewegt“ einmal mehr gerecht
zu werden: „Auch wenn wir nicht aktiv musizieren
können, so hat sich gezeigt, dass
die Blasmusik die Menschen gerade auch
in dieser Zeit bewegt.“ Daher blicke man optimistisch
auf die bevorstehenden Monate.
KulturFenster
29 03/Juni 2021
VSM intern
Rund 280 Teilnehmerinnen und Teilnehmer
wurden bei der Versammlung gezählt, freute
sich VSM-Obmann Pepi Fauster.
Werner Mair, der Jugendleiter und EDV-Referent
des VSM-Bezirks Bozen sorgte im Hintergrund
für den reibungslosen technischen
Ablauf der Versammlung.
(Präsident des Tiroler Blasmusikverbandes),
Rudi Pascher (Tiroler Landeskapellmeister,
Renzo Braus (Präsidenten des Trentiner
Blasmusikverbandes), Erich Deltedesco
(Obmann des Südtiroler Chorverbandes),
Claudia Plaikner (Obfrau des Südtiroler Heimatpflegeverbandes),
Hans Christoph von
Hohenbühel (Vorsitzender des Südtiroler
Kulturinstitutes), Monika Rottensteiner (Vorsitzende
der ArGe Volkstanz), Gernot Niederfriniger
(Obmann des Südtiroler Volksmusikkreises),
Klaus Runer (Obmann des
Südtiroler Theaterverbandes) sowie Paul
Peter Niederwolfsgruber (Redaktion KulturFenster)
und Alfons Gruber (ehemaliger
Schriftleiter des KulturFensters).
Man wolle das heurige Jahresprogramm
ständig an die Situation anpassen und möglichst
kreativ die vorgesehenen Projekte umsetzen,
hoben die Verantwortlichen hervor.
Grußworte
Landeshauptmann Arno Kompatscher und
Landesrat Philipp Achammer bedankten
sich in ihren Grußworten beim Verband und
allen Musikkapellen, für „die Geduld, die
Disziplin, den Verzicht und die Kreativität,
mit der dieses enorm schwierige Jahr gemeistert
wurde.“ Sie sicherten weitere Lockerungen
zu und versprachen, dass die
bereits zugesicherten Unterstützungen aus
dem Kulturfonds so schnell wie möglich und
unbürokratisch ausbezahlt werden. Zudem
werden sie weitere Anläufe machen, damit
die neuen „Regeln des römischen Zentralismus“
zum Ehrenamt abgeändert und die
Eigenheit des Vereinswesens in Südtirol berücksichtigt
werden.
Erich Riegler, der Präsident des Österreichischen
Blasmusikverbandes, bedankte
sich einmal mehr für die hervorragende
Zusammenarbeit. Auch wenn die gesetzlichen
Rahmenbedingungen unterschiedlich
sind, so seien die Bedürfnisse der Blasmusik
diesseits und jenseits des Brenners
die gleichen, hob er hervor: „Die Blasmusik
darf nicht hinten bleiben und unverhältnismäßig
behandelt werden.“
Die Ehrengäste
Vertreter von 179 Musikkapellen nahmen
an der Online-Versammlung teil. Weiters
konnte VSM-Obmann Pepi Fauster zahlreiche
Ehrengäste begrüßen, die ebenfalls
virtuell der Versammlung beiwohnten und
damit ihre Wertschätzung dem Verband gegenüber
zum Ausdruck brachten: Gottfried
Furgler (VSM-Ehrenobmann), Gottfried Veit
(VSM-Ehrenkapellmeister, die VSM-Ehrenmitglieder
Klaus Bragagna, Toni Profanter
und Bruno Hosp, Landeshauptmann Arno
Kompatscher, Bildungslandesrat Philipp Achammer,
Landesmusikschuldirektor Felix
Resch, Giacomo Fornari (Direktor des Bozner
Musikkonservatoriums), Erich Riegler
(ÖBV-Präsident), Friedrich Weyermüller
(ÖBV-Ehrenpräsident), Helmut Schmid
(ÖBV-Bundesjugendreferent), Elmar Juen
Landeshauptmann Arno Kompatscher, Bildungslandesrat Philipp Achammer und ÖBV-Präsident
Erich Riegler bedankten sich in ihren Grußworten für die hervorragende Zusammenarbeit
„in diesem äußerst schwierigen Jahr“.
„Fesch in Tracht“: Die neue Informationsbroschüre
gibt im Detail Tipps zum Tragen
und Pflegen der Frauen- und Männertracht.
„Fesch in Tracht“
Unter der Leitung von Stefan Sinn, seines
Zeichens Obmann des VSM-Bezirks Bozen,
wurde in Zusammenarbeit mit der
ArGe „Lebendige Tracht“ und der ArGe
„Volkstanz“ eine handliche Broschüre mit
Tipps zum Tragen und Pflegen der Tracht
erstellt. „Eine Tracht anzuziehen sollte niemals
eine Last sein, vielmehr eine Ehre“,
hob Agnes Andergassen hervor. Sie ist die
Vorsitzende der ArGe „Lebendige Tracht“,
hat maßgeblich an der Broschüre mitgearbeitet
und diese bei der VSM-Mitgliedervollversammlung
vorgestellt. Das Informationsbüchlein
wurde in einer Auflage von 10.000
Stück gedruckt und wird an alle Mitgliedsvereine
verteilt.
Stephan Niederegger
VSM-Medienreferent
KulturFenster
30 03/Juni 2021
Blasmusik
Es war einmal …
eine Musikkapelle
Bitte um Mitarbeit bei der Suche nach verschollenen Musikkapellen
Es hat in der Vergangenheit in unserm Land gar einige
Musikkapellen gegeben, die im Laufe der Zeit
von der Bildfläche verschwunden sind und vielfach
erinnern nur mehr lückenhafte Notizen von deren
vormaliger Existenz.
GESUCHT!
Erinnerungen, Dokumente,
Fotos, Zeitungsmeldungen etc.
Nun soll der Versuch gemacht werden, ein vom Vergessen
bedrohtes Kapitel Südtiroler Blasmusikgeschichte
zu dokumentieren und für die Zukunft zu sichern.
Deshalb ersuchen wir alle, die vom Bestand ehemals
existierender und heute verschwundener Musikkapellen
oder selbstständiger Bläserformationen Kenntnis
haben, dies mitzuteilen. Vor allem bitten wir, auch ältere
Musikanten oder ältere Menschen aus der Dorfgemeinschaft
anzusprechen und sie nach ihren diesbezüglichen
Erinnerungen zu befragen.
Wenn es neben den bloßen Erinnerungen auch noch
konkrete Unterlagen (Dokumente, Fotos, Zeitungsmeldungen
etc.) zu den verschwundenen Musikkapellen
geben sollte, so wären wir für deren leihweise Überlassung
natürlich sehr dankbar. Jeder noch so kleine
Hinweis ist bei der Recherche hilfreich!
Hinweise und Infos bitte direkt an den Verband Südtiroler
Musikkapellen, Schlernstraße 1, 39100 Bozen
oder info@vsm.bz.it
Stephan Niederegger
Aus der Redaktion
Ihre Beiträge (Texte und Bilder) für die Blasmusikseiten
senden Sie bitte an: kulturfenster@vsm.bz.it
Redaktionsschluss für
die nächste Ausgabe des
KulturFensters ist
Donnerstag, 15. Juli 2021
KulturFenster
31 03/Juni 2021
VSM intern
50 Jahre Leistungsabzeichen
im VSM
Eine Erfolgsgeschichte mit Fortsetzung
Die „alten“ Jungmusikerleistungsabzeichen
(im Bild das Abzeichen in Bronze).
So sahen die Jungmusikerleistungsabzeichen
ab dem Jahr 2006 aus (im Bild das
Abzeichen in Silber).
2018 erhielten die Leistungsabzeichen ein
völlig neues Design.
Mit den Prüfungen am vergangenen 2. und
5. Juni endete eine Ära: Nach 50 Jahren
wechselvoller und spannender Geschichte
wurden die Prüfungen zum Leistungsabzeichen
zum letzten Mal vom Verband Südtiroler
Musikkapellen (VSM) ausgetragen.
Ein historisches Datum, das an die vielen
Musikant*innen erinnert, welche sich im
Laufe der Jahre für diesen besonderen Moment
angestrengt hatten. Viele von ihnen
sind die heutigen Eckpfeiler der Musikkapellen,
Leistungsträger, Funktionäre oder
Berufsmusiker.
Vor 50 Jahren auch in
Südtirol eingeführt
Bereits 1969 führte der Österreichische
Blasmusikverband (ÖBV) die Jungmusikerleistungsabzeichen
„zur Hebung des
musikalischen Niveaus“ ein. Die Ausbildung
der Jungmusiker fand damals hauptsächlich
in den Kapellen und kaum in den
(teilweise noch zu gründenden) Musikschulen
statt. Die Leistungsabzeichen waren
also ein kluger Schachzug und gleichzeitig
bahnbrechend. Somit gab es jetzt drei
Leistungsstufen in Bronze, Silber und Gold
– ähnlich den olympischen Disziplinen –
als Motivation für die Jugend. Schon zwei
Jahre später, 1971, wurde diese Idee vom
Verband Südtiroler Musikkapellen (VSM)
übernommen und über die Bezirke landesweit
organisiert.
Diese Kurse mit integriertem Theorie- und
Praxisunterricht erstreckten sich in der Regel
über mehrere Sonntagvormittage, wobei
die eigentliche Prüfung von externen Juroren
abgenommen wurde. Vielfach lernten
die allermeisten Musikanten aufgrund der
damals mangelnden Ausbildung bei diesen
Kursen grundlegende Spieltechniken
und wurden zum ersten Mal von geschulten
Fachleuten unterrichtet.
Steigende Ansprüche
Mit steigenden Ansprüchen an Literatur und
Ausbildung wurden die Theorieprüfungen
Anfang der 2000-er Jahre Musikschulen
ausgelagert. Die bisherige einheitliche Prüfungsliteratur
wurde durch individuelle, moderne
Literaturlisten abgelöst.
Die Leistungsabzeichen erfreuen sich nach
wie vor großer Beliebtheit: in den vergangenen
fünf Jahrzehnten haben ca. 15.000
Musikant*innen eines der Leistungsabzeichen
erlangt. Jährlich stellen sich an die
750 Musikant*innen der Herausforderung,
dabei entfallen etwa 70% auf Bronze, 25%
aus Silber und 5% auf Gold.
Musikschulen übernehmen
die Prüfungen
Seit Herbst 2020 verfügt der VSM über
eine von Verbandsjugendleiter Johann Finatzer
konzipierte Anmeldeseite, über die
die Lehrpersonen ihre Schüler bequem
und unbürokratisch zu den Prüfungen anmelden
können.
Der nächste und letzte Baustein dieser
50-jährigen Geschichte ist der Übergang
der Prüfungen zum Leistungsabzeichen ab
dem Schuljahr 2021/22 an die Musikschulen,
wobei gewährleistet bleibt, dass weiterhin
die Richtlinien des österreichischen
Blasmusikverbandes eingehalten werden.
Wir blicken nun nach vorne und wünschen
den Leistungsabzeichen eine gute
Reise. Mögen sie für weitere 50 Jahre ein
begehrtes Ziel und zudem ein Garant bleiben
für das musikalische Niveau unserer
Kapellen und weit darüber hinaus.
Johann Finatzer
VSM-Verbandsjugendleiter
KulturFenster
32 03/Juni 2021
hinausgeblickt
70 Jahre Österreichischer
Blasmusikverband
Eine umfassende Chronik zum Geburtstag
Friedrich Anzenberger (v.l.) mit seiner Frau
Elisabeth und VSM-Obmann Pepi Fauster auf
Recherche im VSM-Archiv in Bozen
Am 4. März hat Friedrich Anzenberger die
Chronikkurzfassung im Online-Blasmusikstudio
des ÖBV vorgestellt.
Friedrich Anzenberger mit der Kurzfassung
als Vorgeschmack zur Jubiläums-Chronik
des ÖBV
In der Aprilausgabe haben wir bereits auf
den runden Geburtstag des Österreichischen
Blasmusikverbandes „hinausgeblickt“
(siehe S.63). Im Oktober wird die
Jubiläums-Chronik erscheinen. Der ÖBV-
Bundesschriftführer Friedrich Anzenberger
hat zum „Geburtstag“ am 4. März dazu
vorab eine Kurzfassung des historischen
Teils vorgestellt.
KulturFenster: Warum ist es von Bedeutung,
dass eine Chronik über die letzten sieben
Jahrzehnte des ÖBV veröffentlicht wird?
Friedrich Anzenberger: Bis jetzt gab es leider
noch nie eine umfassende Darstellung
der Verbandsgeschichte. Daher glaube ich,
dass es wichtig ist, dass heuer im Oktober
eine Chronik zum 70-Jahr-Jubiläum erscheint,
die auch die Biografien der mehr
als 100 bisher im Präsidium tätigen Funktionäre
einschließt. Zum „Geburtstag“ am
4. März gab es eine Kurzfassung des historischen
Teils als erste Information.
KF: Welchen Aufwand hattest du beim Verfassen
der Chronik?
Anzenberger: Ich durfte bereits Anfang der
1990-er Jahre die erste Festschrift für den
Niederösterreichischen Blasmusikverband
(NÖBV) schreiben und beschäftige mich
seither mit der Blasmusikgeschichte, besonders
intensiv seit der Schaffung des ÖBV-
Dokumentationszentrums in Oberwölz im
Jahr 2008. Die Vorbereitungsarbeiten gingen
also über mehrere Jahre. Neben tausenden
Protokollseiten waren auch mehr als
30.000 Seiten der Österreichischen Blasmusikzeitung
(seit 1953) zu lesen. Aus der
letzten Zeit gab es rund 100 Foto-CDs bzw.
DVDs durchzusehen, auf manchen befinden
sich mehr als 1.000 Bilder.
KF: Was gab es, das dich beim Recherchieren
und beim Verfassen überrascht hat?
Anzenberger: Besonders aufschlussreich
war, dass es immer wieder Funktionäre
gegeben hat, die weit in die Zukunft gedacht
haben, auch wenn diese Vorschläge
nicht immer gleich in die Praxis umgesetzt
werden konnten. Dazu ein Beispiel: Schon
1963 schlug der spätere steirische Landesobmann
und ÖBV-Bundesschriftführer
Willi Konrad ein Abzeichen „Für Leistung“
mit theoretischer und praktischer
Prüfung vor. Beschlossen wurde das damalige
Jungmusiker-Leistungsabzeichen
nach längerer Diskussion erst 1969.
KF: Was wünscht du dir für das Jubiläumsjahr
2021?
Anzenberger: Es sind großartige Veranstaltungen
zum 70-Jahr-Jubiläum geplant,
auf die ich mich – so wie viele
andere – sehr freue. Es bleibt zu hoffen,
dass sie trotz Pandemie auch alle
durchgeführt werden können. Die Chronik
soll dazu beitragen, dass Musiker
und Funktionäre – und ganz besonders
die Jugend – besser über die Leistungen
des Verbandes in der Vergangenheit
informiert sind.
KF: Warum sollen wir die Chronik unbedingt
lesen?
Anzenberger:Wenn man mit Zeitzeugen
der vierziger und fünfziger Jahre
spricht, wird immer wieder betont, aus
welch bescheidenen Anfängen sich alles
entwickelt hat. Die Chronik zeigt uns
– in aller Kürze – die bemerkenswerte
Aufwärtsentwicklung unserer Blasmusik
durch die sieben Jahrzehnte, das beeindruckende
Engagement von Musikern
und Funktionären, ohne die es
unser heutiges Qualitätsniveau nicht
geben würde.
Stephan Niederegger
KulturFenster
33 03/Juni 2021
jung musiziert
jung musiziert
Jung, rhythmisch, “GiGantisch”
Das „GiGa Percussion Duo“ wurde ihm Jahr
2019 von den beiden Schlagzeugern Loris
Gitterle (20) und Mathias Gamper (19)
gegründet. Auf Initiative ihrer beiden Instrumentallehrer
Martin Knoll und Hannes
Reiterer nahmen sie damals am VSM-Wettbewerb
„Musik in kleinen Gruppen“ teil und
holten sich mit 97/100 Punkten den Tagessieg.
Da sich die beiden Jungmusiker in der
Vorbereitungsphase von Anfang an gut miteinander
verstanden hatten, wollten sie dieses
Projekt weiterführen und somit war das
Duo gegründet.
Ihr Ziel: Anspruchsvolle, perkussive Livemusik,
gespielt auf den verschiedensten
Klangkörpern. Zu ihrem Hauptinventar
gehören Marimbaphon, Vibraphon, Pauken,
Bongos, Drum-Set und die klassische
kleine Trommel. Zum weiteren Set-Up gehören
aber auch andere Instrumente wie
Pipedrums, Töpfe, Woodblocks und mehr.
In den letzten Monaten gestaltete es sich
natürlich als sehr schwierig, zusammen zu
üben. Deshalb konzentrieren sich beide
Schlagzeuger momentan auf ihre jeweilige
Ausbildung. Loris studiert Schlagwerk
im Konzertfach am Tiroler Landeskonservatorium
in Innsbruck. Mathias bereitet
sich auf die Matura vor und möchte Loris
im nächsten Jahr nach Innsbruck folgen.
In der Zwischenzeit wird aber fleißig arrangiert
und Neues ausprobiert: YouTube
dient dabei als wichtige Inspirationsquelle
für neue Literatur und Showelemente, die
später in ihre Auftritte eingebaut werden
können. Dabei fixieren sie sich nicht auf
ein bestimmtes Genre, sondern versuchen
alle Stilrichtungen bestmöglich abzudecken.
Bei ihren Konzerten wollen sie
ihre Zuhörer nicht nur musikalisch begeistern,
sondern auch die Vielseitigkeit der
Perkussionsinstrumente aufzeigen.
Kulturfenster: Mathias, warum hast du dich
entschieden, das Schlagzeug zu erlernen?
Mathias Gamper: Mein Vater spielt Horn im
Musikverein. Als ich ein kleines Kind war,
hat er mich immer wieder zu den örtlichen
Konzerten der Musikkapelle mitgenommen,
somit hatte ich bereits einen starken Bezug
zur Musik. Besonders das Schlagzeug hat
mir aber immer schon imponiert – sei es
beim Marschieren als auch bei den Konzerten.
Es klingt vielleicht ein bisschen kitschig,
aber man kann von „Liebe auf den
ersten Blick“ sprechen!
KF: Loris, du studierst ja schon Schlagwerk
in Innsbruck. Ab welchem Zeitpunkt wolltest
du die Musik zu deinem Beruf machen?
Loris Gitterle: Meine Leidenschaft zum
Schlagzeug kam erst später, denn in meinen
jungen Jahren habe ich mir ehrlich
gesagt nicht viel dabei gedacht. Ich hatte
zwischenzeitlich sogar die Musikschule
abgebrochen und bin damals dann eher
dem Sport verfallen. Als ich dann der Musikkapelle
beigetreten bin, kehrte die Motivation
zurück und ich besuchte fortan wieder
die Musikschule. Durch die Teilnahme
an landesweiten Jungmusikerwettbewerben
wie zum Beispiel „Prima la Musica“
erkannte ich wie reizvoll es ist, anspruchsvolle
Musikstücke zu üben, den Fortschritt
mitzuerleben und später dann mit einem
Erfolgserlebnis zu krönen.
KF: Mathias, welche Eigenschaft schätzt
du an deinem Ensemble-Partner Loris
besonders?
KulturFenster
34 03 Juni2021
Gamper: (lacht) Einmal abgesehen von seiner
Musikalität wäre es dann
wohl sein Durchhaltevermögen.
Ich erinnere mich an
unsere erste gemeinsame
Probe als Duo. Nach eineinhalb
Stunden des Übens
dachte ich, wir hätten uns
eine Pause mehr als verdient,
doch Loris wollte noch unbedingt
eine Passage im Musikstück
genauer ausarbeiten. In
diesem Moment motivierte er
mich dann umso mehr!
KF: Loris, was zeichnet euch als
Percussion-Duo aus?
Gitterle: Wir beide lieben es einfach,
gern aufzuspielen und die
Zuschauer mit unserer Show zu
fesseln. ... (lacht) „Wenn die
Stimmung passt, donn lossmer
so richtig die Goas gean!“
Bericht: Alexander Mayr
LorisGitterle
Alter: 20 Jahre
Wohnort: Naturns
Beruf: Student am Tiroler
Landeskonservatorium
Hobbies: Laufen, Grafik-Design
Lieblingsinstrument: Kleine Trommel
MathiasGamper
Alter: 19 Jahre
Wohnort: Marling
Beruf: Schüler an der OFL-Auer
Hobbies: Fotografie, Film, Freunde
Lieblingsinstrument: Marimba
Instagram – Profil:
https://www.instagram.com/giga.percussion/?hl=de
..
Literaturtipp fur Jugendkapellen
von MagdalenaKeim,Jugendkapelle Brennerwind
Counting Stars ein Hit von One Republic aus der Feder von Ryan Tedder –
Arrangement von Robert Longfield
Dieser von One Republic aufgenommene Hit ist für Spieler ab dem zweiten Lernjahr arrangiert.
Das Stück beginnt mit einer kurzen, langsamen Einführung und enthält ein optionales
Solo für Altsaxophon oder Trompete.
Es folgt ein moderates Tanztempo mit einem treibenden Puls und interessante Teile für
alle Register. Unseren JungmusikantInnen hat es großen Spaß gemacht dieses Stück zu
spielen, weshalb wir es gerne weiterempfehlen.
Hier der Link zum Orginalvideo von
One Republic zum Probehören:
https://www.youtube.com/watch?v=hT_nvWreIhg
Und der Link direkt zum Arrangement
von R. Longfield
https://www.youtube.com/watch?v=GSox18xt6Aw
KulturFenster
35 03 Juni2021
DerBrennerwind
dieJugendkapelle von
Pflersch undGossensass
„Ausgefratschelt“ bei Jugendleiterin Magdalena Keim
Mit viel Begeisterung unterwegs – die Jugendkapelle Brennerwind
Steckbrief
Name: Brennerwind
Musikkapelle: Pflersch und Gossensaß
Jugendleiterteam: Magdalena Keim, Verena
Röck, Viktoria Obkircher (Pflersch), Christian
Festini (Gossensaß)
Jungmusikanten: ca. 20 Mitglieder
KulturFenster: Sag mal Magdalena, du bist
Bezirksjugendleiterin von Sterzing, im Jugendteam
der MK Pflersch und Mitverantwortliche
der Jugendkapelle Brennerwind.
Wer sind Brennerwind eigentlich und woher
habt ihr diesen genialen Namen?
Magdalena Keim: Die Jugendkapelle Brennerwind
vereinigt Jungmusikant*innen
aus der Gemeinde Brenner (Musikkapelle
Pflersch und Vereinskapelle Gossensaß).
Unter der Leitung der damaligen Jugendleiterin
von Pflersch, Marianne Mair Leitner,
hatte Brennerwind beim Cäcilienkonzert
in Pflersch im Jahre 2012 seinen ersten
Auftritt. Durch den unermüdlichen Einsatz
der engagierten Jugendleiterin konnten
die jungen Musikant*innen viele Konzerte
diesseits und jenseits des Brenners
abliefern. Auch für den treffenden Namen
ist Marianne verantwortlich. Wie genau es
dazu gekommen ist, kann ich nur mutmaßen.
Wahrscheinlich, weil auf dem Brenner
tatsächlich hie und da der Wind bläst
und Gossensaß und Pflersch die größten
Ortschaften der Gemeinde Brenner sind.
Leider hat im Herbst 2019 unsere liebe
Marianne durch ein tragisches Ereignis ihr
Leben verloren und somit stand Brennerwind
plötzlich ohne Leitung da. Mit vereinten
Kräften konnten wir ein Jahr bis zu den
Neuwahlen überbrücken und versuchten
für Marianne, ihre Familie und für den
Verein die Musik weiterleben zu lassen.
Ihr Verlust ist immer und überall spürbar,
doch im Herzen und in Gedanken wird sie
immer bei uns bleiben.
Kulturfenster: Und wie sieht die Leitung
von Brennerwind heute aus?
Keim: Ende des Jahres 2020 wurde in
der Musikkapelle Pflersch ein neuer Ausschuss
gewählt und dabei wurde auch ein
Jugendleiterteam zusammengestellt, das
aus Verena Röck, Viktoria Obkircher und
mir besteht. Zusammen mit unserem Kollegen
aus Gossensaß, Christian Festini, leiten
wir nun den Brennerwind.
KF: Im letzten Jahr ist es sicherlich auch
ruhiger um euren Brennerwind geworden,
aber erzähl uns doch ein bisschen von euren
regelmäßigen musikalischen Tätigkeiten
in einem Nicht-Pandemie-Jahr!
Keim: Neben musikalischen Gestaltungen
von hl. Messen in der Kirche
nimmt der Brennerwind auch an Landesjugendkapellentreffen,
Faschingsumzügen
und verschiedenen Projekten
im Bezirk Wipptal (z.B. Bezirksjugendkapelltreffen,
Adventskonzert) teil. Der
Brennerwind leitet jährlich das Cäcilienkonzert
der Musikkapelle Pflersch und
das Pfingskonzert der Vereinskapelle Gossensaß
mit mehreren Stücken ein, welche
von den Jungmusikant*innen selbst
anmoderiert werden. Stolz werden die
Jungmusikant*innen und deren Familien,
wenn sie auf der Bühne vor Freunden,
Nachbarn und Musikkolleg*innen für
das erfolgreich bestandene Leistungsabzeichen
geehrt werden. Außerdem nehmen
viele unserer Jungmusikant*innen
mit Begeisterung bei den alljährlichen Bezirksbläsertagen
teil, bei denen es möglich
ist, sich untereinander auszutauschen
und in Praxis und Musiktheorie
weiterzubilden.
KF: Und eure außermusikalischen Tätigkeiten?
Keim: Um den Zusammenhalt der Jugendlichen
zu stärken, werden hin und wieder
verschiedene Ausflüge organisiert. Es
wurde bereits geklettert, gerodelt oder gemeinsam
eine Pizza oder ein Eis genossen.
KF: Was ist so das Highlight eures Brennerwind-Jahres?
Keim: Das Probenwochenende im Herbst
auf einer Hütte in Ladurns ist für die Jugendlichen
der Höhepunkt des gesamten
Probenjahres. Dort proben wir vor allem
für das Cäcilienkonzert und eine Familienmesse.
Die musikalische Weiterentwicklung,
die Pflege vieler Freundschaften
und auch Spaß und Action kommen
dabei nicht zu kurz.
KulturFenster
36 03 Juni2021
KF: Innovativ seid ihr auch noch! Instrumentenvorstellung
2021?
Keim: Ja, aufgrund der momentanen Situation
musste im Februar 2021 die traditionelle
Instrumentenvorstellung für
die Grundschüler von Pflersch auf einen
alternativen Weg erfolgen. Einige
aktive Musikant*innen sowie erfahrene
Jungmusikant*innen erstellten je einzeln
ein Video, in welchem alle Instrumente
vorgestellt wurden. Den zusammengestellten
Film und einen kleinen
Rätselspaß mit allgemeinen Fragen zum
Musikverein durften wir den Lehrern der
Grundschule übergeben. In dieser Form
hoffen wir auch in diesen Zeiten auf einen
Zuwachs von jungen und motivierten
Musikant*innen, damit die nicht wegzudenkende
Tradition auch in Zukunft weitergeführt
werden kann.
KF: Plant ihr auch schon Projekte für den
heurigen Sommer?
Keim: Nein noch nichts Konkretes (Stand
Anfang Mai), aber hoffentlich können wir
heuer wieder unsere traditionellen Veranstaltungen
abhalten und bald wieder mit
den Proben beginnen.
Brennerwind – Koordination
Anna Vonmetz
SaraHofer
Name: Sara Hofer
Alter: 13 Jahre
Ich spiele: Querflöte
Ich lerne dieses Instrument, weil meine Mutter auch Querflöte spielt und es
mir schon immer sehr gut gefallen hat, besonders wenn sie in der Kirche die
Jungscharmessen musikalisch begleitet hat.
Mir gefällt an der Jugendkapelle, dass wir alle zusammen sehr coole und moderne
Stücke spielen. Mir haben auch die Bezirksbläsertage immer sehr gut gefallen.
Ein lustiges Ereignis mit dem Brennerwind war, als bei einer Probe im Probelokal
ein ziemlich übler Geruch zu vernehmen war. Das kam daher, dass vor
der Eingangstür ein Hundehäufchen lag. Der Geruch war dermaßen stark,
dass wir uns während des Spielens öfters die Nase zuhalten mussten und
natürlich wurde deswegen auch viel gelacht. Zum Schluss musste unser Ju-
gendleiter den Haufen entfernen, da es sonst logisch niemand machen wollte.
NELLY
GabrielGherbaz
Mein Name: Gabriel Gherbaz
Alter: 12 Jahre
Ich spiele: Trompete
Ich lerne dieses Instrument, weil ich immer meinen Vater Trompete spielen
gesehen habe, und es hat mir so gut gefallen.
Bei der Jungendkapelle gefällt mir das Musizieren mit Anderen.
Ein typischer Spruch unserer ehemaligen Kapellmeisterin Marianne war „Leitler,
reißt‘s enk zom“ - um uns alle bei Proben und Konzerten aufmerksam zu
machen. Das habe ich in guter Erinnerung.
David Windisch
Name: David Windisch
Alter: 15 Jahre
Ich spiele: Tenorhorn
Ich lerne dieses Instrument, weil mir das Instrument gefällt und weil es mir
Spaß bereitet.
An der Jugendkapelle gefällt mir der Zusammenhalt, Treffen mit Freunden
und der Spaß während der Proben.
Wenn wir mit der Jugendkapelle unterwegs sind, finden wir immer etwas zum
Lachen. Wir als Gruppe sind stets nett zueinander und zeigen Respekt, auch
wenn jemandem mal ein Fehler passiert.
KulturFenster
37 03 Juni2021
“OhneMusikwird es leise“
Die Musikkapelle und die Pandemie –
eine Projektarbeit von Maren Mittelberger
Die 19-jährige Klarinettistin Maren Mittelberger
aus Vöran besucht die Landeshotelfachschule
Kaiserhof in Meran. Im Rahmen
des Unterrichtsfaches „Eventmanagement“
hat sie sich in einer Projektarbeit kritisch
und sehr persönlich mit der Situation ihrer
Heimatkapelle in der Corona-Pandemie
auseinandergesetzt. Gerade weil oft vergessen
werde, dass „nicht nur systemrelevante
Dinge wichtig sind“ und man „als
Außenstehender oft nicht sieht, wie viel
Arbeits- und Zeitaufwand hinter manchen
Sachen steht“, hat sie sich diesem Themas
gewidmet.
Sie zeigt die dauernd sich geänderten Situationen
im Laufe des Jahres auf und veranschaulicht,
wie die Kapelle darauf reagiert
hat: „Der Verein hat versucht, sich so
gut wie möglich der Situation anzupassen
und das Beste herauszuholen. Natürlich
war man oft deprimiert, wenn wieder einmal
etwas nicht stattfinden konnte. Aber
auf die nächste gute Nachricht freute man
sich dann umso mehr.“ In ihrer Arbeit zitiert
sie abschließend auch den Beitrag
„Tacet“ ihres Musikkollegen Hubert Reiterer,
den wir bereits in der Juniausgabe
2020 des KulturFensters“ (S. 8/9) veröffentlicht
haben.
Für Kolleg*innen in den Reihen der Musikkapelle
Vöran, wie auch für Außenstehende
dokumentiert diese Arbeit sehr
anschaulich, wie Corona die „Eventszene
Blasmusikkapelle" beeinflusst hat.
Trotz aller Rückschläge bleibt die junge
Musikantin optimistisch: „Eines ist aber
sicher. Wir werden, sobald es möglich ist,
wieder unsere Instrumente in die Hand
nehmen und gemeinsam proben, auftreten
und feiern. Unsere Musikkapelle ist
nicht nur ein Verein, um zu musizieren.
Sie ist viel mehr wie eine große Familie.“
Stephan Niederegger
Untern diesem QR-Code kann die gesamte
Projektarbeit eingesehen werden.
Die Musikantin Maren Mittelberger
hat sich intensiv
mit der Situation ihrer
Musikkapelle in
der Zeit der Coronapandemie
auseinandergesetzt.
Daraus entstanden ist eine ausführliche
Projektarbeit, die Interessierten zugänglich
gemacht werden soll.
KulturFenster
38
03 Juni2021
persönlich
Sepp Thaler, der große
(Blas-)Musikpionier Südtirols
Persönliche Erinnerungen von VSM-Ehrenkapellmeister Gottfried Veit
AAm heurigen 9. Juni wäre der ehemalige
VSM-Ehrenkapellmeister, Komponist, Chorleiter
und Organist Sepp Thaler 120 Jahre alt
geworden. Da sowohl sein Leben als auch
sein Werk gegenwärtig nahezu lückenlos
dokumentiert sind (siehe Verzeichnis am
Ende dieses Beitrages), möchte ich hier
und heute nur einige ganz persönliche Begegnungen
mit Sepp Thaler kurz aufleuchten
lassen.
Erstes Kennenlernen
Den Namen Sepp
Thaler kannte ich bereits
als Kind, war er
doch schon damals
„Landeskapellmeister“
und formte zudem
die Musikkapelle
Auer zu einem der
besten Klangkörper
Südtirols.
Mit den Kompositionen
aus der Feder
von Sepp Thaler
machte ich als ganz
junger Klarinettist der
Bürgerkapelle Gries
schon im Jahre 1956
Bekanntschaft. Als
Dirigent erlebte ich
Thaler erstmals bei
einem sogenannten
„Monsterkonzert“,
das die Bürgerkapelle
Gries mit der
Musikkapelle Auer
zur Einweihung des
„Kanonikus-Michael-
Gamper-Heimes“ im
Jahre 1961 bei einem
gemeinsamen konzertanten
Auftritt in Gries
zusammenführte.
Als ich mit sechzehn Jahren meine ersten
Kompositionsversuche machte, pilgerte
ich mit einer meiner soeben fertiggestellten
Partitur (es konnte natürlich nichts anderes
sein als ein „Marsch“) nach Auer,
um sie dem verehrten Meister Thaler zur
Begutachtung vorzulegen. Es erfüllte mich
damals natürlich mit großer Freude aus
seinem Munde zu hören, ich solle unbedingt
weitere Stücke für Blasmusik zu Papier
bringen.
Noch vor meinem Musikstudium, als noch
recht junger Klarinettist, hatte ich die Ehre
in der Funktion einer „Aushilfe“, bei der
Musikkapelle Auer unter der Leitung Sepp
Thalers mitspielen zu dürfen. Was mich
Sepp Thaler wäre heuer 120 Jahre
alt geworden.
dabei besonders beeindruckte war, dass
Thaler mit seinem starken Einfühlungsvermögen
hochmusikalisch gestaltete und
ohne Ausnahme immer das Gesamte - also
„die Musik“ - haarscharf im Auge behielt.
Als Jugendlicher besuchte ich natürlich
die zehntägigen Kapellmeisterlehrgänge
des Verbandes Südtiroler Musikkapellen.
Bei diesen Lehrveranstaltungen, bei denen
Sepp Thaler neben Otto Ulf, Sepp Tanzer,
Leo Ertl, Hans Haas u.a.m. unterrichtete,
wurde ich zu den Lehrproben mit der Musikkapelle
Wiesen bei ihm
zugeteilt. Ich erinnere
mich noch lebhaft: Seine
Probenarbeit mit der
Lehrgangskapelle und
den Lehrgangsteilnehmern
war allemal konsequent
und herausfordernd,
aber immer auch
mit Humor gespickt. Einer
seiner Lieblingsaussprüche
lautete nämlich:
„Der Humor ist der
Schwimmgürtel des Lebens“.
Zusammenarbeit
im VSM und
darüber hinaus
Einige Jahre später
wurde ich bei der Generalversammlung
des
VSM zu Thalers Stellvertreter
als VSM-Kapellmeister
gewählt. Und
es dauerte nicht lange,
bis mich Sepp Thaler
als Wertungsrichter bei
Konzertwertungsspielen
auf Bezirksebene einsetzte,
bespielsweise in
Stezring, Bruneck und
Schlanders. Natürlich war ich damals besonders
stolz, an seiner Seite dieses verantwortungsvolle
Amt ausüben zu dürfen.
Bei solchen und ähnlichen Gelegenheiten
KulturFenster
39 03/Juni 2021
persönlich
Der spätere Verbandskapellmeister Gottfried Veit besuchte im Jahre 1959 einen Kapellmeisterlehrgang mit Sepp Thaler (links im Bild)
in Sterzing.
„
Es gelang ihm wie kaum einem anderen
nicht nur mit seinen Fachkollegen,
sondern auch mit vollkommen
unbekannten Menschen urplötzlich
„
ein angeregtes Gespräch zu führen.
Gottfried Veit
kam seine „Vaterfigur“ besonders deutlich
zum Tragen, denn er war den Musikkapellen
und ihren Dirigenten gegenüber immer
äußerst entgegenkommend. Man könnte
sagen: Seine Kritik war nie verletzend, sondern
ausnahmslos aufbauender Natur!
In den frühen Siebzigerjahren hatte ich
einmal die Ehre, im Auftrag des VSM gemeinsam
mit Sepp Thaler, einen Dirigentenkongress
des Schweizerischen Blasmusikverbandes
zu besuchen. Besonders
interessant war für uns dabei, dass namhafte
Schweizer Komponisten, wie beispielsweise
Paul Huber, Robert Blum, Jean Daetwyler,
Albert Benz, Jean Balissat u.a.m.
eigene Werke mit hervorragenden Blasorchestern
öffentlich einstudierten. Wie so oft,
kam bei dieser Gelegenheit Sepp Thalers
Kontaktfreudigkeit besonders zum Leuchten.
Es gelang ihm z. B. wie kaum einem
anderen nicht nur mit seinen Fachkollegen,
sondern auch mit vollkommen unbekannten
Menschen urplötzlich ein angeregtes Gespräch
zu führen. Seine Redefreudigkeit
ging daher nicht selten so weit, dass er
eine große Tischgemeinschaft mit seinen
kurzweiligen Geschichten nicht nur köstlich
unterhalten, sondern sogar vollkommen
in den Bann ziehen konnte.
Seine Redebegabung kam Sepp Thaler natürlich
auch als VSM-Kapellmeister immer
wieder zugute. Als Vorsitzender der Musikkommission,
in der auch ich jahrzehntelang
mitarbeitete, sorgte er beispielsweise stets
für ein „hervorragendes Betriebsklima“.
Es gelang ihm z. B. kinderleicht, bei etwas
angespannteren Themen den sogenannten
„Gordischen Knoten“ fast spielend
zu lösen.
In den 15 Jahren, in denen ich Leiter der
Musikschule Auer war, habe ich mich unzählige
Male mit Sepp Thaler getroffen.
Dieser Gedankenaustausch fand nicht selten
bei einem guten Glas Rotwein beim
nahegelegenen „Turmwirt“ statt. In dieser
lockeren Atmosphäre ist mir wiederholte
Male aufgefallen, dass Sepp Thaler trotz
seiner überaus starken Heimatverbundenheit
ein in jeder Hinsicht aufgeschlossener
und weltoffener Mensch war.
Dem Dorf Auer in vielfacher
Weise verbunden
Sepp Thaler übte Zeit seines Lebens den
Beruf eines Kaufmannes aus. Aufrichtig
wie er war, verbarg er aber niemals, dass
dies nur sein „Broterwerb“ sei. Seine geradezu
ansteckende Lebensfreude schöpfte
er eindeutig aus zwei besonderen Leidenschaften:
da war zum einen die alles
überstrahlende Leidenschaft zur Musik,
aber zum anderen auch die spezielle
Leidenschaft zum Kartenspiel. Das Kartenspiel
begleitete Sepp Thaler von seiner
Jugend an bis ins hohe Alter. Jahrzehntelang
traf er - pünktlich um 17.00
Uhr - sein „Quartett“ von Kartenspielern
im Gasthaus „Zur Rose“. Dort entstand
auch sein gleichermaßen bekanntes wie
beliebtes „Perlågger-Lied“ für Männerchor,
das mit folgendem Text beginnt:
„Im Wirtshaus zur Rosn, ganz gleim bei
der Stråß“.
Für die Gemeinde Auer, seinem Geburtsort,
war Sepp Thaler ohne Zweifel ein Segen.
Nahezu sein ganzes Leben lang dirigierte
er die Musikkapelle von Auer und
ebenso lange leitete er den dortigen Kirchenchor,
war rund um die Uhr als Organist
im Einsatz und erreichte u. a. die
Errichtung einer eigenen Musikschule in
KulturFenster
40 03/Juni 2021
Blasmusik
seinem Heimatort. Als langjähriger Leiter
der Musikschule Auer konnte ich bei vielfältigsten
Gelegenheiten feststellen, welch
hohen Stellenwert die Musikschule Auer
im Herzen Sepp Thalers besaß. Er fehlte
bei keiner Veranstaltung dieser Institution
und zeigte seine Begeisterung über
elementarste Musikerziehung in gleicher
Weise wie über künstlerische Hochleistungen.
Auszeichnungen
Die Gemeindeverwaltung von Auer bedankte
sich bei Sepp Thaler für seinen
uneigennützigen Einsatz in mehrfacher
Weise: Zu Lebzeiten wurde er zum Ehrenbürger
der Gemeinde Auer ernannt.
Nach seinem Tode wurde in Auer einerseits
eine Gedenktafel an seinem Wohnhaus
angebracht, andererseits ein Weg
im Dorfzentrum nach ihm benannt. Nicht
zuletzt erhielt die dortige Musikschule die
Bezeichnung „Musikschule Sepp Thaler“.
Natürlich hat das Wirken Sepp Thalers
die Grenzen seiner Heimatgemeinde unendlich
weit überschritten. Seine Wertschätzung
im eigenen Land und darüber
hinaus dokumentieren eindeutig
seine zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen.
Sepp Thaler gratuliert Gottfried Veit, der mit der Musikkapelle Zwölfmalgreien sein Hauptwerk
„Die Etsch“ im Meraner Kursaal (vermutlich in den 70er Jahren im Rahmen eines
Landesmusikfestes) zur Aufführung brachte.
Von diesen nennen wir hier nur Folgende:
➤ Walther-von-der-Vogelweide-Preis
➤ Verdienstkreuz des Landes Tirol
➤ Verdienststern des Verbandes Südtiroler
Musikkapellen
➤ Goldenes Verdienstkreuz des Österreichischen
Blasmusikverbandes
➤ Goldene Fördermedaille des Allgäu-
Schwäbischen Musikbundes
➤ Bundesverdienstmedaille in Gold des
Blasmusikverbandes Baden-Württemberg
➤ Ernennung zum Ehrenkapellmeister des
Verbandes Südtiroler Musikkapellen
Bibliographie: Literatur über Leben und Werk Sepp Thalers
- „Sepp Thaler“ von Fritz Thelen in „Der deutsche Volksmusiker“ 11 (1959)
- „Kurzes Lebensbild des Komponisten und Kapellmeisters der Südtiroler Musikkapellen Sepp Thaler“ von Hermann Freybott, in „Allgemeine Volksmusikzeitung“
15 (1965)
- „Der Preisträger Sepp Thaler“ von Otto Ulf, Laudatio zur Verleihung des Walther-von-der-Vogelweide-Preises in „Der Schlern“ 43 (1969)
- „Sepp Thaler – seine Bedeutung als Verbandskapellmeister“ von Gottfried Veit in „Tiroler Volkskultur“ 34 (1982)
- „Sepp Thalers Rang in der Südtiroler Musikszene“ von Karl H. Vigl in Tageszeitung „Dolomiten“ Nr. 131 (1982)
- „Dem Musiker Sepp Thaler zum Gedenken“ von Heinrich Lona in Tageszeitung „Dolomiten“ Nr. 132 (1982)
- Sepp Thaler „Humor im Unterland“ von Josef Fontana und Gottfried Veit, Verlagsanstalt Athesia-Bozen (1984)
- „Sepp Thaler“ in „Blasmusik aus Tirol“, Verzeichnis der Komponisten und ihrer Werke, zusammengestellt von Gottfried Veit, Florian Pedarnig und Klaus Bragagna,
FF-Verlag Bozen (1985)
- „Sepp Thaler: Leben und Werk eines Blasmusikpioniers“ von Gottfried Veit in Mitteilungen der IGEB Nr. 17 (1985)
- „Leben und Werk Sepp Thalers“ Laudatio von Gottfried Veit in „Tiroler Volkskultur“ (November 1992)
- Sepp Thaler (1901-1982) „Ein Leben für Musik und Heimat“, Sonderdruck „Der Schlern“ 66. Jahrgang, Heft 10, Verlagsanstalt Athesia-Bozen. Darin: A) Heinrich
Lona: „Sepp Thalers Leben – ein Rückblick“, B) Gottfried Veit: „Das Werk Sepp Thalers“, C) Klaus Bragagna: „Sepp Thaler – Verbandskapellmeister zwischen
Tradition und Erneuerung“, D) Wolfgang Suppan: „Sepp Thaler – und die Blasmusik“, E) Siegfried Tappeiner: „Sepp Thaler und das Chorwesen“ (1992)
- „Sepp Thaler“ in „Das Neue Lexikon des Blasmusikwesens“ von Wolfgang und Armin Suppan (4. Auflage des „Lexikon des Blasmusikwesens“), Blasmusikverlag
Schulz GMBH (1994)
- „Sepp Thaler“ in „Blasmusik im Überblick“ von Georg Ried, Druck und Verlag Hans Obermayer GmbH (DVO) (1998)
- „Sepp Thaler, Leben und Werk eines Südtiroler Komponisten“, Monographie: Diplomarbeit mit Werkverzeichnis von Wolfgang Kostner, Innsbruck (1999)
- „Sepp Thaler“ Artikel in „Dizionario della musica italiana per banda“ von Mario Anese, Stampa: Grafital-Torre Boldone (BG) (2004)
- „Die Männerchorlieder von Sepp Thaler“ von Gottfried Veit, Artikel in der Festschrift „100 Jahre Männergesangsverein Kurtatsch“, Druck: Athesia-Bozen (2006)
- „Sepp Thaler“ Artikel in „Blasmusik in Tirol“ Verzeichnis der Komponisten und ihrer Werke von Gottfried Veit und Friedrich Weyermüller. Hutter-Druck, St.
Johann i. T. (2007)
- „Sieben Stationen im Leben Sepp Thalers – Ein Bilderbuch, aufgeschlagen von Gottfried Veit“ in „Der Schlern“ 81, Heft 9, Verlagsanstalt Athesia-Bozen (2007)
- „Die Kirchenmusik und die Kirchenmusiker Südtirols“, Sepp Thaler in „Musikgeschichte Tirols III. 20. Jahrhundert“ herausgegeben von Kurt Drexel und Monika
Fink, Schlern-Schriften - 344, Wagner, Innsbruck (2008)
KulturFenster
41 03/Juni 2021
komponiert
Manche Komponisten haben faszinierende
Werke geschaffen, bei deren Hören ich mich
immer noch frage, woher sie ihre Schaffenskraft
und ihre Einfälle beziehen. Beschäftigt
man sich mit dieser Materie, wird
klar, dass man neben guten Ideen auch das
Handwerk dazu beherrschen muss. Beides
ist für das Komponieren notwendig, damit
man auch das ausdrücken kann, was man
sagen möchte, ähnlich der Sprache.
Komponieren ist für mich ein sehr spannendes
Feld, welches ständige Herausforderungen
in allen Bereichen mit sich
bringt und vor allem
eins zum Ziel hat:
Musik zu schreiben,
die berührt.
Vivat Athesis!
Eine Hommage an das Land an der Etsch
„
„
Musik höre ich, seit ich denken
kann – sie begleitet mich seit frühester
Kindheit.
Hans Finatzer
Die Musikgeschichte brachte ein Füllhorn
an mehr oder weniger genialen Komponisten
und entsprechende Werke hervor,
als dass man überhaupt selbst zur Feder
greifen müsste. So dachte ich mir das bei
meinen kleineren Werken auch immer, bis
ich 2010 zur Musikkapelle St. Pauls kam.
Die Paulsner sind voller Lebenslust, voller
Feierlaune, aber auch streng traditionsbewusst.
Musikanten – und von ihnen kenne
ich durch meinen Beruf wahrlich viele –
haben mehr oder weniger überall diese
noblen Eigenschaften, doch bewog mich
der Umstand, der damals für mich neuen
Kapelle eine kleine Hommage zu schreiben.
Bis dahin nichts Ungewöhnliches, jedoch
änderte sich 2010 einiges in meinem Leben
als Komponist. Da ich selbstbewusst
verheißen hatte, einen Konzertmarsch zu
schreiben, blieb mir nichts anderes übrig,
als dies auch zu tun. Gesagt, getan: Aber
wie soll man bitte einen Konzertmarsch
schreiben – von denen gibt es viele und
schöne auch – der nicht klingt wie schon
unzählige andere vorher, der innovativ
klingt, ohne die Grenzen zu sprengen, und
dabei noch gut ankommt? Einige Skizzen,
die bereits bis zum Trio reichten,
verwarf ich nach vielen Stunden Arbeit
aus Verzweiflung wieder. Dann
kam der entscheidende Moment: An
einem langen Winterabend fielen mir
nach und nach die schönsten Melodien
ein, die auch zueinander passten;
unwirklich, fast aus Geisterhand, schrieb
ich die Phrasen nieder.
Von der Etsch inspiriert
Dabei inspirierte mich nicht etwa
ein bestimmtes Thema, wie in
der Programmmusik üblich, sondern
vielmehr ist es der Lauf
der Etsch, der unser schönes
Land vom Reschen bis
zur Salurner Klause über
Jahrtausende formte und
der mich beeindruckte.
Freilich kann man in eine
4-minütige Marschform
nicht all das hineinpacken.
Aber der Grundgedanke war
es eben, der neuen Kapelle zum musikalischen
Einstand einen schönen Konzertmarsch
auf den Leib zu schneidern – äh,
zu komponieren.
Der Erfolg und die Rückmeldung des Publikums
waren groß, so groß, dass ich – ermutigt
von einigen Kollegen – mehrere Verlage
für die Veröffentlichung anschrieb. Nach kurzer
Zeit meldete sich der „Rundel“-Verlag
und nahm mich kurzerhand unter Vertrag.
Das ehrte mich sehr und verwunderte mich
gleichzeitig, umso mehr, als Frau Rundel mir
bei einem Kaffee zuflüsterte: „Wir bekommen
dutzende Anfragen in der Woche…“
Ob dieser Aussage war meine Freude natürlich
noch größer. Seitdem der Marsch in
Druck ging, wird „Vivat Athesis“ in vielen
Ländern mit Erfolg vertrieben.
„
„
Eigentlich wollte ich nicht auch noch
komponieren
Hans Finatzer
Nach einigen kammermusikalischen Werken,
welche etwa im „Köbl“-Verlag in München
publiziert wurden, schrieb ich wiederum
Konzertmärsche, so zum Beispiel für
die 200-Jahr-Jubiläen der Musikkapellen
Lengmoos und Partschins – beides Auftragskompositionen.
Auch die Brassband
„Überetsch“ spielte 2018 zu ihrem zehnjährigen
Bestandsjubiläum eine Uraufführung
aus meiner Feder. 2019 folgte eine
Konzertpolka mit dem Namen „Platzlpolka“
für großes Blasorchester, welche
demnächst beim neugegründeten Musikverlag
„Südtirol MVS“ erscheinen wird.
Aktuell arbeite ich an mehreren blasmusikalischen
Werken. Neuerdings wende ich
mich vermehrt auch der konzertanten Literatur
zu, welche ein neues, sehr interessantes
Feld für mich ist.
Nur so komme ich zu dem Punkt, an dem
ich ein Gefühl oder eine musikalische Idee
in Musik kleide, welche gut klingt, gut
spielbar ist, und welche vor allem berührt.
Hans Finatzer
www.finatzer.it
„
„
Ich arbeite ohne Zeitdruck und versuche
den richtigen Augenblick für
die passende Melodie zu finden.
Hans Finatzer
KulturFenster
42 03/Juni 2021
Blasmusik
Zur Person
Partitur
(Full Score)
Piccolo
Flöte
Oboe
Fagott
(Bassoon)
E Klarinette
B Klarinette 1
B Klarinette 2
B Klarinette 3
B Bassklarinette
E Altsax.
B Tenorsax.
E Baritonsax.
F Horn
F Horn
1
2
1
2
1
2
3
4
B Trompete 1
VIVAT ATHESIS
Gewidmet der Musikkapelle St. Pauls, Südtirol / Dedicated to the St. Pauls Concert Band, South Tyrol
Konzertmarsch•Concert March
2
3 4 5
à2
à2
à2
à2
Musik: Hans Finatzer
Arr.: Franz Gerstbrein
6
➤ 1973 in Bozen geboren, aufgewachsen in Truden im Naturpark
➤ 1985–1988 Mittelschulzeit mit Besuch des Konservatoriums „C. Monteverdi“ in Bozen
➤ 1986 Eintritt in die Musikkapelle Truden
➤ 1988–1991 Lehre mit Abschluss als Maschinenschlosser
➤ 1995 Konzertdiplom im Fach Posaune
➤ 1997–1999 Weiterbildung bei internationalen Meisterkursen
➤ 1995 Konzertreihe als Soloposaunist mit dem Haydnorchester von Bozen & Trient
➤ Fester Substitut des Haydnorchesters von 1995 bis 2008
➤ Mitglied verschiedener Orchester und Ensembles wie der Streicherakademie, Orchestra
Arturo Toscanini Parma, Brass Connection Tirol, Kapelle für neue Musik
„Windkraft“, Südtiroler Bläserensemble, Ensemble Clavituba
➤ Gründer und Dirigent der Brassband Überetsch, Südtiroler Jugendbrassband, Sonoro
Posaunenquartett, Young Brass Quintet, Cinquino Brass Quintett.
➤ Kapellmeistertätigkeiten seit 1993 in Kurtinig, Margreid, Auer, Truden, St. Pauls,
Terlan und bei der Stadtkapelle Bozen
➤ 2008–2009 Musikpädagogiklehrgang an der Fakultät für Bildungswissenschaften
Bozen/Brixen
➤ Tätigkeiten in der Landesmusikschuldirektion: Instrumentalpädagoge für Posaune/
Euphonium seit 1993, Landesfachgruppenleiter Blechblasinstrumente seit 2009,
Beauftragter der Leistungsabzeichen seit 2020, Direktorstellvertreter der Musikschule
Überetsch/Mittleres Etschtal, Mitglied des Landesfachbeirates „Prima la
Musica“ von 2010 bis 2015
➤ Jurorentätigkeit: Seit 2009 regelmäßiges Engagement als Juror und Koordinator in
diversen Bundesländern Österreichs, Leistungsabzeichen des VSM
➤ Verbandsjugendleiter im VSM seit 2019
➤ Kompositionen und Arrangements für Bläser, Brassband und Blasorchester
Werksverzeichnis:
B Trompete 2
B Trompete 3
C Posaune
(Trombone) 2
C Posaune
(Trombone)
B Flügelhorn
(B Cornet)
B Flügelhorn
(B Cornet)
B Tenorhorn
(Baritone)
C Bariton
(Euphonium)
1
3
4
1
2
1
C Bass
2
Schlagzeug
❋ Pauken und Mallets aus Platzgründen nicht in Partitur (separate Stimmen)
© Copyright 2013 by Musikverlag RUNDEL GmbH • D-88430 Rot an der Rot No. 2960
➤ 2006 Hymne der Südtiroler Weinbruderschaft
➤ 2007 „Jazzetüde“ für Bassposaune
➤ 2010 „Euphonium-Tenorhorn-Bariton“ Etüde/Pflichtstück Leistungsabzeichen
➤ 2011 Überetscher Adventsweise
➤ 2013 Konzertmarsch „Vivat Athesis“
(Musikverlag Rundel)
➤ 2014„AstateWeis“–Adventweise
➤ 2017 Eine kleine Weltreise – Suite
in 3 Sätzen für Posaunenquartett
(Verlag Köbl, München)
➤ 2018 Jubilate! - Jubiläumskonzertmarsch
für das 10-jährige Bestehen
der Brassband Überetsch
➤ 2018 Auftragskomposition „Altissimus“
anlässlich der 200-Jahr-
Feier der Musikkapelle Lengmoos
➤ 2018Auftragskomposition„Partschinser
Jubiläumsmarsch“ anlässlich
der 200-Jahr-Feier der
Musikkapelle Partschins
➤ 2019 „Platzlpolka“ – Konzertpolka
für großes Blasorchester
➤ 2021 „Florianis“ – Straßenmarsch
für Blasorchester
KulturFenster
43 03/Juni 2021
hinausgeblickt
Blasmusik
ONline
Seminare-Webinare-
Workshops
https://wiki.blasmusik.at/display/LS/
BlasmusikOnline
entdeckt
Üben mit Video- und
Tonaufnahme
Das Smartphone als nützlicher Übungspartner
Der Musiker Jürgen K. Groh empfiehlt,
beim Üben das Smartphone als „akustischen
Spiegel“ zu nutzen.
Niemand spricht so offen, direkt und schonungslos
mit uns wie der [akustische] Spiegel.
Brigitte Fuchs
(*1951, Schweizer Autorin und Lyrikerin)
Dieses, durch den Einschub des Adjektivs
„akustische” geänderte Zitat, soll Ihre Aufmerksamkeit
auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten
von Video- oder Tonaufnahmen
für zielgerichtetes Üben deutlich
machen. Denn heute legt uns die technologische
Welt etwas zu Füßen, wonach sich
früher professionelle Kamera- und Tonleute
alle zehn Finger geleckt hätten: unser
Smartphone. Stellen Sie es einfach vor
sich, vielleicht sogar mit einem preisgünstigen
flexiblen dreibeinigen Stativ, schauen
Sie, dass Sie im Bild sind und drücken Sie
auf den Aufnahmeknopf.
Die Aufnahme serviert Ihnen alle guten
Klänge und eventuell noch vorhandene
Schwachstellen auf einem Silbertablett
und Sie können sich sofort in einen feuilletonerfahrenen
Musikkritiker verwandeln,
der das Ganze als aufmerksamer und kritischer
Zuhörer „von außen” wahrnimmt.
Die Wahrnehmung spielt
oft Streiche
Denn im Moment des Spielens spielt Ihnen
Ihre Wahrnehmung oft Streiche: Abschnitte,
wo sie dachten, es würde schräg
klingen, stellen sich als ganz passabel oder
sogar gut heraus, genauso wie das eben
auch umgekehrt der Fall sein kann.
Ähnlich einer guten Köchin, die kein Gericht
hinausschickt, ohne es vorher gekostet
und abgeschmeckt zu haben, sollten
wir unser Spiel durchaus mehrmals in diesem
akustischen Spiegel betrachten, bevor
wir den Schritt auf die Bühne wagen.
Sehr erhellend ist oft, wenn wir einen zeitlichen
und emotionalen Abstand zu einer
Aufnahme haben und sie erst einige Tage
später anhören. Das kann zu neuen Erkenntnissen
führen und unter Umständen
sogar unser Selbstwertgefühl heben.
Musik ist eine sehr
persönliche Beschäftigung
mit uns selbst
Musik ist schließlich auch eine sehr persönliche
Beschäftigung mit uns selbst. Zu
wissen, wie man klingt und eine Vorstellung
zu entwickeln, wie man klingen will,
ist ein wichtiger Schritt in unserer musikalischen
Entwicklung. Und regelmäßiges
Aufnehmen stellt ein mächtiges Werkzeug
dafür da.
Eine solche Aufnahme bringt neben gut gelungen
Passagen zum Beispiel auch heikle
Übergänge, knifflige Rhythmen, klangliche
Ungenauigkeiten sowie ein noch zu
verbesserndes Ausschöpfen des musikalischen
Spektrums zutage. Im Schutz des
Übezimmers können wir durch die Aufnahme
unser Spiel unter die akustische
Lupe nehmen, auf Herz und Nieren prüfen
und dann verbessern.
Betrachten wir diese vielfältigen technischen
Aufnahmemöglichkeiten ruhig
als unser „Helferlein”, das dem Ingenieur
Daniel Düsentrieb in den Disney-Comics
des Zeichners Carl Barks immer treu zur
Seite stand und dem ungestümen Erfinder
oft aus der Patsche half. Und erinnern wir
uns an ein wiederum leicht abgewandeltes
Zitat des Komponisten George Bizet, dessen
Oper Carmen zu einem der größten
Erfolge der Operngeschichte wurde: „Die
zuverlässigsten Freunde sind die [akustischen]
Spiegel. Sie sehen alles und reden
nicht darüber.”
Jürgen K. Groh
Master of Arts, Dirigent, Moderator
und
Vizepräsident der WASBE-Sektion Deutschland
www. juergenkgroh.de
Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag wurde im
Fachmagazin für Blasmusik „brawoo“ veröffentlicht
(siehe Ausgabe Jänner/Februar 2021, S.38).
Wir bedanken uns beim Redakteur Klaus Härtel
und beim Autor Jürgen K. Groh für die freundliche
Genehmigung zum Nachdruck.
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44 03/Juni 2021
Blasmusik
7 Minuten Warm-up für
Blasorchester
Kostenlose Starthilfe für den Restart
von Kapellmeister Dietmar Rainer
„Es gibt ja eigentlich schon genügend
Einspielstücke auf dem Markt“, weiß
auch der Kapellmeister und Musikpädagoge
Dietmar Rainer. Mit seinen neuen
„7 Minuten Warm-ups für Blasorchester“
will er den Kapellmeister*innen und
Musiker*innen ein einfaches Arbeitsbuch
in die Hand geben. Auch weniger versierten
Musiker*innen können die relativ einfachen
Einheiten wiederholen und parallel
dazu werden die „Profis“ mehr gefordert.
Auch die Intonationsübung bietet neue
Möglichkeiten.
Die Partitur samt Einzelstimmen
ist kostenlos per Email erhältlich:
dietmar@toccata.info
Stephan Niederegger
Damit die Musik richtig „läuft“, gibt
es nützliche Tipps zum Warm-up von
Kapellmeister Dietmar Rainer.
Aus der Praxis – für die Praxis:
Das Einspielen im Blasorchester
Neues Einspielheft von Gottfried Veit
Der Anfang und die Einspielphase einer
Probe sind oft entscheidend für den weiteren
Verlauf und den Erfolg der Probe. Je
zielgerichteter der Probenbeginn gestaltet
wird, umso besser kann die Probenarbeit
gelingen.
Beim kürzlich stattgefundenen Online-
Treffpunkt „Musik“ hat Verbandskapellmeister
Meinhard Windisch den Verbandsobmann
Pepi Fauster und den
Musikprofessor Thomas Ludescher zu
einem Gespräch eingeladen. Dabei hat
Ludescher einmal mehr darauf hingewiesen,
dass sich ein einfacher Marsch
sehr gut zu Rhythmusübungen eignet,
sich Prozessionsmärsche für Phrasierungsübungen
anbieten und anhand von
Chorälen detailliert am Klang, Intonation,
Balance und Tonbildung gearbeitet werden
kann – ganz nach dem Motto: „Blasorchester,
die einen Choral gut spielen
können, beherrschen auch alle anderen
Musikstücke!“
Für Abwechslung beim Einspielen sorgt das
neue Einspielheft von Gottfried Veit.
Wesentlich dabei ist sicherlich, dass der
Probenbeginn abwechslungsreich bleibt
und nicht immer nach dem gleichen
Schema F abläuft. Wer spezielle Literatur
dazu sucht, wird schnell fündig – wohl
auch im eigenen Notenschrank.
Für die nötige Abwechslung sorgt nun
auch Gottfried Veit mit seiner neuesten
Publikation und gibt damit den
Kapellmeister*innen ein weiteres Arbeitsheft
in die Hand: „Das Einspielen
im Blasorchester“
In fünf B-Dur-Tonleitern (F bis DES) sowie
in C- und G-Dur und den jeweiligen parallelen
Moll-Tonarten werden rhythmische
und dynamische Übungen, Akkordzerlegungen
und Kadenzen angeboten, um
dieses musikalische Grundmaterial zu
festigen. Zu jeder Tonart folgt ein dazu
passender vierstimmiger Choral. Diese
14 Choräle sind sowohl im gesamten Orchester
als auch in verschiedenen Quartett-Besetzungen
spielbar und eignen sich
daher auch als Gebrauchsmusik zu feierlichen
und kirchlichen Anlässen.
Der vollständige Notensatz samt Partitur
und Direktionsstimme ist im TIROL Musikverlag
erschienen und im einschlägigen
Fachhandel erhältlich.
Stephan Niederegger
KulturFenster
45 03/Juni 2021
entdeckt
Die Konzertmeister-App
Clevere Terminplanung für Musikvereine,
Orchester und Chöre – Den Wildwuchs
an Kommunikationskanälen bändigen
WhatsApp oder Facebook-
Messenger und natürlich
E-Mails, um Nachrichten
zu versenden.
Genau diese Vielfalt ist es,
die sich dann auch in der
Terminkommunikation in
den Vereinen widerspiegelt.
Mit der steigenden Anzahl
an Kommunikationspartnern
wird dies aber zunehmend
mühsam und als Vereinsverantwortlicher
gerät
man schnell in eine unüberschaubare
Situation.
Um diesen Wildwuchs an
Kommunikationskanälen
zu bändigen und eine maßgeschneiderte
Lösung für
Blasorchester zur Verfügung
zu stellen, wurde
Konzertmeister entwickelt.
Sobald ein Termin erstellt wurde, werden
die eingeladenen Mitglieder über den neuen
Termin informiert. Mit nur einem Klick kann
ein Mitglied seine Rückmeldung abgeben.
„Was ist die größte organisatorische Herausforderung,
die man sich vorstellen kann? Einen
Termin mit mehr als zwei Musiker*nnen
zu koordinieren.“
Dieser weit verbreitete Scherz ist natürlich
überspitzt, hat aber durchaus einen wahren
Kern. Wo liegen aber die Probleme der
Terminkommunikation in einem Blasorchester?
In unserem digitalisierten Alltag stehen
uns sehr viele Kommunikationsmittel
zur Verfügung: Wir telefonieren, verwenden
SMS, verschiedene Dienste wie z.B.
Kommunikation
und gelungene
Terminplanung
im Blasorchester
Um zu veranschaulichen,
wie Konzertmeister die
Abstimmung von Terminen
und Anwesenheiten
in einem Verein einfach
und flexibel unterstützen
kann, wollen wir eine „Standardsituation“
betrachten, wie sie oftmals im Vereinsalltag
vorkommt:
Auftrittsanfrage und Spielfähigkeit:
Neben fixen, wiederkehrenden Auftritten
spielen auch individuelle Anfragen zu Auftritten
eine wichtige Rolle. Trifft eine Terminanfrage
ein, sollte natürlich im Idealfall
so bald wie möglich eine verlässliche
Rückmeldung möglich sein. Mit Konzertmeister
können Auftrittsanfragen schnell,
einfach und zielgerichtet gestellt werden:
In Echtzeit kann ein Überblick über die
Rückmeldungen im System gewonnen werden.
Um eine Antwort bis zu einem gewissen
Zeitpunkt sicherzustellen, kann eine
Rückmeldefrist hinterlegt werden:
KulturFenster
46 03/Juni 2021
Blasmusik
Proben und Anwesenheiten
Zur Auftrittsvorbereitung zählen natürlich
Proben, die geplant und durchgeführt werden
müssen. Hier ist es wichtig, genau
Bescheid zu wissen, wer wann anwesend
ist, um eine optimale Probenvorbereitung
sicherzustellen. Folgende Fragen spielen
dabei eine wichtige Rolle:
• Sind alle Register gut besetzt? Welche
Stücke oder Passagen kann ich sinnvoll
proben?
• Kommt ein wichtiger Musiker zu spät?
Sollte ich an der Reihenfolge der Stücke
in der Probe etwas anpassen?
Eltern an Bord
Um im Jugendorchester auch Kinder ohne
E-Mail-Adresse einbinden zu können, werden
sogenannte Unterkonten angeboten.
Das Elternteil kann mit seiner E-Mail-
Adresse ein Konto erstellen und dann für
die Kinder Unterkonten anlegen.
Einführung im Verein -
Registrierung und
Vereinserstellung
Besuche unsere Website https://konzertmeister.app
und klicke auf die Registrierungsschaltfläche.
Anschließend kannst
du kostenfrei ein Konzertmeister-Konto erstellen
und mit wenigen Klicks einen Verein
anlegen. In unserem Hilfe-Bereich auf
der Webseite findest du alle wichtigen Informationen.
Stefan Stift
Rabattcode einlösen!
REGISTRIERUNG
konzertmeister.app
HILFESEITE
konzertmeister.app
Als besonderes Angebot für alle Kapellen und Chöre in Südtirol gibt es bis Ende
2021 mit dem Rabattcode kmsuedtirol21 eine Ermäßigung von 20% bei der ersten
Abo-Bestellung. Dazu einfach in der Abo-Verwaltung beim Bestellvorgang den Rabattcode
eingeben und alle Vorteile genießen.
kurz notiert
Mit „Adagio“ zum Neubeginn
Sanfter Start der MK St. Lorenzen in die Proben- und Konzertsaison
Seit mehr als einem Jahr ist der Kulturbetrieb
fast lahmgelegt und damit stehen
auch seither die Musikkapellen in Südtirol
still. Mit den jüngsten Corona-Lockerungen
auf Staats- und Landesebene ist
ein sanfter Neubeginn der musikalischen
Tätigkeiten möglich. Dieses kleine Fenster
in Richtung Normalität will auch Kapellmeister
Jakob Augschöll mit der Musikkapelle
St. Lorenzen nützen. Einzelne
Musikant*innen und kleine Ensembles haben
immer wieder bei Gottesdiensten und
kirchlichen Feiern mitgewirkt. Der Kontakt
zur gesamten Kapelle konnte dank Online-
Medien trotzdem aufrechterhalten werden.
Nun waren die Musikant*innen zu einer
Übe-Herausforderung eingeladen, bei der
sie mit täglichen Proben zuhause Punkte
sammeln konnten. Gleichzeitig hat Kapellmeister
Augschöll das Konzertprogramm
für die bevorstehende Sommersaison zusammengestellt
und die einzelnen Noten
In drei Online-Treffen hat Kapellmeister Jakob Augschöll den Grundstein zum sanften Neubeginn
mit der Musikkapelle St. Lorenzen gelegt.
ausgeteilt. In drei Online-Treffen hat er
Tipps zum Üben gegeben und die einzelnen
Stücke mit Hörbeispielen und Hintergrundinformationen
vorgestellt. Mit Anfang
Juni soll nun die Probentätigkeit – vorerst
in Instrumentengruppen und Registern –
wieder aufgenommen werden: „Wir freuen
uns, bald wieder gemeinsam musizieren
und vor Publikum auftreten zu können!“
Stephan Niederegger
KulturFenster
47 03/Juni 2021
„Wie liegt die Stadt so wüst“
1945 schrieb der Dresdner Kreuzkantor Rudolf Mauersberger die ergreifende
Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“ unter dem Eindruck der gerade
zerstörten Stadt und dem Verlust einiger Chorknaben.
Im Bild: Die zerstörte Altstadt von Dresden nach den verheerenden Bombenangriffen
im Februar 1945.
KulturFenster
48 02/April 2021
hervorgehoben
Auf Krisen antworten
Katastrophen und Krisen prägen die Menschheitsgeschichte.
Chormusik hat schon immer darauf reagiert, dem Unfassbaren Ausdruck
verliehen oder Trost gespendet – ein historischer Überblick
Wie kann ein Mensch Situationen überstehen,
die schon in der Vorstellung kaum
aushaltbar sind? „Sie mussten sich bäuchlings
auf die Leichen der Ermordeten legen
und auf die Schüsse warten, die von oben
kamen. Dann kam die nächste Gruppe. 36
Stunden lang kamen Juden und starben“, erinnert
sich Dina Pronitschewa. Wie durch
ein Wunder hatte sie das Massaker vor 80
Jahren in der Schlucht Babi Jar bei Kiew
überlebt.
Zwei Jahrzehnte nach der Massenexekution
von 33.771 jüdischen Menschen im
September 1941 durch die Wehrmacht
und SS bezieht kann sich Dmitri Schostakowitsch
in seiner 13. Sinfonie auf dieses
Ereignis. In diesem düster-beklemmenden
Opus kommen Singstimmen – ein Bass
und ein meist einstimmiger Männerchor
– zum Einsatz. Anlass gaben Schostakowitsch
das 1961 veröffentlichte Gedicht
„Babi Jar“ und weitere Werke von Jewgeni
Jewtuschenko. Dieser stellte das Massaker
in den Kontext jahrtausendealter Judenfeindschaft,
spannte einen Bogen vom
Auszug aus Ägypten über Anne Frank bis
zum aktuell gelebten Antisemitismus in der
Sowjetunion. Über alle fünf Sätze hinweg
lässt sich Schostakowitschs Sinfonie als
ein Trauma hören. Gleichzeitig will diese
Musik trösten und Kraft geben, mit dem
Unfassbaren zu leben.
Schicksale im
gesellschaftlichen
Ausnahmezustand
Seit jeher prägen Kriege, Konflikte, Pandemien,
klimatische Veränderungen und
andere Nöte die Menschheitsgeschichte.
Einerseits geht es um Ausnahmezustände
von gesellschaftlicher Tragweite, andererseits
stets um persönliche Schicksale. In
Krisen und Katastrophen wächst die Bedeutung
von Geben und Nehmen. Dies schließt
Jan Brueghel d. Ä. (1568–1625): „Triumph des Todes“ (Ausschnitt), 1597.
Kunst und Musik ein und führt immer wieder
zu der Frage, inwieweit deren Autonomie
und Zweckfreiheit aufrechtzuerhalten
sind. Komponisten reagieren, unmittelbar
oder mit Abstand, mit ihren Werken verschiedenster
Gattungen auf konkrete Ereignisse.
Damit geben sie der Gesellschaft und
jedem Betroffenen etwas zurück.
Der „schwarze Tod“ durch die Pest war
im Mittelalter gegenwärtig. Allein im
14. Jahrhundert forderten Pestwellen
schätzungsweise 25 Millionen Menschenleben,
ca. 7 Prozent der Weltbevölkerung.
Guillaume de Machaut, einer der größten
Dichter und Komponisten jener Zeit, hat
mit der „Messe de nostre dame“ wohl das
älteste Werk der Musikgeschichte hinterlassen,
dessen Autorschaft gesichert ist:
eine Vertonung des Ordinarium Missae,
die den Beginn der Mehrstimmigkeit markiert
und deren Dissonanzen damalige Ohren
tief verstört haben dürften. Womöglich
wollte der Franzose Machaut, der die
Pest selbst erlebt hatte, den Zustand von
Körper und Seele musikalisch zum Ausdruck
bringen.
Heutige Umstände machen
alte Werke wieder aktuell
Die Corona-Pandemie führt erneut bei
vielen Menschen zu Verunsicherung und
Angst. Alte Werke und die Umstände ihrer
einstigen Darbietung werden aktuell.
Ein Beispiel ist Orazio Benevolis „Missa
in Angustia Restilentiae“ für vier vierstimmige
Chöre und Basso continuo – eine eindringlich
formulierte Bitte um die Gnade
Gottes. Bei ihrer Uraufführung 1656, als in
Rom wieder die Pest grassierte, wurde die
Missa hinter verschlossenen Türen nur für
den Papst und einige Begleiter gesungen.
Im 19. Jahrhundert wütete vielerorts in
Deutschland die Cholera. Fanny Hensel
geb. Mendelssohn Bartholdy verlor in Berlin
1831 Freunde und Bekannte. Im Alter
von 26 Jahren schrieb sie das halbstündige
chorsinfonische Werk „Cantate für
die Toten der Cholera-Epidemie 1831“.
Der Chor ist bis 8-stimmig aufgefächert,
dem Instrumentalapparat gehören 3 Posaunen
an. Klassische Vokalpolyphonie
umgibt biblisches Wort mit einer archai-
KulturFenster
49
02/April 2021
hervorgehoben
Fresko in St. Prokulus – Naturns (ca. um 1490) im Chorraum mit Darstellung von Christus und Maria als Beschützer vor den Pfeilen
der Pest.
schen Aura. Als Frau, zudem Schwester
des ehrgeizigen Felix und Tochter eines
konservativen Vaters, war Fanny Hensel
ein Durchbruch als Komponistin zu Lebzeiten
nicht vergönnt. Ihre „Cholera-Kantate“
erlebte erst 1984 ihre Uraufführung.
Auch die Spanische Grippe, die Ende des
Ersten Weltkriegs 1918 ausbrach und weltweit
zig Millionen Menschen das Leben
kostete, hinterließ Spuren in der Musikgeschichte,
so Karol Szymanowskis Oper
„König Roger“ – uraufgeführt 1926. Die
Musik ist ein einziger Rausch, greifbare
Ekstase, Ausnahmezustand – etwa in Gestalt
eines riesigen Chores. Das Drama, das
von Erleuchtung handelt und wo eine geordnete
Welt aus den Fugen gerät, „stand
mir in einer schlaflosen Spanische-Grippe-
Nacht plötzlich vor Augen“, so der polnische
Komponist, der selbst erkrankt war.
Das verheerende Erdbeben von Lissabon
1755 veranlasste Georg Philipp Telemann,
ein geistliches Oratorium zu schreiben, das
als „Donnerode“ bekannt und eine seiner
zu Lebzeiten meistaufgeführten Musiken
wurde. Naturgewalt und Gottes Macht prallen
in diesem empfindsamen Opus aufeinander.
Harsche Kontraste, schmetternde
Trompeten, Paukensoli und Arien, die ohne
Da-capo-Teil auskommen, drücken das
fluchtartige, dramatische Geschehen aus.
Ein „Trotz allem“ nach
Verheerungen des Krieges
Neben solchen Naturkatastrophen, Epidemien
und Pandemien waren es immer
wieder bewaffnete Konflikte, unter deren
Einfluss oder in deren Folge Komponisten
Großes leisteten. Das imposanteste Beispiel
aus frühbarocker Zeit ist die „Geistliche
Chor-Music 1648“. Heinrich Schütz
hatte diese dank ihrer meisterhaften Verschmelzung
von Wort und Ton bedeutendste
Motettensammlung des Jahrhunderts
Ende des Dreißigjährigen Krieges
veröffentlicht. Es mag Koinzidenz sein,
immerhin reicht die Entstehungszeit mancher
der 29 Motetten Jahrzehnte zurück,
doch wohnt dem Erscheinen der Sammlung
ausgerechnet im ersehnten Friedensjahr
1648 eine starke Symbolik inne: Es
war ein „Trotz alldem“, eine Demonstration
der tröstenden, aufbauenden Wirkung
von Musik – nicht zuletzt für Schütz persönlich,
dessen Leben früh von Schicksalsschlägen
getroffen wurde.
Arnold Schönbergs achtstimmige Motette
„Friede auf Erden“ vermochte sich 1907
nicht als Verheißung zu offenbaren – 40
Jahre später sollte sich Schönberg mit dem
Melodram „Ein Überlebender aus Warschau“
zum Völkermord an den Juden positionieren.
Beide Weltkriege sorgten mit
dem unfassbaren Leid, das sie auslösten,
für musikhistorische Zäsuren, Sinnkrisen,
grundlegende Stilwandel und brachten eine
Vielzahl an Werken hervor. Diese entstanden
entweder in unmittelbarer Folge oder
mit zeitlicher Verzögerung, um dann anhaltende
Konflikte aufzugreifen wie den
Antisemitismus in Schostakowitschs 13.
Sinfonie.
Es gibt ein umfangreiches Verzeichnis an
Kompositionen von 1914 bis in die frühen
1930er-Jahre, in denen ein Bezug zum
Ersten Weltkrieg erkennbar ist. Die Liste
der Werke, die sich auf den Zweiten Weltkrieg
beziehen, dürfte noch umfangreicher
sein. Hier nur drei weitere Beispiele: Kar-
KulturFenster
50 02/April 2021
Chorwesen
freitag 1945 schrieb der Dresdner Kreuzkantor
Rudolf Mauersberger die ergreifende
Trauermotette „Wie liegt die Stadt
so wüst“ unter dem Eindruck der gerade
zerstörten Stadt und dem Verlust einiger
Chorknaben. Der betagte Richard Strauss
schuf in jenen Tagen die Metamorphosen
für 23 Solostreicher – ein Spätwerk, das
symbolisch für Vernichtung, Vereinzelung
und Abschluss einer Epoche steht. Karl
Amadeus Hartmann verfasste die mit Zitaten
aus klassischer Musik und jüdischem
Leben gespickte Klaviersonate „27. April
1945“ – „die wohl rascheste Antwort … für
humanistisches, engagiertes und expressives
Komponieren“ (Hans-Werner Heister).
Die erinnernde und verarbeitende Beschäftigung
mit dem Zweiten Weltkrieg und Holocaust
schlägt sich in zahlreichen Partituren
nieder. Exemplarisch steht dafür das
gesamte Schaffen des gebürtigen Leipzigers
Herman Berlinski, das sich mit jüdischer
Identität auseinandersetzt. Benjamin
Brittens „War Requiem“ wurde 1962
in der wiederaufgebauten Kathedrale von
Coventry uraufgeführt. Der Japaner Toshio
Hosokawa komponierte 1989 das Oratorium
„Voiceless Voice in Hiroshima“; überarbeitet
kam es 2001 in München zur Uraufführung.
Auch Luigi Nono („Ricorda
cosa ti hanno fatto in Auschwitz“, 1966)
und Krzysztof Penderecki („Kadisz“, 2009)
hielten die Erinnerung wach.
Menschengemachte
Katastrophen und
private Tragödien
Der Atombombenabwurf in Hiroshima. Der Japaner Toshio Hosokawa komponierte 1989
das Oratorium „Voiceless Voice in Hiroshima“; überarbeitet kam es 2001 in München
zur Uraufführung.
Andere menschengemachte Katastrophen
bewegten Komponisten, darunter
das Reaktorunglück von Tschernobyl oder
die Migrationen der Gegenwart. Der Franzose
Philippe Manoury mischte in seinem
„Lab.Oratorium“ Solisten- und Chorstimmen,
Live-Elektronik, Orchesterklänge und
Schauspielpartien, um den Flüchtlingen
dieser Welt eine Stimme zu geben. Damit
entwarf er „ein gesellschaftliches Ideal, in
dem niemand ausgegrenzt, aber auch keine
heile Welt vorgegaukelt wird“, schrieb Kritiker
Reinhard J. Brembeck nach der Uraufführung
durch das Gürzenich-Orchester
in Köln im Mai 2019.
Neben den unzähligen traurigen Anlässen
und Zuständen von gesellschaftlicher
Tragweite gibt es stillere, privatere. Johann
Sebastian Bach war davon geprägt. Seine
Stücke haben bis heute nichts von ihrer
geradezu universellen Ausstrahlung eingebüßt.
Die Psychoanalytikerin und Trauma-
Expertin Luise Reddemann hat Bachs Leben
und Wirken intensiver untersucht und
erfahren: „Ich habe mit einer Gruppe von
Therapeut*innen einen Tag mit der Kantate
‚Ich hatte viel Bekümmernis‘ verbracht. Für
einige war es ungewohnt, sich mit der Musik
von Bach zu beschäftigen. Aber nach
und nach waren doch alle von der Tiefe des
Ausdrucks von Kummer und Freude, Verzweiflung
und Trost ergriffen. … Bei einem
Seminar über Resilienz mit in der Palliativmedizin
tätigen KollegInnen waren wir manchmal
erschöpft und bekümmert. Einige Teile
Zur Person
der Kantate haben uns geholfen, uns wieder
als getragen und aufgehoben zu erleben.“
Bach – ein Universalhelfer in Krisensituationen?
Dem könnte so sein. Auf jeden
Fall ergänzt seine Musik den Kanon all der
Werke, die geschrieben wurden, um Menschen
auch in größter Not und Verzweiflung
aufzufangen, ihnen zu helfen, sie zu
trösten, zu kräftigen und hoffen zu lassen.
Freilich nur ein Bruchteil konnte hier zur
Sprache kommen.
Karsten Blüthgen
Der Beitrag erschien in „Chorzeit.
Das Vokalmagazin“, Ausgabe April 2021
Autor Karsten Blüthgen studierte zunächst Akustik, später Musikwissenschaft.
Nach beruflichen Anfängen als Ingenieur wandte er sich der Musik zu und ist
heute hauptsächlich auf diesem weiten Feld aktiv. Er übernahm Lehraufträge im
Bereich der Systematischen Musikwissenschaft in Leipzig
und Dresden, verfasst Texte für Konzertprogramme und
CD-Booklets.
Er verantwortet die Dramaturgie beim Festival Sandstein
und Musik und wirkt dramaturgisch bei den Internationalen
Schostakowitsch Tagen Gohrisch mit. Seine
Leidenschaft für Musikjournalismus offenbarte sich
1998 bei einem Konzert des Thomanerchors Leipzig
gemeinsam mit dem Jazzpianisten Joachim Kühn.
Heute schreibt Karsten Blüthgen für verschiedene Tageszeitungen,
Magazine und Fachzeitschriften. Neben
der Musik liebt der Lausitzer die Natur und den
Ausdauersport.
Foto-Copyright: Thomas Lehmann
KulturFenster 51
02/April 2021
Jung+
Stimmgewaltig
Foto vom Jahr 2019 bei der Veranstaltung
„Advent im Jugenddienst“
Sänger*innen:
27 junge und junggebliebene Sänger*innen
im Alter von 17 bis 39 Jahren
Unser Motto lautet:
Musik – neu – anders – jung – modern
– religiös
Wer sind wir, was macht uns aus? Was ist
unsere Motivation?
Wir sind eine motivierte Gruppe von Jugendlichen
und jungen Erwachsenen im
Unterland. Unsere Gemeinsamkeit: wir alle
glauben, singen oder musizieren gerne und
möchten unseren Glauben offen in die
Pfarrgemeinden bringen um weitere Menschen
damit anzustecken. Dabei sind Offenheit,
Gemeinschaft, Freude, Spaß und
Respekt grundlegende Werte, die bei uns
gelebt und nach außen getragen werden.
Begleitet
werden
wir als Chor
vom Jugenddienst
Unterland,
finanziell unterstützt von
der Bezirksgemeinschaft Überetsch
Unterland.
Wie kam es zur Gründung? Seit wann besteht
der Chor?
Gegründet wurde unser Chor „LautStork“
im Jahr 2016 als musikalisches Projekt vom
Verein Jugenddienst Unterland. Hintergrundgedanke
war und ist es heute noch,
jungen Menschen die Möglichkeit zu geben,
ihren Glauben zu leben, zu zeigen
und durch Musik und neuem Schwung
Gottesdienste und andere religiöse Feiern
mitzugestalten.
Was waren
unsere Highlights
in der Vergangenheit?
In den letzten fünf
Jahren gab es viele Highlights
bei unseren Proben und
Auftritten. Ein besonderes Highlight war sicherlich
die vom Jugenddienst Unterland
organisierte Jugendmesse „Rise up“ im
Jahr 2019 mit Lichtershow in der Pfarrkirche
von Branzoll. Aber auch der Auftritt
beim Festival „Cyrill Chill“ in Brixen sowie
die jeweiligen Abschlusskonzerte unseres
Chores gehören zu den Highlights der vergangenen
Jahre.
Was sind die Pläne für die Zukunft?
Auch in den nächsten Jahren möchten wir
unsere Motivation und unseren Schwung
beibehalten und besonders ab Herbst
KulturFenster
52 02April 2021
2021 wieder mit regelmäßigen Proben und
Auftritten starten. Einer unserer größeren
Auftritte wird wieder bei der zweiten Veranstaltung
der Jugendmesse mit Lichtershow
„Rise up“ im Jahr 2022 sein.
Wer kann bei uns mitmachen? Wie kann
man bei uns mitmachen?
Wir als Chor „LautStork“ sind offen für
alle, die sich gerne daran beteiligen möchten.
Mitmachen können bei uns alle Jugendlichen
und jungen Erwachsenen ab
14 Jahren, die gerne singen oder selbst
ein Instrument spielen. Die Teilnahme
ist freiwillig und ehrenamtlich, natürlich
sind wir aber froh, wenn Sänger*innen
regelmäßig beim Chor mitmachen. Uns
ist es sehr wichtig, als Gruppe gemeinsam
zu (zusammen)wachsen und voneinander
zu lernen.
SoniaKalser
Portrait der Chorleiterin
Ich bin Sonia Kalser, Grundschullehrerin
aus Aldein. Seit zwei Jahren
darf ich den Chor LautStork begleiten.
Musik ist meine Leidenschaft,
seit ich mit sechs Jahren zum ersten
Mal die Musikschule besuchte, und
ist bis heute mein täglicher Begleiter,
aus dem ich Kraft und Freude
schöpfen darf.
Aktuell wirke ich in verschiedenen
kleinen Ensembles, sowie einer
Band mit. Das Projekt Lautstork ist
eine besondere, aufregende Aufgabe
für mich.
Hiernoch zwei
Youtube-Links
zumProbehoren
:
Weihnachtsspecial 2020:
Der Landesjugenchor
https://www.youtube.com/
watch?v=hZ8L25dyi4I
Alles wird gut – ein Lied
geschrieben von den Mitgliedern
des Chores - 2021
https://www.youtube.com/
watch?v=VIrVd9Yg88E
KulturFenster
53 02April 2021
EigeneEmotionen ausdrucken
:
Die jungen Rapper Duzzq & LA
HipHop und Chorgesang schließen
sich nicht aus. Ivan Huber
und Johannes Aschbacher,
21 bzw. 18 Jahre alt, sind die
Rapper Duzzq und L.A und machen
HipHop Musik, singen
aber auch im Landesjugendchor
Südtirol.
Duzzq, der eigentlich Ivan
Huber heißt, macht seit seinem
8. Lebensjahr Musik:
„Mich hat immer schon die
Rhythmik an Songs fasziniert.
Also war das erste Instrument,
das ich gelernt habe,
Schlagzeug. Danach kamen
Gitarre und Klavier hinzu“,
sagt er. Duzzq studiert am Tiroler
Landeskonservatorium
in Innsbruck Gesang. Nebenbei
macht er mit seinem
Rap- und Produktionspartner
Johannes Aschbacher alias L.A Songs.
Ivan Huber erzählt, wie die beiden zum
HipHop gekommen sind: „HipHop/Rap
ist das Musikgenre, das uns beide seit
Jahren beschäftigt und auch beeinflusst.
Johannes und ich haben uns im Landesjugendchor
Südtirol kennengelernt, und so
kam das Thema HipHop/Rap rasch ins Gespräch.
Das Große Rap-Idol von Johannes
ist Travis Scott und mein Idol ist die Rap-
Legende Eminem. Da wir uns beide ausgehend
von unsren Rap-Idolen hauptsächlich
für die amerikanische Rapszene
interessieren, sind wir zum Entschluss gekommen,
selbst Musik zu produzieren.“
Dabei orientierten sich die Songs am amerikanischen
HipHop und Rap, sind aber
von Anfang bis Ende selbst erdacht und
komponiert. Das gilt für die Texte, Melodie,
Harmonie und die strukturierte Verbindung
der einzelnen musikalischen sowie
lyrischen Elemente. Hilfreich war da
auch, dass die beiden sich von Anfang an
gut verstanden und gut zusammenarbeiteten
und sich kreativ ergänzten – nicht nur
Leidenschaft in der Musik hat sich so entwickelt,
sondern eine „markante Freundschaft“,
wie Ivan Huber sagt.
Was HipHop und Rap
so toll macht…
„Das Schöne an der HipHop/Rap Musik ist
sicher die Umsetzung der selbstgeschriebenen
Texte. Wir schreiben unsere Texte
selbst und da wir MC‘s sind, werden unsere
Emotionen in Verbindung mit der Musik
verdeutlicht.“ MC bedeutet, dass „jedes
einzelne Wort auch wirklich so gemeint ist
und aus unserem Bauch frei und ehrlich
herausgeschrieben wird“, erklärt Ivan Huber.
„Was HipHop/Rap uns gibt, ist diese
Sicherheit und Leidenschaft auf einem
selbstproduzierten Beat unsere Gedanken
mit verschiedenen Gefühlen zu präsentieren.“
Die beiden Musiker haben bereits viel
Erfahrung in der Klassischen Musik und
sind von ihr sehr beeindruckt. Ivan Huber
betont, dass die Auseinandersetzung mit
musikalischen Themen aus der Klassik,
vor allem im Gesang, für ihn eine große Bereicherung
sei. „Wir probieren stets neue
Ideen aus für unsere Produktionen, so haben
wir auch Themen verarbeitet, die wir
aus der klassischen Stilrichtung entnommen
haben. Dazu gehören etwa auch Passagen
mit klassischem Gesang oder auch
kleine abgekupferte Melodien,
die wir ohne Probleme verarbeiten
konnten. Klassische
Musik und HipHop/Rap unterscheiden
sich sehr voneinander,
aber uns gelingt es
durch Kreativität eine Verbindung
herzustellen, die durchaus
Sinn ergibt.“
Den eigenen
Gefühlen Ausdruck
geben…
Evil Butteries
Dabei liegt die Faszination
des Raps wohl vor allem in
der Verbindung von Text und
Musik, was diese Musik so
geeignet macht für den Ausdruck
von eigenen Gedanken
und Gefühlen. Auch die Themen
von Duzzq & LA basieren
hauptsächlich auf selbsterlebten Situationen
und sind ihre ganz eigenen Gedanken.
Ihre neuste Produktion, die noch unveröffentlicht
ist, heißt „Evil Butterflies“. In
diesem Song geht es um Situationen von
früher und auch heute, die für die beiden
schwer zu verkraften waren, wie zum Beispiel
Mobbing. „Vor allem möchten wir mit
diesem Song vermitteln, dass man nicht
jedem Menschen sofort Vertrauen schenken
soll, da er dich hintergehen könnte
(Evil) – auch wie sympathisch, klug oder
schön er dir vorkommt (Butterfly)“, erklärt
Duzzq. Duzzq & LA bekommen oft Rückmeldungen
zu ihrer Musik und „Ein positives
Feedback zu erhalten fühlt sich sehr
gut an. Wir bekommen aber auch manchmal
nicht so gute Meinungen gegenüber
unseren Produktionen, aber das hält uns
in keinster Weise ab weiter Musik zu produzieren.“
Ihr größtes Ziel sei es, mit ihren
Songs national und international bekannt
zu werden, auch wenn es sehr schwierig
sei, im heutigen Music Business aufmerskamkeit
zu erlangen.
https://www.youtube.com/
watch?v=Y9R7gJpzm3Y
KulturFenster
54
02April 2021
SCV-intern
Musikalische Aktionswoche für Grundschüler
der 2. bis 5. Klasse (Stand Schuljahr 2020/21)
Montag bis Freitag von 8.30 bis 12.30 Uhr
Musikschule Bruneck
12. - 16. Juli und 26. - 30. Juli
mit Franzisca Seiwald und
Sabrina Fraternali
Musikschule Seis
19. - 23. Juli
mit Renate Unterthiner und
Viktoria Erlacher
Kulturhaus Villnöß
19. - 23. Juli
mit Sonja Profanter und
Hanna Portner
Musikschule Vintl
9. - 13. August
mit Renate Unterthiner und Ingrid Wieser
Musikschule Meran
16. - 20. August
mit Isabella Stricker und Elisa Vieider
Weitere Informationen unter:
info@scv.bz.it
t. 0471/971833
f. 0471/303862
Kursprogramm 2021
Fr. 2. – So. 4. Juli
Workshop für Chorleiter*innen im Kolpinghaus Bozen
Zielgruppe: Neueinsteiger*innen und
erfahrene Chorleiter*innen
Leitung: Jan Scheerer
So. 1. – Fr. 6. August
Seminar für ChorleiterInnen in Dietenheim
Zielgruppe: Neueinsteiger*innen und erfahrene
Chorleiter*innen
Leitung: Nataliya Lukina
Sa. 28. August – Sa. 4. September
Musical Fever Plus im Priesterseminar Brixen
Zielgruppe: Jugendliche von 16 bis 25 Jahren
Leitung: Stephen Lloyd
Fr. 1. Oktober
Seminar „Wie man Stimmen zum Klingen bringt!“
im Kolpinghaus Bozen
Zielgruppe: Pädagogen*innen und Chorleiter*innen
Leitung: Veronica Bertsch
Sa. 2. Oktober
„Let‘s sing – let‘s swing – let‘s groove” Pop & Chor
im Kolpinghaus Bozen
Zielgruppe: Chorsänger*innen und Chorleiter*innen
Leitung: Veronica Bertsch
Sa. 9. Oktober
Seminar für Kinderchorleiter/innen im Kolpinghaus Bozen
Zielgruppe: Chorleiter*innen und Lehrer*innen für Kinder im
Grund- und Mittelschulalter
Leitung: Yoshihisha Matthias Kinoshita
Sa. 16. Oktober
Singtag für Chorsänger*innen 50+ im Kolpinghaus Bozen
Zielgruppe: Chorsänger*innen 50+
Leitung: Edgar Wolf
info@scv.bz.it
t. 0471/971833
KulturFenster
55 02/April 2021
SCV-Intern
Unser Lieblingslied
Erfolgreiches Online-Konzert
Konzertfeeling in Corona-Zeiten: Bei einem
YouTube-Konzert unter dem Motto „Mein
Lieblingslied“ konnten sich am Abend des
24. April rund 720 Zuhörer und Zuhörerinnen
wieder an die Zeiten vor Corona erinnern.
Die Idee zum Online-Konzert auf YouTube
ist sehr gut bei den Chören im Lande angekommen.
Über 40 Chöre nahmen an diesem
Online-Konzertabend teil und haben
einen Betrag eingesandt. Die Aufnahmen
sind mehrheitlich vor der Corona-Pandemie
entstanden. Die „Lieblingslieder“ erinnerten
an wundervolle Konzerte, an gemeinsame
Erlebnisse, an Chorreisen, an
Messgestaltungen oder einfach an inspirierende
Chorproben in einer schönen Gemeinschaft.
Die Idee zu diesem Konzert hatte der Bezirksausschuss
Bozen. Bezirksobmann
Josef Vieider: „Wir haben uns lange ohnmächtig
gefühlt, weil wir nicht so recht wussten,
wie wir unsere Chöre „bei Laune“ halten
könnten. Dann ist die Idee zu einem Online-
Konzert geboren mit Liedern, die aus der
Zeit stammten, wo das gemeinsame Singen
noch möglich war. Damit sollte die Erinne-
„
Niemals zuvor gab es bei uns ein
Chorkonzert mit so vielen beteiligten
Chören und niemals gab es bei unseren
Konzerten so viele Zuhörer“,
„
betont Josef Vieider
Josef Vieider
rung an angenehme Stunden wachgerufen
werden. Daraus haben wir schnell den Titel
„Unser Lieblingslied“ abgeleitet.“ Zunächst
wollte der Bezirksausschuss das Konzert auf
Bezirksebene organisieren. SCV-Geschäftsführer
Dietmar Thanei war von der Initiative
sofort begeistert und hat den Vorschlag gemacht,
alle Chöre des Landes zum Mitmachen
einzuladen. „Im Nachhinein war das
eine goldrichtige Entscheidung. Niemals zu-
KulturFenster
56 02/April 2021
Chorwesen
vor gab es bei uns ein Chorkonzert mit so vielen beteiligten
Chören und niemals gab es bei unseren Konzerten
so viele Zuhörer“, betont Josef Vieider. Dietmar Thanei
unterlegte das Konzert mit passenden Aufnahmen von
den Chören. Die Bilder beim Konzert gaben einen interessanten
Einblick in das Chor-Geschehen, in die Umgebung
und in die Kirchen der teilnehmenden Chöre.
„Ich habe viele positive Rückmeldungen bekommen.
Ich persönlich habe das Konzert so richtig genossen.
Auch der Zeitpunkt scheint gut angekommen zu sein.
Das ist als Motivationsschub kurz vor Beginn unserer
(zwar eingeschränkten) Tätigkeit gerade recht gekommen“,
freut sich Josef Vieider. Das Video wurde auch
mehrere tausend Male angeklickt und zahlreich positiv
kommentiert
Paul Bertagnolli
Sichere Chorproben in der Pandemie
Webinar mit Bernd Gänsbacher
Bei einem vom Südtiroler Chorverband organisierten
Webinar mit dem bekannten
Immunologen Bernd Gänsbacher konnten
die zahlreichen Interessierten Fragen
zum Thema Corona und Singen stellen.
Verbandsobmann Erich Deltedesco freute
sich in seinen Grußworten über die Möglichkeit,
dass sich die Sänger und Sängerinnen
mit ihren Fragen direkt an den
Experten wenden können. Verbandschorleiterin
Renate Unterthiner moderierte das
Seminar und verlas die bereits vorher eingeschickten
Fragen, auf die der Wissenschaftler
detailliert einging. Aber auch während
des Seminars gab es die Möglichkeit, Fragen
im Chat zu deponieren. Bernd Gänsbacher
zeigte sich als guter Wissensver-
mittler und erklärte den Teilnehmern und
Teilnehmerinnen auf interessante Weise,
wie das Coronavirus und die Impfung wirken.
Er betonte, dass die beste Möglichkeit
für ein sicheres Proben das regelmäßige
und wiederholte Testen sei. Nur vor
der Probe zu testen, sei zu wenig, da der
Antigentest nicht absolut sicher sei und
deshalb mindestens zweimal im Vorfeld
gemacht werden muss. Er betonte außerdem,
wie wichtig es sei, gut zu lüften. Jeder
Sänger und jede Sängerin müsse sich
im Klaren sein, dass das Singen auch im
Freien ein höheres Ansteckungsrisiko bedeute
als bloßes Sprechen. Umso mehr sei
es wichtig, dass jedes Chormitglied das Risiko
durch sicheres Verhalten minimiere.
Prof. Bernd Gänsbacher
KulturFenster
57 02/April 2021
komponiert
Harmonie und
Einfachheit
Die Komponistin
Annelies Oberschmied
Sie ist Sängerin, Stimmbildnerin, Musikschullehrerin, Komponistin, Organistin, Chorleiterin,
Begleiterin, Referentin, Autorin, Körpertherapeutin, Mutter: Annelies Oberschmied
aus Reischach, die heute in Telfs lebt, kennen viele Südtiroler Sänger und Sängerinnen
als Stimmbildnerin, vor allem aber auch haben viele schon ihre Lieder gesungen. Die
Liebe zum Singen und zur Musik entdeckte die Musikerin in der frühen Kindheit durch
das gemeinsame Singen zu Hause, erzählt die Komponistin.
Kulturfenster: Die Musik spielt in Ihrem
Leben eine zentrale Rolle, wie ist es dazu
gekommen?
Annelies Oberschmied: Mein Leben ist
schon seit der frühen Kindheit von Musik
umgeben. Die einfache Mehrstimmigkeit
der Volkslieder, gemeinsam gesungen
im familiären Umfeld, verbinde
ich mit Heimatgefühl. Heimatgefühle
habe ich in Nord- und Südtirol, dort wo
ich lebe und dort wo meine Wurzeln und
mein Arbeitsplatz sind. Die Orgel mit all
ihren Möglichkeiten und Klängen faszinierte
mich schon als 5-jähriges Mädchen
so stark, dass ich unbedingt dieses Instrument
erlernen wollte. Mit 12 Jahren
reichten zwar die Füße kaum an die Pedale,
aber das Können für die Begleitung
der Gemeindelieder im Gottesdienst. Dadurch
kam ich in Kontakt mit Chormusik,
mit Chorproben, wo ich auch schon
bald erste Erfahrungen als Korrepetitorin
und den Umgang mit gesungenen Harmonien
sammeln konnte.
KF: Wo lagen die Schwerpunkte in Ihrer
musikalischen Ausbildung?
Oberschmied: Die Leidenschaft zur Musik
hat mich zum Orgelstudium in Bozen
und später auch in Wien bewogen. Als Teil
des Kirchenmusikstudiums habe ich mich
unzählige Stunden mit dem Fach „kirchliche
Komposition“ beschäftigt. Ein neuer
Schwerpunkt in Wien wurde die Arbeit mit
der eigenen Stimme, zum einen im solistischen
Gesang und zum anderen in Verbindung
mit dem Chorleitungsstudium.
Die Faszination, Chorklang zu modellieren
oder selber Teil eines Chorklangkörpers
zu sein und die musikalischen und
emotionalen Sternstunden als Sopranistin
im Arnold Schönberg-Chor haben meine
Vorstellung von Klangidealen geprägt.
KF: Was bedeutet Ihnen Ihre Aufgabe als
Lehrerin an der Musikschule?
Oberschmied: Die Freude an der Musik
weiterzugeben ist mein Beruf geworden.
Stimmen entdecken, begleiten und pflegen
ist für mich immer wieder spannend.
In der Musikschule Bruneck darf ich Kinder,
Jugendliche und Erwachsene auf ihrem
Weg von der Einstimmigkeit bis zum
großen Chorklang, vom einfachen Liedchen
bis zur Opernarie begleiten. Für
meine Schüler und die Arbeit als Referen-
KulturFenster
58 02/April 2021
Chorwesen
„
Meine Lieder entstehen spontan, inspiriert
von besonderen Ereignissen,
Eindrücken oder Emotionen.
„
Annelies Oberschmied
tin für Vokalangelegenheiten bei Kursen
ist die Sammlung „Stimm-übungen à la
carte“ erschienen. Hier habe ich meine
kreativen Ideen zum „Training der Stimme“
gesammelt.
KF: Sie sind auch als Sängerin bekannt.
Oberschmied: Selber singend war ich in
den letzten 15 Jahren als Solistin und Ensemblesängerin
in der „Capella Wilthinensis“
in Innsbruck tätig. Den großen Schatz
an geistlicher Vokalmusik, allen voran die
Bach-Motetten, aber auch die Sopranarien
aus Passionen und Kantaten oder manchen
Mozart- und Haydn-Messen, sowie
das Erlebnis des professionellen Ensemblesingens
möchte ich nicht missen.
Genauso, wie ich auch das Singen von
Jodlern und Volksliedern nicht missen
möchte. Es ist die Einfachheit der Harmonien
und des Textes, die immer wieder neu
bewegen. Auch ein Grund, warum diese
Lieder meist mündlich überliefert wurden
und immer noch durch das gemeinsame
Singen weiterverbreitet werden.
KF: Kommen wir zu Ihrer Tätigkeit als
Komponistin. Wie entstehen Ihre Lieder?
Oberschmied: Meine Lieder entstehen
spontan, inspiriert von besonderen Er-
eignissen, Eindrücken oder Emotionen.
Dann mache ich Text und Melodie selber.
Es ist nämlich nicht so leicht, Texte
für neue Volkslieder zu finden, die dann
durch das passende Versmaß in Rhythmus
und Melodieführung eins werden.
Meinem relativ langen Arbeitsweg, aus
dem Zugfenster schauend, habe ich viele
Texte, Melodien und Ideen zu verdanken.
Es braucht diese gewisse Langeweile, damit
im Kopf neue Ideen entstehen können.
Das gilt fürs Komponieren fast genauso
wie für die Kreativität bei Kindern.
In meinem Repertoire finden sich manche
kirchliche Kompositionen im modernen
Stil (wenn man das so nennen will),
Kindermessen, Kinderlieder, ein Singspiel,
neue geistliche Lieder und Volkslieder.
Darunter finden sich auch Auftragswerke
oder Stücke, die aus einer Not
heraus entstanden sind. Einige schöne
Volkslied-Aufträge habe ich vom Männerchor
„Brummnet“ erhalten. Wenn man ein
Ensemble oder einen Chor kennt, kann
man sozusagen „auf den Leib geschneidert“
schreiben. Dann ist das Ganze am
stimmigsten. Ein besonderer Moment ist
immer wieder jener, in welchem man das
eigene Lied zum ersten Mal von anderen
musiziert hört. Es ist ein bisschen zu vergleichen
mit dem Gefühl, wenn man sein
Kind zum ersten Mal in den Kindergarten
bringt – ein großes Stück Vertrauen im
Umgang mit etwas, das einem ans Herz
gewachsen ist.
KF: Wie war es beim Lied „Mitanond singen“,
das wir hier abdrucken?
Oberschmied: Das Lied „Mitanond singen“,
welches in der nächsten Ausgabe abgedruckt
wird, ist vor genau einem Jahr, genauer
gesagt bei einem Spaziergang durch
die Telfer Felder und der Sehnsucht nach
einem Heimatbesuch – zu dem natürlich
auch ein gemeinsames Lied gehört –
entstanden. Bei der erstbesten Möglichkeit
(Ende Mai 2020, zu Fuß (!) über die
Brennergrenze) habe ich es mit InsoDrei
- das sind neben mir Clara Sattler und
meine Schwester Patrizia - dann ausprobiert.
Darum ist auch der Bass eine ad
libitum-Stimme und nicht zwingend notwendig.
Das Lied soll in einfacher Weise
das Glücksgefühl des gemeinsamen Singens
beschreiben.
KF: Wie würden Sie die Tonsprache Ihrer
Lieder beschreiben?
Oberschmied: Viele meiner Lieder gibt es
im Nachhinein oder auf Anfrage für diverse
Besetzungen. Die Tonsprache der
Oberschmied-Lieder ist im Sinne der alten
Volkslieder einfach gehalten. Bei der
Harmonisierung erlaube ich mir allerdings
auch kleine Spaziergänge außerhalb der
Grundstufen, weil wir ja als Menschen
auch immer wieder „neue Wege“ suchen.
KF: Wo finden wir Ihre Lieder?
Oberschmied: Mein Wunsch, ein Liederbuch
herauszugeben, in dem alle meiner
bisher erschienenen Volkslieder gesammelt
sind, wird vielleicht irgendwann wahr
und sucht noch einen Sponsor.
Int.: Paul Bertagnolli
Richtigstellung:
Kirchenmusiker Prof. Josef Knapp
Heuer wäre der Kirchenmusiker Josef
Knapp 100 Jahre alt geworden. Knapp
wurde 1921 in St. Lorenzen geboren und
verstarb im Jahr 2014 und nicht, wie im
Text fälschlicherweise geschrieben wurde,
1914. Wir bitten die Leser und Leserinnen
diesen Fehler zu entschuldigen.
Aus der Redaktion
Ihre Beiträge (Texte und Bilder) für die Chorwesen
senden Sie bitte an: info@scv.bz.it (Südtiroler Chorverband)
Für etwaige Vorschläge und Fragen erreichen Sie uns unter
folgender Nummer: +39 0471 971 833 (SCV)
Redaktionsschluss für
die nächste Ausgabe des
KulturFensters ist
Donnerstag, 15. Juli 2021
KulturFenster
59 02/April 2021
30.07.2021
Anmeldeschluss für interessierte Chöre
zum „Tag der Chöre“
in den Gärten von Schloss Trauttmansdorff
am 19. September 2021.
Termine
Infos unter: https://scv.bz.it/tag-der-choere
31.07.2021
Konzert: Euregio-Jugendblasorchester
Kulturzentrum Gustav Mahler Toblach, Beginn: 18.00 Uhr
Infos unter: https://vsm.bz.it/
17.09.2021 und
15.10.2021
Tagung:
„Identitätsstiftende Orte“
Infos unter: hpv.bz.it