MEDIAkompakt Ausgabe 30
Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org
Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
8 BOLD
mediakompakt
Jung. Grün. Stachelig.
Nach langer Arbeit bei der Geflüchteten-Hilfe in ganz Europa war Sarah Heim so frustriert,
dass sie politisch aktiv werden wollte. Heute ist sie die Landessprecherin der Grünen Jugend
und hat in Baden-Württemberg einiges vor. Wir haben mit ihr gesprochen.
VON SOPHIA CHRIST
Mediakompakt: Was denkst Du, gibt
es zu wenig Frauen in der Politik?
Sarah: Vor der Landtagswahl
waren weniger als ein Drittel der
Abgeordneten weiblich. Das ist
viel zu wenig, weil ein Parlament die Gesellschaft
abbilden sollte. Dementsprechend sollten nach
meiner Meinung mindestens die Hälfte Frauen,
aber auch nichtbinäre, trans- und inter-Menschen
dabei sein. Und das haben wir noch lange nicht
erreicht.
mediakompakt: Wo begegnet dir Feminismus in der
Politik?
Sarah: Wir fordern auf Landesebene ein Antidiskriminierungs-Gesetz.
Es soll nicht nur um Diskriminierung
gegen Frauen oder sexuelle Übergriffe
gehen, sondern auch bei Diskriminierung gegen
Menschen mit Behinderungen oder für Menschen
die rassistisch beleidigt werden, eingesetzt werden.
Dafür braucht es Gesetze. Ich gebe Euch mal
ein Beispiel: Als die polnische Regierung die
Abtreibungsgesetzesgrundlage geändert hat, hat
das weltweit für Aufruhr gesorgt. Viele haben gemerkt:
der feministische Kampf ist auf keinen Fall
zu Ende. Wir müssen weiter für unsere Grundrechte
kämpfen!
mediakompakt: Wo fehlt deiner Meinung nach
Feminismus in der Politik?
Sarah: Feministische Politik ist für mich wie eine
Brille, die man die ganze Zeit aufhaben sollte. Jegliche
Maßnahme, die getroffen wird, sollte auf
Gendergerechtigkeit überprüft werden. Genauso
sollte man mit Themen wie dem Klimaschutz vorgehen.
Ich kann mir verschiedene Ansätze vorstellen,
beispielsweise das Gender-Budgeting.
Oder auch eine Art Raster, durch die jede Maßnahme
fließen und konsequent gecheckt werden
muss. Die Frage dabei sollte sein: Bringt das eventuelle
Nachteile mit sich für Menschen, die nicht
männlich- gelesen sind?
mediakompakt: Was sagst du Menschen, die
behaupten, man müsse kein Feminist sein, um für
Gleichberechtigung zu sein?
Sarah: Man hat in den letzten Jahren gesehen, dass
man durchaus feministisch handeln muss, um
Gleichberechtigung voranzutreiben. Beispielsweise
wurden die LGTBQ-freien Zonen in Polen
gegründet, was schrecklich ist. Da hängt vieles
miteinander zusammen: Die Unterdrückung von
Menschen, die diskriminiert werden, weil andere
ihre Machtposition sonst bedroht sehen. Ich denke,
es zeugt eher von Angst, dass die Gesellschaft
vorankommt. Genau das zeigt, dass es Feminismus
und Queer-Feminismus braucht.
Bild: Sarah Heim
mediakompakt: Wo siehst du den Unterschied einer
Landessprecherin der Grünen Jugend im Vergleich
zu denen anderen Parteien?
Sarah: Was uns auf jeden Fall ausmacht, ist die
FLINT-Quote (Frauen, Lesben, inter-, nichtbinäreund
trans- Menschen). Das ist die Grundlage, mit
der ich mich damals überhaupt angesprochen gefühlt
habe als junge Frau. Ich hätte nicht für ein
Amt kandidiert, wenn nicht auch männliche Personen
mich empowert hätten und das lag daran,
dass noch Frauen gesucht wurden. Insgesamt bin
ich natürlich auch bei den Grünen und bei der
Grünen Jugend, weil ich mich mit deren Grundwerten
am besten identifiziere. Grundwerte wie
Queerfeminismus, Antifaschismus, Antirassismus
und dann natürlich auch der Klimaschutz als Leitfaden
unserer Arbeit.
mediakompakt: Gibt es für dich andere Herausforderungen
als für deinen Kollegen und Landessprecher
Deniz Gedik?
Sarah: Man muss sich als Frau zunächst beweisen,
das merkt man jetzt bei Annalena Baerbock sehr
stark. Da kommen Debatten wie: Kann sie es überhaupt?
Schafft sie das alles? Das ist eine andere Art
von Druck. Aber in der GJ sind wir super inklusiv,
da habe ich mich noch nie Beschweren müssen.
Ganz im Gegenteil. Wir pushen und unterstützen
Frauen viel mehr.
mediakompakt: In deiner Instagram- Biografie steht
das Zitat: „Nur wer noch Hoffnung hat, ist unruhig“.
Ist das dein Lebensmotto?
Sarah: Ja, voll! Es stammt von Hermann Hesse,
einer meiner Lieblingsautoren. Ich denke, dass
viele in unserer Generation eine Art Unruhe spüren.
Wir hatten wahrscheinlich noch nie so eine
krasse Herausforderung, wie etwa die globale
Erderwärmung. Da wird zu wenig getan, dementsprechend
spürt man diese Grundunruhe in sich
und will etwas verändern. Das bedeutet ja, es gibt
noch Hoffnung, dass sich irgendwas ändert. Jetzt
ist die beste Zeit, um sich für etwas einzusetzen.
Wenn man es immer nach hinten schiebt, wird
nie was draus.
Die Grüne Jugend
Die Grüne Jugend ist die unabhängige Jugendorganisation
der Partei Bündnis 90/Die
Grünen. Mehr Infos unter gruene-jugend.de.
Auf Landesebene ist die Grüne Jugend Baden-
Württemberg aktiv: www.gjbw.de