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In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin

Ivana Cucujkić über ihr daily life.

IVANAS WELT

Ivan Minić

FAHR‘ MA NICHT MEHR RUNTER

Meine Eltern haben die Villa im Dorf verkauft. Skandal!

„Wieviel Jahr‘ auch noch vergehn‘, irgendwann

bleib‘ i dann durt.“ Diese berühmten Songzeilen

kennen die meisten älteren Semester noch aus

dem Radio. Zum Text für diesen Austropop-Hit aus

den 80ern könnten die Gastarbeiter dieser Zeit inspiriert

haben. Dieselben Worte sind es nämlich,

die sie an ihre Kinder jahrelang, wie eine kaputte

Schallplatte, richteten. Vielleicht mit der Hoffnung

auf Unterstützung zu ihrem Vorhaben, oder gar Begeisterung

zur Nachahmung.

IRGENDWANN BLEIB I DANN DORT?

Es ist der alte Gastarbeitertraum, der Teil vieler Familien

mit Migrationsgeschichte ist. Nach jahrzehntelangem,

hartem Schuften und Sparen irgendwann,

wieviel Jahr‘ auch noch vergehn‘, dort zu

bleiben. Woher man gekommen ist. Wo auch schon

alles bereit steht für die Rückkehr ins Heimatdorf.

Das große Haus mit den vielen Schlafzimmern.

Ausgestattet mit Hochglanzküche aus dem Lutz.

Der deutsche Zweitwagen, der nur unten in Betrieb

geht. Die liebevolle Stuckdekoration an Haustor

und Wasserbrunnen. Die Idee ist gar nicht mal so

schlecht. Es sich für den Lebensabend so gemütlich

und luxuriös wie möglich zu machen, why not?

ICH ERBE KEINE GASTARBEITER-VILLA.

DANKE!

Machen die Deutschen auf Mallorca auch nicht anders.

Mit dem Unterschied, dass Klaus und Hilde

nicht daraufsetzen, dass ihre Enkel auch eines Tages

die Finka beerben werden, um ihre bitter verdiente

Betonoase in Schuss zu halten. Hier geht

das Konzept der alten Jugo-Gastarbeiter eben nicht

auf. Die Häuser bleiben leer. Die Jungen kommen

nicht nach. Vielleicht schauen sie für einige Tage

vorbei, um dann weiter nach Belgrad zum Partymachen

zu ziehen. Die meisten leben ja bereits „drüben“.

Kaufen Eigentumswohnungen und verzichten

auf die horrenden Instandhaltungskosten der elterlichen

Bauten. Meine Eltern haben mich hier um

mein Erbe gebracht. Ja, sie haben auch gebaut. Sie

haben aber wieder verkauft. Für die wenigen Tage,

in denen die greisen Eltern im Altersheim besucht

wurden, checkten sie im besten Hotel der Stadt ein.

Mit Frühstück. Dafür haben sie sich jahrelangem

Dorf-Gossip ausgesetzt. Das Haus war obendrein

bloß einstöckig. Das sorgte ohnehin für viel Aufregung.

Von mir gibt es für diese avantgardistische

Entscheidung tausend Vernunftspunkte. Die greisen

Eltern gibt es nicht mehr. Gründe zum Runterfahren

bald auch keine mehr.

VON DAHEIM FÜR IMMER FORT

Vielleicht bleiben sie ja alle irgendwann ganz in ihrer

neuen Heimat. Die alten Gastarbeiter. Wenn es

zu mühsam wird, mit dem Bus den österreichischen

Arzt zu besuchen. Und die Enkel, die man nur von

WhatsApp-Videos kennt. Wenn die Treppen bis

zum dritten Stockwerk immer tiefer in den alten,

abgearbeiteten Hüften zu spüren sind und der Umzug

ins benachbarte Altersheim die bittere, aber

einzig rationale Alternative wird. Irgendwann bleiben

sie dann durt. Lassen alles lieg‘n und steh‘n.

Geh‘n von Daheim für immer fort.

Rosen, Rakija & Kritik an: cucujkic@dasbiber.at, Instagram: @ivanaswelt

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