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Tante Waltraud kocht inzwischen ein neues Mittagessen,
sie wirft mir nur einen schnellen, finsteren
Blick zu. Ich habe so das Gefühl, als würde sie es
schon bereuen, mich eingeladen zu haben. Das
scheint ja gut zu laufen, mal sehen, wann sie endgültig
genug von mir hat. Bisher musste ich mich ja
nicht besonders anstrengen. Eine halbe Stunde
später sitzen wir dann zu dritt am Tisch und essen
schweigend.
Nach dem Essen nimmt mich die Tante mit, ich soll
ihr beim Weinabfüllen helfen. Dazu gehen wir in den
Keller, dort stehen fünf große Ballonflaschen aus
grünem Glas. Sie stellt einen Eimer vor einen der Ballons,
holt einen Schlauch und instruiert mich: „Du
musst sachte ansaugen, wenn es ganz oben ist, lässt
du es erst in den Eimer laufen und dann tust du den
Daumen drauf, so ... und dann in die Flasche.“
Sie zeigt mir, was ich tun muss. „Wenn dir was in den
Mund kommt, spucke es aus. Nicht runterschlucken!
Ich würde es ja lieber selbst machen, aber seit ich die
Prothese habe, geht das nicht mehr so gut.“
Ich setze den Schlauch an die Lippen und sauge. Ein
Schwall von süßem Erdbeerwein füllt meinen Mund.
Hm lecker, instinktiv schlucke ich ihn runter.
„Nicht schlucken, habe ich doch gesagt!“, werde ich
sofort ausgeschimpft.
Da ich den Daumen auch nicht draufgetan habe,
muss ich die Prozedur noch einmal wiederholen.
Diesmal sauge ich sachter und es funktioniert. Ein
kleiner Schluck ist aber doch wieder in meinem
Mund gelandet. Ich schlucke erst, als die Tante nicht
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