Jahresbericht 2020 der Stiftung Liebenau
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gegenwärtigen Fachkräftemangel, son<strong>der</strong>n vor allem an <strong>der</strong><br />
Art und Weise, wie die Verantwortlichen des RAZ als Gastmitglied<br />
<strong>der</strong> Handwerksinnungen informiert und immer<br />
wie<strong>der</strong> den persönlichen Kontakt in die Unternehmen<br />
gepflegt haben.<br />
Davon profitieren insbeson<strong>der</strong>e die Azubis, die in Ulm in<br />
sechs klassischen Handwerken ausgebildet werden, die bereits<br />
auf <strong>der</strong> „Roten Liste <strong>der</strong> bedrohten Ausbildungsberufe”<br />
stehen. Allen voran das Bäckerhandwerk, das in <strong>der</strong> hauseigenen<br />
Bäckerei gelehrt wird. Seit 2012 sind die Bäcker-<br />
Azubis des RAZ fester Bestandteil des „Ulmer Brot-Kultur-<br />
Festes”, das vom Museum <strong>der</strong> Brotkultur veranstaltet wird.<br />
Hier zeigen sie nicht nur ihr Können im Brezeldrehen und<br />
Teiganrühren, das Verkaufsteam bringt die frisch gebackenen<br />
Produkte auch gleich an die Frau und den Mann. Ähnliche<br />
Aktionen gibt es auch in an<strong>der</strong>en Gewerken: Als die<br />
Metzgerinnung Ulm sich im Jahr 2016 den Leberkäs-Weltrekord<br />
holte, waren Azubis aus dem RAZ mit von <strong>der</strong> Partie.<br />
Auf diese Weise in <strong>der</strong> Öffentlichkeit zu stehen, zahlt nicht<br />
nur auf das Image <strong>der</strong> Einrichtung ein. „Es stärkt unsere<br />
Jugendlichen ungemein in ihrem Selbstbewusstsein, zu<br />
sehen: Hey, wir können ja richtig was!”, sagt Hettrich. Dass sich<br />
<strong>der</strong> Einsatz lohnt, zeigt sich an <strong>der</strong> Prominenz <strong>der</strong> Kunden.<br />
So durften schon die Fantastischen Vier in den Genuss eines<br />
RAZ-Caterings kommen, als sie im benachbarten Kulturzentrum<br />
Roxy zu Gast waren. Unnötig zu erwähnen, dass<br />
das Roxy zu den langjährigen Kooperationsbetrieben zählt.<br />
Ein Thema, das im Kontext <strong>der</strong> Lebensmittelverarbeitung<br />
natürlich nicht fehlen darf, ist Nachhaltigkeit und schonen<strong>der</strong><br />
Umgang mit natürlichen Ressourcen. Lange bevor<br />
„Fridays for Future” in aller Munde war, ist das RAZ zum<br />
offiziellen Partner <strong>der</strong> Fairtrade-Stadt-Ulm geworden. Dafür<br />
werden im Bäckereiverkauf verschiedene fair gehandelte<br />
Produkte angeboten o<strong>der</strong> weiterverarbeitet. Das Ausbildungsteam<br />
wollte die Kriterien jedoch bewusst etwas<br />
weiter fassen, als es die Macher von „Ulm handelt fair” vorgeben.<br />
Seither wird das Mehl von einem Müller aus Ehingen<br />
bezogen, Obst und Gemüse liefert ein Bauer aus Söflingen<br />
und alle To-Go-Produkte werden in Mehrweggeschirr ange-<br />
boten. „Wir möchten aber nicht nur Plastikmüll vermeiden,<br />
son<strong>der</strong>n insbeson<strong>der</strong>e auch keine Lebensmittel wegwerfen,<br />
deshalb spenden wir übriggebliebene Backwaren gerne an<br />
die Ulmer Tafel”, ergänzt Hettrich.<br />
Hier setzte im Jahr <strong>2020</strong> ein Projekt an, das Bildungsbegleiter<br />
Olaf Schra<strong>der</strong> gemeinsam mit vier Auszubildenden gestalten<br />
durfte: „Future everyday for everyone” – ein inklusives<br />
Medien- und Wirtschaftsprojekt, so <strong>der</strong> vielversprechende<br />
Titel. „Uns ging es einerseits darum, bei den Jugendlichen<br />
ein generelles Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schaffen,<br />
ihnen aber auch etwas Orientierung in einer wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />
Welt zu geben”, sagt Schra<strong>der</strong>. So bestand <strong>der</strong> kommunikative<br />
Teil des Projekts vor allem darin, komplexe<br />
Zusammenhänge, zum Beispiel in Bezug auf den Klimawandel,<br />
so aufzubereiten, dass auch lernschwächere Mitschülerinnen<br />
und Mitschüler die Probleme und Lösungsansätze<br />
begreifen können. Die Ergebnisse <strong>der</strong> Projektgruppe wurden<br />
schließlich auf einer digitalen Lernplattform veröffentlicht,<br />
die noch den kommenden Schülergenerationen zur<br />
Verfügung stehen wird.<br />
In Ulm und Umgebung wird also jede Menge getan, um<br />
einen guten Eindruck und einen möglichst kleinen CO ²<br />
-<br />
Abdruck zu hinterlassen. Mit dem Projekt „Arbeit für den<br />
Frieden”, das im Jahr 2018 erstmals durchgeführt wurde,<br />
ging es dann sogar ins europäische Ausland. In Kooperation<br />
mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge kümmern<br />
sich die Jugendlichen um verwitterte Weltkriegsgräber<br />
in Frankreich. Und weil die Themen Krieg und Tod<br />
nicht für witzige Tik-Tok-Videos taugen, verarbeiteten sie<br />
ihre Erfahrungen und Emotionen später – ganz klassisch –<br />
in Gedichten und Zeichnungen. Projekte wie dieses sind<br />
nicht unbedingt an die klassischen Ausbildungsinhalte angelehnt,<br />
sie tragen jedoch maßgeblich dazu bei, die Teilnehmer<br />
in ihrer persönlichen Entwicklung zu för<strong>der</strong>n und sich,<br />
beson<strong>der</strong>s nach <strong>der</strong> Ausbildung, nicht mit einem Schattendasein<br />
zufrieden zu geben. „Unseren Erfolg messen wir<br />
daran, dass die Jugendlichen ihr eigenes Leben soweit<br />
wie möglich eigenverantwortlich gestalten können”, sagt<br />
Hettrich. „Das geht manchmal holprig und auf jeden Fall<br />
in vielen kleinen Schritten. Aber es geht!” (dk)<br />
Schwerpunkt<br />
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