syndicom magazin Nr. 24
Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.
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syndicom
Nr. 24 August–September 2021
magazin
Auf der
Baustelle der
gerechten
Renten
Treffpunkt: 13:30h, Schützenmatte
Mehr Infos: syndicom.ch/18september
Inhalt
4 Teamporträt
6 Die andere Seite
7 Gastautorin
8 Dossier: Renten
ausbauen
16 Arbeitswelt
22 Das Rahmenabkommen
in europäischer Sicht
25 Recht so!
26 Freizeit
27 1000 Worte
28 Bisch im Bild
30 Aus dem Leben von ...
31 Kreuzworträtsel
32 Inter-aktiv
Liebe Leserinnen und Leser
Gibt es Garantien, um die Kaufkraft der Renten
zu erhalten? Der Gesetzgeber hatte sich zum
Ziel gesetzt, dass mit den Renten aus der 1. und
2. Säule zusammen ein Einkommen von 60 %
des letzten Lohns erreicht wird. Für die meisten
Berufskategorien ist das illusorisch. Auf die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer wartet hier
eine grosse Ernüchterung. Zu häufig reicht ihre
Rente nicht aus. Bei Migrant*innen und Personen
mit tiefen Löhnen oder nicht-linearen Berufslaufbahnen
ist die Situation noch verschärft.
Eine erste Massnahme wäre, den Begriff des
«koordinierten Lohns» der zweiten Säule abzuschaffen
und wie bei der AHV ab dem ersten
Franken Beiträge zu zahlen. Wir haben diese
Forderung in die Stiftungsräte der Pen sionskassen,
in denen wir vertreten sind, getragen.
Das Ziel ist heute teilweise erreicht.
Doch wir müssen hartnäckig bleiben. syndicom
kandidiert erneut mit einer Liste kompetenter
Bewerberinnen und Bewerber: für die
nächsten Wahlen in den Stiftungsrat der Pensionskasse
Post. In diesem paritaẗisch besetzten
Organ haben unsere Meinung und eure
Bedürfnisse ein Gewicht. Wir wollen dieses besondere
Gewicht auch in der nächsten Legislatur
erhalten. Danke für eure Unterstützung!
In der beruflichen Vorsorge überwiegen vorerst
andere Interessen, die uns von unserem Ziel
entfernen. Und wenn es heisst, dass die Sicherheit
mit der dritten Säule erreicht wird, muss
man ehrlich sein: Diese Säule der individuellen
Vorsorge bleibt für viele unerreichbar.
4
8
30
Matteo Antonini, Leiter Sektor Logistik
4
Teamporträt
«Wer bei der Post nicht abstimmt,
nimmt eine tiefere Rente in Kauf»
Das ist die syndicom-Liste:
Reto Clavadetscher (neu), *1970,
Leiter der Briefzustellregion (Logistik-Services,
Biel-Bienne / 1988)
«Die Mitarbeit in Arbeitsgruppen bin
ich mir gewohnt und ich bringe mich
gerne aktiv ein.»
Matteo Antonini (bisher), *1980, Leiter
Sektor Logistik (syndicom, Fribourg)
«Ich möchte zur Wahrung einer attraktiven
Pensionskasse für die Mitarbeitenden
der Post beitragen.»
Daniela Wenger (bisher), *1971,
Immobilienspezialistin
(Post CH Netz AG, Olten / 1990)
«Gerade im aktuell schwierigen Umfeld
ist es wichtig, dass sich jemand
entschlossen für die Interessen der
Versicherten einsetzt.»
Thomas Neuhaus (neu), *1963, Sachbearbeiter
Führungsunterstützung
(Logistik-Services, Thun / 1986)
«Es ist wichtig, dass die Arbeitnehmenden
eine starke Vertretung im
Stiftungsrat haben.»
René Frey (neu), *1971, Kundenberater
(PostFinance, Horgen / 1987)
«Ich will faire und gute Lösungen für
alle PK-Post-Versicherten, sodass wir
alle unseren gewohnten Lebensstandard
halten können.»
«In der Pensionskasse
geht es um viel Geld.
Unser Geld.»
Wir, das ist in diesem Fall die
«syndicom-Liste». Wir sind die fünf
Kandidat*innen von syndicom für
die Wahlen des obersten Gremiums
der Pensionskasse Post (PK Post),
«Liste 1» steht auch darauf.
Wir wollen in den Stiftungsrat, das
Leitungsgremium der Vorsorgeeinrichtung
der Post. Dorthin, wo die
Vorsorgegelder aller Postangestellten
verwaltet werden. Das ist Guthaben,
das uns monatlich vom Lohn
abge zogen wird, viel Geld. Unser
Geld. Was dort entschieden wird,
hat direkten Einfluss auf die Höhe
unserer Renten. Und da wollen,
ja müssen wir mitreden und mitentscheiden.
Wir sind fünf Mitglieder von
syndicom. Vier von uns arbeiten seit
vielen Jahren für die Schweizerische
Post. Gemeinsam kommen wir auf
über 130 Jahre Betriebserfahrung.
Wir waren Zustellbeamte, Postcheckassistent*innen,
beim Bahnpostamt,
Poststellenleitende, Aussendienstmitarbeitende,
Sachbearbeitende
Logistik, Paketbotinnen, Briefboten
und vieles mehr. Wir kennen jeden
hintersten Ecken von diesem
« Laden». Aber noch wichtiger: wir
kennen die Sorgen und Nöte der
Postangestellten. Ebenso kennen wir
ihre Anliegen und Wünsche. Und für
diese wollen wir uns mit aller Kraft,
mit Taktik und Verhandlungsgeschick
einbringen.
Der Fünfte von uns, das ist unser
oberster Gewerkschafter. Er setzt
sich hauptamtlich und tagtäglich für
das Wohl von uns Postangestellten
ein – er ergänzt uns perfekt.
Wenn also Ende September 2021 die
Wahlunterlagen zu Hause eintreffen:
Wählt uns in den Stiftungsrat der
Pensionskasse Post (PK Post). Die
fünf Vertretenden der Arbeitgeberin
sind der Rendite des Konzerns verpflichtet.
Wir von der syndicom-
Liste aber sind den Interessen der
Postangestellten verpflichtet.
Diese Wahl bietet die Gelegenheit,
direkt über die Rente mitzubestimmen.
Wir freuen uns, wenn ihr unverändert
die syndicom-Liste wählt,
also uns.
Text: Matthias Loosli
Bild: Alexander Egger
Kurz und
bündig
Entwicklungen bei CH Media \ «Ich kenne meine Rechte»:
SGB-Jugend-Broschüre neu \ Gute Neuigkeiten bei Sunrise UPC \
Keine Privatisierung von PostFinance! \ Anna Jobin wird Präsidentin
der EMEK \ 99%-Initiative \ Corona-Ersatz verlängert
5
Dialog und Unterstützung bei
CH Media Print
Nachdem die CH Media Print AG den
GAV-Austritt per 31. 12. 2021 bekanntgegeben
hatte, hat eine von syndicom
durchgeführte interne Umfrage gezeigt,
dass die Belegschaft den Verbleib des
Unternehmens im GAV oder die Aushandlung
eines Unternehmens-GAV mit
syndicom möchte. Im Januar und Juni
fanden erste Treffen mit der Geschäftsleitung
statt, ein weiteres folgt Ende
August. Derweil haben auch Kunden dem
Druckzentrum Briefe geschrieben, um
die Angestellten zu unterstützen.
Meine Rechte in der Ausbildung
In der Ausbildung oder im ersten Job
trifft man schnell auf viele neue Regeln,
hat Fragen oder Unsicherheiten. Seine
Rechte zu kennen, ist nötig. Dafür hat
die Gewerkschaftsjugend die Broschüre
«Ich kenne meine Rechte» erneuert. Sie
hilft bei den wichtigen Fragen von Lernenden,
jungen Arbeitnehmenden, Jugendlichen,
die keine Arbeit haben oder
sich in einem Zwischenjahr befinden.
Ab sofort bestellbar: info@syndicom.ch.
Bald online: Rechte-der-lernenden.ch
Sunrise UPC – neuer GAV
Nach Abschluss der Restrukturierung
hat Sunrise UPC mit der Gewerkschaft
die Harmonisierung und die positive
Weiterentwicklung der Anstellungsbedingungen
erarbeitet. Ein neuer GAV mit
Fokus auf selbständiges Zeitmanagement
und selbstbestimmtes Arbeiten
wurde vereinbart. Ab Mitte August 2021
gibt es neue Arbeitsverträge für alle, sie
erlangen per 1. Januar 2022 Gültigkeit.
Die Basislohnsumme für 2021 und 2022
wird um insgesamt 1,8 % erhöht.
Keine private PostFinance!
Der Bundesrat hat vor kurzem die Botschaft
zur Teilrevision des Postorganisationsgesetzes
vorgestellt, mit der er
die Vollprivatisierung der PostFinance
vorschlägt. Der Bundesrat gefährdet
damit die Grundversorgung im postalischen
Markt und den günstigen Zugang
zu Finanzdienstleistungen für die breite
Bevölkerung. syndicom wird dieses
Ansinnen entschieden bekämpfen,
wenn nötig mit einem Referendum.
EMEK: neue Präsidentin
Am 1. Oktober 2021 nimmt Anna Jobin
ihre Arbeit als neue Präsidentin der
Eidgenössischen Medienkommission
(EMEK) – der unabhängigen ausserparlamentarischen
Kommission, die Empfehlungen
zu medienpolitischen Fragen
abgibt – auf. Die 38-jährige assoziierte
Forscherin am STS Lab der Uni Lausanne
und wissenschaftliche Mitarbeiterin
am Alexander-Humboldt-Institut für
Internet und Gesellschaft in Berlin befasst
sich mit der Digitalisierung und
der Ethik von KI. Damit bringt sie wichtige
Kompetenzen für die Herausforderungen
der Branche mit.
99 %-Initiative: Geld arbeitet
nicht – du schon!
Wohlstand wird durch Arbeit erschaffen.
Nicht von einigen Superreichen,
die ihr Geld für sich «arbeiten» lassen.
Die 99 %-Initiative fordert, Kapitaleinkommen
1,5-fach so hoch zu besteuern
wie Arbeitseinkommen. Aus den Einnahmen
sollen die Einkommenssteuern
für Personen mit kleineren Arbeitseinkommen
gesenkt werden, die Verbilligung
der Krankenkassenprämien und
der Service public verbessert werden.
Initiative unterstützen: 99prozent.ch!
Verlängerung
Corona-Erwerbsersatz
Agenda
September
18. 9.
Nationale Demo: Hände weg
von unseren Renten!
Wir kommen, um dort Widerstand zu
leisten, wo über unsere Renten entschieden
wird: in Bern. Natio nale Demo,
alle Infos: syndicom.ch/18september
18. 9.
Tag der Freien 2021
Thema 1: Immer miesere Arbeitsbedingungen
und Honorare: Auswege?
Thema 2: Ist PR unsere einzige Chance?
Infos, Anmeldung: syndicom.ch/x2PaH
Oktober
1.–9. 10.
PK Post: syndicom telefoniert
Vom 1. bis 9. Oktober wird schweizweit
eine Telefonkampagne durchgeführt.
Ziel: die syndicom-Liste für die Wahlen
in den Stiftungsrat der Pensionskasse
Post zu präsentieren und zu bewerben.
Willst du helfen? logistik@syndicom.ch
November
12.–13. 11.
Frauen-Kongress des SGB
Der 14. SGB-Frauen-Kongress lädt ein
auf den Gurten bei Bern. Die Teilnehmerinnen
diskutieren die Wechselwirkung
zwischen feministischem
Aktivismus und Gewerkschaftsarbeit.
Beschränkter Platz, bitte melden:
gleichstellung@syndicom.ch
Der Bundesrat hat beschlossen, die
Frist für die Geltungsdauer der Verordnung
für den Corona-Erwerbsersatz bis
zum 31. Dezember 2021 zu verlängern.
Die Anmeldefrist für den Leistungsbezug
ist neu der 31. März 2022. Ab dem
1. Juli 2021 können die Beträge künftiger
Corona-Erwerbsersatzentschädigungen
zudem aufgrund des Einkommens
gemäss der Steuerveranlagung
2019 berechnet werden.
26.–27. 11.
syndicom-Kongress 2021
Der ordentliche syndicom-Kongress
findet statt vom 26. bis 27. November
in Langenthal, Parkhotel & Westhalle.
Frist für die Einreichung von Anträgen:
3. September 2021.
syndicom.ch/kongress21
syndicom.ch/agenda
6 Die andere
Pierre-Alain Perren ist Leiter Betrieb Westschweiz bei Post-
Seite
Auto. Er war an der Ausarbeitung und an den Verhandlungen
des neuen GAV beteiligt, der am 1. Januar 22 in Kraft tritt,
und schätzt die Sozialpartnerschaft schon lange.
1
Wie sind Sie in die Verhandlungen
für den neuen GAV gegangen?
PostAuto möchte für ihre Mitarbeitenden
und für ihre Kundinnen und
Kunden attraktiv bleiben. Der neue
GAV ist ein wichtiges Element, um
dieses Ziel zu erreichen. Die Personen,
die sich in den Verhandlungen
engagiert haben, waren sich dessen
bewusst. Sie wussten von Anfang an,
dass uns nur der Dialog und die Öffnung
gegenüber den anderen zum
Ziel führen würde. Ich spürte von
allen Seiten einen echten Willen,
Lösungen zu finden.
2
Welche Eigenschaften braucht es am
Verhandlungstisch?
In so wichtigen Verhandlungen muss
jede Seite ihre Anliegen genau kennen,
ihre Prioritäten festlegen, klare
Forderungen formulieren und sie verständlich
darlegen. Aber man muss
sich auch bemühen, die Haltung der
anderen Partei zu verstehen, und bereit
sein, sie bei der Ausarbeitung von
Lösungen zu berücksichtigen. Ich bin
der Meinung, dass syndicom ihre Verantwortung
sehr gut wahrgenommen
und für ihre Mitglieder wichtige Fortschritte
erreicht hat.
3
Ermutigen Sie Ihre Mitarbeitenden
zu einem Gewerkschaftsbeitritt, und
wären Sie in einem anderen Kontext
selbst Mitglied geworden?
Ich bin Mitglied verschiedener Organisationen
und Gruppen, die sich für
das engagieren, was in meinen Augen
wichtig ist. Ich ermutige alle dazu,
sich bewusst für ihre Ideen und Überzeugungen
einzusetzen. In der Berufswelt
können gewerkschaftliche
Strukturen ein Mittel dafür sein. Es
gibt aber auch andere, beispielsweise
die Personalkommission.
4
In der Abschlussarbeit zu Ihrem Geschichtsstudium
befassten Sie sich
mit einem gewerkschaftlichen Thema.
Woher stammt dieses Interesse
für die Rolle der Sozialpartner?
Die Gewerkschaften sind Orte des
Austausches und des Dialogs. Sie
bringen Ideen hervor, die zu konkreten
Aktionen vor Ort führen. Das hat
einen Einfluss darauf, wie die Bevölkerung
denkt und urteilt. Die Gewerkschaften
spielen eine Rolle bei
der Entwicklung unserer Gesellschaft.
Ohne mich zur Fundiertheit
oder Richtigkeit dieser Ideen äussern
zu wollen, finde ich diesen Prozess
sehr interessant.
5
Sie bewegen sich in einem wettbewerbsintensiven
Markt. Ist es gegenüber
der Konkurrenz von Vorteil oder
von Nachteil, über eine starke Sozialpartnerschaft
– wie jene mit syndicom
– zu verfügen?
Unsere Tätigkeit wird von den Kantonen
und vom Bund breit subventioniert.
Diese erwarten, dass PostAuto
moderne und respektvolle, aber auch
finanziell akzeptable Arbeitsbedingungen
bietet. Mir scheint, dass es
ohne starke Sozialpartnerschaft nicht
möglich ist, dieses Ziel zu erreichen.
6
Welchen Herausforderungen muss
sich PostAuto in den nächsten Jahren
stellen?
PostAuto will ihre Marktposition bewahren.
In den nächsten Jahren werden
zahlreiche Linien ausgeschrieben
werden. Wenn wir sie behalten
wollen, müssen wir unsere Kosten
kontrollieren, flexibler werden und
ein Akteur in der Energiewende sein.
Wir können diese Herausforderungen
nur bewältigen, wenn alle Mitarbeitenden
jeden Tag ihren Beitrag
leisten.
Text: Robin Moret
Bild: Léonard Rossi
Gastautorin
In der Schweiz sind wir stolz auf
unser 3-Säulen-System. Wir stellen uns vor,
dass wir im Alter von drei gleichwertigen Einkünften
leben können. Von einer AHV-Rente, einer
Rente der Pensionskasse und vom Vermögen der
3. Säule. Im echten Leben sind diese «Säulen»
aber nicht gleich gross. Vielmehr werden die
Säulen zur Pyramide – oder zum Cappuccino.
Die Basis bildet die AHV. Ein starker Espresso,
der für Geschmack und Energie sorgt. Aber aufgepasst,
dass die AHV nicht zum Ristretto
schrumpft. Denn sie hinkt immer stärker der
Lohn- und Preisentwicklung hinterher. Auf den
Espresso der AHV kommt die Milch der beruflichen
Vorsorge. Dank der Pensionskassenrente
füllt sich die Tasse. Aber nicht für alle gleich.
Frauen haben nicht viel Milchschaum. Ihre
PK-Renten sind rund 60 % tiefer als die der Männer.
Tiefere Löhne, Teilzeitarbeit und Erwerbsunterbrüche
führen dazu, dass zu wenig für eine
gute Pensionskassen-Rente angespart werden
kann. Den Preis für die immer noch nicht vorhandene
Gleichstellung im Erwerbsleben bezahlen
die Frauen im Alter mit tieferen Renten. Hier sind
Reformen gefragt. Die Frauenrenten müssen im
Visier sein. Auch die Sozialpartner sind gefordert.
Die Bekämpfung der Lohnungleichheit, die
Aufwertung der «Frauen berufe» und eine bessere
Vereinbarkeit von Beruf und Familie helfen, die
PK-Renten der Frauen zu erhöhen. Auch in den
Stiftungsräten der Pensionskassen können die
Sozialpartner eine Rolle bei der Verbesserung der
Frauenrenten spielen. Wer mag, streut beim
Cappuccino noch etwas Kakaopulver darüber –
bei der privaten Vorsorge, der 3. Säule, geht es
aber nicht ums Mögen, sondern ums Vermögen.
Über ein Drittel der Erwerbstätigen kann sich
keine dritte Säule leisten. Für das Leben im Alter
der überwiegenden Mehrheit der Senior*innen
hat die 3. Säule wenig Bedeutung. Im Alter leben
die Leute primär von Renten. Die Renten sind zu
stärken. Damit der Cappuccino allen schmeckt.
Bitte einen Renten-
Cappuccino!
Doris Bianchi ist seit dem 1. November
2020 Direktorin der Pensionskasse des
Bundes, PUBLICA. Davor war sie persönliche
Mitarbeiterin von Bundesrat Alain
Berset und geschäftsführende Sekretärin
des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds.
Als promovierte Juristin verfügt
Doris Bianchi über ausgezeichnete
Kenntnisse im Bereich der 2. Säule.
Sie präsidierte den Stiftungsrat der
Auffangeinrichtung BVG und jenen des
Sicherheitsfonds. Doris Bianchi wohnt
in Bern und ist Mutter von zwei Kindern.
7
Dossier
10 Die AHV, unsere zentrale «Säule», verteidigen und stärken
12 Die 2. Säule im Zeitalter der Finanzspekulation
15 Unsere Arbeit verdient bessere Renten
AHV:
9
Fundament
verstärken,
Dach ausbauen
10 Dossier
Ohne 13. AHV-Rente geht in der Schweiz
nichts mehr
Die Banken und ihre Parteien demolieren
die AHV. Und die Pensionskassen zahlen
immer weniger aus. Nun droht verschärfte
Alters-Armut. Doch die Gewerkschaften holen
mit einer Volksinitiative und einer Rentenreform
zum Gegenschlag aus.
Text: Oliver Fahrni
Bild: Sandro Mahler
Der Zorn wächst. «Absurd, dass wir hier tatsächlich über
einen Rentenabbau [für die Frauen] reden!», rief SP-Co-
Präsidentin Mattea Meyer Anfang Juni in den Nationalrat.
SVP und FDP warnte sie: «Sie überschreiten alle roten
Linien.» Der Bundesrat täte gut daran, die Warnung zu
hören. Da braut sich ein explosiver Konflikt zusammen.
Frauen und die tief Entlöhnten sind in der Schweizer Altersvorsorge
ohnehin schon diskriminiert. Nun setzen die
Parteien der Banken und Reichen noch einen drauf: Sie
wollen das AHV-Alter für Frauen erhöhen und die Hälfte
der Gesellschaft mit der Reform «AHV21» noch schlechter
stellen. Dabei handeln sie ohne Not – die AHV steht finanziell
grundsolide. Kommt nicht in Frage, reagiert Patrizia
Mordini, in der syndicom-Geschäftsleitung für Gleichstellung
zuständig: «Ich bin sehr wütend. Heute schon bekommen
Frauen einen Drittel weniger Rente als Männer.
Das treibt sie in die Altersarmut, in die Abhängigkeit von
Männern und in die Sozialhilfe.» Vor zwei Jahren hatte
sich eine halbe Million Menschen beim Frauenstreik für
Gleichstellung, faire Löhne und faire Renten eingesetzt.
Mordini: «Der erneute Rentenabbau ist ein Affront. Er tritt
unser Recht mit Füssen.»
Wenn alle Geduldsfäden reissen
Zur Lohndiskriminierung kommt also noch mehr Rentenklau:
Jetzt reisst den Frauen der letzte Geduldsfaden. Sie
verstehen «AHV21» als Kampfansage. Das Referendum
gegen Rentenalter 65 ist gewiss. «Weitere 80 Jahre Rentenlücke
kommen nicht in Frage», beschieden Mordini,
Unia-Präsidentin Vania Alleva, SGB-Frau Gabriela Medici,
VPOD-Präsidentin Katharina Prelicz-Huber und weitere
Gewerkschafterinnen. Sie mobilisieren eine breite gesellschaftliche
Allianz («Hände weg von den Frauenrenten!»).
Patrizia Mordini: « Wir werden Wege finden, uns Respekt
zu verschaffen. Wir meinen es ernst!» Der Kampf um ein
sicheres und lebenswertes Alter nach der Lohnschufterei
könnte zur Zerreissprobe für die Schweiz werden – wie
1947. Die Rechte, die Konzernlobbys und die Banken verfolgen
die AHV mit Hass und übler Nachrede, seit die Gewerkschaften
das Sozialwerk in der Volksabstimmung
vom 6. Juli 1947 endlich durchgesetzt hatten. Offen die
Abschaffung der AHV zu verlangen, wagen die Bürgerlichen
seither nicht. Aber die Zerschlagung ist ihr Programm.
Die neueste Attacke ist eine gezielte Provokation,
um das Herzstück der Schweizer Sozialversicherungen kaputtzureden.
Sie folgt dem Plan, das Rentenalter auf mindestens
69 Jahre anzuheben – für alle. Oder auf noch später.
Dann wäre die AHV tatsächlich tot. Der Streit greift
also weit über die Frauenrenten hinaus. Was die Feinde
der AHV hassen, sind ausgerechnet ihre Qualitäten: Sie ist
sicher, billig, unbürokratisch, effizient. Fast jeder Beitrags
franken wird auch ein Rentenfranken.
In Zahlen: 2020 hat die AHV 47,1 Milliarden Franken
eingenommen und 46 Milliarden Franken für Renten und
Sachleistungen ausgegeben. Der Gewinn von fast 2 Milliarden
(die Kapitalerträge eingerechnet) floss in die Reserven,
in den AHV-Fonds für künftige Rentenzahlungen. Die
Verwaltungs- und Durchführungskosten lagen deutlich
unter einem halben Prozent. Das ist sehr viel weniger, als
die Verwaltung der Pensionskassen kostet. Vor allem aber
sorgt die AHV für sozialen Ausgleich – wie es sich für eine
Sozialversicherung eigentlich gehört. Denn alle bezahlen
ihre Lohnprozente ein, egal, wie viel sie verdienen. Doch
am Ende des Arbeitslebens gibt es maximal 2390 Franken
monatliche Rente. Lohnmillionäre bezahlen also für die
Renten der anderen mit. Ein faires System.
Billionen-Bonanza und sinkende Renten
Das Problem liegt anderswo: Die AHV-Renten sind zu tief.
Die Hälfte aller Personen, die 2018 in Rente gingen, muss
mit weniger als 1772 Franken auskommen. Zu wenig zum
Leben, allein schon wegen der rasenden Mieten und Krankenkassenprämien.
Einige können noch auf die 2. Säule
zählen, doch inzwischen muss jeder elfte Rentner und
jede neunte Rentnerin um Ergänzungsleistungen bitten.
Für diese Knausrigkeit hat die bürgerliche Mehrheit
von Anfang an gesorgt. Die AHV sollte nie zur Volksversicherung
werden. Denn die Manager von Banken und Versicherungen
hatten ein Billionen-Bonanza entdeckt: das
«Pensionsgold». Was die Menschen fürs Alter beiseitelegen,
ist ein gigantisches Geschäft. Kalkulationen zeigten,
dass sich in Pensionskassen enorme Haufen von Kapital
bilden würden, wenn man die Menschen zum Alterssparen
zwang. Also mussten die AHV (und damit die Rentnerinnen
und Rentner) ausgehungert werden. Substanziell
erhöht wurden die AHV-Renten zum letzten Mal vor einem
halben Jahrhundert, 1972, mit der 8. AHV-Revision.
Sie versprach nichts weniger als eine Renten-Verdoppelung.
Zufall? Nein. Der Bundesrat wollte die Volksinitiative
der Partei der Arbeit (PdA) für eine wirklich existenzsichernde
Volkspension aushebeln. Monatelange heftige
Debatten, die auch die Gewerkschaften und die SP spalteten,
hatten gezeigt, wie populär die Volkspension war.
Die zweite Säule floppt
Gleichzeitig mit der 8. AHV-Revision änderte der erschrockene
Bundesrat die Verfassung und legte das 3-Säulen-
System auf. Die Kombination von AHV und obligatorisch
erklärter beruflicher Vorsorge (2. Säule) sollte fürderhin
«die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener
Weise ermöglichen». So steht es in Artikel 113
der Bundesverfassung. Für die angemessene Weiterführung
des Lebenswandels wären wohl etwa 80 Prozent des
früheren Einkommens nötig. Real erreichen viele nicht
einmal 60 Prozent. Denn die 2. Säule ist ein Flop. Die Pensionen
aus der beruflichen Vorsorge sind seit Jahren im
Sinkflug, obschon die Lohnabzüge ständig steigen.
Durchschnittlich 8 Prozent haben die PK-Renten seit 2005
verloren. Dieser Trend nach unten beschleunigt sich gerade.
Ganz und gar das Nachsehen in der 2. Säule hat, wer
eine nicht-lineare Berufskarriere aufweist, in untypischen
Arbeitsverhältnissen (etwa über Plattformen) sein Leben
verdient, freiwillig oder unfreiwillig Teilzeit arbeitet. Problem:
Diese Arbeitsformen werden zusehends die neue
Norm. Sorgt die AHV für sozialen Ausgleich, verschärft die
2. Säule die Umverteilung von unten nach oben und
schliesst ganze Bevölkerungsgruppen aus. So erhält ein
Drittel der Frauen keine Rente aus der 2. Säule. Und haben
sie doch eine Pensionskasse, sind ihre Renten im Durchschnitt
halb so hoch wie jene der Männer. Wankende, unfaire
Pensionskassen und eine AHV, die nicht zum Leben
reicht – dagegen hilft nur eines: Die Verstärkung der AHV.
Ein erster Schritt: Die 13. AHV-Rente
Einen ersten Schritt haben die Gewerkschaften gerade getan:
Ihre Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter»
verlangt die Auszahlung einer 13. Rente. So wie man im
Beruf meist einen 13. Lohn kassiert. Eine zusätzliche Rente
stoppt den Rentenabbau, gleicht die höheren Lebenskosten
aus und korrigiert ein Stück weit die Rentenlücke
der Frauen. Vor allem ist sie verlässlicher als die Pensionskassenrente.
Mit der Initiative machen die Gewerkschaften
klar, worum es bei diesem Ringen um die AHV eigentlich
geht: Das Versprechen, nach Jahrzehnten Lohnarbeit
Keine Panik:
Die AHV ist
und bleibt
bezahlbar
ein sicheres Alter zu erleben, ist keine Mildtätigkeit, sondern
Teil des Gesellschaftsvertrages. Organisierte Solidarität
holt uns aus dem «Mistloch der Gnade» (Pestalozzi),
aus Willkür und Abhängigkeit. Sie macht uns freier. In
den Krämerdebatten um die Sozialversicherungen und
den Service public geht dieser Kern meist unter. Vierzig
Jahre neoliberale Dauerpropaganda haben die Grundlage
des sozialen Friedens unsichtbar gemacht: In kapitalistischen
Gesellschaften steht und fällt er mit Sozialversicherungen
und starken öffentlichen Diensten. Habe ich keine
Rente in Aussicht, werde ich in Seuche, Arbeitslosigkeit
und Not allein gelassen oder muss ich, um an einen Pass
zu kommen, erst einen Beamten schmieren, habe ich keinen
Grund mehr, wählen und stimmen zu gehen, mich im
Job anzustrengen oder Gesetze einzuhalten.
Panikmache gilt nicht!
Dennoch wird schon diese kleine, notwendige Verbesserung
einer 13. AHV-Rente von den rechten Parteien und
den Wirtschaftsverbänden heftig bekämpft werden. Wie
immer wieder seit 1947 werden sie ihre ewige Leier auspacken:
die Kosten. Das ist Panikmache. Die AHV wurde,
wie übrigens der ganze Staatshaushalt, schon hundertmal
mit fürchterlichen Untergangsszenarien schlechtgeredet,
auch vom Bundesrat. Die Wirklichkeit hat diese Szenarien
schon hundertmal Lügen gestraft. Ökonomisch wahr hingegen
ist: Sorgen Wirtschaft und Regierung für genügend
Jobs, ist jede Sozialversicherung ausreichend finanziert.
Darum ist der heimliche Plan der Rechten, das AHV-Alter
auf 69 Jahre zu stellen, Rosstäuscherei. Schon 50-Jährige
kommen heute nur noch schwer an einen Job.
Was die offiziellen Arbeitslosenstatistiken verschweigen:
In der Schweiz herrscht Unterbeschäftigung. Viele,
die arbeiten wollen, bleiben aussen vor. Der einzige Effekt
eines höheren Rentenalters wäre also: Die Wirtschaft
könnte ältere Jahrgänge in die Arbeitslosenkasse, dann in
die Sozialhilfe abschieben. Konkret würde eine 13. Rente
2,7 Milliarden Franken kosten. Das ist nur ein Bruchteil
12
Dossier
Ist die AHV stark,
bleibt den Jungen
mehr Geld zum Leben
dessen, was die Nationalbank an Negativzinsen von all jenen
kassiert, die ihr Geld bei ihr deponieren (müssen).
Würde man die verbesserte AHV aber über Lohnprozente
finanzieren, würde das zum Beispiel einen verheirateten,
50-jährigen Polymechaniker 56 Franken kosten, und dafür
bekäme er eine volle Monats rente mehr – hingegen
müsste er 580 Franken monatlich hinblättern, wollte er
eine 13. Rente über die 3. Säule reinholen. Wirtschaft ist
eben keine Milchbüchlein-Rechnung. Der angebliche Generationenkonflikt
bleibt Fiktion: Stärken wir die AHV,
müssen die Arbeitenden weniger fürs Alter sparen, haben
also mehr zum Leben. Mehr Kaufkraft wiederum stimuliert
die Wirtschaft.
Der neueste Trick der AHV-Zerstörer sind die Babyboomer.
Weil die bald in Pension gehen, braucht die AHV
vorübergehend tatsächlich mehr Geld. Der Bund malt mal
wieder schwarz: Das werde 2,4 zusätzliche Lohnprozente
kosten, haben Ueli Maurer & Co. vorgerechnet. Eine Kontrolle
des SGB zeigt: Es sind höchstens etwa 1,8 Prozent.
Aber auch die werden nicht nötig sein. Mit 0,5 Lohnprozenten
und 350 000 neuen Vollzeitstellen sind auch die
Babyboomer ausfinanziert.
Ganz abgesehen davon, dass man zentrale Sozialwerke
auch ganz anders nähren könnte, etwa mit einer gerechteren
Steuerordnung ohne Schlupf löcher für die Reichen
und die Konzerne, einer Robotersteuer oder einer hoch
einträglichen Mikro-Steuer auf Finanztransaktionen. Alle
diese Modelle brächten zig Milliarden. Am Geld liegt es
nicht. Auf den politischen Willen kommt es an. Interessant,
dass die Bürgerlichen nach Sparplänen schreien,
gleichzeitig aber die Stempelsteuer abschaffen wollen. Sie
spült derzeit 2,4 Milliarden in die Bundeskasse (s. S. 24).
Pensioniert mit 85
Wie brutal der Streit um die AHV wird, zeigt ein Vorstoss
der Jungfreisinnigen. Sie wollen das AHV-Alter an die Lebenserwartung
koppeln. Also an die hypothetische Rest-
Lebenszeit. Ein altes Argument der Rechten, um das
AHV-Alter der Frauen auf 74 Jahre zu schrauben, wie das
SVP-Blatt Weltwoche vorschlug. Nette Idee. Dann könnten
Verkäuferinnen mit 50 in Rente gehen, Bauarbeiter und
Lastwagenfahrerinnen mit 35, Forstarbeitende gleich
nach der Lehre – Banker und andere Weisskragen aber
erst mit 85 ...
Vorsorge: Übersicht über die laufenden Reformen und Initiativen
«AHV 21» – eine realitätsferne Reform
Frauen erhalten ein Drittel kleinere Renten als Männer.
Dennoch hat das Parlament vor kurzem eine AHV-Reform
beschlossen, die von den Frauen bezahlt werden soll.
Die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 mit dem
damit verbundenen Rentenabbau ist inakzeptabel. Auch die
vorgeschlagenen Massnahmen für die Übergangs generation
sind ein Affront. Wer ein Leben lang gearbeitet hat, verdient
eine gute Rente.
Wenn die AHV reformiert werden soll, müssen die realen
Rentenprobleme berücksichtigt werden. Die «AHV 21» mit
Renten verlusten von jährlich bis zu 1200 Franken für die
Frauen wird deshalb von syndicom und Mitstreiter*innen an
der Urne und auf der Strasse bekämpft werden.
13. AHV-Rente
Die AHV-Renten reichen nicht zum Leben und verlieren laufend
an Wert. Gleichzeitig sinken die Renten aus der 2. Säule
immer schneller. Im Mai 2021 hat deshalb eine breite Allianz
aus Gewerkschaften, Parteien, Verbänden und Rentner*innenund
Frauenorganisationen die Initiative für eine 13. AHV-Rente
eingereicht. Diese stärkt die 1. Säule und korrigiert das zu
tiefe Rentenniveau der Frauen. Die Volksabstimmung wird
voraus sichtlich 2022 stattfinden.
BVG 21 – der Kompromiss der Sozialpartner
Wie unser Artikel auf Seite 13 zeigt, steht die 2. Säule vor
grundlegenden Herausforderungen, und das gültige Gesetz
entspricht nicht mehr der Entwicklung in Gesellschaft und
Arbeits welt. Das führt zu grossen Versorgungslücken, vor
allem bei Personen mit tieferen Einkommen und bei Teilzeitbeschäftigten
– also insbesondere bei Frauen.
Nach intensiven Verhandlungen haben sich der Schweizerische
Arbeitgeberverband (SAV), Travail.Suisse und der
Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) auf eine Lösung
geeinigt: auf den Sozialpartnerkompromiss BVG 21.
Die Reformvorlage BVG 21 senkt den Umwandlungssatz,
erhält aber das heutige Leistungsniveau insgesamt. Dank beitrags-
und leistungsseitigen Massnahmen erhalten Versicherte
mit tiefen Löhnen und Teilzeitbeschäftigte, namentlich
Frauen, künftig sogar eine höhere Rente. Ermöglicht wird dies
durch eine Kombination von nur noch zwei Altersgutschriften,
einem tieferen Koordinationsabzug und einem solidarisch finanzierten
Rentenzuschlag. BVG 21 gewährleistet gleichzeitig
das bisherige Leistungsniveau der Übergangsgeneration.
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des
Nationalrats erarbeitet gegenwärtig eigene Empfehlungen zur
BVG-Reform. Diese wird vom Parlament schon bald– voraussichtlich
in der Herbstsession – beraten.
Mehr Informationen unter:
Frauenrenten.ch
Mehr Informationen unter: SGB.ch/aktuell/bvg-21 und
BSV.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/
bv/reformen-und-revisionen.html
Dossier
Das 1,2-Billionen-Problem
der Arbeitenden
13
Paradox: Die berufliche Vorsorge
gefährdet unsere Renten. Für den Umbau
der 2. Säule aber braucht es die ganze Macht
der Gewerkschaften und entschlossene
Stiftungsrät*innen.
Text: Oliver Fahrni
Bilder: Sandro Mahler
Es war der Tag, an dem alle Warnlichter aufleuchteten.
Am 13. März 2020 brachen die Börsen ein. Der Dow Jones
hatte schon 12,93 Prozent verloren, als die automatischen
Sicherheitssysteme den Handel stoppten. Am Abend verkündete
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stellvertretend
für die Weltenlenker, man werde das kapitalistische
System auch diesmal retten, «koste es, was es wolle».
Seither schwemmen die Zentralbanken die Welt mit
ungezählten Milliarden neuen Geldes. Die Wirtschaft –
und unsere Renten – hängen am Tropf der Öffentlichen
Hand.
Der 13. März weckte Erinnerungen an zerstörte Existenzen,
an Pensionskassenpleiten und teure Sanierungen.
In der Finanzkrise 2008 hatten allein die US-Rentnerinnen
und -Rentner 2000 Milliarden Dollar verloren. An
jedem zweiten Haus der Rentnerhölle Florida hing das
Schild «Zu verkaufen». Anfang 2009 meldeten die Schweizer
Pensionskassen ein riesiges Loch von 60 Milliarden
Franken. Mindestens.
Dass unser Alters-Spargeld in Börsenspekulationen
verdampft, ist einem grossen Schwindel geschuldet, den
die Gewerkschaften zu spät erkannt haben. Statt die AHV
zur echten Volkspension auszubauen, stimmten sie
zu Beginn der 1970er-Jahre dem Plan des Kapitals zu, die
Altersvorsorge auf 3 Säulen zu stellen: Eine gezielt mager
gehaltene AHV, eine – im Prinzip – paritätische berufliche
Vorsorge und privates Sparen. Im Zentrum stand nun die
2. Säule, die ab 1985 obligatorisch wurde.
Das Modell schien dem SGB reizvoll. Pensionskassen
gab es schon lange, mehr als 15 000, in Betrieben, Berufsverbänden
und öffentlichen Verwaltungen. Nun sollte das
gesetzlich organisierte Sparen sie stärken und neu organisieren.
Das Versprechen: Über die Aktien und Obligationen,
welche die Pensionskassen kaufen, würden die Renten
von den Wertsteigerungen der Wirtschaft profitieren.
Und die Gewerkschaften dachten, in den Stiftungsräten
würde ihnen mehr Macht erwachsen. Durch manche Köpfe
geisterte sogar die alte Idee der schwedischen Sozialdemokratie,
via Pensionskassen die Kontrolle über die
Unternehmen, also den Kapitalismus zu gewinnen.
Das war naiv. Das Kapital sah ganz andere Perspektiven.
Es hatte begonnen, die Finanzmärkte zu entfesseln,
als erster Schritt der neoliberalen Revolution. Die BVG-
Lohnprozente sollten Banken und Fonds neues Brennmaterial
für ihren Finanzkapitalismus liefern, eine sprudelnde
Quelle frischen Kapitals.
Tatsächlich haben sich in der 2. Säule inzwischen 1,2
Billionen Franken angehäuft, eine Billion ist eine Zahl mit
12 Nullen. Dieser gigantische Geldberg wird zum existenziellen
Problem für unsere soziale Sicherheit. Hier drei
wichtige Gründe.
• Systemfehler 1: Unsere künftigen Renten sind extrem
unsicher geworden, weil sie nun ganz der finanzkapitalistischen
Spekulation ausgeliefert sind. Diese Spekulation
hat sich vom Gang der realen Wirtschaft weitgehend abgekoppelt
und ist undurchsichtig geworden. Banken und
Fonds legen ständig neue Hochrisiko-«Finanzprodukte»
auf. Die jüngsten Milliarden-Verluste der Credit Suisse illustrieren
das. Derzeit leben die Pensionskassen noch von
einer Aktienhausse. Mitten in der grossen Krise wird diese
Hausse allerdings allein vom Rettungsgeld der Zentralbanken
getragen. Verringern die ihre Geldschwemme,
droht den Börsen, also den Pensionskassen, der Crash.
14
Dossier
Wir müssen langfristig
aus der 2. Säule raus
und mit dem Geldberg
die AHV stärken
• Systemfehler 2: Die Pensionskassen sind mit ihren 1200
Milliarden inzwischen selber mächtige Spekulationstreiber.
Weil die früher «mündelsicheren» Anlagen, wie etwa
die Anleihen der Eidgenossenschaft, derzeit weder Zinsen
noch Rendite abwerfen, investieren die PK in Hochrisiko-
Anlagen, Rohstoffe und Immobilien – und heizen damit
unter anderem die Mietpreise an.
Für die Stiftungsrät*innen ist in der 2. Säule ein systematischer
Zielkonflikt eingebaut: Einerseits müssen sie,
anders als die AHV, für ihre Rentenzahlungen hohe Renditen
erwirtschaften, anderseits gefährden sie damit die
Kaufkraft und manchmal sogar die Jobs der Beitragszahlenden.
Das geschieht etwa dann, wenn eine Firmenstiftung
Papiere eines Hedgefonds kauft, der später dieselbe
Firma plündert, wie Hedgefonds dies üblicherweise tun.
• Systemfehler 3: Die zweite Säule ist ineffizient und teuer.
An unseren BVG-Beiträgen mästen sich die Aktionäre von
Banken und Versicherungen und ein ganzes Heer von
Vermittlern, Beraterinnen, Treuhändern, Maklerinnen.
Dafür haben sie 1001 Trick. Der Pensionskassen-Monitor
2021 von Swisscanto, der Vorsorgeeinrichtung der Kantonalbanken,
rechnet vor, dass diese Finanzintermediäre
im Durchschnitt rund 350 Franken pro Versicherten und
Jahr abgreifen. Oft auch deutlich mehr. Denn das betrifft
allein die Gebühren. Besser fahren nur die Versicherten
der öffentlichen Pensionskassen. Das Problem ist bekannt,
doch SVP und FDP schützen diese Raub-Praktiken:
Kürzlich schmetterten sie im Ständerat einmal mehr die
Regulierung der Maklergebühren ab.
Im Abstimmungskampf 1972 hatte die SP noch versprochen,
die 2. Säule werde mit geringeren Beiträgen der
Arbeitenden höhere Renten als die AHV abwerfen. Genau
das Gegenteil kam. Die Arbeitenden bezahlen, je nach Alter,
bis vier Mal mehr als für die AHV – doch die PK-Renten
sinken und sinken seit mehr als einem Jahrzehnt. Derzeit
sogar beschleunigt. Die Lage wird kritisch.
Aus taktischen Gründen formuliert noch fast niemand,
was eigentlich allen informierten Gewerkschafter*-
in nen klar ist: Wir müssen aus der 2. Säule raus und dafür
sorgen, dass der angesparte Geldberg die AHV stärkt. In
einem politischen System wie der Schweiz ist das ein Jahrzehnte-Vorhaben.
Es wird ein zähes Ringen um viele
Kompromisse unterwegs (jedenfalls, solange keine Volksinitiative
für gänzlich neue Verhältnisse sorgt). Immerhin
verlangte die Delegiertenversammlung des SGB am
28. Mai einen «grundlegenden Kurswechsel».
Die Reform «BVG21» ist ein erster Kompromiss. Ausgehandelt
haben ihn die Sozialpartner, jetzt muss «BVG21»
durchs Parlament. Kernpunkte: Der Umwandlungssatz
wird gesenkt. Im Gegenzug gibt es etliche Verbesserungen
u.a. für Teilzeitbeschäftigte und die bisher diskriminierten
Frauen. Vor allem bekommen alle Neurentner
einen fixen Zuschlag, losgelöst von der Rendite der PK.
Ein Kenner der Sache sagt: «Hier wird also gewissermassen
ein kleines Stück AHV in die 2. Säule eingeführt.»
Inzwischen liegen auch diverse andere Ideen auf dem
Tisch. Etwa die Finanzierung eines Fonds für den sozialen
und ökologischen Umbau der Schweiz durch Pensionskassengelder.
Oder die Überführung eines Teils der 1200
Milliarden in einen Staatsfonds ...
Vorderhand spielt die Musik in den Stiftungsräten.
Das ist ein schwieriger Job für die gewählten Vertreter*innen
der Arbeitenden. Darum sollten sie in den GAV, notfalls
auch im Gesetz, vor Kündigung geschützt werden.
Die Gewerkschaften sind in der Pflicht, diese Frauen und
Männer intensiv zu schulen und zu begleiten. Denn sie
müssen den Nerv haben, völlige Transparenz über alle Investitionen
und Kosten einzufordern, notfalls gegen Banken,
Versicherungen, Giganten-Fonds wie BlackRock und
windschlüpfrige Anlageberater. Sie müssen diese Anlagen
kritisch beurteilen, in Bezug auf ihre Sicherheit, aber
auch auf ihre sozialen Folgen hin. Sie müssen ihr Mitbestimmungsrecht
durchsetzen, gerade bei den grasssierenden
Fusionen und Pensionskassenwechseln. Und sie
täten gut daran, fossile Anlagen aus den Portfolios zu kippen
– wenn etwas das Rentenkapital noch sicherer vernichtet
als die Spekulation, sind das Klimakatastrophen.
Die 2. Säule ist keine Sonntagsschule.
Fotostrecke
Wie lässt sich der Angriff auf unsere Renten veranschaulichen?
Wie zeigst du das Missverhältnis zwischen den drei
Säulen des Schweizer Rentensystems? Der in Lugano lebende
Fotograf Sandro Mahler hat die Herausforderung angenommen.
Inspiriert von der Arbeit des Künstlers Mark Hogancamp
(vgl. den Kinofilm «Willkommen in Marwen»), stellt er
den Griff des bürgerlichen Parlaments nach den AHV-Renten
mit winzigen Plastikarbeitern dar. In ähnlicher Weise zeigt er
die Spekulation auf die 2. Säule als belebtes Roulette und
bevölkert auch das Monopoly mit Figuren.
Nach seinem Abschluss am Istituto Europeo di Design in Mailand
besuchte Sandro Mahler das Brooks Institute of Photography,
bevor er 1994 sein eigenes Fotostudio in Lugano
eröffnete. Seit 2001 unterrichtet er auch Fotografie am CSIA
(Centro Scolastico Industrie Artistiche) in Lugano.
Als Mitglied von syndicom arbeitet Sandro Mahler mit der
Wochenzeitung Cooperazione zusammen und produziert Reportagen
für Unternehmen und Institutionen. Fotomiller.ch
Unsere Arbeit verdient
bessere Renten
Wer ein Leben lang gearbeitet hat, verdient eine gute Rente. Doch die AHV-
Renten sind zu tief und die Renten aus den Pensionskassen brechen ein. Gleichzeitig
steigen Mieten und Krankenkassenprämien. Da bleibt immer weniger
zum Leben übrig. Besonders gross ist der Rentenrückstand bei den Frauen.
Der Wert der Rente: Es bleibt immer weniger
zum Leben
Entwicklung der AHV im Vergleich zum Anstieg der Gesundheitskosten
und Löhne.
Krankenkassenprämien
Gehaltsentwicklung
140 %
120 %
100 %
80 %
60 %
40 %
20 %
0 %
1996
2000
Quelle: OFS, BAG, OFAS & Migros Bank
2004
Rentengleichheit? Eine Utopie
Kosten für Alters- und Pflegeheim
AHV-Renten
2008
2012
Höhe neuer Renten aus der AHV und der BV nach Geschlecht,
in Franken pro Monat, 2019
Männer (aller Alter)
2016
2019
Das (Defizit-)Budget eines Rentners
Mittlere AHV- und BVG-Rente 2018:
3449
Steuern: 266
Miete und Nebenkosten (pro Person): 1035
Krankenkassenprämie: 408
Gebühren: 25
davon verfügbares Einkommen:
1715
Essen/ Trinken: 422
Kleider/Schuhe: 59
Gesundheitsausgaben: 216
Versicherungen: 268
Wohnungseinrichtung u.a: 96
übrige Haushaltsausgaben: 85
Telefon/Internet/Post: 89
Computer/Radio- Fernsehgeräte u.a: 45
Zeitungen/Bücher/Abos: 42
Verkehrsmittel: 172
Körperpflege u.a: 65
AHV Median
BV Median
Frauen (aller Alter)
AHV Median
BV Median
0 500 1000 1500 2000 2500
davon übrig bleibendes verfügbares
Einkommen: 156
Restaurants/Hotel: 133
Erholung/Kultur: 212
Geschenke/Spenden: 40
Defizit: –229
Quelle: BFS–Neurentenstatistik Quelle: BFS Neurentenstatistik, HABE 2015–2017
Wie funktioniert die 2. Säule?
Die Rente aus der beruflichen Vorsorge hängt von vielen komplexen Parametern ab. Alle sind gesetzlich geregelt (BVG).
Bildung des Sparguthabens während der Erwerbstätigkeit
Verzehr des Guthabens während der Rentenzeit
Ab 25 Jahren
Ab 64 Jahren (F), 65 Jahren (M)
Sparbeitrag
Obligatorisch versichert ist der
Jahreslohn zwischen CHF
21 510 und CHF 86 040. Der
Mindestsparbeitrag, der von
Arbeitgebern und Arbeitnehmenden
hälftig entrichtet wird, steigt
mit dem Alter. Die Pensionskassen
können einen höheren
Sparbeitrag festlegen oder auch
den überobligatorischen Anteil
versichern.
BVG-Mindestzinssatz
Der Zinssatz wird vom
Bundes rat festgelegt und gibt
den Vorsorgeeinrichtungen die
minimale, jährliche Verzinsung
vor. Diese Zinsen müssen den
Versicherten für ihr Vorsorgekapital
gutgeschrieben werden. Der
minimale Zinssatz ist derzeit auf
1 % festgesetzt.
Umwandlungssatz
Prozentsatz, der zum Zeitpunkt
der Pensionierung für die
Umwandlung des obligatorischen
Anteils des Altersguthabens
in eine jährliche Altersrente
verwendet wird. Beträgt heute
6,8 %.
Technischer Zinssatz
Projektionszinssatz, zu welchem
das Altersguthaben verzinst
werden wird. Die Pensionskassen,
in denen die Arbeitnehmenden
auch eine Vertretung haben
(siehe Seiten 4 & 16), verwalten
ihre Mittel vor und während der
Rente.
Quelle: CIEPP & OFAS
16
Eine bessere
Arbeitswelt
Wer entscheidet über deine Vorsorgegelder?
Um nichts weniger als das geht es im Oktober,
wenn die Post-Angestellten die Vertreter*innen
für den Stiftungsrat ihrer Pensionskasse wählen.
Einmal mehr zeigte sich im Frühjahr,
wo die Musik spielt, wenn es um die
Rentenhöhe der Post-Angestellten
geht: Sie spielt im Stiftungsrat der
Pensionskasse Post. Wegen struktureller
Probleme wie tiefer Zinsen und
schwankenden Kapitalmärkten verabschiedete
der Stiftungsrat ein Bündel
an Massnahmen, das sich direkt auf
die Rentenhöhe auswirkt. So wird der
technische Zinssatz per 2022 gesenkt.
Der Umwandlungssatz für Frauen
wird an das ordentliche AHV-Pensionsalter
angeglichen. Die beschlossenen
Massnahmen haben allesamt direkte
Kostenfolgen. Das heisst: sie müssen
finanziert werden. Dank der starken
Vertretung von syndicom im Stiftungsrat
geschieht die Finanzierung nicht
einseitig zulasten der Post-Angestellten
(indem die Sparbeiträge erhöht
würden). Sondern die Arbeitgeberin,
die Schweizerische Post AG, zahlt 200
Millionen Franken zur Gegenfinanzierung.
Das ist Musik in den Ohren der
Post-Angestellten.
Solche Entscheide werden in Stiftungsräten
von Pensionskassen gefällt.
Der Stiftungsrat der PK Post ist
paritätisch besetzt. Die Arbeitnehmerschaft
kann fünf Sitze unter sich aufteilen,
das geschieht alle vier Jahre per
Wahl. Genau diese Wahlen stehen im
Oktober an. Jede*r Angestellte der
Post, ihrer Töchter und der PU (sofern
versichert) kann wählen, auch wer keinen
Schweizer Pass hat!
syndicom wird mit vollem Einsatz
für unsere Kandidat*innen trommeln
(Porträt auf Seite 4). Wir werden jedes
Mitglied persönlich per Telefon davon
überzeugen, die syndicom-Liste zu
wählen. Willst du mithelfen? Damit
der Dirigent im Stiftungsrat der PK
Post weiterhin Musik einspielt, die
deinen Ohren wohltut? Vom 1. bis
9. Oktober 2021 finden Telefonanlässe
in jeder Region statt. Melde dich bei
uns: logistik@syndicom.ch.
Matthias Loosli
Wie wähle ich die
Kandidat*innen von syndicom?
Schritt 1:
Liste Nr. 1 «syndicom» in das Wahlkuvert
legen, Kuvert verschliessen!
Schritt 2:
Stimmrechtsausweis unterzeichnen!
Schritt 3:
Wahlkuvert und Stimmrechtsausweis
ins offizielle (!) Zustell-/Antwortkuvert
legen, Antwortkuvert muss spätestens
am 29. Oktober 2021 bei der
Pensionskasse Post eintreffen. Voilà.
Im Oktober gibt es ein entscheidendes Match um die Renten der Beschäftigten der Post. (© Keystone-SDA)
Alles zum Thema Pensionskasse Post:
syndicom.ch/PKpost
«Unsere Umfrage bringt ans Licht: 76 % der Leute bekommen
die zusätzlichen Stunden nicht bezahlt.» Urs Zbinden
17
Wenn unbezahlte Überstunden
zum Alltag gehören
In der Logistik gehören Überstunden zur Normalität.
Dies zeigt eine Umfrage von syndicom bei den Zusteller*innen
der privaten Postdienstleister.
Reise der Pakete: Die letzte Meile liegt in den Händen der am meisten Ausgebeuteten. (© Keystone-SDA)
Die Arbeitstage in der Logistik sind
lang. Insbesondere die Zusteller*innen
von Subunternehmen in der
Branche KEP (Kurier, Express, Paket)
& Mail beginnen frühmorgens und
kehren am späten Abend zum Depot
zurück. Arbeitstage mit 10 Stunden
sind eher die Regel als die Ausnahme.
Auch wenn die Normalarbeitswoche
der Postdienstleister gemäss der Regulierungsbehörde
lange 44 Stunden
beträgt, resultieren Überstunden. In
einer globalen Wirtschaft, die stark
von den Lieferketten und damit von
der Logistik abhängt, lässt sich das
Phänomen unbezahlter Mehrarbeit in
der «letzten Meile» (Lieferung vom
Lager zum Kunden) überall finden.
Der Konkurrenzdruck ist enorm und
Kosten können in der letzten Meile
nur auf dem Buckel der Arbeiter*innen
gespart werden. Der Hauptteil der
Kosten entsteht durch den Lohn, und
technische Innovationen sind im
dichten Verkehr noch nicht vorstellbar.
Deshalb werden Aufträge zu einem
fixen Preis an Subunternehmen
ausgelagert, die dann auf unbezahlte
Mehrarbeit zurückgreifen müssen,
damit die Kosten der Arbeitskraft
nicht den Preis übersteigen.
Bei unseren Besuchen in den
Depots privater Postdienstleister wie
DPD oder DHL tauchte in den Gesprächen
mit den Zusteller*innen das Thema
Überstunden häufig auf. syndicom
wollte es genau wissen und führte im
Frühjahr eine Umfrage durch.
Wir fragten die Zusteller*innen, ob
sie regelmässig Überstunden machen
und wenn ja, wie viele pro Tag. Ausserdem
fragten wir nach der Bezahlung
der Überstunden. Die Resultate der
Umfrage bestätigten unseren Eindruck.
Unbezahlte Mehrarbeit ist ein
grosses Thema in der Branche: Zwei
Drittel der Befragten machen regelmässig
Überstunden. 60 % leisten ein
bis zwei Stunden pro Tag, die restlichen
sogar noch mehr. Bei der grossen
Mehrheit, nämlich bei 76 %, sind diese
zusätzlichen Stunden nicht bezahlt.
Gemäss Gesetz besteht aber ein
Anrecht auf Bezahlung. Sogar auf einen
Zuschlag von 25 %. Wer seine
Überstunden einfordern will, dokumentiert
sie am besten mit unserer
App. syndicom hat bereits erfolgreich
Überstunden eingefordert und wir unterstützen
unsere Mitglieder dabei,
ihre Überstunden geltend zu machen.
Urs Zbinden
Unsere Zeiterfassungs-App:
syndicom.ch/branchen/logistik/kepmail
Sozialpartnerschaft
vor Gericht
David Roth, Zentralsekretär Sektor Logistik
Und da waren wir. An einem sonnigen
Samstag im Mai, im grossen Auditorium
an der Wankdorfstrasse, dem
Hauptsitz der Post. Die Vertreter*innen
der Post mit ihren Anwälten, die
Delegationen von syndicom und
Transfair mit unserem Anwalt und die
fünfköpfige Schlichtungsbehörde –
das Gericht der Sozialpartnerschaft.
Sozialpartnerschaft bedeutet, dass
man die Argumente des Gegenübers
ernst nimmt, versucht, die Anliegen
zu verstehen und sie in Einklang bringen
kann mit den eigenen. Gelingt
häufig, aber nicht immer.
Aber was, wenn eine Vereinbarung
komplett unterschiedlich ausgelegt
wird? Was, wenn sich die Sozialpartner
über die korrekte Lohnerhöhung
nicht einigen können? In letzter Instanz
kann sich sowohl syndicom wie
auch die Post an eine externe Schlichtung
wenden.
Bei der Post war das jüngst gleich
zweimal der Fall. Zum einen bei der
Anwen dung des Sozialplans bei Post-
Netz, zum andern bei den Lohnverhandlungen
für die Post, PostFinance,
PostAuto und IMS. Die Resultate sind
bekannt. 0,5 % mehr Lohn und Anhebung
der Mindestlöhne – wir hätten
uns mehr erhofft, die Post weniger.
Deutlich erfreulicher bei PostNetz: Es
wird weiter flankierende Massnahmen
geben bei Stellenabbau. Zusätzlich
zum bereits bestehen den Sozialplan
und für mindestens weitere zwei
Jahre das Frühpensionierungsangebot.
Zwei Kämpfe, die sich über ein
halbes Jahr hinzogen, waren beendet.
18 Arbeitswelt
«Die Medienbetriebe sind gut beraten, sich der öffentlichen
Förderung würdig zu erweisen.» Stephanie Vonarburg
Tamedia: 70 Mio. sparen und
keine soziale Verantwortung
Letzten August verkündete die TX Group Einsparungen von
70 Millionen. Den Redaktionen und Sozialpartnern sicherte das
Verlagshaus den Dialog für einen Rahmensozialplan zu. Nun
zeigt sich: Das war Marketing und nicht Wille, die Verantwortung
als grösste Mediengruppe der Schweiz wahrzunehmen.
Im vergangenen August kündigte die
TX Group Einsparungen von 70 Millionen
und die Absicht an, in der Deutschund
in der Westschweiz Diskussionen
mit den Sozialpartnern und den Redaktionen
zur Verhandlung eines
Rahmensozialplans aufzunehmen.
Seitdem hat das Zürcher Medienhaus
die Personalvertretungen in einen
langwierigen Verhandlungsprozess –
mit rund zwanzig Sitzungen – verwickelt.
Da musste noch das kleinste
Zugeständ nis der Geschäftsleitung
Greed is not good.
Der Kampf gegen die
Gier der TX Group
(Maske: Pietro Supino)
geht weiter. (© Keystone-SDA)
hart errungen werden. In der Konsultation,
die den Kündigungen voranging,
machte die PV mit Unterstützung
unter anderem von syndicom
mehrere ernsthafte Sparvorschläge,
um die Anzahl Entlassungen zu verringern.
Aber wie vor drei Jahren bei der
Einstellung des Le Matin wischte Tamedia
alles vom Tisch – mit Ausnahme
von freiwilligen Abgängen und
Pensenreduktionen.
In der Romandie, wo fünf Vollzeitstellen
abgebaut wurden, konnten
sich die PV und die Geschäftsleitung
schliesslich auf einen drei Jahre geltenden
Rahmensozialplan einigen.
Und der Verlag versprach einen Kündigungsstopp.
Dass dieser von den Redaktionen
angenommene Sozialplan zustande
kam, war vor allem der Beharrlichkeit
der Personalvertretung zu verdanken.
Und weniger einem echten Willen
zum sozialen Dialog eines Unternehmens,
das an einer Sparpolitik festhält,
die aus Fusionen, der Einstellung
von Titeln und Entlassungen besteht.
Auch in der Deutschschweiz unterbreitete
die von syndicom unterstützte
Personalkommission von Bund und
Berner Zeitung zahlreiche ernstzunehmende
Alternativen zu den Kündigungen.
Tamedia hat nur die freiwilligen
Pensenreduktionen berücksichtigt.
Nachdem die Redaktionen die Vorschläge
der Geschäftsleitung zum Sozialplan
mit überragender Mehrheit
abgelehnt hatten, läuft nun ein Verfahren
vor der eidgenössischen Einigungsstelle.
Diese Situation ist vor
allem deshalb stossend, weil die
Massen entlassung von rund einem
Dutzend Mitarbeitenden der beiden
per 1. Oktober fusionierenden Berner
Redaktionen bereits begonnen hat.
Im Kampf gegen das Referendum zum
Massnahmenpaket zugunsten der
Medien wären die grossen Medienhäuser
gut beraten, die Sozialpartnerschaft
zu erneuern.
Melina Schröter
Der Kampf der Berner Redaktionen:
Keinehalbensachen.ch
Ja zum Ausbau der
Medienförderung, und
zwar auch kantonal
Stephanie Vonarburg, Leiterin Presse und elektronische
Medien und Mitglied der Geschäftsleitung
Die letzten Differenzen über die Medienförderung
sind bereinigt. Als Gewerkschaft
der Medienschaffenden
ist uns wichtig, dass nebst den Printauch
endlich die Onlinemedien sowie
die gemeinschaftlichen Bereiche (der
Presserat, die Ausbildung, die Nachrichtenagentur)
finanzielle Unterstützung
bekommen.
Medien kommt in der demokratischen
Informationsgesellschaft eine
wichtige Rolle zu: über relevante Vorgänge
berichten, Fakten einordnen,
kritisch nachfragen, hinter den Kulissen
von Staat und Wirtschaft recherchieren.
Unabhängige Medien sind
bei vermehrten Fake News essenziell.
Viele Medien haben wirtschaftlich
Mühe, weil die Erlöse aus Werbung
und Abos abnehmen. Das hat negative
Folgen für die Vielfalt der Berichterstattung,
der Themen und Meinungen,
aber auch für die Arbeitsplätze
und Arbeitsbedingungen.
Wir setzen uns für den Ausbau der
Medienförderung ein und sagen Nein
zum Referendum, das von rechter Seite
lanciert wurde. Die Medienbetriebe
sind gut beraten, sich der öffentlichen
Förderung würdig zu erweisen. Sie
müssen in den unabhängigen Journalismus
und in anstän dige Arbeitsbedingungen
investieren, statt Stellen
abzubauen.
Auch die Kantone sollen Journalismus
fördern. Die Gemeinden und
Kantone leiden am meisten unter dem
Rückzug und dem Abbau in vielen Regionalredaktionen.
So ist Bern daran,
die gesetzliche Grundlage für eine
neue Medienförderung zu schaffen.
Das begrüssen wir und fordern direkte
Massnahmen. Es ist Zeit für kantonale
Journalismusförderung!
«Bei KEP & Mail kann nur ein starker Gesamtarbeitsvertrag
vor Lohndumping schützen.» Lena Allenspach
19
Kontrolle der Subunternehmen
ist Pflicht und keine Kür
Sie bringen unsere Pakete. Sie kümmern sich um unser Mobilnetz.
Sie fahren uns zum Treffen. Subunternehmen. Aufträge
von Dritten ausführen lassen gehört für grosse Unternehmen
schon längst zum Courant normal. Konsequenzen? Weniger
Kontrolle, mögliche Verletzung des GAV, oder anders gesagt:
Was du über die Sorgfaltspflicht wissen musst.
Als Gewerkschaft ist syndicom darauf
spezialisiert, Gesamtarbeitsverträge
zu verhandeln und damit Minimalstandards
in der Arbeitswelt abzusichern
sowie Arbeitsbedingungen
weiterzuentwickeln. Diese Bestimmungen
greifen aber nur wirklich,
wenn die Sozialpartner auch die Sorgfaltspflicht
einhalten. Sprich, wenn
die Bedingungen nicht nur für das
Erst unter neh men, sondern für die gesamte
Lieferkette gelten. Um die Arbeitsbedingungen
in einer gesamten
Branche zu sichern, gleich lange
Spiesse für die Unternehmen zu schaffen
– aber auch, um Verstösse gegen
die gesetzlichen Grundlagen festzustellen,
braucht es allgemeinverbindliche
Gesamtarbeitsverträge.
So funktioniert die Sorgfaltspflicht
des Erstunternehmens
Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft,
Seco, besteht die Sorgfaltspflicht
des Erstunternehmens im Bau
und im Gewerbe grundsätzlich aus
drei Elementen, die in der Entsendeverordnung
geregelt sind: Der Darlegung
der Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen,
wonach sich das
Erstunternehmen vom Subunternehmen
glaubhaft darlegen lassen muss,
dass sich dieses an die minimalen
Lohn- und Arbeitsbedingungen hält.
Das zweite Element sind die vertraglichen
Vorkehrungen. Das Erstunternehmen
muss sich in einem
Werkvertrag vom Subunternehmen
zusichern lassen, dass dieses eine
Weitergabe an zweite oder dritte Unternehmen
genehmigen lassen muss.
Drittens bedarf es organisatorischer
Massnahmen, etwa der Überprüfung
vor Ort durch das Erstunternehmen,
um sicherzustellen, dass die Bedingungen
eingehalten werden.
Lage in syndicom-Branchen
Gerade in der Netzinfrastrukturbranche
werden viele Aufgaben durch
Subunter nehmen wahrgenommen.
Obschon die Erstunternehmen verpflichtet
sind, sich vertraglich der Einhaltung
der Schweizer Gesetze zu versichern,
ist dies de facto nur schwer
kontrollierbar. Mögliche Folgen davon
sind Schwarzarbeit, fehlende Sozialversicherungsbeiträge,
Lohndumping
und massive Verletzungen des
Arbeitsgesetzes. Abhilfe schafft hier
der allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsvertrag
in der Netzinfrastrukturbranche.
Durch diesen kann die paritätische
Kommission Kontrollen am
Arbeitsplatz durchführen, Verstösse
ahnden – und bei den Erstunternehmen
intervenieren.
Achtung besonders bei KEP & Mail
Ein ähnliches Szenario droht ebenso
bei der Post. Gerade auch beim gelben
Riesen wird eine grosse Anzahl der
Aufträge an Dritte weitergegeben. Obschon
der GAV Post eine mehr als starke
Basis für gute Arbeitsbedingungen
in der Logistik legt, herrschen auf dem
Kurier-, Express und Paketmarkt immer
noch prekäre Arbeitsbedingungen.
Auch in der KEP-und-Mail-
Branche kann nur ein starker Gesamtarbeitsvertrag
vor Dumpinglöhnen
schützen. Die Post sowie die privaten
Anbieter DHL, DPD und Co. stehen
hier in der Pflicht, ihre Sorgfaltspflicht
bei der Vergabe von Aufträgen
an Dritte wahrzunehmen.
Lena Allenspach
Zum Thema Solidarhaftung (Seco):
syndicom.ch/h15tJ
Mit allgemeinverbindlichen GAV können Lohnkontrollen am Arbeitsplatz durchgeführt werden, wie hier im Netzbau. (© Demir Sönmez)
20 Arbeitswelt
«Ein Mindestlohn ist der Ausgangspunkt für gerechte Löhne.
5 Kantone haben schon einen.» Eva Hirschi
Welcher Lohn steht mir zu?
Die Schweiz kennt – anders als viele Länder – keinen nationalen
Mindestlohn. Eine Orientierungshilfe für branchenübliche Löhne
liefert der SGB-Lohnrechner.
In Basel schienen 23 Fr. dem Volk zu teuer, nun gibt es 21 Franken Mindestlohn. (© Keystone-SDA)
Am 13. Juni 2021 hat Basel-Stadt einen
gesetzlichen Mindestlohn von 21
Franken beschlossen, als erster Kanton
der Deutschschweiz. Zwar lehnten
die Stimmbürger*innen damit eine
von Linken und Gewerkschaften lancierte
Initiative für einen Mindestlohn
von 23 Franken ab, stimmten dafür
aber dem Gegenvorschlag von Regierung
und Parlament zu.
Auch weitere Kantone kennen einen
Mindestlohn. Schweizweiter Vorreiter
war Neuenburg im Jahr 2017, die
Kantone Jura, Genf und Tessin folgten.
Die Mindestlöhne reichen je nach
Kanton von 19 bis 23 Franken pro Arbeitsstunde
– auch wenn es Ausnahmen
gibt. Zurzeit sind in den Zürcher
Gemeinden Kloten, Winterthur und
Zürich entsprechende kommunale Initiativen
für einen Mindestlohn von
23 Franken hängig. Auch in anderen
Kantonen wird das Thema diskutiert.
Mehr Lohn dank mehr Transparenz
Mindestlöhne sind ein wichtiges Element
im Kampf gegen Tieflohn und
Lohndumping sowie für höhere Löhne
und mehr Lohngleichheit zwischen
Männern und Frauen. In der Schweiz
sind zwar rund die Hälfte der Arbeitnehmenden
durch einen Gesamtarbeitsvertrag
geschützt. Doch einen
GAV, der auch Mindestlöhne festlegt,
kennen nur 1,7 Millionen der insgesamt
5 Millionen Erwerbstätigen.
Ein Mindestlohn bietet einen Ausgangspunkt
für gerechte Löhne. Doch
wie weiss man, wie viel Lohn einem zusteht?
Der Lohnrechner des Schweizerischen
Gewerkschaftsbunds (SGB)
bietet eine praktische Orientierungshilfe,
denn er zeigt, was Beschäftigte
in welcher Tätigkeit und mit welchen
Qualifikationen üblicherweise verdienen.
Lohnrechner liefert Überblick
Der Lohnrechner basiert auf verlässlichen
Daten orts- und branchenüblicher
Löhne sowie neu zusätzlich
auf den repräsentativen Daten der
Lohnstrukturerhebung 2018 des Bundesamts
für Statistik, in der rund
2 Millionen Löhne aus 72 Branchen
und 36 000 Unternehmen erfasst sind.
Es funktioniert ganz einfach: Man
wählt den Beruf sowie die Branche
und macht Angaben zur Anstellung,
wie etwa die abgeschlossene Ausbildung
oder die Anzahl Berufsjahre, und
erhält dann die üblichen Löhne für
das gewählte Anstellungsprofil. Zudem
werden die Benutzer*innen über
gültige Gesamtarbeitsverträge informiert.
Dies kann Angestellte dabei unterstützen,
individuell den Lohn zu
berechnen, der ihnen zusteht, und
Forderungen für Lohnverhandlungen
vorzubereiten.
Eva Hirschi
Direkt zum Lohnrechner des SGB:
lohn-sgb.ch
Personalvertretung bei
Google im 2. Jahr
Miriam Berger,
Zentralsekretärin ICT
Im Juni fanden bei Google zum zweiten
Mal Wahlen für eine Personalvertretung
statt. Dass die geregelte
Mitwirkung der Arbeitnehmenden bei
Google erhalten bleibt, ist von grossem
Wert für die damit noch unerfahrene
IT-Branche. Google Schweiz hat sich
vor zwei Jahren noch gegen eine PV gewehrt
und versuchte, eine interne Veranstaltung
von syndicom zum Thema
Mitwirkung zu verhindern. Doch die
«Zoogler» (Google-Angestellten in Zürich)
blieben hartnäckig. Sie haben
sich ihre Vertretung schliesslich erkämpft.
Gewerkschaft und Personalvertretung
haben nicht die gleiche Rolle, sie
ergänzen sich im Zusammenspiel und
sind nur so erfolgreich. Auf der einen
Seite der Arbeitsalltag der Mitarbeitenden,
auf der anderen Seite die langjährige
Erfahrung, das Netzwerk der
Gewerkschaft. Das Zusammenwirken
von Einsatz am Arbeitsplatz und unabhängiger
Unterstützung durch die
Gewerkschaft ist das Erfolgsrezept.
Google zeigt: Der Bedarf an gewerkschaftlicher
Organisierung ist in
der Tech-Branche genauso akut wie
überall sonst. Eine Personalvertretung
ist im Kampf für kollektiv bessere Arbeitsbedingungen
ein erster wichtiger
Schritt. Das aktive Leben und Gestalten
von einmal erkämpften Institutionen
gehört genauso dazu.
In diesem Sinne gratuliere ich allen
syndicom-Mitgliedern bei Google
zur Wiederwahl.
«Stellen sind ernsthaft in Gefahr, weil es einige Arbeitsfelder
der Post in Zukunft nicht mehr geben wird.» Matteo Antonini
21
Die Zukunft in die Hand nehmen
syndicom, die Post und Transfair starten gemeinsam das Programm
«Fit im Beruf». Hier können sich Mitarbeitende über ihre
berufliche Situation informieren und sich auf die künftigen
Herausforderungen des Arbeitsmarkts vorbereiten.
Die Arbeitswelt ist im ständigen Wandel:
Neue Berufsbilder entstehen,
wäh rend andere Berufsfelder verschwinden.
Arbeitskarrieren verlaufen
kaum noch geradlinig. Für die Angestellten
bietet dies Chancen – aber
auch Risiken.
Frühzeitig reagieren
Das ist bei der Schweizer Post nicht
anders. «Weil es gewisse Arbeitsfelder
künftig nicht mehr geben wird, sind
gewisse Stellen in Gefahr», sagt Matteo
Antonini, der Leiter des Sektors
Logistik.
syndicom hat dazu gemeinsam mit
der Post das Programm «Fit im Beruf»
entwickelt. Dieses animiert die
Post-Angestellten, sich frühzeitig mit
der eigenen beruflichen Situation auseinanderzusetzen
und die eigene berufliche
Entwicklung zu gestalten. So
soll die Arbeitsmarktfähigkeit erhalten
und gestärkt werden.
Angehen gegen Stress und Lähmung
Viele Angestellte würden sich bisher
zu wenig mit ihrer beruflichen Entwicklung
beschäftigen, sagt Antonini.
«Die Mehrheit will in erster Linie den
aktuellen Job behalten.» Auch deshalb
lösen die Veränderungen im Arbeitsmarkt
bei vielen Stress aus. «Wir haben
uns überlegt, wie wir den Mitarbeiter*innen
dazu verhelfen können,
stress- und angstfrei über ihre berufliche
Entwicklung nachzudenken.» Die
Lösung: Nicht die Vorgesetzten kommen
und sagen: «Du musst dir Gedanken
machen», sondern die Arbeitskolleg*innen.
Dazu nahmen in einem
ersten Schritt erfahrene Mitarbeitende
aus den verschiedenen Teams am
Programm «Fit im Beruf» teil. Im Laufbahnzentrum
analysierten sie ihre eigene
Situation – und wurden zu Expertinnen
und Experten.
Zukunftsbotschafter*innen
Insgesamt sind nun 250 solche Zukunftsbotschafter*innen
unterwegs.
Sie geben ihre eigenen Erkenntnisse
und Erfahrungen ihren Kolleg*innen
weiter und motivieren sie, sich ebenfalls
zu fragen, ob sie fit sind für die
berufliche Zukunft. Die Angebote des
Programms stehen allen kostenlos zur
Verfügung.
In den Startlöchern, um auf dem Arbeitsmarkt
der Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. (© Post)
Auch dieses Programm ist
ein Resultat aus dem GAV
Entstanden ist das sozialpartnerschaftliche
Projekt «Fit im Beruf»
während den Verhandlungen zum
neuen GAV, der Anfang Jahr in Kraft
getreten ist. syndicom forderte damals
nicht nur festgeschriebene Entschädigungen
im Fall von Entlassungen,
sondern auch Massnahmen, die
proaktiv verhindern, dass Menschen
überhaupt einen Sozialplan brauchen.
Doch «Fit im Beruf» ist nicht nur
Krisenprävention. Das Angebot verschafft
den Teilnehmer*innen auch
die Freiheit, ihre berufliche Zukunft
selbst zu gestalten – damit der Wandel
wirklich zur Chance wird.
Basil Weingartner
Mehr erfahren über das Programm:
syndicom.ch/6otXQ
Ehe für alle:
Ja, wir wollen!
Patrizia Mordini, Leiterin Gleichstellung, Mitglied
der Geschäftsleitung
Am 26. September stimmen wir über
die Gesetzesänderung «Ehe für alle»
ab. Endlich sollen gleichgeschlechtliche
Paare dieselben Rechte erhalten
wie heterosexuelle Paare. Heute bestehen
rechtliche Unterschiede, obwohl
die Verfassung klar festhält, dass in
der Schweiz jeder Mensch vor dem Gesetz
gleich und das Recht auf Ehe gewährleistet
sei.
Homosexuelle Paare sollen deshalb
künftig endlich auch heiraten
können, wie dies in anderen Ländern
bereits länger möglich ist. In Europa
haben 16 Staaten die Ehe für alle eingeführt,
ausserhalb Europas zwölf
Länder. Weitere Rechte betreffen die
Adoption von Kindern, Zugang zur
Fortpflanzungsmedizin und zur Einbürgerung.
Verheiratete Frauenpaare
sollen Zugang zur Samenspende erhalten.
Kinder, die bei gleichgeschlechtlichen
Paaren aufwachsen, und Regenbogen-Familien
sind heute eine Realität.
Das Gesetz schadet niemandem,
es ermöglicht einfach endlich die
Gleichstellung.
Die Gegnerseite hat das Referendum
zustande gebracht und macht
mit falschen Argumenten Kampagne.
Darum ist es wichtig, sich gut zu informieren,
beispielsweise auf der Webseite
Ehefueralle.ch.
Der Gewerkschaftsbund und syndicom
befürworten diese längst überfälligen
Gesetzesanpassungen – endlich
Gleichstellung!
22 Politik
Die EU misst mit
zweierlei Mass
Zum Schutz der Beschäftigten innerhalb ihrer Grenzen erlässt
die Europäische Union eine Richtlinie. Für die in die Schweiz
entsandten Arbeitnehmenden will sie die Gleichbehandlung
aber nicht gelten lassen. Das war einer der Gründe für den Abbruch
der Verhandlungen zum Rahmenabkommen Schweiz–
EU. Wir sprachen darüber mit Luca Visentini, Generalsekretär
des Europäischen Gewerkschaftsbundes (ETUC.org).
Text: Federico Franchini
Bild: ETUC
Die Schweizer
Gewerkschaften
wurden erpresst,
damit sie auf die
Flankierenden
verzichten.
War der Schweizer Verhandlungsabbruch
für Sie – von der europäischen
Warte aus – überraschend?
Er kam zugegebenermassen etwas
überraschend. Ich dachte nicht,
dass die Schweiz so stark an ihrer
Position festhalten und die Verhandlungen
abbrechen würde – für
mich der richtige Entscheid.
Also eine positive Überraschung?
Ja. Den Verhandlungen, die falsch
aufgegleist waren, wurde ein Ende
gesetzt. Von Seiten der EU habe ich
nie einen echten Willen gespürt, auf
bestimmte kritische Punkte einzugehen,
insbesondere nicht auf die
Arbeitsbedingungen und die flankie
renden Massnahmen. Deshalb
befürchtete ich, dass die Schweizer
Regierung den starken Druck der
EU hinnehmen würde.
Welche Rolle spielte die Schweizer
Gewerkschaftsbewegung?
Die Entscheidung des Bundesrates
war schliesslich sicher auch auf die
entschlossene Haltung der Gewerkschaften
zurückzuführen. Diese haben
sich auch mit unserer Unterstützung
ungewöhnlich stark
mobilisiert, um Entscheidungen zu
verhindern, die für die Arbeitnehmenden
sehr nachteilig gewesen
wären.
Der EGB hat die kompromisslose
Position der Schweizer Gewerkschaften
in der Frage des Lohnschutzes wiederholt
unterstützt. Weshalb war die
Unterstützung der Schweizer Kolleg*
innen aus Sicht der europäischen
Gewerkschaftsbewegung wichtig?
Wir erachten die in der Schweiz
existierenden flankierenden Massnahmen
als sehr positiv. Sie schützen
die Interessen der Arbeitnehmenden
sowie die Arbeits- und
Lohnbedingungen und garantieren
den Sozialschutz. Vor allem aber
gewähr leisten sie die Gleichbehandlung
der Schweizer Arbeitskräfte
und der europäischen Arbeitnehmenden,
die in der Schweiz tätig
sind. Für uns war die Verteidigung
dieser flankierenden Massnahmen
eine Art von symbolischem Kampf.
So konnten wir bekräftigen, dass es
immer und überall Gleichbehandlung
und faire Arbeits- und Sozialschutzbedingungen
braucht.
Die Schweiz hat während der Verhandlungen
zwar nicht brilliert (ich denke
etwa an Ignazio Cassis, der bereit war,
die flankierenden Massnahmen auf
den Verhandlungstisch zu legen).
Wie beurteilen Sie die Arbeit der Europäischen
Union?
Wir haben uns sehr geärgert über
die widersprüchliche, ja schizophrene
Haltung der EU. Wir konnten
diese Vorgehensweise nicht akzeptieren.
Die EU hat ihre Entsendericht
linie überarbeitet. Deren zentrales
Element besteht gerade darin,
dass die Lohngleichheit garantiert
wird und Lohndumping und unfairer
Wettbewerb auf Kosten der
inner halb der EU entsandten Arbeitnehmenden
beseitigt werden. Europa
hat also den Grundsatz der
«Wir hoffen, dass wir nach einigen Überlegungen so rasch wie möglich mit
Vorschlägen an den Verhandlungstisch zurückkehren können und die Verhandlungen
mit positiveren Vorzeichen neu beginnen können. Bis dahin
müssen die bisherigen Standards unbedingt eingehalten werden.» Luca Visentini, ETUC
23
Gleichbehandlung intern angewendet.
Deshalb finde ich es widersinnig,
dass die EU nun im Rahmen
des Abkommens mit der Schweiz
diesen Grundsatz ignorieren will.
Existiert das Schreckgespenst des
«polnischen Klempners» in der EU
weiterhin?
Die Situation hat sich sicherlich verbessert.
Vor allem dank dieser
Richtlinie und der Schaffung der
Europäischen Arbeitsbehörde. Dies
ist bei der Überwachung und Sanktionierung
der Verstösse sehr hilfreich.
Der unfaire Wettbewerb zwischen
den Arbeitnehmenden ist
Vergangenheit. Das heisst nicht,
dass alles perfekt ist. Es gibt noch
viele Verstösse, vor allem in Bereichen
wie der Transportbranche.
Und die Gleichbehandlung in Bezug
auf die soziale Sicherheit ist auch
noch nicht erreicht.
Wie lässt sich diese widersprüchliche
Haltung der EU erklären?
Sie ist darauf zurückzuführen, dass
die Entsenderichtlinie und das Rahmenabkommen
mit der Schweiz
nicht von derselben Stelle innerhalb
der EU ausgehandelt wurden. Das
eine Dossier wurde von der Generaldirektion
Beschäftigung und Soziales
erarbeitet, die dem Schutz der
Arbeitnehmerrechte eine grosse Bedeutung
beimisst. Auf der anderen
Seite war die Rolle der Generaldirektion
Handel (GD Handel) bei der
Aushandlung des Abkommens mit
der Schweiz sehr negativ.
Innerhalb der EU
gibt es noch viele
Verstösse, aber
auch Sanktionen.
Welchen Einfluss hatten die europäischen
Arbeitgeber auf die GD Handel?
Diese spielten eine sehr wichtige
und sehr negative Rolle. Die Arbeitgeberorganisationen
übten äusserst
grossen Druck aus. Sie haben die
Reform der Entsenderichtlinie nie
überwunden und versuchten alles,
um sie zu blockieren. Glücklicherweise
ist ihnen das nicht gelungen.
Für diese Niederlage wollten sie sich
rächen und deshalb wenigstens in
der Schweiz Lohn- und Sozialdumping
praktizieren. Ausserdem werden
solche Verhandlungen hinter
verschlossenen Türen geführt, auf
Beamtenebene und ohne wirklichen
Prozess der demokratischen Kontrolle.
In diesem Fall waren es die
Beamten der GD Handel, die unter
dem Einfluss der Unternehmen stehen
und versuchen, vor allem deren
Geschäftsinteressen zu schützen.
Das Scheitern der Verhandlungen
über das Rahmenabkommen hat jedoch
auch die Ausweitung bestimmter
Rechte verhindert, die für die (europäischen)
Wanderarbeitenden in der
Schweiz von Vorteil gewesen wären.
Ich denke an die Unionsbürgerschaft.
Diese ist einer der Verhandlungspunkte,
die von der Rechten hartnäckig bekämpft
werden. Hätten die Gewerkschaften
nicht weitere Kompromisse
für ein soziales Abkommen eingehen
können?
Wir haben die Verhandlungen eng
verfolgt. Und ich kann sagen, dass
die Schweizer Gewerkschaften eine
grosse Bereitschaft zeigten, bei der
Auslegung der Modalitäten der flankierenden
Massnahmen den bürokratischen
Aufwand für die Unternehmen
möglichst gering zu halten.
Das Problem war, dass sie erpresst
wurden: Im Gegenzug zu positiven
Massnahmen wie der Unionsbürgerschaft
hätten sie die flankierenden
Massnahmen aufgeben müssen.
Ganz zu schweigen von den bereits
erwogenen wirtschaftlichen Vergeltungsmassnahmen.
Die Gewerkschaften
blieben sehr offen, standen
aber einer geschlossenen und
erpresserischen Gegenseite gegenüber.
Wie kann die Gewerkschaftsbewegung
dazu beitragen, Europa und die
Schweiz aus dieser Sackgasse herauszuführen
und einander wieder näher
zu bringen?
Wir stehen in ständigem Kontakt
mit unseren Schweizer Kolleg*innen
und üben Druck auf die Europäische
Kommission aus, damit diese
das Dossier mit einer offeneren
und fortschrittlicheren Haltung neu
angeht. Wir versuchen zum Beispiel,
Druck auf die GD Beschäftigung
auszuüben, damit sie sich aktiver
und massgeblicher in diese Diskussion
einbringt. Wir müssen ein Gegengewicht
zum ultra-neoliberalen
Ansatz der GD Handel schaffen.
Medienmitteilung des EDA zum Abbruch
der Verhandlungen: syndicom.ch/zskUW
Was ist die
Mindeststeuer
wert?
«Historisches Abkommen», «aus serordentliches
Ergebnis»: Die Europäische
Kommission schlug triumphale
Töne an, um die globale Steuer
anzukündigen. Beim G20-Gipfel in
Venedig einigten sich die Weltmächte,
dass grosse Unternehmen
eine Mindeststeuer von 15 % zahlen.
Und zwar in den Staaten, in denen
sie Produkte und Dienstleistungen
verkaufen. Die Internet-Giganten
Google, Amazon, Facebook, Apple
und Microsoft können sich künftig
nicht mehr in Irland oder Luxemburg
niederlassen, um von den dortigen
Steuervorteilen zu profitieren.
Also ein harter Schlag für das
Steuerdumping? Wohl nicht. Nicht
zuletzt, weil die Minimalsteuer nur
für Konzerne mit einem Umsatz
über 20 Mrd. Euro und einer Gewinnmarge
von mehr als 10 % gelten
soll: Das könnte sogar Amazon ausschliessen!
Die EU hatte nicht die
Kraft (und den Mut), den Mindeststeuersatz
auf 25 % anzu heben, wie
Oxfam und die UN-Kommission für
die internationale Unternehmenssteuerreform
gefordert hatten.
Dabei ging noch in den 1980er-
Jahren fast die Hälfte der Erträge
der US-Konzerne an die Steuer. Die
neoliberale Doktrin, nach der die
Begrenzung der Unternehmensgrösse
die Wirtschaft schwächen
würde, machte dem den Garaus.
Wie der Schriftsteller und Aktivist
Cory Doctorow sagt: «Wenn man
aufhört, das Kartellrecht durchzusetzen,
muss man sich nicht wundern,
wenn Monopole entstehen:
Das ist, wie wenn man Zucker auf
den Boden streut und sich dann
über die Ameisen wundert.»
Wie ein Bericht von ProPublica
zeigt, zahlen die reichsten Menschen
der Welt lächerliche Steuern:
Jeff Bezos von Amazon 1 %, Elon
Musk von Tesla 3 %. Schäbige Tarife.
Nimmt man Sozialversicherungsbeiträge
und Einkommenssteuer
zusammen, zahlen Arbeitnehmer in
den G7-Ländern 20–30 %, oft 40 %.
Deutlich mehr als jetzt die 15 % der
Digitalkonzerne. (Giovanni Valerio)
Der Bericht von ProPublica (englisch):
syndicom.ch/ALhHp
24
Politik
Die Stempelsteuer wird
noch gebraucht!
Trotz verlorenen Volksabstimmungen unternimmt
Bundesrat Ueli Maurer einen neuen
Versuch, die Steuern für Vermögende und
den Finanz platz zu senken: Die Stempelsteuer
soll abgeschafft werden.
www.sgb.ch/stempelsteuer
UNTERSCHREIBEN SIE JETZT DAS REFERENDUM!
Mehrere hundert Millionen Steuerausfälle:
Dieses Geld wird in Spitälern, ÖV oder Bildung fehlen!
Neues Steuerprivileg für den Finanzsektor:
Die Umverteilung nach oben wird vorangetrieben!
Referendum Stempelsteuer
Postfach 6
9215 Schönenberg an der Thur (TG)
Nur Reiche werden entlastet: Arbeitnehmende gehen leer aus,
ausgerechnet nach der Corona-Krise!
NEIN
Text: Daniel Lampart, Chefökonom des SGB
Unterschreiben Sie noch
heute! Bitte bis spätestens
am 16. September 2021
einsenden.
STEMPELSTEUER-
BSCHISS
Diese Abschaffung ist eine Uralt Forderung der Banken
und Versicherungen. Bisher konnten alle Versuche im
Parlament abgewehrt werden – auch weil das Vorhaben
Steuerausfälle von 2 bis 3 Milliarden Franken verursacht.
Das Parlament und Bundesrat Maurer setzen deshalb
neu auf eine Verschleierungs taktik: Sie haben die Abschaffung
auf mehrere Etappen aufgeteilt in der Hoffnung,
dass diese unter dem Radar bleiben. Doch der SGB
hat gegen die erste Etappe das Refe ren dum ergriffen.
Verschleierungstaktik
In der erste Etappe soll die Emissionsabgabe auf Aktien
bzw. Eigenkapital abgeschafft werden, was Ausfälle von
200 bis 250 Millionen Franken bewirkt. Teil 2 umfasst
dann die Abschaffung der Umsatzabgabe auf Obligationen
und die Streichung der Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen.
Hier berechnet der Bund die Kosten
mit 200, der SGB schätzt sie auf über 500 Millionen Franken.
In der dritten Etappe sollen die übrigen Umsatzabgaben
und die Stempelsteuer auf Versicherungen wegfallen,
was den Bund weitere 2 Milliarden kosten wird.
Nützt nur den Vermögenden und dem Finanzplatz
Dieses Steuersenkungsprogramm nützt allein dem
Finanzplatz, den Vermögenden und Gutverdienenden.
Denn es sind die Haushalte mit einem Vermögen von
mehreren Millionen Franken, die überhaupt grosse
Aktienbestände und andere Wertpapiere besitzen. Die
reichsten 50 000 Steuerpflichtigen besitzen rund drei
Viertel aller Aktien, die sich im Besitz der Schweizer
Haushalte befinden. Ihr Wertpapier besitz ist viel grösser
als das Bankkonto. Das zeigen Studien zu den Vermögenssteuern
in verschiedenen Kantonen.
Die Stempelsteuer ist heute ein Teilersatz für die
fehlende Kapital gewinnsteuer. Wenn sie wegfällt, werden
Wert papierbesitzer*innen weiter privilegiert. Und
wenn die Verrechnungssteuer auf Obligationenerträge
abgeschafft wird, können die vermögenden Anleger*innen
dank Bankgeheimnis der Steuerpflicht ausweichen.
Die Arbeitnehmenden müssten auf ihren Bankkonten
hin gegen weiter Verrechnungssteuer bezahlen. Durch
die Abschaffung der Stempelsteuer würde auch der
Finanzsektor privilegiert. Viele Dienstleistungen von
Banken und Versicherungen sind nicht der Mehrwertsteuer
unterstellt. Die Stempelsteuer dient heute als
eine Art Ersatzsteuer.
Steuerausfälle werden bagatellisiert
REFERENDUM
ZUM
STEMPEL-
STEUER-
BSCHISS!
JETZT UNTERSCHREIBEN!
Wie bereits bei den früheren Steuerreformen unterschätzt
der Bund die Steuerausfälle. Im letzten Jahr
brachte die Stempelsteuer alleine dem Bund 2,42 Milliarden
Franken ein. Diese würden bei einer Abschaffung
wegfallen. Dazu kommen die Ausfälle bei der Verrechnungssteuer
auf Obligationen von mehreren hundert
Millionen Franken.
Und: Die Abschaffung der Emissions abgabe dürfte
auch bei Kantonen und Gemeinden zu Ausfällen führen.
Wegen der Emissionsabgabe geben Unternehmen etwa
bei der Gründung teilweise für Sachanlagen einen tiefen
Wert an. Dementsprechend können sie weniger abschrei
ben und zahlen dann etwas mehr Gewinnsteuer.
Ohne Emissionsabgabe wird es für die Unternehmen attraktiver,
den Wert der Sacheinlagen hoch zu veranschlagen,
was zu höheren Abschreibungen und damit zu tieferen
Gewinnsteuern führt.
Steuersenkungsorgie seit den 1990ern
Bereits seit Mitte der 1990er-Jahre wurden die Steuern
für Gutverdienende und Vermögende in zahlreichen
Schritten gesenkt. Die Kantone haben die Einkommenssteuern
deutlich reduziert. Die Vermögenssteuern für
Millionär*innen wurden in vielen Kantonen sogar halbiert.
In der Zentralschweiz liegen die Sätze heute mittlerweile
bei 1 bis 2 Promille. Die Unternehmenssteuerreform
II hat die Steuern fürs Kapital um jährlich weitere
1,5 bis 2,2 Milliarden Franken reduziert. Die Abgabenlast
für Normalverdienende ist hingegen gestiegen, vor
allem durch die steigenden Krankenkassenprämien.
Eine Abschaffung der Stempelsteuer würde die Oberschicht
weiter begünstigen.
Referendum unterschreiben:
Kein-Bschiss.ch
Recht so!
25
Liebe Rechtsberatung
Ich habe seit 1. März 2021 eine neue Stelle. Nun
habe ich meinen neuen Pensionskassenausweis
erhalten und sehe, dass diese Pensionskasse eine
Unter deckung hat und ich das als Arbeitnehmerin
durch höhere Beiträge ausgleichen muss. Kann
ich nichts dagegen unter nehmen? Schliesslich
ist es mein Geld und ich muss ja die Beiträge
bezahlen. Zudem reicht die AHV-Rente nicht zur
Deckung der Lebens kosten. Dies wird sich bei der
anstehenden Revision vermutlich auch nicht ändern.
Wieso ist es möglich, dass eine Pensionskasse
eine Unterdeckung hat? Gibt es keine Aufsichtsbehörden
oder Vorschriften, damit diese das viele
Kapital, das ihnen zur Verfügung steht, nicht
falsch anlegen?
Ich bin mir nun am Überlegen, ob ich mich
selbständig machen soll. Kann ich mich als Einzelperson
einer Pensionskasse anschliessen, und
wie muss ich dabei vorgehen?
Antwort des syndicom-Rechtsdienstes
Grundsätzlich nicht. Aber der Arbeitgeber hat bei
einer Unterdeckung in der Regel kein Interesse,
bei der Pensionskasse zu verbleiben, da er ja mindestens
die Hälfte der höheren Beiträge zahlen
muss. Beschliesst der Arbeitgeber einen Wechsel,
kann er dies zwar nur mit dem Ein verständnis des
Personals bzw. einer Personalvertretung machen
(Art. 11 Abs. 3bis Gesetz über die berufliche Vorsorge
und Art. 10 Mitwirkungsgesetz), doch die
Wahl der Pensionskasse bleibt beim Arbeitgeber.
Doch, es gibt die kantonalen Aufsichtsbehörden
sowie gesetzliche Vorschriften, wie die Pensionskassen
das Geld anlegen dürfen. Dabei stehen die
sicheren Anlagestrategien im Vordergrund. Nur
ein geringer Teil darf risikoreicher investiert werden.
Die Vorschriften gelten jedoch nur für das
Obligatorium, für den über obligatorischen Teil
nicht. Die Arbeitnehmenden haben aber ein Mitspracherecht
bei den Anlagestrategien: So wählen
laut Gesetz über die berufliche Vorsorge
Arbeitnehmende und Arbeitgeber eine gleiche
Anzahl Vertreter*innen für das oberste Organ der
Pensionskasse. Dieses legt u. a. die Ziele und die
Grundsätze der Vermögensverwaltung sowie der
Durchführung und Überwachung des Anlageprozesses
fest.
Ja, je nach Branche, in der du tätig bist, kannst du
dich einer kollektiven Pensionskasse deines
Branchenverbandes anschliessen. Es gibt auch
Pensionskassen, die speziell für Selbständigerwerbende
Vorsorgelösungen anbieten (z. B. die
Pensionskasse Freelance für Mitglieder von syndicom).
Oder du kannst dich bei der Stiftung
Auffangeinrichtung als Einzelperson versichern.
Ansonsten kannst du dich bei der kantonalen
Aufsichtsbehörde erkundigen, welche Pensionskassen
Selbständig erwerbende versichern.
syndicom.ch/rechtso
26 Freizeit
Tipps
© Kiepenheuer & Witsch
© Swiss Press Photo, Luca Zanetti
Den Wald vor lauter Bäumen
nicht sehen ...
Kennst du das Gefühl, dass du vor
lauter unaufhörlichen, kleinen
Verpflichtungen wie E-Mails und
Anrufe beantworten, Termine wahrnehmen
usw. deine wichtigen Aufgaben
nicht mehr mit gleicher
Qualität erledigen kannst? Dann ist
dieser Kurs von Movendo – dem Bildungsinstitut
der Gewerkschaften –
das Richtige für dich: Bei «Arbeitstechnik
und Zeitmanagement» geht
es darum, frühzeitig Stress zu erkennen
und ihm entgegenzuwirken.
Astrid Mehr – Kursleiterin und
Erwachsenenbildnerin – zeigt, wie
man die eigenen Ressourcen optimal
nutzen kann, um genau solche
Stresssituationen zu vermeiden. Die
Absicht ist, den Arbeitsalltag mit
möglichster Leichtigkeit meistern
zu können.
Zu Beginn wird der eigene Arbeitsstil
analysiert. Dann kennt man
die eigenen Stärken und Schwächen
und weiss, wo man anknüpfen
muss, um mit arbeitsmethodischen
Grundsätzen die Arbeitstechnik und
das Zeitmanagement zu optimieren.
Anschliessend werden Techniken
wie das Setzen von Prioritäten, die
Bewirtschaftung von Zielen und der
Umgang mit Unterbrechungen thematisiert.
Mit den vorgestellten
Techniken wird man mit dem Arbeitsalltag
besser zu Schlag kommen
– und trotz allen Bäumen den
Wald klar sehen können.
Wann: 16. September 2021 von
08.30 Uhr bis 17.00 Uhr
Wo: Spiez, Hotel Seaside/ABZ Spiez
Übrigens: Für syndicom-Mitglieder
ist der Kurs inklusiv Verpflegung
kostenlos – also nichts wie hin!
Sharada Iser
Melde dich online an:
Movendo.ch
Glück und Zufall in der Hand
des Postboten
Kalabrien, 60er-Jahre, kurz vor der
Mondlandung: In «Der Postbote von
Girifalco oder Eine kurze Geschichte
des Zufalls» von Domenico Dara
begleiten wir einen süd italie nischen
Postboten durchs Leben. In seinem
Roman, gefüllt mit Metaphern, Anekdoten
und malerischen Details,
schafft es Dara, die Leser*innen in
Bann zu ziehen und sie völlig in die
Geschichte eintauchen zu lassen.
Dieser Postbote ist ein Einzelgänger,
ein Träumer und Hobbyphilosoph.
Seine Berufung füllt er
mit persönlicher Leidenschaft aus:
«Um Postbote zu sein, braucht man
nicht nur gesunde Beine und starke
Schultern. Man muss den Inhalt der
Briefe erahnen, die Schriftzüge der
Menschen erkennen und dann ein
Gleichgewicht herstellen.» Eines Tages
beginnt er aus Neugier, die Briefe
zu öffnen. Er bricht zwar das Postgeheimnis,
dafür kennt er nun alle
Geheimnisse der Dorfbewohner.
Ausserdem kann der Postbote
von Girifalco jede Handschrift imitieren.
Diese Gabe setzt er ein, indem
er die geöffneten Briefe abschreibt
und hinterlegt. Und wenn
nötig, greift er in die Schicksale des
Dorfes ein – immer im besten Sinne
der Beteiligten. Was er nicht kann,
ist, sein eigenes Schicksal in die
Hand zu nehmen: Schon seit Jahren
schafft er es nicht, seinen Liebesbrief
für Rosa zu Ende zu bringen.
Neben Liebe und Tod spielt der
Zufall – wie der Titel schon sagt –
eine grosse Rolle. Der Postbote notiert
sich beobachtete Zufälle. Sein
Ziel ist jedoch nicht, dem Zufall auf
die Spur zu kommen, sondern zu
beweisen, dass es keinen Zufall gibt.
Er sieht es als seine Aufgabe, die Fäden
der Schicksale und Zufälle zu einem
verständlichen Ganzen zu binden
und Kreise zu schliessen. Wird
er seine Aufgabe erfüllen können?
Sharada Iser
Das Buch kostet gebunden 31.90, als Taschenbuch
18.90 und als E-Book 11 Franken
Swiss Press Awards: ein Buch
und eine Ausstellung
Ende April verlieh die Fondation
Reinhardt von Graffenried in Bern
erneut ihre Swiss Press Awards. Die
Stiftung hat zum Ziel, die journalistische
Berichterstattung und die
Pressefotografie in der Schweiz zu
fördern. Coronakrise, Intensivbetten,
sexuelle Belästigung, Umweltskandal
und ein Politikerleben – das
sind die Themen der diesjährigen
Siegerbeiträge des traditionellen
Medienpreises. Célia Héron, Boris
Busslinger und Sylvia Revello sind
die Schweizer Journalistinnen und
Journalisten des Jahres – die Swiss
Press Journalists of the Year. Sarah
Carp wurde als Swiss Press Photographer
of the Year ausgezeichnet.
Die siebte Ausgabe des Swiss-
Press-Award-Katalogs mit den Arbeiten
der preisgekrönten Journalistinnen
und Journalisten und das zum
21. Mal erscheinende Swiss-Press-
Photo-Jahrbuch wurden erstmals
zum Swiss Press Yearbook 21 vereinigt,
das jetzt in den Buchhandlungen
erhältlich ist.
Parallel wird die nationale Wanderausstellung
Swiss Press Photo 21
am 8. September im Kornhausforum
Bern eröffnet und läuft dort bis
zum 10. Oktober 2021. Swiss Press
Photo 21 wird anschliessend, vom
12. November bis 6. März 2022, im
Châ teau de Prangins gezeigt, wo
auch die Siegerfotos des World
Press Photo Award 2021 ausgestellt
sein werden. Save the Date!
Robin Moret
Alles über die Sieger*innen (Swiss Press
Award): syndicom.ch/CrJAw
1000 Worte
Ruedi Widmer
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28 Bisch im Bild Der Frauenstreik 2021 wird überall in die Tat umgesetzt /
Demonstration gegen Hungerlöhne bei der Post /
Hände weg von den Frauenrenten: Medienkonferenz der Gewerkschaften /
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1–4 In Bern, Zürich, Lausanne und Bellinzona erinnerte syndicom am 14. Juni um 15.19 Uhr an die Gleichstellung und organisierte am Abend
bewilligte Umzüge. Denn zwei Jahre nach dem legendären Frauenstreik von 2019 gibt es kaum Fortschritte bei der Gleichstellung.
Wir werden nicht aufgeben. (© Marc Wegmüller)
5–6 In Begleitung von Gewerkschafter*innen machte eine Delegation von mehr als zwanzig Mitarbeitenden der Post-Konzerngesellschaft Epsilon
gegen ein neues Lohnsystem mobil, das einen Stundenlohn von 17.44 Franken vorsieht. Die Post hat vor kurzem angekündigt, dass sie erwägt,
das Unternehmen zu liquidieren und es in die Konzerngesellschaften Presto und DMC zu integrieren. (© syndicom)
7–8 Weitere 80 Jahre Ungleichheit bei den Renten? Keine Chance! Anfang Juni riefen die Gewerkschaften zu einer Medienkonferenz,
um an alle Fortschritte zu erinnern, die bei der Gleichstellung und bei den Frauenrenten erzielt werden müssen. (© syndicom)
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Aus dem
Leben von ...
Angela Parisi: «Ich glaube an den
Kampf für Gerechtigkeit»
Geboren in Italien, in der Provinz Bari,
lebte Angela Parisi in der Schweiz
zunächst in St. Gallen (mit ihrem Ex-
Mann) und seit 2008 im Tessin. Sie hat
in einer Schokoladenfabrik, als Putzfrau,
Portierin, Italienischlehrerin an
der Migros-Schule und in anderen Privatschulen
gearbeitet. Sie war bei der
Confederazione Nazionale del l'Arti gianato
(Verband des Handwerks und der
KMU) angestellt und gründete eine
Dienstleistungsgenossenschaft. In
Italien, in Senigallia, führte sie zusammen
mit ihrer Schwester auch 4 Jahre
lang eine Weinhandlung. Die Mutter
von vier Kindern arbeitet seit März
2009 bei der Post. Sie trat sofort in
syndicom ein und ist heute Präsidentin
der Personalkommission und Mitglied
im Zentralvorstand von syndicom.
Text: Giovanni Valerio
Bild: Sandro Mahler
Nie hatte ich Angst, zu
sagen, was ich denke
Ungerechtigkeiten haben mich seit
jeher gestört, schon als Kind. Im letzten
Jahr am Gymnasium wurde ich
von der Schule gewiesen, nachdem
ich einen Streik organisiert hatte.
Und ich wäre fast nicht zur Maturprüfung
zugelassen worden.
Als Studentin arbeitete ich einen
Sommer lang in einer Näh werkstatt,
wie es sie in Apulien heute noch gibt.
Sie machen die Feinarbeit für Produkte
bekannter Marken, bringen
etwa Knöpfe oder Reissverschlüsse
an. Die Arbeitsbedingungen waren
unglaublich. Diese zum Teil sehr
jungen Frauen sassen den ganzen
Tag ohne aufzublicken über ihre Arbeit
gebeugt in alten Werkshallen.
Im Sommer war es unerträglich. Ich
weiss noch, dass eine der Frauen
sogar einen Sonnenbrand auf einer
Körperseite hatte. Ich sagte ihnen,
sie müssten sich wehren. Wenn sie
alle protestierten, würden sie etwas
erreichen. Für mich war das einfacher,
da ich wieder an die Uni zurückkehren
würde. Sie aber hatten
Angst, ihre Arbeit zu verlieren. Ergebnis:
Der Chef hat mich hinausgeworfen.
Zu meinem Vater sagte er noch,
er wolle keine «Anarchistin und Revolutionärin»
wie mich!
Eigentlich bin ich eine Romantikerin:
Ich glaube an den Kampf für
Gerechtigkeit. Das habe ich wohl
von meiner Mutter geerbt: «Unermüdliche
Kämpferin» wurde sie genannt
wegen ihres starken Charakters.
Nach dem Tod meines Vaters
hat sie mich und meine sechs Jahre
jüngere Schwester allein grossgezogen.
Um zu Hause zu helfen, musste
ich mein Jurastudium abbrechen
und Vollzeit arbeiten. Ich hatte viele
Jobs. Aber nie hatte ich Angst, zu sagen,
was ich denke, und mich für
meine und die Rechte meiner Kolleg*innen
einzusetzen. Und oft muss
ich dafür die Folgen tragen.
So ist es auch bei der Post. Ich bin
gerne Zustellerin. Ich habe auch am
Schalter gearbeitet, aber lieber bin
ich draussen. Auch wenn wir immer
weniger Zeit haben, gibt es doch
einen menschlichen Aspekt. In der
Paketzustellung hat Covid bereits
existierende Probleme nur verstärkt:
Personalmangel, übermässige Arbeitsbelastung
und manchmal Führungsschwierigkeiten
der Teamleiter.
Auch in den täglichen Briefings
und Teamsitzungen, wo man normalerweise
nur zuhört, melde ich mich
und sage, was nicht funktioniert:
Zum Beispiel sind die Pakete in letzter
Zeit grösser und schwerer geworden,
manchmal bis zur Grenze dessen,
was überhaupt zugelassen ist.
Aber es ist nicht einfach, die
Kolleg*innen zum Mitmachen zu bewegen.
Wie die jungen Frauen im
Textilbetrieb haben sie Angst. Angst,
sich zu exponieren, die Stelle zu
verlieren, versetzt zu werden. Letztendlich
erhalte ich Komplimente
und jemand sagt mir: Das habe ich
auch gedacht! Das ist aber nicht, was
ich brauche. Sondern, dass sie an
meiner Seite kämpfen, mich unterstützen.
Nur zusammen können wir
etwas erreichen!
Angela ist im syndicom-Zentralvorstand:
syndicom.ch/ueberuns/zentralvorstand
Impressum
Redaktion: Robin Moret (Leitung), Giovanni Valerio
Tel. 058 817 18 18, redaktion@syndicom.ch
Freie Mitarbeit: Rieke Krüger
Illustrationen: Katja Leudolph
Fotos ohne ©Copyright-Vermerk: zVg
Layout und Druck: Stämpfli AG, Wölflistrasse 1,
3001 Bern
Adressänderungen: syndicom, Adressverwaltung,
Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern
Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17
Inserate: priska.zuercher@syndicom.ch
Abobestellung: info@syndicom.ch
Abopreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für
Nichtmitglieder: Fr. 50.– (Inland), Fr. 70.– (Ausland)
Verlegerin: syndicom – Gewerkschaft
Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,
Postfach, 3001 Bern
Das syndicom-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.
Ausgabe Nr. 25 erscheint am 8. Oktober 2021.
Redaktionsschluss: 30. August 2021.
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Das syndicom-Kreuzworträtsel
Immer gern gesehen: Zu gewinnen gibt
es diesmal einen Einkaufsgutschein von
Coop im Wert von 40 Franken, gespendet
von Coop. Das Lösungswort und die
Gewinnerin oder der Gewinner werden in
der nächsten Ausgabe veröffentlicht.
Lösungswort und Absender auf einer
A6-Postkarte senden an: syndicom-
Magazin, Monbijoustrasse 33, Postfach,
3001 Bern. Oder per Mail an: admin@
syndicom.ch, und Wohnadresse nicht
vergessen. Einsendeschluss: 30.8.21
Der Gewinner
Die Lösung des Kreuzwort rätsels aus
dem syndicom-Magazin Nr. 23 lautet:
GENERATION Z. Gewonnen hat Christopher
Bühler aus Kreuzlingen. Der Silberbarren
von der Bank Cler ist unterwegs
zu dir. Wir gratulieren herzlich!
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Verlangen Sie Ihren Kartenantrag beim Zentralsekretariat
Rp pro Liter
+41 (0)58 817 18 18 - info@syndicom.ch
32 Inter-aktiv
syndicom social
Internationale Arbeitsorganisation
@ilo19.7.2021
Weltweit ging die Beschäftigung von Frauen von
2019 bis 2020 um 4,2 Prozent zurück, was
54 Millionen Arbeitsplätze weniger bedeutet,
während die Beschäftigung von Männern um
3 Prozent oder 60 Millionen Arbeitsplätze zurückging.
Die Ungleichheiten setzen sich fort,
wie das ILO-Dossier zeigt. twitter.com/ilo
@VPOD_Schweiz11.7.2021
Beginnst du im Spätsommer deine #Berufslehre im
Service public oder bist du schon LernendeR? Kennst
du deine #Rechte? Bestelle den SGB-Ratgeber «Ich
kenne meine Rechte». Von Absenzen bis #Zwischenprüfungen,
alles dabei: Instagram.ch/vpodschweiz
Bei syndicom zu bestellen unter: info@syndicom.ch
Industriegewerkschaft Metall
@igmetall15.7.2021
Unia 3.7.2021
450 Schreiner*innen haben heute in Zürich
protestiert. Anfang Jahr lief der GAV im Schreinergewerbe
aus; es drohen Lohndumping und
Chaos. Eine Petition mit 2435 Unterschriften
fordert den Arbeitgeberverband auf, an den
Verhandlungstisch zurückzukommen.
Das Schreinergewerbe braucht einen starken
fairen GAV! facebook.com/UniaSchweiz
Solidar @solidar.ch20.7.2021
Lohndiebstahl in kambodschanischen
Textilfabriken: Die Ausreden der Konzerne
halten dem Realitätscheck nicht
stand. Sag den Modefirmen, dass sie
die Arbeits rechte einhalten und ihre
Arbeiter*innen bezahlen sollen!
syndicom.ch/KEXWL
facebook.com/solidar.ch
IFJ Asia-Pacific
@ifjasiapacific 26.7.2021
Twitter Japan appears to be trying to
protect Prime Minister Suga Yoshihide
and the government of Japan.
Commentators who criticise them
have seen their accounts suspended
then reactivated after public outcry,
with no reason provided by Twitter.
twitter.com/ifjasiapacific
Eine Studie aus Island zeigt: Die 4-Tage
Wo che macht Beschäftigte zufriedener und
produktiver: Bit.ly/2Uuy6lQ. Auch wir finden:
Die 4-Tage-Woche ist ein Modell für die Zukunft:
Bit.ly/3dXcUf8. facebook.com/igmetall
SEV @verkehrsgewerkschaft26.6.2021
NEIN zur Privatisierung der Bahnhofreinigung!
SBB-CEO Vincent Ducrot lehnte es
ab, unsere Petition persönlich entgegenzunehmen,
drum stellte ihm der SEV
das Paket mit 4000 Unterschriften aus
Bellinzona per Post zu. Die Hintergründe
der Auslagerung im Interview:
facebook.com/verkehrsgewerkschaft
Public Eye @publiceye_ch26.7.2021
Hunderte zivilgesellschaftliche Organisationen
und Akademiker*innen lehnen den von Konzerninteressen
geleiteten Welt-Ernährungsgipfel
#UNFSS ab.
foodsystems4people.org
Friedrich Ebert Stiftung
@fesonline22.7.2021
Unser Projekt «Trade Unions in Transformation
4.0» hat in 4 Sektoren untersucht,
wie sich Gewerkschaften verändern,
erneuern & neue Strategien
verfolgen, um sich dem Kapitalismus des
21. Jh. zu stellen. Hier: Best Practices
aus dem Transport-Sektor Lieferwagen.
1/7 twitter.com/FESonline