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Im Fokus_Olympia_0921

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OLYMPIA 2021<br />

Das waren die<br />

Olympischen<br />

Spiele in Tokio<br />

Es waren durch die strikten Corona-Regeln sehr besondere Olympische Spiele, aber<br />

auch ohne Zuschauer brach sich der olympische Geist Bahn. Es gab Triumphe und<br />

Tragödien und Tage voller reiterlicher Sternstunden. Für die deutsche Reitpferdezucht<br />

waren die Olympischen Spiele in Tokio Erntetage. Deutsche Pferde gewannen<br />

fast ein Drittel aller möglichen Medaillen. Holsteiner Gene waren stärker<br />

daran beteiligt, als die Zahlen auf den ersten Blick preisgeben.<br />

VON GABRIELE POCHHAMMER<br />

Fotos: www.sportfotos-lafrentz.de<br />

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PFERD+SPORT 09 | 21 PFERD+SPORT 09 | 21<br />

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OLYMPIA 2021<br />

Fotos: www.sportfotos-lafrentz.de<br />

oben | Drei Mal Gold – drei strahlende Gesichter.<br />

Der Gewinn der Mannschaftsgoldmedaille von<br />

Dorothee Schneider, Isabell Werth und Jessica<br />

von Bredow-Werndl war nahezu konkurrenzlos.<br />

rechts | Die Trakehner Stute TSF Dalera BB<br />

tanzte unter ihrer Reiterin Jessica von Bredow-<br />

Werndl in allen drei Wertungsprüfungen zu Platz<br />

eins.<br />

unten | Gewannen die Silbermedaille in der<br />

Einzelwertung: Bella Rose und Isabell Werth, die<br />

anschließend bekanntgab, Bella Rose aus dem<br />

Sport zu verabschieden. Beim CHIO in Aachen<br />

wird ihr letzter sportlicher Auftritt sein.<br />

Die strengen Hygiene-Bestimmungen<br />

drückten den Spielen ihren Stempel<br />

auf. Alle Athleten mussten täglich<br />

einen „Spucktest“ abgeben. <strong>Im</strong>mer wieder<br />

wurden positive Fälle auch unter den Athleten<br />

im Olympischen Dorf herausgefischt<br />

und von daher erwies es sich als gute Entscheidung,<br />

dass die deutschen Reiter samt<br />

Anhang nicht im Athletendorf, sondern in einem<br />

Hotel wohnten. Die klimatisierten Ställe<br />

und gepflegten Trainingsplätze im Equestrian<br />

Park boten ideale Bedingungen, wie auch die<br />

Arena mit dem perfekten, federnden Boden.<br />

Es gab sogar einige Geländehindernisse zum<br />

Üben. Die Japaner hatten es an nichts fehlen<br />

lassen und es war ein Jammer, auf die leeren<br />

Tribünen zu schauen. Alle Tickets waren bereits<br />

verkauft, als die Regierung die Stadien<br />

für Zuschauer schloss. Die Bevölkerung, die<br />

letztlich über Steuergelder das ganze Spektakel<br />

mitfinanziert hatte, musste außen vor<br />

bleiben. Meterhohe Drahtzäune trennten auf<br />

dem Weg zum <strong>Olympia</strong>stadion die Gäste von<br />

den Einheimischen, die gleichwohl winkten<br />

und Schilder mit „Welcome to Tokio“ hochhielten.<br />

Von feindseliger Ablehnung keine<br />

Spur.<br />

In allen drei Disziplinen galt ein neues<br />

<strong>Olympia</strong>-Reglement, es fand wenig Gegenliebe<br />

bei den Aktiven und ihren Betreuern,<br />

aber die hatte natürlich niemand gefragt. Es<br />

gab kein Streichergebnis mehr, ein Rückfall<br />

in alte Zeiten. Ein Ausfall konnte nicht mehr<br />

kompensiert werden, was in Vielseitigkeit<br />

und Springen dramatischer war als in der<br />

Dressur.<br />

DRESSUR<br />

Traumpaar<br />

Jessica und<br />

TSF Dalera<br />

BB<br />

Auch in der Dressur zählte jeder Ritt. Der Grand<br />

Prix galt einerseits als Qualifikation für das<br />

Teamfinale im Grand Prix Special und zugleich<br />

als Qualifikation für die Einzelwertung, die Kür.<br />

In beiden Finals wurde wieder mit Null begonnen.<br />

Die drei deutschen Reiterinnen traten als<br />

Favoriten an und lieferten: Mannschafts-Gold,<br />

oben | Präsentierten sich außerhalb der<br />

Prüfungsvierecke in Bestform: Helen Langehanenberg<br />

und die Holsteiner Stute Annabelle<br />

(Günther Fielmann, Schierensee).<br />

Einzelgold, Einzel-Silber. TSF Dalera BB v. Easy<br />

Game und Jessica von Bredow-Werndl waren<br />

das überragende Paar dieser olympischen Dressur,<br />

konnte sich in allen drei Prüfungen an die<br />

Spitze setzen. Mit der Stute gelang es der Trakehner<br />

Zucht zum ersten Mal seit 1936, wieder<br />

einen deutschen Dressur-<strong>Olympia</strong>sieger beritten<br />

zu machen. Die Dunkelbraune ist auf den<br />

ersten Blick keine Schönheit, nicht wirklich<br />

eine typische Vertreterin ihrer Zucht. Aber sobald<br />

sie sich bewegt, präsentiert von ihrer perfekt<br />

sitzenden, eleganten Reiterin, verwandelt<br />

sie sich und fängt an zu tanzen. Kleine Versehen<br />

in den ersten beiden Prüfungen konnten den<br />

Gesamteindruck nicht trüben: ein geschmeidiges,<br />

reell gymnastiziertes Pferd, fast immer<br />

mit der Nase vor der Senkrechten, das in allen<br />

schwierigen Lektionen brillierte. Das war Reitkunst<br />

ohne ins Zirzensische abzugleiten. Es<br />

spricht für die Jury unter Vorsitz der Deutschen<br />

Katrina Wüst, dass sie dies honorierte. Es gab<br />

auch andere Bilder.<br />

Isabell Werth auf der Bellissimo-Tochter Bella<br />

Rose gewann Silber, verpasste damit einen<br />

Rekord: Mit acht Goldmedaillen wäre sie mit<br />

der Kanutin Birgit Fischer als beste deutsche<br />

<strong>Olympia</strong>sportlerin gleichgezogen. Die 17-jährige<br />

Fuchsstute glänzte in den Passage-Piaffe-<br />

Touren und Übergängen, aber der knappe<br />

Schritt und ein Versehen in der Galopp-Pirouette<br />

in der Kür sorgten am Ende für einen deutlichen<br />

Abstand von mehr als zwei Prozent zur<br />

Siegerin. Außerdem ging das Pferd fast durchgehend<br />

etwas hinter der Senkrechten. Über die<br />

Bronze-Medaille freute sich die Britin Charlotte<br />

Dujardin auf Gio. Der neunjährige propere,<br />

im Rahmen etwas knappe Fuchs, ging zum<br />

ersten Mal das Kürprogramm mit japanischer<br />

Untermalung, und das mit Bravour. Für die<br />

dritte deutsche Reiterin Dorothee Schneider<br />

auf Showtime lief es nach glanzvollen Ritten in<br />

Grand Prix und Special in der Kür gar nicht: Der<br />

Faden riss nach einer misslungenen Pirouette,<br />

übrig blieb ein enttäuschender 15ter Platz.<br />

<strong>Im</strong> Viereck wird deutsch<br />

gewiehert<br />

Nicht weniger als 28 der 69 Dressurpferde,<br />

die im Reitstadion von Tokio zur ersten Verfassungsprüfung<br />

vortrabten, stammten aus<br />

deutscher Zucht, nur zwei allerdings hatten<br />

das Holsteiner Brandzeichen in den Papieren<br />

und davon ging nur eines an den Start. Der<br />

zehnjährige Totilas-Sohn Te Quiero SF, geritten<br />

vom Österreicher Christian Schumach<br />

verließ mit 70,900 Prozent den Grand Prix.<br />

Das blieb sein einziger Auftritt. Der mächtige<br />

Braune hatte von allen drei Totilas-Söhnen in<br />

Tokio am wenigsten Ähnlichkeit mit seinem<br />

berühmten Vater, sondern kam eher auf die<br />

Familie seiner Mutter Iskia v. Loutano-Fernando-Anklang,<br />

Züchter Jens-Peter Timm (Norderstedt).<br />

Auffallend war die Begabung des<br />

Braunen für Piaffe und Passage.<br />

Als Reservistin blieb Helen Langehanenberg<br />

mit Annabelle v. Conteur-Linaro-Reichsgraf,<br />

Züchter Günther Fielmann, Schierensee,<br />

am Rande des Geschehens, nahm aber am<br />

offiziellen Training teil. Da konnte man sehen,<br />

in welch einer hervorragender Form die Stute<br />

ist, wie selbstverständlich sie sich mit den<br />

Gegebenheiten, etwa dem Flutlicht, abfand,<br />

immer mit schönem Seitenbild, gesetzt in den<br />

Piaffen, immer mit der Nase vor der Senkrechten.<br />

Jedes andere Land der Welt hätte<br />

sich glücklich geschätzt, dieses Paar in seinen<br />

Reihen zu haben. Für die Europameisterschaft<br />

in Hagen sind beide gesetzt und es<br />

würde nicht wundern, wenn mit Annabelle<br />

eine Holsteinerin in die erste Reihe der internationalen<br />

Dressurszene zurückkehrt.<br />

Auch bei den Pferden in den Medaillenrängen<br />

fand sich hier und da Holsteiner Einfluss.<br />

Die Überraschung der Dressur in Tokio<br />

war die US-Amerikanerin Sabine Schut-Kery.<br />

Die gebürtige Krefelderin kommt aus einer<br />

ganz anderen Ecke, hat Shows mit Barockpferden<br />

gestaltet, unter anderem das Pferdemusical<br />

Zauberwald. Auf dem bildschönen<br />

Sanceo v. Sandro Hit wurde sie Fünfte in der<br />

Kür, Zweite mit dem Team. Sanceo ist ein<br />

Enkel von Ramiro’s Son II. Suppenkasper von<br />

Steffen Peters (USA) führt das Blut des in den<br />

Niederlanden sehr erfolgreich eingesetzten<br />

Lacapo-Sohnes Flemmingh.<br />

▲<br />

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OLYMPIA 2021<br />

Fotos: www.sportfotos-lafrentz.de<br />

VIELSEITIGKEIT<br />

Verdienter<br />

Einzeltriumph<br />

für Julia<br />

Krawejski<br />

Die olympische Vielseitigkeit begann mit<br />

einer neuen Dressuraufgabe, die keine Begeisterung<br />

entfachen konnte. Einreiten ohne<br />

Halten und Grüßen, dann Schlag auf Schlag<br />

die Lektionen, immerhin Galopp- und Trabtraversalen,<br />

und vier fliegende Galoppwechsel.<br />

In etwas mehr als drei Minuten war alles<br />

vorbei. So sollte Zeit eingespart werden. Die<br />

Geländestrecke war auf der Insel Sea Forest<br />

vor Tokio, einer ehemaligen Mülldeponie, gestaltet.<br />

Zwar hatte der Aufbauer sich bemüht,<br />

einige Galoppierstrecken einzubauen, aber<br />

am Ende folgten die Hindernisse schnell aufeinander<br />

und fragten alles ab, was den modernen<br />

Geländesport ausmacht: trickige<br />

Kombinationen, Ecken, mehrere Wasserstellen<br />

und respektable Einzelhindernisse. Das<br />

kupierte Gelände mit kleinen Hügeln und<br />

Unebenheiten auch innerhalb der Hindernis-<br />

Komplexe verlangte ein wendiges, ausbalanciertes<br />

Pferd. An vielen Hindernissen waren<br />

MIM-Sicherheitssysteme angebracht, die<br />

roten an gerade anzureitenden Sprüngen,<br />

die gelben an Ecksprüngen, diese<br />

ließen die Stangen relativ schnell fallen<br />

und kosteten am Ende den Dressurbesten<br />

Michael Jung auf Chipmunk<br />

seinen dritten <strong>Olympia</strong>sieg<br />

in Folge. Ohne die elf<br />

Strafpunkte am Ecksprung<br />

14, die außer ihm noch<br />

sechs andere Reiter kassierten,<br />

hätte es zum Rekord-Gold<br />

gereicht. Da<br />

gibt es noch genügend<br />

Stoff für nacholympische<br />

Diskussionen.<br />

Wie immer<br />

bot die Vielseitigkeit<br />

die größte<br />

Variation an<br />

Abstammungen.<br />

Von den 57 bei der ersten Verfassungsprüfung<br />

vorgeführten Buschpferden stammten<br />

17 aus deutscher Zucht, darunter sechs aus<br />

Holstein. Erscheinungsbild und Genetik der<br />

olympischen Vielseitigkeitspferde haben sich<br />

der Entwicklung des Sportes angepasst. Die<br />

gestiegenen Anforderungen im Springen, die<br />

rechts | Julia Krajewski<br />

und Amande de<br />

B`Neville gewannen in<br />

Tokio souverän und<br />

verdient die Einzelgoldmedaille.<br />

immer trickreichere Linienführung im Gelände<br />

vor allem in den Hinderniskomplexen<br />

und jetzt auch noch die MIM-Sicherheitssysteme,<br />

die schon bei leichterem Anschlagen<br />

öffnen, machen einen anderen Pferdetyp<br />

erfolgreich. Nicht mehr die Blutpferde, also<br />

Vollblüter, Dreiviertel- oder Halbblüter dominierten<br />

das Feld, sondern Warmblüter, mit<br />

entsprechenden Bewegungen für die Dressur,<br />

mit Springvermögen und Vorsicht und dennoch<br />

genügend Galoppiervermögen, um einen<br />

Zehn-Minuten-Kurs durchzustehen.<br />

Der einzige reine Vollblüter im Aufgebot<br />

von Tokio, Glenfly, geritten vom Brasilianer<br />

Marcelo Tosi, wurde noch nicht mal als solcher<br />

geführt, sondern lief unter „Other“, also<br />

„Andere“, wohl weil die<br />

Vollblutzuchtverbände<br />

nicht der World Breeding<br />

Association für<br />

Sport Horses (WBFSH)<br />

angeschlossen sind.<br />

Abgesehen von den drei<br />

heimatlosen „Others“ waren 19 Zuchtverbände<br />

vertreten, viele nur mit einem Pferd,<br />

wobei sich die Sportlinien zunehmend verbandsübergreifend<br />

mischen. Den Spitzenplatz<br />

mit zehn Pferden nahm die<br />

französische Reitpferdezucht<br />

ein, inzwischen nicht mehr ganz<br />

so strikt auf eigenes Blut beschränkt,<br />

der Carthago-Sohn Mylord<br />

Carthago tauchte häufig auf, auch<br />

in den Pedigrees der Springpferde.<br />

Auch im deutschen Team<br />

galoppierten zwei Franzosen.<br />

Viamant du Matz von dem in<br />

Holstein sehr erfolgreich eingesetzten<br />

Diamant de Semilly von<br />

Sandra Auffarth, aber vor allem Julia<br />

Krajewskis Goldpferd Amande de<br />

B’Neville, die väterlicherseits über<br />

Oscar des Fontaines v. Lando v. Lancier<br />

auf Landgraf zurückgeht. Auch Silberund<br />

Bronze-Gewinner saßen auf Selle<br />

Français: Tom McEwens Pferd Toledo der<br />

Kerser stammt v. Diamant de Semilly,<br />

Andres Hoys Fuchs Vassily de Lassos von<br />

dem Fast-Vollblüter Jaguar Mail.<br />

Zur britischen Goldmannschaft gehörte<br />

der von Laura Collett gerittene Holsteiner<br />

London v. Landos-Quinar-Cassini<br />

I, Züchter Ocke Riewerts (Alkersum), der<br />

im vergangenen Jahr die einzige<br />

Fünf-Sterne-Prüfung 2020 in<br />

Pau gewonnen hatte. Der Lord-<br />

Sohn Landos kann nunmehr<br />

links | <strong>Im</strong> Team<br />

der Neuseeländer,<br />

das vor dem finalen<br />

Springen noch auf<br />

Medaillenkurs gelegen<br />

hatte, gingen<br />

zwei Holsteiner an<br />

den Start. Einer von<br />

ihnen ist der elfjährige<br />

Diachello v. Diarado-Chello<br />

I (Thomas<br />

Visser, Dentlein am<br />

Forst) unter Jesse<br />

Campbell.<br />

links | Zur Goldmedaille<br />

des britischen<br />

Teams trugen Laura<br />

Collett und London v.<br />

Landos-Quinar (Ocke<br />

Riewerts, Alkersum)<br />

mit ihrer fehlerfreien<br />

Runde im Gelände<br />

bei.<br />

auf Nachkommen in allen drei olympischen<br />

Disziplinen verweisen.<br />

Alle drei britischen Paare hatten Fünf-Sterne-Siege<br />

auf dem Konto, alle kamen ohne<br />

Hindernis- und Zeitfehler durchs Gelände.<br />

Das gelang insgesamt neun Reitern, mehr als<br />

der Parcourschef vermutet hatte. Die Briten<br />

holten sich im Springen ihr Favoriten-Gold<br />

ab, vor Australien und Frankreich. Das deutsche<br />

Team konnte sich immerhin von Platz<br />

sechs auf Platz vier vorarbeiten. Bei Sandra<br />

Auffarth auf Viamant de Matz gelang nach<br />

mäßiger Dressur und einem Vorbeiläufer im<br />

Gelände ein fehlerloser Parcours, Platz 31.<br />

Cato v. Contendro unter Louise Romeike<br />

schied ebenso aus wie Calle v. Cristo unter<br />

dem Japaner Yoshiaki Oiwa. Diachello v. Diarado<br />

(Thomas Visser, Dentlein am Forst) unter<br />

dem Neuseeländer Jesse Campbell wurde<br />

22ster. Die Contendro I-Tochter Corrida von<br />

Reservereiter Andreas Dibowski kam nicht<br />

zum Einsatz.<br />

Der Pechvogel des Einzelspringens war der<br />

Neuseeländer Tim Price, der mit dem Holsteiner<br />

Vitali v. Contender-Heraldik xx-Landgraf,<br />

Züchter Günther Fielmann, als Fünfter ins<br />

Springen ging, also noch in Medaillennähe.<br />

Zu viele Abwürfe warfen ihn auf Platz 24 zurück.<br />

Mit einer grandiosen Mischung aus reiterlichem<br />

Können und Nervenstärke ritt Julia<br />

Krajewski auf Amande de B’Neville zum <strong>Olympia</strong>gold,<br />

nur 0,4 Zeitstrafpunkte im Gelände<br />

addierten sich zu ihrem Dressurergebnis.<br />

Silber ging an den Briten Tom McEwen auf<br />

Toledo de Kerser, vor dem australischen Evergreen<br />

Andrew Hoy auf Vassily de Lassos, der<br />

einzige Reiter, der mit seinem Dressurergebnis<br />

abschloss.<br />

“<br />

Erscheinungsbild<br />

und Genetik der<br />

olympischen<br />

Vielseitigkeitspferde<br />

haben sich der<br />

Entwicklung des<br />

Sportes angepasst.<br />

links | Verlor die Nerven im<br />

Springparcours: Tim Price (NZL),<br />

der mit Vitali v. Contender-Heraldix<br />

xx (Günther Fielmann,<br />

Schierensee) vor dem abschließenden<br />

Springen noch auf<br />

einem aussichtsreichen fünften<br />

Platz gelegen hatte.<br />

▲<br />

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OLYMPIA 2021<br />

SPRINGEN<br />

Gold für<br />

unschlagbare<br />

Schweden<br />

Auch das Springen wurde in einem neuen<br />

<strong>Olympia</strong>modus entschieden, der wenig Anklang<br />

bei den Akteuren fand. Die Einzelentscheidung,<br />

Qualifikation und Finale, wurden<br />

vor dem Mannschaftsspringen ausgetragen,<br />

das wieder nicht wie ein klassischer Nationenpreis<br />

über zwei gleiche Umläufe ging, sondern<br />

über eine Qualifikation und ein Finale mit<br />

jeweils unterschiedlichen Kursen. Die Befürchtung,<br />

unter anderem von Bundestrainer<br />

Otto Becker, dass in der Einzelentscheidung<br />

schon so viel aus den Pferden herausgenommen<br />

würde, dass die Kraft am Ende nicht<br />

mehr fürs Team reicht, bewahrheitete sich<br />

nicht. Die Schweden, souverän von Tag eins<br />

an, fegten auch durch den letzten Parcours,<br />

als sei es der erste. Die Fehler der Deutschen<br />

hatten wohl andere Gründe.<br />

Das Einzelfinale erreichte nur Daniel Deußer<br />

auf der BWP-Stute Killer Queen, verpasste<br />

dann aber mit zwei Abwürfen das Stechen<br />

deutlich. Die beiden anderen deutschen Reiter,<br />

André Thieme auf Chakaria v. Chap und<br />

Christian Kuckuk auf Mumbai v. Diamant de<br />

Semilly, waren mit je zwei Abwürfen schon<br />

nicht mehr dabei. Das Finale wurde in einem<br />

Sechserstechen entschieden. Souverän holte<br />

sich der letzte Reiter, der favorisierte Brite Ben<br />

Maher auf dem zwölfjährigen Chacco Blue-<br />

Sohn Explosion das Gold, Silber ging an Peder<br />

Fredricsson auf All In, Bronze an den Niederländer<br />

Maikel van der Vleuten auf Beauville<br />

Z, einem Enkel des Holsteiners Indoctro.<br />

Für das Mannschaftspringen sah es zunächst<br />

besser für die Deutschen aus. Allen<br />

drei Reitern gelang in der Qualifikation eine<br />

springfehlerfreie Runde: Maurice Tebbel auf<br />

Don Diarado, Sohn des Holsteiners Diarado,<br />

der im Einzelspringen auf der Reservebank<br />

gesessen hatte, André Thieme, der mit der<br />

zwar unter DSP-Flagge laufenden, aber ganz<br />

oben | Start-Ziel-Sieg für<br />

Team Schweden! Die Mannschaftsgoldmedaillengewinner:<br />

Malin Baryard-Johnsson,<br />

Peder Fredricsson und Hendrik<br />

von Eckermann (v.l.)<br />

auf Holsteiner Basis gezogenen Chakaria v.<br />

Chap I-Askari-Levisto wohl eines der besten<br />

Pferde der Welt unter dem Sattel hat, und<br />

Daniel Deußer auf der souverän springenden<br />

Killer Queen v. Eldorado vd Zoeshoek. <strong>Im</strong> Entscheidungsspringen<br />

lief es nicht mehr, schnell<br />

wurde klar, dass ohne Nullrunden keine Medaille<br />

zu holen war. Thieme bekam am Ende<br />

des Kurses zwei Abwürfe, Tebbel einen und<br />

Killer Queen zog zur Überraschung ihres Reiters<br />

in der Dreifachen vor dem überbauten<br />

Doppelt praktisch.<br />

Einfach preiswert.<br />

oben | Mit fehlerfreien Runden waren<br />

der Holsteiner Hengst Quel Homme de<br />

Hus v. Quidam de Revel-Candillo (Dr.<br />

Andreas Kosicki, Berlin) und Jérôme<br />

Guery maßgeblich an der Bronzemedaille<br />

der belgischen Equipe beteiligt.<br />

Graben die Bremse. Deußer strich vernünftigerweise<br />

die Segel.<br />

Die Könige dieses olympischen Springens<br />

waren die Schweden (Peder Fredricsson/All<br />

In, Hendrik von Eckermann/King Edward und<br />

Malin Baryard-Johnsson/Indiana), bis zum<br />

letzten Mannschaftsfinale hatte keines der<br />

drei Pferde eine Stange abgeworfen. Das Stechen<br />

gegen die drei US-Reiter artete zum<br />

Flachrennen aus. Kaum zu glauben, aus welchem<br />

Tempo Pferde noch springen können,<br />

und zwar sauber! Auch im US-Silber-Team<br />

fand sich einiges an Holsteiner Blut: Laura<br />

Krauts Pferd Baloutinue stammt von Balou du<br />

Rouet-Landor S, McLain Ward saß auf Contagious<br />

v. Contagio. <strong>Im</strong> belgischen Bronzeteam<br />

ritt Jérome Guéry den Holsteiner Quel Homme<br />

de Hus v. Quidam de Revel-Candillo, Züchter<br />

Dr. Andreas Kosicki, Berlin. Pieter Devos ritt<br />

auf Claire Z v. Clearway-Coronado und Gregory<br />

Wathelets Pferd Nevados S hatte den<br />

Holsteiner Chellano zum Großvater. Fazit: Die<br />

Springpferdezucht ist längst international,<br />

die erfolgreichen Blutlinien sind miteinander<br />

verwoben. Die Zukunft ist global.<br />

▲<br />

Fotos: www.sportfotos-lafrentz.de<br />

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Aufgenommen am Stall Böckmann<br />

oben | Schnell und fehlerfrei waren<br />

VDL Cartello v. Cartani-Lord (Witt<br />

Pferdezucht GbR, Wellinghusen) und<br />

Darragh Kenny (IRL) in der Qualifikation<br />

unterwegs.<br />

oben | Ohne Abwurf, lediglich mit zwei<br />

Zeitfehlern behaftet, kamen Daniel Meech<br />

(NZL) und Cinca v. Casall-Carthago (Peter<br />

Wylde, Belgien) aus der Qualifikation. Diese<br />

Form konnte das Paar leider nicht halten.<br />

oben | Zogen nach einem fünften<br />

Platz in der Qualifikation souverän<br />

ins Einzelfinale ein: Mario Deslauriers<br />

(CAN) und Bardolina v. Clarimo-<br />

Landos (Ute Jürgensen, Sehestedt)<br />

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IN HOLSTEIN EINGETRAGENE PFERDE<br />

Name<br />

Geburtsjahr<br />

Vater Mutter Muttervater Vater der<br />

Großmutter<br />

Stamm Züchter Nation des Reiters Reiter<br />

Zypria 2007 Canturo Touch of Class Lux Z Capitol 4025 Julius-Peter Sinnack, Bocholt Niederlande Willem Greve<br />

VDL Cartello 2007 Cartani B-Estelle Lord Sacramento Song xx 741 Witt GbR, Wellinghusen Irland Darragh Kenny<br />

Chopin VA 2009 Casall Odina III Coriano Cantus 5064 Manfred v. Allwörden,<br />

Grönwohld<br />

Sri Lanka<br />

Mathilda Karlsson<br />

Cinca 2009 Casall L-Cinderella Carthago Lord 318D2 Peter Wylde, Belgien Neuseeland Daniel Meech<br />

Carlito's Way 2010 Casall Nicoletta I Lordanos Silvester 4847 Johannes Petersen, Bredenbek Brasilien Rodrigo Pessoa<br />

Amsterdam 2010 Catoki Soraya VI Acord II Lord 741 Sönke Petersen, Behrendorf Israel Teddy Vlock<br />

Bardolina 2009 Clarimo Villimey Landos Cantus 671 Ute Jürgensen, Sehestedt Kanada Mario Deslauries<br />

Darc de Lux 2011 Darco Ordelia Contender Cor de la Bryere 1094 Morten Augustinus, Dänemark Dänemark Andreas Schou<br />

Quel Homme de<br />

Hus<br />

2006 Quidam de Revel P-Hawai II Candillo Alcatraz 4748 Dr. Andreas Kosicki, Berlin Belgien Jerome Guery<br />

Quintino 2009 Quinton Violette Dawn Cracker Jack Lancer II 318d2 Peter Nagel-Tornau, Wangels Argentinien Martin Dopazo<br />

Casebrooke<br />

Lomond<br />

2008 Lansing Lara I Calido I Calvados II 5064 Bert Elstob, Australien Australien Katie Laurie<br />

Der Holsteiner<br />

VERBAND DER ZÜCHTER DES HOLSTEINER PFERDES E.V.<br />

HOLSTEINER VERBAND HENGSTHALTUNGS GMBH<br />

HOLSTEINER VERBAND VERMARKTUNGS- UND AUKTIONS GMBH<br />

HOLSTEINER IN ANDEREN ZUCHTVERBÄNDEN<br />

Name<br />

Geburtsjahr<br />

Vater Mutter Muttervater Vater der<br />

Großmutter<br />

Stamm Nation des Reiters Reiter<br />

Claire Z 2008 Clearway Colessa Z Coronado Calando I 474a Belgien Pieter Devos<br />

Verdini D'houtveld Z 2011 Verdi Laska III Caretino Landgraf 5054 Neuseeland Sharn Wordley<br />

Armani SL Z 2008 Asca Z Cumlaude Cumano Cor de la Bryère 628b Mexiko Eugenio Garza Perez<br />

Nevados D 2008 Calvados Z Nestia S Romualdo Nimrod 930 Belgien Gregory Wathelet<br />

Denver 2008 Albführen's<br />

Memphis<br />

Chico's Girl Chico's Boy Leandro 8798 Großbritannien Holly Smith<br />

Warness 2010 Warrant Bariness Larino Fedor 2027 Tschechien Kamil Papousek<br />

Quatro 2006 Quaprice Bois<br />

Margot<br />

Fine Kiss Caletto I Leander 2474 Norwegen Geir Gulliksen<br />

Quel Filou 2006 Quidams Rubin Miss Mapple Cascavelle Masetto 2495 Frankreich Mathieu Billot<br />

Benitus Di Vallerano 2010 Baedeker Cassan di Villa<br />

Francesca<br />

Clockwise of<br />

Greenhill Z<br />

Cassini I Natal 242 China Jasmine Shao Man Chen<br />

2007 Clearway Gala Caretino Landgraf 3488 Neuseeland Uma O'Neil<br />

For Passion d'Ive Z 2007 For Pleasure Bellisima Quidam de Revel Landgraf 4847 China Xingjia Zhang<br />

Tabellen: Joachim Tietz<br />

SPRINGPFERDE BEI DEN OLYMPISCHEN SPIELEN<br />

NACH VERBÄNDEN<br />

Drei unschöne Vorfälle belasteten<br />

das Ansehen des Pferdesports in<br />

Tokio. Das Schweizer Vielseitigkeits-Pferd<br />

Jet Set musste<br />

eingeschläfert werden, nachdem es<br />

im Wasser so unglücklich<br />

aufgekommen war, dass mehrere<br />

Bänder oberhalb des Vorderhufes<br />

rissen, die Verletzung wurde von<br />

den Tierärzten als inoperabel<br />

beurteilt. Obwohl niemanden eine<br />

Schuld trifft, gab es heftige und<br />

VÄTER DER SPRINGPFERDE MIT MINDESTENS<br />

ZWEI NACHKOMMEN<br />

KWPN 15<br />

Chacco Blue 5<br />

SF 13<br />

Casall 4<br />

BWP 12<br />

Cardento 4<br />

HOLST 10<br />

Diamant de Semilly 3<br />

ZANG 8<br />

Kannan 3<br />

OL/OS 6<br />

Mylord Carthago 3<br />

WESTF 4<br />

Verdi 3<br />

SBS 4<br />

Catoki 2<br />

HANN 2<br />

Cornet Obolensky 2<br />

ISH 2<br />

Diarado 2<br />

RHL 2 Toulon 2<br />

OLYMPIA 2021<br />

medienwirksame Reaktionen der so<br />

genannten Tierschützer.<br />

<strong>Im</strong> Einzelfinale bekam das Pferd<br />

Kilkenny des Iren Cian o’Connor<br />

heftiges Nasenbluten. Der Reiter<br />

beendete den Parcours. Am Ziel<br />

waren auch Hals und Schulter des<br />

Schimmels blutbespritzt. Der Reiter<br />

wurde dennoch nicht disqualifiziert,<br />

behielt also seinen siebten Platz,<br />

weil die Blutung nicht durch<br />

reiterliche Einwirkung zustande<br />

gekommen sei. Das wird in den<br />

entsprechenden FEI-Gremien noch<br />

zu diskutieren sein.<br />

Der dritte Fall war der spektakulärste,<br />

betraf aber nicht den Pferdesport,<br />

sondern den Modernen<br />

Fünfkampf. Die Deutsche Annika<br />

Schleu, nach Fechten und<br />

Schwimmen auf Goldkurs, schlug<br />

auf das ihr zugeloste widersetzliche<br />

Pferd ein, das in der Ecke stand und<br />

sich wehrte, die Trainerin versuchte<br />

mit einem Fausthieb nachzuhelfen.<br />

Das Bild der verzweifelten Reiterin<br />

und des völlig verstörten Pferdes<br />

ging um die Welt. Mehrere<br />

Spitzenreiter forderten in den<br />

Medien, Reiten im Fünfkampf durch<br />

eine andere Sportart zu ersetzen.<br />

Der Fünfkämpferverband will davon<br />

nichts wissen, auch hier stehen<br />

Diskussionen bevor.<br />

Fotos: L. Petersen, U. Beelitz, Dr. T. Becker (www.equitaris.de)<br />

34<br />

22<br />

INHALT 09/2021<br />

22 Holsteiner bei den Bundeschampionaten: reiche Ausbeute<br />

32 15 Minuten mit Carsten Thiesing<br />

34 Fohlenschauen aller Orten<br />

36 Holsteiner Notizen<br />

37 Holsteins Elite des Jahrgangs 2021: R+V/VTV Fohlenchampionat<br />

38 News: Regeln für Hengstvorauswahlen und Körveranstaltungen verabschiedet<br />

40 Der Jungzüchter: Lehrgang in Elmshorn<br />

20<br />

PFERD+SPORT 09 | 21<br />

PFERD+SPORT 09 | 21<br />

21

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