Neue Szene_21-09_Epaper
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Zoom
doppelt so hoch wie bei der Bundestagswahl im
Jahr 2017.
„Es ist bemerkenswert, dass Augsburg eine
weibliche Doppelspitze hat, das dürfte in einer
deutschen Großstadt einmalig sein.“
Dass immer noch so viele Konstellationen
möglich sind, liegt auch an den beiden
Kanzlerkandidat*innen eurer Parteien.
Sind die beiden bisher die wichtigsten
Wahlkämpfer*innen für Olaf Scholz und die
SPD?
Ullrich: Ich finde die Frage schwierig formuliert.
Es wird in der Öffentlichkeit zunehmend der
Eindruck erweckt, als ginge es bei der Bundestagswahl
um eine Art Präsidentschaftswahlkampf
mit den drei Kanzlerkandidaten im Mittelpunkt.
Das halte ich aber für ziemlich verkürzt, denn
wir wählen das Verfassungsorgan Deutscher Bundestag,
der sich in Koalitionen zur Regierungsbildung
zusammenfinden muss und dann einen
Kanzler oder eine Kanzlerin wählt. Der Bundestag
hat dann aber auch jederzeit die Möglichkeit,
diesen Kanzler auszutauschen. Entscheidend ist
also die Erringung von Parlamentsmehrheiten.
Unser Kandidat Armin Laschet ist nach den
Umfragen Stand jetzt Ende August unter Wert
geschlagen, denn er hat es in seinem Bundesland
NRW unter schwierigen Verhältnissen geschafft,
eine Regierung zu bilden und in der Union die
unterschiedlichen Flügel integriert. Er hat einen
klaren europäischen Auftrag und das Bewusstsein,
das, was in unserem Land gut gelaufen ist, stabil
weiterzuführen und zu modernisieren.
War es die richtige Entscheidung ihn und
nicht Söder zu nominieren?
Ullrich: Dass die CSU den eigenen Vorsitzenden
präferiert hätte, ist kein Geheimnis. Klar ist
aber auch, die Wahl der CSU bedeutet, dass wir
eine starke Vertretung Bayerns in Berlin haben
werden und unser Parteichef Markus Söder dann
in Koalitionsrunden auch eine starke Rolle spielen
wird. Die CSU hat eine besondere Rolle, nämlich
auch auf Bundesebene anzuschieben und in vielen
Punkten moderner als die CDU zu sein.
Wie zufrieden bist du mit Annalena Baerbock?
Roth: Wir haben mit Annalena Baerbock
die absolut richtige Wahl getroffen, auch wenn
zuletzt Fehler passiert sind. Sie hat Mut, Herz und
Haltung, kennt sich unfassbar gut mit Inhalten
aus und sie kennt auch die Partei unglaublich
gut. Die Grünen sind in diesem Wahlkampf so
geschlossen, wie ich es zuvor noch nie erlebt habe.
An Annalenas Seite steht Robert Habeck, die beiden
sind ein Topteam, dazu haben wir bärenstarke
Landeslisten und drei weitere Vorteile: Wir haben
doppelt so viele Mitglieder wie bei der letzten
Bundestagswahl, wir haben ein mega Programm,
dem eine intensive Debatte mit 3.300 Änderungsanträgen
zum Entwurf vorausgegangen ist. Dieses
Programm ist in der Partei verankert und es steht
so viel wichtiges drin, was wir verändern wollen.
Drittens haben wir sehr viele Bündnispartner.
Bei uns gehören die Spitzen zur Partei, sind nicht
alleinstehend und einziges Aushängeschild, wie
bei Herrn Scholz. Ich möchte es der SPD auch
nicht durchgehen lassen, dass ihre Zustimmungswerte
durch Nichtstun und Stillstand wachsen.
Darum muss jetzt die Auseinandersetzung mit
den anderen Parteien um die Inhalte viel stärker
passieren und ich glaube, dass noch sehr viel drin
ist in diesem Wahlkampf. Zumindest kann ich
mich an keine Bundestagswahl erinnern, bei der
drei Parteien so nah beieinander lagen wie jetzt.
Unsere Werte liegen aktuell übrigens mehr als
Claudia, sollten Die Grünen Teil der neuen
Bundesregierung werden, wärst du bereit für
ein Ministerium?
Roth: Diese Frage stelle ich mir jetzt definitiv
nicht. Ich stehe seit 2013 im Präsidium des
Bundestags in einer Funktion, die mich extrem
ausfüllt. Damals haben mich viele gefragt, ob ich
mich jetzt ins „Austragsstüble“ zurückziehe, als
wäre das Amt im Präsidium des Bundestags, in
der Herzkammer der Demokratie, keine wichtige
Funktion. Nach 13 Jahren Parteivorsitz war meine
Wahl zur Vizepräsidentin erst einmal ein Vertrauensvorschuss
auch der Kolleg*innen anderer
Fraktionen. Seit 2017 hat sich dann mit dem
Einzug der AfD in den Bundestag und durch die
Pandemie alles noch einmal komplett verändert.
Zu erleben, wie wichtig unsere Demokratie ist,
und den Bundestag entgegen dem Heißhunger
der Exekutive zu setzen. Oder wie wichtig es ist,
in Pandemiezeiten einen handlungsfähigen Bundestag
ohne Notparlamente zu haben. Zu sehen,
wie wichtig es ist, mit den Demokratie- und
Verfassungsfeinden im Parlament umzugehen
und ihnen zu zeigen, wie stark unsere Demokratie
ist und was ihre Basis und ihr Kern sind. Insofern
stelle ich mir jetzt nicht die Frage, was wäre wenn,
sondern ich kämpfe erst einmal mit aller Kraft
dafür, dass die Grünen möglichst gut abschneiden,
und dann schauen wir mal.
Volker, du bist einer der eifrigsten Redner im
Bundestag, was man in Augsburg mit großer
Anerkennung zu würdigen weiß. Wo siehst du
dich in der Hierarchie deiner Koalition?
Ullrich: Man würde tatsächlich nicht 168
Mal von seiner Fraktion als Redner im Bundestag
benannt, wenn man kein Ansehen und kein Standing
hätte. Diese Plenarpräsenz hängt übrigens
auch mit meinen vielfältigen Funktionen innerhalb
der Fraktion zusammen. Der Umstand, viel
Redezeit zu bekommen ist also eine Würdigung
meiner Arbeit und meiner Person in der Fraktion.
Man weiß, dass es mir in meinen Reden immer
darum geht, im besten Sinne eines Demokraten
konstruktiv zu sein und Lösungen aufzuzeigen,
ohne dabei andere herabzuwürdigen und polemisch
zu sein. Wichtig ist mir dabei immer, mich
deutlich von den Verfassungsfeinden abzugrenzen
und es gab zahlreiche Reden, in denen ich
aufgezeigt habe, an welche geistige und politische
Traditionen die AfD wirklich anknüpfen möchte.
Ich bin also überzeugt davon, innerhalb des
Bundestags eine starke Rolle zu haben und viel
bewegen zu können.
Hast du konkrete politische Ziele?
Ullrich: Ich habe einmal vor vielen Jahren in
einem Interview mit einem Augsburger Magazin,
ich glaube es war die Neue Szene (lacht), gesagt: