bull_09_04_Struktur
Credit Suisse bulletin, 2009/04
Credit Suisse bulletin, 2009/04
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Seit 1 das Magazin der Credit Suisse Nummer 4 Nov./Dez. 0<br />
<strong>Struktur</strong><br />
U-Bahnen Zwei Informatiker tüfteln am besten Plan<br />
Chaostheorie Kleine Ursachen mit grosser Wirkung<br />
kammerorchesterbasel Erfolg mit spezieller <strong>Struktur</strong><br />
Child’s Dream Kindern eine bessere Zukunft bieten<br />
CH-Wirtschaft Die Gewinner und Verlierer der Krise<br />
Ben van Berkel Der Stararchitekt im Gespräch
Ist nach der<br />
Krise vor<br />
der Krise?<br />
Eine Krise birgt nicht nur Risiken, sie bietet auch<br />
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© 20<strong>09</strong> PricewaterhouseCoopers. All rights reserved. PricewaterhouseCoopers refers to the network of member firms of<br />
PricewaterhouseCoopers International Limited, each of which is a separate and independent legal entity.
Editorial 3<br />
Ich mag die U-Bahn. Ich mag ihren speziellen, abgestandenen Geruch, das<br />
Dröhnen und Rattern, wenn die Züge mit einem Windstoss aus dem Tunnelschacht<br />
in die Station donnern. Ich mag das Verharren im Nichtstun, wenn vor<br />
den Fenstern nur dunkle Tunnelwände vorbeihuschen. Und natürlich mag<br />
ich die U-Bahn, weil sie mich in notorisch verstopften Grossstädten wie London,<br />
Paris oder Berlin schneller und verlässlicher als jedes Taxi ans Ziel bringt.<br />
Ein besonders inniges Gefühl verbinde ich mit der U-Bahn in London, wo ich vor<br />
Jahren einmal sechs Wochen verbringen durfte. Die Londoner sprechen von<br />
ihrer U-Bahn als «Tube», zu Deutsch Röhre. Mit der Tube bin ich damals in meiner<br />
Freizeit kreuz und quer durch die Unterwelt Londons zu den unzähligen Sehenswürdigkeiten<br />
dieser Stadt gerattert. Der Plan der Tube wurde dabei meine wichtigste<br />
Orientierungshilfe, da er die verschiedenen Stadtteile anschaulich entlang der<br />
U-Bahn-Linien anordnet.<br />
Bald einmal wusste ich auch ohne Plan, dass der Weg vom Spaziergang in Kew<br />
Gardens zum Konzert in Camden Town über die «District » und «Northern Line» führt.<br />
Die verschiedenen Tube-Stationen waren aber stets sichere Fixpunkte für mein<br />
inneres Navigationssystem. Über deren Rolltreppen konnte ich immer wieder vom<br />
hektischen Strassenleben absteigen in ein simplifiziertes System von wenigen<br />
Linien unterschiedlicher Farbe.<br />
Irgendwann merkte ich aber, dass insbesondere im Zentrum von London vieles<br />
sehr viel näher liegt, als der U-Bahn-Plan mir weismachen wollte. So ist es zum<br />
Beispiel vom Covent Garden zum British Museum zu Fuss lediglich ein Katzensprung,<br />
während man mit der Tube mühsam einmal umsteigen muss. Ab diesem<br />
Tag begann ich London vermehrt aus der Vogelperspektive kennenzulernen und<br />
einzelne geografische Puzzlestücke meiner Erinnerung zu einem grösseren Gebilde<br />
zusammenzufügen. Dadurch formte sich in meinem Kopf Schritt für Schritt ein<br />
neuer, unverzerrter Plan der Stadt.<br />
Foto: Cédric Widmer<br />
Gold Winner<br />
Gold Winner<br />
Preisträger<br />
Genau von dieser Problematik, dass sich ein U-Bahn-Plan nicht zwingend an<br />
der Realität anlehnt, sondern eine möglichst einfache <strong>Struktur</strong> braucht und<br />
die tatsächlichen Distanzen je nachdem staucht oder streckt, handelt unsere Titelgeschichte.<br />
Spannend übrigens, dass die Verantwortlichen der Londoner<br />
U-Bahn im September zwecks besserer Orientierung einen neuen Plan ohne<br />
den Fluss Themse herausbrachten und so den letzten Bezug zur Oberfläche<br />
kappten. Dies löste aber einen derart heftigen Sturm der Entrüstung aus, dass<br />
der Bürgermeister Boris Johnson persönlich per Dekret die Themse wieder<br />
zurück auf den U-Bahn-Plan holen liess und so gewissermassen die Macht<br />
der <strong>Struktur</strong> in ihre Schranken wies.<br />
Daniel Huber, Chefredaktor <strong>bull</strong>etin
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Inhalt<br />
<br />
Coverfoto: Ralf Barthelmes | Foto: Nöllenburg, Wolff<br />
10<br />
<strong>Struktur</strong> Zwei Informatiker aus Deutschland tüfteln seit<br />
Jahren an einem Programm, das die beste <strong>Struktur</strong> für die<br />
optische Umsetzung von U-Bahn-Plänen definiert.<br />
6_ Chaostheorie Warum beim Wetter und beim Billardspiel<br />
kleinste Ursachen riesige Wirkung haben können.<br />
10 _ U-Bahnen Zwei Informatiker arbeiten an einem<br />
Programm, das Verkehrspläne verständlicher macht.<br />
15 _ Im Bild Die Fotografin Nadja Tempest hat Situationen<br />
festgehalten, in denen <strong>Struktur</strong> eine prägende Rolle spielt.<br />
22 _ Schlüssel zur Welt Wie die <strong>Struktur</strong> des Hirns<br />
mit der <strong>Struktur</strong> der Sprache zusammenhängt.<br />
26 _ Verräterisches Umfeld Ein Psychologe aus Texas zieht<br />
Schlüsse aus der Art und Weise, wie Menschen wohnen.<br />
28 _ <strong>Struktur</strong>wandel Wohin steuert die Finanzbranche<br />
nach der Krise? Eine Einschätzung von Giles Keating.<br />
Credit Suisse<br />
31 _ Kurznachrichten Bereits 65 Filialen wurden<br />
kunden- und umweltgerecht umgebaut<br />
34 _ Georges Seurat Das Kunsthaus Zürich<br />
zeigt den Neoimpressionisten im besten Licht<br />
36 _ Zurich Film Festival Das Festival der<br />
Nachwuchsförderung hat sich fest etabliert<br />
37_ Swiss Venture Club Stiftungsgründung<br />
zur Förderung von KMU-Unternehmern<br />
38 _ Kantonsranking Welche Schweizer Kantone<br />
sind wirtschaftlich die attraktivsten?<br />
39 _ New York Philharmonic Grosse Europatournee<br />
und zweites Domizil in London<br />
40 _ kammerorchesterbasel 25 Jahre Erfolg<br />
mit einer ganz besonderen <strong>Struktur</strong><br />
41 _ Zermatt Festival Auf den Klangspuren<br />
von Pau Casals – seit fünf Jahren<br />
42 _ Bestnote Der Outbound-Sales-Bereich<br />
des Call Center ist zertifiziert worden<br />
43 _ Fachstelle Kunst Mit Bilderankauf junge<br />
Schweizer Künstler unterstützen<br />
44 _ Young Singers Project Hochtalentierte<br />
Opernsänger erhalten den letzten Schliff<br />
47 _ Nachwuchsförderung Zwei vielversprechende<br />
Künstler am Lucerne Festival geehrt<br />
48 _ Child’s Dream Einsatz in Thailand beim<br />
Bau von Schulen und im Gesundheitswesen<br />
51 _ Kurznachrichten Habitat for Humanity:<br />
gemeinsam die Wohnungsnot bekämpfen<br />
Wirtschaft<br />
52 _ Nach der Krise Wer sind in der Schweiz<br />
die Gewinner, wer die Verlierer ?<br />
56 _ Speichermedien Dank der Nanotechnologie<br />
bleibt das Moore’sche Gesetz weiter in Kraft<br />
58 _ Mexiko Im wirtschaftlichen Sog des<br />
mächtigen Nachbarn<br />
62 _ Brands Nationale Erfolgsmarken der<br />
Schwellenländer erobern den globalen Markt<br />
Invest<br />
65 _ Aktuelle Analysen und Trends<br />
Leader<br />
70 _ Ben van Berkel Der Stararchitekt über<br />
die Vor- und Nachteile von digitalem Design<br />
Service<br />
43 _ Impressum<br />
69 _ Wissenswert /Nachlese<br />
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<strong>Struktur</strong> Chaostheorie<br />
Wenn das<br />
Chaos regiert<br />
Wetterprognosen, Billardspiele, Planetenbahnen: In vielen<br />
Systemen können kleinste Ursachen riesige Wirkungen<br />
haben. Laut dem Mathematiker Benoît Mandelbrot gilt das<br />
auch für den Finanzmarkt.<br />
Text: Mathias Plüss Chaostheorie: Das<br />
Wort tönt wie ein Widerspruch in sich selbst.<br />
«Wenn wir probieren, etwas zu verstehen,<br />
dann suchen wir nach <strong>Struktur</strong> », hat der<br />
amerikanische Chemie- und Friedensnobelpreisträger<br />
Linus Pauling (1901–1994) einmal<br />
gesagt. «Die ganze Wissenschaft beruht<br />
auf dieser Suche.» Wonach aber sollen wir<br />
suchen, wenn wir das Chaos wissenschaftlich<br />
beschreiben wollen – das sich definitionsgemäss<br />
durch die Abwesenheit jeglicher<br />
Ordnung auszeichnet ?<br />
Wahrscheinlich hat genau dieser scheinbare<br />
Widerspruch dazu beigetragen, die<br />
Chaostheorie in den 1980er-Jahren populär<br />
zu machen: Schaut her, selbst bei den Mathematikern<br />
ist nicht alles exakt, auch die kennen<br />
das Durcheinander. Diese falsche Assoziation<br />
hat dazu geführt, dass heute die meisten<br />
Wissenschaftler den Begriff meiden und<br />
lieber von der Theorie dynamischer Systeme<br />
sprechen. Dabei ist «Chaostheorie» eigentlich<br />
ein treffender Ausdruck: Es geht gerade<br />
darum, dass man in manchen Systemen, wo<br />
auf den ersten Blick ein wildes Durcheinander<br />
herrscht, zugrunde liegende Regeln und<br />
<strong>Struktur</strong>en ausfindig machen kann, die mitunter<br />
sogar recht einfach sind. Die Chaostheorie<br />
hat mit der alten Überzeugung aufgeräumt,<br />
wonach einfache Formeln immer<br />
einfache Muster erzeugen und ähnliche Ursachen<br />
stets ähnliche Wirkungen haben. Das<br />
ist genau der Kern der Theorie: Zwei leicht<br />
verschiedene Ausgangslagen, und mögen<br />
sie noch so nahe beisammen liegen, können<br />
in einem chaotischen System zu komplett<br />
verschiedenen Entwicklungen führen.<br />
Minimale Ursache, maximale Wirkung<br />
Als Vater der Chaostheorie gilt der amerikanische<br />
Meteorologe Edward Lorenz (1917–<br />
2008). Er war ein Pionier der computergestützten<br />
Wetterprognose: Schon 1961<br />
fütterte er seinen Computer mit Gleichungen<br />
für Temperaturen, Wind und Wärmefluss und<br />
liess ihn das künftige Wetter simulieren.<br />
Um sicherzugehen, dass die Maschine richtig<br />
rechnete, wiederholte er eines Tages die<br />
zuletzt ausgeführte Simulation. Damit die<br />
Wiederholung nicht zu lange dauerte, gab<br />
er aber nicht noch einmal die zuvor benutzten<br />
Anfangsdaten ein, sondern Zwischenresultate,<br />
die er ausgedruckt hatte. Eigentlich<br />
sollte das keinen Unterschied machen. Doch<br />
als Lorenz das Resultat sah, traute er kaum<br />
seinen Augen: In der Wiederholung verlief<br />
das Wetter nur kurze Zeit ähnlich wie in der<br />
ursprünglichen Berechnung, entfernte sich<br />
dann davon und führte zu einem komplett<br />
anderen Resultat.<br />
Was war passiert ? Der Haken lag bei den<br />
Zwischenresultaten. Lorenz hatte nur die ersten<br />
drei Stellen nach dem Komma ausgedruckt<br />
– unter anderen die Zahl 0,506.<br />
Diese Zahl tippte er für die zweite Berechnung<br />
ein. Intern rechnete der Computer<br />
aber mit sechs Stellen, in unserem Fall mit<br />
0,506127. Der Unterschied beträgt weniger<br />
als 0,2 Promille, aber daraus entsteht schon<br />
nach wenigen Tagen eine völlig andere Wetterprognose.<br />
Minimale Ursache, maximale<br />
Wirkung. In einem Vortragstitel fasste Lorenz<br />
seine Erkenntnisse in folgender Frage zusammen:<br />
«Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings<br />
in Brasilien einen Tornado in Texas<br />
auslösen?» Der berühmte Schmetterlingseffekt<br />
war geboren.<br />
Wohlverstanden: Chaos bedeutet nicht<br />
«anything goes». Es gehört zu den Mythen<br />
der Chaostheorie, dass der Schmetterlingseffekt<br />
jegliche Prognose verunmögliche.<br />
In Wahrheit sind Vorhersagen für eine gewisse<br />
Zeit sehr wohl möglich. Milliarden von<br />
Schmetterlingen schlagen täglich mit ihren<br />
Flügeln, ohne dass dadurch ein Hurrikan<br />
oder auch nur ein spürbares Lüftchen ausgelöst<br />
würde. Die Chaostheorie besagt nur:<br />
In einem Moment, wo alle anderen Faktoren<br />
stimmen, wo also das System genau auf der<br />
Kippe steht, kann eine Kraft in der Grössenordnung<br />
des Flügelstosses eines Schmetterlings<br />
den Unterschied ausmachen. Ein Hauch<br />
kann sich, im Verbund mit Myriaden anderer<br />
Einflusskräfte, über Tage und Wochen zum<br />
Sturm auswachsen.<br />
Das grosse Njet des dritten Offiziers<br />
Dass manchmal eine Kleinigkeit über den<br />
weiteren Verlauf des Geschehens entscheidet,<br />
ist keine exklusive Entdeckung der<br />
Chaostheorie. «Ich pflege zu sagen, eine<br />
Fliege könne den ganzen Staat verändern,<br />
wenn sie einem grossen König vor der Nase<br />
herumsauset, so eben in wichtigen Ratschlägen<br />
begriffen», schrieb etwa der Philosoph<br />
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 –1716). Mani<br />
Matter erzählt die Geschichte vom Zündhölzli,<br />
das einen Weltkrieg entfacht. Solche Situationen<br />
gibt es tatsächlich: Am 24. Oktober ><br />
Fotos: Scott Camazine, Keystone | Mario Markus, MPI Dortmund<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Chaostheorie <strong>Struktur</strong><br />
<br />
Die grafische<br />
Darstellung eines<br />
Herzschlags.<br />
Das «Apfelmännchen»<br />
ist die<br />
bekannteste Figur<br />
der modernen<br />
Mathematik. Es ist<br />
die konsequente<br />
Umsetzung einer<br />
einzigen mathematischen<br />
Abbildungsvorschrift.<br />
Durch geringfügige<br />
Variation der<br />
Parameter werden<br />
<strong>Struktur</strong>en erzeugt,<br />
die an phantastische<br />
Berglandschaften<br />
erinnern.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
<strong>Struktur</strong> Chaostheorie<br />
1962, auf dem Höhepunkt der Kubakrise,<br />
nähert sich ein amerikanisches Kriegsschiff<br />
einem sowjetischen Atom-U-Boot. Zwei der<br />
russischen Offiziere an Bord sind dafür,<br />
das Schiff zu versenken. Doch dies kann nur<br />
geschehen, wenn auch der dritte Offizier zustimmt.<br />
Offizier Archipow aber sagt Njet –<br />
und rettet damit womöglich den Weltfrieden.<br />
Was ihn zu diesem beherzten Entschluss bewogen<br />
hat, ist nicht bekannt.<br />
Das Neue an der Chaostheorie ist aber,<br />
dass sie über wacklige Systeme auch quantitative<br />
Aussagen machen kann. Denn chaotisches<br />
Geschehen sieht zufällig aus, ist es<br />
aber nicht – die Mathematiker sprechen vom<br />
deterministischen Chaos, was wieder nach<br />
einem Widerspruch klingt. «Deterministisch»<br />
bedeutet: Alles ist durch die Naturgesetze<br />
festgelegt, theoretisch ist alles berechenbar.<br />
Wenn man ein Wettermodell zweimal mit<br />
genau denselben Anfangswerten laufen<br />
lässt, dann kommt zweimal genau dasselbe<br />
heraus. Der Witz ist jedoch, dass man für<br />
eine Prognose die Anfangswerte messen<br />
und einspeisen muss. Bei jeder Messung<br />
aber entstehen Fehler, und in einem chaotischen<br />
System wachsen Fehler exponentiell.<br />
Will man eine etwas bessere Prognose, so<br />
braucht man sehr viel genauere Anfangswerte.<br />
Deshalb wird eine Wetterprognose<br />
über vier Wochen niemals möglich sein, selbst<br />
wenn man unendlich viele Messstationen zur<br />
Verfügung hätte. Denn dazu müsste man Anfangswerte<br />
in einer Genauigkeit bestimmen,<br />
die die Quantenmechanik verbietet. Beliebig<br />
genaue Messungen werden durch die so genannte<br />
Heisenberg’sche Unschärfe grundsätzlich<br />
verunmöglicht.<br />
Sturm Lothar war zu 2 Prozent sichtbar<br />
Egal ob beim<br />
Wetter oder bei<br />
der Population der<br />
Schneehasen:<br />
Kleine Abweichungen<br />
der Startparameter<br />
können<br />
enorme Unterschiede<br />
zur Folge<br />
haben und exakte<br />
Prognosen verhindern.<br />
In der Praxis lässt man nun die Wettermodelle<br />
einfach etliche Male mit leicht veränderten<br />
Startbedingungen laufen. Je länger<br />
man wartet, desto mehr laufen die einzelnen<br />
Prognosen auseinander. Die Vorhersage wird<br />
so zur Wahrscheinlichkeitsaussage: Wie viele<br />
Durchläufe zeigen Regen, wie viele Sonne?<br />
Nach 24 Stunden liegen die einzelnen Vorhersagen<br />
meist noch nahe beisammen – hier<br />
gelingt die Prognose in über 90 Prozent der<br />
Fälle. Doch mit jedem Folgetag nimmt die<br />
Wahrscheinlichkeit ab. 1999 war der Sturm<br />
Lothar zwei Tage zuvor nur in 28 Prozent der<br />
Vorhersage-Durchläufe sichtbar. Für eine<br />
Sturmwarnung genügt das aber.<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Chaostheorie <strong>Struktur</strong><br />
<br />
Fotos: Kerstin Enderlein, Outdoor-Archiv | Thomas Willemsen | Peter Widmann | Tom Ulrich, Oxford Scientific, Keystone<br />
Als der Schmetterlingseffekt einmal beschrieben<br />
war, entdeckte man ihn bald überall.<br />
Tropfende Wasserhähne, Schwarzmarktkurse,<br />
Schneehasenpopulationen: Alle folgen sie<br />
chaotischen Bahnen. Auch beim Billard multiplizieren<br />
sich kleine Startunterschiede von<br />
Stoss zu Stoss: Schon das Hinzutreten eines<br />
Zuschauers an den Tisch, der auf die Kugeln<br />
eine winzige Gravitationskraft ausübt, reicht<br />
aus, damit sich nach neun Stössen – unter<br />
sonst identischen Bedingungen – eine andere<br />
Verteilung ergibt ! Aus den gleichen<br />
Gründen ist es völlig unmöglich, die Ziehung<br />
der Lottozahlen aus der Anfangsverteilung<br />
der Lottokugeln vorherzusagen.<br />
Zufall oder Notwendigkeit ?<br />
Es ist dies eine elegante Antwort auf die alte<br />
Frage nach Zufall oder Notwendigkeit: Selbst<br />
wenn die Welt deterministisch wäre, so bliebe<br />
sie für uns unvorhersehbar. Die Erkenntnis<br />
hat etwas Befreiendes, vielleicht aber<br />
auch etwas Beängstigendes. Sogar etwas<br />
so Einfaches und scheinbar Stabiles wie<br />
unser Sonnensystem erhält dadurch einen<br />
Schuss Unberechenbarkeit. Zwar liegt hier<br />
die Vorhersageschranke nicht bei wenigen<br />
Tagen wie beim Wetter, aber im Prinzip läuft<br />
es gleich: Astronomen können die Stabilität<br />
des Sonnensystems nur für die nächsten<br />
40 Millionen Jahre garantieren. Der Grund<br />
ist, dass die Planeten nicht einfach brav auf<br />
ihren Ellipsen um die Sonne kreisen, sondern<br />
sich auch gegenseitig ein wenig anziehen.<br />
Diese Störungen sind zwar klein, doch weil<br />
eine Gravitationsgemeinschaft schon ab drei<br />
Körpern grundsätzlich chaotisch ist, kann<br />
man nicht ausschliessen, dass über lange<br />
Zeit beispielsweise der Merkur mit der Erde<br />
kollidiert oder der Mars aus dem Sonnensystem<br />
geschleudert wird.<br />
Das ist eine der grossen Erkenntnisse der<br />
Chaostheorie: Komplexes Verhalten kann<br />
schon in relativ einfachen Systemen entstehen.<br />
Davon zeugen auch die so genannten<br />
Fraktale, die zu den Ikonen der Chaosbewegung<br />
geworden sind. Fraktale sind unglaublich<br />
schöne, sich bis ins unendlich Kleine verzweigende<br />
Kurven oder Flächen, die meist<br />
auf verblüffend einfachen Formeln beruhen.<br />
Hinter der berühmten Mandelbrot-Menge<br />
etwa (auch Apfelmännchen genannt), der<br />
wohl bekanntesten Figur der modernen Mathematik,<br />
steckt eine einzige mathematische<br />
Abbildungsvorschrift: zn + 1 = zn 2 + c. Aus<br />
dieser simplen Formel erwächst der ganze<br />
Formenreichtum des Gebildes.<br />
Manche der auf diese Weise erzeugten<br />
Fraktale sehen erstaunlich natürlich aus, und<br />
Computergrafiker nutzen die bequemen<br />
Formeln der Chaostheoretiker, um beispielsweise<br />
Berglandschaften zu zeichnen. Umgekehrt<br />
kann man etwa Bäume, Küstenlinien,<br />
Blumenkohl oder Schneeflocken als natürliche<br />
Fraktale bezeichnen: Sie sind bis ins<br />
Kleinste verzweigt, und wenn man einen<br />
Ausschnitt vergrössert, ein Röschen des Blumenkohls<br />
etwa, dann sieht dieser Teil wieder<br />
aus wie das Ganze.<br />
Dieser Naturbezug hat sicherlich auch zur<br />
Popularität der fraktalen Geometrie beigetragen.<br />
Die herkömmliche Geometrie sei daher<br />
so «trocken», weil sie unfähig sei, Formen<br />
wie Wolken, Berge oder Küstenlinien zu beschreiben,<br />
meint der französisch-polnische<br />
Mathematiker Benoît Mandelbrot, der Star<br />
der Chaostheoretiker-Zunft. «Doch Wolken<br />
sind keine Kugeln, Berge keine Kegel, Küstenlinien<br />
keine Kreise.» In der Vergangenheit<br />
habe sich die Wissenschaft bemüht, «die Unregelmässigkeiten<br />
der Natur als geringfügige<br />
Unvollkommenheiten einer idealisierten Gestalt<br />
zu betrachten». Für Mandelbrot hingegen<br />
macht gerade eine gewisse Rauheit «das<br />
Wesen vieler Objekte der Natur aus».<br />
Es ist der Chaostheorie oft zum Vorwurf<br />
gemacht worden, sie habe nach einem furiosen<br />
Start kaum mehr Fortschritte gemacht.<br />
Mandelbrot kann man diesbezüglich aber<br />
sicher keinen Vorwurf machen: Er hat sein<br />
Fraktal-Konzept auf die Wirtschaft übertragen<br />
und zu einer höchst umstrittenen, aber<br />
umso spannenderen Theorie ausgebaut. Die<br />
Rauheit der Natur, sagt Mandelbrot in seinem<br />
Buch «Fraktale und Finanzen», entspreche in<br />
der Wirtschaftswelt der Volatilität der Kurse.<br />
Viele Preiskurven und Börsenkurse trügen<br />
fraktale Züge wie ein Blumenkohl: «Ohne die<br />
jeweilige Legende kann man nicht angeben,<br />
ob eine Kurstabelle 18 Minuten, 18 Monate<br />
oder 18 Jahre abdeckt.» Ein kleiner Ausschnitt<br />
gleicht stets der ganzen Kurve.<br />
Die herkömmliche Ökonomie hat die Fluktuationen<br />
der Finanzmärkte meist wie normale<br />
Zufallsschwankungen behandelt: Man<br />
könne sie zwar nicht vorhersagen, aber wenn<br />
man die Kursänderungen über eine gewisse<br />
Zeit sammle, sehe die Verteilung aus wie eine<br />
Gauss’sche Glockenkurve. Eine solche glatte<br />
Verteilung bekommt man beispielsweise,<br />
wenn man die Grösse aller Frauen in der<br />
Schweiz aufzeichnet: Die meisten scharen<br />
sich um den Mittelwert, es gibt ein paar Ausreisser<br />
nach oben und unten, aber Extremgrössen<br />
wie 15 Zentimeter oder 4 Meter<br />
findet man keine.<br />
Kurssturz als fraktaler Zufall<br />
Auch Mandelbrot spricht vom Zufall – aber es<br />
ist ein wilder, zerklüfteter, eben fraktaler<br />
Zufall, der nicht der Normalverteilung folgt.<br />
Ein Kurssturz wie am 19. Oktober 1987, dem<br />
Schwarzen Montag, hat in der herkömmlichen<br />
Zufallsverteilung eine Wahrscheinlichkeit<br />
von 1 zu 1050 – mit anderen Worten: Er ist<br />
schlechterdings unmöglich. In Mandelbrots<br />
Theorie hingegen gehören solche Ausreisser<br />
zum Spiel: «Auf Finanzmärkten sind extreme<br />
Kursumschwünge die Regel und keine Abweichungen,<br />
die man ignorieren kann.»<br />
Das sind keine akademischen Betrachtungen,<br />
die Theorie hat im Gegenteil Auswirkungen<br />
auf die Art und Weise, wie man Risiken<br />
bewertet. Die Black-Scholes-Formel<br />
etwa, die immer noch das Standardmodell zur<br />
Berechnung des Wertes von Optionen ist, behandelt<br />
die Volatilität der Kurse wie normale<br />
Zufallsschwankungen. Entsprechend versagt<br />
sie bei turbulentem Marktgeschehen. «Die<br />
Risiken für Ruin in einer freien globalen Marktwirtschaft<br />
sind grob unterschätzt worden»,<br />
sagt Mandelbrot. Die fraktale Sichtweise sei<br />
dem Geschehen viel besser angepasst.<br />
Die Finanzwelt brauche eine ähnliche<br />
Risikokultur wie etwa die Schifffahrt, schreibt<br />
Mandelbrot: «Die Schiffbauer wissen, dass<br />
die See in den meisten Fällen gemässigt ist.<br />
Doch sie wissen auch, dass Taifune aufkommen<br />
und Hurrikane toben. Sie konstruieren<br />
nicht nur für die 95 Prozent der Seefahrtstage,<br />
an denen das Wetter gutmütig ist,<br />
sondern auch für die übrigen 5 Prozent, an<br />
denen Stürme toben und ihre Geschicklichkeit<br />
auf die Probe gestellt wird. Die Finanziers<br />
und Anleger der Welt sind derzeit wie Seeleute,<br />
die keine Wetterwarnungen beachten.»<br />
Diese Zeilen wurden, wohlgemerkt, noch vor<br />
der aktuellen Finanzkrise geschrieben. <<br />
Literatur:<br />
Benoît B.Mandelbrot, Richard L.Hudson:<br />
«Fraktale und Finanzen. Märkte<br />
zwischen Risiko, Rendite und Ruin».<br />
München, Piper, 200.<br />
Edward N. Lorenz: «The Essence of Chaos».<br />
University of Washington Press, 1.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
10 <strong>Struktur</strong> U-Bahn<br />
Ordnung<br />
im Untergrund<br />
U-Bahn-Pläne geben verzweigten Verkehrsnetzen<br />
eine übersichtliche <strong>Struktur</strong>. Das war bisher Handarbeit,<br />
jetzt haben zwei Informatiker dem Computer die<br />
Tüftelei beigebracht.<br />
Text: Stefanie Schramm Jeder Grossstädter<br />
kennt ihn, oft auswendig, jeder Pendler<br />
hat ihn täglich vor Augen, jeder Städtereisende<br />
plant mit ihm seine Sightseeing-Tour.<br />
Der U-Bahn-Plan ist ein alltägliches Werkzeug<br />
für das Leben in der Stadt. Zugleich ist<br />
er ein höchst faszinierendes Gebilde. «Menschen<br />
lieben Karten. Sie zeigen eine riesige<br />
Menge von Möglichkeiten: Wohin könnte ich<br />
fahren, welche Verbindungen nutzen?», sagt<br />
der Psychologe Maxwell Roberts von der britischen<br />
University of Essex.<br />
Karten von berühmten U-Bahn-Netzen<br />
sind mehr als bunte Linien auf Papier, das gilt<br />
besonders für den Londoner Plan: «Das London<br />
Underground Diagram bildet eine geistige<br />
Karte der Stadt. Es ist zu einer kulturellen<br />
Ikone geworden; es ist London», schreibt<br />
Mark Ovenden in seinem Buch «Transit Maps<br />
of the World». Viele Künstler und Designer<br />
haben sich von der Ästhetik der U-Bahn-<br />
Pläne inspirieren lassen. Und U-Bahn-Enthusiasten<br />
haben Fantasiekarten erfunden, im<br />
Liniengewirr ihrer Städte Tiere entdeckt oder<br />
die Buchstaben der Stationsnamen zu neuen<br />
Wörtern zusammengewürfelt. Auf den ersten<br />
Blick ist so eine U-Bahn-Karte eine simple<br />
Sache: Schienen, Stationen, Kreuzungen,<br />
fertig. Doch gerade wenn ein Plan so einfach<br />
ist, dass der Fahrgast den Weg zum Ziel mit<br />
einem Blick erfassen kann, steckt viel hochkomplexe<br />
Arbeit dahinter.<br />
Die Wirklichkeit vereinfachen<br />
Würde man einfach die Haltestellen und<br />
Schienenstränge auf einen Stadtplan zeichnen,<br />
wie man es in den Anfängen der U-Bahn<br />
tat, verlöre man bei den komplexen Netzen<br />
von heute schnell den Überblick. In den Innenstädten<br />
würden sich Stationen und Umsteigemöglichkeiten<br />
drängen, in den Vorstädten<br />
dagegen fänden sich über weite Strecken<br />
nur Schienen.<br />
Wer einen übersichtlichen U-Bahn-Plan<br />
zeichnen will, muss also die Wirklichkeit vereinfachen,<br />
aufblasen, zusammenstauchen.<br />
Die Frage ist, wie und wie viel. Wo wird der<br />
Plan durch die Verzerrung der Realität erst<br />
verständlich? Und wie viel der realen <strong>Struktur</strong><br />
muss erhalten werden, damit er verständlich<br />
bleibt ?<br />
Das ist nicht nur eine knifflige theoretische<br />
Frage. Ein guter U-Bahn-Plan kann<br />
Staus zu befreien und das Klima zu schützen.<br />
«Wenn die Leute einen Linienplan leicht<br />
verstehen, dann nutzen sie die öffentlichen<br />
Verkehrsmittel auch öfters», sagt der Psychologe<br />
Roberts. Bis heute werden solche Pläne<br />
von Hand gezeichnet, mit viel Knobelei,<br />
Radieren, Neuzeichnen – wenn auch inzwischen<br />
am Computer. Der Rechner war bisher<br />
aber nur ein Zeichenwerkzeug, selbstständig<br />
konnte er keinen U-Bahn-Plan anfertigen.<br />
Doch vor vier Jahren hat der deutsche Informatiker<br />
Martin Nöllenburg zusammen<br />
mit seinem Kollegen Alexander Wolff an der<br />
Universität Karlsruhe begonnen, dem Computer<br />
eben jene Tüftelarbeit beizubringen.<br />
Ein Prototyp des Programms war nach wenigen<br />
Monaten fertig.<br />
Einen U-Bahn-Plan zu entwerfen, das ist<br />
für Mathematiker eine schwierige Rechenaufgabe:<br />
Wenn sich die Zahl der Stationen<br />
verdoppelt, braucht der Computer nicht einfach<br />
doppelt so lange oder viermal so lange,<br />
um eine Lösung zu berechnen, sondern gigantisch<br />
viel länger. Solche Probleme nennen<br />
die Fachleute «NP schwer ».<br />
Das berühmte Problem des Handlungsreisenden<br />
gehört dazu: Ein Vertreter soll eine<br />
Reihe von Städten abklappern, um seine<br />
Produkte an den Mann zu bringen. Welche<br />
Route ist die kürzeste? Im Prinzip ist das<br />
simpel: Man vergleicht einfach alle möglichen<br />
Strecken. Bei vier Städten, von denen<br />
eine als Start und Ziel feststeht, hat man<br />
drei Versionen zur Auswahl (eigentlich sechs,<br />
aber es ist egal, in welcher Richtung man<br />
die Städte abfährt). Bei 8 Orten sind<br />
es aber schon 2520, bei 16 Stationen<br />
653 837184 000! Da kapituliert auch der<br />
schnellste Computer.<br />
Hilfreiches Regelwerk für den Computer<br />
Deshalb muss man dem Rechner helfen und<br />
die Aufgabe so stellen, dass er sich nicht<br />
abmüht, die beste Lösung zu finden, sondern<br />
nur eine sucht, die gut genug ist. Was gut<br />
genug ist, muss man ins Programm schreiben.<br />
Für die U-Bahn-Pläne haben die Informatiker<br />
folgende Regeln aufgestellt:<br />
1. Die Linien dürfen nur waagerecht, senkrecht<br />
oder diagonal mit einem Winkel von<br />
45 Grad sein. Das war der Trick, mit dem der<br />
Brite Henry Beck in den 1930er-Jahren die<br />
Pläne revolutionierte (siehe Box Seite 14).<br />
2. Die topologische <strong>Struktur</strong> des Netzes<br />
auch indirekt dazu beitragen, die Städte von muss erhalten bleiben: Jede Haltestelle ><br />
Foto: Mathias Hofstetter<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
U-Bahn <strong>Struktur</strong> 11<br />
Mehr als ein simples<br />
Gebrauchsobjekt:<br />
Der Londoner<br />
U-Bahn-Plan wird<br />
als eigentliches<br />
Kultobjekt gefeiert.<br />
Im Wesentlichen<br />
basiert er auf einem<br />
Plan des Engländers<br />
Henry Beck aus<br />
dem Jahr 133.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
12 <strong>Struktur</strong> U-Bahn<br />
Das Londoner U-Bahn-Netz als geografisches Abbild der Wirklichkeit<br />
Während sich die U-Bahn-Strecken in den Vorstädten auf lang gezogenen Linien verlieren, herrscht im Zentrum dicht gedrängtes Chaos.<br />
Londoner U-Bahn-Netz vom Computer entworfen<br />
Damit ein U-Bahn-Plan übersichtlich wird, muss die Wirklichkeit vereinfacht, je nachdem aufgeblasen oder gestaucht werden.<br />
Pläne: Nöllenburg, Wolff<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
U-Bahn <strong>Struktur</strong> 13<br />
muss rundherum in der gleichen Reihenfolge<br />
mit den Stationen verbunden sein, mit denen<br />
sie es auch in Wirklichkeit ist.<br />
3. Die Strecken zwischen den Stationen<br />
müssen eine Mindestlänge haben.<br />
4. Die Linien müssen einen Mindestabstand<br />
von anderen Linien halten.<br />
Zu diesen Regeln kommen noch ein paar<br />
weniger strenge Kriterien, zum Beispiel sollte<br />
jede U-Bahn-Linie möglichst wenig Knicke<br />
aufweisen. So wird aus dem schweren Problem<br />
ein lösbares, erklärt Nöllenburg: «Der<br />
Computer muss nicht immer alle Regeln beachten,<br />
nur die wichtigsten.»<br />
Den Informatiker hat das U-Bahn-Problem<br />
so richtig gepackt. «Das ist eine praxisnahe<br />
Aufgabe, das gibt es in der theoretischen<br />
Informatik nicht so oft. Und man kann<br />
direkt ausprobieren, wie die Lösung aussieht»,<br />
sagt Nöllenburg. Einen U-Bahn-Plan<br />
einfach nur zu benutzen, fällt ihm inzwischen<br />
schwer, oft läuft im Hinterkopf das Optimierungsprogramm.<br />
«Ich pendle jeden Tag von<br />
Heidelberg nach Karlsruhe. Auf dem S-Bahn-<br />
Plan hat die Strecke viele unnötige Knicke.<br />
Das nervt mich schon ein bisschen.»<br />
Kreisförmige Ringlinie von Moskau<br />
Der Londoner Plan dagegen gefällt ihm besonders<br />
gut. Kein Wunder, er hält sich bis<br />
heute im Wesentlichen an Becks Regeln.<br />
Schön findet der Informatiker auch den Moskauer<br />
Plan, obwohl der nicht so streng ist.<br />
«Da gibt es eine Ringlinie, die als Kreis gezeichnet<br />
ist, nicht als Viereck, wie unser Programm<br />
das machen würde. Das gefällt mir<br />
sehr gut.» So wie Nöllenburg und Wolff<br />
Schritt für Schritt ihr Programm verbesserten,<br />
so arbeitet sich jetzt das Programm<br />
Schritt für Schritt an einen schönen Plan<br />
heran. Eine erste Skizze ist nach wenigen<br />
Sekunden fertig, an einer ausgefeilteren<br />
Lösung rechnet der Computer dann noch<br />
Minuten oder Stunden – je nachdem, wie<br />
lange die Wissenschaftler ihn lassen.<br />
Ganz allein kriegt der Rechner allerdings<br />
keinen Plan hin, und nur mittelgrosse Netzwerke<br />
kann er auch beschriften. «Das ist<br />
Oben:<br />
Mitte:<br />
Unten:<br />
Der ursprüngliche Henry Beck<br />
Der Psychologe<br />
Londoner<br />
vereinfachte 133 Maxwell Roberts ist<br />
aber eine gute Vorlage für die Grafikdesigner»,<br />
meint Nöllenburg. «Um aus dem Proto-<br />
U-Bahn-Plan aus den Plan, indem davon überzeugt,<br />
dem Jahr 120 er die Linien begra- dass bogenförwiderspiegelt<br />
digte, Diagonalen mige Linienführungen<br />
den Londoner<br />
te man schon noch viel Arbeit hineinstecken.<br />
typen ein richtiges Produkt zu machen, müss-<br />
wahrheitsgetreu von 4 Grad<br />
die geografische definierte und die U-Bahn-Plan<br />
Bis jetzt wollen die Verkehrsbetriebe da nicht<br />
Wirklichkeit und Abstände zwischen einfacher verständlich<br />
machen.<br />
investieren.» Wenn es nach dem britischen<br />
ist entsprechend den Stationen<br />
unübersichtlich. vereinheitlichte.<br />
Psychologen Roberts ginge, würde ohne- ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
14 <strong>Struktur</strong> U-Bahn<br />
Martin Nöllenburg:<br />
«Ich pendle jeden<br />
Tag von Heidelberg<br />
nach Karlsruhe.<br />
Auf dem S-Bahn-<br />
Plan hat die Strecke<br />
viele unnötige<br />
Knicke. Das nervt<br />
schon ein bisschen.»<br />
Informatiker<br />
Alexander Wolff hat<br />
vor vier Jahren<br />
zusammen mit<br />
Martin Nöllenburg<br />
damit begonnen,<br />
ein Programm<br />
für U-Bahn-Pläne<br />
zu entwickeln.<br />
hin weiter von Hand gezeichnet. Er kritisiert<br />
vor allem die Regeln, die hinter dem Programm<br />
stecken: «Diese geraden Linien und<br />
45-Grad-Diagonalen passen einfach nicht<br />
zu jedem U-Bahn-Netz. In London verzerren<br />
sie zu stark, die Leute beschweren sich schon<br />
darüber.» Deshalb müsse man die Regeln<br />
für jede Stadt anpassen. «Da wird es für den<br />
Computer schwierig.»<br />
Roberts zeichnet selbst U-Bahn-Pläne,<br />
eine Woche braucht er für das Londoner<br />
Netz. Heraus kommen dabei geschwungene<br />
Gebilde mit bogenförmigen Linien. Die seien<br />
besser zu verstehen, meint der Psychologe.<br />
Das hat er ausprobiert: Mit seinem Plan fanden<br />
Testpersonen einen Weg im komplexen<br />
Pariser Metronetz um 30 Prozent schneller<br />
als mit dem offiziellen Plan. Durchs Londoner<br />
Netz navigierten die Probanden immerhin um<br />
20 Prozent schneller.<br />
Wie die Menschen die Welt verstehen<br />
Der Revolutionär des Londoner Untergrunds<br />
Der Brite Henry Beck erfand den U-Bahn-Plan, wie wir ihn kennen.<br />
Der Mann, der den Londoner U-Bahn-Plan revolutionierte und Liniendiagramme<br />
auf der ganzen Welt beeinflusste, war ein Arbeitsloser.<br />
Der technische Zeichner Henry C. Beck war immer wieder zeitweise<br />
bei London Underground beschäftigt, 131 war er mal wieder entlassen<br />
worden. Die U-Bahn liess den 2-Jährigen jedoch nicht los. Die verwirrenden<br />
Linien des Streckenplans, die sich im Londoner Zentrum<br />
verknoteten, nannte er abschätzig «Vermicelli». Dann kam ihm die<br />
zündende Idee: «Ich betrachtete den alten Plan der Untergrundbahn<br />
und mir fiel ein, dass man ihn aufräumen könnte, indem man die<br />
Linien begradigt, mit Diagonalen experimentiert und die Abstände<br />
zwischen den Stationen vereinheitlicht.» Das Ergebnis war ein Schema<br />
mit Waagerechten, Senkrechten und Diagonalen – viel klarer und<br />
übersichtlicher. Den Verantwortlichen von London Underground war<br />
es jedoch zu revolutionär. Ein Jahr später versuchte Beck es erneut<br />
und hatte Erfolg: Sein Plan wurde 133 gedruckt. Und die Londoner<br />
nutzten das Diagramm nicht nur, sie liebten es geradezu. Beck bekam<br />
für seinen Entwurf und die monatelange Arbeit daran gerade mal<br />
10,0 Pfund, das wären heute etwa 1000 Euro. Einen festen Job bekam<br />
er nicht. Trotzdem steigerte er sich immer mehr in die Detailarbeit<br />
an seinem Plan hinein. Heute gilt er als grosser Designer; in einer<br />
BBC-Show wählte das Publikum sein Diagramm zur zweitwichtigsten<br />
Design-Ikone, nach der Concorde.<br />
Roberts war schon früh von der Londoner<br />
U-Bahn begeistert: «Als ich klein war, fand<br />
ich das einfach faszinierend: all die Rolltreppen,<br />
Tunnel, Züge! Als Kind kann man in<br />
London wahrscheinlich nichts Aufregenderes<br />
tun, als U-Bahn zu fahren.»<br />
An der University of Essex beschäftigt<br />
sich der Psychologe heute damit, wie Menschen<br />
die Welt verstehen und wie sie Probleme<br />
lösen. Deshalb ärgern ihn schlecht<br />
gezeichnete U-Bahn-Pläne: «Ein guter Plan<br />
sollte den Leuten helfen, die Welt zu verstehen.<br />
Er sollte ihnen einen Denkschritt abnehmen.»<br />
Viele Karten dagegen verwirrten<br />
die Menschen erst recht. «Ich habe noch<br />
keinen Plan gesehen, den ich nicht verbessern<br />
wollte.» Sein neues, geschwungenes<br />
Diagramm der Londoner U-Bahn hat er<br />
schon in ein paar Reiseführern untergebracht,<br />
London Underground aber wolle davon nichts<br />
wissen, sagt Roberts: «Die mögen nicht,<br />
wenn Aussenstehende sich einmischen.»<br />
Doch vielleicht ist nicht nur die Bürokratie<br />
schuld, wenn sein Plan nicht ankommt. In<br />
Tests musste Roberts selbst feststellen, dass<br />
den Probanden nicht die einfachsten Pläne<br />
am besten gefallen und dass sie andersherum<br />
Pläne schön finden, die schwierig zu lesen<br />
sind. «Leider werden die Leute keinen Plan<br />
benutzen, den sie nicht mögen», sagt der<br />
Psychologe. Und am schönsten finden die<br />
Testpersonen das, was sie kennen – ihren<br />
alten Plan mit den Ecken und Kanten. <<br />
Fotos: Ralf Barthelmes | Nadja Tempest<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Fotostrecke <strong>Struktur</strong><br />
1<br />
Mensch<br />
und<br />
<strong>Struktur</strong><br />
Gestauter Verkehrsfluss.<br />
Lichter der Grossstadt.<br />
Das Leben des Menschen<br />
ist geprägt von <strong>Struktur</strong>en.<br />
Angefangen mit der persönlichen<br />
Tagesstruktur, die<br />
mit dem Weckruf am Morgen<br />
eingeläutet wird, über das<br />
persönliche Umfeld der Wohnung,<br />
das Wasser, das aus<br />
der Leitung kommt, die Verkehrswege,<br />
die der Mensch<br />
auf dem Weg zur Arbeit<br />
benutzt, bis hin zum geregelten<br />
Freizeitvergnügen.<br />
Die Zürcher Fotografin<br />
Nadja Tempest hat sich mit<br />
dem Thema Mensch und<br />
<strong>Struktur</strong> optisch auseinandergesetzt<br />
und sich auf<br />
die Suche nach Bereichen<br />
gemacht, in denen sich<br />
der Mensch <strong>Struktur</strong>en geschaffen<br />
hat, die ihm das<br />
Leben einfacher, effizienter,<br />
bequemer und interessanter<br />
machen.<br />
Wo die Strasse dem Wasser folgt.<br />
Freiheit in gewohnter Umgebung.<br />
In die richtigen Bahnen gelenkt.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
Baustelle am<br />
Escher-Wyss-Platz<br />
in Zürich: ständig<br />
optimierter<br />
Verkehrsfluss.
Aussicht von<br />
der Felsenegg,<br />
Zürich:<br />
pulsierendes<br />
Lichtermeer.
Zwischen Furkaund<br />
Grimselpass:<br />
Wie die Verkehrsflüsse<br />
dem Wasser<br />
folgen.<br />
>
Campingplatz am<br />
Türlersee: bekannte<br />
<strong>Struktur</strong>en als<br />
Wohlfühlfaktor.
Hallenbad<br />
Oerlikon:<br />
In geregelten<br />
Bahnen den<br />
Schwimmspass<br />
geniessen.
22 <strong>Struktur</strong> Gehirn<br />
Positronen-Emissions-Tomografie<br />
(PET). Hirnbilder<br />
von einer gesunden<br />
Person (kleines<br />
Bild) und einer<br />
Person nach einem<br />
Hirnschlag (grosses<br />
Bild). Das Gehirn<br />
wird im Horizontalschnitt<br />
gezeigt.<br />
Das Bild des Patienten<br />
zeigt im Vergleich<br />
zur gesunden<br />
Kontrollperson<br />
deutliche Veränderungen<br />
(Pfeil) in<br />
der Durchblutung<br />
und im Stoffwechsel<br />
der linken Gehirnhälfte.<br />
Die Schädigung<br />
betrifft die<br />
Sprachstrukturen,<br />
was zu einem<br />
teilweisen Sprachverlust<br />
(Aphasie)<br />
führt. [Farbkodierung:<br />
hohe Hirnaktivität<br />
(rot/gelb),<br />
niedrige Aktivität<br />
(blau)].<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Gehirn <strong>Struktur</strong> 23<br />
Fotos: Wellcome Dept of Cognitive Neurology, Science Photo Library, Keystone<br />
Der Schlüssel<br />
zur Welt<br />
Wohl kaum etwas erschüttert die <strong>Struktur</strong> unseres Alltags<br />
so sehr wie der Verlust unserer Sprachfähigkeit. Wenn<br />
aus Gedanken keine Sätze mehr gebildet werden können,<br />
fehlt uns der Zugang zur Aussenwelt. Über den Zusammenhang<br />
zwischen der <strong>Struktur</strong> des Alltags, der <strong>Struktur</strong><br />
im Hirn und der <strong>Struktur</strong> der Sprache.<br />
Text: Mandana Razavi «Vier, zwei, zwei!»<br />
Maria Flühler, 71 Jahre alt, wiederholt die<br />
Zahlen zum dritten Mal. Sie spricht langsam,<br />
deutlich, untermalt ihre Worte mit Gesten.<br />
Und ginge es nur darum, die letzten Ziffern<br />
einer Telefonnummer weiterzugeben, wäre<br />
alles gut. Aber es geht ihr nicht um eine Nummer.<br />
Maria Flühler versucht gerade zu erklären,<br />
dass sie vier Kinder hat und dass zwei<br />
davon ebenfalls zwei Kinder haben. Doch ihr<br />
Hirn kann sich nicht daran erinnern, wie sie<br />
aus der Zahlenkombination 4-2-2 einen<br />
vollständigen, richtig strukturierten Satz bilden<br />
kann – auch wenn sie sich noch so anstrengt.<br />
Maria Flühler leidet an Aphasie –<br />
einer Störung der Sprache, die durch eine<br />
Hirnschädigung hervorgerufen wird. Der<br />
schicksalhafte Tag, an dem eine Hirnblutung<br />
Maria die Sprache rauben sollte, liegt bereits<br />
18 Jahre zurück: Sie gab gerade einen Bachblütenkurs,<br />
als sie bemerkte, dass sie plötzlich<br />
«ganz schief» war. Schmerzen spürte sie<br />
keine. Im Krankenhaus fragte man als Erstes,<br />
ob sie vielleicht ein Schlückchen Wein zu viel<br />
getrunken habe. An dieser Stelle ihrer Lebensgeschichte<br />
ruft Maria Flühler aufgeregt<br />
«Ja, ja !». Sie schüttelt den Kopf, macht<br />
grosse Augen. Und obwohl sie bei der Erinnerung<br />
an diese Szene vor Aufregung nur noch<br />
die Worte «Ja, ja !» hervorbringt, ist ihr anzumerken,<br />
wie sie diese erste ärztliche Schnelleinschätzung<br />
von damals noch heute empört.<br />
In einer Welt, in der eine reiche Rhetorik mit<br />
Intelligenz gleichgesetzt wird, gelten Aphasiker<br />
oft fälschlicherweise als verwirrt. Doch<br />
Aphasie ist keine Denkstörung.<br />
Wo ist die Sprache im Kopf ?<br />
Es ist nicht einfach, ein Gespräch mit einem<br />
Aphasiepatienten zu führen. Das Sprachwissen<br />
ist zwar noch da, aber der Zugriff<br />
darauf funktioniert nicht. Die Kommunikation<br />
ist stark beeinträchtigt, manchmal sogar<br />
unmöglich. Es kann an allem fehlen: an<br />
Grammatik (Regeln), Syntax (Form und <strong>Struktur</strong>),<br />
Semantik (Sinn und Bedeutung) und<br />
Sprachmotorik. Auch 18 Jahre nach der Diagnose<br />
Hirnblutung ringt Maria Flühler noch<br />
mit Wortfindung, Satzstruktur und Aussprache.<br />
Ihre Geschichten und Anliegen kommen,<br />
wie sehr oft bei Aphasikern, als «Telegramm»<br />
daher: Lose aneinandergereihte Zielwörter<br />
helfen den Aussenstehenden, die Botschaften<br />
zu verstehen oder mindestens zu<br />
erraten. Die Kommunikation ist anstrengend<br />
für Sprecher und Zuhörer, und dennoch<br />
nimmt man die Mühe auf sich: Die Sprache<br />
ist der Schlüssel zur Welt.<br />
Aphasiepatienten leiden an einer Vielzahl<br />
verschiedener und verschieden kombinierter<br />
Störungen ihrer Sprachfähigkeiten: Je nachdem,<br />
welche Hirnstrukturen verletzt wurden,<br />
sind die unterschiedlichen Sprachfertigkeiten<br />
– Verstehen, Sprechen, Lesen und Schreiben<br />
– beeinträchtigt. PD Dr. phil. nat. Andrea<br />
Federspiel von der Abteilung für psychiatrische<br />
Neuropsychologie der Universitätsklinik<br />
und Polyklinik für Psychiatrie in Bern erklärt:<br />
«Grob lässt sich das Hirn in zwei Hirnhälften<br />
unterteilen, die miteinander verbunden sind<br />
und eng zusammenarbeiten. Seit mehr als<br />
100 Jahren ist bekannt, dass die beiden Hirnhälften<br />
unterschiedliche Funktionen wahrnehmen.<br />
Bei rund 60 Prozent der Menschen<br />
ist das Sprachzentrum, und insbesondere die<br />
Faserverbindungen innerhalb des Sprachzentrums,<br />
vorwiegend in der linken Hirnhälfte<br />
lokalisiert. Daher sind Menschen mit Schädigungen<br />
in der linken Hirnhälfte – so wie<br />
Maria Flühler – häufig von Aphasie betroffen.<br />
Bei rund 20 Prozent der Menschen ist das<br />
Sprachzentrum hauptsächlich links, mit einer<br />
kleinen Beteiligung der rechten Seite. Bei<br />
zirka 17 Prozent der Menschen sind diese<br />
Faserverbindungen gleichmässig auf beiden<br />
Seiten verteilt, und es gibt Grund zur<br />
Annahme, dass diese Menschen Sprache besonders<br />
effizient verarbeiten können. Sicher<br />
eine interessante Fragestellung im Zusammenhang<br />
mit Hochbegabung», so der Hirnforscher<br />
weiter.<br />
Durch moderne bildgebende Verfahren<br />
wie z. B. die Magnetresonanztomografie<br />
(MRT) lassen sich die für die Aphasie verantwortlichen<br />
Hirnverletzungen heute gut darstellen.<br />
Eine verminderte Neuronendichte<br />
(Neuronen sind die Zellen im Zentralnervensystem,<br />
die für die Informationsverarbeitung<br />
zuständig sind) in einem Areal sei ein sicheres<br />
Zeichen für eine Schädigung der entsprechenden<br />
Hirnstruktur, erklärt Federspiel.<br />
Umgekehrt habe man in einer von der Klinik<br />
Waldau durchgeführten Studie mit amerikanischen<br />
Sprachstudenten festgestellt, dass<br />
bei den Studenten nach dem Sprachaufenthalt<br />
bestimmte, für die Sprache wichtige<br />
Hirnregionen eine erhöhte Neuronendichte<br />
aufwiesen. Das Deutschlernen hat also die<br />
Hirnstruktur in den Sprachzentren der ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
24 <strong>Struktur</strong> Gehirn<br />
Studenten nachweislich vergrössert. Dennoch<br />
müsse man vorsichtig damit sein, Sprache<br />
im Gehirn pauschal lokalisieren zu wollen,<br />
betont Federspiel. Abgesehen von der Tatsache,<br />
dass das Gehirn jedes Menschen anders<br />
sei, könne man selbst mit modernsten<br />
Verfahren nicht genau definieren, wo im Hirn<br />
die Sprache anfängt und wo sie aufhört:<br />
«In einem einzigen Quadratmillimeter Hirnsubstanz<br />
finden sich unzählige Neuronen.<br />
Wir können nur erahnen, was für Funktionen<br />
diese wahrnehmen.»<br />
Gefangen in Gedanken<br />
Wichtige Hinweise darüber, dass es tatsächlich<br />
innerhalb des Sprachzentrums spezialisierte<br />
<strong>Struktur</strong>en für Grammatik oder die Wortfindung<br />
gibt, liefert die Aphasieforschung.<br />
Während Maria Flühler ihre Lebensgeschichte<br />
zwar erzählen kann – wenn auch grammatikalisch<br />
und inhaltlich in stark vereinfachter<br />
Form –, dauert es bei Kurt Kohler, 54, aus<br />
Münsingen, viel länger, bis man merkt, dass<br />
auch er Aphasiker ist. «Nach meinem Schlaganfall<br />
konnte ich zwei Jahre lang kein Wort<br />
mehr sprechen – gleichzeitig habe ich alles<br />
verstanden. Für Aussenstehende ist es wohl<br />
kaum vorstellbar, wie bizarr diese Situation<br />
war. Die Menschen um mich herum haben<br />
gedacht, dass ich nichts begreife. Sie haben<br />
über mich gesprochen, ohne zu wissen, dass<br />
ich ihren Gesprächen folgen konnte und Stellung<br />
nehmen wollte.» Kurt Kohler scheint<br />
nachdenklich, während er diese Sätze praktisch<br />
mühelos ausspricht. Satzstruktur und<br />
Grammatik sind eigentlich perfekt. Er ist<br />
lediglich etwas verlangsamt in seiner Aussprache<br />
und benutzt hie und da Floskeln wie<br />
«Wie sagt man?» – alles nicht sehr auffällig.<br />
Er erzählt, dass er bis vor sechs Jahren<br />
ein erfolgreicher Banker war, gross im Geschäft;<br />
New York, London, Singapur. Dann<br />
kam der Schlaganfall, der ihn für zwei Jahre<br />
vollständig verstummen liess. «Einige Ärzte<br />
haben weder gedacht, dass ich überlebe,<br />
noch dass ich je wieder sprechen könne.<br />
Doch nach mehr als zwei Jahren intensiver<br />
Logopädie habe ich die Sprache wiedererlernt.<br />
Der Durchbruch kam, als ich merkte,<br />
dass ich von meinem Umfeld wieder verstanden<br />
wurde, erzählt Kohler. PD Dr. med.<br />
Thomas Nyffeler, leitender Arzt in der Abteilung<br />
für kognitive und restorative Neurologie<br />
am Inselspital Bern, erklärt die unterschiedlichen<br />
Krankheitsbilder von Maria<br />
Flühler und Kurt Kohler: «Fast jeder Patient<br />
hat eine andere Form der Aphasie.» Eine<br />
Sprachstörung könne man mit einer Störung<br />
im Bahnnetz vergleichen: Komme es zu Problemen<br />
an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt,<br />
habe das andere Auswirkungen auf<br />
den Bahnverkehr, als wenn nur ein kleiner<br />
Bahnhof eine Störung melde. Komme es also<br />
zu einer grösseren Störung wie einem Hirninfarkt,<br />
sei es möglich, dass sämtliche Sprachfähigkeiten<br />
(Sprechen, Verstehen, Lesen,<br />
Schreiben) ausfallen, so Nyffeler.<br />
Kurt Kohlers Fall sei extrem und bemerkenswert<br />
zugleich: Dass jemand nach über<br />
zwei Jahren kompletten Sprachverlusts wieder<br />
fast fliessend reden und vollständige<br />
Sätze formulieren könne, sei aussergewöhnlich,<br />
so der Neurologe. Tatsächlich geht man<br />
in Fachkreisen davon aus, dass die grössten<br />
Therapiefortschritte während der ersten beiden<br />
Jahre nach der Hirnverletzung zu erwarten<br />
sind. Entsprechend lang zahlen die Krankenkassen<br />
in der Schweiz für Logopädie. Als<br />
lebende Ausnahme zu dieser Regel ist Kurt<br />
Kohler in diesem Punkt jedoch anderer Meinung.<br />
«Bei jüngeren Patienten sollte flexibler<br />
entschieden werden. Ein Ergebnis wie bei<br />
mir hätte wohl niemand erwartet.» Er werde<br />
weiter üben, eines Tages wolle er wieder<br />
lesen, schreiben und rechnen können.<br />
«Maria Flühlers beeinträchtigte Grammatik,<br />
die fehlende Satzstruktur («Gestern –<br />
wir – Aareschlucht – Regen»), ihre Wortfindungsstörungen<br />
und Probleme mit der Aussprache<br />
deuten darauf hin, dass sich ihre<br />
Hirnschädigung in der vorderen linken Hirnhälfte<br />
befindet. Obwohl man sie versteht, ist<br />
es für die Zuhörenden schwierig, Informationen<br />
zwischen den Zeilen zu entschlüsseln<br />
oder Gefühlslagen wie Witz oder Ironie zu<br />
erkennen», erklärt Nyffeler weiter. Nach ihren<br />
frustrierendsten Momenten gefragt, antwortet<br />
Maria Flühler denn auch, dass sie eigentlich<br />
ein humorvoller Mensch sei und dass es<br />
sie traurig mache, dass niemand mehr ihre<br />
Witze verstehe. Einen der glücklichsten Momente<br />
hingegen beschreibt sie so: «Wenn<br />
jemand ein Lied – ich gemerkt – singen viel<br />
besser als sprechen – früher ich schon immer<br />
gern!» Übersetzt heisst das wohl, dass Texte<br />
singen offenbar einfacher geht als Texte<br />
sprechen. Ein Phänomen, das oft von Patienten<br />
beschrieben wird. Wie ist das möglich?<br />
Spezialist Nyffeler erklärt: «Beim Singen<br />
Die Ursache für Aphasie ist eine Hirnschädigung, die durch eine<br />
Hirnschädelverletzung, eine Hirnentzündung, durch Hirntumore, Hirnblutung<br />
oder durch einen Schlaganfall hervorgerufen wird. Wie bei<br />
Kurt Kohler ist der häufigste Grund für eine Aphasie der Schlaganfall.<br />
Auf 100 000 Personen erleiden in der Schweiz jährlich 43 Menschen<br />
einen Schlaganfall. Das <strong>bull</strong>etin hatte die Gelegenheit, Maria Flühler<br />
und Kurt Kohler während einer von aphasie suisse organisierten<br />
Ferienwoche zu besuchen. aphasie suisse ist eine Fachgesellschaft<br />
und Betroffenenorganisation, die in der ganzen Schweiz tätig ist<br />
( www.aphasie.org).<br />
Die Stiftung Empiris, eine von der Credit Suisse gegründete Kundenstiftung,<br />
unterstützt die Hirnforschung, indem sie jährlich den Empiris<br />
Award for Research in Brain Diseases verleiht ( www.empiris.ch).<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Gehirn <strong>Struktur</strong><br />
2<br />
wird, anders als beim Sprechen, auch die<br />
rechte Hirnhälfte aktiv. Die geschädigte linke<br />
Hirnhälfte erhält also Unterstützung bei<br />
der Sprachproduktion. Deshalb funktioniert<br />
Singen für die Patienten oft besser.»<br />
Funkstille oder Damdamdam<br />
Fotos: Pia Zanetti<br />
«Kürzlich hatten wir einen Patienten, einen<br />
Bauarbeiter aus dem Kanton Bern, der in den<br />
ersten Tagen nach seiner Hirnverletzung<br />
plötzlich Hochdeutsch sprach, weil es einfacher<br />
für ihn sei. Die Tatsache, dass solche<br />
Fälle immer wieder auftreten, spricht dafür,<br />
dass es innerhalb des Sprachzentrums<br />
Unterstrukturen gibt, die beispielsweise für<br />
Fremdsprachen zuständig sind. Sonst wären<br />
bei allen Sprachen die gleichen Störungen<br />
zu erwarten, so der Neurologe weiter.<br />
So komplex die <strong>Struktur</strong>en des menschlichen<br />
Gehirns sind, so verschieden sind<br />
auch die Krankheitsbilder, die bei Hirnschädigungen<br />
auftreten: Einige Aphasiepatienten<br />
können noch schreiben, aber nicht mehr<br />
sprechen. Vormals geübte Leser schaffen<br />
es nicht mehr, ein Kinderbuch vorzulesen.<br />
Oder aber sie lesen nur noch sinngemäss:<br />
Anstelle von «Wirtschaft» lesen sie «Handel».<br />
In den schlimmsten Fällen vergehen Tage,<br />
bevor die Betroffenen überhaupt realisieren,<br />
dass sie ihre Mitmenschen nicht einmal mehr<br />
verstehen. Besonders schwer für die Betroffenen<br />
und ihre Angehörigen ist auch die Globale<br />
Aphasie, bei der die Menschen zunächst<br />
ganz verstummen und bei denen sich die<br />
Kommunikation auch trotz Therapie auf wiederkehrende,<br />
manchmal unverständliche<br />
Laut- und Silbenfolgen «jajajaja» oder «damdamdam»<br />
beschränkt.<br />
Wie schwer muss es sein, sämtliche Gefühle,<br />
Botschaften und Bedürfnisse in eine<br />
vermeintlich unsinnige Lautabfolge legen zu<br />
müssen und dabei darauf zu hoffen, dass<br />
vielleicht irgendjemand kleine, aber vielsagende<br />
Unterschiede in der Betonung bemerkt<br />
? Kurt Kohler ist einer der Menschen,<br />
die die Antwort auf diese Frage kennen. Mit<br />
etwas Glück, unbändigem Durchhaltewillen<br />
und intensiver Logopädie hat er es geschafft,<br />
die <strong>Struktur</strong> in seinem Hirn, in seiner Sprache<br />
und in seinem Alltag wiederherzustellen.<br />
Und hört man ihn, den ehemaligen Banker,<br />
heute etwas zögerlich, aber fachkundig über<br />
die Wirtschaftskrise sprechen, ist es fast, als<br />
hätten ihm nur die Turbulenzen an der Börse<br />
ein wenig die Sprache verschlagen. <<br />
Extremfall: Völlig<br />
unverhofft erlitt<br />
Banker Kurt Kohler<br />
vor sechs Jahren<br />
einen Schlaganfall.<br />
Nach zwei Jahren<br />
völliger «Sprachlosigkeit»,<br />
spricht er<br />
heute dank intensiver<br />
Logopädie – und<br />
trotz gegenteiliger<br />
Prognosen – fast<br />
wieder normal.<br />
Trotz Aphasie und<br />
einer rechtsseitigen<br />
Lähmung, die oft<br />
bei Patienten mit<br />
einer Hirnschädigung<br />
auf der linken<br />
Seite auftritt, lebt<br />
Maria Flühler ihr<br />
Leben selbstständig.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
2<br />
<strong>Struktur</strong> Umfeld<br />
Zeig mir,<br />
wie du wohnst …<br />
Wie jemand denkt und fühlt, spielt sich nicht nur im<br />
Kopf – oder Herzen – ab. Es hinterlässt auch Spuren in der<br />
<strong>Struktur</strong> des persönlichen Umfelds. Ein Psychologe aus<br />
Texas studiert Wohnräume und analysiert, was sentimentale<br />
Souvenirs im Regal oder die Art, wie jemand seine<br />
Möbel arrangiert, über die Persönlichkeit verraten können.<br />
visuelle Medizin», so Gosling. Wer dagegen<br />
Sportmementos wie Autogramme berühmter<br />
Athleten zur Schau stellt, neigt oft zu politisch<br />
konservativem Denken. Und wer samstags<br />
lieber mit einem Buch daheim sitzt, statt von<br />
Party zu Party zu ziehen, signalisiert das<br />
dem Kenner nicht selten bereits durch Landschaftsbilder<br />
und Stillleben.<br />
Extrovertierte wiederum zögen Bilder<br />
vor, die Menschen zeigten, so Gosling. Auch<br />
fände man in ihren Büros eher weiche Sessel<br />
statt harter Stühle – und vielleicht sogar<br />
eine Schale Süsses. «Sie gestalten das Layout<br />
unbewusst so, dass es Leute ermutigt,<br />
einzutreten und zu verweilen.»<br />
Nicht immer aber sind Interpretationen so<br />
eindeutig. Ein gut sortiertes Whiskeyfach<br />
etwa könnte bedeuten, dass jemand oft Entspannung<br />
nach einem als aufreibend empfundenen<br />
Alltag sucht. Oder dass er gern<br />
feuchtfröhliche Feste feiert. Oft hilft erst der<br />
Kontext zu entscheiden, was stimmt.<br />
Nicht in die Irre führen lassen<br />
Text: Ute Eberle In Lisas Bad hingen passend<br />
gemusterte Handtücher identisch<br />
gefaltet und exakt gleich lang vom Halter.<br />
Cindys Wohnheimzimmer strotzte vor Aufklebern,<br />
Andenken und ermunternden Zitaten<br />
wie «Denk positiv!». Duncan hatte seinen<br />
Schlafbereich in eine Kuschelhöhle verwandelt,<br />
mit einem Bett, das den Platz fast ausfüllte,<br />
und weichen Kissen darauf. Und bei<br />
Gideon stürzten dem Besucher allerorts<br />
Dinge entgegen. «Der Stapel auf dem zweituntersten<br />
Regalbrett etwa enthielt loses<br />
Kleingeld, mehrere Kassenzettel, eine Rolle<br />
Zwirn, einen Bonbon, eine umgedrehte Pappschachtel,<br />
eine Flasche Tipp-Ex, allerlei Vitaminkapseln,<br />
eine halb zerknüllte Papiertüte,<br />
einen Schnürsenkel, eine offene Packung<br />
Stifte, einen Stapel Umschläge von Banken<br />
und Ämtern und lose Notizzettel. Über allem<br />
hing ein einsamer Socken», erinnert sich<br />
Sam Gosling.<br />
Seit 1997 «schnüffelt » Gosling – wie er<br />
es selber nennt – durch die Wohnungen,<br />
Büros, Webseiten und Autos von Mitmenschen.<br />
Aus rein professioneller Neugier,<br />
versteht sich. Der Psychologieprofessor der<br />
Universität Texas studiert unter anderem,<br />
wie sich unsere Persönlichkeit in den physischen<br />
<strong>Struktur</strong>en unseres Lebensumfelds<br />
widerspiegelt. Dafür hat er furchtlos unter<br />
Betten in Studentenbuden gespäht, Bilder<br />
an Wänden gezählt und geschaut, wie wir<br />
unsere Akten sortieren und ob wir Kerzen im<br />
Bad aufstellen. Und festgestellt: Wie ein<br />
Mensch sein Umfeld gestaltet, sagt oft mehr<br />
über seine Werte, Gewohnheiten und Hoffnungen<br />
aus, als er ahnt. «Die meisten Leute<br />
machen sich keine Gedanken, was sie mit<br />
dem Berg Schuhen unter dem Tisch, der welken<br />
Pflanze in der Ecke oder dem Gummihuhn,<br />
das von der Lampe baumelt, preisgeben»,<br />
schreibt Gosling, der die Ergebnisse<br />
seiner Forschung jüngst in einem Buch mit<br />
dem Titel «Snoop. What Your Stuff Says<br />
About You» zusammenfasste.<br />
Autogramme für Konservative<br />
Der Psychologe unterzog die Freiwilligen,<br />
durch deren Privatsphäre er schnüffelte, Persönlichkeitstests<br />
und befragte ihre Freunde.<br />
So stellte er etwa fest, dass Menschen, die<br />
ihr Umfeld mit inspirierenden Zitaten schmücken,<br />
überdurchschnittlich häufig ängstliche<br />
Grübler sind. «Die Poster dienen ihnen als<br />
Ungeübte «Schnüffler » allerdings konzentrieren<br />
sich meist zu sehr auf das, was im<br />
Dekor hervorsteche, hat Gosling gemerkt.<br />
So stürzten sich die Studenten, die dem Professor<br />
bei manchen Schnüffelstudien halfen,<br />
einst in einer penibel aufgeräumten und brav<br />
eingerichteten Wohnung auf eine Haschisch-<br />
Wasserpfeife, die hinter einem Regal stand.<br />
Diese aber gehörte einer Bekannten der<br />
Bewohnerin, war nur kurzzeitig im Haus abgestellt<br />
und taugte damit mitnichten als Indiz<br />
für eine vermeintliche Rebellionslust der<br />
I nhaberin. «Dinge, die herausfallen, sind für<br />
Schnüffler doppelt problematisch», sagt Gosling.<br />
«Sie führen oft in die Irre. Und sie lenken<br />
vom Rest ab.»<br />
Auch missdeuten Laien gewisse Raumcharakteristiken<br />
fast automatisch. Kunstobjekte<br />
oder Bücher über Kunst etwa werden<br />
laut Gosling gern als Hinweis auf politisch<br />
liberale Bewohner gesehen. Tatsächlich besteht<br />
zwischen beiden kein Zusammenhang.<br />
Dagegen gehen Werkzeuge, um Kunst herzustellen<br />
(wie Paletten, Farben oder Schnitzmesser)<br />
durchaus überdurchschnittlich oft<br />
mit einer linkspolitischen Einstellung einher.<br />
Ein Irrtum auch: dass in gemütlich eingerichteten,<br />
farbenfrohen Zimmern zwangsläufig<br />
Menschenfreunde wohnen. Oder dass<br />
ein Raum, in dem alles kunterbunt verstreut<br />
liegt und viele Bücher stehen, jemandem<br />
Fotos: Martin Stollenwerk<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Umfeld <strong>Struktur</strong><br />
2<br />
gehören muss, der extrovertiert ist und<br />
Neues schätzt.<br />
Richtig dagegen: Nicht die Zahl der Bücher,<br />
sondern die Bandbreite ihrer Themen, belegt<br />
die Offenheit eines Geistes. Und gute Beleuchtung<br />
erwies sich als überraschend akkurates<br />
Indiz für den Charakterzug der Gewissenhaftigkeit.<br />
Gosling rät, auch darauf zu achten, wie<br />
Gegenstände arrangiert sind. «Das signalisiert,<br />
welcher Stellenwert ihnen zukommt.»<br />
Sind die Familienfotos des Bürokollegen etwa<br />
so ausgerichtet, dass nur er sie sehen kann –<br />
ein Kraftspender für anstrengende Tage?<br />
Oder strahlen Frau und Kinder Besuchern<br />
entgegen? («Guck, wie toll meine Gattin ist,<br />
und bewundere die Früchte meiner Lenden»,<br />
deutet Gosling solche Arrangements.)<br />
Verräterische Details<br />
Kann man sich verstellen? Nur bedingt.<br />
«Grosse Teile unserer Persönlichkeit lassen<br />
sich nicht unterdrücken, so sehr wir auch<br />
danach trachten mögen», schreibt der amerikanische<br />
Forscher.<br />
Gewiss, wir mögen das Chaos auf dem<br />
Schreibtisch in eine Schublade kehren, bevor<br />
der Chef zu Besuch kommt. Oder die eselsohrigen<br />
Thriller hinter die Bildbände im Wohnzimmerregal<br />
schieben, um ein intellektuelles<br />
Image zu kultivieren.<br />
Doch ein geübter Schnüffler wird schnell<br />
sehen, dass etwa unsere Musiksammlung<br />
zwar in Fächern mit Aufschriften wie «Klassik»<br />
oder «Dance» untergebracht ist, aber die CDs<br />
keineswegs richtig eingeordnet sind, geschweige<br />
denn in der richtigen Hülle stecken.<br />
Oder dass das Teeset, das wir scheinbar für<br />
unsere vielen Besucher bereithalten, völlig<br />
unbenutzt ist.<br />
Denn gerade dort, wo wir die meiste Zeit<br />
verbringen – in unseren Wohnungen und<br />
Büros –, lagern sich die physischen Spuren<br />
unseres Charakters auf- und nebeneinander<br />
ab wie die Schichten einer archäologischen<br />
Fundstätte, bis sie ein Denkmal unseres<br />
Wesens bilden. «Selbst wenn ein Schlafzimmer<br />
gänzlich unbemerkenswert ist, sagt<br />
das etwas über seinen Bewohner aus»,<br />
schreibt Gosling. <<br />
Studentenheime<br />
mit absolut identischen<br />
Zimmern,<br />
aber je nach Bewohner<br />
völlig unterschiedlichen<br />
Ausprägungen<br />
sind ideale<br />
Forschungslabore<br />
für die Feldstudien<br />
des Psychologen<br />
Sam Gosling.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
2<br />
<strong>Struktur</strong> Finanzindustrie<br />
Wohin steuert<br />
die globale<br />
Finanzbranche<br />
nach der<br />
Krise?<br />
Eine Einschätzung von Giles Keating,<br />
Leiter des Global Research der Credit Suisse.<br />
Während sich die Weltwirtschaft allmählich<br />
von der Kreditkrise erholt, zeichnen sich tiefgreifende,<br />
strukturelle Veränderungen ab.<br />
Die globalen Kapitalströme sind nicht mehr<br />
dadurch geprägt, dass Spargelder aus Asien<br />
auf den US-Markt fliessen und dort den Konsum<br />
auf Kredit ankurbeln und das Handelsdefizit<br />
finanzieren. Vielmehr lassen sich in<br />
den USA ein deutlicher Anstieg der Nettosparquote<br />
und ein spürbarer Rückgang<br />
des Handelsdefizits beobachten. Gleichzeitig<br />
üben die Schwellenländer, die einen immer<br />
grösseren Teil der globalen Nachfrage bedienen,<br />
eine zunehmende Anziehungskraft<br />
auf das internationale Anlagekapital aus. Im<br />
Zuge der Finanzkrise ist das globale Finanzsystem,<br />
das diese Ersparnisse rund um den<br />
Erdball verteilt, in seinen Grundfesten erschüttert<br />
worden. Nun gilt es zu analysieren,<br />
mit welchen Entwicklungen in den nächsten<br />
Jahren zu rechnen ist. Dabei gilt es insbesondere<br />
die sich verändernde Rolle der Banken<br />
und die des US-Dollars zu beachten.<br />
Die Banken<br />
US-amerikanische und europäische Banken,<br />
aber nicht ihre asiatischen und lateinamerikanischen<br />
Pendants, haben während der<br />
Krise noch nie dagewesene Verluste erlitten.<br />
Um sich über Wasser zu halten, haben diese<br />
Kreditinstitute Kapital von Regierungen und<br />
Privatanlegern aufgenommen. Allerdings ist<br />
bei vielen Banken weiterhin mit hohen Verlusten<br />
zu rechnen, die einen Grossteil ihrer<br />
Gewinne in den nächsten zehn Jahren wieder<br />
aufzehren dürften. Darüber hinaus stellt<br />
sich eine strukturell entscheidende Frage:<br />
Werden die US-amerikanischen und die<br />
europäischen Banken ihre Leverage erhöhen<br />
und wieder grössere Risiken eingehen, um<br />
das Wirtschaftswachstum im In- und Ausland<br />
zu fördern? Oder werden sie sich eher<br />
zurückhalten, was zur Folge hätte, dass die<br />
Banken der Schwellenländer sowie Direktanlagen<br />
an den Kapitalmärkten an die erste<br />
Stelle treten?<br />
In den letzten Jahrzehnten ist es den USamerikanischen<br />
und den europäischen Banken<br />
insgesamt relativ schnell gelungen, sich<br />
von Kreditengpässen zu erholen und auf<br />
einen soliden Wachstumspfad zurückzufinden.<br />
Ob das auch dieses Mal der Fall sein<br />
wird, ist jedoch ungewiss.<br />
Derzeit herrscht in den USA und Europa<br />
eine rege politische Debatte darüber, wie<br />
sich verhindern lässt, dass die Risiken und<br />
das Leverage abermals überhandnehmen.<br />
Zur Erreichung dieses Ziels stehen den Regierungen<br />
drei Mittel zur Verfügung. Erstens<br />
können sie den Banken, in die der Staat investiert<br />
hat, entsprechende Auflagen erteilen.<br />
Allerdings schrecken die meisten Regierungen<br />
in dieser Hinsicht vor allzu radikalen<br />
Schritten zurück, zumal sie ihre Beteiligungen<br />
früher oder später wieder verkaufen wollen,<br />
wodurch dann diese Einflussmöglichkeit<br />
verloren ginge. Zweitens können sie Banken<br />
dazu zwingen, sich in kleinere und spezialisiertere<br />
Einheiten aufzuspalten. Dies wäre<br />
jedoch eine umstrittene Massnahme, die in<br />
allen Ländern durchgeführt werden müsste,<br />
um die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen<br />
Banken nicht zu beeinträchtigen. Drittens<br />
haben die Regierungen die Möglichkeit, die<br />
gesetzlichen Bestimmungen zu verschärfen.<br />
Die Banken könnten beispielsweise dazu gezwungen<br />
werden, in guten Jahren einen zusätzlichen<br />
Kapitalpuffer für schlechte Zeiten<br />
anzulegen («antizyklische Vorsorge»).<br />
Denkbar wäre auch die Einführung von<br />
Liquiditätsstandards oder die Festsetzung einer<br />
Mindestkernkapitalquote. Dies wäre eine<br />
sinnvolle Ergänzung der bestehenden Regeln,<br />
die geringere Kapitalanforderungen für weniger<br />
riskante Kredite vorsehen (Basel-II-Richtlinien).<br />
Derartige Regeländerungen sind vermutlich<br />
das wichtigste Instrument, mit dem<br />
Regierungen Banken zu beeinflussen suchen,<br />
obwohl eine gleichmässige Anwendung neuer<br />
Bestimmungen auf weltweiter Ebene unwahrscheinlich<br />
ist. Das bedeutet, dass sich das<br />
aufsichtsrechtliche Umfeld von Land zu Land<br />
sehr unterschiedlich entwickeln wird.<br />
Die Auswirkungen all dieser Änderungen<br />
werden wahrscheinlich zwischen den einzelnen<br />
Banken und Ländern unterschiedlich<br />
ausfallen. Unter den grossen US-amerikanischen<br />
und europäischen Instituten, die sich<br />
zuvor im internationalen Investment Banking<br />
betätigten, scheinen sich einige wieder verstärkt<br />
auf inländische Kunden zu konzentrieren;<br />
andere bleiben international ausgerichtet,<br />
wählen jedoch einen deutlich konservativeren<br />
Risikoansatz; eine dritte Gruppe<br />
von Banken indes scheint trotz einer etwas<br />
strengeren Regulierung wieder grössere Risiken<br />
einzugehen. Kurzfristig bedeutet dies<br />
weniger Wettbewerb (und daher grössere<br />
Gelegenheiten für Oligopol-Gewinne) für<br />
jene Finanzinstitute, die im internationalen<br />
Investment Banking aktiv bleiben.<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Finanzindustrie <strong>Struktur</strong><br />
2<br />
Foto: Thomas Eugster<br />
Es gibt jedoch neue Wettbewerber, die auf<br />
den Markt drängen. Einige der asiatischen<br />
Banken, die schon jetzt über eine beträchtliche<br />
Grösse und Marktmacht verfügen, sich<br />
jedoch bisher vor allem auf die heimischen<br />
Märkte konzentriert haben, werden voraussichtlich<br />
bei der Bewegung der globalen<br />
Kapitalströme eine sehr viel grössere Rolle<br />
spielen. In fünf Jahren dürfte daher die Gesamtzahl<br />
der grossen, global agierenden<br />
Banken möglicherweise ähnlich sein wie vor<br />
der Krise, mit dem Unterschied, dass sie geografisch<br />
gleichmässiger verteilt sein werden<br />
und dass US-amerikanische und europäische<br />
Finanzinstitute eine weniger wichtige<br />
Rolle spielen werden. Diese Entwicklung<br />
dürfte vor einem schnellen Wachstum von<br />
Banken der zweiten Reihe in Schwellenländern<br />
begleitet sein, die die Umleitung der<br />
Kapitalströme in ihre expandierenden inländischen<br />
Märkte ermöglichen.<br />
Der US-Dollar<br />
Giles Keating:<br />
«In fünf Jahren<br />
dürfte die Gesamtzahl<br />
der grossen,<br />
global agierenden<br />
Banken möglicherweise<br />
ähnlich<br />
sein wie vor der<br />
Krise, doch werden<br />
sie geografisch<br />
gleichmässiger<br />
verteilt sein.»<br />
Aus mehreren Gründen spielt der US-Dollar<br />
derzeit eine zentrale Rolle im weltweiten<br />
Währungssystem: Er ist die wichtigste Abrechnungs-<br />
und Zahlungswährung im internationalen<br />
Handel, die mit Abstand grösste<br />
Reservewährung in den meisten souveränen<br />
Staaten und die Einheit, an die die meisten<br />
Länder explizit oder implizit ihre eigenen<br />
Währungen koppeln (zumindest teilweise).<br />
Seine Kapitalmärkte sind noch immer die<br />
grössten und liquidesten weltweit, und er<br />
wird von vielen internationalen Investoren zur<br />
Überwachung ihrer Portfolios verwendet.<br />
Viele Marktteilnehmer haben jedoch begonnen,<br />
diese Rolle des US-Dollars infrage zu<br />
stellen, da die Finanzkrise ihr Epizentrum an<br />
den US-Finanzmärkten hatte und die Verschuldung<br />
der USA in den allgemeinen Blickpunkt<br />
gerückt hat.<br />
Die zentrale Rolle des US-Dollars geht auf<br />
die wirtschaftlichen Regelungen nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg zurück, die in Bretton<br />
Woods getroffen wurden. In den 1970er-Jahren<br />
endete der Grossteil dieser Vereinbarungen,<br />
als die Goldbindung des Dollars aufgehoben<br />
wurde und viele Währungen von festen<br />
zu variablen Wechselkursen übergingen.<br />
Eine Zeit lang stand die zentrale Rolle des<br />
Dollars infrage, aber mehrere Gründe sorgten<br />
dafür, dass die US-Währung letztlich ihre<br />
Position beibehalten konnte: Die USA waren<br />
noch immer eine Gläubigernation; die geopolitische<br />
Macht des Landes nahm weiter zu,<br />
als die Sowjetunion auseinanderbrach; und<br />
es gab keine ernsthafte Alternative zum<br />
Greenback.<br />
Heute sind jedoch die Umstände ganz anders.<br />
Die USA sind mittlerweile die grösste<br />
Schuldnernation der Welt. Dies eröffnet<br />
Investoren zwar ein riesiges Anlageuniversum<br />
in Dollar-Papieren, könnte jedoch für<br />
das Land letztlich zu einem Bonitätsverlust<br />
führen. Auf geopolitischer Ebene sind die<br />
USA zwar immer noch bei Weitem das mächtigste<br />
Land, aber vieles deutet daraufhin,<br />
dass wir uns mittelfristig auf eine multipolare<br />
Welt zubewegen, in der auch Länder<br />
wie China und Indien eine massgebliche Rolle<br />
spielen werden. Ausserdem gibt es heute<br />
mit dem Euro eine Währung, die einige der<br />
zuvor vom Dollar ausgeübten Funktionen erfüllt.<br />
Die Devisenreserven in Euro steigen an,<br />
obwohl sie immer noch deutlich kleiner als die<br />
in US-Dollar gehaltenen Reserven sind. Der<br />
Euro dient mittlerweile in zahlreichen anderen<br />
Ländern als wichtige Referenzwährung.<br />
Auch die chinesische Währung, der Renminbi,<br />
könnte in zehn bis zwanzig Jahren eine solche<br />
Rolle übernehmen. Dies setzt jedoch voraus,<br />
dass sich das Wirtschaftswachstum in China<br />
fortsetzt und dass weitere Währungsreformen<br />
stattfinden. Bis dahin ist es in jedem<br />
Fall noch ein weiter Weg, denn derzeit ist die<br />
chinesische Währung noch nicht einmal frei<br />
konvertierbar, und die inländischen Geldmärkte<br />
sind unterentwickelt.<br />
Keiner dieser Faktoren scheint stark genug,<br />
um die Rolle des Dollars als weltweite<br />
Leitwährung in unmittelbarer Zukunft infrage<br />
zu stellen. Auf Sicht von zehn Jahren und im<br />
gleichen Masse, wie sich sowohl die politische<br />
als auch die wirtschaftliche Macht auf<br />
mehrere Akteure verteilt, dürfte jedoch der<br />
Dollar seine Führungsrolle verlieren. Ein mögliches<br />
Szenario besteht darin, dass Dollar,<br />
Euro und Renminbi ein Währungssystem bilden,<br />
in dem jede der drei Währungen den<br />
anderen Ländern der jeweiligen Region als<br />
Referenz-, Reserve-, Zahlungs- und Abrechnungswährung<br />
dient. Denkbar wäre auch<br />
eine Anpassung des IWF-Währungskorbs<br />
(der so genannten Sonderziehungsrechte),<br />
um Schwellenländerwährungen wie den Renminbi<br />
aufzunehmen.<br />
Fazit<br />
Die Kreditkrise hat die Entwicklung hin zu<br />
einer multipolaren Welt verstärkt, und dies<br />
dürfte sich in vielfältiger Weise im Finanzsystem<br />
widerspiegeln. Während die Dominanz<br />
des US-Dollars und der US-Finanzinstitute<br />
ihrem Ende entgegengeht, werden<br />
andere Länder, Währungen, Kapitalmärkte<br />
und Banken deutlich an Gewicht gewinnen.<br />
Wie andere grosse Veränderungen wird auch<br />
dieser strukturelle Wandel für Anleger sowohl<br />
Chancen als auch Risiken mit sich bringen. <<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
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Echo. Echo. Echo.<br />
wirklich unmittelbar vor einer<br />
grossen Karriere? Am 21. Oktober<br />
sind nun wohl die allerletzten<br />
Zweifel verflogen: Bei der Verleihung<br />
des renommierten Echo-<br />
Klassik in Dresden kamen gleich<br />
drei CSYAA-Preisträger zu Ehren:<br />
Sol Gabetta wurde für ihr Celloconcert<br />
Nr. 2 von Dmitri Schostako-<br />
witsch geehrt, Martin Helmchen<br />
für seine Klaviersonate D 959 von<br />
Franz Schubert und dazu Patricia<br />
Kopatchinskaja zusammen mit<br />
Fazil Say für ihre Interpretationen<br />
von Beethoven («Kreutzersonate»),<br />
Ravel, Bartók und Say. Für Sol<br />
Gabetta (2007) und Martin Helmchen<br />
(2006) war es sogar bereits<br />
der zweite Echo-Klassik.<br />
Fotos: Martin Stollenwerk | Credit Suisse<br />
Im August wurde am Lucerne Festival<br />
der fünfte Prix Credit Suisse<br />
Jeunes Solistes an den Pianisten<br />
Andriy Dragan überreicht (siehe<br />
Seite 47). Auch der internationale<br />
Credit Suisse Young Artist Award<br />
(CSYAA) ist bereits fünfmal verliehen<br />
worden – von einer hochkarätigen,<br />
kompetenten Jury unter<br />
der Leitung von Michael Haefliger,<br />
Intendant Lucerne Festival. Und<br />
doch bleibt immer eine kleine Restunsicherheit:<br />
Haben die Richtigen<br />
den Preis erhalten? Stehen sie<br />
Verwaltungsrat Credit Suisse<br />
Benmosche ausgetreten<br />
Wegen seiner Ernennung zum<br />
CEO des US-Versicherers AIG ist<br />
Robert H. Benmosche Anfang<br />
August nach sieben erfolgreichen<br />
Jahren aus dem Verwaltungsrat<br />
der Credit Suisse ausgetreten.<br />
In diesem hatte Robert H. Benmosche<br />
seit 2003 auch dem Compensation<br />
Committee angehört.<br />
3%<br />
Sorgenbarometer 200 Die Arbeitslosigkeit<br />
war 200 für 3 Prozent der Schweizerinnen<br />
und Schweizer die Hauptsorge,<br />
gefolgt vom Gesundheitswesen und von der<br />
Altersvorsorge. Die Resultate der neuen<br />
Umfrage werden bereits Mitte Dezember im<br />
nächsten <strong>bull</strong>etin publiziert. Wie wirkt sich<br />
die Wirtschaftskrise auf die Befindlichkeit<br />
der Schweizer Bevölkerung aus? Als übergeordnetes<br />
Thema haben wir «Verantwortung»<br />
gewählt. Das nächste <strong>bull</strong>etin geht also<br />
uns alle an.<br />
Der ab den 10er-Jahren gebaute Uetlihof-Gebäudekomplex<br />
war 13 mit dem «Grünpreis der Stadt Zürich»<br />
und 1 von der Stiftung Natur und Wirtschaft als<br />
«Naturpark der Schweizer Wirtschaft» ausgezeichnet<br />
worden. Auch auf der am 2. Juni begonnenen Grossbaustelle<br />
wird ökologischen Gesichtspunkten Rechnung<br />
getragen. Bis jetzt läuft alles nach Plan. Die Inbetriebnahme<br />
des Gebäudes mit mehr als 2000 Arbeitsplätzen<br />
erfolgt im Herbst 2011.<br />
Branch Excellence<br />
Schaffhausen und Pully<br />
Ende 2008 berichteten wir, dass<br />
in Biel die 50. nach dem Branch-<br />
Excellence-Konzept umgebaute<br />
Filiale wieder eröffnet werden<br />
konnte. Mit den Geschäftsstellen<br />
Schaffhausen und Schönenwerd<br />
ist man nun bei 65 angelangt,<br />
wobei 20<strong>09</strong> die Romandie mit<br />
Delsberg, Montreux (im Bild),<br />
Genf Eaux-Vives, Pully und EPFL<br />
Lausanne gleich fünfmal zum<br />
Zuge kam. Die Filialen sind nicht<br />
nur moderner, heller und kundenfreundlicher,<br />
sondern auch nach<br />
modernsten ökologischen Kriterien<br />
gestaltet worden. Zudem wird<br />
darauf geachtet, dass auch Leute<br />
mit einem körperlichen Handicap<br />
optimalen Zugang zu den Bankdienstleistungen<br />
erhalten. In<br />
wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />
ist auch das Bauvolumen –<br />
allein in Zürich-Aussersihl zehn<br />
Millionen Franken – von erheblicher<br />
Bedeutung.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
32 Credit Suisse<br />
Live at Sunset klingt nach<br />
Nach dem Festival ist vor …<br />
und frühere französische Premierminister<br />
Michel Rocard verpflichtet<br />
werden.<br />
Interview mit Michel Rocard unter<br />
www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Die Einheimischen retten<br />
die Salzburger Festspiele<br />
Trotz Wirtschaftskrise und Schweinegrippe<br />
ist die Rechnung der Salzburger<br />
Festspiele auch 200 aufgegangen.<br />
In total 20 Veranstaltungen wurden<br />
24 432 Besucher aus Nationen<br />
registriert, wie Präsidentin Helga Rabl-<br />
Stadler, Intendant Jürg Flimm und<br />
der Kaufmännische Direktor Gerbert<br />
Schwaighofer ausführten.<br />
Obwohl die Besucherzahlen aus<br />
China und Russland massiv zunahmen<br />
und jene aus der Schweiz stabil blieben,<br />
waren es die Salzburger selbst sowie<br />
die Bayern, die mit Spontankäufen die<br />
Bilanz entscheidend verbesserten.<br />
Zwar ernteten die meisten Vorstellungen<br />
Lob, aber hin und wieder<br />
sprach man von einer «angezogenen<br />
Handbremse».<br />
Zu den Glanzpunkten gehörte die<br />
Oper «Al gran sole carico d’amore»<br />
von Luigi Nono, die von Regisseurin<br />
Katie Mitchell mit Live-Videoaufnahmen<br />
theatergerecht inszeniert und von<br />
Ingo Metzmacher musikalisch eindrücklich<br />
umgesetzt wurde.<br />
Im Bild, oben: Charles Naylor, Chief<br />
Communication Officer der Credit<br />
Suisse, begrüsst als ehemaliger Opernsänger<br />
0 Journalisten zur «Sommerbegegnung»<br />
mit den Exponenten der Aufführung.<br />
Ganz vorne Nuria Nono. Unten:<br />
die vier Sopranistinnen Virpi Räisänen,<br />
Elin Rombo, Sarah Tynan und Anna<br />
Prohaska und, ganz rechts, die Altistin<br />
Susan Bickley. Mehr auf Seite 44 sowie<br />
unter www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
«Die Grossbank<br />
Credit Suisse,<br />
die Nummer 2,<br />
hat über Jahre<br />
hinweg eine<br />
konstante Leistung<br />
und Plätze<br />
an der Spitze<br />
vorzuweisen<br />
(…). Die Credit<br />
Suisse beeindruckt<br />
zwar<br />
nicht mit schönen<br />
Bildern,<br />
sie überzeugte<br />
jedoch die Jury<br />
mit einer klaren<br />
Aufteilung und<br />
einer logischen<br />
Abfolge des<br />
Berichts. Die<br />
Tiefe der Analyse<br />
ist überdurchschnittlich<br />
im Vergleich<br />
zu anderen Berichten.»<br />
Im Geschäftsberichte -<br />
Rating 20<strong>09</strong> belegt<br />
die Credit Suisse<br />
den zweiten Platz<br />
hinter Kuoni und vor<br />
Novartis.<br />
Das 14. Live-at-Sunset-Festival<br />
endete trotz teilweise garstigem<br />
Wetter mit einem Besucherrekord:<br />
An den zwölf Abenden strömten<br />
35 000 Besucher auf die Dolder-<br />
Eisbahn auf dem Zürcher Adlisberg.<br />
Und auch die eingeladenen Musiker<br />
erfüllten die hochgesteckten<br />
Erwartungen, nicht zuletzt der Brite<br />
Jamie Cullum und die Schweizerin<br />
Sophie Hunger. Die japanischen<br />
Kodo-Trommler überzeugten wie<br />
die französische Chansonnière<br />
Patricia Kaas und der Schweizer<br />
Monsieur Magique Stephan Eicher.<br />
Und auch Katie Melua und Amy<br />
McDonald (im Bild) verzauberten<br />
ihre Schweizer Fans.<br />
www.liveatsunset.ch; Interviews<br />
mit Sophie Hunger und Amy McDonald<br />
auf www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Konjunkturausblick 2010<br />
Michel Rocard blickt voraus<br />
Die letzten Monate des Jahres<br />
sind bei vielen Kundenanlässen der<br />
Credit Suisse dem Ausblick auf<br />
das kommende Jahr gewidmet. Auf<br />
ganz besonderes Interesse stiessen<br />
am 30. September und 1. Oktober<br />
die «Perspectives» in Lausanne und<br />
Genf, konnte doch als Gastredner<br />
der bekannte sozialistische Politiker<br />
Anzeige<br />
Ehrenvolle Ernennung<br />
Neuer CIO Private Banking<br />
Mitte Juli wurde Stefan Keitel zum<br />
Chief Investment Officer (CIO)<br />
des Private Banking und zum Chairman<br />
des Credit Suisse Investment<br />
Committee ernannt. Hier arbeitet er<br />
eng mit Giles Keating, Leiter Global<br />
Research der Divisionen Private<br />
Banking und Asset Management,<br />
zusammen. In seiner neuen Funktion<br />
ist Stefan Keitel, der seit 2001<br />
für die Credit Suisse arbeitet,<br />
für kurz-, mittel- und langfristige<br />
Anlageeinschätzungen und Asset-<br />
Allocation-Empfehlungen über<br />
alle Kundensegmente verantwortlich.<br />
Seine bisherige Funktion<br />
als Global CIO des Geschäftsbereichs<br />
Multi Asset Class Solutions,<br />
einem Teil der Division Asset<br />
Management, nimmt Keitel weiterhin<br />
wahr.<br />
Nationale Tage Minergie-P<br />
Nachhaltiges Bauen fördern<br />
Rund 80 Besitzer von Minergie-<br />
P-Häusern in der ganzen Schweiz<br />
haben am 7. und 8. November<br />
ihre Türen geöffnet, um bau- oder<br />
umbauwilligen Besuchern die<br />
Gelegenheit zu bieten, die Vorzüge<br />
der Minergie-Bauweise kennenzulernen.<br />
Die Credit Suisse, die<br />
selber eine Minergie-Hypothek zu<br />
Sonderkonditionen anbietet, unterstützte<br />
wie im Vorjahr als Patronatspartner<br />
den Anlass, der immer<br />
grössere Beachtung findet.<br />
www.credit-suisse.com/wohnen;<br />
www.minergie.ch<br />
Classic Cars<br />
Goodwood Revival<br />
Über 130 000 Zuschauer besuchten<br />
vom 17. bis 20. September das<br />
11. Goodwood Revival in Sussex,<br />
England, zu dessen Sponsoren neu<br />
auch die Credit Suisse gehört.<br />
Der Anlass ist einzigartig in seiner<br />
Art. Auf dem legendären Circuit<br />
von Goodwood werden mit Exponaten<br />
des Rennsports der 1950erund<br />
1960er-Jahre stilecht die glor-<br />
Fotos: Wolfgang Lienbacher | Sebastian Schiendorfer | Daniel Huber | kammerorchesterbasel<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 33<br />
reichen Tage jener Zeit zelebriert.<br />
So ist das Tragen von Kleidern aus<br />
dieser Zeit nicht nur bei den Offiziellen<br />
und Fahrern, sondern auch<br />
bei den Zuschauern Ehrensache.<br />
In den insgesamt 16 Rennen lieferten<br />
sich die Fahrer – unter ihnen<br />
Grössen wie Derek Bell, Jochen<br />
Mass oder David Coulthard – zum<br />
Teil halsbrecherische Duelle. Zudem<br />
wurde Sir Stirling Moss anlässlich<br />
seines 80. Geburtstags mit einer<br />
Parade seiner 80 wichtigsten Autos<br />
geehrt. www.goodwood.co.uk<br />
Nachhaltige Investments<br />
Fair, clean, gewinnbringend<br />
Auf riesiges Interesse stiess am<br />
20. Oktober im Technopark Zürich<br />
der erste Swiss Equity sustainability<br />
day, der von der Credit Suisse<br />
als Premium Partner unterstützt<br />
worden ist. Nach dem einleitenden<br />
Referat von Christopher Flavin,<br />
Präsident Worldwatch Institute,<br />
über den «New Green Deal», der<br />
hilft, die weltweite Wirtschaftskrise<br />
zu überwinden, stellten sich Unternehmen<br />
mit grüner Technologie<br />
vor. Daneben wurden Fachreferate<br />
geboten, seitens der Credit Suisse<br />
von Nannette Hechler-Fayd’herbe<br />
(«Mikrofinanz nach der globalen<br />
Krise») und Lars Kalbreier («Ressourceneffizienz<br />
– die tief hängende<br />
Frucht der Nachhaltigkeit»).<br />
Den Abschluss bildete eine Paneldiskussion<br />
unter der Leitung von<br />
Antoinette Hunziker-Ebneter, Forma<br />
Futura Invest AG.<br />
www.sustainabilityday.ch<br />
Jazz Recitals und Jazz Classics<br />
Jazz vom Allerfeinsten<br />
Neben dem Schaffhauser Jazzfestival,<br />
den Stanser Musiktagen<br />
sowie Estival Jazz Lugano bilden<br />
seit 1996 die All-Blues-Konzertreihen<br />
«Jazz Classics» und «Jazz<br />
Recitals» – rund 20 Konzerte<br />
zwischen Oktober und Mai in sieben<br />
Schweizer Städten – ein klingendes<br />
Schwergewicht des Kultursponsorings<br />
der Credit Suisse.<br />
Bereits wieder vorbei sind die Auftritte<br />
von Roberto Fonsecca,<br />
Cassandra Wilson und The Manhattan<br />
Transfer, doch noch gibt es<br />
musikalische Leckerbissen genug:<br />
Ron Carter, Dee Dee Bridgewater,<br />
Abdullah Ibrahim, Ahmad Jamal,<br />
Dianne Reeves, Bobby McFerrin<br />
und Mare Nostrum.<br />
www.allblues.ch; www.credit-suisse.<br />
com/sponsoring > jazz<br />
Giovanni Giacometti, «Fanciulli al sole», 110, Öl auf Leinwand, 1,3 x 100 cm,<br />
Depositum der Gottfried-Keller-Stiftung/Kunstmuseum Bern, Schenkung<br />
Stiftung Gemäldesammlung Emil Bretschger<br />
Kunstmuseum Bern und Bündner Kunstmuseum Chur<br />
Giovanni Giacometti – ein Meister der Lichtorchestrierung<br />
Das Kunstmuseum Bern setzt seine Reihe der bedeutenden Schweizer<br />
Maler auf attraktive Weise fort. Nach Amiet, Anker, Vallotton und Hodler<br />
widmet sich die aktuelle grosse Ausstellung unter dem Aspekt «Farbe<br />
im Licht» dem Bündner Giovanni Giacometti (1868–1933), dem Vater von<br />
Alberto Giacometti, der zwischen Impressionismus, Postimpressionismus<br />
und Fauvismus die wesentlichen Neuerungen der Moderne aufgenommen<br />
und weiterentwickelt hat. Rund 100 Gemälde belegen bis zum 21. Februar<br />
2010 in Bern sowie anschliessend vom 19. März bis Ende Mai in Chur<br />
die grosse koloristische Kraft Giacomettis und seine geniale, vibrierende<br />
Lichtorchestrierung. Ergänzend werden zum Vergleich einige Werke von<br />
Zeitgenossen wie Amiet und Segantini gezeigt. www.kunstmuseumbern.ch<br />
Online-Forum Die Cellistin Sol Gabetta<br />
erhielt 20<strong>04</strong> den Credit Suisse Young Artist<br />
Award. Der Höhenflug geht weiter: Soeben<br />
hat sie zum zweiten Mal einen Echo-Klassik-<br />
Preis erhalten. Sie haben die Möglichkeit,<br />
Sol Gabetta bis zum 1. Dezember Fragen<br />
zu stellen und Konzertkarten zu gewinnen.<br />
www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Business School<br />
Partnerschaft in Moskau<br />
Im Juli ist die Credit Suisse als<br />
einziger internationaler Bankkonzern<br />
eine Partnerschaft mit der<br />
Moskauer Business School Skolkovo<br />
eingegangen. Skolkovo ist<br />
2006 mit einer Trägerschaft aus<br />
russischen und internationalen Geschäftsleuten<br />
ins Leben gerufen<br />
worden. Als Gründungspartner unterstützt<br />
die Credit Suisse die Business<br />
School mit Bankleuten als Dozenten<br />
am MBA-Vollzeitprogramm.<br />
Osec – Partner der Credit Suisse<br />
Sonderfonds für Export<br />
Die Osec unterstützt KMU-Exportförderprojekte<br />
von Drittanbietern<br />
mit Finanzierungsbeiträgen. In einer<br />
ersten Tranche wurden für 15 Projekte<br />
630 000 Franken gesprochen.<br />
Am 15./16. April 2010 geht<br />
es beim Aussenwirtschaftsforum<br />
darum, Lehren aus der Krise zu ziehen<br />
und den EU-Markt mit Fokus<br />
auf Deutschland zu beleuchten.<br />
Texte: Andreas Schiendorfer<br />
Anzeige<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
34 Credit Suisse<br />
Georges Seurat im Kunsthaus Zürich<br />
Johann Heinrich Füssli, Alberto Giacometti, Claude Monet, Georgia O’Keeffe, Auguste Rodin<br />
und William Turner haben eine Gemeinsamkeit: Die Credit Suisse hat eine ihnen gewidmete<br />
Ausstellung im Kunsthaus Zürich ermöglicht. Mit Georges Seurat wird nun bis zum 17. Januar 2010<br />
ein wichtiger Wegbereiter der Moderne beleuchtet.<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Credit Suisse<br />
3<br />
Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La<br />
Grande Jatte. Eine wunderbare Momentaufnahme<br />
des beliebten Ausflugsorts auf der<br />
Seine. Georges Seurat stellte dieses über<br />
zwei auf drei Meter grosse Bild, das sich im<br />
The Art Institute of Chicago befindet, 1886<br />
an der letzten Impressionistenausstellung<br />
aus. Es war der viel diskutierte Mittelpunkt,<br />
und der 27-jährige Künstler wurde zum Zentrum<br />
einer Avantgarde, die lautstark an die<br />
Türen der klassischen Moderne pochte.<br />
«Sie sehen Poesie in<br />
meiner Malerei. Nein, ich<br />
wende meine Methode an,<br />
und das ist alles.»<br />
Georges Seurat<br />
Foto: Georges Seurat, «Étude d’ensemble pour ‹Un Dimanche à la Grande Jatte›», 1884, The Metropolitan Museum of Art, Bequest of Sam A. Lewisohn, 1951<br />
So poetisch dieses Schlüsselwerk anmutet,<br />
so konstruiert ist es letztlich, inhaltlich und<br />
formal. Erstmals wandte Seurat die Technik<br />
des Pointillismus in letzter Konsequenz an.<br />
Er setzte ungemischte kleine Farbflecke<br />
dicht nebeneinander; erst im Auge des<br />
Betrachters vermischen sich diese reinen<br />
Farben. Sein Malstil ist wissenschaftlich begründet,<br />
seine Arbeitsweise durch Disziplin<br />
geprägt. Die scheinbar spontane Szene von<br />
«La Grande Jatte» ist durch die Verbindung<br />
der impressionistischen Pleinair-Malerei mit<br />
der akademischen Atelierkunst entstanden.<br />
Während Monaten besuchte Seurat diese<br />
Seine-Insel und fertigte über 20 Zeichnungen<br />
und 30 Croquetons (Studien auf kleinen<br />
Holztafeln) an. Das Gemälde mit über<br />
40 Personen entstand danach im Atelier.<br />
Dabei karikierte er die Kleidermode und<br />
die dekadente bürgerliche Moral. Zeitgenossen<br />
erkannten, dass es sich bei der Frau<br />
mit Angel und der Frau im Vordergrund, die<br />
einen Affen an der Leine führt, um Cocottes,<br />
Prostituierte, handelt.<br />
Seurats Bedeutung wird gemeinhin zu<br />
wenig gewürdigt, weil er bereits mit 31 Jahren<br />
an Diptherie starb. Zudem ist sein Werk<br />
heute weit verstreut und zu einem beträchtlichen<br />
Teil in Privatbesitz. Eine Retrospektive<br />
in der Qualität der Zürcher Ausstellung<br />
wird sich, auch wegen des sensiblen Zustands<br />
einiger Hauptwerke, künftig kaum<br />
mehr realisieren lassen. schi<br />
Kunsthaus Zürich. Georges Seurat. Figur<br />
im Raum. Über 0 Gemälde und Zeichnungen.<br />
2. Oktober 200 – 1. Januar 2010.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
36 Credit Suisse<br />
Die Filmwelt zu Gast in Zürich<br />
Das Zurich Film Festival hat sich in seinem fünften Jahr endgültig etabliert. Karl Spoerri<br />
und Nadja Schildknecht haben es, zusammen mit Christine von Fragstein und Nikolaj Nikitin,<br />
verstanden, Glamour und Nachwuchsförderung optimal zu verbinden.<br />
Master Class 1: Morgan Freeman beantwortet<br />
die kniffligen Fragen der jungen Regisseure.<br />
An der Closing Night treffen sich die Stars von heute mit den Stars von morgen.<br />
Master Class 2: Terry Gilliam diskutiert über seinen<br />
neuen Film «The Imaginarium of Dr. Parnassus».<br />
Master Class 3: Monika Schärer moderiert<br />
den Nachmittag mit «Easy Rider » Peter Fonda.<br />
30 Wettbewerbsfilme, 36 Regisseure. Namen,<br />
von denen man, seien wir ehrlich, vor dem<br />
Zurich Film Festival keine drei gekannt hat.<br />
Das hat sich geändert. Natürlich werden sich<br />
die Filmfans wenige davon dauerhaft merken<br />
können; aber man wird sich später an<br />
sie erinnern, wenn man ihnen wieder begegnet.<br />
Und, keine Frage, einige der nach Zürich<br />
gereisten Regisseure werden den Durchbruch<br />
schaffen und dann vielleicht, 2020, am<br />
Zurich Film Festival als gefeierte Stars über<br />
den Roten Teppich laufen.<br />
An Sun-Kyong, Cherien Dabis, Martin<br />
Pieter Zandvliet, Adrian Biniez, Lynn Shelton,<br />
Peter Strickland, Reshef Levy, Tina Mabry,<br />
Mia Hansen-Love, Julia Solomonoff, Henry<br />
Barnadet, Myriam Verreault, Cary Jôji Fukunaga<br />
und Vasilij Sigarev hiessen die Teilnehmer<br />
des Internationalen Spielfilmwettbewerbs.<br />
Frieder Wittich, Carsten Ludwig und<br />
Jan-Christoph Glaser, Lancelot von Naso,<br />
Lutz Konermann, Maximilian Erlenwein, Wolfgang<br />
Groos, Markus Welter und Marco Antoniazzi<br />
kämpften um den Preis für den Besten<br />
Deutschsprachigen Spielfilm. Arantxa Aguirre,<br />
Anita Blumer, Yoav Shamir, Davide Barletti,<br />
Edoardo Cicchetti, Lorenzo Conte, Christoph<br />
Heller, Gabriel Noble, Fernanda Tornaghi,<br />
Ricardo Bruno, Greg Barker, Patrik Soergel<br />
und Ryan Fenson-Hood bewarben sich um<br />
das Goldene Auge für den Besten Dokumentarfilm.<br />
<strong>bull</strong>etin wird die drei Siegerteams (fettgedruckt)<br />
Anfang 2010 porträtieren. schi<br />
Fotos: Sebastian Schiendorfer | Zurich Film Festival | SVC<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 37<br />
Unternehmertum fördern<br />
Die Schweizer KMU sollen künftig von einer «Stiftung für das<br />
Unternehmertum» profitieren. Der Swiss Venture Club will eine Million<br />
Franken einschiessen, wenn sich weitere Stifter finden.<br />
Roter Teppich: Jurypräsidentin Debra Winger<br />
zusammen mit «Grease»-Regisseur Randal Kleiser.<br />
Michael Keaton gewährt der Credit Suisse ein<br />
Exklusivinterview über «The Merry Gentleman».<br />
Hannah Herzsprung und Daniel Brühl («Lila, Lila»)<br />
mit Urs Rohner, Vizepräsident der Credit Suisse.<br />
«Grenzen überwinden», lautete an der Jahresversammlung<br />
des Swiss Venture Club (SVC)<br />
in Bern das Thema der von Dirk Schütz,<br />
Chefredaktor «Bilanz», geleiteten Podiumsdiskussion.<br />
Es war interessant und anregend<br />
zu erfahren, was denn die Berufsmilitärpilotin<br />
Susanne SiegenthalerSchürmann, der<br />
Herzchirurg Thierry Carrel sowie Thomas<br />
Lamperstorfer, CEO Porsche Schweiz, genau<br />
darunter verstehen.<br />
Grenzen überwindet der Swiss Venture<br />
Club jeweils auch bei seinen Unternehmerreisen<br />
in neue Märkte – zum zweiten Mal ging<br />
es im Oktober nach Indien, und im November<br />
stand eine Reise nach China und Vietnam<br />
auf dem Programm, dies in Zusammenarbeit<br />
mit der Credit Suisse und der Osec.<br />
Mit Partnern geht es besser<br />
HansUlrich Müller, einer der engagiertesten<br />
Promotoren der Schweizer KMU, stellte sich für<br />
zwei weitere Jahre als Präsident zur Verfügung.<br />
An der bereits im September durchgeführten<br />
Jahresversammlung wurde deutlich, wie gut<br />
vernetzt der SVC mittlerweile ist und dass er<br />
nicht den Alleingang sucht, wenn es Partner<br />
gibt, mit denen zusammen man schneller,<br />
besser und auch kostengünstiger ans Ziel<br />
kommt. Laut Präsident HansUlrich Müller<br />
darf der SVC gegenwärtig auf die Unterstützung<br />
von mehr als 500 verschiedenen Partnern<br />
und Sponsoren zählen.<br />
Auch beim ambitiösen Projekt einer «Stiftung<br />
für das Unternehmertum» setzt der SVC<br />
auf Vernetzung. Zwar haben die Mitglieder<br />
praktisch einstimmig beschlossen, maximal<br />
eine Million Franken in diese Stiftung einzuschiessen<br />
und auch nachher die Verantwortung<br />
zu übernehmen, indem man mindestens<br />
zwei Stiftungsräte stellt, doch die Gründung<br />
findet erst statt, wenn man einen oder mehrere<br />
Partner gefunden hat, die zusammen<br />
mindestens eine weitere halbe Million Franken<br />
einbringen.<br />
«Die Stiftung setzt sich vor allem für die<br />
kleinen und mittleren Unternehmen ein, ist<br />
in allen Wirtschaftsregionen der Schweiz<br />
tätig und will vor allem auch für bessere Rahmenbedingungen<br />
kämpfen, um die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Schweiz zu fördern», erklärt<br />
dazu HansUlrich Müller. «Dies ist,<br />
gerade für KMU, dringend nötig, auch wenn<br />
das World Economic Forum in einer Studie<br />
die Schweiz als wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft<br />
der Welt bezeichnet hat.» (Siehe<br />
Seite 38)<br />
Die Stiftung wird in vier verschiedenen<br />
Bereichen tätig sein: Bildung, Öffentlichkeit,<br />
Nachhaltigkeit und Engagement. Damit betritt<br />
sie, wenn man die bisherige Tätigkeit des<br />
SVC anschaut, nicht völliges Neuland, aber<br />
die Stiftung wird es erlauben, neue Akzente<br />
zu setzen, indem man neue Kräfte, neue Projekte<br />
und auch neue Geldmittel generieren<br />
kann.<br />
Vorstand für zwei Jahre wiedergewählt<br />
Sonst warf die Jahresversammlung keine<br />
hohen Wellen, und das bedeutet letztlich<br />
nichts anderes, als dass der SVC auf Kurs<br />
ist, auf Erfolgskurs.<br />
Dementsprechend wurden denn auch alle<br />
Vorstandsmitglieder für weitere zwei Jahre<br />
in ihrem zeitaufwändigen Ehrenamt bestätigt:<br />
Präsident HansUlrich Müller, Vizepräsidentin<br />
Elisabeth ZölchBalmer, Sekretär<br />
Beat Brechbühl sowie Peter Bühler, Denis<br />
Grisel und Silvio Tarchini; Heinrich Christen<br />
und Heinz Herren waren bereits vor einem<br />
Jahr wiedergewählt worden. schi<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
38 Credit Suisse<br />
Der Wettstreit der Kantone<br />
stärkt die Wirtschaft<br />
Zug und Zürich führen den Standortqualitätsindikator der Credit Suisse an,<br />
diesmal vor Basel-Stadt und Genf. Das Kredithandbuch der Kantone weist<br />
Appenzell Ausserrhoden, Nidwalden, Schwyz sowie Zug und Zürich ein AAA zu.<br />
Attraktiv<br />
1. Zug<br />
2. Zürich<br />
3. Basel-Stadt<br />
4. Genf<br />
5. Nidwalden<br />
6. Aargau<br />
7. Schwyz<br />
8. Obwalden<br />
9. Schaffhausen<br />
10. Thurgau<br />
11. Basel-Landschaft<br />
12. Appenzell Ausserrhoden<br />
Im Schweizer Mittel<br />
13. Solothurn<br />
14. Waadt<br />
15. Appenzell Innerrhoden<br />
16. Luzern<br />
17. St. Gallen<br />
18. Bern<br />
Weniger attraktiv<br />
19. Graubünden<br />
20. Fribourg<br />
21. Tessin<br />
22. Glarus<br />
23. Wallis<br />
24. Neuenburg<br />
25. Uri<br />
26. Jura<br />
Die Stärke der Schweizer Wirtschaft rührt<br />
auch daher, dass sich die Schweizer Kantone<br />
in einem Standortwettstreit befinden und<br />
sich laufend um Verbesserungen bemühen<br />
müssen. Dieser Wettbewerb um Investitionen,<br />
Arbeitsplätze und Einwohner hat im<br />
Zeichen der Rezession, aber auch der steigenden<br />
Mobilität und der Abnahme administrativer<br />
Hürden weiter an Intensität zugenommen.<br />
Die Credit Suisse berechnet und<br />
publiziert seit 20<strong>04</strong> jährlich einen Standortqualitätsindikator,<br />
der auf fünf zentralen Faktoren<br />
in den Bereichen Steuerbelastung,<br />
Ausbildung der Bevölkerung und verkehrstechnische<br />
Erreichbarkeit basiert.<br />
«Zahlreiche Kantone haben ihre steuerliche<br />
Attraktivität steigern können, wobei<br />
dies von der Neugestaltung des Finanzausgleichs<br />
und der Aufgabenteilung (NFA) sowie<br />
von Jahren hoher Überschüsse bei den Kantonsfinanzen<br />
begünstigt wurde», hält das<br />
Autorenteam Sara Carnazzi Weber, Viktor<br />
Holdener, Thomas Rühl und Nora Sydow von<br />
Economic Research fest. «Wie schon im Vorjahr<br />
wird die Rangliste von den Kantonen Zug<br />
und Zürich angeführt. Zugs Stärken einer<br />
tiefen Steuerbelastung, einer gut ausgebildeten<br />
Bevölkerung sowie schneller Wege in<br />
die anderen Schweizer Zentren erweisen<br />
sich als ideale Kombination von Vorteilen.<br />
Zentrumskantone wie Basel-Stadt und Genf<br />
profitierten noch stärker von ihren ausgezeichneten<br />
Lokalverkehrsverbindungen und<br />
dem Knotenfahrplan der SBB. Im Mittelfeld<br />
der Rangliste haben Kantone wie Schaffhausen,<br />
Thurgau und St. Gallen dank Steuersenkungen<br />
ihre Position verbessert.»<br />
Dass sich eine engagierte Standortpolitik<br />
auszahlen kann, zeigt das Beispiel des Gebirgskantons<br />
Graubünden, der sich trotz anspruchsvoller<br />
Topografie seit 20<strong>04</strong> im Standortqualitätsindikator<br />
kontinuierlich verbessern<br />
konnte. Den markantesten Aufstieg in<br />
diesen fünf Jahren verzeichnete aber der<br />
Kanton Basel-Stadt.<br />
Die diesjährige SQI-Studie der Credit<br />
Suisse zeigt aber auch auf, dass die Standortqualität<br />
nicht immer gleichzusetzen ist mit<br />
der finanziellen Wohnattraktivität. In den traditionellen<br />
Zentralschweizer Tiefsteuerkantonen<br />
und den Regionen um den Zürichsee<br />
wird eine tiefe Steuerbelastung für natürliche<br />
Personen regelmässig mit höheren Immobilienpreisen<br />
bezahlt. «Einzelne Regionen zeigen<br />
bereits eine deutliche Überbewertung<br />
der Immobilien relativ zur Einkommensentwicklung<br />
auf», warnt Economic Research.<br />
Der finanzielle Spielraum geht zurück<br />
Das Kredithandbuch der Schweizer Kantone<br />
ist in einer verkürzten Form gegenüber Oktober<br />
2007 neu aufgelegt worden. Dabei wurde<br />
zwar festgestellt, dass die meisten Kantone<br />
im Zuge der boomenden Wirtschaft ihre Finanzkennzahlen<br />
im Wesentlichen verbessert<br />
haben. Dies schlägt sich im Rating aber<br />
Schweiz liegt an der Spitze<br />
Die Schweiz ist laut World Economic Forum (WEF ) der weltweit attraktivste<br />
Tourismusstandort und besitzt auch die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft.<br />
Die weltweite Wirtschaftskrise hinterlässt<br />
auch in der Schweiz deutliche Spuren. Die<br />
Exporte verringerten sich im Zeitraum von<br />
Januar bis Juli 20<strong>09</strong> gegenüber dem Vorjahr<br />
um 15,6 Prozent, die Zahl der Logiernächte<br />
ging um 7 Prozent zurück.<br />
Diesen Rückgang gilt es ernst zu nehmen<br />
und zu bekämpfen. Gleichzeitig bescheinigen<br />
aber zwei neue Studien des World Economic<br />
Forum der Schweiz Spitzenpositionen. Die<br />
anderen Länder sind offensichtlich weniger<br />
gut aufgestellt.<br />
Der im März publizierte «Travel & Tourism<br />
Competitiveness Report » ( TTCR) sieht die<br />
Schweiz wie schon im Vorjahr vor Österreich<br />
und Deutschland an der Spitze von rund<br />
130 Staaten, die anhand von 60 Kriterien<br />
untersucht wurden. Diese berücksichtigen<br />
Sicherheit und Gesundheit, Infrastruktur, das<br />
lokale Preisniveau, gesetzliche Regulierungen<br />
sowie Umwelt- und kulturelle Aspekte.<br />
Noch wichtiger ist der im September<br />
publizierte «Global Competitiveness Report<br />
20<strong>09</strong>/2010» des WEF. Neben Singapur gehört<br />
die Schweiz bei diesem zu den grossen<br />
Gewinnern. Die USA mussten aufgrund<br />
schwächerer Finanzmärkte und geringerer<br />
makroökonomischer Stabilität die Spitzen-<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 39<br />
kaum nieder, da dieses auch vorausschauende<br />
Kennzahlen berücksichtigt. Die meisten<br />
Kantone besitzen in Zukunft jedoch einen<br />
geringeren finanziellen Spielraum, da die<br />
Steuereinnahmen 20<strong>09</strong> und vor allem 2010 –<br />
zeitlich verzögert zur Krise – zurückgehen<br />
und die Arbeitslosenquote steigen dürfte.<br />
Diese Entwicklung wird bei vielen Kantonen<br />
zu Defiziten führen.<br />
Zudem führte die schwache Performance<br />
der Finanzmärkte bei allen Kantonen zu erhöhten<br />
Pensionsverpflichtungen von etwa<br />
25 Milliarden. «Bei den meisten Kantonen werden<br />
Selbstfinanzierungsgrade unter 100 Prozent<br />
erwartet, was zu einer erhöhten Emissionstätigkeit<br />
führen könnte, die wiederum<br />
von einer hohen Nachfrage und historisch<br />
tiefen Zinsen unterstützt wird», so Daniel<br />
Rupli und Fabian Keller vom Swiss Institutional<br />
Credit Research der Credit Suisse. Insgesamt<br />
ergibt sich bei den Ratings ein stabiles<br />
Bild, allerdings wurden doch zwei Kantone<br />
(Appenzell Innerrhoden, Tessin) zurückgestuft<br />
und bei fünf weiteren der Ausblick nach unten<br />
angepasst. Einzig für Zürich wurde der Outlook<br />
positiv verändert. schi<br />
Standortqualität: Welche Region ist die<br />
attraktivste? Economic Research. Swiss Issues<br />
Regionen, August 20<strong>09</strong>.<br />
Kredithandbuch Schweizer Kantone – Update.<br />
Swiss Institutional Credit Research, August 20<strong>09</strong>.<br />
www.credit-suisse.com/shop > Weitere Research-<br />
Publikationen<br />
London als zweite Heimat<br />
Das New York Philharmonic besucht im Januar und Februar erstmals unter<br />
der Leitung von Music Director Alan Gilbert Europa. Dabei spielt das Orchester<br />
in Spanien, Deutschland, Frankreich, England und in der Schweiz.<br />
Foto: Franco Cogoli, Grand Tour, Corbis<br />
position ganz knapp der Schweiz überlassen.<br />
Beide weisen gegenüber den folgenden Ländern<br />
die gleichen Vorteile auf: «Die Schweiz<br />
weist ein sehr innovatives Umfeld auf», meinte<br />
eine WEF-Sprecherin in einem Videointerview.<br />
«Forschung und Entwicklung wird erleichtert<br />
in den Unternehmen. Die Unternehmen<br />
benutzen sehr weit entwickelte<br />
Unternehmenspraktiken, die Infrastruktur ist<br />
hervorragend, der technologische Entwicklungsstand<br />
ist ebenfalls sehr gut, und vor<br />
allem sind die Arbeitsmärkte im Vergleich zu<br />
den europäischen Nachbarn sehr flexibel.»<br />
Hinter der Schweiz und den USA folgen<br />
Singapur, Schweden, Dänemark, Finnland,<br />
Deutschland, Japan, Kanada und die Niederlande.<br />
schi<br />
Die Credit Suisse ist seit Jahrzehnten Mitglied<br />
und seit 2006 strategischer Partner des WEF.<br />
Während der Asientournee im Oktober stiess<br />
das Konzert in Hanoi auf besondere Beachtung,<br />
denn damit figurieren bereits 60<br />
Länder auf der spezifischen GastspielLandkarte<br />
des New York Philharmonic.<br />
Zwischen dem 21. Januar und dem 4. Februar<br />
machen nun Alan Gilbert und das New<br />
York Philharmonic auch Europa ihre Aufwartung.<br />
Natürlich haben die New Yorker<br />
schon öfters in Spanien, Frankreich, England,<br />
Deutschland und in der Schweiz gespielt.<br />
Dennoch betreten sie Neuland: Die Konzerte<br />
im Londoner «Barbican» (Foto) bilden den<br />
Auftakt einer vertieften Zusammenarbeit.<br />
Das New York Philharmonic wird eines<br />
von fünf internationalen Partnerorchestern<br />
des Barbican Centre und residiert alle zwei<br />
Jahre für längere Zeit in London. «London ist<br />
eines der wichtigsten Kulturzentren weltweit»,<br />
meint dazu Alan Gilbert. «Ich bin dem<br />
Barbican Centre dankbar dafür, dass es uns<br />
auf diese Weise erlaubt, London zu unserer<br />
zweiten Heimat zu machen.» Vorgesehen<br />
sind auch Bildungsprojekte an Schulen.<br />
«So können wir nicht nur beim heutigen Publikum<br />
Freunde gewinnen, sondern auch bei<br />
den Zuhörern von morgen», erklärt Gilbert.<br />
Das Orchester wird von zwei Solisten<br />
begleitet, dem bekannten Pianisten Yefim<br />
Bronfman und dem Bariton Thomas Hampson,<br />
der in dieser Saison den neu geschaffenen<br />
Status eines ArtistinResidence geniesst.<br />
Erstmals hat das Orchester mit dem<br />
Finnen Magnus Lindberg auch einen ComposerinResidence.<br />
Auf der Tournee werden<br />
zwei Auftragswerke von ihm zu hören sein.<br />
Am 26. Januar gastiert das New York<br />
Philharmonic in der Tonhalle in Zürich. schi<br />
<br />
Mehr Informationen unter http://nyphil.org<br />
und unter www.credit-suisse.com/sponsoring<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
40 Credit Suisse<br />
Musikwandeln zwischen den Epochen<br />
Im Jahr 2008 erhielt das kammerorchesterbasel den begehrten Echo-Klassikpreis als Orchester des<br />
Jahres zugesprochen. Damit wurde bestätigt, was Kenner längst wussten: Die Basler spielen –<br />
selbstverwaltet und mit wechselnden Dirigenten – auf allerhöchstem Niveau. Seit genau 25 Jahren.<br />
Die Schweiz ist ein Land der klassischen<br />
Musik. Sie besitzt hochkarätige Institutionen<br />
wie das Opernhaus Zürich, Klassikfestivals<br />
von internationaler Ausstrahlung mit dem<br />
Lucerne Festival an der Spitze, renommierte<br />
Orchester wie das Tonhalle-Orchester unter<br />
David Zinman oder das Orchestre de la Suisse<br />
Romande mit Dirigent Marek Janowski. Doch<br />
der eigentliche musikalische Botschafter der<br />
Schweiz ist das kammerorchesterbasel: In<br />
über 100 Konzertsälen Europas und Südamerikas<br />
wird es im Lauf dieser Spielzeit<br />
auftreten. Damit ist das kammerorchesterbasel<br />
das Tourneeorchester schlechthin.<br />
Diese Reisetätigkeit birgt natürlich Gefahren<br />
in sich. Man ist sich dessen bewusst. «Entscheidend<br />
sind am Ende stets die zwei Stunden<br />
Konzert, um sich und das Publikum aus<br />
den Klauen des Alltags zu befreien und in<br />
eine zeitlose Welt von Freud und Leid, Trauer<br />
und Glück zu entführen», betonen Orchester-<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 41<br />
Fotos: Roland Schmid | Zermatt Festival<br />
direktor Christoph Müller und der künstlerische<br />
Manager Hans-Georg Hofmann.<br />
Natürlich – weil historisch informiert<br />
Wenn allerdings «Der Standard» schreibt:<br />
«Die Schweizer offenbarten ein barockes<br />
Musizieren (...), wie es in Wien bis dato in<br />
dieser Qualität noch nie gehört wurde», dann<br />
lässt das aufhorchen. Das Geheimnis: Das<br />
kammerorchesterbasel spielt konsequent<br />
und kompetent historisch informiert, interpretiert<br />
aus dem Verständnis der jeweiligen<br />
Musikepoche heraus, benützt für ältere Musik<br />
auch ältere Instrumente. Die Streicher spielen<br />
mit den passenden Bögen auf Darmsaiten,<br />
die Bläser verzichten auf Klappen und<br />
Ventile. Plötzlich klingt alles ganz natürlich.<br />
Aufsehen erregt das kammerorchesterbasel<br />
nicht nur mit seiner Barockmusik, meist<br />
mit Paul Goodwin als Dirigenten, sondern<br />
auch mit seiner Neuinterpretation der Beethoven-Sinfonien<br />
unter Giovanni Antonini.<br />
Die CD-Einspielung der 3. und 4. Sinfonie<br />
brachte den Echo-Klassikpreis «Orchester<br />
des Jahres 2008» ein. Bald erscheinen die<br />
nächsten Tonträger mit Beethovens 5. Sinfonie<br />
und Händels «Concerti grossi op. 3».<br />
Der Orchestername erinnert bewusst an<br />
Paul Sachers Kammerorchester Basel, das<br />
von 1926 bis 1987 existierte. Bei einer Neuausrichtung<br />
nahm das als Serenata Basel<br />
gegründete Ensemble 1999 diesen Namen<br />
an, um anzuzeigen, dass es sich gleichermassen<br />
der Alten Musik und der Neuen<br />
Musik widmet. Die klassizistische Moderne<br />
hat sich das Orchester vor allem mit Christopher<br />
Hogwood erschlossen.<br />
Erfolg ohne festen Chefdirigenten<br />
Die Vitalität und die Vielseitigkeit rühren auch<br />
daher, dass das selbstverwaltete Orchester<br />
keinen festen Dirigenten kennt. Auch mit<br />
David Stern, Paul McCreesh und Kristjan<br />
Järvi arbeitet man regelmässig zusammen.<br />
Geleitet wird das Orchester zudem von Konzertmeisterin<br />
Julia Schröder, Violine, oder<br />
von Solocellist Christoph Dangel.<br />
Da viele renommierte Solistinnen und<br />
Solisten wie Cecilia Bartoli, Maria João Pires<br />
oder Sol Gabetta gerne mit dem kammerorchesterbasel<br />
auftreten, bietet dieses über<br />
die Jubiläumssaison hinaus viele mitreissende<br />
Momente der Zeitlosigkeit. schi<br />
Mehr über das Jubiläum und das Jubiläumskonzert<br />
mit Maria João Pires findet man<br />
unter www.kammerorchesterbasel.ch sowie<br />
www.credit-suisse.com/sponsoring.<br />
Auf den Klangspuren Casals<br />
Im Jubiläumsjahr hat das Zermatt Festival nochmals einen entscheidenden<br />
Schritt nach vorne gemacht. Trotz beschränktem Budget hat es sich in<br />
der riesigen Festivalszene fest etabliert. Dies verdankt Festivaldirektor Nicolas<br />
Bohnet einerseits der einzigartigen Ambiance zu Füssen des Matterhorns,<br />
anderseits aber auch der Treue verschiedener Berliner Philharmoniker.<br />
Zermatt, autofrei und inmitten von 38 Viertausendern<br />
gelegen, übt auf naturverbundene<br />
Menschen eine unwiderstehliche Anziehungskraft<br />
aus. Dass sich darunter auch<br />
viele Künstler, und namentlich Musiker, befinden,<br />
erstaunt nicht.<br />
Man betritt, eher früher als später, die<br />
zentrale Pfarrkirche. Ein Zettel an der Tür<br />
mahnt den Besucher zur Ruhe, es werde für<br />
ein Konzert geprobt. Tatsächlich spielt das<br />
Scharoun Ensemble, 1983 von Mitgliedern<br />
der Berliner Philharmoniker gegründet, und<br />
es singt Marisol Montalvo, deren Stimme,<br />
deren Person man vom ersten Klang an verfällt,<br />
Lieder von Alban Berg. Und da ist auch<br />
Matthias Pintscher, einer der bekanntesten<br />
zeitgenössischen Komponisten, der unterbricht<br />
und unterbricht, an Details feilt. Trotzdem<br />
hört man immer wieder ein Lachen, ein<br />
munteres Diskutieren über die für eine New<br />
Yorkerin nicht einfache Aussprache deutscher<br />
Wörter. Leben, lieben, loben. Bestes<br />
Einvernehmen, die Zeit bleibt stehen. Die<br />
Probe sollte längst zu Ende sein. Wen störts,<br />
es kommt einem Pau Casals in den Sinn.<br />
Vor einem Interview übte Casals drei Stunden<br />
lang. Wieso er das als bester Cellist der<br />
Welt mit 90 Jahren noch mache? Casals:<br />
«Ich möchte einfach besser werden.» In Zermatt<br />
fühlte er sich zu Hause, hier gab er vor<br />
50 Jahren Sommerkonzerte, verbunden mit<br />
Meisterkursen. Sein katalanischer Vorname,<br />
Pau, bedeutet «Frieden» und passt wunderbar.<br />
Irgendwie bleibt Casals präsent, auch<br />
wenn er vor über 30 Jahren verstorben ist.<br />
«Ich bin wegen meiner Freunde von den<br />
Berliner Philharmonikern gekommen», gibt<br />
Pintscher – der Hunger erzwang den Probenabbruch<br />
doch noch – zu. «Das Scharoun<br />
Ensemble, das Concerto Melante und auch<br />
das Blechbläserensemble. Es vereinfacht<br />
das Dirigieren und Komponieren, wenn man<br />
mit Freunden zusammenarbeiten kann.»<br />
Friede, Freunde. «Das Zermatt Festival<br />
besitzt seinen eigenen Charme, der viele<br />
Künstler anlockt, den Countertenor Philippe<br />
Jaroussky oder den Violinisten Leonidas<br />
Das Erfolgsrezept des Zermatt Festival: qualitativ<br />
hochstehende (Kammer-)Musik, dargeboten in<br />
stimmungsvollem Rahmen.<br />
Kavakos etwa», bestätigt Direktor Nicolas<br />
Bohnet. «Auch wenn wir uns in der sechsten<br />
Durchführung weiter entwickeln wollen, darf<br />
sich atmosphärisch nichts ändern. Wir spielen<br />
in Kirchen und Kapellen; Zeltbauten wären<br />
hier fehl am Platz.» Gerade darum gibt es<br />
immer mehr Gäste, die ihren Walliser Aufenthalt<br />
auf das Zermatt Festival ausrichten.<br />
Ihr nächstes Schlüsseldatum: 3. September<br />
2010, Eröffnungskonzert mit dem kammerorchesterbasel<br />
und Vesselina Kasarova. schi<br />
<br />
Mehr über Matthias Pintscher und Marisol<br />
Montalvo auf www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Kammermusikakademie<br />
Junge, hochtalentierte Musiker<br />
aus aller Welt werden<br />
jeweils als Stipendiaten der<br />
Stiftung Zermatt Festival<br />
von Mitgliedern der Berliner<br />
Philharmoniker und des<br />
Scharoun Ensembles unterrichtet.<br />
Vier Kammermusikkonzerte<br />
bilden den Höhepunkt<br />
der internationalen<br />
Chamber Music Academy.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
42 Credit Suisse<br />
Die Perlensucher des Contact Center<br />
erhalten das ISO-Zertifikat mit Bestnote<br />
Der Outbound-Sales-Bereich des Credit Suisse Contact Center Schweiz hat ein Gütesiegel mit<br />
ISO-Zertifizierung im Direktmarketing erhalten. Die Credit Suisse ist die erste Bank schweizweit mit<br />
genau dieser Auszeichnung – ein Beweis für die hohe Qualität der jährlich 50 000 Kundenkontakte.<br />
Im Outbound-Sales-Bereich der Credit<br />
Suisse Contact Centers klingelt kein Telefon.<br />
Ganz im Gegensatz zur Credit Suisse Infoline,<br />
dem telefonischen Eingangsfenster der Bank,<br />
wo jeden Tag tausende Anfragen eingehen.<br />
Denn im Outbound Sales kontaktieren nicht<br />
die Kunden die Bank, sondern die Bank die<br />
Kunden. Die Reaktionen auf die Anrufe der<br />
Bank sind durchaus positiv. Viele Kunden<br />
zeigen sich interessiert und sind offen für ein<br />
Beratungsgespräch. Das Outbound Sales<br />
bietet eine auf die speziellen Bedürfnisse der<br />
Kunden und ihr Potenzial abgestimmte Beratung<br />
sowie Produktlösungen an. Beraten<br />
wird primär in den Sparten Zahlen und Sparen.<br />
Bei Anlage- und Finanzierungswünschen<br />
wird ein Termin für ein vertiefendes<br />
Kundengespräch vereinbart. Rund 40 Mitarbeitende<br />
kontaktieren jährlich 50 000 Kunden<br />
in den vier Regionen Mittelland, Romandie,<br />
Ticino und Zürich/Ostschweiz.<br />
Qualität hat höchste Priorität<br />
Stellvertretend für 40 Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter nimmt Urs Joss (rechts), Leiter Contact<br />
Center Private Clients Schweiz, von Erwin Peter<br />
das ISO-Zertifikat 9001 entgegen.<br />
Jeder einzelne Anruf wird individuell vorbereitet,<br />
um dem Kunden den bestmöglichen<br />
Service zu bieten. Dies verlangt eine grosse<br />
qualitative Vorarbeit. Qualitätssicherungsmassnahmen<br />
wie Service Excellence, Mitarbeitercoachings<br />
oder Fachchecks sowie<br />
regelmässige Zufriedenheitsumfragen haben<br />
folglich eine hohe Priorität.<br />
Das Outbound Sales sieht sich nicht als<br />
herkömmliches Contact Center, wie Urs<br />
Joss, Leiter Contact Center Private Clients<br />
Schweiz, betont: «Wir wollen uns als Qualitätsanbieter<br />
positionieren und uns von anderen<br />
Contact Centers abheben.» Dem Outbound<br />
Sales war es deshalb wichtig, sich<br />
einer Qualitätskontrolle durch eine unabhängige<br />
Instanz zu unterziehen, die weltweit<br />
anerkannt und nicht in der Finanzdienstleistungsbranche<br />
tätig ist.<br />
Eine ISO-Zertifizierung beweist die Einhaltung<br />
hoher ethischer Standards und<br />
schafft bei den Kunden Vertrauen. Das Gütesiegel<br />
Direktmarketing mit der ISO-Zertifizierung<br />
prüft die Contact Centers auf Herz<br />
und Nieren. Dabei muss ein «Ehrenkodex»<br />
des Direktmarketings erfüllt werden, wobei<br />
Wahrheits- und Klarheitsgrundsätze, Datenschutz,<br />
Schutz der Privatsphäre, Verhalten<br />
am Telefon, Bestätigung eines Vertragsabschlusses,<br />
Personalauswahl und -schulung,<br />
Entlöhnung und Kontrolle einzuhalten sind.<br />
Danach erfolgen so genannte «Audits», Interviews<br />
mit Angestellten, vom Management bis<br />
hin zum Mitarbeiter, in allen vier Standorten.<br />
«Der wichtigste Punkt, um die Anforderungen<br />
der ISO-Zertifizierung zu erfüllen, ist ein<br />
klares Commitment des Managements», so<br />
Erwin Peter, leitender Auditor der Schweizerischen<br />
Vereinigung für Qualitäts- und<br />
Management-Systeme (SQS).<br />
Keine Nachbesserungspunkte gefunden<br />
Das Outbound Sales bewies Engagement,<br />
legte alle benötigten Dokumente vor und<br />
absolvierte die Prüfung mit Bestnote: «Die<br />
Credit Suisse hat das Zertifikat gänzlich<br />
ohne Auflagen erhalten. Es konnten keine<br />
Nachbesserungspunkte aufgezeigt werden»,<br />
so Peter. Zugleich ist die Credit Suisse die<br />
bisher einzige Bank in der Schweiz, die diese<br />
Auszeichnung erhalten hat.<br />
Das Resultat erfreut Mitarbeitende wie<br />
Management gleichermassen. «Es ist eine<br />
schöne Bestätigung, die zeigt, dass wir die<br />
strategischen Schwerpunkte richtig setzen<br />
und die Mitarbeitenden eine Topleistung erbringen»,<br />
meint Urs Joss. Bei einem solchen<br />
Einsatz muss das Arbeitsklima stimmen. Dafür<br />
wurde vor vier Jahren eine Coaching Culture<br />
etabliert, welche die Kommunikationsund<br />
Feedbackkultur unter sowie zwischen<br />
Management und Mitarbeitenden fördern soll.<br />
Das gute Arbeitsklima im Outbound-Sales-<br />
Team ist auch Erwin Peter aufgefallen: «Besonders<br />
bemerkenswert bei den Interviews<br />
waren die hohe Motivation und Zufriedenheit<br />
der Mitarbeitenden.»<br />
Die erfolgreiche Suche nach Perlen<br />
Zur Motivation der Mitarbeitenden trägt sicher<br />
auch das Auffinden von Kunden mit hohem<br />
Potenzial, so genannten «Perlen», bei. «Jeden<br />
Tag ändern sich Kundenverbindungen durch<br />
Erbschaft, Heirat, neue berufliche Herausforderungen,<br />
Anschaffung eines Eigenheims,<br />
um ein paar Beispiele zu nennen», erklärt<br />
Joss. So ergeben sich tagtäglich neue Opportunitäten,<br />
die es aufzufinden gilt. Da diese<br />
Tätigkeit zu den Hauptaufgaben des Bereichs<br />
gehört, wird das Outbound-Sales-Logo bildlich<br />
mit einer Perle in einer Muschel dargestellt.<br />
Mit einer ISO-Zertifizierung im Rucksack<br />
und einem kompetenten Team wird das Outbound<br />
Sales diese Aufgabe auch in Zukunft<br />
hoch motiviert anpacken. Urs Joss: «Diese<br />
Auszeichnung ist gleichzeitig auch eine Verpflichtung,<br />
uns zum Nutzen unserer Kunden<br />
ständig weiter zu verbessern.» Maya Kunz<br />
Fotos: Credit Suisse<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 43<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Credit Suisse<br />
Postfach 2<br />
CH-8070 Zürich<br />
Telefon +41 44 333 11 11<br />
Fax +41 44 332 55 55<br />
Redaktion<br />
Daniel Huber (Chefredaktor, dhu), Regula Gerber (rg), Michael<br />
Krobath (mk), Mandana Razavi (mar), Andreas Schiendorfer<br />
(schi) sowie Dorothée Enskog (de) und Marcus Balogh (mb)<br />
E-Mail<br />
redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com<br />
Mitarbeit an dieser Ausgabe<br />
Lalita Advani, Miroslav Durana, Ute Eberle, Christian<br />
Etzensperger, Barbara Hatebur, Reto Hunziker (rh),<br />
Frédéric Junod, Maya Kunz, Mathias Plüss, Roger Signer,<br />
Pascal Rohner, Stefanie Schramm<br />
Internet<br />
www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Marketing<br />
Veronica Zimnic (vz)<br />
Korrektorat<br />
Claudia Marolf, notabene<br />
Übersetzungen<br />
Credit Suisse Language Services<br />
Der bewusste Umgang des Künstlers mit der Perspektive, dem Farbauftrag oder den exakt<br />
platzierten Gegen ständen zeugt von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Medium Malerei.<br />
Sébastien Mettraux, «Ohne Titel», 2008 – 20<strong>09</strong>, Öl auf Leinwand, 110 x 130 cm.<br />
Talentierte Künstler fördern<br />
Die Credit Suisse fördert junge Schweizer Künstlerinnen und Künstler und ist<br />
be strebt, diese in der Frühphase ihres Schaffens in ihre Kunstsammlung aufzunehmen.<br />
In diesem Frühjahr hat der aus Vallorbe stammende Maler Sébastien<br />
Mettraux den Eidgenössischen Kunstpreis des Bundesamts für Kultur, Bern,<br />
erhalten. Der 24-jährige Kunstschaffende ist auch der Credit Suisse aufgefallen;<br />
sie hat von ihm eine ganze Werkgruppe erworben, die unter anderem das<br />
abgebildete Ge mälde «Ohne Titel» enthält. «Ohne Titel» zeigt einen menschenleeren,<br />
ge schlossenen Innenbereich, eine Lager halle. Mit präzisem, gleich -<br />
mässi gem Farbauftrag, der die Nüchternheit des Bildes unterstreicht, und in<br />
klassi scher Manier der Raumaufteilung gestaltet Sébastien Mettraux dieses<br />
Interieur. Einzig die bunten Fässer rechts setzen farbliche Akzen te und Kontraste<br />
zu den unterschiedlichen Grauabstufungen des Raumes. Die Decke zeichnet<br />
sich durch eine Gitterstruktur aus, die zusammen mit der sachlich kühlen<br />
Atmosphäre den Eindruck von Beklemmung hervorruft und Assoziationen an ein<br />
Gefängnis weckt. Hingegen suggeriert der nach aussen abgeschottete Raum<br />
Sicherheit und Zuflucht und bietet einen gewissen Schutz. Durch die reduzierte<br />
Malweise und die Kargheit der Halle rücken der architektonische Aspekt und<br />
somit auch die Ästhetik in den Vordergrund. Sébastien Mettraux hat eine Folge<br />
ähnlicher Innen ansichten gemalt. Dabei handelt es sich um Alltagsarchitekturen,<br />
um Luftschutz bunker, Keller- oder Lager räume, die durch Maltechnik und Wahl<br />
des Sujets unterkühlt und bedrückend wirken, gleichzeitig jedoch das Verhältnis<br />
von Raum und Geborgenheit infrage stellen und Gedanken an das menschliche<br />
Sicher heitsbedürfnis hervorrufen. Mehr Informationen unter<br />
www.credit-suisse.com > Wir über uns > Sponsoring > Kunst > Sammlung<br />
Credit Suisse Barbara Hatebur, Fachstelle Kunst<br />
Gestaltung<br />
www.arnold.inhaltundform.com:<br />
Arno Bandli, Monika Häfliger, Petra Siegenthaler,<br />
Petra Feusi (Projekt management ),<br />
Carola Bächi (Korrektorat)<br />
Inserate<br />
Daniel Baer, Nübruchweg 22, 8605 Gutenswil,<br />
Telefon +41 44 945 38 85, baerdaniel@bluewin.ch<br />
Beglaubigte WEMF-Aufl age 20<strong>09</strong><br />
90 568<br />
ISSN-Registrierung<br />
ISSN 1423-1360<br />
Druck<br />
NZZ Fretz AG /Zollikofer AG<br />
Redaktionskommission<br />
René Buholzer (Head of Public Policy), Monika Dunant (Head<br />
of Communications Private Banking), Urs P. Gauch (Leiter<br />
Firmenkunden Schweiz – Grossunternehmen), Fritz Gutbrodt<br />
(Head Chairman’s Offi ce), Angelika Jahn (Investment Services<br />
& Products), Martin Lanz (Economic Research), Hubert<br />
Lienhard (Asset Management Distribution Services), Andrés<br />
Luther (Head of Group Communications), Charles Naylor<br />
(Head of Corporate Communications), Christian Vonesch<br />
(Head of Private & Business Banking Aarau)<br />
Erschei nt im 115. Jahrgang<br />
(5 x pro Jahr in deutscher, französischer, italienischer und<br />
englischer Sprache) Nachdruck von Texten gestattet mit dem<br />
Hinweis «Aus dem <strong>bull</strong>etin der Credit Suisse».<br />
Adress änderungen<br />
Bitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts<br />
an Ihre Credit Suisse Geschäftsstelle oder an:<br />
Credit Suisse, ULAZ 12, Postfach 100, 8070 Zürich.<br />
Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken.<br />
Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens<br />
der Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften.<br />
Hinweise auf die frühere Performance garantieren nicht<br />
notwendi gerweise positive Entwicklungen in der Zukunft.<br />
Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation<br />
wurden durch die Credit Suisse erarbeitet und könnten<br />
vor ihrer Weitergabe an die Kunden von Credit Suisse bereits<br />
für Transaktionen von Gesellschaften der Credit Suisse<br />
Group verwendet worden sein. Die in diesem Dokument vertretenen<br />
Ansichten sind diejenigen der Credit Suisse<br />
zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vorbehalten.)<br />
Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
44 Credit Suisse<br />
Erst der letzte Feinschliff ermöglicht<br />
den wahren Wohlklang<br />
Beim Young Singers Project der Salzburger Festspiele erhalten acht hochtalentierte junge<br />
Opernsänger während zweier Monate intensiven Unterricht. Bereits beim Abschlusskonzert<br />
hört man den kleinen, alles entscheidenden Unterschied.<br />
1<br />
2 3<br />
4<br />
1 Zusammen mit Dirigent Ivor Bolton nehmen die Young Singers im Mozarteum den wohlverdienten, nicht enden wollenden Applaus entgegen. 2 Michael Schade,<br />
Spiritus Rector des Projekts, freut sich zu Recht über den grossen Erfolg. 3 Hoffentlich bald schon auf einer eigenen CD: Christina Daletska verteilt<br />
Autogramme. 4 Intendant Jürgen Flimm gratuliert den Young Singers. Links neben ihm Evamaria Wieser, die das Projekt ebenfalls tatkräftig unterstützt hat.<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 45<br />
«Ein Bereich, in dem man sich als Sänger<br />
eigentlich immer weiterentwickeln und verbessern<br />
kann, ist das Schauspiel – gerade<br />
in einer Zeit, in der die Kritiker den Regisseur<br />
stets vor dem Dirigenten nennen», erklärt<br />
Terry Wey. «Die Arbeit mit einem so grossartigen<br />
Schauspieler wie Peter Jordan, der<br />
in Salzburg den Teufel in Hofmannsthals<br />
‹Jedermann› spielt, ist in dieser Beziehung<br />
natürlich äusserst wertvoll.»<br />
Das Muttertagskonzert im Fernsehen<br />
Fotos: Wolfgang Lienbacher<br />
Drehen wir das Rad der Musik zurück. So<br />
sieht der achtjährige Terry im Fernsehen<br />
ein Muttertagskonzert der Wiener Sängerknaben.<br />
Diesem berühmten Chor will er unbedingt<br />
beitreten – und tatsächlich kann er<br />
seine Familie zum Umzug von Bern nach<br />
Wien bewegen. Bereits als Zwölfjähriger<br />
singt Terry in New York in der Carnegie Hall<br />
das Sopransolo in Mozarts «Krönungsmesse».<br />
Beeindruckend, wenn er von den Auftritten<br />
in aller Welt erzählt. Doch plötzlich merke<br />
ich: Er macht das gar nicht so gerne. «Nach<br />
dem Stimmbruch beginnt die musikalische<br />
Karriere völlig von vorne. Viele meiner Kollegen<br />
mussten aufhören, weil ihre Stimme<br />
nicht mehr mitmachte. Auch ich legte sicherheitshalber<br />
eine zweijährige Singpause ein.»<br />
Nun aber schickt sich Terry Wey an, als<br />
Countertenor die Bühnen des Musiktheaters<br />
zu erobern. Ihm fällt die Ehre zu, beim Eröffnungsfest<br />
der Salzburger Festspiele zu singen,<br />
und beim Young Singers Project fehlt er<br />
ein paar Tage wegen eines Auftritts an den<br />
Bregenzer Festspielen.<br />
Konstruktive Kritik ist enorm wichtig<br />
Doch Terry Wey ist, wie er selbst weiss, noch<br />
weit davon entfernt, ausgelernt zu haben.<br />
Viele Details gilt es zu verbessern, Details,<br />
die wegweisend für die Karriere sind. Dafür<br />
sind er und die anderen Teilnehmer des<br />
Young Singers Project bereit, hart an sich zu<br />
arbeiten – und mitunter Kritik einzustecken,<br />
die weh tut. So hält Thomas Quasthoff ihm<br />
in der öffentlichen Master Class entgegen,<br />
ein Schubert-Lied zu optimistisch zu interpretieren.<br />
«Wenn uns alle nur lobend auf die<br />
Schulter klopfen, kommen wir keinen Schritt<br />
weiter », kommentiert Terry Wey. «Die Meinung<br />
eines Thomas Quasthoff oder eines<br />
Michael Schade nehme ich sehr ernst – auch<br />
wenn es gilt, den eigenen Weg zu finden.»<br />
Am meisten profitiert er davon, dass er<br />
die Rolle des Didymus in Händels «Theodora»<br />
covern darf. Regie führt in Salzburg Chris- ><br />
5<br />
6<br />
5 Michael Schade mit seinen «Schäfchen»: Sara Hershkowitz, Alisa Kolosova, Christina Daletska,<br />
Adrian Strooper, Andrei Bondarenko, Nahuel Di Pierro und … 6 … Terry Wey: «Von der Erfahrung von<br />
Sängergrössen wie Marjana Lipovsek profitiere ich enorm. Ich erhalte viele interpretatorische Impulse.»<br />
Young Singers Project 20<strong>09</strong> «Wir befinden uns hier nicht<br />
in einem musikalischen Ferienlager für talentierte Nachwuchskünstler»,<br />
betont Michael Schade. «Wir versuchen den<br />
ohnehin schon professionellen jungen Sängern den letzten<br />
Feinschliff zu geben. Es stellt sich nicht die Frage, ob sie<br />
eine Karriere machen. Die Frage ist, wie und wie lange sie<br />
dauert.» Zehn Wochen lang haben sich Andrei Bondarenko,<br />
Christina Daletska, Nahuel Di Pierro, Sara Hershkowitz,<br />
Alisa Kolosova, Anna Siminska, Adrian Strooper und Terry<br />
Wey unter kundiger Anleitung weiterentwickelt. Sie arbeiteten<br />
nicht nur intensiv an ihrer Stimme, sondern feilten<br />
auch am schauspielerischen Ausdruck für die Opernbühne<br />
(bei Peter Jordan) und übten mit den Regieassistenzen<br />
verschiedene Rollen als Coverbesetzung für die Salzburger<br />
Festspiele ein. Dem Abschlusskonzert unter Dirigent Ivor<br />
Bolton gingen vier öffentliche Master Classes mit Michael<br />
Schade, Marjana Lipovsek, Christa Ludwig und Thomas<br />
Quasthoff voraus.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
46 Credit Suisse<br />
1 2 3<br />
1 Christina Daletska geniesst den – bestens gelingenden – Vortrag im Rahmen einer öffentlichen Master Class. 2 Marjana Lipovsek mit Sara Hershkowitz:<br />
Die Körperbeherrschung ist für Opernsänger von grosser Bedeutung. 3 Beim Zuhören kann man enorm viel lernen. Für Nahuel Di Pierro macht es (fast) keinen<br />
Unterschied, ob es sich, wie hier, um die Vorträge der Master Class handelt oder um Bassbariton Luca Pisaroni als Figaro, den er in Salzburg covern darf.<br />
tof Loy, die musikalische Leitung hat Ivor<br />
Bolton inne. «Umgekehrte Reihenfolge»,<br />
korrigiert Terry Wey schmunzelnd. «Bejun<br />
Mehta, der richtige Didymus, ist für mich<br />
einer der ganz grossen Countertenöre unserer<br />
Zeit. Ihn beobachten, ihn begleiten zu<br />
dürfen, ist für mich ein unvergessliches und<br />
äusserst lehrreiches Erlebnis.»<br />
Unterhält man sich mit dem Ukrainer Bariton<br />
Andrei Bondarenko, der russischen Mezzosopranistin<br />
Alisa Kolosova, dem argentinischen<br />
Bass Nahuel Di Pierro oder auch mit<br />
der polnischen Sopranistin Anna Siminska,<br />
so spürt man, dass sich die Biografien<br />
ähneln, obwohl sie völlig unterschiedlich sind.<br />
Irgendwann wird bei allen der Wunsch zu<br />
singen so stark, dass ihm alles untergeordnet<br />
wird. Das Leben ist fortan ein völlig<br />
anderes, die Sänger entwickeln einen beispielhaften,<br />
mitunter hinter lockerem Habitus<br />
getarnten Lernwillen. Und sie nutzen jede<br />
Möglichkeit, egal wo auf der Welt. Keiner<br />
lebt noch im Heimatland: Die Musik kennt<br />
keine Grenzen.<br />
Adrian Strooper beispielsweise, Tenor aus<br />
dem australischen Cairns, gehört bereits<br />
zum Ensemble der Komischen Oper Berlin,<br />
Sara Hershkowitz, Sopranistin aus Los Angeles,<br />
ist fest am Theater Bremen engagiert.<br />
Doch selbst sie erachten das Young Singers<br />
Project für sich als grosse Chance.<br />
Das Projekt ist noch nicht beendet<br />
Wochen sind mittlerweile seit Abschluss der<br />
Salzburger Festspiele vergangen. Christina<br />
Daletska schickt ein «Hallo aus Frankreich».<br />
Dort singt sie die Zerlina in einer Don-Giovanni-Aufführung<br />
unter Christopher Moulds;<br />
«Die Frage ist nicht, ob sie<br />
Karriere machen, sondern<br />
wie und wie lange sie dauert.»<br />
Michael Schade, Initiator Young Singers Project<br />
ihr Lebenslauf auf der Homepage der Oper<br />
von Lyon enthält nun prominent den Hinweis<br />
auf das Young Singers Project. Im Mail steht<br />
nur: «Ich habe im Internet das Video der<br />
Credit Suisse gesehen. Super ! Die Proben<br />
sind sehr anstrengend hier an der Opera. Ich<br />
muss gleich wieder weg.»<br />
Plötzlich sind die Zeiten erneut aufgehoben:<br />
In Salzburg erzählt Christina glücklich<br />
von ihren künftigen Engagements, zunächst<br />
gleich mehreren in Lyon. Am 20. März 2010<br />
singt sie an der Oper Graz den Cherubino in<br />
«Le Nozze di Figaro», und 2011 geht sie als<br />
Idamante in «Idomeneo» mit Dirigent Thomas<br />
Hengelbrock sogar auf Europatournee.<br />
Gleichzeitig sehen wir die kleine Hrystyna<br />
in Lemberg eine Schule für musikalisch begabte<br />
Kinder besuchen, sehen sie bei ihrer<br />
Mutter Geigenunterricht nehmen, als Solistin<br />
mit Violine und Viola mit verschiedenen<br />
Orchestern in ganz Europa auftreten, als<br />
19-Jährige an der Musikhochschule Zürich<br />
Geige studieren – dies alles mit dem einzigen,<br />
nicht offen ausgesprochenen Wunsch, Opernsängerin<br />
zu werden. Wie weit will sie es<br />
zuletzt bringen? Christina Daletska: «Ich bin<br />
glücklich, wenn ich vom Singen leben kann.<br />
Und ich möchte so bekannt werden, dass die<br />
Leute sich ernsthaft Gedanken machen,<br />
wenn ich als Botschafterin von Amnesty<br />
International auf Missstände hinweise.»<br />
Wir werden Christina Daletska, Terry Wey<br />
und die anderen Young Singers auf ihrem<br />
Weg begleiten. schi<br />
<br />
Weitere Artikel, Porträts und Interviews<br />
sowie ein Video über das Young Singers Project<br />
unter www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin.<br />
Die Credit Suisse ist überzeugt, dass die unternehmerische Verantwortung gegenüber<br />
der Gesellschaft und der Umwelt ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist.<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 47<br />
Am Lucerne Festival geehrt<br />
Vielleicht kennt man diese Namen in Musikkreisen noch nicht: Andriy Dragan,<br />
Konstanze von Gutzeit. Das wird sich ändern. Der ukrainische Pianist und<br />
die deutsche Cellistin überzeugten am Lucerne Festival in der Reihe «Debut».<br />
Mit Schuberts «Wanderer-Fantasie» beginnt<br />
Andriy Dragan sein Konzert im vollbesetzten<br />
Casineum in Luzern. Ausgesprochen emotional,<br />
fast fiebrig wirkend. Kraftvoll schlägt<br />
er die Tasten, um sie dann wieder zärtlich zu<br />
streicheln, sein Blick wird nach oben gezogen.<br />
Wohin seine Fantasie in diesem Augenblick<br />
wohl wandert? Vielleicht zurück ins ukrainische<br />
Lemberg der frühen 1990er-Jahre. Andriys<br />
Eltern, beide Pianisten, stehen unmittelbar<br />
vor dem Abschluss ihres Musikstudiums.<br />
Kein Wunder, üben sie Tag und Nacht, der<br />
Vater unter anderem Schuberts «Wanderer-<br />
Fantasie». Der kleine Andriy hört sie stundenlang,<br />
ob er will oder nicht – das Klavier steht<br />
«Ihr Können, Ihre Eleganz, Ihr Charisma haben<br />
mich tief beeindruckt», erklärte Urs Rohner,<br />
Vizepräsident des Verwaltungsrats der Credit<br />
Suisse, anlässlich der Übergabe des mit<br />
25 000 Franken dotierten Preises. «Das war<br />
eine grandiose Darbietung.»<br />
Ganz besonderes Lob holte sich Dragan<br />
bei den anwesenden Musikkritikern, unter<br />
anderem aus Frankreich und Japan, für seine<br />
Interpretation der äusserst anspruchsvollen<br />
Suite «Im Freien» von Béla Bartók.<br />
Niemand zweifelt deshalb daran, dass Dragan<br />
seinen Weg als Musiker gehen wird, wie vor<br />
ihm Sol Gabetta (Cello, 2001), Pawel Mazurkiewicz<br />
(Klavier, 2003), das Tecchler Trio<br />
(2005) und Aniela Frey (Flöte, 2007).<br />
Gianni Bergamo Classic Music Award<br />
Auch die deutsche Cellistin Konstanze von<br />
Gutzeit, die Anfang September in der Reihe<br />
«Debut» auftrat, ist eine verdiente Preisträgerin;<br />
sie schwang beim alles in allem mit<br />
25 000 Euro dotierten Gianni Bergamo Classic<br />
Music Award der gemeinnützigen Stiftung<br />
Accentus obenaus, dies vor Umberto Clerici,<br />
Italien, und Sebastian Diezig, Schweiz. Am<br />
Lucerne Festival bewies sie als Interpretin<br />
sowohl Schalk als auch poetisches Einfühlungsvermögen<br />
und wusste besonders mit<br />
den modernen Stücken von Henri Dutilleux<br />
und Francis Poulenc zu überzeugen.<br />
Im Vorjahr war der Gianni Bergamo Classic<br />
Music Award in der Kategorie Komposition<br />
an Panayiotis Kokoras verliehen worden,<br />
der vor Simone Movio und Carlo Ciceri gewann.<br />
Als nächstes folgt nun ein Kammermusikwettbewerb.<br />
schi<br />
«Selbst wenn man nicht<br />
am Klavier sitzt und<br />
übt, ist man stets mit Musik<br />
beschäftigt.»<br />
Andriy Dragan, Pianist<br />
Fotos: Patrick Deslarzes | Georg Anderhub | Wolfgang Lienbacher<br />
unmittelbar neben seinem Bett. Sie leben alle<br />
drei im gleichen Raum. Die Eltern schauen<br />
zwar, dass Andriy nicht allzu früh mit Klavierspielen<br />
beginnt. Danach aber besucht er elf<br />
Jahre lang das Musikinternat Solomiya Krushelnytska<br />
in Lemberg.<br />
Als Adrian Oetiker dort einen Meisterkurs<br />
leitet, beschliesst Dragan, seine musikalische<br />
Ausbildung an der Musikhochschule Basel<br />
fortzusetzen.<br />
Dort gab er im Juni 20<strong>09</strong> sein Diplomkonzert.<br />
Im August folgte dann der glanzvolle<br />
Auftritt in der Reihe «Debut » am Lucerne<br />
Festival – eine hochkarätige Jury unter der<br />
Leitung von Pierre Wavre, Direktor des Musikkonservatoriums<br />
Lausanne, hatte ihn als Gewinner<br />
des zum fünften Mal im Namen des<br />
Jubiläumsfonds der Credit Suisse Foundation<br />
verliehenen Prix Credit Suisse Jeunes Solistes<br />
erkoren.<br />
1<br />
2 3<br />
1 Konstanze von Gutzeit steht eine grosse Karriere als Cellistin bevor. 2 Der Ukrainer Andriy Dragan,<br />
Absolvent der Musikhochschule Basel, überzeugte am Lucerne Festival in jeder Hinsicht. 3 Urs Rohner,<br />
Vizepräsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse, übergab Andriy Dragan den begehrten Preis.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
48 Credit Suisse<br />
Glück für Helfer und Bedürftige<br />
2003 gründeten Marc Jenni und Daniel Siegfried die Hilfsorganisation Child’s Dream<br />
Foundation. Zuvor in der Finanzbranche tätig, fanden sie ihr fehlendes Stück Glück in der<br />
Hilfe für Bedürftige. Mittlerweile beschäftigen die beiden Schweizer 30 Mitarbeitende,<br />
die sich für den Bau von Schulen und die Gesundheitsversorgung einsetzen. Ein Besuch<br />
am Hauptsitz der Organisation in Chiang Mai, Thailand.<br />
Erst nach langen, in Thai und per Mobiltelefon<br />
übermittelten Erklärungen findet der Taxifahrer<br />
das Gebäude. Das fensterlose Haus<br />
fällt auf zwischen den umliegenden einstöckigen<br />
Häusern. «Bis vor etwas mehr als<br />
einem Jahr haben wir ein kleines Häuschen<br />
bewohnt, nun ist das hier der Hauptsitz der<br />
Child’s Dream», erzählt Daniel Siegfried,<br />
einer der beiden Gründer der wohltätigen<br />
Organisation. «Diesen Bau haben uns drei<br />
Spender ermöglicht, wir hätten sonst kein<br />
Geld dafür gehabt. Wenn wir reisen, übernachten<br />
wir fast ausnahmslos bei Freunden,<br />
denn wir wollen für unsere Administration<br />
weniger als 10 Prozent des Spendevolumens<br />
ausgeben, was minimal ist im Vergleich zu<br />
den 40 Prozent von Organisationen beispielsweise<br />
in den USA.» Daniel Siegfried hat zusammen<br />
mit Marc Jenni vor nunmehr sechs<br />
Jahren Child’s Dream gegründet. Beide hatten<br />
sie zuvor durch ihre Arbeit in der Finanzbranche<br />
jahrelang in Asien gelebt und dabei<br />
die Probleme der Region kennengelernt. Je<br />
länger, je mehr fühlten sie sich ihrem Sinn<br />
für Gerechtigkeit verpflichtet. Sie beschlossen,<br />
ihr Wissen und Engagement bedürftigen<br />
Kindern zu widmen. «Die so genannte<br />
Mekong-Unterregion ist Schauplatz von vielen<br />
humanitären Katastrophen», erklärt Daniel<br />
Siegfried. «Es herrscht vielerorts Armut<br />
und Krankheit, politische Verfolgung und<br />
sexuelle Ausbeutung. Und am härtesten trifft<br />
«Die Zukunft einer Dorfgemeinschaft<br />
sind die<br />
Kinder. Und deshalb sind sie<br />
der Fokus unserer Arbeit.»<br />
Marc Jenni<br />
es die Kinder.» Diese kämen beispielsweise<br />
als Flüchtlinge oder illegale Immigranten<br />
nach Thailand und hätten als staatenlose und<br />
papierlose Menschen keinen Zugang zum<br />
thailändischen System, also kein Anrecht auf<br />
öffentliche Institutionen wie Spitäler und insbesondere<br />
Schulen.<br />
Spenden aus der ganzen Welt<br />
Genau um diesen Missstand kümmert sich<br />
Child’s Dream, indem die Organisation durch<br />
Programme einerseits die Gesundheitsversorgung<br />
der Kinder verbessert und andererseits<br />
Kindergärten, Bildungseinrichtungen und<br />
Schulen baut und über 55 000 Kinder mit<br />
Lernmaterial versorgt. «Wir sind glücklich,<br />
dass unsere ‹Lasst es uns anpacken›-Haltung<br />
bei den Spendern Gehör findet. Zu Beginn<br />
stammten 90 Prozent der Spenden aus<br />
der Schweiz, mittlerweile kommen 50 Prozent<br />
aus Ländern wie Singapur, Japan und<br />
aus Hongkong. Gerade hat uns das APAC<br />
Philanthropy Committee der Credit Suisse<br />
eine Zuwendung von 250 000 US-Dollar<br />
zugesprochen. Dies ist die bisher grösste<br />
Spende von einem Unternehmen. Damit<br />
können wir 30 neue Klassenzimmer bauen!»<br />
Daniel Siegfrieds Enthusiasmus ist auch<br />
nach über 60 realisierten Projekten nicht zu<br />
bremsen. Und gemeinsam mit ihm kämpfen<br />
mittlerweile 30 Mitarbeitende für die gute<br />
Sache. Als dritte Schweizerin im Bunde ist<br />
vor drei Jahren Manuela Bianchi dazugestossen.<br />
«Damals hatten Marc und Dani vier<br />
Angestellte, wovon eine die Haushälterin<br />
war», konstatiert die ehemalige Personalmanagerin,<br />
die auch lange in Asien tätig war.<br />
Nebst dem gestiegenen Spendenvolumen<br />
ist es das Verdienst ihrer Erfahrung im asia-<br />
1 2<br />
3<br />
1 In Südostasien ist es üblich, bis zur Universitätsstufe eine Schuluniform zu tragen. 2 Die laotische Sprache hat ein Alphabet, das dem thailändischen sehr<br />
ähnlich ist. 3 Abgängerinnen eines englischsprachigen Studienprogramms: Child’s Dream Foundation finanziert mittlerweile achtzig Studenten das Studium.<br />
Fotos: Child’s Dream | Regula Gerber<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 49<br />
Die entlegenen Schulen auf den unasphaltierten<br />
Strassen zu erreichen, kann sehr schwierig sein.<br />
Die 2003 von den beiden<br />
Schweizern Marc Jenni und<br />
Daniel Siegfried gegründete<br />
Child’s Dream Foundation<br />
hat ihren Hauptsitz in Chiang<br />
Mai, Thailand. Sie will benachteiligte<br />
Dorfgemeinschaften<br />
in der Mekong-Unterregion<br />
ermutigen, ihre Zukunft<br />
selbst in die Hand zu nehmen.<br />
Die Organisation arbeitet<br />
eng mit den Dorfgemeinschaften<br />
zusammen, um die<br />
Gesundheits- und Bildungsstandards<br />
der Kinder sowie<br />
die sozioökonomischen<br />
Möglichkeiten der Familien<br />
zu verbessern.<br />
Die Arbeit von Child’s Dream<br />
ist schwerpunktmässig auf<br />
Bildungsinfrastruktur ausgerichtet,<br />
also auf Kindergärten,<br />
Schulen, Berufsschulen,<br />
höhere Bildungseinrichtungen.<br />
Zudem beschäftigt<br />
sich die Organisation mit der<br />
Verbesserung der Gesundheitsversorgung<br />
durch Programme<br />
wie beispielsweise<br />
den Medizinfonds für Kinder<br />
und versorgt über 55 000<br />
Kinder mit Lernmaterial.<br />
tischen Arbeitsmarkt, dass innerhalb kurzer<br />
Zeit sehr viele Leute angestellt und deshalb<br />
mehr Projekte realisiert werden konnten.<br />
Engpässe an allen Fronten<br />
Neben Spendengeldern sind fähige Mitarbeitende<br />
entscheidend für den Erfolg von Child’s<br />
Dream. Denn mit jedem Projekt, das ein Bedürfnis<br />
deckte, tauchten wieder neue Probleme<br />
auf: Engpässe bei der Energieversorgung,<br />
Wasserknappheit oder die Verbreitung<br />
von Malaria. Das Mandat von Child’s Dream<br />
war jedoch auf Kinder beschränkt. Daniel<br />
Siegfried meint: «Gemäss unserer Vorstellung<br />
von nachhaltiger Entwicklung wollten<br />
wir nicht nur Kinder zu verantwortungsvollen<br />
und aktiven Mitgliedern der Gemeinschaft<br />
«Wir arbeiten eng mit den<br />
Dorfgemeinschaften zusammen,<br />
um sie für die aktive<br />
Beteiligung zu gewinnen.»<br />
Daniel Siegfried<br />
heranwachsen lassen, sondern dem ganzen<br />
Dorf die Chance auf eine selbstbestimmte<br />
Zukunft geben. Deshalb haben wir 2006 die<br />
diversethics Foundation gegründet .» Unter<br />
dieser Stiftung laufen seither vier langfristige<br />
Programme. Im Rahmen des Malariakontrollprogramms<br />
werden in Zusammenarbeit mit<br />
einer Klinik Menschen in Grenzgebieten auf<br />
die Krankheit getestet, denn früh erkannt<br />
kann diese geheilt werden. Basic Health Interventions<br />
for Children setzt sich dafür ein,<br />
dass sich schwangere Frauen möglichst gut<br />
ernähren und die Kindersterblichkeit, die<br />
besonders in vielen armen Gegenden unheimlich<br />
hoch ist, reduziert werden kann. Ein<br />
weiteres Programm entstand aufgrund der<br />
Verwüstung durch den Zyklon Nargis. Dort<br />
leistet die diversethics Foundation Hilfe vor<br />
Ort in Form von Notfallmedizin, aber auch mit<br />
dem Wiederaufbau der Infrastruktur und<br />
der Nahrungsmittelproduktion. Das vierte<br />
Programm wurde geschaffen, um Studierenden<br />
aus Nachbarländern die Möglichkeit zu<br />
geben, in Thailand zu studieren.<br />
Stipendium als einzige Lebenschance<br />
Davon erfahren die Studenten nur durch<br />
Mundpropaganda, weil es in ihrem Heimatland<br />
kaum Computer, Internetzugang oder<br />
Schreibmaschinen gibt. «Die zum Teil ><br />
Daheim ist Thailand<br />
<strong>bull</strong>etin traf Daniel Siegfried (links)<br />
und Marc Jenni während ihres letzten<br />
Schweizaufenthalts zum Gespräch.<br />
<strong>bull</strong>etin: Welche Arbeiten fallen bei<br />
Aufenthalten in der Schweiz für Sie an?<br />
Marc Jenni: Die Hauptaufgabe ist Fundraising.<br />
Wir haben einen engen Terminplan,<br />
um bestehende und neue Sponsoren, aber<br />
auch andere Organisationen oder Interessierte<br />
zu treffen.<br />
Welche Gefühle kommen bei einem<br />
Aufenthalt in der alten Heimat auf?<br />
Daniel Siegfried: Schon bei der Ankunft in<br />
Zürich freuen wir uns beide jeweils wieder<br />
auf die Rückkehr nach Thailand, das nach all<br />
den Jahren unsere Heimat geworden ist.<br />
Mir persönlich fehlen in der Schweiz die Unbeschwertheit<br />
und Herzlichkeit der Menschen,<br />
sie sind sehr verplant. In Thailand<br />
wissen die Menschen kaum, was sie zwei<br />
Tage später machen, in der Schweiz kennen<br />
die Leute ihren Terminplan drei Monate im<br />
Voraus. Was wir in Thailand vermissen, sind<br />
die unterschiedlichen Jahreszeiten, vor allem<br />
den Schnee. Und natürlich unsere Familien.<br />
In welche Projekte sind Sie zurzeit<br />
besonders involviert ?<br />
Marc Jenni: Wir bauen zurzeit in sechs Dörfern<br />
in Laos Schulen, das ist ein grosses<br />
Projekt. In Kambodscha haben wir ein Büro<br />
eröffnet, das wir nun zum vollumfänglichen<br />
Partner aufbauen, indem wir den Standard<br />
bezüglich Tempo und Reporting kontinuierlich<br />
zu verbessern versuchen. Und dann erwarten<br />
wir in Thailand durch die für 2010<br />
angekündigten burmesischen Wahlen eine<br />
Migrationswelle. Um diese auffangen zu können,<br />
bauen wir bereits jetzt Bestehendes wie<br />
Schulen und Gesundheitsprogramme aus.<br />
In welche Richtung soll sich Child’s<br />
Dream weiterentwickeln?<br />
Daniel Siegfried: Wir wollen nicht unendlich<br />
wachsen, sondern auf der in den letzten fünf<br />
Jahren entstandenen soliden Infrastruktur aufbauen.<br />
Ziel ist, das Operative in lokale Hände<br />
geben, um uns vertieft der Strategie und<br />
grossen Projekten widmen zu können. rg<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
50 Credit Suisse<br />
handschriftlichen Bewerbungen werden auf<br />
abenteuerlichem Weg wie beispielsweise<br />
über einen Priester ausser Landes zu uns<br />
gebracht », erzählt Manuela Bianchi. «Ein<br />
Institut sammelt und sortiert für uns die<br />
Bewerbungen, und wir nehmen dann eine<br />
Selektion vor.» Spender haben insofern die<br />
Möglichkeit, Einfluss auf die Selektion zu nehmen,<br />
als sie bevorzugte Studienrichtungen<br />
angeben oder selbst entscheiden können,<br />
ob sie junge Frauen oder junge Männer unterstützen<br />
wollen. «Sponsoren suchten wir<br />
erst, nachdem wir die Studenten bereits<br />
ausgesucht hatten. Der dringende Bedarf<br />
an Stipendiengeldern war vorhanden, und<br />
wir wollten ihn so oder so decken», erklärt<br />
Daniel Siegfried. Manuela Bianchi ergänzt:<br />
«Studenten zu unterstützen, ist sinnvoll, weil<br />
sie potenzielle Träger von Veränderungen<br />
sind und demokratisches Gedankengut in ihr<br />
Heimatland zurückbringen.» So wurde 2006<br />
eine erste Gruppe von insgesamt acht Studenten<br />
ausgewählt, vier davon werden bis<br />
heute von der Credit Suisse unterstützt.<br />
Mittlerweile ist das Programm auf 80 Studierende<br />
angewachsen, wovon gut zwei<br />
Drittel Frauen sind. «Auf unsere ersten acht<br />
Studenten sind wir ausserordentlich stolz,<br />
weil sie alle durchwegs sehr gute Noten<br />
haben. Sie begreifen, dass das ihre vermutlich<br />
einzige Chance ist, ihr Leben zu verändern,<br />
und sie sie drum nutzen sollten», meint<br />
Manuela Bianchi, der die Freude darüber ins<br />
Gesicht geschrieben ist. Dass die Studenten<br />
ihr Studium mit grösster Ernsthaftigkeit angehen,<br />
zeigt die tiefe Quote von Studienabbrüchen.<br />
So haben in den vergangenen drei<br />
«Wir sind um ein enges<br />
Coaching der Studenten<br />
bemüht, denn sie erleben<br />
hier eine neue Welt.»<br />
Manuela Bianchi<br />
Jahren nur fünf Studierende das Programm<br />
verlassen – zwei davon liessen sich in die<br />
USA umsiedeln, eine Studentin bekam ein<br />
Kind und ein Student verschwand aus unbekannten<br />
Gründen.<br />
Der Weg zum persönlichen Glück<br />
1<br />
3<br />
1 Die Bung-Kaew-Schule war in einem desolaten Zustand, jeder Sturm wurde für die Schüler<br />
gefährlicher. 2 In der neuen Schule bleibt der Schlamm garantiert draussen – und es herrscht Sicherheit<br />
drinnen. 3 Die Veranda der Pakkam-Schule ist besonders wichtig, dauert doch die Regenzeit<br />
von Mai bis Oktober. 4 Das Baumaterial wird von einem Child’s Dream Team über den einzigen Weg<br />
zu einer Schule gebracht.<br />
2<br />
4<br />
Doch was passiert mit den Studenten nach<br />
dem Abschluss? Ein Drittel wird das Wissen<br />
wieder in das Heimatland tragen und beispielsweise<br />
als Lehrer weiterverbreiten. Ein<br />
weiteres Drittel wird in einer nichtstaatlichen<br />
Organisation als Journalist, Übersetzer oder<br />
Projektleiter arbeiten. Und der verbleibende<br />
Teil hat noch kein festes Ziel, studiert aber<br />
oftmals Berufe im Gesundheitswesen. Als<br />
weitere Option besteht seit nunmehr einem<br />
Jahr ein Business-Angels-Programm. Die<br />
Studenten können in ihrem letzten Studienjahr<br />
einen Vorschlag für ein nachhaltiges<br />
Projekt einreichen, das mindestens einen<br />
Arbeitsplatz schafft, der Gemeinschaft dient,<br />
den Starthilfebetrag von maximal 20 000<br />
US-Dollar nicht überschreitet und nach einer<br />
gewissen Zeit selbsttragend ist. Das kann<br />
die Eröffnung eines Schreibladens oder einer<br />
kleinen Bücherleihe sein.<br />
Die Organisationsleiter diskutieren hin<br />
und wieder, ob die ausgebildeten jungen<br />
Menschen zwingend zurück in ihr Heimatland<br />
gehen oder ob sie auch die Möglichkeit<br />
haben sollten, beispielsweise in den USA<br />
bei einer Bank zu arbeiten. Noch hat sich<br />
kein Studierender so entschieden, und das<br />
wird vermutlich auch so bleiben. Denn wenn<br />
diese jungen Menschen nur annähernd die<br />
gleiche Gesinnung wie die Gründer von<br />
Child’s Dream haben, werden auch sie einen<br />
verantwortungsvollen Weg gehen – und merken,<br />
dass dieser zum eigenen Glück werden<br />
kann. So wie Marc Jenni, der die Arbeit in<br />
der Finanzindustrie sehr genossen hat, dem<br />
aber damals etwas zu seiner totalen Zufriedenheit<br />
fehlte. Durch seine Arbeit für die<br />
Organisation hat er dieses fehlende Stück<br />
in der Hilfe für Bedürftige gefunden. Und<br />
Daniel Siegfried spricht wohl für beide Gründer,<br />
wenn er auf die Frage nach der Motivation<br />
antwortet: «Es fühlt sich einfach genau<br />
richtig an.» Regula Gerber<br />
Fotos: Child’s Dream | Rogan Macdonald | Credit Suisse<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 51<br />
Enduro-Challenge-Triathlon<br />
Von Turm zu Turm<br />
Das Credit Suisse Team gewann mit einem Vorsprung von<br />
62 Minuten den Enduro-Challenge-Triathlon vom 28. August.<br />
Die Mannschaft mit Paul Annegarn, Matthew Caldwell,<br />
Oliver Caldwell, Christopher Dettmar, Rebecca Glover, Helen<br />
Haworth, Ben Jervis und Christopher Twycross verwies<br />
Barclays Capital und die Deutsche Bank auf den zweiten und<br />
dritten Platz. Das jährlich stattfindende Stafettenrennen<br />
zwischen sechs führenden Finanzdienstleistungsunternehmen<br />
besteht aus einem Lauf über 150 Kilometer von London nach<br />
Dover, einer Schwimmprüfung über 40 Kilometer bis nach<br />
Calais und einer Radprüfung über 300 Kilometer nach Paris.<br />
Dieses Jahr wurde der Ärmelkanal aufgrund der rauen See<br />
nicht durchschwommen, dafür mussten die Teilnehmer eine<br />
Strecke im Hafenbereich von Dover schwimmen.<br />
Es war ein Rennen von «Turm zu Turm» mit Start beim<br />
Tower of London und Ziel beim Eiffelturm in Paris: Allen Teams<br />
gelang es, für ihre Wohltätigkeitsorganisationen beträchtliche<br />
Geldbeträge zu sammeln. Die Credit Suisse unterstützte<br />
auch dieses Jahr The Place2be, eine Organisation, die<br />
Kindern mit schwierigem Hintergrund zur Seite steht. Durch<br />
die Sammlung ist die Organisation ihrem Ziel, die Zahl der von<br />
ihr betreuten Schulen bis 2010 auf 190 zu erhöhen, nähergekommen.<br />
Seit die Credit Suisse die Organisation mit Sammelaktionen<br />
unterstützt hat, sind mehr als 625 000 britische<br />
Pfund zusammengekommen. Mandana Razavi<br />
Habitat for Humanity<br />
Gemeinsam gegen<br />
Wohnungsnot<br />
Weltweit sind fast 1,6 Milliarden<br />
Menschen mit Wohnungsproblemen<br />
konfrontiert. Daher unterstützt<br />
die Credit Suisse bereits seit<br />
mehreren Jahren die Organisation<br />
Habitat for Humanity. Regelmässig<br />
leisten Credit Suisse Mitarbeitende<br />
beim Bau von Eigenheimen für<br />
Familien mit geringem Einkommen<br />
freiwillige Arbeitseinsätze: So bildeten<br />
Mitarbeitende Teams, um<br />
nach dem verheerenden Tsunami<br />
beim Wiederaufbau in Sri Lanka<br />
und Indien mitzuhelfen. In den USA<br />
unterstützten Credit Suisse Volunteers<br />
Projekte in New York, Raleigh,<br />
Atlanta, Boston und Princeton.<br />
Freiwillige aus den Niederlassungen<br />
in Singapur und Hongkong<br />
fliegen regelmässig nach Indonesien<br />
und China, um Aufbauhilfe<br />
zu leisten. Auch Mitarbeitende aus<br />
London beteiligen sich an diversen<br />
Wiederaufbauprojekten.<br />
Allein im Juni leisteten 95 Mitarbeitende<br />
aus sechs Niederlassungen<br />
Freiwilligenarbeit für<br />
Habitat. Die Credit Suisse Standorte<br />
Buenos Aires, Mexico City,<br />
Seoul und Breslau arbeiteten dabei<br />
zum ersten Mal mit Habitat zusammen.<br />
Das Private Banking in<br />
Dallas und das Investment Banking<br />
in Chicago erweiterten ihr Engagement<br />
und bezogen erstmals auch<br />
Kunden und Praktikanten mit ein.<br />
Aufgrund der langjährigen und erfolgreichen<br />
Zusammenarbeit ist das<br />
Corporate Volunteering mittlerweile<br />
eine Partnerschaft mit Habitat for<br />
Humanity eingegangen. Lalita Advani<br />
Menschen» in den letzten Monaten<br />
öffentlich diskutiert worden. Am<br />
24. November findet nun im Winterthurer<br />
«Zentrum für Ausbildung im<br />
Gesundheitswesen Kanton Zürich»<br />
mit der Unterstützung des Jubiläumsfonds<br />
der Credit Suisse ein<br />
Sensibilisierungstag für Fachpersonen<br />
statt, die sich von Berufs<br />
wegen mit älteren Menschen<br />
beschäftigen. Andreas Schiendorfer<br />
Schweiz<br />
Nachwuchskräfte für<br />
die Credit Suisse<br />
Die Credit Suisse steht seit Jahren<br />
für eine langfristige Nachwuchsförderung.<br />
Auch dieses Jahr konnten<br />
im August wieder über 200<br />
Lernende und Mittelschulabsolventen<br />
ihr Ausbildungsprogramm beginnen.<br />
Ihre Lehrabschlussprüfung<br />
haben bereits Ende Juli 96 Prozent<br />
unserer Lehrabgängerinnen und<br />
Lehrabgänger erfolgreich hinter<br />
sich gebracht. Die Credit Suisse ist<br />
bestrebt, ihre Lernenden und<br />
Mittelschulabsolventen nach ihrem<br />
Abschluss als erfolgreiche und<br />
qualifizierte Fachkräfte im Unternehmen<br />
zu behalten. So werden<br />
auch dieses Jahr erfreulicherweise<br />
über 80 Prozent der Absolventen,<br />
welche die Anforderungen erfüllen<br />
und unmittelbar nach dem Lehrabschluss<br />
eine feste Stelle bei der<br />
Credit Suisse anstreben, bei uns<br />
weiterarbeiten. Mandana Razavi<br />
Weitere Informationen zu<br />
den Credit Suisse Ausbildungsprogrammen<br />
unter: www.creditsuisse.com/careers/de/.<br />
Anzeige<br />
Gesundheitswesen<br />
Sensibilisierungstag<br />
Aufgrund von Missständen, die<br />
in Zürcher Pflegeheimen aufgedeckt<br />
wurden, ist das Tabuthema<br />
«Gewalt gegenüber älteren<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
52 Wirtschaft <strong>Struktur</strong>wandel<br />
Die Schweizer Wirtschaft<br />
vor einem tiefgreifenden<br />
<strong>Struktur</strong>wandel<br />
Die Schweiz hat die Wirtschafts- und Finanzkrise im internationalen Vergleich gut überstanden.<br />
Doch deren Auswirkungen werden für die Schweizer Wirtschaft tiefgreifend sein<br />
und den zwischenzeitlich zum Stillstand gekommenen <strong>Struktur</strong>wandel beschleunigen.<br />
Text: Christian Etzensperger und Frédéric Junod, Economic Research, Zürich<br />
Potenzielle Verlierer<br />
Branchen mit tiefer Chancen-Risiken-Bewertung<br />
Möbelindustrie<br />
Bau<br />
Metallerzeugung<br />
Autogewerbe<br />
Landverkehr, Logistik<br />
Detailhandel<br />
Papierindustrie<br />
Druck & Verlag<br />
Textil- und Bekleidung<br />
Gastgewerbe<br />
Landwirtschaft<br />
–10<br />
–5<br />
0<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
<strong>Struktur</strong>wandel Wirtschaft 53<br />
Potenzielle Gewinner<br />
Branchen mit hoher Chancen-Risiken-Bewertung<br />
Uhrenindustrie<br />
Chemie & Pharma<br />
Medtech, Messinstrumente<br />
Unternehmensberatung<br />
Gesundheitswesen<br />
Banken<br />
Informatik<br />
Versicherungen<br />
Maschinenbau<br />
Nachrichtenübermittlung<br />
Nahrungsmittelindustrie<br />
Elektrotechnik<br />
Architekten, Ingenieure<br />
Grosshandel<br />
Energieversorgung<br />
Reisebranche<br />
Elektronik<br />
Fotos: Meinrad Riedo, Prisma | DAJ<br />
Holzindustrie<br />
Kunststoffindustrie<br />
Metallerzeunisse<br />
Immobilienwesen<br />
0 5 10<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
54 Wirtschaft <strong>Struktur</strong>wandel<br />
In den 1990er-Jahren wurde die Schweizer<br />
Industrie auf der Verliererseite des einsetzenden<br />
Globalisierungsschubs gesehen. In<br />
der Tat hatten mehrere grosse Industriebetriebe<br />
Mühe, dem Puls der Weltmärkte zu<br />
folgen. Dies galt für traditionelle, inländische<br />
Marken wie Saurer-Lastwagen oder SLM-<br />
Lokomotiven. Aber auch Sulzer, ABB sowie<br />
viele mittelgrosse Produktionsbetriebe mussten<br />
Federn lassen. Die Produktion wurde in<br />
Länder mit billigeren Arbeitskosten ausgelagert,<br />
und man unternahm Anstrengungen,<br />
den Dienstleistungsanteil am Umsatz zu erhöhen.<br />
Beschäftigte die Industrie in den<br />
1960er-Jahren noch über 1,6 Millionen Arbeitskräfte,<br />
fiel die Zahl Mitte der Neunzigerjahre<br />
unter die Millionenmarke. Diese Entwicklung<br />
fand gleichzeitig wie die Immobilienkrise<br />
statt. Die Kombination führte zu einer U-förmigen<br />
Rezession mit mehrjähriger Wachstumsschwäche<br />
und hoher Arbeitslosigkeit.<br />
Die Schwäche der Industrie führte zu einem<br />
tiefgreifenden <strong>Struktur</strong>wandel, und ihre<br />
Wertschöpfung entwickelte sich im Vergleich<br />
zur Gesamtwirtschaft während der ganzen<br />
Dekade unterdurchschnittlich.<br />
Krise erfasst Industrie Mitte 2008<br />
Zusätzlich wurde die traditionelle Güterproduktion<br />
auch zunehmend vom Dotcom-Boom<br />
überschattet. Doch als die Dotcom-Blase<br />
platzte, folgte nach einer kurzen Rezession<br />
ein überraschend kräftiger, mehrjähriger Aufschwung,<br />
der eine Auferstehung der Industrie<br />
beinhaltete. Die einheimische Industrieproduktion<br />
stieg von 2003 bis 2008 um knapp<br />
ein Drittel, die Umsätze um rund 40 Prozent.<br />
Gegenüber der Gesamtwirtschaft wies die Industrie<br />
von 2005 bis 2008 gemessen an der<br />
Wertschöpfung eine deutliche Überperformance<br />
von jährlich 2 Prozent aus. Der Boom<br />
mündete in die Schaffung von 100 000 neuen<br />
Industriearbeitsplätzen – der stärkste Anstieg<br />
seit Beginn der Messreihe 1960.<br />
Indes sollte diese erstaunliche Entwicklung<br />
nicht lange währen. Ab Mitte 2008 wurde<br />
die Schweizer Realwirtschaft von der<br />
Weltwirtschaftskrise erfasst. Knapp ein Jahr<br />
zuvor hatte die Finanzkrise die Banken und<br />
andere an den Finanzmärkten exponierte<br />
Akteure in Bedrängnis zu bringen begonnen.<br />
Im Juli 2008 stürzten die Erdölnotierungen,<br />
mit ihnen der Rohstoffsektor und schliesslich<br />
die ersten Industriebranchen in die Tiefe. In<br />
der Schweiz waren die Metallerzeuger betroffen,<br />
aber auch die Hersteller chemischer<br />
Grundstoffe. Gleichzeitig brach der globale<br />
Textilmarkt ein, was einen dramatischen<br />
<br />
Nachfragerückgang bei den Schweizer Textilmaschinenproduzenten<br />
auslöste. Ähnlich<br />
schlecht erging es nur noch den Automobilzulieferern.<br />
Weil die Wertschöpfungskette im<br />
Autobau äusserst lang ist, betraf die Krise<br />
Unternehmen verschiedenster Branchen,<br />
vom Metall- und Maschinenbau über die<br />
Elektronik bis hin zur Chemie. Anfang 20<strong>09</strong><br />
brachen die Umsätze der bisher unbehelligten<br />
Uhrenindustrie ein. Anschliessend<br />
übertrug sich das Virus auch auf das binnenorientierte<br />
Gewerbe.<br />
Schweizer Wirtschaft schlägt Konkurrenz<br />
Im internationalen Vergleich hat die Schweizer<br />
Wirtschaft die Krise aber gut überstanden.<br />
Das Bruttoinlandprodukt sank im 1. Halbjahr<br />
20<strong>09</strong> um 2,1 Prozent. Die wichtigsten Schweizer<br />
Handelspartner erlebten mit wenigen Ausnahmen<br />
eine deutlich stärkere Schrumpfung<br />
ihrer Volkswirtschaften. Das Gleiche gilt für<br />
die Exporte, die in der Schweiz seit dem<br />
Höchststand im 3. Quartal 2008 bis im Sommer<br />
20<strong>09</strong> um 20 Prozent eingebrochen sind.<br />
In Deutschland betrug der entsprechende Einbruch<br />
knapp ein Viertel, in den USA 27 Prozent<br />
und in Japan gar 40 Prozent. An Konkurrenzfähigkeit<br />
gegenüber Mitbewerbern hat die<br />
Schweizer Industrie also nicht verloren. Vielmehr<br />
wurde sie Opfer einer Welle, die viele<br />
Boote zum Kentern brachte.<br />
Trotz dieser vergleichsweise erfreulichen<br />
Zwischenbilanz ist es absehbar, dass die gegenwärtige<br />
Rezession die Wirtschaft verändern<br />
wird. Die vier vorgängigen Rezessionen<br />
<br />
Wertschöpfungsintensiven Branchen gehört die Zukunft<br />
Die mittelfristigen Chancen und Risiken der verschiedenen Branchen der Schweizer Wirtschaft.<br />
Als Berechnungsgrundlage dient ein Modell des Economic Research der Credit Suisse. Der Prognosehorizont<br />
erstreckt sich über die nächsten drei bis fünf Jahre. Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />
der Nachkriegszeit in der Schweiz wirkten<br />
sich jeweils unterschiedlich stark auf die Wirtschaftsstruktur<br />
aus. Die Rückgänge von<br />
1982 und 2003 hatten vergleichsweise geringe<br />
Auswirkungen auf den <strong>Struktur</strong>wandel,<br />
während die Rückgänge von 1975 und 1993<br />
den Wandel relativ stark beschleunigten. Der<br />
<strong>Struktur</strong>wandel betrifft aus drei Gründen<br />
stets die Industrie am stärksten. Erstens, weil<br />
sie stärker von den zyklischen, durch Firmen<br />
mehrheitlich im Ausland getätigten Anlageinvestitionen<br />
abhängt als der eher vom glättenden<br />
Konsum der privaten Haushalte abhängige<br />
Dienstleistungssektor. Zweitens ist<br />
der technologische Fortschritt in besonderem<br />
Masse Fluch und Segen für die Industrie. Einerseits<br />
eröffnet er dem findigen Unternehmer<br />
stets neue Marktchancen. Die Kehrseite<br />
der sich beschleunigenden Innovationskadenz<br />
ist aber zunehmender Innovationsstress, weil<br />
die Verdrängung oder das Verschwinden von<br />
angestammten Märkten droht (Beispiel: Konkurs<br />
von Polaroid 2008). Die Industrie mit<br />
ihren weniger flexiblen <strong>Struktur</strong>en und hohen<br />
Fixkosten tut sich hier nachweislich schwerer<br />
als der Dienstleistungssektor. Drittens folgt<br />
die Verlagerung vom sekundären zum tertiären<br />
Sektor trotz des Industriebooms von<br />
2003 bis 2008 einem langfristigen Trend.<br />
Zwischen 1995 und 2005 hat die Zahl der<br />
Industriebetriebe in der Schweiz um 1800 abgenommen.<br />
Die Zahl der Dienstleistungsbetriebe<br />
nahm gleichzeitig um 14 500 zu. Selbst<br />
in guten Phasen konnte dieser Trend jeweils<br />
nicht mehr als neutralisiert werden. In Krisen-<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
<strong>Struktur</strong>wandel Wirtschaft 55<br />
zeiten werden dagegen die Geschäftsmodelle<br />
überdacht, die Betriebe verschlankt und<br />
Teile der Produktion ausgelagert. Dadurch<br />
begrenzt die Industrie ihren Beitrag zur Wirtschaftsleistung<br />
dauerhaft, also auch über den<br />
nachfolgenden Zyklus.<br />
Die Industrieunternehmen sind nach dem<br />
Ende des Booms mit Aufräumarbeiten beschäftigt.<br />
Danach dürften sich die Restrukturierungen<br />
aber auf strategischer Ebene<br />
fortsetzen. Angesichts tieferer Absatzniveaus<br />
und steigender Rohstoffpreise müssen die<br />
Unternehmen überdenken, was sie an welchen<br />
Standorten für welche Märkte herstellen<br />
wollen. Nachdem das in den 1990er-Jahren<br />
propagierte Outsourcing und Offshoring<br />
in den fetten Jahren in den Hintergrund<br />
rückte, dürfte das Pendel in den mageren<br />
Jahren wieder auf die andere Seite ausschwingen.<br />
Während im Dienstleistungssektor<br />
schwergewichtig Administratives oder<br />
Basisdienste ausgelagert werden, sind es in<br />
der Industrie ganze Produktionslinien, die zudem<br />
überwiegend in Ländern mit tieferen<br />
Lohnkosten angesiedelt werden.<br />
Der Dienstleistungssektor wird wachsen<br />
Der Anteil des Dienstleistungssektors an der<br />
Wirtschaftsleistung dürfte in den nächsten<br />
Jahren weiter steigen, die Schrumpfung einzelner<br />
Industriezweige hingegen weitergehen.<br />
Von den erwähnten 100 000 in den Boomjahren<br />
geschaffenen Industriearbeitsplätzen<br />
sind im ersten Halbjahr 20<strong>09</strong> bereits 25 000<br />
wieder abgebaut worden. Ein weiterer grosser<br />
Schnitt dürfte in der ersten Hälfte 2010<br />
erfolgen, wenn die Möglichkeiten der Kurzarbeitszeit<br />
ausgeschöpft sind.<br />
Chancen und Risiken einzelner Branchen<br />
Mittelfristig wird sich in der Schweizer Industrie<br />
− aber auch in der ganzen Schweizer<br />
Wirtschaft − der Trend in Richtung wertschöpfungsintensivere<br />
Aktivitäten fortsetzen.<br />
Denn trotz momentaner Restrukturierungen<br />
und Entlassungen in vielen Industriezweigen<br />
erwiesen sich andere, für die Wirtschaft immer<br />
wichtigere und immer wertschöpfungsintensivere<br />
Industriebranchen als regelrechte<br />
Stabilisatoren der Schweizer Wirtschaft. Dies<br />
gilt beispielsweise für die Pharmaindustrie<br />
und die Medizinaltechnik.<br />
Um die mittelfristigen Gewinner und Verlierer<br />
zu eruieren, um die Branchen nach ihren<br />
strukturellen Stärken und Schwächen einzuordnen<br />
und um ihr mittelfristiges Wachstumspotenzial<br />
abzuschätzen, berechnet das Economic<br />
Research der Credit Suisse jährlich<br />
eine mittelfristige Chancen-Risiken-Bewertung.<br />
Der Prognosehorizont dieser Bewertung<br />
erstreckt sich über die nächsten drei bis<br />
fünf Jahre. Die Bewertung stützt sich auf ein<br />
eigens entwickeltes Modell und wird auf einer<br />
Skala von –10 bis +10 abgebildet (> siehe Abbildung<br />
Seite 52). Eine Branche mit hohem Wert<br />
wird sich folglich in der mittleren Frist wirtschaftlich<br />
nachhaltiger entwickeln als eine<br />
Branche mit einem tiefen Wert. Neben Wertschöpfungs-,<br />
Produktivitäts- und Beschäftigungswachstum<br />
fliessen in die Beurteilung<br />
auch Indikatoren ein, die den <strong>Struktur</strong>wandel,<br />
die Wachstumsschwankungen sowie das<br />
Ausmass an Regulierungen und Protektionismus<br />
innerhalb einer Branche messen.<br />
Spitzenreiter bleiben gemäss unserer<br />
Chancen-Risiken-Bewertung wertschöpfungsintensive<br />
Branchen, die mittelfristig<br />
trotz zyklischer Schwankungen sehr wettbewerbsfähig<br />
sind. Dazu gehören die Chemie,<br />
die Pharmaindustrie, die Uhrenindustrie sowie<br />
die Hersteller von Präzisionsinstrumenten<br />
(Medizinaltechnik, Mess- und Kontrollinstrumente).<br />
Während sich die Pharmaindustrie<br />
und die Medizinaltechnik im aktuellen Abschwung<br />
erneut als konjunkturresistent erwiesen,<br />
offenbarte sich einmal mehr die<br />
starke Zyklizität der chemischen Industrie, der<br />
Uhrenindustrie sowie der Hersteller von Messund<br />
Kontrollinstrumenten. Letztere dürften<br />
aber dank ihrer hohen Konkurrenzfähigkeit<br />
überdurchschnittlich von einer konjunkturellen<br />
Erholung profitieren. Unmittelbar hinter<br />
der Spitzengruppe befinden sich das Gesundheits-<br />
und Sozialwesen sowie die Unternehmensberatungen.<br />
Die Entwicklung im Gesundheits-<br />
und Sozialwesen ist geprägt von<br />
den demografischen Veränderungen, den<br />
wachsenden Ansprüchen an Gesundheit und<br />
Betreuungsleistungen sowie vom technologischen<br />
Fortschritt. Auch in Zukunft werden<br />
diese Dienstleistungsbranchen deutlich<br />
wachsen. Im Gesundheitswesen droht in Zukunft<br />
sogar ein enormer Personalmangel. Bei<br />
den Unternehmensberatern besteht ein wesentlicher<br />
Treiber darin, dass Unternehmen<br />
komplexe Aufgaben und Abklärungen immer<br />
häufiger an Spezialisten auslagern. Die Banken,<br />
die Versicherungen und die Informatikbranche<br />
erhalten ebenfalls eine überdurchschnittliche<br />
Bewertung. Denn trotz der momentan<br />
starken Turbulenzen bleibt der<br />
Finanzplatz Schweiz gut positioniert und für<br />
die Zukunft gerüstet.<br />
Im Mittelfeld befinden sich Branchen aus<br />
unterschiedlichen Bereichen. Die Maschinenbauer<br />
präsentieren sich heute in einem völlig<br />
anderen Kleid als noch vor zehn Jahren. Die<br />
meisten Betriebe haben sich vom Kostenwettlauf<br />
verabschiedet und setzen immer<br />
mehr auf Innovationen. Weiter hinten befindet<br />
sich die Metallindustrie. Sie gehörte zu den<br />
ersten Branchen, die vom Abschwung betroffen<br />
wurden, und dürfte auch in Zukunft<br />
nur unterdurchschnittlich stark wachsen.<br />
Branchen mit strukturellen Problemen auf<br />
der Angebotsseite befinden sich am Ende der<br />
Rangliste. Dort findet man die Textil und die<br />
Bekleidungsindustrie sowie die Branche<br />
Druck und Verlag. Diese Branchen durchlaufen<br />
seit Jahren massive strukturelle Veränderungen.<br />
Trotz harter Restrukturierungen<br />
profitierten sie nur wenig von den letzten<br />
Boomjahren 2003–2008 und leiden im aktuellen<br />
Abschwung wieder besonders stark.<br />
Das Jahr 20<strong>09</strong> wird nach dem Boom der<br />
Jahre 2003–2008 als Katerjahr in die Annalen<br />
der Schweizer Industrie eingehen. Aufgrund<br />
der Schärfe der Rezession scheint in<br />
bereits strukturell schwachen Branchen eine<br />
Beschleunigung des <strong>Struktur</strong>wandels gewiss.<br />
Die wertschöpfungsintensiven Branchen<br />
− beziehungsweise die Spitzengruppe<br />
unserer ChancenRisikenBewertung − können<br />
gelassener in die Zukunft schauen. Der<br />
Wandel von wertschöpfungsschwachen zu<br />
wertschöpfungsintensiven Branchen sowie<br />
von Industriebranchen zu Dienstleistungsbranchen<br />
wird sich fortsetzen. <<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
56 Wirtschaft Speichertechnologie<br />
Auf dem Weg zum<br />
ultimativen<br />
Universalspeicher<br />
Bei der Entwicklung neuartiger Datenspeicher dringt die Forschung in neue Sphären vor.<br />
Nanoverstärkte Verfahren erhalten das Moore’sche Gesetz bis über 2010 hinaus.<br />
Text: Miroslav Durana, Nanotechnology Research, Zürich<br />
Der Verlauf des Moore’schen Gesetzes seit 1960 und die voraussichtliche Entwicklung bis 2010<br />
Die Annahme des Moore’schen Gesetzes, dass sich die Zahl der Transistoren alle zwei Jahre verdoppelt, bleibt weiter aktuell,<br />
weil der Einsatz von Nanotechnologie die Entwicklung neuartiger Speichermedien ermöglicht, die intelligenter, schneller, sparsamer<br />
und universeller einsetzbar sind. Quelle: Computer Measurement Group, Credit Suisse<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Speichertechnologie Wirtschaft 57<br />
Seit Ende der 1960er-Jahre zeichnet sich die<br />
Informationstechnologie (IT) durch hohe Innovationskraft<br />
aus und bestätigt dadurch das<br />
berühmte Moore’sche Gesetz, eine visionäre<br />
Vorhersage des Intel-Mitgründers Gordon<br />
Moore aus dem Jahr 1965. Das ursprüngliche<br />
Gesetz besagt, dass sich die Anzahl<br />
Transistoren, die sich in der erweiterten Funktionalität<br />
vieler elektronischer Geräte wie<br />
Computer spiegelt, alle zwei Jahre verdoppelt.<br />
Nahezu alle Funktionen der digitalen<br />
Informationstechnologie wie Prozessorgeschwindigkeit<br />
und Speicherkapazität werden<br />
mit diesem Gesetz in Verbindung gebracht<br />
und seit fast einem halben Jahrhundert empirisch<br />
verfolgt. Nun ist aber ein Punkt erreicht,<br />
an dem sich das beeindruckende<br />
Wachstum der Funktionalität vieler mikroelektronischer<br />
Geräte mit der bisherigen Metalloxid-Halbleiter-Technologie<br />
(CMOS) voraussichtlich<br />
nicht fortsetzen wird. Deshalb entwickeln<br />
viele Unternehmen Alternativen, um<br />
im Nanomassstab bessere Lösungen bereitzustellen.<br />
Vorstoss in den molekularen Bereich<br />
In den nächsten zehn Jahren wird die Siliziumtechnologie<br />
in den molekularen Bereich<br />
vorstossen, um mit Bauteilgrössen von weniger<br />
als 20 nm weitere Leistungsverbesserungen<br />
in Bezug auf Geschwindigkeit,<br />
Komplexität, Zuverlässigkeit und Kosten zu<br />
erzielen. Gemäss der International Technology<br />
Roadmap for Semiconductors ( ITRS)<br />
dürfte die heutige Standard-Halbleitertechnologie<br />
die physikalischen Grenzen der Optimierung<br />
bis 2020 erreicht haben. Bis dann<br />
könnte ein Transistor eine Elektrodenlänge<br />
(Gate) von 6 bis 7 nm und ein Speicherchip<br />
eine Breite von 14 bis 15 nm aufweisen. Solche<br />
Dimensionen gehen weit über die Möglichkeiten<br />
der heutigen Technologie hinaus.<br />
Viele Halbleiterunternehmen arbeiten daher<br />
an der Integration von Kohlenstoff-Nanoröhren<br />
und Kohlenstoff-Nanodrähten in gängige<br />
Siliziumtechnologien. Zahlreiche elektronische<br />
Anwendungen dürften allmählich<br />
zu molekularen Systemen übergehen. Nanoimprintlithografie,<br />
Silizium-Nanodrähte, Phasenwechselspeicher<br />
oder dreidimensionale<br />
Chips gehören zu den zahlreichen technischen<br />
Neuerungen, welche die Gültigkeit<br />
des Moore’schen Gesetzes verlängern dürften,<br />
obwohl das bekannte Prinzip des Computerwesens<br />
in den letzten Jahrzehnten<br />
schon mehrfach totgesagt wurde.<br />
Um die nächste Ebene der Miniaturisierung<br />
zu erreichen, ist 2010 im nanoverstärkten<br />
IT-Sektor mit kräftigen privaten Investitionen<br />
in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar<br />
zu rechnen. Dies impliziert ein Wachstum von<br />
mehr als 30 Prozent über drei Jahre. Viele<br />
Anwendungen wie nanoverstärkte Massenspeichermedien,<br />
gedruckte Elektronik, Funketiketten<br />
(RFID) und organische Leuchtdioden<br />
dürften von diesen Ausgaben profitieren<br />
und bis 2012 zunehmend auf den<br />
Markt kommen. Der nächste Abschnitt befasst<br />
sich mit der Entwicklung neuer Speichersysteme.<br />
Schnelle Speicher ohne Strom<br />
Zu den Hauptmerkmalen der nächsten Datenspeichergeneration<br />
gehört, dass sie 1. nichtflüchtig,<br />
2. schnell und 3. billig sind und<br />
4. eine sehr lange Lebensdauer (hohe Anzahl<br />
Schreib-/Lesezyklen) sowie 5. eine hohe<br />
Datendichte aufweisen. Nichtflüchtig bedeutet,<br />
dass die Datenerfassung keinen elektrischen<br />
Strom im Chip erfordert.<br />
Zu den heute erhältlichen nichtflüchtigen<br />
Speichermedien zählen Festplatten und<br />
Flash-Speicher. Während Festplatten keinen<br />
schnellen Datenzugriff ermöglichen, weshalb<br />
Computer nach dem Einschalten einen zeitraubenden<br />
Start- oder Downloadprozess<br />
durchlaufen, sind Flash-Speicher, zum Beispiel<br />
in Digitalkameras, teuer und gewähren<br />
– im Gegensatz zu flüchtigen Speichermedien<br />
wie dynamischen und statischen<br />
RAM (DRAM und SRAM) – ebenfalls nur<br />
langsamen Zugriff. Einige neue Technologien<br />
verfolgen das Ziel, zum ultimativen Universalspeicher<br />
zu werden und alle fünf genannten<br />
Kriterien zu erfüllen. Der Nanomassstab<br />
wird bei allen eine wichtige Rolle<br />
spielen. Viele Technologieunternehmen arbeiten<br />
aktiv an der Entwicklung der folgenden<br />
Schlüsselspeichertechnologien:<br />
FRAM (Ferroelektrischer RAM): FRAM<br />
ist neben der Spintronik die einzige handelsübliche<br />
neue Speichertechnologie. Sie basiert<br />
auf der Kombination eines konventionellen<br />
DRAM-Chips und einer zusätzlichen<br />
ferroelektrischen Nanometerschicht als<br />
nichtflüchtiges Speicherelement, dessen<br />
elektrische Eigenschaften durch ein Magnetfeld<br />
verändert werden.<br />
Spintronik: In konventionellen elektronischen<br />
Speicherchips (DRAM oder SRAM)<br />
dient die Ladung der Elektronen als Datenträger.<br />
Die Spintroniktechnologie nutzt den<br />
Spin von Atomen und Elektronen zur Informationsspeicherung.<br />
Der Spin kann als<br />
inneres Drehmoment des Partikels beschrieben<br />
werden und lässt sich durch Magnetfel-<br />
der beeinflussen. Giant Magneto-Resistance<br />
(GMR) ist die fortschrittlichste Technologie<br />
dieser Gruppe und wird bereits in Sensoren<br />
und hoch empfindlichen Leseköpfen von<br />
Festplatten und magnetischen RAM-Speichern<br />
(MRAM) eingesetzt.<br />
PRAM (Phasenwechselspeicher): Die<br />
Datenspeicherung erfolgt auf Materialien,<br />
die ihre Phase von kristallin zu amorph und<br />
damit die elektrische Leitfähigkeit ändern,<br />
sodass sie als elektronische Speicher genutzt<br />
werden können. Energy Conversion<br />
Devices ist im Besitz des einzigen Patents<br />
für diese Technologie, und Samsung Electronics<br />
als Lizenznehmer hat im letzten Monat<br />
mit der Massenproduktion begonnen. Dieser<br />
PRAM kann Daten neu beschreiben, ohne<br />
dass frühere Daten gelöscht werden, und ist<br />
30-mal schneller beziehungsweise 10-mal<br />
langlebiger als ein Flash-Speicher. Ausserdem<br />
reduziert sich der Stromverbrauch, da<br />
das Umwandlungsvolumen dank UV-Nanoimprintlithografie<br />
im Bereich von unter<br />
100 nm liegt.<br />
Die hochinnovative Forschung von heute<br />
führt laufend zu neuen nanoverstärkten Speichertechnologien.<br />
Die erste 40-nm-Prozesstechnologie auf<br />
DRAM-Basis von Samsung Electronics sollte<br />
die Entwicklungszeit um 50 Prozent auf ein<br />
Jahr verkürzen, das Produktionsvolumen um<br />
60 Prozent steigern und Energieeinsparungen<br />
von 30 Prozent ermöglichen.<br />
Der 32-Gigabit-NAND-Flash-Speicherchip<br />
von Toshiba basiert auf einer neuen,<br />
fortschrittlichen 32-nm-Flash-Speichertechnologie.<br />
Starkes Wachstum erwartet<br />
Zu den grössten Produzenten dieser Schlüsselspeichertechnologien<br />
gehören Ramtron<br />
(FRAM), Sony, Infineon, Toshiba und Fujitsu<br />
(FRAM und Spintronik), IBM und NVE Corp.<br />
(Spintronik) sowie Samsung (für alle drei<br />
genannten Technologien). Angesichts dieser<br />
beschleunigten Entwicklung von nanogestützten<br />
Speicherprozesstechnologien und<br />
neuen Speichermedien ist bis 2012 mit einem<br />
Umsatzwachstum von über 40 Prozent<br />
(CAGR über drei Jahre) auf sieben Milliarden<br />
US-Dollar zu rechnen.<br />
Die Credit Suisse rät deshalb zu einem<br />
selektiven Aktienengagement in Firmen, die<br />
auf diesem Gebiet aktiv sind. Anlegern, die<br />
an einer Position in nanoverstärkten Produkten<br />
im weiteren Sinne interessiert sind, empfehlen<br />
wir, in ein breit diversifiziertes Nanotechnologie-Portfolio<br />
zu investieren. <<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
58 Wirtschaft Mexiko<br />
«Made in USA» – bei der mexikanischen Grenzstadt Tijuana<br />
sind teilweise direkt hinter dem gut gesicherten Grenzzaun<br />
auf US-Boden Firmen angesiedelt, welche die in Mexiko<br />
fabrizierten Einzelteile zusammenbauen.<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Mexiko Wirtschaft 59<br />
Mexiko: Im Sog<br />
des mächtigen<br />
Nachbarn<br />
Der mexikanische Diktator Porfirio Díaz (1830 –1915) sagte einst: «Pobre México,<br />
tan lejos de Dios y tan cerca de los Estados Unidos» – zu Deutsch: armes Mexiko,<br />
so weitweg von Gott und so nahe an den USA. Die geografische Nähe zu den<br />
USA hat nicht nur die Geschichte von Mexiko geprägt, sie wird auch die zukünftige<br />
Entwicklung der mexikanischen Wirtschaft mitbestimmen.<br />
Text: Pascal Rohner, Equity Research, Zürich<br />
Foto: Thomas Eugster<br />
Die starke Verflechtung mit den USA ist<br />
wahrscheinlich die wichtigste Eigenschaft der<br />
mexikanischen Wirtschaft. Seit der Integration<br />
von Mexiko in das Nordamerikanische<br />
Freihandelsabkommen (NAFTA) im Jahr<br />
1994 haben sich die mexikanischen Exporte<br />
in die USA auf jährlich mehr als 200 Milliarden<br />
US-Dollar vervierfacht. Viele amerikanische<br />
und multinationale Unternehmen wie Ford,<br />
General Motors, ehemals DaimlerChrysler,<br />
Siemens, Philips oder Toshiba haben Teile<br />
ihrer Produktion in mexikanische Grenzstädte<br />
wie Ciudad Juáres, Tijuana und Mexicali<br />
ausgegliedert. Die so genannten Maquiladoras<br />
setzen direkt an der US-Grenze Einzelteile<br />
oder Halbfertigwaren zu Dreivierteloder<br />
Fertigwaren exklusiv für den Export in<br />
die USA zusammen. Mittlerweile sind rund<br />
80 Prozent der mexikanischen Exporte für<br />
den US-Markt bestimmt, und die Exporte in<br />
die USA machen circa 20 Prozent des mexikanischen<br />
Bruttoinlandprodukts aus.<br />
Neben den Rohölexporten stellen Konsumelektronik<br />
und Autoteile die wichtigsten<br />
Kategorien dar. Ausser den Exporten gibt es<br />
aber noch weitere Verknüpfungen zwischen<br />
den beiden Nachbarländern. So stammen<br />
Direktinvestitionen aus den USA. Diese Kapitalströme<br />
korrelieren sehr stark mit dem<br />
Gewinnwachstum von US-Unternehmen.<br />
Mexiko profitierte folglich lange Zeit vom<br />
boomenden Konsum und von steigenden<br />
Unternehmensgewinnen in den USA. Es ist<br />
aber auch nicht verwunderlich, dass die seit<br />
Jahrzehnten grösste US-Rezession die mexikanische<br />
Wirtschaft hart getroffen hat. Die<br />
Krise in der Automobilindustrie und das<br />
schwierige Konsumumfeld in den USA führten<br />
zu rückläufigen mexikanischen Exporten.<br />
Die mageren Gewinne der US-Unternehmen<br />
und die gekürzten Investitionsprogramme<br />
dürften zu einer Halbierung der ausländischen<br />
Direktinvestitionen im Jahr 20<strong>09</strong> im<br />
Vergleich zum Vorjahr führen.<br />
Versiegender Geldfluss für die Familien<br />
Rezession in Mexiko die logische Folge. Das<br />
Bruttoinlandprodukt fiel im 1. Quartal im<br />
Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozent. Für die<br />
Mexikaner ist es nur ein geringer Trost, dass<br />
sie dieses Mal die Krise nicht selbst verschuldet<br />
haben.<br />
Auch für den Ausbruch der Schweinegrippe<br />
Ende April können die Mexikaner kaum<br />
verantwortlich gemacht werden. Im Gegenteil,<br />
die mexikanischen Behörden haben offenbar<br />
sehr rasch und verantwortungsvoll gehandelt,<br />
um die Ausbreitung des H1N1-Virus einzudämmen.<br />
Viele Schulen, Bars, Diskotheken und<br />
Einkaufszentren blieben mehrere Wochen geschlossen.<br />
Selbst Fussballspiele fanden vor<br />
leeren Rängen statt. Den grössten Schaden<br />
trug aber die mexikanische Tourismusbranche<br />
davon. Die Einnahmen aus dem Tourismus<br />
waren im Jahr 2008 mit mehr als 13 Milliarden<br />
US-Dollar (circa 1,5 Prozent des BIP)<br />
die drittwichtigste Deviseneinnahmequelle.<br />
Nach dem Ausbruch der Schweinegrippe<br />
und der Verängstigung vieler Touristen strichen<br />
viele Reiseunternehmen ihre Angebote<br />
nach Mexiko, teilweise bis Ende 20<strong>09</strong>.<br />
Die grossen Kreuzfahrtschiffe mieden die<br />
mexikanischen Häfen wie Acapulco, Cancún,<br />
Auch die Überweisungen der in den USA lebenden<br />
Mexikaner zur Unterstützung ihrer<br />
Familien haben unter der US-Rezession gelitten.<br />
Im Jahr 2008 stellten diese Zahlungen<br />
mit 25 Milliarden US-Dollar nach den Ölexporten<br />
die wichtigste Deviseneinnahmequelle<br />
dar. Von Oktober 2008 bis Januar 20<strong>09</strong><br />
fielen die monatlichen Zahlungen um 40 Pro-<br />
zum Beispiel 50 Prozent der ausländischen zent. Aus all diesen Gründen war eine heftige Los Cabos und Puerto Vallarta. Gemäss<br />
><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
60 Wirtschaft Mexiko<br />
dem Dachverband der Nationalen Handels-,<br />
Dienstleistungs- und Tourismuskammern<br />
(Confederación de Cámaras Nacionales de<br />
Comercio, Servicios y Turismo) sank die Hotelauslastung<br />
landesweit auf etwa 10 Prozent<br />
Mitte Mai und Anfang Juni. Der Flughafen<br />
in Cancún verzeichnete im Mai einen Rückgang<br />
von 63 Prozent bei internationalen Passagieren.<br />
Auch im Juni (minus 38 Prozent)<br />
und Juli (minus 25 Prozent) besuchten deutlich<br />
weniger Touristen die mexikanische Küstenstadt<br />
an der Riviera Maya. Die Lage hat<br />
sich in der Zwischenzeit etwas verbessert,<br />
aber von einer Normalisierung kann noch<br />
nicht die Rede sein. Das Sekretariat für Tourismus<br />
in Mexiko erwartet einen Rückgang<br />
der ausländischen Tourismuseinnahmen von<br />
über 40 Prozent für das ganze Jahr 20<strong>09</strong>.<br />
Erinnerungen an die «Tequila-Krise»<br />
Nach der Belastung der US-Rezession führte<br />
die Schweinegrippe zu einer zusätzlichen<br />
Verschlimmerung der wirtschaftlichen Situation<br />
im 2. Quartal. Das Bruttoinlandprodukt<br />
fiel 10,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.<br />
Die mexikanische Zentralbank gab am<br />
29. Juli bekannt, dass sie für 20<strong>09</strong> von einer<br />
Kontraktion des BIP um zwischen 6,5 und<br />
7,5 Prozent ausgeht. Im April wurde noch ein<br />
Rückgang von nur 4,8 Prozent erwartet. Damit<br />
dürfte die Korrektur noch stärker ausfallen<br />
als während der letzten Rezession im<br />
Jahr 1995, als das BIP gegenüber dem Vorjahr<br />
um «nur » 6,2 Prozent sank. Die so<br />
genannte Tequila-Krise begann im Dezember<br />
1994, als die mexikanische Regierung nicht<br />
mehr in der Lage war, den fixierten Pesokurs<br />
gegenüber dem US-Dollar zu halten. Dies<br />
führte zu einer Vertrauenskrise und schliesslich<br />
zu einem massiven Abzug ausländischen<br />
Kapitals, was innerhalb weniger Tage in eine<br />
Währungsabwertung von bis zu 50 Prozent<br />
mündete. Das fehlende Kapital, die rasant<br />
ansteigenden Kreditkosten und ein Anstieg<br />
der Inflation auf über 50 Prozent machten<br />
schliesslich die Währungskrise zu einer allgemeinen<br />
Wirtschaftskrise. Die mexikanischen<br />
Banken hatten sich vorwiegend auf den<br />
liberalisierten Märkten in den USA verschuldet.<br />
Die Entwertung des Pesos löste einen<br />
drastischen Anstieg der Kreditkosten aus.<br />
Viele mexikanische Banken standen vor dem<br />
Bankrott und wurden schliesslich überwiegend<br />
von ausländischen Banken übernommen.<br />
Mexikanische Unternehmen mussten<br />
sich nach der Krise bei ausländischen Geldgebern<br />
verschulden, und der Staatshaushalt<br />
wurde durch die hochverzinslichen Staatspapiere<br />
bei den mittlerweile ausländischen<br />
Banken stark belastet.<br />
Seit der Tequila-Krise hat sich Mexikos<br />
makroökonomische Situation allerdings stark<br />
verbessert. Die Nettofremdverschuldung im<br />
Verhältnis zum BIP konnte von fast 50 Prozent<br />
im Jahr 1995 auf acht Prozent im Jahr<br />
2008 reduziert werden. Einerseits wurden<br />
die Staatsschulden reduziert und andererseits<br />
US-Dollar-Kredite durch Kredite in<br />
mexikanischen Pesos ersetzt. So sank allein<br />
in den letzten fünf Jahren der Anteil der<br />
Staatsschulden in US-Dollar von 95 Prozent<br />
auf 63 Prozent per Ende 2008. Mexiko hat<br />
über die letzten Jahre auch Währungsreserven<br />
von über 70 Milliarden US-Dollar aufgebaut.<br />
Zusätzlich sorgte eine Swap-Vereinbarung<br />
mit der US-Notenbank über 30 Milliarden<br />
US-Dollar und eine flexible Kreditlinie<br />
über 47 Milliarden US-Dollar mit dem Internationalen<br />
Währungsfonds (IWF) für eine<br />
erhöhte Währungsstabilität, was die Gefahr<br />
einer stärkeren Abwertung des Pesos verminderte.<br />
Da sich die IWF-Kreditlinie an<br />
Länder mit soliden gesamtwirtschaftlichen<br />
Fundamentaldaten richtet, sendete sie Anlegern<br />
ein positives Signal über die wirtschaftliche<br />
Verfassung. Der stellvertretende<br />
geschäftsführende Direktor des IWF, John<br />
Lipsky, sagte im April, dass die mexikanischen<br />
Behörden in der Vergangenheit sehr gut auf<br />
politische Implikationen geachtet haben und<br />
dass Mexiko ein hervorragender Kandidat für<br />
die neue flexible Kreditlinie sei. Auch mexikanische<br />
Unternehmen haben ihren Anteil<br />
an Dollarschulden reduziert und durch lokale<br />
Kredite ersetzt. Dies bedeutet, dass<br />
Mexiko weit weniger von externen Kapitalflüssen<br />
abhängig ist. Dadurch löste die leichte,<br />
temporäre Abwertung des mexikanischen<br />
Pesos keine negative Kettenreaktion mehr<br />
aus, und die Inflation blieb unter Kontrolle.<br />
Die Teuerung hat sich sogar weiter gemässigt.<br />
Sie fiel von 6,5 Prozent im Dezember<br />
2008 auf 5,4 Prozent im Juli 20<strong>09</strong> und dürfte<br />
sich in den nächsten Monaten weiter abschwächen.<br />
Gerade die moderate Inflation<br />
macht die jetzige Situation für Mexikaner viel<br />
erträglicher, vor allem im Vergleich zu 1995<br />
und früheren Währungskrisen.<br />
Krise vergleichsweise gut überstehen<br />
Die gewonnene makroökonomische Stabilität<br />
und die erwartete Erholung der Weltwirtschaft,<br />
und damit der mexikanischen Exporte,<br />
deuten darauf hin, dass Mexiko die<br />
Krise relativ unbeschadet überstehen dürfte.<br />
Für 2010 erwarten wir wieder ein BIP-Wachs-<br />
1 Nettofremdverschuldung<br />
Seit der Tequila-Krise 1994 sank die<br />
Nettofremdverschuldung kontinuierlich von<br />
fast 50 auf acht Prozent. Quelle: Datastream, CS<br />
Nettofremdverschuldung (% des BIP)<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Mexiko<br />
Brasilien<br />
Venezuela<br />
95 96 97 98 99 00 01 02 03 <strong>04</strong> 05 06 07 08<br />
2 Sinkende Ölproduktion<br />
Die Ölproduktion in Mexiko sinkt seit<br />
Jahren und erreicht 2008 ein 13-Jahres-Tief.<br />
Quelle: CS, US Dep. of Energy, Datastream<br />
Mio. Barrel/Tag<br />
3.5<br />
3<br />
2.5<br />
2<br />
1.5<br />
1<br />
6 %<br />
6 %<br />
8 %<br />
Exportmärkte<br />
01 02 03 <strong>04</strong> 05 06 07 08<br />
3 USA als dominanter Exportmarkt<br />
Rund 80 Prozent der mexikanischen<br />
Exporte sind für den US-Markt bestimmt.<br />
Quelle: Banco de México, Credit Suisse<br />
80 %<br />
USA<br />
Lateinamerika<br />
Europa<br />
Andere<br />
9 %<br />
16 %<br />
25 %<br />
US-Exportstruktur<br />
Andere<br />
Autoindustrie<br />
Rohöl<br />
Fernseher<br />
50 %<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Mexiko Wirtschaft 61<br />
tum von vier Prozent. Allerdings scheint die<br />
Erholung auf wackligen Füssen zu stehen.<br />
Die verbesserte Situation der Staatsfinanzen<br />
wurde nicht zuletzt aufgrund der steigenden<br />
Ölexporte realisiert. Mexikos Staatsfinanzen<br />
sind auch in Zukunft stark von den Ölexporten<br />
abhängig. Mexiko ist der siebtgrösste Ölförderer<br />
weltweit. Ölexporte machen zwar<br />
«nur » fünf Prozent des BIP aus, was im Vergleich<br />
zu anderen ölexportierenden Ländern<br />
moderat scheint. Die starke Besteuerung<br />
der staatlichen Ölgesellschaft Pemex bedeutet<br />
aber, dass Öleinnahmen mittlerweile fast<br />
50 Prozent der totalen Staatseinnahmen<br />
ausmachen.<br />
Schwindende Ölreserven<br />
Fotos: Thomas Eugster<br />
Das Hauptproblem ist, dass Mexikos ausgewiesene<br />
Ölreserven langsam ausgehen.<br />
Cantarell, eines der grössten je gefundenen<br />
Erdölfelder der Welt, wird wahrscheinlich in<br />
wenigen Jahren leer gefördert sein. Die Ölproduktion<br />
in Mexiko sinkt momentan jährlich<br />
um etwa zehn Prozent und erreichte 2008<br />
ein neues 13-Jahres-Tief. Der staatlichen<br />
Ölgesellschaft Pemex fehlten in den letzten<br />
Jahren die finanziellen Mittel, um genügend<br />
stark in neue Explorationsprojekte zu investieren.<br />
Ausländischen Ölfirmen bleibt der<br />
Zugang zu Mexikos Ölreserven versperrt.<br />
Dabei verfügt Mexiko über ein erhebliches<br />
Reservepotenzial. Vor allem das Onshore-<br />
Feld Chicontepec und Tiefseevorkommen im<br />
Golf von Mexiko haben ein grosses Potenzial.<br />
Die Exploration ist jedoch wirtschaftlich und<br />
technisch schwierig. Die seit langem erwartete<br />
und Ende 2008 verabschiedete Energiereform<br />
ermöglicht eine flexiblere Auftragsvergabe<br />
und eine grössere Flexibilität<br />
bei der Anlage überschüssiger Erträge von<br />
Pemex. Das mit der Exploration und Erschliessung<br />
neuer Ölfelder verbundene Risiko und<br />
die damit zusammenhängenden Kosten werden<br />
jedoch weiterhin von Pemex getragen,<br />
und eine direkte Beteiligung des privaten<br />
Sektors an der Ölförderung bleibt verboten.<br />
Der Umfang einer privaten Beteiligung bleibt<br />
begrenzt, und es ist höchst unsicher, ob<br />
Mexiko den Rückgang der Ölförderung in<br />
den nächsten Jahren stoppen kann.<br />
Umfassende Steuerreform nötig<br />
Die Steuereinnahmen ausserhalb des Ölsektors<br />
betragen in Mexiko nur gerade neun<br />
Prozent des Bruttoinlandprodukts. Dies ist<br />
der tiefste Wert aller OECD-Länder und liegt<br />
auch deutlich unter dem lateinamerikanischen<br />
Durchschnitt von 15 Prozent. Präsident<br />
Felipe Calderóns Bestrebungen für eine<br />
umfangreiche Steuerreform sind bis jetzt an<br />
der politischen Durchsetzbarkeit gescheitert.<br />
Es bleibt unsicher, ob sich der politische Reformwille<br />
in naher Zukunft wesentlich verbessern<br />
wird. Bei den Parlamentswahlen<br />
Anfang Juli gehörte Calderóns Regierungspartei,<br />
die konservative Partei der Nationalen<br />
Aktion (PAN), zu den grossen Verlierern. Im<br />
Gegenzug ging die grösste Oppositionspartei,<br />
die Partei der institutionalisierten Revolution<br />
(PRI), als Wahlsiegerin hervor. Im Hinblick auf<br />
die nächsten Präsidentschaftswahlen 2012<br />
ist es daher eher unwahrscheinlich, dass die<br />
PRI auch unpopuläre Entscheidungen mittragen<br />
wird, die für eine umfassende Steuerreform<br />
notwendig wären. Ironischerweise<br />
Bild oben Tausende von Trucks<br />
mit Exportgütern passieren<br />
täglich bei Tijuana die Grenze<br />
zu den USA. Bild links Um den<br />
Strom von illegalen Einwanderern<br />
in den Griff zu bekommen,<br />
haben die USA in den vergangenen<br />
Jahren die Mauern und<br />
Zäune an der Grenze zu Mexiko<br />
massiv verstärkt.<br />
könnten genau die wieder angestiegenen Ölpreise<br />
vom Problem ablenken und die notwendigen<br />
Öl- und Energiereformen hinauszögern.<br />
Fazit: Mexiko dürfte aufgrund der gewonnenen<br />
makroökonomischen Stabilität die<br />
schwerste Rezession seit Jahrzehnten relativ<br />
gut überstehen. Die grösste Herausforderung<br />
besteht nun darin, die Abhängigkeit des<br />
Staatshaushaltes vom Öl zu reduzieren und<br />
mehr Anreize für Investitionen im Ölsektor zu<br />
schaffen. Können die notwendigen strukturellen<br />
Reformen durchgesetzt werden,<br />
dürfte sich das Wachstumspotenzial des<br />
Landes verbessern und vor allem der Binnenmarkt<br />
gestärkt werden. Dies würde auch<br />
die grosse Abhängigkeit von der US-Wirtschaft<br />
reduzieren. <<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
62 Wirtschaft Neue Brands<br />
Starke<br />
Marken aus<br />
Emerging<br />
Markets<br />
Japan hat gezeigt, dass sich mit erfolgreichen nationalen Marken auch der globale<br />
Markt erobern lässt. Mit dem Aufstieg der Emerging-Market-Konsumenten erstarkt<br />
derzeit eine Flut von neuen Marken, die auch im Westen Erfolg haben dürften.<br />
Text: Roger Signer, Thematic Research, Zürich<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Neue Brands Wirtschaft 63<br />
In den heutigen Märkten des Überflusses<br />
und des überwältigenden Angebots spielen<br />
Marken eine entscheidende Rolle, da sie für<br />
den Konsumenten ein massgebliches Indiz<br />
für eine bestimmte Qualität geben und damit<br />
den Suchaufwand reduzieren können. Ausserdem<br />
ermöglichen sie den Konsumenten,<br />
etwas über ihre Persönlichkeit auszusagen,<br />
was in der heutigen Gesellschaft wohl zu den<br />
wichtigsten Funktionen einer Marke gehört.<br />
Als Gegenleistung können Marken von den<br />
Kunden einen beträchtlichen Aufpreis verlangen.<br />
Marken sind folglich bedeutende<br />
Aktivposten eines Unternehmens und oftmals<br />
das Ergebnis eines langjährigen Entwicklungsprozesses;<br />
dies gilt beispielsweise<br />
für die Markennamen amerikanischer, europäischer<br />
und japanischer Unternehmen wie<br />
Coca-Cola, Daimler oder Sony.<br />
Mit dem Trend zu einer multipolaren Welt<br />
und dem Aufstieg des Emerging-Market-<br />
Konsumenten erleben wir heute das Entstehen<br />
neuer Marken, deren Ursprung in den<br />
Schwellenmärkten liegt. Das Research der<br />
Credit Suisse unterscheidet sie nach folgenden<br />
zwei Modellen:<br />
Das Binnenmarktmodell: Ein starker<br />
Binnenmarkt, der oft vor ausländischer Konkurrenz<br />
geschützt wird – etwa durch hohe<br />
Importsteuern –, fördert lokale Marken. Weil<br />
das Wirtschaftswachstum zu höheren Löhnen<br />
und dadurch zu steigendem Binnenkonsum<br />
führt, profitieren einzelne lokale Unternehmen<br />
von der Binnenentwicklung, realisieren<br />
Skaleneffekte und erreichen dank<br />
Exklusivität und wettbewerbsfähigen Preisen<br />
eine hohe Markenwiedererkennung. Dies<br />
war etwa in den USA zwischen dem Bürgerkrieg<br />
und dem Zweiten Weltkrieg zu beobachten,<br />
als die amerikanische Industrie, die<br />
noch in den Kinderschuhen steckte, vor der<br />
ausländischen Konkurrenz geschützt wurde.<br />
In Europa geschah dasselbe in den 1950erund<br />
1960er-Jahren. Unternehmen, die von<br />
einem wachsenden Binnenmarkt profitieren,<br />
sind oftmals «Spiegelunternehmen» von ähnlichen<br />
Firmen in grösseren oder höher entwickelten<br />
Ländern, in denen der Schwerpunkt<br />
auf steigenden Ausgaben für Basiskonsumgüter,<br />
Konsumartikel usw. liegt und<br />
die weiterhin von einer niedrigen Kostenbasis<br />
profitieren.<br />
Das Exportmodell: Unternehmen mit unzureichenden<br />
Binnenmärkten spezialisieren<br />
sich auf besondere Nischen und exportieren<br />
hauptsächlich Produkte mit Mehrwert. Sie<br />
geniessen oftmals staatliche Unterstützung<br />
und gelten deshalb als «Export Champions».<br />
Dies war in europäischen Ländern wie<br />
Schweden, Dänemark, der Schweiz oder den<br />
Niederlanden der Fall, wo die Binnenmärkte<br />
zwar limitiert waren, aber die Unternehmen<br />
über Wettbewerbsvorteile bezüglich Ressourcen,<br />
qualifizierter Arbeitskräfte, Forschung<br />
oder Management verfügten. Dieses<br />
Modell wurde in den letzten Jahrzehnten<br />
auch von Ländern wie Singapur, Korea oder<br />
Taiwan übernommen, die zudem häufig von<br />
einer niedrigeren Kostenbasis profitierten.<br />
Das japanische Modell dient als Vorbild<br />
Die derzeitige Entwicklung in den Schwellenmärkten<br />
lässt sich mit dem Geschehen in<br />
Japan vor einigen Jahrzehnten vergleichen:<br />
Japan begann sein dynamisches Wirtschaftswachstum<br />
in den 1960er-Jahren. In den<br />
1950er-Jahren nutzten amerikanische und<br />
europäische Unternehmen Japans niedrige<br />
Herstellungskosten, um ihre eigenen Vertriebsketten<br />
zu versorgen. In den 1960er-<br />
Jahren drehten japanische Unternehmen<br />
den Spiess um und begannen eigene Marken<br />
und Vertriebssysteme aufzubauen. Sie entwickelten<br />
innovative Produkte und Produktionsprozesse<br />
derart schnell, dass sie ab Mitte<br />
der 1970er-Jahre amerikanische und europäische<br />
Unternehmen vom Automobil- bis<br />
zum Konsumelektronikbereich dominierten;<br />
die Marken von anerkannten Export Champions<br />
wie Toyota und Sony sowie den Spiegelunternehmen<br />
wie Nomura wurden aus<br />
dem Nichts zu Weltmarktführern. Während<br />
1953 nur 1,5 Prozent der weltweiten Exporte<br />
auf Japan entfielen, waren es 1978 bereits<br />
7,5 Prozent.<br />
Mit Blick in die Zukunft ist festzustellen,<br />
dass sich viele einheimische EM-Marken<br />
schnell entwickeln, aber es wird sich erst<br />
allmählich zeigen, welche von diesen in die<br />
Fussstapfen erfolgreicher Unternehmen wie<br />
Sony, Toyota oder Nomura treten können.<br />
Zahlreiche Firmen besitzen das Potenzial, zu<br />
neuen globalen Markenführern aufzusteigen.<br />
Die Finanzkrise hat die Karten neu gemischt,<br />
sodass das Rennen um die Entwicklung erfolgreicher<br />
neuer Marken von jenen Unternehmen<br />
entschieden werden dürfte, die sich<br />
der neuen Realität anzupassen wissen.<br />
Breite Mittelschicht als Wachstumsmotor<br />
Die Finanzkrise hat bei den Konsumenten in<br />
den Industrieländern deutliche Spuren hinterlassen:<br />
Geringe Ersparnisse und Lohndruck<br />
erschweren es westlichen Haushalten,<br />
kreditfinanzierte Ermessensausgaben durch<br />
Barbezahlung zu ersetzen. Deshalb müssen<br />
die Konsumenten in hoch verschuldeten Ländern<br />
wie den USA ihr Haushaltsbudget bereinigen,<br />
um möglicherweise über mehrere<br />
Jahre hinweg ihre Verschuldung zu verrin- ><br />
Fotos: Eightfish, Getty Images | Stephen Wilkes, Getty Images | Michel Euler, AP, Keystone<br />
Teenager in Schanghai: Die Mittelschicht als<br />
Wachstumsmotor in den Schwellenländern.<br />
Fabrik in China: Tiefe Produktionskosten als<br />
Wettbewerbsvorteil der Emerging Markets.<br />
Konkurrenz für Nike: Die chinesische<br />
Sportartikelfirma Anta sponsert Zhen Jie.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
64 Wirtschaft Neue Brands<br />
Ölraffinerie von Petrobras in Manaus,<br />
Brasilien: Dank riesiger Reserven bald<br />
einer der Weltmarktführer.<br />
gern. Dies hat bereits ein Loch in die Konsumausgaben<br />
gerissen, darunter auch solche<br />
für Produkte von Exporteuren in Schwellenmärkten.<br />
Hingegen schlüpfen die Konsumenten in<br />
Schwellenmärkten zunehmend in die Rolle<br />
der Konsumenten in Industrieländern. Tatsächlich<br />
suchen die Schwellenländer nach<br />
einem nachhaltigen neuen Wachstumsmotor<br />
mit geringerer Exportabhängigkeit. Um der<br />
Lokalbevölkerung den Übergang vom Sparen<br />
zum Geldausgeben zu erleichtern, versuchen<br />
inzwischen mehrere Länder, die traditionelle<br />
Konsumbarriere abzubauen: Ein unzureichendes<br />
soziales Sicherheitsnetz veranlasst den<br />
Grossteil der Bevölkerung dazu, für den Fall<br />
von Arbeitslosigkeit oder Krankheit zu sparen.<br />
Ausserdem wird der Wohlstandseffekt<br />
in den Schwellenmärkten weiterhin vom<br />
robusten Wirtschaftswachstum getragen,<br />
und immer mehr Personen überschreiten die<br />
Einkommensschwelle, die Ermessensausgaben<br />
ermöglicht. Langfristig dürfte dies in den<br />
Schwellenmärkten zur Herausbildung einer<br />
breiten Mittelschicht führen. Laut Prognose<br />
der Weltbank wird die Zahl der Mittelschichtkonsumenten<br />
in den Schwellenmärkten bis<br />
2030 um 800 Millionen zunehmen.<br />
Marken müssen echten Mehrwert bieten<br />
Angriff auf den Weltmarkt: Der chinesische<br />
Autohersteller Geely an der Internationalen<br />
Automobilausstellung in Frankfurt.<br />
Angesichts dieser bedeutenden Veränderungen<br />
des wirtschaftlichen Umfelds dürften<br />
neue Marken erfolgreicher sein, wenn sie auf<br />
Konsumenten in Wachstumsmärkten abzielen.<br />
Das «Spiegelunternehmen»-Modell ist<br />
deshalb geeigneter als jenes der Export<br />
Champions für Konsumenten in den Industrieländern.<br />
Dennoch sollten Export Champions<br />
mit herausragender Innovationskraft<br />
und Produkten, die den Konsumenten echten<br />
Mehrwert bieten, weiterhin erfolgreich<br />
sein und dem Sturm der rückläufigen Verbrauchernachfrage<br />
in den westlichen Ländern<br />
trotzen. Wie die Beispiele von Toyota<br />
oder Sony – zwei Grossunternehmen, die<br />
sich mitten in der Krise der 1980er-Jahre<br />
erfolgreich entwickelten – zeigen, können<br />
entscheidende Wettbewerbsvorteile zu beträchtlichen<br />
Marktanteilsgewinnen führen.<br />
Nach der Einschätzung der Credit Suisse<br />
werden Unternehmen wie Sasol – ein südafrikanischer<br />
Energiekonzern, der über ein<br />
Patent zur Kohleverflüssigung verfügt – im<br />
Bereich der alternativen Energien weiterhin<br />
auf Erfolgskurs bleiben und die Auswirkungen<br />
einer vorübergehend schwächeren<br />
Energienachfrage verkraften.<br />
Chance für Export Champions<br />
Export Champions mit Zugang zu knappen<br />
Ressourcen verfügen ebenfalls über einen<br />
wesentlichen Wettbewerbsvorteil, um dem<br />
Sturm der rückläufigen Nachfrage in den<br />
Schwellenländer auf Überholspur<br />
Der Einzelhandelsumsatz der USA schrumpft<br />
zunehmend gegenüber jenem der BRIC-Länder<br />
(Brasilien, Russland, Indien, China).<br />
Quelle: Bloomberg<br />
% YoY, 3mma, real<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
–5%<br />
–10%<br />
07.02 07.03 07.<strong>04</strong> 07.05 07.06 07.07 07.08<br />
Einzelhandelsumsatz der BRIC-Länder, Proxy<br />
US-Einzelhandelsumsatz, real<br />
westlichen Ländern zu trotzen. Energieunternehmen<br />
wie Petrobras und Gazprom verfügen<br />
über riesige Reserven, insbesondere<br />
verglichen mit der Konkurrenz, und werden<br />
unseres Erachtens in die Liga der Weltmarktführer<br />
wie ExxonMobil und BP aufsteigen.<br />
Industries Qatar, ein Petrochemieunternehmen,<br />
gewinnt aufgrund von Katars ausgedehnten<br />
Gasreserven und staatlicher Produktionsförderung<br />
in der Flüssiggasproduktion<br />
rasch Marktanteile hinzu.<br />
Schliesslich dürften Export Champions,<br />
die ihr Augenmerk vermehrt auf Schwellenmärkte<br />
statt auf westliche Industrieländer<br />
richten, von der steigenden Nachfrage dieser<br />
Konsumentenbasis profitieren. Diese Export<br />
Champions werden voraussichtlich ähnliche<br />
Wachstumsraten wie lokale Spiegelunternehmen<br />
erzielen.<br />
Neue Marken vor dem Durchbruch<br />
Wachsende Konsumtrends in den Schwellenmärkten<br />
und Zugang zu knappen Ressourcen<br />
gehören zu den Schlüsselfaktoren, die<br />
den Aufstieg von Unternehmen aus den<br />
Schwellenmärkten zu globalen Marken fördern.<br />
Viele Unternehmen sind in den Schwellenmärkten<br />
bereits gut positioniert, aber<br />
noch einige Schritte davon entfernt, etablierte<br />
globale Marken zu werden. Anta<br />
Sports, ein chinesischer Sportbekleidungshersteller,<br />
erzielt vor allem auf dem chinesischen<br />
Markt schon heute ein kräftiges<br />
Umsatzwachstum. Über das Sponsoring von<br />
Basketball- und Tennisspielern hat Anta zudem<br />
die globale Bühne betreten. Es ist deshalb<br />
denkbar, dass Anta künftig in mehreren<br />
Industrieländern Flagship-Stores eröffnet<br />
und die Marke zu einem echten globalen<br />
Konkurrenten von etablierten Marken wie<br />
Adidas oder Nike wird. Andere neue Marken<br />
aus den Segmenten Unterhaltungselektronik<br />
oder Haushaltsgeräte verstärken ihre Präsenz<br />
in den Industrieländern ebenfalls kontinuierlich.<br />
In einer immer multipolareren Welt<br />
dürfte sich dies in den Marken niederschlagen,<br />
auf die wir uns bei unseren täglichen<br />
Einkaufs- und Geschäftsentscheidungen<br />
verlassen. <<br />
Fotos: Per-Anders Pettersson, Getty Images | Novum Fotoagentur | Volkmar Schulz, Keystone<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
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Konjunktur Global<br />
Globale Konjunkturindikatoren<br />
positiver<br />
Die globalen Konjunkturindikatoren und<br />
Daten zeigen weiterhin ein insgesamt<br />
freundlicheres Bild. Die globale Rezession<br />
ist vorbei, und in den kommenden Monaten<br />
dürfte das globale Wachstum solide<br />
ausfallen. th<br />
Unternehmensbefragungen deuten auf<br />
globale Wachstumserholung hin<br />
Quelle: Datastream, PMI Premium, IMF, Credit Suisse<br />
Veränderung gegenüber Vorjahr in %<br />
Index<br />
Handel<br />
Nach einem markanten<br />
Einbruch zu Beginn<br />
des Jahres erholt sich<br />
der Welthandel wieder.<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
–2<br />
–4<br />
60<br />
55<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
<strong>04</strong> 08<br />
98 00 02 06<br />
Globales Wirtschaftswachstum<br />
Globaler Einkaufsmanagerindex, r. S.<br />
Konjunktur Schweiz<br />
Erholung von tiefem Fall<br />
Die Stabilisierung an den Finanzmärkten hat sich fortgesetzt,<br />
und die globalen Konjunkturindikatoren bestätigen den Eintritt der Weltwirtschaft<br />
in eine Phase der Erholung.<br />
Gleichzeitig ist die Kapazitätsauslastung noch immer auf ausserordentlich<br />
tiefen Niveaus, und der Inflationsdruck bleibt dadurch gering.<br />
Die Schweizer Wirtschaft dürfte 2010<br />
wieder wachsen. Die Erholung des realen<br />
Bruttoinlandprodukts basiert auf den von<br />
tiefer Basis aus wiedererwachenden Impulsen<br />
aus den Exportmärkten und einem<br />
stützenden inländischen Konsum. cm<br />
Wachstumsbeiträge zum BIP der Schweiz<br />
in Prozentpunkten Quelle: Credit Suisse<br />
Während einzelne Zentralbanken bereits erste Schritte unternahmen,<br />
um die enorm expansive Geldpolitik in Richtung eines neutralen Niveaus<br />
zu korrigieren, bleibt der Druck für Zinserhöhungen in den<br />
meisten Wirtschaftsräumen vorläufig gering.<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
BIP, real<br />
–1<br />
Die Aktienmärkte haben sich vor dem Hintergrund der verbesserten<br />
Wirtschaftslage überdurchschnittlich entwickelt. Wir bleiben strategisch<br />
positiv, kurzfristig kann es aber zu Korrekturen kommen.<br />
–2<br />
–3<br />
–4<br />
BIP, real<br />
Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />
Aufgrund des amerikanischen Zwillingsdefizits und des tiefen Zinsniveaus<br />
scheint eine Abwertung des US-Dollars auf 12-Monats-Sicht<br />
wahrscheinlich.<br />
Die konjunkturelle Erholung und die gleichzeitig verzögerte Kapazitätsausweitung<br />
begünstigen eine positive Entwicklung an den Rohstoffmärkten.<br />
–5<br />
20<strong>09</strong> 2010<br />
Lager<br />
Staatskonsum<br />
Privatkonsum<br />
Bauinvestitionen<br />
Ausrüstungsinvestitionen<br />
Aussenhandel<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
66 Credit Suisse<br />
Übersicht<br />
Ausblick Global<br />
Nach Erreichen der Wendepunkte verzeichneten<br />
die weltweiten Konjunkturdaten<br />
in den letzten Monaten starke<br />
Anstiege. Expansive geldpolitische<br />
Rahmenbedingungen und Stimulierungspakete<br />
der Regierungen trugen<br />
zu dieser Entwicklung bei. Mittelfristig<br />
erwarten wir vor allem in den<br />
Schwellenländern eine günstige<br />
Wachstumsentwicklung, da diese ihr<br />
Wachstumspotenzial weiter ausbauen<br />
dürften. Die Aktien- und Rohstoffmärkte<br />
sollten von der Verbesserung<br />
der globalen Konjunkturaussichten<br />
auch weiterhin profitieren.<br />
Zinsen und Obligationen<br />
<strong>Struktur</strong>elle Stärke<br />
von Schwellenmärkten<br />
Wir erwarten weiterhin, dass Schwellenmärkte<br />
mittelfristig ein höheres Wachstumspotenzial<br />
aufweisen dürften als einige I n-<br />
dustrieländer. Zu den Gründen für diese<br />
Erwartung zählen leichter realisierbare Produktivitätssteigerungen<br />
und demografische<br />
Vorteile. Auch die meist geringere Verschuldung<br />
sowohl des privaten als auch des öffentlichen<br />
Sektors stellt einen strukturellen<br />
Vorteil dar. Nach einer globalen Tiefzins politik<br />
haben die ersten Notenbanken (bspw. in Australien<br />
und Israel) damit begonnen, die Zinsen<br />
zu erhöhen. Wir rechnen mit gra duellen<br />
Zinschritten der grossen Notenbanken im<br />
Jahr 2010, allerdings dürfte die globale Geldpolitik<br />
die wirtschaftliche Er holung weiterhin<br />
Aktienmarkt<br />
Wirtschaftliche Erholung<br />
stützt Aktienmärkte<br />
Die Konjunkturuhr der Credit Suisse deutet<br />
auf eine wirtschaftliche Erholungsphase hin,<br />
in der sich Aktien in der Vergangenheit überdurchschnittlich<br />
entwickelten. Die Bewer tungen<br />
sind trotz der starken Aktienmärkte noch<br />
nicht teuer und die Liquiditätsbestände von<br />
Anlegern noch immer relativ hoch. Aus diesen<br />
Gründen bleiben wir für Aktien strategisch<br />
positiv, wobei zu hohe Erwartungen<br />
zu kurzfristigen Kurskorrekturen führen<br />
könnten. Wir empfehlen, solche Korrektu ren<br />
zum Aufbau von Aktienpositionen zu nutzen,<br />
z. B. in zyklischen Sektoren (IT, Industrie),<br />
Schwellenländern oder Value-Aktien. Darüber<br />
hinaus empehlen wir weiterhin Titel aus<br />
den CS Megatrends (z. B. Alternative Energien,<br />
Wasser, Infrastruktur). rs<br />
Die Bewertungen für den MSCI World sind<br />
trotz Rally noch nicht hoch.<br />
Quelle: Datastream, IBES, Credit Suisse<br />
12 M-Forward-P/E<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
90 92 94 96 98 00 02 <strong>04</strong> 06 08<br />
MSCI World (12M-Forward-P/E)<br />
+/– 1 Standardabweichung<br />
Durchschnitt<br />
Währungen<br />
US-Dollar dürfte sich<br />
weiter abschwächen<br />
Der US-Dollar ist im Zuge der Normalisierung<br />
stark unterstützen. th<br />
der Finanzmarktbedingungen in den<br />
vergangenen Monaten weiter unter Druck<br />
dürften. et<br />
geraten. Wir sind unverändert der Auffassung,<br />
Staatsschulden im globalen Vergleich,<br />
in % der Wirtschaftsleistung (BIP).<br />
dass sich der US-Dollar auch auf 12-<br />
Quelle: IMF, Credit Suisse<br />
Monats-Sicht weiter abschwächen wird. Unsere<br />
Staatsverschuldung in % des BIP<br />
Hauptargumente für dieses Szenario<br />
Index<br />
110<br />
sind das hohe amerikanische Zwillingsdefizit<br />
450<br />
90<br />
in der Leistungsbilanz und im Staatshaushalt<br />
400<br />
70<br />
sowie das tiefe US-Zinsniveau. Zudem sind<br />
350<br />
50<br />
die Absicherungskosten von USD-Engagements<br />
300<br />
30<br />
für ausländische Investoren historisch<br />
250<br />
10<br />
betrachtet attraktiv, und wir erwarten auch,<br />
200<br />
06 07 08 <strong>09</strong> 10 14 dass ausländische Zentralbanken vermehrt<br />
einen Teil ihrer Währungsreserven aus dem<br />
Industrieländer<br />
Schwellenländer<br />
USD diversifizieren. Der EUR als alternative<br />
Reservewährung zum USD dürfte davon<br />
profitieren. mh<br />
Enge Zinsdifferenz deutet auf weitere US-Dollarabschwächung<br />
hin. Quelle: Bloomberg,Credit Suisse<br />
USD/CHF<br />
1.35<br />
1.30<br />
1.25<br />
1.20<br />
1.15<br />
1.10<br />
1.05<br />
1.00<br />
0.95<br />
0.90<br />
<strong>04</strong> 05 06 07 08 <strong>09</strong><br />
USD/CHF<br />
2-Jährige Zinsdifferenz Swap USD minus CHF (r. S.)<br />
Rohstoffe<br />
Rohstoffpreise dürften<br />
2010 deutlich steigen<br />
Rohstoffpreise haben unseres Erachtens<br />
2010 weiteres Aufwärtspotenzial<br />
Quelle: Bloomberg<br />
10.<strong>04</strong> 10.05 10.06 10.07 10.08 10.<strong>09</strong><br />
Dow Jones UBS Commodity Index<br />
Credit Suisse Commodity Benchmark (r. S.)<br />
in %<br />
3.5<br />
3.0<br />
2.5<br />
2.0<br />
1.5<br />
1.0<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
Nach der deutlichen Korrektur 2008 erholten<br />
sich die Rohstoffpreise im 1.HJ 20<strong>09</strong>.<br />
Seit Juni handeln aber die meisten Indizes<br />
innerhalb einer relativ breiten Spanne seitwärts.<br />
Die Lage an den Rohstoffmärkten verengt<br />
sich jedoch. Angebotsseitig konnten<br />
die Überschüsse an vielen Märkten durch<br />
Produktionskürzungen und verzögerte Kapazitätsausweitungen<br />
reduziert werden. Nachfrageseitig<br />
zeigt die konjunkturelle Erholung<br />
erste positive Auswirkungen, und die<br />
Bestände an den meisten Märkten haben<br />
ihren Zenit überschritten. Gleichzeitig belebt<br />
die Normalisierung an den Finanzmärkten<br />
den Handel und die Liquidität an den Rohstoffmärkten.<br />
All dies spricht dafür, dass<br />
die Roh stoffpreise 2010 weiter ansteigen<br />
Index<br />
9000<br />
8000<br />
7000<br />
6000<br />
5000<br />
4000<br />
3000<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 67<br />
Übersicht<br />
Ausblick Schweiz<br />
Aktienmarkt<br />
Defensive Ausrichtung<br />
des SMI als Nachteil<br />
Währungen<br />
EUR/CHF kann unter<br />
1.50 fallen<br />
Die Konjunkturaussichten für die<br />
Schweiz haben sich weiter verbessert,<br />
und wir erwarten für das BIP-Wachstum<br />
demnächst wieder positive Werte.<br />
Gleichzeitig blieb der Inflationsdruck<br />
vor dem Hintergrund der tiefen Kapazitätsauslastung<br />
und der Schwäche am<br />
Arbeitsmarkt gering. Entsprechend<br />
gestaltet die Schweizerische Nationalbank<br />
(SNB) die monetären Bedingungen<br />
weiterhin expansiv. Wir erwarten<br />
aber, dass die SNB ihr Ziel, eine<br />
Frankenaufwertung zum EUR zu<br />
verhindern, in der näheren Zukunft<br />
weniger rigoros umsetzen wird.<br />
Zinsen und Obligationen<br />
Monetäre Bedingungen<br />
bleiben expansiv<br />
Bei ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung im<br />
September hat die Schweizerische Nationalbank<br />
(SNB) an ihrer expansiven Strategie<br />
festgehalten. Sie liess den Zielsatz für den<br />
3 -Monats-LIBOR unverändert zwischen<br />
0% und 0.75% und bestätigte, eine Aufwertung<br />
des CHF gegenüber dem EUR weiterhin<br />
zu verhindern. Auch die Käufe von Frankenobligationen<br />
zur Senkung der Risikoprämien<br />
sollen wenn nötig weitergeführt werden. Indessen<br />
bleibt der Inflationsdruck 2010 vorraussichtlich<br />
tief, sodass wir vor Mitte nächsten<br />
Jahres nicht mit Zinserhöhungen rechnen. Die<br />
stark ausgedehnten Liquiditätsmassnahmen<br />
und die übrigen unkonventionellen Massnahmen<br />
dürften jedoch schon zu einem früheren<br />
Zeitpunkt zurückgefahren werden. fh<br />
SNB-Inflationserwartungen bleiben in der kurzen Frist<br />
tief und erhöhen sich ab 2011. Quelle: SNB, Credit Suisse<br />
Im Rahmen unserer strategisch positiven Einschätzung<br />
der Aktienmärkte erwarten wir<br />
weiterhin eine positive absolute Entwicklung<br />
des Schweizer Aktienmarktes. Aufgrund seiner<br />
defensiven Ausrichtung ist aber für den<br />
SMI eine schlechtere Wertentwicklung zu<br />
erwarten als für stärker zyklisch orientierte<br />
Indizes. Nach der starken Erholung des breiten<br />
Markets erwarten wir wachsende Performanceunterschiede<br />
auf Titelebene. rs<br />
Der SMI hat ab seinem Tief im März bis zum<br />
14. Oktober 49% zugelegt, notiert aber noch immer<br />
32% unter dem Höchststand von 2007.<br />
Quelle: Datastream<br />
Index<br />
10 000<br />
9000<br />
8000<br />
7000<br />
6000<br />
5000<br />
4000<br />
3000<br />
<strong>04</strong>.05 10.06 <strong>04</strong>.08 10.<strong>09</strong><br />
SMI<br />
MSCI World (adjustiert)<br />
1.70<br />
1.65<br />
1.60<br />
1.55<br />
1.50<br />
1.45<br />
1.40<br />
Top-Thema<br />
Steigende Arbeitslosigkeit<br />
Arbeitslosenquote in %, saisonbereinigt Quelle: Seco, Credit Suisse<br />
Die enge Zinsdifferenz, der Schweizer Leistungsbilanzüberschuss,<br />
die ausstehenden<br />
Frankenkredite in Osteuropa sowie die Unterbewertung<br />
des CHF sprechen für einen<br />
stärkeren Franken zum EUR. Im Zuge der<br />
wirtschaftlichen Erholung dürfte die SNB<br />
zuversichtlicher werden, von ihren Devisenmarktinterventionen<br />
Abstand nehmen und<br />
die Leitzinsen erhöhen. Wir erwarten deshalb,<br />
dass EUR/CHF auf 12-Monats-Sicht<br />
unter 1.50 in Richtung 1.48 fallen wird. mh<br />
Zinsdifferenz zwischen EUR und CHF dürfte<br />
eng bleiben und deutet auf stärkeren CHF gegenüber<br />
dem EUR hin. Quelle: Bloomberg, CS<br />
%<br />
01.<strong>04</strong> 01.05 01.06 01.07 01.08 01.<strong>09</strong><br />
EUR /CHF<br />
Carry (3M-Zinsdifferenz, risikobereinigt) r. S.<br />
Die Erholung der Schweizer Wirtschaft ist vorerst noch zu schwach, um eine weitere<br />
Zunahme der Arbeitslosigkeit verhindern zu können. Wir erwarten deshalb, dass der<br />
Anstieg der Arbeitslosenquote bis Mitte 2010 schrittweise weitergehen und im Jahresdurchschnitt<br />
5.2% betragen wird. Dies ist der höchste Stand seit 1997. Damals war<br />
allerdings die Arbeitslosenquote ab 1990 von einem tiefen Niveau aus (0.5%) für<br />
damalige Schweizer Verhältnisse ungewöhnlich stark angestiegen. Heute ist der Anstieg<br />
der Arbeitslosigkeit zwar ebenfalls rezessionsgetrieben, das höhere Niveau ist indes auch<br />
durch die gestiegene Sockelarbeitslosigkeit bedingt. cm<br />
%<br />
0.70<br />
0.60<br />
0.50<br />
0.40<br />
0.30<br />
0.20<br />
0.10<br />
0<br />
%<br />
2.5<br />
2.0<br />
1.5<br />
1.0<br />
0.5<br />
0.0<br />
–0.5<br />
12.<strong>09</strong> 06.10 12.10 06.11 12.11 06.12<br />
%<br />
6.0<br />
5.0<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0<br />
1990 1994 1998 2002 2006 2010<br />
Prognose September 20<strong>09</strong><br />
Prognose Juni 20<strong>09</strong><br />
Arbeitslosenquote<br />
Prognose Arbeitslosenquote<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
68 Credit Suisse<br />
19. Oktober 20<strong>09</strong><br />
Überblick Prognosen<br />
Aktien und Rohstoffe: Ausgewählte Indizes<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Auswahl Kurs YTD Ausblick 3M 12M Ziele<br />
S&P 500 1’<strong>09</strong>7.91 21.6 % 1’082<br />
SMI 6’436.37 16.3 % 6’400<br />
FTSE-100 5’281.54 19.1 % 5’296<br />
DJ Euro Stoxx 50 2’947.41 20.4 % 2’935<br />
Nikkei 225 10’236.51 15.5 % 11’500<br />
Gold 1’064 21.6 % 1’050<br />
WTI Erdöl<br />
Dow Jones UBS Commodity Index<br />
Devisen (Wechselkurse)<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
80<br />
274<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
87.5 % 87.5<br />
16.7 % 270<br />
Reales BIP-Wachstum in %<br />
Wichtige Information<br />
Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden<br />
von Credit Suisse per angegebenem Datum erstellt und<br />
können sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht<br />
wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder<br />
ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag<br />
von Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren<br />
oder ähnlichen Finanzinstrumenten oder zur Teilnahme an<br />
einer spezifischen Handelsstrategie in irgendeiner<br />
Rechtsordnung. Der Bericht wurde ohne Berücksichtigung<br />
der Zielsetzungen, der finanziellen Situation oder der<br />
Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der Bericht<br />
enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder<br />
hinsichtlich Investitionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er<br />
stellt auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen<br />
Umstände eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen<br />
angemessene Investition oder Strategie oder eine andere an<br />
einen bestimmten Anleger gerichtete Empfehlung dar.<br />
Verweise auf frühere Entwicklungen sind nicht unbedingt<br />
massgebend für künftige Ergebnisse.<br />
Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen,<br />
die Credit Suisse als zuverlässig erachtet. Dennoch<br />
kann keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit<br />
der Informationen geleistet werden. Credit Suisse<br />
lehnt jede Haftung für Verluste aus der Verwendung dieses<br />
Berichts ab.<br />
19.10.20<strong>09</strong><br />
3M 12M<br />
USD/CHF 1.02 0.91 – 0.95<br />
EUR/CHF 1.52 1.46 – 1.50<br />
JPY/CHF 1.12 1.03 – 1.07<br />
EUR/USD 1.49 1.58 – 1.62<br />
USD/JPY 90 86 – 90<br />
EUR/JPY 133 139 – 143<br />
EUR/GBP 0.93 0.92 – 0.96<br />
GBP/USD 1.59 1.68 – 1.72<br />
EUR/SEK 10.35 9.30 – 9.70<br />
EUR/NOK 8.34 7.80 – 8.20<br />
AUD/USD 0.91<br />
0.88 – 0.92<br />
NZD/USD 0.74 0.67 – 0.71<br />
USD/CAD 1.03 1.01 – 1.05<br />
2008 20<strong>09</strong>E 2010E<br />
CH 1.6 –2 0.6<br />
EWU 0.7 –3.7 1.7<br />
USA 1.1 –2.5 2.8<br />
GB 0.7 –4.2 1.4<br />
Japan –0.7 –4.5 1.7<br />
Kurzfristzinsen 3M-LIBOR<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
19.10.20<strong>09</strong> 3M 12M<br />
CHF 0.27 0.7–0.9<br />
EUR 0.74 1.5–1.7<br />
USD 0.28 1.2–1.4<br />
GBP 0.58 1.3–1.5<br />
JPY 0.33 0.2–0.4<br />
WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN<br />
DAVON DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN<br />
VERSANDT, DORTHIN MITGENOMMEN ODER AN US-<br />
PERSONEN ABGEGEBEN WERDEN. Örtliche Gesetze<br />
oder Vorschriften können die Verteilung von Research-<br />
Berichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken.<br />
Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank Credit Suisse<br />
verteilt, die der Zulassung und Regulierung der<br />
Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht untersteht.<br />
Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung<br />
der Credit Suisse weder ganz noch auszugsweise vervielfältigt<br />
werden. Copyright © 20<strong>09</strong> Credit Suisse Group AG<br />
und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte<br />
vorbehalten.<br />
Schweizer Wirtschaft<br />
(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)<br />
Quelle: Credit Suisse<br />
20<strong>09</strong> 2010<br />
Bruttoinlandprodukt, real –2.0 0.6<br />
Privater Konsum 0.5 0.3<br />
Öffentlicher Konsum 0.2 0.1<br />
Bauinvestitionen –0.1 –0.1<br />
Ausrüstungsinvestitionen –1.0 –0.2<br />
Importe 4.2 –1.1<br />
Exporte –3.1 1.5<br />
Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) –0.8 –1.5<br />
Arbeitslosenquote 3.8 5.2<br />
Inflation in %<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
2008 20<strong>09</strong>E 2010E<br />
CH 2.4 –0.4 1.0<br />
EWU 3.3 0.4 1.7<br />
USA 3.8 –0.7 2.2<br />
GB 3.6 1.8 2.3<br />
Japan 1.4 –1.1 –0.3<br />
Rendite 10-j. Staatsanleihen<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
19.10.20<strong>09</strong> 3M 12M<br />
CHF 2.13 2.7 – 2.9<br />
EUR 3.30 3.8 – 4<br />
USD 3.39 4.1 – 4.3<br />
GBP 3.61 4.2 – 4.4<br />
JPY 1.35 1.8 – 2<br />
Impressum Invest<br />
Herausgeber Credit Suisse, Global Research,<br />
Uetlibergstrasse 231, Postfach 300, CH-8070 Zürich<br />
Redaktion Marcus Hettinger (mh), Thomas Herrmann (th),<br />
Fabian Heller (fh), Eliane Tanner (et), Claude Maurer (cm),<br />
Roger Signer (rs)<br />
Weitere Research-Publikationen finden Sie im Internet<br />
oder auf Anfrage.<br />
E-Mail publications.research@credit-suisse.com<br />
Internet www.credit-suisse.com/research<br />
Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem Bulletin<br />
der Credit Suisse»<br />
<strong>bull</strong>etin 3/<strong>09</strong> 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Wissenswert Wirtschaft 69<br />
WBegriffe unid Bsüchersaus deer Wirtnschaftswert<br />
Führungsstruktur [ Art und Weise<br />
der Steuerung von Mitarbeitenden<br />
oder eines Unternehmens ]: Der<br />
Chef hat immer recht. Dieser Grundsatz<br />
gilt stillschweigend in jedem<br />
Unternehmen. Doch so individuell<br />
eine Firma, so spezifisch sind in der<br />
Regel deren Führungsstrukturen,<br />
hängen diese doch in einem Unternehmen<br />
von zahlreichen Faktoren<br />
ab. Etwa von der Geschichte des<br />
Unternehmens: Hat sich die<br />
Führungsstruktur historisch entwickelt<br />
? Oder sich einfach eingependelt<br />
nach dem Motto «Das<br />
haben wir schon immer so gemacht»?<br />
Auch Unternehmensgrösse und<br />
Branche haben Einfluss auf die<br />
Führungsstruktur. Und schliesslich<br />
sind die Eigentumsverhältnisse<br />
prägend: Wer viel besitzt, bestimmt,<br />
wer wie viel Macht erhält. Grundsätzlich<br />
aber wird zwischen einer<br />
Einpersonenführung – allenfalls mit<br />
Stabstellen – und einer Gremiumsführung,<br />
in der sich mehrere<br />
Manager die Führungsaufgaben<br />
teilen, unterschieden. Das Prinzip<br />
der Einpersonenführung hat zwar<br />
die Vorteile einer klaren Führungsstruktur,<br />
der hohen Flexibilität<br />
und der klaren Zuständigkeiten und<br />
Hierarchie. Andererseits hängt<br />
der Erfolg des Gesamtunternehmens<br />
von einer einzelnen Person ab,<br />
was eine starke Persönlichkeit und<br />
vielerlei Qualitäten verlangt.<br />
Die Gremiumsführung hingegen<br />
verteilt die Verantwortung auf<br />
mehrere Personen, was eine höhere<br />
Kontinuität und ausgewogenere<br />
Entscheidungen garantiert. Allerdings<br />
gestaltet sich dort die Entscheidungsfindung<br />
komplizierter.<br />
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<strong>Struktur</strong>ierte Produkte [Anlageprodukt<br />
]: Nein, das hat nichts<br />
mit Käseimitat oder Mogelschinken<br />
zu tun. Bei <strong>Struktur</strong>ierten<br />
Produkten handelt es sich<br />
um Kombinationen von zwei oder<br />
mehreren Finanzinstrumenten.<br />
Wobei der eine Basiswert eine<br />
klassische Anlage ist, beispielsweise<br />
eine Obligation, und<br />
der andere ein Derivat, und im<br />
Doppelpack ergeben sie ein neues<br />
Anlageprodukt. Dieses wird mit<br />
einem individuellen Risikoprofil als<br />
neues Wertpapier mit subjektiven<br />
Eigenschaften gehandelt. Je nach<br />
Derivatstrategie kann so für jede<br />
Markterwartung – aufwärts, seitwärts<br />
oder sinkend – und jedes<br />
Anlageprofil die passende Ergänzung<br />
gewählt werden. Indem<br />
<strong>Struktur</strong>ierte Produkte verschiedene<br />
Markterwartungen und Risikoneigungen<br />
abbilden, können sie<br />
das Verhältnis zwischen Rendite<br />
und Risiko optimieren. Deshalb<br />
eignen sich <strong>Struktur</strong>ierte Produkte<br />
vor allem für sicherheitsorientierte<br />
Anleger.<br />
Bankenstruktur [ Statistische<br />
Erfassung der Schweizer Banken ]:<br />
Italien hat schöne Frauen, Schweden<br />
hat Elche, die Schweiz hat Banken.<br />
Und zwar viele davon. Die Eidgenossenschaft<br />
verfügt über eine<br />
der höchsten Bankendichten<br />
der Welt. 2008 gab es 327 Banken<br />
und Finanzgesellschaften, davon<br />
24 Kantonalbanken, 2 Grossbanken,<br />
75 Regionalbanken und Sparkassen,<br />
1 Raiffeisenbank, 31 Filialen<br />
ausländischer Banken, 14 Privatbankiers<br />
und 180 übrige Banken.<br />
Nicht erst seit dem Zusammenbruch<br />
von Lehman Brothers und Merill<br />
Lynch weiss man hierzulande, wie<br />
wichtig dieses diversifizierte System<br />
für die Stabilität des Finanzmarktes<br />
ist. Unter anderem der vielfältigen<br />
Bankenstruktur hat es<br />
die Schweiz zu verdanken, dass<br />
sie von der Finanzkrise nicht<br />
so arg getroffen wurde wie andere<br />
europäische Länder. Doch die<br />
letzten 20 Jahre sind von einem<br />
Konzentrationsprozess geprägt, die<br />
Regionalbanken wurden marginalisiert<br />
und haben sich anzahlmässig<br />
mehr als halbiert. rh<br />
Review: Der Seestern und die Spinne<br />
Der Seestern und die Spinne:<br />
Die beständige Stärke einer kopflosen Organisation<br />
Ori Brafman und Rod A. Beckström<br />
Wiley-VCH, 2007<br />
192 Seiten<br />
ISBN: 978-3527503452<br />
Dies ist kein Buch über Zoologie, sondern eines über Organisationsstrukturen.<br />
Konkret geht es um den Gegensatz zwischen<br />
zentralen, geschlossenen und dezentralen, offenen Organisationen.<br />
Die beiden Autoren zeigen Verknüpfungen in unserer «wikifizierten»<br />
Welt auf – Wikipedia ist eines ihrer Paradebeispiele –, die kaum<br />
jemand zuvor wahrgenommen, geschweige denn zu einer Theorie<br />
komprimiert hat. Spannende und lehrreich aufbereitete Beispiele<br />
aus der weiter zurückliegenden Geschichte gehen Hand in Hand<br />
mit solchen jüngeren Datums. Wenn man unbedingt ein Haar in der<br />
Suppe finden will, könnte man sich höchstens wünschen, das Buch<br />
wäre noch etwas länger – die knapp 200 Seiten dieser enorm<br />
spannenden Lektüre sind viel zu schnell gelesen. getAbstract<br />
empfiehlt das Werk allen, die sich für organisatorisch-unternehmerische<br />
Zusammenhänge interessieren. © getAbstract<br />
Review: Business Reengineering<br />
Business Reengineering:<br />
Die Radikalkur für das Unternehmen<br />
Michael Hammer und James Champy<br />
Campus, 1996<br />
288 Seiten<br />
ISBN-13: 9783593350172<br />
Michael Hammer und James Champy, die Vordenker von Business<br />
Reengineering, zeigen in ihrem bahnbrechenden Bestseller, wie<br />
Unternehmen durch radikale Umstrukturierung Zeit und Kosten<br />
sparen können und durch schlanke, effektive Prozesse Kunden für<br />
sich gewinnen. Die Autoren verstehen ihr Buch mehr als Anregung<br />
für Unternehmen und weniger als erschöpfende Behandlung der<br />
konkreten Umsetzung von Reengineering-Massnahmen – obwohl<br />
sie auch dazu bereits Ansätze bieten. Im Buch finden sich Beispiele<br />
von Firmen, die mit Business Reengineering grosse Erfolge erzielt<br />
haben. Ausserdem liefern die Autoren Ratschläge, welche Fehler<br />
bei der Umsetzung des Konzepts unbedingt vermieden werden<br />
sollten. getAbstract empfiehlt diesen Management-Klassiker allen<br />
Führungskräften von traditionell strukturierten Unternehmen, die<br />
sich mit neuen Methoden für die Zukunft rüsten wollen. © getAbstract<br />
© getAbstract. Fünfseitige Zusammenfassungen dieser Bücher finden Sie<br />
auf www.getabstract.com.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
70 Leader Ben van Berkel<br />
«Innovativ ist man<br />
nie im Alleingang»<br />
Mit seiner unprätentiösen Auffassung von der Rolle des Architekten setzt sich<br />
Ben van Berkel vom Status des klassischen Stararchitekten ab. Dass er trotzdem einer<br />
ist, beweisen zahlreiche Projekte, die er und sein Architekturbüro UNStudio in den<br />
letzten Jahren realisiert haben. Ben van Berkel über die Vor- und Nachteile von digitalem<br />
Design, unter welchen Bedingungen innovative Architektur entsteht und wo sie<br />
uns in Zukunft hinführt.<br />
Interview: Regula Gerber<br />
<strong>bull</strong>etin: Mit welchen Gefühlen gehen Sie durch ein von Ihnen<br />
erbautes Gebäude?<br />
Ben van Berkel: Das sind sehr gemischte Gefühle. Einerseits<br />
bin ich stolz. Andererseits kann ich kaum mehr objektiv urteilen,<br />
weil ich meine Gebäude immer so kritisch betrachte: Beim<br />
Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart beispielsweise war die erste<br />
Frage, welche Menschen wohl in dieses Gebäude zurückkehren<br />
würden. Schon die zweite aber war, wo und wann ich wohl mit dem<br />
Kunden darüber sprechen könnte, was noch verbessert werden<br />
sollte. Ich denke eigentlich immer, dass ich es noch besser machen<br />
kann. Diese Haltung hat zeitweise schon den Anschein erweckt,<br />
ich wolle mich von meinen Gebäuden distanzieren, was natürlich<br />
nicht stimmt.<br />
Sie sind also mit dem Umstand versöhnt, dass Architektur<br />
vergänglich ist ?<br />
Ja, all das, was gestern gebaut wurde, spielt keine Rolle mehr<br />
für mich. Jede Ruine ermöglicht neue architektonische Bauwerke,<br />
die dann wiederum früher oder später zu Ruinen werden – auch<br />
meine. Als Grafik- und Innendesigner erlebte ich aber die Schnelllebigkeit<br />
in extremer Form, was mir auch wieder nicht gefiel: So<br />
gut meine Buch- oder Plakatdesigns auch waren, nach einem Jahr<br />
erinnerte sich niemand mehr daran. Bei architektonischen Bauwerken<br />
ist das ganz anders: Sie stehen immer im Blickpunkt der<br />
Öffentlichkeit, und jeder kann sie so oft ansehen, wie er will.<br />
Genau das macht ihren Reiz aus.<br />
Deshalb haben Sie sich schliesslich auch für die<br />
Architektur entschieden?<br />
Ja, ich lege viel Wert auf Kommunikation und den Dialog mit<br />
der Öffentlichkeit. Diese Auseinandersetzung macht mir Spass<br />
und ich bin gerne Teil davon.<br />
Sie haben erwähnt, dass Sie nicht auf direktem Weg zur<br />
Architektur gekommen sind.<br />
Obwohl mich die Baukunst schon immer interessierte, dachte ich<br />
noch mit 19 Jahren, dieses Metier sei nichts für mich. So studierte<br />
ich zunächst einmal Kunst und wechselte dann zum Innen- und<br />
Produktdesign. Ich absolvierte an der Kunsthochschule vier Jahre<br />
lang ein Abendstudium und tagsüber arbeitete ich als Designer.<br />
Ich stand immer um 8 Uhr auf, war bis 18 oder 19 Uhr im Büro<br />
und ging danach zur Kunsthochschule. Gegen 22 Uhr erledigte<br />
ich meine Hausaufgaben und war nie vor 2 oder 3 Uhr im Bett.<br />
Nach vier oder fünf Stunden Schlaf ging es dann wieder von<br />
vorne los. Nach diesem Rhythmus lebte ich vier Jahre lang. Ich<br />
war absolut begeistert von meinem Professor für Kunstgeschichte,<br />
der fast ausschliesslich Vorlesungen über Architektur hielt. Er<br />
bewegte mich dazu, mich an der Architectural Association School<br />
of Architecture in London einzuschreiben, die zu jener Zeit das<br />
Mekka der Architektur war. Das tat ich dann auch und blieb<br />
fünf Jahre lang in London. Ich habe also insgesamt neun Jahre<br />
Design und Architektur studiert und erst dann begonnen, als<br />
Architekt zu arbeiten. ><br />
Foto: Thomas Eugster<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
72 Leader Ben van Berkel<br />
Der Niederländer Ben van Berkel studierte<br />
Architektur an der Rietveld Academie in<br />
Amsterdam und an der renommierten School<br />
of Architecture in London und schloss diese<br />
1987 mit Auszeichnung ab. 1988 gründete<br />
er in Amsterdam zusammen mit der Kunsthistorikerin<br />
und Journalistin Caroline Bos ein<br />
Architekturbüro und brachte unmittelbar<br />
darauf seine ersten Projekte zur Umsetzung –<br />
noch bevor einer seiner vormaligen Lehrer<br />
in London eigene Entwürfe realisiert hatte.<br />
Das erste grosse Projekt, die Erasmus-Brücke<br />
in Rotterdam, das in die Zeit zwischen<br />
1990 und 1996 fiel, führte zur Gründung des<br />
Netzwerkes UNStudio (siehe Box Seite 74).<br />
Ben van Berkel war Gastprofessor in Princeton<br />
und hat an der Columbia-Universität,<br />
am Berlage-Institut und an der Universität<br />
von Kalifornien in Los Angeles (UCLA) doziert.<br />
Zurzeit ist er Professor und Leiter des Fachbereichs<br />
Architektur an der Städelschule in<br />
Frankfurt am Main.<br />
Wie ging es weiter ?<br />
Nachdem ich eine Weile in Zürich für Santiago Calatrava gearbeitet<br />
hatte, eröffnete ich 1987 zusammen mit der Kunsthistorikerin<br />
Caroline Bos das Büro in Amsterdam. Sie hat einen hervorragenden<br />
Schreibstil und eine ausgeprägte Kreativität. Wir arbeiten<br />
eng zusammen und entwickeln gemeinsam neue Ideen. Ausserdem<br />
war ich für Galerien und Kunstsammler tätig und übernahm<br />
einige Aufträge im Innen- und Möbeldesign. Zur selben Zeit<br />
begann die Arbeit an einem Elektrizitätswerk und an den ersten<br />
Gebäuden. Eines meiner ersten grossen Projekte war die Erasmus-Brücke<br />
in Rotterdam im Jahr 1996, das mir den Weg zu<br />
weiteren attraktiven Aufträgen ebnete, aber auch das Verständnis<br />
meiner Rolle als Architekt tiefgreifend beeinflusste.<br />
Inwiefern?<br />
Mir wurde bewusst, dass Innovation im Alleingang unmöglich ist.<br />
Gemeinsam experimentieren, sich mit Gleichgesinnten mit<br />
derselben Idee im Kopf in eine Richtung zu bewegen, führt zu<br />
den innovativeren Ergebnissen. Ich wollte mich deshalb mehr<br />
in einem Team weiterentwickeln.<br />
Hat diese Einstellung 1998 zur Gründung von<br />
UNStudio geführt ?<br />
Ja, zu einem Teil schon. Aber ich hatte schlichtweg auch den Eindruck,<br />
dass Architekten schlecht organisiert waren und zu stark in<br />
linearen Prozessen dachten. Mit UNStudio wurden wir zu einem<br />
Teil eines Netzwerkes von Spezialisten aus verschiedenen Disziplinen:<br />
Architektur, Ingenieurwesen, Design, Kommunikation. So<br />
kann jedes Projekt mit einem individuell gemischten Team verschiedenste<br />
Ansätze beleuchten und Bedürfnisse abdecken. Wir haben<br />
intensiv an einer guten Kommunikation und Organisation gearbeitet,<br />
was sich gelohnt hat. Denn dadurch haben wir nun viel mehr<br />
Zeit, um gemeinsam Inhalte zu entwickeln und uns dem Design<br />
zu widmen.<br />
Hat dieses Prinzip UNStudio so erfolgreich werden lassen?<br />
Ich vermute, dass viele Leute tatsächlich die Andersartigkeit und<br />
auch die Vielfältigkeit dieses Ansatzes mögen. Zum einen sind es<br />
die organisatorischen Aspekte der Architektur: der kluge Einsatz<br />
modernster Materialien und Konstruktionsmethoden, eine gute<br />
Logistik sowie Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz, die mich<br />
i nteressieren. Zum anderen lege ich in Bezug auf die Ästhetik,<br />
die Konzeption und das Design grossen Wert auf Interpretationsvielfalt.<br />
Das Resultat aus dieser Kombination überrascht unsere<br />
Kunden oft. Für mich persönlich ist es das grösste Kompliment,<br />
wenn sich ein Kunde positiv über unsere Projekte äussert.<br />
Sie sehen durch das Netzwerk Ihren Status als Stararchitekt<br />
nicht gefährdet ?<br />
(Lacht) Der irritiert mich mehr, als er mich freut. Zurzeit bauen<br />
wir in Korea, wo ich bei jeder passenden Gelegenheit über einen<br />
roten Teppich schreiten muss und von begeistert schreienden<br />
Menschen empfangen werde. Ich fühle mich dabei nicht sehr wohl.<br />
Im Gegenteil: Ich empfinde es eher als befreiend, wenn man sich<br />
von einem persönlichen Markendenken lossagen kann.<br />
Lassen Sie uns über die von Ihnen entwickelten Designmodelle<br />
sprechen. Welches Prinzip steckt dahinter ?<br />
Ein Designmodell dient dazu, Ideen computergesteuert zu bearbeiten<br />
und zu filtern. Ebenfalls können im Laufe dieses Filtervorgangs<br />
die wichtigsten Details des späteren Designs ausgewählt<br />
werden. Das Designmodell ist vergleichbar mit einem Fahrzeugprototyp.<br />
Aus einer vorhandenen Designidee wird ein Prototyp,<br />
Foto: Thomas Eugster<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
Ben van Berkel Leader 73<br />
und daraus entstehen wiederum fünf bis acht verschiedene Fahrzeuge.<br />
Ein Prototyp kann also viele neue Ideen hervorbringen.<br />
Sie möchten also den Entwurf aus der Arbeitsmethode des<br />
Architekten eliminieren?<br />
Ja, mit den Designmodellen schlagen wir vor, dass der Architekt,<br />
statt Projekt um Projekt zu entwerfen und von Fall zu Fall neu<br />
zu planen, die Technik einübt, mit langlebigeren Entwurfsmodellen<br />
zu arbeiten. Architekten verfügen mit den Designmodellen über<br />
ein Set von Prinzipien, das ihnen hilft, sowohl die richtigen Parameter<br />
auszuwählen und zu implementieren als auch ihrer eigenen<br />
Vision treu zu bleiben.<br />
Besteht mit den Designmodellen nicht auch die Gefahr, dass<br />
die Architektur zu einem Bausatz verkommt und eine individuelle<br />
Vision verloren geht ?<br />
Das ist ein interessanter Einwand. Da ich aber im Laufe der Jahre<br />
meine Designmodelle erweitert und weiterentwickelt habe, besteht<br />
die Gefahr kaum. Ich möchte diese Designmodelle nutzen, um<br />
mögliche Anwendungsbereiche herauszufiltern und um zu ermitteln,<br />
in welcher Phase ich beispielsweise zehn Ideen innerhalb einer<br />
Reihe von Projekten untersuchen könnte. Ich entferne mich<br />
ein wenig von dem Gedanken, dass jedes Projekt ein Meisterwerk<br />
sein muss – und nehme mir dabei ein Beispiel an Künstlern<br />
wie etwa Andy Warhol, die viel flexibler im Umgang mit neuen<br />
Techniken oder sogar Designmodellen sind. Es war sehr klug von<br />
ihm, nur das Ausgangskonzept zu entwickeln, da so möglicherweise<br />
fünf oder sechs Bilder als Meisterwerke betrachtet werden<br />
konnten. Zurzeit nehme ich Analysen unter Berücksichtigung dieser<br />
verschiedenen Ideen vor, wobei ich ebenfalls untersuche, inwiefern<br />
Designmodelle neue Erkenntnisse im Hinblick auf bestehende<br />
Experimente liefern. Ihre Frage ist also berechtigt. In der Tat können<br />
schlechte Designmodelle zu gravierenden Baufehlern führen.<br />
Welchem Credo bleiben Sie in Ihrer Arbeit treu?<br />
Ich definiere mich als Architekt weniger über die Form als über<br />
den Aufbau und die Gliederung eines Gebäudes – die Form entwickelt<br />
sich dann von ganz allein. Zweifellos ist die <strong>Struktur</strong><br />
ein wesentlicher Aspekt, bei allen meinen Arbeiten steht deshalb<br />
im Vordergrund, wie ein Gebäude errichtet wird. Das ist beispielsweise,<br />
wie ein Haus in zwei Stockwerke unterteilt oder analog<br />
einer Doppelhelix organisiert wird. Aber als noch wichtiger erachte<br />
ich, dass ich als Architekt die Menschen in einem Gebäude und<br />
in ihrer Auseinandersetzung damit zusammenbringe.<br />
Aber es ist unmöglich, allen Erwartungen und Geschmäckern<br />
zu entsprechen. Steckt hinter diesem Dialog mit der Öffentlichkeit<br />
der Versuch, die Gesellschaft zu erziehen?<br />
Meine ungewöhnliche Art der Kommunikation ist wenig didaktisch.<br />
Ich betrachte Architektur als Ausdrucksform der heutigen Gesellschaft,<br />
und ich möchte die Leute zum kritischen Nachdenken<br />
anregen. Ich mag es, wenn unsere Projekte zu verschiedenen<br />
Interpretationen führen und eine Diskussion auslösen. Nehmen wir<br />
beispielsweise das grosse orangefarbene Theatergebäude in<br />
Lelystad. Dass ich es in solch schillernden Farben plante, hat viele<br />
Fragen aufgeworfen. Aber solche Provokationen fördern oft in<br />
hohem Masse das Gemeinschaftsgefühl und stellen die Ästhetik<br />
etwas in den Hintergrund. Das fasziniert mich.<br />
A propos Ästhetik: In welchem Verhältnis sehen Sie diese<br />
zur Funktionalität ?<br />
Vor nicht allzu langer Zeit standen Funktionalität und Ästhetik<br />
noch im Gegensatz zueinander, dies hat sich inzwischen geändert.<br />
Mit der Erweiterung der Funktionalität nahm auch die technologische<br />
Komplexität von Gebäuden zu. Ich lasse gerne die Grenzen<br />
zwischen Ästhetik und Funktionalität verschwinden, damit bei<br />
der Planung eines Gebäudes beide Aspekte fliessend ineinander<br />
übergehen.<br />
Vielschichtige Anforderungen verlangen nach Kompromissen.<br />
Wie gehen Sie damit um?<br />
Ich habe es mir angewöhnt, niemals über Kompromisse nachzudenken.<br />
Sämtliche Fragen, die im Team gelöst werden müssen,<br />
sehe ich vielmehr als Chancen, unsere Konzepte zu überdenken<br />
und zu verfeinern. Ich versuche, immer den positiven Aspekt<br />
zu sehen: Wenn beispielsweise bei einem Gebäude Kosteneinsparungen<br />
erforderlich sind, stellt dies eine Herausforderung dar,<br />
noch effizienter zu arbeiten.<br />
«Ich fühle mich als Star nicht sehr<br />
wohl. Im Gegenteil: Ich betrachte<br />
es eher als befreiend, wenn<br />
man sich von einem persönlichen<br />
Markendenken lossagen kann.»<br />
Die digitale Revolution ist in den letzten Jahren rasant<br />
fortgeschritten. Welche Auswirkungen auf Ihre Arbeit hatte<br />
diese Entwicklung?<br />
Sie hat meine Arbeit stark beeinflusst. Aber ich möchte noch<br />
einmal auf meine vielleicht übertrieben wirkende Begeisterung für<br />
Computer zurückkommen. Schon in den 1990er-Jahren wies<br />
ich immer wieder auf ihre Möglichkeiten und Auswirkungen hin<br />
und sagte, dass die Entwicklung des Computers für die Architektur<br />
genauso wichtig sei wie die Erfindung des Zements – und<br />
ich sehe das noch immer so. Aber wenn ein Architekt denkt, dass<br />
Designtechniken der wichtigste Aspekt für die architektonische<br />
Gestaltung sind, irrt er. Zuallererst muss ein Architekt folgende<br />
Fragen beantworten: Welchem Zweck dienen die Techniken?<br />
Welche Gesten sollen damit beeinflusst werden? Wie werden<br />
die Techniken gesteuert ? Wie wird ihr Anwendungszweck deutlich<br />
gemacht ? Der Computer ist nur eine dieser Techniken.<br />
Er vermittelt Ideen und Konzepte, beantwortet jedoch nicht die<br />
vorgenannten Fragen.<br />
Die digitalen Möglichkeiten können also auch zu komischen<br />
Auswüchsen verleiten?<br />
Heutzutage kann man mit dem Computer selbst die verrücktesten<br />
und bizarrsten Formen entwerfen. Tatsächlich kann das gefährlich<br />
sein, denn in den computergestützten Entwurfsverfahren werden<br />
viele Prämissen, denen die Architektur unterworfen ist, nicht mehr<br />
berücksichtigt. Das führt häufig zu amorphen, rein theoretischen<br />
und nicht realisierbaren Resultaten. Mit Hilfe der Designmodelle<br />
beispielsweise lassen sich solche Auswüchse vermeiden.<br />
Wie sieht die Architektur der Zukunft aus?<br />
Weiss und sehr merkwürdig (lacht). Ich habe keine Ahnung. Aber<br />
die Architektur von morgen wird vermutlich autonomer und weniger<br />
traditionell sein. Als mir beispielsweise vor vielen Jahren ein<br />
Freund meinen ersten iPod ohne Kopfhörer schenkte, konnte ich<br />
mit dem Gerät nichts anfangen und dachte zuerst, es wäre viel- ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>
74 Leader Ben van Berkel<br />
leicht ein Telefon. Als ich die Funktion begriff, wurde mir heiss<br />
und kalt zugleich, denn ich realisierte, dass man immer noch verblüffende<br />
Ideen haben kann, auf die sonst keiner kommt. Genau<br />
das ist es, was mich so an Technologie und Innovation reizt. Ich<br />
glaube an das Neue, auch im Bereich der Architektur. Wir arbeiten<br />
gerade an einem Projekt in Abu Dhabi, über das ich noch nicht<br />
sprechen darf, aber die architektonischen Konzepte dort sind<br />
so innovativ, dass sie jeglichen Bezug zur traditionellen Architektur<br />
vermissen lassen.<br />
An welchen Projekten arbeiten Sie zurzeit sonst noch?<br />
Eines meiner Lieblingsprojekte ist eine Loft für einen Kunstsammler<br />
in New York, der in seiner Kunstgalerie wohnen wird. Dann<br />
arbeite ich an einem neuen Theater hier in den Niederlanden.<br />
Darüber hinaus darf ich nun den «Tanzpalast» in St. Petersburg<br />
planen, nachdem ich einen entsprechenden Wettbewerb gewonnen<br />
habe. Dieses Projekt ist von grosser Bedeutung, einerseits<br />
auf kultureller Ebene, andererseits, weil es eines der wichtigsten<br />
Bauvorhaben in Russland ist. Ausserdem wurden wir in China<br />
mit der Planung von zwei 250 Meter hohen Türmen beauftragt, die<br />
auf einer Baufläche von 400 Quadratmetern errichtet werden<br />
sollen. Da dieses Projekt sehr umfangreich ist, arbeiten wir mit<br />
fast 20 Leuten daran.<br />
Sie haben schon viele Auszeichnungen gewonnen. Welche<br />
war Ihnen die wichtigste?<br />
Vor drei Jahren gewann ich den so genannten Jencks-Award. Für<br />
mich hatte diese Auszeichnung einen besonderen Stellenwert,<br />
da ich Charles Jencks als Autor und Architekturhistoriker bewundere.<br />
Es freut mich, wenn die Leute meine Arbeit schätzen und<br />
dies in ihre Entscheidungen als Jurymitglieder einfliessen lassen.<br />
Gibt es irgendetwas, was Sie gerne bauen oder entwerfen<br />
würden und was Ihnen bisher verwehrt geblieben ist ?<br />
Nein, wir haben bereits alle Bereiche abgedeckt. Wir nehmen<br />
Sanierungen vor, bauen Wohnhäuser, Bürogebäude oder Brücken<br />
und erstellen Produktdesigns. Letzterem widme ich viel Zeit,<br />
beispielsweise habe ich einen Stuhl für Walter Knoll entwickelt.<br />
Mein grösster Wunsch für die Zukunft ist es, meine Arbeit ständig<br />
weiter zu verbessern. Ansonsten bin ich wunschlos glücklich.<br />
Nachdem ich vor 16 Jahren noch mit 300 Architekten im Wettbewerb<br />
gestanden habe, hat sich diese Zahl auf nunmehr 10 verringert.<br />
Worüber sollte ich also klagen? Ich bin rundum zufrieden! <<br />
UNStudio 1988 gegründet, entwickelte sich das<br />
Architekturbüro Van Berkel & Bos zehn Jahre später<br />
zu United Network for urbanism, infrastructure<br />
and architecture, UNStudio. Dieses nicht hierarchische<br />
Netzwerk war aus dem Bedürfnis nach<br />
flexibleren, strukturierteren Designprozessen und<br />
maximalem kreativem Austausch heraus entstanden.<br />
Seither hat UNStudio Projekte in sämtlichen Bereichen<br />
der Architektur realisiert – von Wohnhäusern<br />
über Brücken, Bahnhöfe und Einkaufszentren bis<br />
hin zu Museen.<br />
wieder manifestiert (siehe Bild 4). Der Pavillon, ein<br />
Geschenk der Niederlande an New York zu Ehren der<br />
gegenseitigen 400-jährigen Freundschaft, soll mit<br />
Hilfe von digitalen Informationsstellen die Besucher<br />
mit New York City vertraut machen und über Anlässe<br />
in den Niederlanden informieren – und damit Treffpunkt<br />
für Einheimische und Touristen sein. Ein Projekt<br />
also, das Ben van Berkels Vorliebe für den Dialog<br />
mit der Öffentlichkeit wohl kaum gerechter werden<br />
könnte. rg<br />
In seinen Arbeiten vereinigt UNStudio hochentwickelte<br />
Kenntnisse von digitalem Design mit einem<br />
experimentierfreudigen Umgang mit Form und<br />
Material. Daraus resultieren Projekte, die häufig auf<br />
Diagrammen basieren und sich durch fliessende,<br />
flexible und innovative Formsprache auszeichnen.<br />
Als Paradebeispiel dafür gilt das als Meisterwerk<br />
computergestützter Architektur gefeierte Mercedes-<br />
Benz-Museum in Stuttgart (siehe Bild 1).<br />
Das in Amsterdam situierte Büro ist international<br />
tätig, unter anderem in Deutschland, den USA,<br />
China und Russland. Für Letzteres wurde UNStudio<br />
in diesem Jahr mit dem Bau des 21 000 Quadratmeter<br />
umfassenden Tanzpalasts von St. Petersburg<br />
beauftragt (siehe Bild 2). Auch in Planung ist das<br />
Projekt für die chinesische Stadt Hangzhou, das eine<br />
Anlage für Hotel, Gewerbe-, Büro- und Wohnräumlichkeiten<br />
vorsieht (siehe Bild 3).<br />
Die breite Palette von Baukunst, die UNStudio bedient,<br />
hat sich mit dem erst kürzlich enthüllten<br />
New Amsterdam Pavilion in New Yorks Battery Park<br />
1 2<br />
3 4<br />
Fotos: Daimler AG | UNStudio | Richard Koek<br />
<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse
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unserer Gesellschaft leisten?<br />
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Forschung<br />
Wissenschaft<br />
Ausbildung<br />
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langfristig. So das Kunsthaus Zürich, das Kunstmuseum Bern,<br />
das Kunstmuseum Winterthur, das Museo d’Arte Lugano, die<br />
Fondation Pierre Gianadda in Martigny sowie das Singapore<br />
Art Museum und die National Gallery in London.<br />
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