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bull_09_04_Struktur

Credit Suisse bulletin, 2009/04

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Seit 1 das Magazin der Credit Suisse Nummer 4 Nov./Dez. 0<br />

<strong>Struktur</strong><br />

U-Bahnen Zwei Informatiker tüfteln am besten Plan<br />

Chaostheorie Kleine Ursachen mit grosser Wirkung<br />

kammerorchesterbasel Erfolg mit spezieller <strong>Struktur</strong><br />

Child’s Dream Kindern eine bessere Zukunft bieten<br />

CH-Wirtschaft Die Gewinner und Verlierer der Krise<br />

Ben van Berkel Der Stararchitekt im Gespräch


Ist nach der<br />

Krise vor<br />

der Krise?<br />

Eine Krise birgt nicht nur Risiken, sie bietet auch<br />

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© 20<strong>09</strong> PricewaterhouseCoopers. All rights reserved. PricewaterhouseCoopers refers to the network of member firms of<br />

PricewaterhouseCoopers International Limited, each of which is a separate and independent legal entity.


Editorial 3<br />

Ich mag die U-Bahn. Ich mag ihren speziellen, abgestandenen Geruch, das<br />

Dröhnen und Rattern, wenn die Züge mit einem Windstoss aus dem Tunnelschacht<br />

in die Station donnern. Ich mag das Verharren im Nichtstun, wenn vor<br />

den Fenstern nur dunkle Tunnelwände vorbeihuschen. Und natürlich mag<br />

ich die U-Bahn, weil sie mich in notorisch verstopften Grossstädten wie London,<br />

Paris oder Berlin schneller und verlässlicher als jedes Taxi ans Ziel bringt.<br />

Ein besonders inniges Gefühl verbinde ich mit der U-Bahn in London, wo ich vor<br />

Jahren einmal sechs Wochen verbringen durfte. Die Londoner sprechen von<br />

ihrer U-Bahn als «Tube», zu Deutsch Röhre. Mit der Tube bin ich damals in meiner<br />

Freizeit kreuz und quer durch die Unterwelt Londons zu den unzähligen Sehenswürdigkeiten<br />

dieser Stadt gerattert. Der Plan der Tube wurde dabei meine wichtigste<br />

Orientierungshilfe, da er die verschiedenen Stadtteile anschaulich entlang der<br />

U-Bahn-Linien anordnet.<br />

Bald einmal wusste ich auch ohne Plan, dass der Weg vom Spaziergang in Kew<br />

Gardens zum Konzert in Camden Town über die «District » und «Northern Line» führt.<br />

Die verschiedenen Tube-Stationen waren aber stets sichere Fixpunkte für mein<br />

inneres Navigationssystem. Über deren Rolltreppen konnte ich immer wieder vom<br />

hektischen Strassenleben absteigen in ein simplifiziertes System von wenigen<br />

Linien unterschiedlicher Farbe.<br />

Irgendwann merkte ich aber, dass insbesondere im Zentrum von London vieles<br />

sehr viel näher liegt, als der U-Bahn-Plan mir weismachen wollte. So ist es zum<br />

Beispiel vom Covent Garden zum British Museum zu Fuss lediglich ein Katzensprung,<br />

während man mit der Tube mühsam einmal umsteigen muss. Ab diesem<br />

Tag begann ich London vermehrt aus der Vogelperspektive kennenzulernen und<br />

einzelne geografische Puzzlestücke meiner Erinnerung zu einem grösseren Gebilde<br />

zusammenzufügen. Dadurch formte sich in meinem Kopf Schritt für Schritt ein<br />

neuer, unverzerrter Plan der Stadt.<br />

Foto: Cédric Widmer<br />

Gold Winner<br />

Gold Winner<br />

Preisträger<br />

Genau von dieser Problematik, dass sich ein U-Bahn-Plan nicht zwingend an<br />

der Realität anlehnt, sondern eine möglichst einfache <strong>Struktur</strong> braucht und<br />

die tatsächlichen Distanzen je nachdem staucht oder streckt, handelt unsere Titelgeschichte.<br />

Spannend übrigens, dass die Verantwortlichen der Londoner<br />

U-Bahn im September zwecks besserer Orientierung einen neuen Plan ohne<br />

den Fluss Themse herausbrachten und so den letzten Bezug zur Oberfläche<br />

kappten. Dies löste aber einen derart heftigen Sturm der Entrüstung aus, dass<br />

der Bürgermeister Boris Johnson persönlich per Dekret die Themse wieder<br />

zurück auf den U-Bahn-Plan holen liess und so gewissermassen die Macht<br />

der <strong>Struktur</strong> in ihre Schranken wies.<br />

Daniel Huber, Chefredaktor <strong>bull</strong>etin


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Inhalt<br />

<br />

Coverfoto: Ralf Barthelmes | Foto: Nöllenburg, Wolff<br />

10<br />

<strong>Struktur</strong> Zwei Informatiker aus Deutschland tüfteln seit<br />

Jahren an einem Programm, das die beste <strong>Struktur</strong> für die<br />

optische Umsetzung von U-Bahn-Plänen definiert.<br />

6_ Chaostheorie Warum beim Wetter und beim Billardspiel<br />

kleinste Ursachen riesige Wirkung haben können.<br />

10 _ U-Bahnen Zwei Informatiker arbeiten an einem<br />

Programm, das Verkehrspläne verständlicher macht.<br />

15 _ Im Bild Die Fotografin Nadja Tempest hat Situationen<br />

festgehalten, in denen <strong>Struktur</strong> eine prägende Rolle spielt.<br />

22 _ Schlüssel zur Welt Wie die <strong>Struktur</strong> des Hirns<br />

mit der <strong>Struktur</strong> der Sprache zusammenhängt.<br />

26 _ Verräterisches Umfeld Ein Psychologe aus Texas zieht<br />

Schlüsse aus der Art und Weise, wie Menschen wohnen.<br />

28 _ <strong>Struktur</strong>wandel Wohin steuert die Finanzbranche<br />

nach der Krise? Eine Einschätzung von Giles Keating.<br />

Credit Suisse<br />

31 _ Kurznachrichten Bereits 65 Filialen wurden<br />

kunden- und umweltgerecht umgebaut<br />

34 _ Georges Seurat Das Kunsthaus Zürich<br />

zeigt den Neoimpressionisten im besten Licht<br />

36 _ Zurich Film Festival Das Festival der<br />

Nachwuchsförderung hat sich fest etabliert<br />

37_ Swiss Venture Club Stiftungsgründung<br />

zur Förderung von KMU-Unternehmern<br />

38 _ Kantonsranking Welche Schweizer Kantone<br />

sind wirtschaftlich die attraktivsten?<br />

39 _ New York Philharmonic Grosse Europatournee<br />

und zweites Domizil in London<br />

40 _ kammerorchesterbasel 25 Jahre Erfolg<br />

mit einer ganz besonderen <strong>Struktur</strong><br />

41 _ Zermatt Festival Auf den Klangspuren<br />

von Pau Casals – seit fünf Jahren<br />

42 _ Bestnote Der Outbound-Sales-Bereich<br />

des Call Center ist zertifiziert worden<br />

43 _ Fachstelle Kunst Mit Bilderankauf junge<br />

Schweizer Künstler unterstützen<br />

44 _ Young Singers Project Hochtalentierte<br />

Opernsänger erhalten den letzten Schliff<br />

47 _ Nachwuchsförderung Zwei vielversprechende<br />

Künstler am Lucerne Festival geehrt<br />

48 _ Child’s Dream Einsatz in Thailand beim<br />

Bau von Schulen und im Gesundheitswesen<br />

51 _ Kurznachrichten Habitat for Humanity:<br />

gemeinsam die Wohnungsnot bekämpfen<br />

Wirtschaft<br />

52 _ Nach der Krise Wer sind in der Schweiz<br />

die Gewinner, wer die Verlierer ?<br />

56 _ Speichermedien Dank der Nanotechnologie<br />

bleibt das Moore’sche Gesetz weiter in Kraft<br />

58 _ Mexiko Im wirtschaftlichen Sog des<br />

mächtigen Nachbarn<br />

62 _ Brands Nationale Erfolgsmarken der<br />

Schwellenländer erobern den globalen Markt<br />

Invest<br />

65 _ Aktuelle Analysen und Trends<br />

Leader<br />

70 _ Ben van Berkel Der Stararchitekt über<br />

die Vor- und Nachteile von digitalem Design<br />

Service<br />

43 _ Impressum<br />

69 _ Wissenswert /Nachlese<br />

Der Forest Stewardship Council (FSC) setzt mit 10 Prinzipien und Kriterien den Standard für eine umwelt- und<br />

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<strong>Struktur</strong> Chaostheorie<br />

Wenn das<br />

Chaos regiert<br />

Wetterprognosen, Billardspiele, Planetenbahnen: In vielen<br />

Systemen können kleinste Ursachen riesige Wirkungen<br />

haben. Laut dem Mathematiker Benoît Mandelbrot gilt das<br />

auch für den Finanzmarkt.<br />

Text: Mathias Plüss Chaostheorie: Das<br />

Wort tönt wie ein Widerspruch in sich selbst.<br />

«Wenn wir probieren, etwas zu verstehen,<br />

dann suchen wir nach <strong>Struktur</strong> », hat der<br />

amerikanische Chemie- und Friedensnobelpreisträger<br />

Linus Pauling (1901–1994) einmal<br />

gesagt. «Die ganze Wissenschaft beruht<br />

auf dieser Suche.» Wonach aber sollen wir<br />

suchen, wenn wir das Chaos wissenschaftlich<br />

beschreiben wollen – das sich definitionsgemäss<br />

durch die Abwesenheit jeglicher<br />

Ordnung auszeichnet ?<br />

Wahrscheinlich hat genau dieser scheinbare<br />

Widerspruch dazu beigetragen, die<br />

Chaostheorie in den 1980er-Jahren populär<br />

zu machen: Schaut her, selbst bei den Mathematikern<br />

ist nicht alles exakt, auch die kennen<br />

das Durcheinander. Diese falsche Assoziation<br />

hat dazu geführt, dass heute die meisten<br />

Wissenschaftler den Begriff meiden und<br />

lieber von der Theorie dynamischer Systeme<br />

sprechen. Dabei ist «Chaostheorie» eigentlich<br />

ein treffender Ausdruck: Es geht gerade<br />

darum, dass man in manchen Systemen, wo<br />

auf den ersten Blick ein wildes Durcheinander<br />

herrscht, zugrunde liegende Regeln und<br />

<strong>Struktur</strong>en ausfindig machen kann, die mitunter<br />

sogar recht einfach sind. Die Chaostheorie<br />

hat mit der alten Überzeugung aufgeräumt,<br />

wonach einfache Formeln immer<br />

einfache Muster erzeugen und ähnliche Ursachen<br />

stets ähnliche Wirkungen haben. Das<br />

ist genau der Kern der Theorie: Zwei leicht<br />

verschiedene Ausgangslagen, und mögen<br />

sie noch so nahe beisammen liegen, können<br />

in einem chaotischen System zu komplett<br />

verschiedenen Entwicklungen führen.<br />

Minimale Ursache, maximale Wirkung<br />

Als Vater der Chaostheorie gilt der amerikanische<br />

Meteorologe Edward Lorenz (1917–<br />

2008). Er war ein Pionier der computergestützten<br />

Wetterprognose: Schon 1961<br />

fütterte er seinen Computer mit Gleichungen<br />

für Temperaturen, Wind und Wärmefluss und<br />

liess ihn das künftige Wetter simulieren.<br />

Um sicherzugehen, dass die Maschine richtig<br />

rechnete, wiederholte er eines Tages die<br />

zuletzt ausgeführte Simulation. Damit die<br />

Wiederholung nicht zu lange dauerte, gab<br />

er aber nicht noch einmal die zuvor benutzten<br />

Anfangsdaten ein, sondern Zwischenresultate,<br />

die er ausgedruckt hatte. Eigentlich<br />

sollte das keinen Unterschied machen. Doch<br />

als Lorenz das Resultat sah, traute er kaum<br />

seinen Augen: In der Wiederholung verlief<br />

das Wetter nur kurze Zeit ähnlich wie in der<br />

ursprünglichen Berechnung, entfernte sich<br />

dann davon und führte zu einem komplett<br />

anderen Resultat.<br />

Was war passiert ? Der Haken lag bei den<br />

Zwischenresultaten. Lorenz hatte nur die ersten<br />

drei Stellen nach dem Komma ausgedruckt<br />

– unter anderen die Zahl 0,506.<br />

Diese Zahl tippte er für die zweite Berechnung<br />

ein. Intern rechnete der Computer<br />

aber mit sechs Stellen, in unserem Fall mit<br />

0,506127. Der Unterschied beträgt weniger<br />

als 0,2 Promille, aber daraus entsteht schon<br />

nach wenigen Tagen eine völlig andere Wetterprognose.<br />

Minimale Ursache, maximale<br />

Wirkung. In einem Vortragstitel fasste Lorenz<br />

seine Erkenntnisse in folgender Frage zusammen:<br />

«Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings<br />

in Brasilien einen Tornado in Texas<br />

auslösen?» Der berühmte Schmetterlingseffekt<br />

war geboren.<br />

Wohlverstanden: Chaos bedeutet nicht<br />

«anything goes». Es gehört zu den Mythen<br />

der Chaostheorie, dass der Schmetterlingseffekt<br />

jegliche Prognose verunmögliche.<br />

In Wahrheit sind Vorhersagen für eine gewisse<br />

Zeit sehr wohl möglich. Milliarden von<br />

Schmetterlingen schlagen täglich mit ihren<br />

Flügeln, ohne dass dadurch ein Hurrikan<br />

oder auch nur ein spürbares Lüftchen ausgelöst<br />

würde. Die Chaostheorie besagt nur:<br />

In einem Moment, wo alle anderen Faktoren<br />

stimmen, wo also das System genau auf der<br />

Kippe steht, kann eine Kraft in der Grössenordnung<br />

des Flügelstosses eines Schmetterlings<br />

den Unterschied ausmachen. Ein Hauch<br />

kann sich, im Verbund mit Myriaden anderer<br />

Einflusskräfte, über Tage und Wochen zum<br />

Sturm auswachsen.<br />

Das grosse Njet des dritten Offiziers<br />

Dass manchmal eine Kleinigkeit über den<br />

weiteren Verlauf des Geschehens entscheidet,<br />

ist keine exklusive Entdeckung der<br />

Chaostheorie. «Ich pflege zu sagen, eine<br />

Fliege könne den ganzen Staat verändern,<br />

wenn sie einem grossen König vor der Nase<br />

herumsauset, so eben in wichtigen Ratschlägen<br />

begriffen», schrieb etwa der Philosoph<br />

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 –1716). Mani<br />

Matter erzählt die Geschichte vom Zündhölzli,<br />

das einen Weltkrieg entfacht. Solche Situationen<br />

gibt es tatsächlich: Am 24. Oktober ><br />

Fotos: Scott Camazine, Keystone | Mario Markus, MPI Dortmund<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Chaostheorie <strong>Struktur</strong><br />

<br />

Die grafische<br />

Darstellung eines<br />

Herzschlags.<br />

Das «Apfelmännchen»<br />

ist die<br />

bekannteste Figur<br />

der modernen<br />

Mathematik. Es ist<br />

die konsequente<br />

Umsetzung einer<br />

einzigen mathematischen<br />

Abbildungsvorschrift.<br />

Durch geringfügige<br />

Variation der<br />

Parameter werden<br />

<strong>Struktur</strong>en erzeugt,<br />

die an phantastische<br />

Berglandschaften<br />

erinnern.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


<strong>Struktur</strong> Chaostheorie<br />

1962, auf dem Höhepunkt der Kubakrise,<br />

nähert sich ein amerikanisches Kriegsschiff<br />

einem sowjetischen Atom-U-Boot. Zwei der<br />

russischen Offiziere an Bord sind dafür,<br />

das Schiff zu versenken. Doch dies kann nur<br />

geschehen, wenn auch der dritte Offizier zustimmt.<br />

Offizier Archipow aber sagt Njet –<br />

und rettet damit womöglich den Weltfrieden.<br />

Was ihn zu diesem beherzten Entschluss bewogen<br />

hat, ist nicht bekannt.<br />

Das Neue an der Chaostheorie ist aber,<br />

dass sie über wacklige Systeme auch quantitative<br />

Aussagen machen kann. Denn chaotisches<br />

Geschehen sieht zufällig aus, ist es<br />

aber nicht – die Mathematiker sprechen vom<br />

deterministischen Chaos, was wieder nach<br />

einem Widerspruch klingt. «Deterministisch»<br />

bedeutet: Alles ist durch die Naturgesetze<br />

festgelegt, theoretisch ist alles berechenbar.<br />

Wenn man ein Wettermodell zweimal mit<br />

genau denselben Anfangswerten laufen<br />

lässt, dann kommt zweimal genau dasselbe<br />

heraus. Der Witz ist jedoch, dass man für<br />

eine Prognose die Anfangswerte messen<br />

und einspeisen muss. Bei jeder Messung<br />

aber entstehen Fehler, und in einem chaotischen<br />

System wachsen Fehler exponentiell.<br />

Will man eine etwas bessere Prognose, so<br />

braucht man sehr viel genauere Anfangswerte.<br />

Deshalb wird eine Wetterprognose<br />

über vier Wochen niemals möglich sein, selbst<br />

wenn man unendlich viele Messstationen zur<br />

Verfügung hätte. Denn dazu müsste man Anfangswerte<br />

in einer Genauigkeit bestimmen,<br />

die die Quantenmechanik verbietet. Beliebig<br />

genaue Messungen werden durch die so genannte<br />

Heisenberg’sche Unschärfe grundsätzlich<br />

verunmöglicht.<br />

Sturm Lothar war zu 2 Prozent sichtbar<br />

Egal ob beim<br />

Wetter oder bei<br />

der Population der<br />

Schneehasen:<br />

Kleine Abweichungen<br />

der Startparameter<br />

können<br />

enorme Unterschiede<br />

zur Folge<br />

haben und exakte<br />

Prognosen verhindern.<br />

In der Praxis lässt man nun die Wettermodelle<br />

einfach etliche Male mit leicht veränderten<br />

Startbedingungen laufen. Je länger<br />

man wartet, desto mehr laufen die einzelnen<br />

Prognosen auseinander. Die Vorhersage wird<br />

so zur Wahrscheinlichkeitsaussage: Wie viele<br />

Durchläufe zeigen Regen, wie viele Sonne?<br />

Nach 24 Stunden liegen die einzelnen Vorhersagen<br />

meist noch nahe beisammen – hier<br />

gelingt die Prognose in über 90 Prozent der<br />

Fälle. Doch mit jedem Folgetag nimmt die<br />

Wahrscheinlichkeit ab. 1999 war der Sturm<br />

Lothar zwei Tage zuvor nur in 28 Prozent der<br />

Vorhersage-Durchläufe sichtbar. Für eine<br />

Sturmwarnung genügt das aber.<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Chaostheorie <strong>Struktur</strong><br />

<br />

Fotos: Kerstin Enderlein, Outdoor-Archiv | Thomas Willemsen | Peter Widmann | Tom Ulrich, Oxford Scientific, Keystone<br />

Als der Schmetterlingseffekt einmal beschrieben<br />

war, entdeckte man ihn bald überall.<br />

Tropfende Wasserhähne, Schwarzmarktkurse,<br />

Schneehasenpopulationen: Alle folgen sie<br />

chaotischen Bahnen. Auch beim Billard multiplizieren<br />

sich kleine Startunterschiede von<br />

Stoss zu Stoss: Schon das Hinzutreten eines<br />

Zuschauers an den Tisch, der auf die Kugeln<br />

eine winzige Gravitationskraft ausübt, reicht<br />

aus, damit sich nach neun Stössen – unter<br />

sonst identischen Bedingungen – eine andere<br />

Verteilung ergibt ! Aus den gleichen<br />

Gründen ist es völlig unmöglich, die Ziehung<br />

der Lottozahlen aus der Anfangsverteilung<br />

der Lottokugeln vorherzusagen.<br />

Zufall oder Notwendigkeit ?<br />

Es ist dies eine elegante Antwort auf die alte<br />

Frage nach Zufall oder Notwendigkeit: Selbst<br />

wenn die Welt deterministisch wäre, so bliebe<br />

sie für uns unvorhersehbar. Die Erkenntnis<br />

hat etwas Befreiendes, vielleicht aber<br />

auch etwas Beängstigendes. Sogar etwas<br />

so Einfaches und scheinbar Stabiles wie<br />

unser Sonnensystem erhält dadurch einen<br />

Schuss Unberechenbarkeit. Zwar liegt hier<br />

die Vorhersageschranke nicht bei wenigen<br />

Tagen wie beim Wetter, aber im Prinzip läuft<br />

es gleich: Astronomen können die Stabilität<br />

des Sonnensystems nur für die nächsten<br />

40 Millionen Jahre garantieren. Der Grund<br />

ist, dass die Planeten nicht einfach brav auf<br />

ihren Ellipsen um die Sonne kreisen, sondern<br />

sich auch gegenseitig ein wenig anziehen.<br />

Diese Störungen sind zwar klein, doch weil<br />

eine Gravitationsgemeinschaft schon ab drei<br />

Körpern grundsätzlich chaotisch ist, kann<br />

man nicht ausschliessen, dass über lange<br />

Zeit beispielsweise der Merkur mit der Erde<br />

kollidiert oder der Mars aus dem Sonnensystem<br />

geschleudert wird.<br />

Das ist eine der grossen Erkenntnisse der<br />

Chaostheorie: Komplexes Verhalten kann<br />

schon in relativ einfachen Systemen entstehen.<br />

Davon zeugen auch die so genannten<br />

Fraktale, die zu den Ikonen der Chaosbewegung<br />

geworden sind. Fraktale sind unglaublich<br />

schöne, sich bis ins unendlich Kleine verzweigende<br />

Kurven oder Flächen, die meist<br />

auf verblüffend einfachen Formeln beruhen.<br />

Hinter der berühmten Mandelbrot-Menge<br />

etwa (auch Apfelmännchen genannt), der<br />

wohl bekanntesten Figur der modernen Mathematik,<br />

steckt eine einzige mathematische<br />

Abbildungsvorschrift: zn + 1 = zn 2 + c. Aus<br />

dieser simplen Formel erwächst der ganze<br />

Formenreichtum des Gebildes.<br />

Manche der auf diese Weise erzeugten<br />

Fraktale sehen erstaunlich natürlich aus, und<br />

Computergrafiker nutzen die bequemen<br />

Formeln der Chaostheoretiker, um beispielsweise<br />

Berglandschaften zu zeichnen. Umgekehrt<br />

kann man etwa Bäume, Küstenlinien,<br />

Blumenkohl oder Schneeflocken als natürliche<br />

Fraktale bezeichnen: Sie sind bis ins<br />

Kleinste verzweigt, und wenn man einen<br />

Ausschnitt vergrössert, ein Röschen des Blumenkohls<br />

etwa, dann sieht dieser Teil wieder<br />

aus wie das Ganze.<br />

Dieser Naturbezug hat sicherlich auch zur<br />

Popularität der fraktalen Geometrie beigetragen.<br />

Die herkömmliche Geometrie sei daher<br />

so «trocken», weil sie unfähig sei, Formen<br />

wie Wolken, Berge oder Küstenlinien zu beschreiben,<br />

meint der französisch-polnische<br />

Mathematiker Benoît Mandelbrot, der Star<br />

der Chaostheoretiker-Zunft. «Doch Wolken<br />

sind keine Kugeln, Berge keine Kegel, Küstenlinien<br />

keine Kreise.» In der Vergangenheit<br />

habe sich die Wissenschaft bemüht, «die Unregelmässigkeiten<br />

der Natur als geringfügige<br />

Unvollkommenheiten einer idealisierten Gestalt<br />

zu betrachten». Für Mandelbrot hingegen<br />

macht gerade eine gewisse Rauheit «das<br />

Wesen vieler Objekte der Natur aus».<br />

Es ist der Chaostheorie oft zum Vorwurf<br />

gemacht worden, sie habe nach einem furiosen<br />

Start kaum mehr Fortschritte gemacht.<br />

Mandelbrot kann man diesbezüglich aber<br />

sicher keinen Vorwurf machen: Er hat sein<br />

Fraktal-Konzept auf die Wirtschaft übertragen<br />

und zu einer höchst umstrittenen, aber<br />

umso spannenderen Theorie ausgebaut. Die<br />

Rauheit der Natur, sagt Mandelbrot in seinem<br />

Buch «Fraktale und Finanzen», entspreche in<br />

der Wirtschaftswelt der Volatilität der Kurse.<br />

Viele Preiskurven und Börsenkurse trügen<br />

fraktale Züge wie ein Blumenkohl: «Ohne die<br />

jeweilige Legende kann man nicht angeben,<br />

ob eine Kurstabelle 18 Minuten, 18 Monate<br />

oder 18 Jahre abdeckt.» Ein kleiner Ausschnitt<br />

gleicht stets der ganzen Kurve.<br />

Die herkömmliche Ökonomie hat die Fluktuationen<br />

der Finanzmärkte meist wie normale<br />

Zufallsschwankungen behandelt: Man<br />

könne sie zwar nicht vorhersagen, aber wenn<br />

man die Kursänderungen über eine gewisse<br />

Zeit sammle, sehe die Verteilung aus wie eine<br />

Gauss’sche Glockenkurve. Eine solche glatte<br />

Verteilung bekommt man beispielsweise,<br />

wenn man die Grösse aller Frauen in der<br />

Schweiz aufzeichnet: Die meisten scharen<br />

sich um den Mittelwert, es gibt ein paar Ausreisser<br />

nach oben und unten, aber Extremgrössen<br />

wie 15 Zentimeter oder 4 Meter<br />

findet man keine.<br />

Kurssturz als fraktaler Zufall<br />

Auch Mandelbrot spricht vom Zufall – aber es<br />

ist ein wilder, zerklüfteter, eben fraktaler<br />

Zufall, der nicht der Normalverteilung folgt.<br />

Ein Kurssturz wie am 19. Oktober 1987, dem<br />

Schwarzen Montag, hat in der herkömmlichen<br />

Zufallsverteilung eine Wahrscheinlichkeit<br />

von 1 zu 1050 – mit anderen Worten: Er ist<br />

schlechterdings unmöglich. In Mandelbrots<br />

Theorie hingegen gehören solche Ausreisser<br />

zum Spiel: «Auf Finanzmärkten sind extreme<br />

Kursumschwünge die Regel und keine Abweichungen,<br />

die man ignorieren kann.»<br />

Das sind keine akademischen Betrachtungen,<br />

die Theorie hat im Gegenteil Auswirkungen<br />

auf die Art und Weise, wie man Risiken<br />

bewertet. Die Black-Scholes-Formel<br />

etwa, die immer noch das Standardmodell zur<br />

Berechnung des Wertes von Optionen ist, behandelt<br />

die Volatilität der Kurse wie normale<br />

Zufallsschwankungen. Entsprechend versagt<br />

sie bei turbulentem Marktgeschehen. «Die<br />

Risiken für Ruin in einer freien globalen Marktwirtschaft<br />

sind grob unterschätzt worden»,<br />

sagt Mandelbrot. Die fraktale Sichtweise sei<br />

dem Geschehen viel besser angepasst.<br />

Die Finanzwelt brauche eine ähnliche<br />

Risikokultur wie etwa die Schifffahrt, schreibt<br />

Mandelbrot: «Die Schiffbauer wissen, dass<br />

die See in den meisten Fällen gemässigt ist.<br />

Doch sie wissen auch, dass Taifune aufkommen<br />

und Hurrikane toben. Sie konstruieren<br />

nicht nur für die 95 Prozent der Seefahrtstage,<br />

an denen das Wetter gutmütig ist,<br />

sondern auch für die übrigen 5 Prozent, an<br />

denen Stürme toben und ihre Geschicklichkeit<br />

auf die Probe gestellt wird. Die Finanziers<br />

und Anleger der Welt sind derzeit wie Seeleute,<br />

die keine Wetterwarnungen beachten.»<br />

Diese Zeilen wurden, wohlgemerkt, noch vor<br />

der aktuellen Finanzkrise geschrieben. <<br />

Literatur:<br />

Benoît B.Mandelbrot, Richard L.Hudson:<br />

«Fraktale und Finanzen. Märkte<br />

zwischen Risiko, Rendite und Ruin».<br />

München, Piper, 200.<br />

Edward N. Lorenz: «The Essence of Chaos».<br />

University of Washington Press, 1.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


10 <strong>Struktur</strong> U-Bahn<br />

Ordnung<br />

im Untergrund<br />

U-Bahn-Pläne geben verzweigten Verkehrsnetzen<br />

eine übersichtliche <strong>Struktur</strong>. Das war bisher Handarbeit,<br />

jetzt haben zwei Informatiker dem Computer die<br />

Tüftelei beigebracht.<br />

Text: Stefanie Schramm Jeder Grossstädter<br />

kennt ihn, oft auswendig, jeder Pendler<br />

hat ihn täglich vor Augen, jeder Städtereisende<br />

plant mit ihm seine Sightseeing-Tour.<br />

Der U-Bahn-Plan ist ein alltägliches Werkzeug<br />

für das Leben in der Stadt. Zugleich ist<br />

er ein höchst faszinierendes Gebilde. «Menschen<br />

lieben Karten. Sie zeigen eine riesige<br />

Menge von Möglichkeiten: Wohin könnte ich<br />

fahren, welche Verbindungen nutzen?», sagt<br />

der Psychologe Maxwell Roberts von der britischen<br />

University of Essex.<br />

Karten von berühmten U-Bahn-Netzen<br />

sind mehr als bunte Linien auf Papier, das gilt<br />

besonders für den Londoner Plan: «Das London<br />

Underground Diagram bildet eine geistige<br />

Karte der Stadt. Es ist zu einer kulturellen<br />

Ikone geworden; es ist London», schreibt<br />

Mark Ovenden in seinem Buch «Transit Maps<br />

of the World». Viele Künstler und Designer<br />

haben sich von der Ästhetik der U-Bahn-<br />

Pläne inspirieren lassen. Und U-Bahn-Enthusiasten<br />

haben Fantasiekarten erfunden, im<br />

Liniengewirr ihrer Städte Tiere entdeckt oder<br />

die Buchstaben der Stationsnamen zu neuen<br />

Wörtern zusammengewürfelt. Auf den ersten<br />

Blick ist so eine U-Bahn-Karte eine simple<br />

Sache: Schienen, Stationen, Kreuzungen,<br />

fertig. Doch gerade wenn ein Plan so einfach<br />

ist, dass der Fahrgast den Weg zum Ziel mit<br />

einem Blick erfassen kann, steckt viel hochkomplexe<br />

Arbeit dahinter.<br />

Die Wirklichkeit vereinfachen<br />

Würde man einfach die Haltestellen und<br />

Schienenstränge auf einen Stadtplan zeichnen,<br />

wie man es in den Anfängen der U-Bahn<br />

tat, verlöre man bei den komplexen Netzen<br />

von heute schnell den Überblick. In den Innenstädten<br />

würden sich Stationen und Umsteigemöglichkeiten<br />

drängen, in den Vorstädten<br />

dagegen fänden sich über weite Strecken<br />

nur Schienen.<br />

Wer einen übersichtlichen U-Bahn-Plan<br />

zeichnen will, muss also die Wirklichkeit vereinfachen,<br />

aufblasen, zusammenstauchen.<br />

Die Frage ist, wie und wie viel. Wo wird der<br />

Plan durch die Verzerrung der Realität erst<br />

verständlich? Und wie viel der realen <strong>Struktur</strong><br />

muss erhalten werden, damit er verständlich<br />

bleibt ?<br />

Das ist nicht nur eine knifflige theoretische<br />

Frage. Ein guter U-Bahn-Plan kann<br />

Staus zu befreien und das Klima zu schützen.<br />

«Wenn die Leute einen Linienplan leicht<br />

verstehen, dann nutzen sie die öffentlichen<br />

Verkehrsmittel auch öfters», sagt der Psychologe<br />

Roberts. Bis heute werden solche Pläne<br />

von Hand gezeichnet, mit viel Knobelei,<br />

Radieren, Neuzeichnen – wenn auch inzwischen<br />

am Computer. Der Rechner war bisher<br />

aber nur ein Zeichenwerkzeug, selbstständig<br />

konnte er keinen U-Bahn-Plan anfertigen.<br />

Doch vor vier Jahren hat der deutsche Informatiker<br />

Martin Nöllenburg zusammen<br />

mit seinem Kollegen Alexander Wolff an der<br />

Universität Karlsruhe begonnen, dem Computer<br />

eben jene Tüftelarbeit beizubringen.<br />

Ein Prototyp des Programms war nach wenigen<br />

Monaten fertig.<br />

Einen U-Bahn-Plan zu entwerfen, das ist<br />

für Mathematiker eine schwierige Rechenaufgabe:<br />

Wenn sich die Zahl der Stationen<br />

verdoppelt, braucht der Computer nicht einfach<br />

doppelt so lange oder viermal so lange,<br />

um eine Lösung zu berechnen, sondern gigantisch<br />

viel länger. Solche Probleme nennen<br />

die Fachleute «NP schwer ».<br />

Das berühmte Problem des Handlungsreisenden<br />

gehört dazu: Ein Vertreter soll eine<br />

Reihe von Städten abklappern, um seine<br />

Produkte an den Mann zu bringen. Welche<br />

Route ist die kürzeste? Im Prinzip ist das<br />

simpel: Man vergleicht einfach alle möglichen<br />

Strecken. Bei vier Städten, von denen<br />

eine als Start und Ziel feststeht, hat man<br />

drei Versionen zur Auswahl (eigentlich sechs,<br />

aber es ist egal, in welcher Richtung man<br />

die Städte abfährt). Bei 8 Orten sind<br />

es aber schon 2520, bei 16 Stationen<br />

653 837184 000! Da kapituliert auch der<br />

schnellste Computer.<br />

Hilfreiches Regelwerk für den Computer<br />

Deshalb muss man dem Rechner helfen und<br />

die Aufgabe so stellen, dass er sich nicht<br />

abmüht, die beste Lösung zu finden, sondern<br />

nur eine sucht, die gut genug ist. Was gut<br />

genug ist, muss man ins Programm schreiben.<br />

Für die U-Bahn-Pläne haben die Informatiker<br />

folgende Regeln aufgestellt:<br />

1. Die Linien dürfen nur waagerecht, senkrecht<br />

oder diagonal mit einem Winkel von<br />

45 Grad sein. Das war der Trick, mit dem der<br />

Brite Henry Beck in den 1930er-Jahren die<br />

Pläne revolutionierte (siehe Box Seite 14).<br />

2. Die topologische <strong>Struktur</strong> des Netzes<br />

auch indirekt dazu beitragen, die Städte von muss erhalten bleiben: Jede Haltestelle ><br />

Foto: Mathias Hofstetter<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


U-Bahn <strong>Struktur</strong> 11<br />

Mehr als ein simples<br />

Gebrauchsobjekt:<br />

Der Londoner<br />

U-Bahn-Plan wird<br />

als eigentliches<br />

Kultobjekt gefeiert.<br />

Im Wesentlichen<br />

basiert er auf einem<br />

Plan des Engländers<br />

Henry Beck aus<br />

dem Jahr 133.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


12 <strong>Struktur</strong> U-Bahn<br />

Das Londoner U-Bahn-Netz als geografisches Abbild der Wirklichkeit<br />

Während sich die U-Bahn-Strecken in den Vorstädten auf lang gezogenen Linien verlieren, herrscht im Zentrum dicht gedrängtes Chaos.<br />

Londoner U-Bahn-Netz vom Computer entworfen<br />

Damit ein U-Bahn-Plan übersichtlich wird, muss die Wirklichkeit vereinfacht, je nachdem aufgeblasen oder gestaucht werden.<br />

Pläne: Nöllenburg, Wolff<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


U-Bahn <strong>Struktur</strong> 13<br />

muss rundherum in der gleichen Reihenfolge<br />

mit den Stationen verbunden sein, mit denen<br />

sie es auch in Wirklichkeit ist.<br />

3. Die Strecken zwischen den Stationen<br />

müssen eine Mindestlänge haben.<br />

4. Die Linien müssen einen Mindestabstand<br />

von anderen Linien halten.<br />

Zu diesen Regeln kommen noch ein paar<br />

weniger strenge Kriterien, zum Beispiel sollte<br />

jede U-Bahn-Linie möglichst wenig Knicke<br />

aufweisen. So wird aus dem schweren Problem<br />

ein lösbares, erklärt Nöllenburg: «Der<br />

Computer muss nicht immer alle Regeln beachten,<br />

nur die wichtigsten.»<br />

Den Informatiker hat das U-Bahn-Problem<br />

so richtig gepackt. «Das ist eine praxisnahe<br />

Aufgabe, das gibt es in der theoretischen<br />

Informatik nicht so oft. Und man kann<br />

direkt ausprobieren, wie die Lösung aussieht»,<br />

sagt Nöllenburg. Einen U-Bahn-Plan<br />

einfach nur zu benutzen, fällt ihm inzwischen<br />

schwer, oft läuft im Hinterkopf das Optimierungsprogramm.<br />

«Ich pendle jeden Tag von<br />

Heidelberg nach Karlsruhe. Auf dem S-Bahn-<br />

Plan hat die Strecke viele unnötige Knicke.<br />

Das nervt mich schon ein bisschen.»<br />

Kreisförmige Ringlinie von Moskau<br />

Der Londoner Plan dagegen gefällt ihm besonders<br />

gut. Kein Wunder, er hält sich bis<br />

heute im Wesentlichen an Becks Regeln.<br />

Schön findet der Informatiker auch den Moskauer<br />

Plan, obwohl der nicht so streng ist.<br />

«Da gibt es eine Ringlinie, die als Kreis gezeichnet<br />

ist, nicht als Viereck, wie unser Programm<br />

das machen würde. Das gefällt mir<br />

sehr gut.» So wie Nöllenburg und Wolff<br />

Schritt für Schritt ihr Programm verbesserten,<br />

so arbeitet sich jetzt das Programm<br />

Schritt für Schritt an einen schönen Plan<br />

heran. Eine erste Skizze ist nach wenigen<br />

Sekunden fertig, an einer ausgefeilteren<br />

Lösung rechnet der Computer dann noch<br />

Minuten oder Stunden – je nachdem, wie<br />

lange die Wissenschaftler ihn lassen.<br />

Ganz allein kriegt der Rechner allerdings<br />

keinen Plan hin, und nur mittelgrosse Netzwerke<br />

kann er auch beschriften. «Das ist<br />

Oben:<br />

Mitte:<br />

Unten:<br />

Der ursprüngliche Henry Beck<br />

Der Psychologe<br />

Londoner<br />

vereinfachte 133 Maxwell Roberts ist<br />

aber eine gute Vorlage für die Grafikdesigner»,<br />

meint Nöllenburg. «Um aus dem Proto-<br />

U-Bahn-Plan aus den Plan, indem davon überzeugt,<br />

dem Jahr 120 er die Linien begra- dass bogenförwiderspiegelt<br />

digte, Diagonalen mige Linienführungen<br />

den Londoner<br />

te man schon noch viel Arbeit hineinstecken.<br />

typen ein richtiges Produkt zu machen, müss-<br />

wahrheitsgetreu von 4 Grad<br />

die geografische definierte und die U-Bahn-Plan<br />

Bis jetzt wollen die Verkehrsbetriebe da nicht<br />

Wirklichkeit und Abstände zwischen einfacher verständlich<br />

machen.<br />

investieren.» Wenn es nach dem britischen<br />

ist entsprechend den Stationen<br />

unübersichtlich. vereinheitlichte.<br />

Psychologen Roberts ginge, würde ohne- ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


14 <strong>Struktur</strong> U-Bahn<br />

Martin Nöllenburg:<br />

«Ich pendle jeden<br />

Tag von Heidelberg<br />

nach Karlsruhe.<br />

Auf dem S-Bahn-<br />

Plan hat die Strecke<br />

viele unnötige<br />

Knicke. Das nervt<br />

schon ein bisschen.»<br />

Informatiker<br />

Alexander Wolff hat<br />

vor vier Jahren<br />

zusammen mit<br />

Martin Nöllenburg<br />

damit begonnen,<br />

ein Programm<br />

für U-Bahn-Pläne<br />

zu entwickeln.<br />

hin weiter von Hand gezeichnet. Er kritisiert<br />

vor allem die Regeln, die hinter dem Programm<br />

stecken: «Diese geraden Linien und<br />

45-Grad-Diagonalen passen einfach nicht<br />

zu jedem U-Bahn-Netz. In London verzerren<br />

sie zu stark, die Leute beschweren sich schon<br />

darüber.» Deshalb müsse man die Regeln<br />

für jede Stadt anpassen. «Da wird es für den<br />

Computer schwierig.»<br />

Roberts zeichnet selbst U-Bahn-Pläne,<br />

eine Woche braucht er für das Londoner<br />

Netz. Heraus kommen dabei geschwungene<br />

Gebilde mit bogenförmigen Linien. Die seien<br />

besser zu verstehen, meint der Psychologe.<br />

Das hat er ausprobiert: Mit seinem Plan fanden<br />

Testpersonen einen Weg im komplexen<br />

Pariser Metronetz um 30 Prozent schneller<br />

als mit dem offiziellen Plan. Durchs Londoner<br />

Netz navigierten die Probanden immerhin um<br />

20 Prozent schneller.<br />

Wie die Menschen die Welt verstehen<br />

Der Revolutionär des Londoner Untergrunds<br />

Der Brite Henry Beck erfand den U-Bahn-Plan, wie wir ihn kennen.<br />

Der Mann, der den Londoner U-Bahn-Plan revolutionierte und Liniendiagramme<br />

auf der ganzen Welt beeinflusste, war ein Arbeitsloser.<br />

Der technische Zeichner Henry C. Beck war immer wieder zeitweise<br />

bei London Underground beschäftigt, 131 war er mal wieder entlassen<br />

worden. Die U-Bahn liess den 2-Jährigen jedoch nicht los. Die verwirrenden<br />

Linien des Streckenplans, die sich im Londoner Zentrum<br />

verknoteten, nannte er abschätzig «Vermicelli». Dann kam ihm die<br />

zündende Idee: «Ich betrachtete den alten Plan der Untergrundbahn<br />

und mir fiel ein, dass man ihn aufräumen könnte, indem man die<br />

Linien begradigt, mit Diagonalen experimentiert und die Abstände<br />

zwischen den Stationen vereinheitlicht.» Das Ergebnis war ein Schema<br />

mit Waagerechten, Senkrechten und Diagonalen – viel klarer und<br />

übersichtlicher. Den Verantwortlichen von London Underground war<br />

es jedoch zu revolutionär. Ein Jahr später versuchte Beck es erneut<br />

und hatte Erfolg: Sein Plan wurde 133 gedruckt. Und die Londoner<br />

nutzten das Diagramm nicht nur, sie liebten es geradezu. Beck bekam<br />

für seinen Entwurf und die monatelange Arbeit daran gerade mal<br />

10,0 Pfund, das wären heute etwa 1000 Euro. Einen festen Job bekam<br />

er nicht. Trotzdem steigerte er sich immer mehr in die Detailarbeit<br />

an seinem Plan hinein. Heute gilt er als grosser Designer; in einer<br />

BBC-Show wählte das Publikum sein Diagramm zur zweitwichtigsten<br />

Design-Ikone, nach der Concorde.<br />

Roberts war schon früh von der Londoner<br />

U-Bahn begeistert: «Als ich klein war, fand<br />

ich das einfach faszinierend: all die Rolltreppen,<br />

Tunnel, Züge! Als Kind kann man in<br />

London wahrscheinlich nichts Aufregenderes<br />

tun, als U-Bahn zu fahren.»<br />

An der University of Essex beschäftigt<br />

sich der Psychologe heute damit, wie Menschen<br />

die Welt verstehen und wie sie Probleme<br />

lösen. Deshalb ärgern ihn schlecht<br />

gezeichnete U-Bahn-Pläne: «Ein guter Plan<br />

sollte den Leuten helfen, die Welt zu verstehen.<br />

Er sollte ihnen einen Denkschritt abnehmen.»<br />

Viele Karten dagegen verwirrten<br />

die Menschen erst recht. «Ich habe noch<br />

keinen Plan gesehen, den ich nicht verbessern<br />

wollte.» Sein neues, geschwungenes<br />

Diagramm der Londoner U-Bahn hat er<br />

schon in ein paar Reiseführern untergebracht,<br />

London Underground aber wolle davon nichts<br />

wissen, sagt Roberts: «Die mögen nicht,<br />

wenn Aussenstehende sich einmischen.»<br />

Doch vielleicht ist nicht nur die Bürokratie<br />

schuld, wenn sein Plan nicht ankommt. In<br />

Tests musste Roberts selbst feststellen, dass<br />

den Probanden nicht die einfachsten Pläne<br />

am besten gefallen und dass sie andersherum<br />

Pläne schön finden, die schwierig zu lesen<br />

sind. «Leider werden die Leute keinen Plan<br />

benutzen, den sie nicht mögen», sagt der<br />

Psychologe. Und am schönsten finden die<br />

Testpersonen das, was sie kennen – ihren<br />

alten Plan mit den Ecken und Kanten. <<br />

Fotos: Ralf Barthelmes | Nadja Tempest<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Fotostrecke <strong>Struktur</strong><br />

1<br />

Mensch<br />

und<br />

<strong>Struktur</strong><br />

Gestauter Verkehrsfluss.<br />

Lichter der Grossstadt.<br />

Das Leben des Menschen<br />

ist geprägt von <strong>Struktur</strong>en.<br />

Angefangen mit der persönlichen<br />

Tagesstruktur, die<br />

mit dem Weckruf am Morgen<br />

eingeläutet wird, über das<br />

persönliche Umfeld der Wohnung,<br />

das Wasser, das aus<br />

der Leitung kommt, die Verkehrswege,<br />

die der Mensch<br />

auf dem Weg zur Arbeit<br />

benutzt, bis hin zum geregelten<br />

Freizeitvergnügen.<br />

Die Zürcher Fotografin<br />

Nadja Tempest hat sich mit<br />

dem Thema Mensch und<br />

<strong>Struktur</strong> optisch auseinandergesetzt<br />

und sich auf<br />

die Suche nach Bereichen<br />

gemacht, in denen sich<br />

der Mensch <strong>Struktur</strong>en geschaffen<br />

hat, die ihm das<br />

Leben einfacher, effizienter,<br />

bequemer und interessanter<br />

machen.<br />

Wo die Strasse dem Wasser folgt.<br />

Freiheit in gewohnter Umgebung.<br />

In die richtigen Bahnen gelenkt.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


Baustelle am<br />

Escher-Wyss-Platz<br />

in Zürich: ständig<br />

optimierter<br />

Verkehrsfluss.


Aussicht von<br />

der Felsenegg,<br />

Zürich:<br />

pulsierendes<br />

Lichtermeer.


Zwischen Furkaund<br />

Grimselpass:<br />

Wie die Verkehrsflüsse<br />

dem Wasser<br />

folgen.<br />

>


Campingplatz am<br />

Türlersee: bekannte<br />

<strong>Struktur</strong>en als<br />

Wohlfühlfaktor.


Hallenbad<br />

Oerlikon:<br />

In geregelten<br />

Bahnen den<br />

Schwimmspass<br />

geniessen.


22 <strong>Struktur</strong> Gehirn<br />

Positronen-Emissions-Tomografie<br />

(PET). Hirnbilder<br />

von einer gesunden<br />

Person (kleines<br />

Bild) und einer<br />

Person nach einem<br />

Hirnschlag (grosses<br />

Bild). Das Gehirn<br />

wird im Horizontalschnitt<br />

gezeigt.<br />

Das Bild des Patienten<br />

zeigt im Vergleich<br />

zur gesunden<br />

Kontrollperson<br />

deutliche Veränderungen<br />

(Pfeil) in<br />

der Durchblutung<br />

und im Stoffwechsel<br />

der linken Gehirnhälfte.<br />

Die Schädigung<br />

betrifft die<br />

Sprachstrukturen,<br />

was zu einem<br />

teilweisen Sprachverlust<br />

(Aphasie)<br />

führt. [Farbkodierung:<br />

hohe Hirnaktivität<br />

(rot/gelb),<br />

niedrige Aktivität<br />

(blau)].<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Gehirn <strong>Struktur</strong> 23<br />

Fotos: Wellcome Dept of Cognitive Neurology, Science Photo Library, Keystone<br />

Der Schlüssel<br />

zur Welt<br />

Wohl kaum etwas erschüttert die <strong>Struktur</strong> unseres Alltags<br />

so sehr wie der Verlust unserer Sprachfähigkeit. Wenn<br />

aus Gedanken keine Sätze mehr gebildet werden können,<br />

fehlt uns der Zugang zur Aussenwelt. Über den Zusammenhang<br />

zwischen der <strong>Struktur</strong> des Alltags, der <strong>Struktur</strong><br />

im Hirn und der <strong>Struktur</strong> der Sprache.<br />

Text: Mandana Razavi «Vier, zwei, zwei!»<br />

Maria Flühler, 71 Jahre alt, wiederholt die<br />

Zahlen zum dritten Mal. Sie spricht langsam,<br />

deutlich, untermalt ihre Worte mit Gesten.<br />

Und ginge es nur darum, die letzten Ziffern<br />

einer Telefonnummer weiterzugeben, wäre<br />

alles gut. Aber es geht ihr nicht um eine Nummer.<br />

Maria Flühler versucht gerade zu erklären,<br />

dass sie vier Kinder hat und dass zwei<br />

davon ebenfalls zwei Kinder haben. Doch ihr<br />

Hirn kann sich nicht daran erinnern, wie sie<br />

aus der Zahlenkombination 4-2-2 einen<br />

vollständigen, richtig strukturierten Satz bilden<br />

kann – auch wenn sie sich noch so anstrengt.<br />

Maria Flühler leidet an Aphasie –<br />

einer Störung der Sprache, die durch eine<br />

Hirnschädigung hervorgerufen wird. Der<br />

schicksalhafte Tag, an dem eine Hirnblutung<br />

Maria die Sprache rauben sollte, liegt bereits<br />

18 Jahre zurück: Sie gab gerade einen Bachblütenkurs,<br />

als sie bemerkte, dass sie plötzlich<br />

«ganz schief» war. Schmerzen spürte sie<br />

keine. Im Krankenhaus fragte man als Erstes,<br />

ob sie vielleicht ein Schlückchen Wein zu viel<br />

getrunken habe. An dieser Stelle ihrer Lebensgeschichte<br />

ruft Maria Flühler aufgeregt<br />

«Ja, ja !». Sie schüttelt den Kopf, macht<br />

grosse Augen. Und obwohl sie bei der Erinnerung<br />

an diese Szene vor Aufregung nur noch<br />

die Worte «Ja, ja !» hervorbringt, ist ihr anzumerken,<br />

wie sie diese erste ärztliche Schnelleinschätzung<br />

von damals noch heute empört.<br />

In einer Welt, in der eine reiche Rhetorik mit<br />

Intelligenz gleichgesetzt wird, gelten Aphasiker<br />

oft fälschlicherweise als verwirrt. Doch<br />

Aphasie ist keine Denkstörung.<br />

Wo ist die Sprache im Kopf ?<br />

Es ist nicht einfach, ein Gespräch mit einem<br />

Aphasiepatienten zu führen. Das Sprachwissen<br />

ist zwar noch da, aber der Zugriff<br />

darauf funktioniert nicht. Die Kommunikation<br />

ist stark beeinträchtigt, manchmal sogar<br />

unmöglich. Es kann an allem fehlen: an<br />

Grammatik (Regeln), Syntax (Form und <strong>Struktur</strong>),<br />

Semantik (Sinn und Bedeutung) und<br />

Sprachmotorik. Auch 18 Jahre nach der Diagnose<br />

Hirnblutung ringt Maria Flühler noch<br />

mit Wortfindung, Satzstruktur und Aussprache.<br />

Ihre Geschichten und Anliegen kommen,<br />

wie sehr oft bei Aphasikern, als «Telegramm»<br />

daher: Lose aneinandergereihte Zielwörter<br />

helfen den Aussenstehenden, die Botschaften<br />

zu verstehen oder mindestens zu<br />

erraten. Die Kommunikation ist anstrengend<br />

für Sprecher und Zuhörer, und dennoch<br />

nimmt man die Mühe auf sich: Die Sprache<br />

ist der Schlüssel zur Welt.<br />

Aphasiepatienten leiden an einer Vielzahl<br />

verschiedener und verschieden kombinierter<br />

Störungen ihrer Sprachfähigkeiten: Je nachdem,<br />

welche Hirnstrukturen verletzt wurden,<br />

sind die unterschiedlichen Sprachfertigkeiten<br />

– Verstehen, Sprechen, Lesen und Schreiben<br />

– beeinträchtigt. PD Dr. phil. nat. Andrea<br />

Federspiel von der Abteilung für psychiatrische<br />

Neuropsychologie der Universitätsklinik<br />

und Polyklinik für Psychiatrie in Bern erklärt:<br />

«Grob lässt sich das Hirn in zwei Hirnhälften<br />

unterteilen, die miteinander verbunden sind<br />

und eng zusammenarbeiten. Seit mehr als<br />

100 Jahren ist bekannt, dass die beiden Hirnhälften<br />

unterschiedliche Funktionen wahrnehmen.<br />

Bei rund 60 Prozent der Menschen<br />

ist das Sprachzentrum, und insbesondere die<br />

Faserverbindungen innerhalb des Sprachzentrums,<br />

vorwiegend in der linken Hirnhälfte<br />

lokalisiert. Daher sind Menschen mit Schädigungen<br />

in der linken Hirnhälfte – so wie<br />

Maria Flühler – häufig von Aphasie betroffen.<br />

Bei rund 20 Prozent der Menschen ist das<br />

Sprachzentrum hauptsächlich links, mit einer<br />

kleinen Beteiligung der rechten Seite. Bei<br />

zirka 17 Prozent der Menschen sind diese<br />

Faserverbindungen gleichmässig auf beiden<br />

Seiten verteilt, und es gibt Grund zur<br />

Annahme, dass diese Menschen Sprache besonders<br />

effizient verarbeiten können. Sicher<br />

eine interessante Fragestellung im Zusammenhang<br />

mit Hochbegabung», so der Hirnforscher<br />

weiter.<br />

Durch moderne bildgebende Verfahren<br />

wie z. B. die Magnetresonanztomografie<br />

(MRT) lassen sich die für die Aphasie verantwortlichen<br />

Hirnverletzungen heute gut darstellen.<br />

Eine verminderte Neuronendichte<br />

(Neuronen sind die Zellen im Zentralnervensystem,<br />

die für die Informationsverarbeitung<br />

zuständig sind) in einem Areal sei ein sicheres<br />

Zeichen für eine Schädigung der entsprechenden<br />

Hirnstruktur, erklärt Federspiel.<br />

Umgekehrt habe man in einer von der Klinik<br />

Waldau durchgeführten Studie mit amerikanischen<br />

Sprachstudenten festgestellt, dass<br />

bei den Studenten nach dem Sprachaufenthalt<br />

bestimmte, für die Sprache wichtige<br />

Hirnregionen eine erhöhte Neuronendichte<br />

aufwiesen. Das Deutschlernen hat also die<br />

Hirnstruktur in den Sprachzentren der ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


24 <strong>Struktur</strong> Gehirn<br />

Studenten nachweislich vergrössert. Dennoch<br />

müsse man vorsichtig damit sein, Sprache<br />

im Gehirn pauschal lokalisieren zu wollen,<br />

betont Federspiel. Abgesehen von der Tatsache,<br />

dass das Gehirn jedes Menschen anders<br />

sei, könne man selbst mit modernsten<br />

Verfahren nicht genau definieren, wo im Hirn<br />

die Sprache anfängt und wo sie aufhört:<br />

«In einem einzigen Quadratmillimeter Hirnsubstanz<br />

finden sich unzählige Neuronen.<br />

Wir können nur erahnen, was für Funktionen<br />

diese wahrnehmen.»<br />

Gefangen in Gedanken<br />

Wichtige Hinweise darüber, dass es tatsächlich<br />

innerhalb des Sprachzentrums spezialisierte<br />

<strong>Struktur</strong>en für Grammatik oder die Wortfindung<br />

gibt, liefert die Aphasieforschung.<br />

Während Maria Flühler ihre Lebensgeschichte<br />

zwar erzählen kann – wenn auch grammatikalisch<br />

und inhaltlich in stark vereinfachter<br />

Form –, dauert es bei Kurt Kohler, 54, aus<br />

Münsingen, viel länger, bis man merkt, dass<br />

auch er Aphasiker ist. «Nach meinem Schlaganfall<br />

konnte ich zwei Jahre lang kein Wort<br />

mehr sprechen – gleichzeitig habe ich alles<br />

verstanden. Für Aussenstehende ist es wohl<br />

kaum vorstellbar, wie bizarr diese Situation<br />

war. Die Menschen um mich herum haben<br />

gedacht, dass ich nichts begreife. Sie haben<br />

über mich gesprochen, ohne zu wissen, dass<br />

ich ihren Gesprächen folgen konnte und Stellung<br />

nehmen wollte.» Kurt Kohler scheint<br />

nachdenklich, während er diese Sätze praktisch<br />

mühelos ausspricht. Satzstruktur und<br />

Grammatik sind eigentlich perfekt. Er ist<br />

lediglich etwas verlangsamt in seiner Aussprache<br />

und benutzt hie und da Floskeln wie<br />

«Wie sagt man?» – alles nicht sehr auffällig.<br />

Er erzählt, dass er bis vor sechs Jahren<br />

ein erfolgreicher Banker war, gross im Geschäft;<br />

New York, London, Singapur. Dann<br />

kam der Schlaganfall, der ihn für zwei Jahre<br />

vollständig verstummen liess. «Einige Ärzte<br />

haben weder gedacht, dass ich überlebe,<br />

noch dass ich je wieder sprechen könne.<br />

Doch nach mehr als zwei Jahren intensiver<br />

Logopädie habe ich die Sprache wiedererlernt.<br />

Der Durchbruch kam, als ich merkte,<br />

dass ich von meinem Umfeld wieder verstanden<br />

wurde, erzählt Kohler. PD Dr. med.<br />

Thomas Nyffeler, leitender Arzt in der Abteilung<br />

für kognitive und restorative Neurologie<br />

am Inselspital Bern, erklärt die unterschiedlichen<br />

Krankheitsbilder von Maria<br />

Flühler und Kurt Kohler: «Fast jeder Patient<br />

hat eine andere Form der Aphasie.» Eine<br />

Sprachstörung könne man mit einer Störung<br />

im Bahnnetz vergleichen: Komme es zu Problemen<br />

an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt,<br />

habe das andere Auswirkungen auf<br />

den Bahnverkehr, als wenn nur ein kleiner<br />

Bahnhof eine Störung melde. Komme es also<br />

zu einer grösseren Störung wie einem Hirninfarkt,<br />

sei es möglich, dass sämtliche Sprachfähigkeiten<br />

(Sprechen, Verstehen, Lesen,<br />

Schreiben) ausfallen, so Nyffeler.<br />

Kurt Kohlers Fall sei extrem und bemerkenswert<br />

zugleich: Dass jemand nach über<br />

zwei Jahren kompletten Sprachverlusts wieder<br />

fast fliessend reden und vollständige<br />

Sätze formulieren könne, sei aussergewöhnlich,<br />

so der Neurologe. Tatsächlich geht man<br />

in Fachkreisen davon aus, dass die grössten<br />

Therapiefortschritte während der ersten beiden<br />

Jahre nach der Hirnverletzung zu erwarten<br />

sind. Entsprechend lang zahlen die Krankenkassen<br />

in der Schweiz für Logopädie. Als<br />

lebende Ausnahme zu dieser Regel ist Kurt<br />

Kohler in diesem Punkt jedoch anderer Meinung.<br />

«Bei jüngeren Patienten sollte flexibler<br />

entschieden werden. Ein Ergebnis wie bei<br />

mir hätte wohl niemand erwartet.» Er werde<br />

weiter üben, eines Tages wolle er wieder<br />

lesen, schreiben und rechnen können.<br />

«Maria Flühlers beeinträchtigte Grammatik,<br />

die fehlende Satzstruktur («Gestern –<br />

wir – Aareschlucht – Regen»), ihre Wortfindungsstörungen<br />

und Probleme mit der Aussprache<br />

deuten darauf hin, dass sich ihre<br />

Hirnschädigung in der vorderen linken Hirnhälfte<br />

befindet. Obwohl man sie versteht, ist<br />

es für die Zuhörenden schwierig, Informationen<br />

zwischen den Zeilen zu entschlüsseln<br />

oder Gefühlslagen wie Witz oder Ironie zu<br />

erkennen», erklärt Nyffeler weiter. Nach ihren<br />

frustrierendsten Momenten gefragt, antwortet<br />

Maria Flühler denn auch, dass sie eigentlich<br />

ein humorvoller Mensch sei und dass es<br />

sie traurig mache, dass niemand mehr ihre<br />

Witze verstehe. Einen der glücklichsten Momente<br />

hingegen beschreibt sie so: «Wenn<br />

jemand ein Lied – ich gemerkt – singen viel<br />

besser als sprechen – früher ich schon immer<br />

gern!» Übersetzt heisst das wohl, dass Texte<br />

singen offenbar einfacher geht als Texte<br />

sprechen. Ein Phänomen, das oft von Patienten<br />

beschrieben wird. Wie ist das möglich?<br />

Spezialist Nyffeler erklärt: «Beim Singen<br />

Die Ursache für Aphasie ist eine Hirnschädigung, die durch eine<br />

Hirnschädelverletzung, eine Hirnentzündung, durch Hirntumore, Hirnblutung<br />

oder durch einen Schlaganfall hervorgerufen wird. Wie bei<br />

Kurt Kohler ist der häufigste Grund für eine Aphasie der Schlaganfall.<br />

Auf 100 000 Personen erleiden in der Schweiz jährlich 43 Menschen<br />

einen Schlaganfall. Das <strong>bull</strong>etin hatte die Gelegenheit, Maria Flühler<br />

und Kurt Kohler während einer von aphasie suisse organisierten<br />

Ferienwoche zu besuchen. aphasie suisse ist eine Fachgesellschaft<br />

und Betroffenenorganisation, die in der ganzen Schweiz tätig ist<br />

( www.aphasie.org).<br />

Die Stiftung Empiris, eine von der Credit Suisse gegründete Kundenstiftung,<br />

unterstützt die Hirnforschung, indem sie jährlich den Empiris<br />

Award for Research in Brain Diseases verleiht ( www.empiris.ch).<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Gehirn <strong>Struktur</strong><br />

2<br />

wird, anders als beim Sprechen, auch die<br />

rechte Hirnhälfte aktiv. Die geschädigte linke<br />

Hirnhälfte erhält also Unterstützung bei<br />

der Sprachproduktion. Deshalb funktioniert<br />

Singen für die Patienten oft besser.»<br />

Funkstille oder Damdamdam<br />

Fotos: Pia Zanetti<br />

«Kürzlich hatten wir einen Patienten, einen<br />

Bauarbeiter aus dem Kanton Bern, der in den<br />

ersten Tagen nach seiner Hirnverletzung<br />

plötzlich Hochdeutsch sprach, weil es einfacher<br />

für ihn sei. Die Tatsache, dass solche<br />

Fälle immer wieder auftreten, spricht dafür,<br />

dass es innerhalb des Sprachzentrums<br />

Unterstrukturen gibt, die beispielsweise für<br />

Fremdsprachen zuständig sind. Sonst wären<br />

bei allen Sprachen die gleichen Störungen<br />

zu erwarten, so der Neurologe weiter.<br />

So komplex die <strong>Struktur</strong>en des menschlichen<br />

Gehirns sind, so verschieden sind<br />

auch die Krankheitsbilder, die bei Hirnschädigungen<br />

auftreten: Einige Aphasiepatienten<br />

können noch schreiben, aber nicht mehr<br />

sprechen. Vormals geübte Leser schaffen<br />

es nicht mehr, ein Kinderbuch vorzulesen.<br />

Oder aber sie lesen nur noch sinngemäss:<br />

Anstelle von «Wirtschaft» lesen sie «Handel».<br />

In den schlimmsten Fällen vergehen Tage,<br />

bevor die Betroffenen überhaupt realisieren,<br />

dass sie ihre Mitmenschen nicht einmal mehr<br />

verstehen. Besonders schwer für die Betroffenen<br />

und ihre Angehörigen ist auch die Globale<br />

Aphasie, bei der die Menschen zunächst<br />

ganz verstummen und bei denen sich die<br />

Kommunikation auch trotz Therapie auf wiederkehrende,<br />

manchmal unverständliche<br />

Laut- und Silbenfolgen «jajajaja» oder «damdamdam»<br />

beschränkt.<br />

Wie schwer muss es sein, sämtliche Gefühle,<br />

Botschaften und Bedürfnisse in eine<br />

vermeintlich unsinnige Lautabfolge legen zu<br />

müssen und dabei darauf zu hoffen, dass<br />

vielleicht irgendjemand kleine, aber vielsagende<br />

Unterschiede in der Betonung bemerkt<br />

? Kurt Kohler ist einer der Menschen,<br />

die die Antwort auf diese Frage kennen. Mit<br />

etwas Glück, unbändigem Durchhaltewillen<br />

und intensiver Logopädie hat er es geschafft,<br />

die <strong>Struktur</strong> in seinem Hirn, in seiner Sprache<br />

und in seinem Alltag wiederherzustellen.<br />

Und hört man ihn, den ehemaligen Banker,<br />

heute etwas zögerlich, aber fachkundig über<br />

die Wirtschaftskrise sprechen, ist es fast, als<br />

hätten ihm nur die Turbulenzen an der Börse<br />

ein wenig die Sprache verschlagen. <<br />

Extremfall: Völlig<br />

unverhofft erlitt<br />

Banker Kurt Kohler<br />

vor sechs Jahren<br />

einen Schlaganfall.<br />

Nach zwei Jahren<br />

völliger «Sprachlosigkeit»,<br />

spricht er<br />

heute dank intensiver<br />

Logopädie – und<br />

trotz gegenteiliger<br />

Prognosen – fast<br />

wieder normal.<br />

Trotz Aphasie und<br />

einer rechtsseitigen<br />

Lähmung, die oft<br />

bei Patienten mit<br />

einer Hirnschädigung<br />

auf der linken<br />

Seite auftritt, lebt<br />

Maria Flühler ihr<br />

Leben selbstständig.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


2<br />

<strong>Struktur</strong> Umfeld<br />

Zeig mir,<br />

wie du wohnst …<br />

Wie jemand denkt und fühlt, spielt sich nicht nur im<br />

Kopf – oder Herzen – ab. Es hinterlässt auch Spuren in der<br />

<strong>Struktur</strong> des persönlichen Umfelds. Ein Psychologe aus<br />

Texas studiert Wohnräume und analysiert, was sentimentale<br />

Souvenirs im Regal oder die Art, wie jemand seine<br />

Möbel arrangiert, über die Persönlichkeit verraten können.<br />

visuelle Medizin», so Gosling. Wer dagegen<br />

Sportmementos wie Autogramme berühmter<br />

Athleten zur Schau stellt, neigt oft zu politisch<br />

konservativem Denken. Und wer samstags<br />

lieber mit einem Buch daheim sitzt, statt von<br />

Party zu Party zu ziehen, signalisiert das<br />

dem Kenner nicht selten bereits durch Landschaftsbilder<br />

und Stillleben.<br />

Extrovertierte wiederum zögen Bilder<br />

vor, die Menschen zeigten, so Gosling. Auch<br />

fände man in ihren Büros eher weiche Sessel<br />

statt harter Stühle – und vielleicht sogar<br />

eine Schale Süsses. «Sie gestalten das Layout<br />

unbewusst so, dass es Leute ermutigt,<br />

einzutreten und zu verweilen.»<br />

Nicht immer aber sind Interpretationen so<br />

eindeutig. Ein gut sortiertes Whiskeyfach<br />

etwa könnte bedeuten, dass jemand oft Entspannung<br />

nach einem als aufreibend empfundenen<br />

Alltag sucht. Oder dass er gern<br />

feuchtfröhliche Feste feiert. Oft hilft erst der<br />

Kontext zu entscheiden, was stimmt.<br />

Nicht in die Irre führen lassen<br />

Text: Ute Eberle In Lisas Bad hingen passend<br />

gemusterte Handtücher identisch<br />

gefaltet und exakt gleich lang vom Halter.<br />

Cindys Wohnheimzimmer strotzte vor Aufklebern,<br />

Andenken und ermunternden Zitaten<br />

wie «Denk positiv!». Duncan hatte seinen<br />

Schlafbereich in eine Kuschelhöhle verwandelt,<br />

mit einem Bett, das den Platz fast ausfüllte,<br />

und weichen Kissen darauf. Und bei<br />

Gideon stürzten dem Besucher allerorts<br />

Dinge entgegen. «Der Stapel auf dem zweituntersten<br />

Regalbrett etwa enthielt loses<br />

Kleingeld, mehrere Kassenzettel, eine Rolle<br />

Zwirn, einen Bonbon, eine umgedrehte Pappschachtel,<br />

eine Flasche Tipp-Ex, allerlei Vitaminkapseln,<br />

eine halb zerknüllte Papiertüte,<br />

einen Schnürsenkel, eine offene Packung<br />

Stifte, einen Stapel Umschläge von Banken<br />

und Ämtern und lose Notizzettel. Über allem<br />

hing ein einsamer Socken», erinnert sich<br />

Sam Gosling.<br />

Seit 1997 «schnüffelt » Gosling – wie er<br />

es selber nennt – durch die Wohnungen,<br />

Büros, Webseiten und Autos von Mitmenschen.<br />

Aus rein professioneller Neugier,<br />

versteht sich. Der Psychologieprofessor der<br />

Universität Texas studiert unter anderem,<br />

wie sich unsere Persönlichkeit in den physischen<br />

<strong>Struktur</strong>en unseres Lebensumfelds<br />

widerspiegelt. Dafür hat er furchtlos unter<br />

Betten in Studentenbuden gespäht, Bilder<br />

an Wänden gezählt und geschaut, wie wir<br />

unsere Akten sortieren und ob wir Kerzen im<br />

Bad aufstellen. Und festgestellt: Wie ein<br />

Mensch sein Umfeld gestaltet, sagt oft mehr<br />

über seine Werte, Gewohnheiten und Hoffnungen<br />

aus, als er ahnt. «Die meisten Leute<br />

machen sich keine Gedanken, was sie mit<br />

dem Berg Schuhen unter dem Tisch, der welken<br />

Pflanze in der Ecke oder dem Gummihuhn,<br />

das von der Lampe baumelt, preisgeben»,<br />

schreibt Gosling, der die Ergebnisse<br />

seiner Forschung jüngst in einem Buch mit<br />

dem Titel «Snoop. What Your Stuff Says<br />

About You» zusammenfasste.<br />

Autogramme für Konservative<br />

Der Psychologe unterzog die Freiwilligen,<br />

durch deren Privatsphäre er schnüffelte, Persönlichkeitstests<br />

und befragte ihre Freunde.<br />

So stellte er etwa fest, dass Menschen, die<br />

ihr Umfeld mit inspirierenden Zitaten schmücken,<br />

überdurchschnittlich häufig ängstliche<br />

Grübler sind. «Die Poster dienen ihnen als<br />

Ungeübte «Schnüffler » allerdings konzentrieren<br />

sich meist zu sehr auf das, was im<br />

Dekor hervorsteche, hat Gosling gemerkt.<br />

So stürzten sich die Studenten, die dem Professor<br />

bei manchen Schnüffelstudien halfen,<br />

einst in einer penibel aufgeräumten und brav<br />

eingerichteten Wohnung auf eine Haschisch-<br />

Wasserpfeife, die hinter einem Regal stand.<br />

Diese aber gehörte einer Bekannten der<br />

Bewohnerin, war nur kurzzeitig im Haus abgestellt<br />

und taugte damit mitnichten als Indiz<br />

für eine vermeintliche Rebellionslust der<br />

I nhaberin. «Dinge, die herausfallen, sind für<br />

Schnüffler doppelt problematisch», sagt Gosling.<br />

«Sie führen oft in die Irre. Und sie lenken<br />

vom Rest ab.»<br />

Auch missdeuten Laien gewisse Raumcharakteristiken<br />

fast automatisch. Kunstobjekte<br />

oder Bücher über Kunst etwa werden<br />

laut Gosling gern als Hinweis auf politisch<br />

liberale Bewohner gesehen. Tatsächlich besteht<br />

zwischen beiden kein Zusammenhang.<br />

Dagegen gehen Werkzeuge, um Kunst herzustellen<br />

(wie Paletten, Farben oder Schnitzmesser)<br />

durchaus überdurchschnittlich oft<br />

mit einer linkspolitischen Einstellung einher.<br />

Ein Irrtum auch: dass in gemütlich eingerichteten,<br />

farbenfrohen Zimmern zwangsläufig<br />

Menschenfreunde wohnen. Oder dass<br />

ein Raum, in dem alles kunterbunt verstreut<br />

liegt und viele Bücher stehen, jemandem<br />

Fotos: Martin Stollenwerk<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Umfeld <strong>Struktur</strong><br />

2<br />

gehören muss, der extrovertiert ist und<br />

Neues schätzt.<br />

Richtig dagegen: Nicht die Zahl der Bücher,<br />

sondern die Bandbreite ihrer Themen, belegt<br />

die Offenheit eines Geistes. Und gute Beleuchtung<br />

erwies sich als überraschend akkurates<br />

Indiz für den Charakterzug der Gewissenhaftigkeit.<br />

Gosling rät, auch darauf zu achten, wie<br />

Gegenstände arrangiert sind. «Das signalisiert,<br />

welcher Stellenwert ihnen zukommt.»<br />

Sind die Familienfotos des Bürokollegen etwa<br />

so ausgerichtet, dass nur er sie sehen kann –<br />

ein Kraftspender für anstrengende Tage?<br />

Oder strahlen Frau und Kinder Besuchern<br />

entgegen? («Guck, wie toll meine Gattin ist,<br />

und bewundere die Früchte meiner Lenden»,<br />

deutet Gosling solche Arrangements.)<br />

Verräterische Details<br />

Kann man sich verstellen? Nur bedingt.<br />

«Grosse Teile unserer Persönlichkeit lassen<br />

sich nicht unterdrücken, so sehr wir auch<br />

danach trachten mögen», schreibt der amerikanische<br />

Forscher.<br />

Gewiss, wir mögen das Chaos auf dem<br />

Schreibtisch in eine Schublade kehren, bevor<br />

der Chef zu Besuch kommt. Oder die eselsohrigen<br />

Thriller hinter die Bildbände im Wohnzimmerregal<br />

schieben, um ein intellektuelles<br />

Image zu kultivieren.<br />

Doch ein geübter Schnüffler wird schnell<br />

sehen, dass etwa unsere Musiksammlung<br />

zwar in Fächern mit Aufschriften wie «Klassik»<br />

oder «Dance» untergebracht ist, aber die CDs<br />

keineswegs richtig eingeordnet sind, geschweige<br />

denn in der richtigen Hülle stecken.<br />

Oder dass das Teeset, das wir scheinbar für<br />

unsere vielen Besucher bereithalten, völlig<br />

unbenutzt ist.<br />

Denn gerade dort, wo wir die meiste Zeit<br />

verbringen – in unseren Wohnungen und<br />

Büros –, lagern sich die physischen Spuren<br />

unseres Charakters auf- und nebeneinander<br />

ab wie die Schichten einer archäologischen<br />

Fundstätte, bis sie ein Denkmal unseres<br />

Wesens bilden. «Selbst wenn ein Schlafzimmer<br />

gänzlich unbemerkenswert ist, sagt<br />

das etwas über seinen Bewohner aus»,<br />

schreibt Gosling. <<br />

Studentenheime<br />

mit absolut identischen<br />

Zimmern,<br />

aber je nach Bewohner<br />

völlig unterschiedlichen<br />

Ausprägungen<br />

sind ideale<br />

Forschungslabore<br />

für die Feldstudien<br />

des Psychologen<br />

Sam Gosling.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


2<br />

<strong>Struktur</strong> Finanzindustrie<br />

Wohin steuert<br />

die globale<br />

Finanzbranche<br />

nach der<br />

Krise?<br />

Eine Einschätzung von Giles Keating,<br />

Leiter des Global Research der Credit Suisse.<br />

Während sich die Weltwirtschaft allmählich<br />

von der Kreditkrise erholt, zeichnen sich tiefgreifende,<br />

strukturelle Veränderungen ab.<br />

Die globalen Kapitalströme sind nicht mehr<br />

dadurch geprägt, dass Spargelder aus Asien<br />

auf den US-Markt fliessen und dort den Konsum<br />

auf Kredit ankurbeln und das Handelsdefizit<br />

finanzieren. Vielmehr lassen sich in<br />

den USA ein deutlicher Anstieg der Nettosparquote<br />

und ein spürbarer Rückgang<br />

des Handelsdefizits beobachten. Gleichzeitig<br />

üben die Schwellenländer, die einen immer<br />

grösseren Teil der globalen Nachfrage bedienen,<br />

eine zunehmende Anziehungskraft<br />

auf das internationale Anlagekapital aus. Im<br />

Zuge der Finanzkrise ist das globale Finanzsystem,<br />

das diese Ersparnisse rund um den<br />

Erdball verteilt, in seinen Grundfesten erschüttert<br />

worden. Nun gilt es zu analysieren,<br />

mit welchen Entwicklungen in den nächsten<br />

Jahren zu rechnen ist. Dabei gilt es insbesondere<br />

die sich verändernde Rolle der Banken<br />

und die des US-Dollars zu beachten.<br />

Die Banken<br />

US-amerikanische und europäische Banken,<br />

aber nicht ihre asiatischen und lateinamerikanischen<br />

Pendants, haben während der<br />

Krise noch nie dagewesene Verluste erlitten.<br />

Um sich über Wasser zu halten, haben diese<br />

Kreditinstitute Kapital von Regierungen und<br />

Privatanlegern aufgenommen. Allerdings ist<br />

bei vielen Banken weiterhin mit hohen Verlusten<br />

zu rechnen, die einen Grossteil ihrer<br />

Gewinne in den nächsten zehn Jahren wieder<br />

aufzehren dürften. Darüber hinaus stellt<br />

sich eine strukturell entscheidende Frage:<br />

Werden die US-amerikanischen und die<br />

europäischen Banken ihre Leverage erhöhen<br />

und wieder grössere Risiken eingehen, um<br />

das Wirtschaftswachstum im In- und Ausland<br />

zu fördern? Oder werden sie sich eher<br />

zurückhalten, was zur Folge hätte, dass die<br />

Banken der Schwellenländer sowie Direktanlagen<br />

an den Kapitalmärkten an die erste<br />

Stelle treten?<br />

In den letzten Jahrzehnten ist es den USamerikanischen<br />

und den europäischen Banken<br />

insgesamt relativ schnell gelungen, sich<br />

von Kreditengpässen zu erholen und auf<br />

einen soliden Wachstumspfad zurückzufinden.<br />

Ob das auch dieses Mal der Fall sein<br />

wird, ist jedoch ungewiss.<br />

Derzeit herrscht in den USA und Europa<br />

eine rege politische Debatte darüber, wie<br />

sich verhindern lässt, dass die Risiken und<br />

das Leverage abermals überhandnehmen.<br />

Zur Erreichung dieses Ziels stehen den Regierungen<br />

drei Mittel zur Verfügung. Erstens<br />

können sie den Banken, in die der Staat investiert<br />

hat, entsprechende Auflagen erteilen.<br />

Allerdings schrecken die meisten Regierungen<br />

in dieser Hinsicht vor allzu radikalen<br />

Schritten zurück, zumal sie ihre Beteiligungen<br />

früher oder später wieder verkaufen wollen,<br />

wodurch dann diese Einflussmöglichkeit<br />

verloren ginge. Zweitens können sie Banken<br />

dazu zwingen, sich in kleinere und spezialisiertere<br />

Einheiten aufzuspalten. Dies wäre<br />

jedoch eine umstrittene Massnahme, die in<br />

allen Ländern durchgeführt werden müsste,<br />

um die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen<br />

Banken nicht zu beeinträchtigen. Drittens<br />

haben die Regierungen die Möglichkeit, die<br />

gesetzlichen Bestimmungen zu verschärfen.<br />

Die Banken könnten beispielsweise dazu gezwungen<br />

werden, in guten Jahren einen zusätzlichen<br />

Kapitalpuffer für schlechte Zeiten<br />

anzulegen («antizyklische Vorsorge»).<br />

Denkbar wäre auch die Einführung von<br />

Liquiditätsstandards oder die Festsetzung einer<br />

Mindestkernkapitalquote. Dies wäre eine<br />

sinnvolle Ergänzung der bestehenden Regeln,<br />

die geringere Kapitalanforderungen für weniger<br />

riskante Kredite vorsehen (Basel-II-Richtlinien).<br />

Derartige Regeländerungen sind vermutlich<br />

das wichtigste Instrument, mit dem<br />

Regierungen Banken zu beeinflussen suchen,<br />

obwohl eine gleichmässige Anwendung neuer<br />

Bestimmungen auf weltweiter Ebene unwahrscheinlich<br />

ist. Das bedeutet, dass sich das<br />

aufsichtsrechtliche Umfeld von Land zu Land<br />

sehr unterschiedlich entwickeln wird.<br />

Die Auswirkungen all dieser Änderungen<br />

werden wahrscheinlich zwischen den einzelnen<br />

Banken und Ländern unterschiedlich<br />

ausfallen. Unter den grossen US-amerikanischen<br />

und europäischen Instituten, die sich<br />

zuvor im internationalen Investment Banking<br />

betätigten, scheinen sich einige wieder verstärkt<br />

auf inländische Kunden zu konzentrieren;<br />

andere bleiben international ausgerichtet,<br />

wählen jedoch einen deutlich konservativeren<br />

Risikoansatz; eine dritte Gruppe<br />

von Banken indes scheint trotz einer etwas<br />

strengeren Regulierung wieder grössere Risiken<br />

einzugehen. Kurzfristig bedeutet dies<br />

weniger Wettbewerb (und daher grössere<br />

Gelegenheiten für Oligopol-Gewinne) für<br />

jene Finanzinstitute, die im internationalen<br />

Investment Banking aktiv bleiben.<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Finanzindustrie <strong>Struktur</strong><br />

2<br />

Foto: Thomas Eugster<br />

Es gibt jedoch neue Wettbewerber, die auf<br />

den Markt drängen. Einige der asiatischen<br />

Banken, die schon jetzt über eine beträchtliche<br />

Grösse und Marktmacht verfügen, sich<br />

jedoch bisher vor allem auf die heimischen<br />

Märkte konzentriert haben, werden voraussichtlich<br />

bei der Bewegung der globalen<br />

Kapitalströme eine sehr viel grössere Rolle<br />

spielen. In fünf Jahren dürfte daher die Gesamtzahl<br />

der grossen, global agierenden<br />

Banken möglicherweise ähnlich sein wie vor<br />

der Krise, mit dem Unterschied, dass sie geografisch<br />

gleichmässiger verteilt sein werden<br />

und dass US-amerikanische und europäische<br />

Finanzinstitute eine weniger wichtige<br />

Rolle spielen werden. Diese Entwicklung<br />

dürfte vor einem schnellen Wachstum von<br />

Banken der zweiten Reihe in Schwellenländern<br />

begleitet sein, die die Umleitung der<br />

Kapitalströme in ihre expandierenden inländischen<br />

Märkte ermöglichen.<br />

Der US-Dollar<br />

Giles Keating:<br />

«In fünf Jahren<br />

dürfte die Gesamtzahl<br />

der grossen,<br />

global agierenden<br />

Banken möglicherweise<br />

ähnlich<br />

sein wie vor der<br />

Krise, doch werden<br />

sie geografisch<br />

gleichmässiger<br />

verteilt sein.»<br />

Aus mehreren Gründen spielt der US-Dollar<br />

derzeit eine zentrale Rolle im weltweiten<br />

Währungssystem: Er ist die wichtigste Abrechnungs-<br />

und Zahlungswährung im internationalen<br />

Handel, die mit Abstand grösste<br />

Reservewährung in den meisten souveränen<br />

Staaten und die Einheit, an die die meisten<br />

Länder explizit oder implizit ihre eigenen<br />

Währungen koppeln (zumindest teilweise).<br />

Seine Kapitalmärkte sind noch immer die<br />

grössten und liquidesten weltweit, und er<br />

wird von vielen internationalen Investoren zur<br />

Überwachung ihrer Portfolios verwendet.<br />

Viele Marktteilnehmer haben jedoch begonnen,<br />

diese Rolle des US-Dollars infrage zu<br />

stellen, da die Finanzkrise ihr Epizentrum an<br />

den US-Finanzmärkten hatte und die Verschuldung<br />

der USA in den allgemeinen Blickpunkt<br />

gerückt hat.<br />

Die zentrale Rolle des US-Dollars geht auf<br />

die wirtschaftlichen Regelungen nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg zurück, die in Bretton<br />

Woods getroffen wurden. In den 1970er-Jahren<br />

endete der Grossteil dieser Vereinbarungen,<br />

als die Goldbindung des Dollars aufgehoben<br />

wurde und viele Währungen von festen<br />

zu variablen Wechselkursen übergingen.<br />

Eine Zeit lang stand die zentrale Rolle des<br />

Dollars infrage, aber mehrere Gründe sorgten<br />

dafür, dass die US-Währung letztlich ihre<br />

Position beibehalten konnte: Die USA waren<br />

noch immer eine Gläubigernation; die geopolitische<br />

Macht des Landes nahm weiter zu,<br />

als die Sowjetunion auseinanderbrach; und<br />

es gab keine ernsthafte Alternative zum<br />

Greenback.<br />

Heute sind jedoch die Umstände ganz anders.<br />

Die USA sind mittlerweile die grösste<br />

Schuldnernation der Welt. Dies eröffnet<br />

Investoren zwar ein riesiges Anlageuniversum<br />

in Dollar-Papieren, könnte jedoch für<br />

das Land letztlich zu einem Bonitätsverlust<br />

führen. Auf geopolitischer Ebene sind die<br />

USA zwar immer noch bei Weitem das mächtigste<br />

Land, aber vieles deutet daraufhin,<br />

dass wir uns mittelfristig auf eine multipolare<br />

Welt zubewegen, in der auch Länder<br />

wie China und Indien eine massgebliche Rolle<br />

spielen werden. Ausserdem gibt es heute<br />

mit dem Euro eine Währung, die einige der<br />

zuvor vom Dollar ausgeübten Funktionen erfüllt.<br />

Die Devisenreserven in Euro steigen an,<br />

obwohl sie immer noch deutlich kleiner als die<br />

in US-Dollar gehaltenen Reserven sind. Der<br />

Euro dient mittlerweile in zahlreichen anderen<br />

Ländern als wichtige Referenzwährung.<br />

Auch die chinesische Währung, der Renminbi,<br />

könnte in zehn bis zwanzig Jahren eine solche<br />

Rolle übernehmen. Dies setzt jedoch voraus,<br />

dass sich das Wirtschaftswachstum in China<br />

fortsetzt und dass weitere Währungsreformen<br />

stattfinden. Bis dahin ist es in jedem<br />

Fall noch ein weiter Weg, denn derzeit ist die<br />

chinesische Währung noch nicht einmal frei<br />

konvertierbar, und die inländischen Geldmärkte<br />

sind unterentwickelt.<br />

Keiner dieser Faktoren scheint stark genug,<br />

um die Rolle des Dollars als weltweite<br />

Leitwährung in unmittelbarer Zukunft infrage<br />

zu stellen. Auf Sicht von zehn Jahren und im<br />

gleichen Masse, wie sich sowohl die politische<br />

als auch die wirtschaftliche Macht auf<br />

mehrere Akteure verteilt, dürfte jedoch der<br />

Dollar seine Führungsrolle verlieren. Ein mögliches<br />

Szenario besteht darin, dass Dollar,<br />

Euro und Renminbi ein Währungssystem bilden,<br />

in dem jede der drei Währungen den<br />

anderen Ländern der jeweiligen Region als<br />

Referenz-, Reserve-, Zahlungs- und Abrechnungswährung<br />

dient. Denkbar wäre auch<br />

eine Anpassung des IWF-Währungskorbs<br />

(der so genannten Sonderziehungsrechte),<br />

um Schwellenländerwährungen wie den Renminbi<br />

aufzunehmen.<br />

Fazit<br />

Die Kreditkrise hat die Entwicklung hin zu<br />

einer multipolaren Welt verstärkt, und dies<br />

dürfte sich in vielfältiger Weise im Finanzsystem<br />

widerspiegeln. Während die Dominanz<br />

des US-Dollars und der US-Finanzinstitute<br />

ihrem Ende entgegengeht, werden<br />

andere Länder, Währungen, Kapitalmärkte<br />

und Banken deutlich an Gewicht gewinnen.<br />

Wie andere grosse Veränderungen wird auch<br />

dieser strukturelle Wandel für Anleger sowohl<br />

Chancen als auch Risiken mit sich bringen. <<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


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Credit Suisse Young Artist Award<br />

Echo. Echo. Echo.<br />

wirklich unmittelbar vor einer<br />

grossen Karriere? Am 21. Oktober<br />

sind nun wohl die allerletzten<br />

Zweifel verflogen: Bei der Verleihung<br />

des renommierten Echo-<br />

Klassik in Dresden kamen gleich<br />

drei CSYAA-Preisträger zu Ehren:<br />

Sol Gabetta wurde für ihr Celloconcert<br />

Nr. 2 von Dmitri Schostako-<br />

witsch geehrt, Martin Helmchen<br />

für seine Klaviersonate D 959 von<br />

Franz Schubert und dazu Patricia<br />

Kopatchinskaja zusammen mit<br />

Fazil Say für ihre Interpretationen<br />

von Beethoven («Kreutzersonate»),<br />

Ravel, Bartók und Say. Für Sol<br />

Gabetta (2007) und Martin Helmchen<br />

(2006) war es sogar bereits<br />

der zweite Echo-Klassik.<br />

Fotos: Martin Stollenwerk | Credit Suisse<br />

Im August wurde am Lucerne Festival<br />

der fünfte Prix Credit Suisse<br />

Jeunes Solistes an den Pianisten<br />

Andriy Dragan überreicht (siehe<br />

Seite 47). Auch der internationale<br />

Credit Suisse Young Artist Award<br />

(CSYAA) ist bereits fünfmal verliehen<br />

worden – von einer hochkarätigen,<br />

kompetenten Jury unter<br />

der Leitung von Michael Haefliger,<br />

Intendant Lucerne Festival. Und<br />

doch bleibt immer eine kleine Restunsicherheit:<br />

Haben die Richtigen<br />

den Preis erhalten? Stehen sie<br />

Verwaltungsrat Credit Suisse<br />

Benmosche ausgetreten<br />

Wegen seiner Ernennung zum<br />

CEO des US-Versicherers AIG ist<br />

Robert H. Benmosche Anfang<br />

August nach sieben erfolgreichen<br />

Jahren aus dem Verwaltungsrat<br />

der Credit Suisse ausgetreten.<br />

In diesem hatte Robert H. Benmosche<br />

seit 2003 auch dem Compensation<br />

Committee angehört.<br />

3%<br />

Sorgenbarometer 200 Die Arbeitslosigkeit<br />

war 200 für 3 Prozent der Schweizerinnen<br />

und Schweizer die Hauptsorge,<br />

gefolgt vom Gesundheitswesen und von der<br />

Altersvorsorge. Die Resultate der neuen<br />

Umfrage werden bereits Mitte Dezember im<br />

nächsten <strong>bull</strong>etin publiziert. Wie wirkt sich<br />

die Wirtschaftskrise auf die Befindlichkeit<br />

der Schweizer Bevölkerung aus? Als übergeordnetes<br />

Thema haben wir «Verantwortung»<br />

gewählt. Das nächste <strong>bull</strong>etin geht also<br />

uns alle an.<br />

Der ab den 10er-Jahren gebaute Uetlihof-Gebäudekomplex<br />

war 13 mit dem «Grünpreis der Stadt Zürich»<br />

und 1 von der Stiftung Natur und Wirtschaft als<br />

«Naturpark der Schweizer Wirtschaft» ausgezeichnet<br />

worden. Auch auf der am 2. Juni begonnenen Grossbaustelle<br />

wird ökologischen Gesichtspunkten Rechnung<br />

getragen. Bis jetzt läuft alles nach Plan. Die Inbetriebnahme<br />

des Gebäudes mit mehr als 2000 Arbeitsplätzen<br />

erfolgt im Herbst 2011.<br />

Branch Excellence<br />

Schaffhausen und Pully<br />

Ende 2008 berichteten wir, dass<br />

in Biel die 50. nach dem Branch-<br />

Excellence-Konzept umgebaute<br />

Filiale wieder eröffnet werden<br />

konnte. Mit den Geschäftsstellen<br />

Schaffhausen und Schönenwerd<br />

ist man nun bei 65 angelangt,<br />

wobei 20<strong>09</strong> die Romandie mit<br />

Delsberg, Montreux (im Bild),<br />

Genf Eaux-Vives, Pully und EPFL<br />

Lausanne gleich fünfmal zum<br />

Zuge kam. Die Filialen sind nicht<br />

nur moderner, heller und kundenfreundlicher,<br />

sondern auch nach<br />

modernsten ökologischen Kriterien<br />

gestaltet worden. Zudem wird<br />

darauf geachtet, dass auch Leute<br />

mit einem körperlichen Handicap<br />

optimalen Zugang zu den Bankdienstleistungen<br />

erhalten. In<br />

wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />

ist auch das Bauvolumen –<br />

allein in Zürich-Aussersihl zehn<br />

Millionen Franken – von erheblicher<br />

Bedeutung.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


32 Credit Suisse<br />

Live at Sunset klingt nach<br />

Nach dem Festival ist vor …<br />

und frühere französische Premierminister<br />

Michel Rocard verpflichtet<br />

werden.<br />

Interview mit Michel Rocard unter<br />

www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Die Einheimischen retten<br />

die Salzburger Festspiele<br />

Trotz Wirtschaftskrise und Schweinegrippe<br />

ist die Rechnung der Salzburger<br />

Festspiele auch 200 aufgegangen.<br />

In total 20 Veranstaltungen wurden<br />

24 432 Besucher aus Nationen<br />

registriert, wie Präsidentin Helga Rabl-<br />

Stadler, Intendant Jürg Flimm und<br />

der Kaufmännische Direktor Gerbert<br />

Schwaighofer ausführten.<br />

Obwohl die Besucherzahlen aus<br />

China und Russland massiv zunahmen<br />

und jene aus der Schweiz stabil blieben,<br />

waren es die Salzburger selbst sowie<br />

die Bayern, die mit Spontankäufen die<br />

Bilanz entscheidend verbesserten.<br />

Zwar ernteten die meisten Vorstellungen<br />

Lob, aber hin und wieder<br />

sprach man von einer «angezogenen<br />

Handbremse».<br />

Zu den Glanzpunkten gehörte die<br />

Oper «Al gran sole carico d’amore»<br />

von Luigi Nono, die von Regisseurin<br />

Katie Mitchell mit Live-Videoaufnahmen<br />

theatergerecht inszeniert und von<br />

Ingo Metzmacher musikalisch eindrücklich<br />

umgesetzt wurde.<br />

Im Bild, oben: Charles Naylor, Chief<br />

Communication Officer der Credit<br />

Suisse, begrüsst als ehemaliger Opernsänger<br />

0 Journalisten zur «Sommerbegegnung»<br />

mit den Exponenten der Aufführung.<br />

Ganz vorne Nuria Nono. Unten:<br />

die vier Sopranistinnen Virpi Räisänen,<br />

Elin Rombo, Sarah Tynan und Anna<br />

Prohaska und, ganz rechts, die Altistin<br />

Susan Bickley. Mehr auf Seite 44 sowie<br />

unter www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

«Die Grossbank<br />

Credit Suisse,<br />

die Nummer 2,<br />

hat über Jahre<br />

hinweg eine<br />

konstante Leistung<br />

und Plätze<br />

an der Spitze<br />

vorzuweisen<br />

(…). Die Credit<br />

Suisse beeindruckt<br />

zwar<br />

nicht mit schönen<br />

Bildern,<br />

sie überzeugte<br />

jedoch die Jury<br />

mit einer klaren<br />

Aufteilung und<br />

einer logischen<br />

Abfolge des<br />

Berichts. Die<br />

Tiefe der Analyse<br />

ist überdurchschnittlich<br />

im Vergleich<br />

zu anderen Berichten.»<br />

Im Geschäftsberichte -<br />

Rating 20<strong>09</strong> belegt<br />

die Credit Suisse<br />

den zweiten Platz<br />

hinter Kuoni und vor<br />

Novartis.<br />

Das 14. Live-at-Sunset-Festival<br />

endete trotz teilweise garstigem<br />

Wetter mit einem Besucherrekord:<br />

An den zwölf Abenden strömten<br />

35 000 Besucher auf die Dolder-<br />

Eisbahn auf dem Zürcher Adlisberg.<br />

Und auch die eingeladenen Musiker<br />

erfüllten die hochgesteckten<br />

Erwartungen, nicht zuletzt der Brite<br />

Jamie Cullum und die Schweizerin<br />

Sophie Hunger. Die japanischen<br />

Kodo-Trommler überzeugten wie<br />

die französische Chansonnière<br />

Patricia Kaas und der Schweizer<br />

Monsieur Magique Stephan Eicher.<br />

Und auch Katie Melua und Amy<br />

McDonald (im Bild) verzauberten<br />

ihre Schweizer Fans.<br />

www.liveatsunset.ch; Interviews<br />

mit Sophie Hunger und Amy McDonald<br />

auf www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Konjunkturausblick 2010<br />

Michel Rocard blickt voraus<br />

Die letzten Monate des Jahres<br />

sind bei vielen Kundenanlässen der<br />

Credit Suisse dem Ausblick auf<br />

das kommende Jahr gewidmet. Auf<br />

ganz besonderes Interesse stiessen<br />

am 30. September und 1. Oktober<br />

die «Perspectives» in Lausanne und<br />

Genf, konnte doch als Gastredner<br />

der bekannte sozialistische Politiker<br />

Anzeige<br />

Ehrenvolle Ernennung<br />

Neuer CIO Private Banking<br />

Mitte Juli wurde Stefan Keitel zum<br />

Chief Investment Officer (CIO)<br />

des Private Banking und zum Chairman<br />

des Credit Suisse Investment<br />

Committee ernannt. Hier arbeitet er<br />

eng mit Giles Keating, Leiter Global<br />

Research der Divisionen Private<br />

Banking und Asset Management,<br />

zusammen. In seiner neuen Funktion<br />

ist Stefan Keitel, der seit 2001<br />

für die Credit Suisse arbeitet,<br />

für kurz-, mittel- und langfristige<br />

Anlageeinschätzungen und Asset-<br />

Allocation-Empfehlungen über<br />

alle Kundensegmente verantwortlich.<br />

Seine bisherige Funktion<br />

als Global CIO des Geschäftsbereichs<br />

Multi Asset Class Solutions,<br />

einem Teil der Division Asset<br />

Management, nimmt Keitel weiterhin<br />

wahr.<br />

Nationale Tage Minergie-P<br />

Nachhaltiges Bauen fördern<br />

Rund 80 Besitzer von Minergie-<br />

P-Häusern in der ganzen Schweiz<br />

haben am 7. und 8. November<br />

ihre Türen geöffnet, um bau- oder<br />

umbauwilligen Besuchern die<br />

Gelegenheit zu bieten, die Vorzüge<br />

der Minergie-Bauweise kennenzulernen.<br />

Die Credit Suisse, die<br />

selber eine Minergie-Hypothek zu<br />

Sonderkonditionen anbietet, unterstützte<br />

wie im Vorjahr als Patronatspartner<br />

den Anlass, der immer<br />

grössere Beachtung findet.<br />

www.credit-suisse.com/wohnen;<br />

www.minergie.ch<br />

Classic Cars<br />

Goodwood Revival<br />

Über 130 000 Zuschauer besuchten<br />

vom 17. bis 20. September das<br />

11. Goodwood Revival in Sussex,<br />

England, zu dessen Sponsoren neu<br />

auch die Credit Suisse gehört.<br />

Der Anlass ist einzigartig in seiner<br />

Art. Auf dem legendären Circuit<br />

von Goodwood werden mit Exponaten<br />

des Rennsports der 1950erund<br />

1960er-Jahre stilecht die glor-<br />

Fotos: Wolfgang Lienbacher | Sebastian Schiendorfer | Daniel Huber | kammerorchesterbasel<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 33<br />

reichen Tage jener Zeit zelebriert.<br />

So ist das Tragen von Kleidern aus<br />

dieser Zeit nicht nur bei den Offiziellen<br />

und Fahrern, sondern auch<br />

bei den Zuschauern Ehrensache.<br />

In den insgesamt 16 Rennen lieferten<br />

sich die Fahrer – unter ihnen<br />

Grössen wie Derek Bell, Jochen<br />

Mass oder David Coulthard – zum<br />

Teil halsbrecherische Duelle. Zudem<br />

wurde Sir Stirling Moss anlässlich<br />

seines 80. Geburtstags mit einer<br />

Parade seiner 80 wichtigsten Autos<br />

geehrt. www.goodwood.co.uk<br />

Nachhaltige Investments<br />

Fair, clean, gewinnbringend<br />

Auf riesiges Interesse stiess am<br />

20. Oktober im Technopark Zürich<br />

der erste Swiss Equity sustainability<br />

day, der von der Credit Suisse<br />

als Premium Partner unterstützt<br />

worden ist. Nach dem einleitenden<br />

Referat von Christopher Flavin,<br />

Präsident Worldwatch Institute,<br />

über den «New Green Deal», der<br />

hilft, die weltweite Wirtschaftskrise<br />

zu überwinden, stellten sich Unternehmen<br />

mit grüner Technologie<br />

vor. Daneben wurden Fachreferate<br />

geboten, seitens der Credit Suisse<br />

von Nannette Hechler-Fayd’herbe<br />

(«Mikrofinanz nach der globalen<br />

Krise») und Lars Kalbreier («Ressourceneffizienz<br />

– die tief hängende<br />

Frucht der Nachhaltigkeit»).<br />

Den Abschluss bildete eine Paneldiskussion<br />

unter der Leitung von<br />

Antoinette Hunziker-Ebneter, Forma<br />

Futura Invest AG.<br />

www.sustainabilityday.ch<br />

Jazz Recitals und Jazz Classics<br />

Jazz vom Allerfeinsten<br />

Neben dem Schaffhauser Jazzfestival,<br />

den Stanser Musiktagen<br />

sowie Estival Jazz Lugano bilden<br />

seit 1996 die All-Blues-Konzertreihen<br />

«Jazz Classics» und «Jazz<br />

Recitals» – rund 20 Konzerte<br />

zwischen Oktober und Mai in sieben<br />

Schweizer Städten – ein klingendes<br />

Schwergewicht des Kultursponsorings<br />

der Credit Suisse.<br />

Bereits wieder vorbei sind die Auftritte<br />

von Roberto Fonsecca,<br />

Cassandra Wilson und The Manhattan<br />

Transfer, doch noch gibt es<br />

musikalische Leckerbissen genug:<br />

Ron Carter, Dee Dee Bridgewater,<br />

Abdullah Ibrahim, Ahmad Jamal,<br />

Dianne Reeves, Bobby McFerrin<br />

und Mare Nostrum.<br />

www.allblues.ch; www.credit-suisse.<br />

com/sponsoring > jazz<br />

Giovanni Giacometti, «Fanciulli al sole», 110, Öl auf Leinwand, 1,3 x 100 cm,<br />

Depositum der Gottfried-Keller-Stiftung/Kunstmuseum Bern, Schenkung<br />

Stiftung Gemäldesammlung Emil Bretschger<br />

Kunstmuseum Bern und Bündner Kunstmuseum Chur<br />

Giovanni Giacometti – ein Meister der Lichtorchestrierung<br />

Das Kunstmuseum Bern setzt seine Reihe der bedeutenden Schweizer<br />

Maler auf attraktive Weise fort. Nach Amiet, Anker, Vallotton und Hodler<br />

widmet sich die aktuelle grosse Ausstellung unter dem Aspekt «Farbe<br />

im Licht» dem Bündner Giovanni Giacometti (1868–1933), dem Vater von<br />

Alberto Giacometti, der zwischen Impressionismus, Postimpressionismus<br />

und Fauvismus die wesentlichen Neuerungen der Moderne aufgenommen<br />

und weiterentwickelt hat. Rund 100 Gemälde belegen bis zum 21. Februar<br />

2010 in Bern sowie anschliessend vom 19. März bis Ende Mai in Chur<br />

die grosse koloristische Kraft Giacomettis und seine geniale, vibrierende<br />

Lichtorchestrierung. Ergänzend werden zum Vergleich einige Werke von<br />

Zeitgenossen wie Amiet und Segantini gezeigt. www.kunstmuseumbern.ch<br />

Online-Forum Die Cellistin Sol Gabetta<br />

erhielt 20<strong>04</strong> den Credit Suisse Young Artist<br />

Award. Der Höhenflug geht weiter: Soeben<br />

hat sie zum zweiten Mal einen Echo-Klassik-<br />

Preis erhalten. Sie haben die Möglichkeit,<br />

Sol Gabetta bis zum 1. Dezember Fragen<br />

zu stellen und Konzertkarten zu gewinnen.<br />

www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Business School<br />

Partnerschaft in Moskau<br />

Im Juli ist die Credit Suisse als<br />

einziger internationaler Bankkonzern<br />

eine Partnerschaft mit der<br />

Moskauer Business School Skolkovo<br />

eingegangen. Skolkovo ist<br />

2006 mit einer Trägerschaft aus<br />

russischen und internationalen Geschäftsleuten<br />

ins Leben gerufen<br />

worden. Als Gründungspartner unterstützt<br />

die Credit Suisse die Business<br />

School mit Bankleuten als Dozenten<br />

am MBA-Vollzeitprogramm.<br />

Osec – Partner der Credit Suisse<br />

Sonderfonds für Export<br />

Die Osec unterstützt KMU-Exportförderprojekte<br />

von Drittanbietern<br />

mit Finanzierungsbeiträgen. In einer<br />

ersten Tranche wurden für 15 Projekte<br />

630 000 Franken gesprochen.<br />

Am 15./16. April 2010 geht<br />

es beim Aussenwirtschaftsforum<br />

darum, Lehren aus der Krise zu ziehen<br />

und den EU-Markt mit Fokus<br />

auf Deutschland zu beleuchten.<br />

Texte: Andreas Schiendorfer<br />

Anzeige<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


34 Credit Suisse<br />

Georges Seurat im Kunsthaus Zürich<br />

Johann Heinrich Füssli, Alberto Giacometti, Claude Monet, Georgia O’Keeffe, Auguste Rodin<br />

und William Turner haben eine Gemeinsamkeit: Die Credit Suisse hat eine ihnen gewidmete<br />

Ausstellung im Kunsthaus Zürich ermöglicht. Mit Georges Seurat wird nun bis zum 17. Januar 2010<br />

ein wichtiger Wegbereiter der Moderne beleuchtet.<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse<br />

3<br />

Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La<br />

Grande Jatte. Eine wunderbare Momentaufnahme<br />

des beliebten Ausflugsorts auf der<br />

Seine. Georges Seurat stellte dieses über<br />

zwei auf drei Meter grosse Bild, das sich im<br />

The Art Institute of Chicago befindet, 1886<br />

an der letzten Impressionistenausstellung<br />

aus. Es war der viel diskutierte Mittelpunkt,<br />

und der 27-jährige Künstler wurde zum Zentrum<br />

einer Avantgarde, die lautstark an die<br />

Türen der klassischen Moderne pochte.<br />

«Sie sehen Poesie in<br />

meiner Malerei. Nein, ich<br />

wende meine Methode an,<br />

und das ist alles.»<br />

Georges Seurat<br />

Foto: Georges Seurat, «Étude d’ensemble pour ‹Un Dimanche à la Grande Jatte›», 1884, The Metropolitan Museum of Art, Bequest of Sam A. Lewisohn, 1951<br />

So poetisch dieses Schlüsselwerk anmutet,<br />

so konstruiert ist es letztlich, inhaltlich und<br />

formal. Erstmals wandte Seurat die Technik<br />

des Pointillismus in letzter Konsequenz an.<br />

Er setzte ungemischte kleine Farbflecke<br />

dicht nebeneinander; erst im Auge des<br />

Betrachters vermischen sich diese reinen<br />

Farben. Sein Malstil ist wissenschaftlich begründet,<br />

seine Arbeitsweise durch Disziplin<br />

geprägt. Die scheinbar spontane Szene von<br />

«La Grande Jatte» ist durch die Verbindung<br />

der impressionistischen Pleinair-Malerei mit<br />

der akademischen Atelierkunst entstanden.<br />

Während Monaten besuchte Seurat diese<br />

Seine-Insel und fertigte über 20 Zeichnungen<br />

und 30 Croquetons (Studien auf kleinen<br />

Holztafeln) an. Das Gemälde mit über<br />

40 Personen entstand danach im Atelier.<br />

Dabei karikierte er die Kleidermode und<br />

die dekadente bürgerliche Moral. Zeitgenossen<br />

erkannten, dass es sich bei der Frau<br />

mit Angel und der Frau im Vordergrund, die<br />

einen Affen an der Leine führt, um Cocottes,<br />

Prostituierte, handelt.<br />

Seurats Bedeutung wird gemeinhin zu<br />

wenig gewürdigt, weil er bereits mit 31 Jahren<br />

an Diptherie starb. Zudem ist sein Werk<br />

heute weit verstreut und zu einem beträchtlichen<br />

Teil in Privatbesitz. Eine Retrospektive<br />

in der Qualität der Zürcher Ausstellung<br />

wird sich, auch wegen des sensiblen Zustands<br />

einiger Hauptwerke, künftig kaum<br />

mehr realisieren lassen. schi<br />

Kunsthaus Zürich. Georges Seurat. Figur<br />

im Raum. Über 0 Gemälde und Zeichnungen.<br />

2. Oktober 200 – 1. Januar 2010.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


36 Credit Suisse<br />

Die Filmwelt zu Gast in Zürich<br />

Das Zurich Film Festival hat sich in seinem fünften Jahr endgültig etabliert. Karl Spoerri<br />

und Nadja Schildknecht haben es, zusammen mit Christine von Fragstein und Nikolaj Nikitin,<br />

verstanden, Glamour und Nachwuchsförderung optimal zu verbinden.<br />

Master Class 1: Morgan Freeman beantwortet<br />

die kniffligen Fragen der jungen Regisseure.<br />

An der Closing Night treffen sich die Stars von heute mit den Stars von morgen.<br />

Master Class 2: Terry Gilliam diskutiert über seinen<br />

neuen Film «The Imaginarium of Dr. Parnassus».<br />

Master Class 3: Monika Schärer moderiert<br />

den Nachmittag mit «Easy Rider » Peter Fonda.<br />

30 Wettbewerbsfilme, 36 Regisseure. Namen,<br />

von denen man, seien wir ehrlich, vor dem<br />

Zurich Film Festival keine drei gekannt hat.<br />

Das hat sich geändert. Natürlich werden sich<br />

die Filmfans wenige davon dauerhaft merken<br />

können; aber man wird sich später an<br />

sie erinnern, wenn man ihnen wieder begegnet.<br />

Und, keine Frage, einige der nach Zürich<br />

gereisten Regisseure werden den Durchbruch<br />

schaffen und dann vielleicht, 2020, am<br />

Zurich Film Festival als gefeierte Stars über<br />

den Roten Teppich laufen.<br />

An Sun-Kyong, Cherien Dabis, Martin<br />

Pieter Zandvliet, Adrian Biniez, Lynn Shelton,<br />

Peter Strickland, Reshef Levy, Tina Mabry,<br />

Mia Hansen-Love, Julia Solomonoff, Henry<br />

Barnadet, Myriam Verreault, Cary Jôji Fukunaga<br />

und Vasilij Sigarev hiessen die Teilnehmer<br />

des Internationalen Spielfilmwettbewerbs.<br />

Frieder Wittich, Carsten Ludwig und<br />

Jan-Christoph Glaser, Lancelot von Naso,<br />

Lutz Konermann, Maximilian Erlenwein, Wolfgang<br />

Groos, Markus Welter und Marco Antoniazzi<br />

kämpften um den Preis für den Besten<br />

Deutschsprachigen Spielfilm. Arantxa Aguirre,<br />

Anita Blumer, Yoav Shamir, Davide Barletti,<br />

Edoardo Cicchetti, Lorenzo Conte, Christoph<br />

Heller, Gabriel Noble, Fernanda Tornaghi,<br />

Ricardo Bruno, Greg Barker, Patrik Soergel<br />

und Ryan Fenson-Hood bewarben sich um<br />

das Goldene Auge für den Besten Dokumentarfilm.<br />

<strong>bull</strong>etin wird die drei Siegerteams (fettgedruckt)<br />

Anfang 2010 porträtieren. schi<br />

Fotos: Sebastian Schiendorfer | Zurich Film Festival | SVC<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 37<br />

Unternehmertum fördern<br />

Die Schweizer KMU sollen künftig von einer «Stiftung für das<br />

Unternehmertum» profitieren. Der Swiss Venture Club will eine Million<br />

Franken einschiessen, wenn sich weitere Stifter finden.<br />

Roter Teppich: Jurypräsidentin Debra Winger<br />

zusammen mit «Grease»-Regisseur Randal Kleiser.<br />

Michael Keaton gewährt der Credit Suisse ein<br />

Exklusivinterview über «The Merry Gentleman».<br />

Hannah Herzsprung und Daniel Brühl («Lila, Lila»)<br />

mit Urs Rohner, Vizepräsident der Credit Suisse.<br />

«Grenzen überwinden», lautete an der Jahresversammlung<br />

des Swiss Venture Club (SVC)<br />

in Bern das Thema der von Dirk Schütz,<br />

Chefredaktor «Bilanz», geleiteten Podiumsdiskussion.<br />

Es war interessant und anregend<br />

zu erfahren, was denn die Berufsmilitärpilotin<br />

Susanne Siegenthaler­Schürmann, der<br />

Herzchirurg Thierry Carrel sowie Thomas<br />

Lamperstorfer, CEO Porsche Schweiz, genau<br />

darunter verstehen.<br />

Grenzen überwindet der Swiss Venture<br />

Club jeweils auch bei seinen Unternehmerreisen<br />

in neue Märkte – zum zweiten Mal ging<br />

es im Oktober nach Indien, und im November<br />

stand eine Reise nach China und Vietnam<br />

auf dem Programm, dies in Zusammenarbeit<br />

mit der Credit Suisse und der Osec.<br />

Mit Partnern geht es besser<br />

Hans­Ulrich Müller, einer der engagiertesten<br />

Promotoren der Schweizer KMU, stellte sich für<br />

zwei weitere Jahre als Präsident zur Verfügung.<br />

An der bereits im September durchgeführten<br />

Jahresversammlung wurde deutlich, wie gut<br />

vernetzt der SVC mittlerweile ist und dass er<br />

nicht den Alleingang sucht, wenn es Partner<br />

gibt, mit denen zusammen man schneller,<br />

besser und auch kostengünstiger ans Ziel<br />

kommt. Laut Präsident Hans­Ulrich Müller<br />

darf der SVC gegenwärtig auf die Unterstützung<br />

von mehr als 500 verschiedenen Partnern<br />

und Sponsoren zählen.<br />

Auch beim ambitiösen Projekt einer «Stiftung<br />

für das Unternehmertum» setzt der SVC<br />

auf Vernetzung. Zwar haben die Mitglieder<br />

praktisch einstimmig beschlossen, maximal<br />

eine Million Franken in diese Stiftung einzuschiessen<br />

und auch nachher die Verantwortung<br />

zu übernehmen, indem man mindestens<br />

zwei Stiftungsräte stellt, doch die Gründung<br />

findet erst statt, wenn man einen oder mehrere<br />

Partner gefunden hat, die zusammen<br />

mindestens eine weitere halbe Million Franken<br />

einbringen.<br />

«Die Stiftung setzt sich vor allem für die<br />

kleinen und mittleren Unternehmen ein, ist<br />

in allen Wirtschaftsregionen der Schweiz<br />

tätig und will vor allem auch für bessere Rahmenbedingungen<br />

kämpfen, um die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Schweiz zu fördern», erklärt<br />

dazu Hans­Ulrich Müller. «Dies ist,<br />

gerade für KMU, dringend nötig, auch wenn<br />

das World Economic Forum in einer Studie<br />

die Schweiz als wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft<br />

der Welt bezeichnet hat.» (Siehe<br />

Seite 38)<br />

Die Stiftung wird in vier verschiedenen<br />

Bereichen tätig sein: Bildung, Öffentlichkeit,<br />

Nachhaltigkeit und Engagement. Damit betritt<br />

sie, wenn man die bisherige Tätigkeit des<br />

SVC anschaut, nicht völliges Neuland, aber<br />

die Stiftung wird es erlauben, neue Akzente<br />

zu setzen, indem man neue Kräfte, neue Projekte<br />

und auch neue Geldmittel generieren<br />

kann.<br />

Vorstand für zwei Jahre wiedergewählt<br />

Sonst warf die Jahresversammlung keine<br />

hohen Wellen, und das bedeutet letztlich<br />

nichts anderes, als dass der SVC auf Kurs<br />

ist, auf Erfolgskurs.<br />

Dementsprechend wurden denn auch alle<br />

Vorstandsmitglieder für weitere zwei Jahre<br />

in ihrem zeitaufwändigen Ehrenamt bestätigt:<br />

Präsident Hans­Ulrich Müller, Vizepräsidentin<br />

Elisabeth Zölch­Balmer, Sekretär<br />

Beat Brechbühl sowie Peter Bühler, Denis<br />

Grisel und Silvio Tarchini; Heinrich Christen<br />

und Heinz Herren waren bereits vor einem<br />

Jahr wiedergewählt worden. schi<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


38 Credit Suisse<br />

Der Wettstreit der Kantone<br />

stärkt die Wirtschaft<br />

Zug und Zürich führen den Standortqualitätsindikator der Credit Suisse an,<br />

diesmal vor Basel-Stadt und Genf. Das Kredithandbuch der Kantone weist<br />

Appenzell Ausserrhoden, Nidwalden, Schwyz sowie Zug und Zürich ein AAA zu.<br />

Attraktiv<br />

1. Zug<br />

2. Zürich<br />

3. Basel-Stadt<br />

4. Genf<br />

5. Nidwalden<br />

6. Aargau<br />

7. Schwyz<br />

8. Obwalden<br />

9. Schaffhausen<br />

10. Thurgau<br />

11. Basel-Landschaft<br />

12. Appenzell Ausserrhoden<br />

Im Schweizer Mittel<br />

13. Solothurn<br />

14. Waadt<br />

15. Appenzell Innerrhoden<br />

16. Luzern<br />

17. St. Gallen<br />

18. Bern<br />

Weniger attraktiv<br />

19. Graubünden<br />

20. Fribourg<br />

21. Tessin<br />

22. Glarus<br />

23. Wallis<br />

24. Neuenburg<br />

25. Uri<br />

26. Jura<br />

Die Stärke der Schweizer Wirtschaft rührt<br />

auch daher, dass sich die Schweizer Kantone<br />

in einem Standortwettstreit befinden und<br />

sich laufend um Verbesserungen bemühen<br />

müssen. Dieser Wettbewerb um Investitionen,<br />

Arbeitsplätze und Einwohner hat im<br />

Zeichen der Rezession, aber auch der steigenden<br />

Mobilität und der Abnahme administrativer<br />

Hürden weiter an Intensität zugenommen.<br />

Die Credit Suisse berechnet und<br />

publiziert seit 20<strong>04</strong> jährlich einen Standortqualitätsindikator,<br />

der auf fünf zentralen Faktoren<br />

in den Bereichen Steuerbelastung,<br />

Ausbildung der Bevölkerung und verkehrstechnische<br />

Erreichbarkeit basiert.<br />

«Zahlreiche Kantone haben ihre steuerliche<br />

Attraktivität steigern können, wobei<br />

dies von der Neugestaltung des Finanzausgleichs<br />

und der Aufgabenteilung (NFA) sowie<br />

von Jahren hoher Überschüsse bei den Kantonsfinanzen<br />

begünstigt wurde», hält das<br />

Autorenteam Sara Carnazzi Weber, Viktor<br />

Holdener, Thomas Rühl und Nora Sydow von<br />

Economic Research fest. «Wie schon im Vorjahr<br />

wird die Rangliste von den Kantonen Zug<br />

und Zürich angeführt. Zugs Stärken einer<br />

tiefen Steuerbelastung, einer gut ausgebildeten<br />

Bevölkerung sowie schneller Wege in<br />

die anderen Schweizer Zentren erweisen<br />

sich als ideale Kombination von Vorteilen.<br />

Zentrumskantone wie Basel-Stadt und Genf<br />

profitierten noch stärker von ihren ausgezeichneten<br />

Lokalverkehrsverbindungen und<br />

dem Knotenfahrplan der SBB. Im Mittelfeld<br />

der Rangliste haben Kantone wie Schaffhausen,<br />

Thurgau und St. Gallen dank Steuersenkungen<br />

ihre Position verbessert.»<br />

Dass sich eine engagierte Standortpolitik<br />

auszahlen kann, zeigt das Beispiel des Gebirgskantons<br />

Graubünden, der sich trotz anspruchsvoller<br />

Topografie seit 20<strong>04</strong> im Standortqualitätsindikator<br />

kontinuierlich verbessern<br />

konnte. Den markantesten Aufstieg in<br />

diesen fünf Jahren verzeichnete aber der<br />

Kanton Basel-Stadt.<br />

Die diesjährige SQI-Studie der Credit<br />

Suisse zeigt aber auch auf, dass die Standortqualität<br />

nicht immer gleichzusetzen ist mit<br />

der finanziellen Wohnattraktivität. In den traditionellen<br />

Zentralschweizer Tiefsteuerkantonen<br />

und den Regionen um den Zürichsee<br />

wird eine tiefe Steuerbelastung für natürliche<br />

Personen regelmässig mit höheren Immobilienpreisen<br />

bezahlt. «Einzelne Regionen zeigen<br />

bereits eine deutliche Überbewertung<br />

der Immobilien relativ zur Einkommensentwicklung<br />

auf», warnt Economic Research.<br />

Der finanzielle Spielraum geht zurück<br />

Das Kredithandbuch der Schweizer Kantone<br />

ist in einer verkürzten Form gegenüber Oktober<br />

2007 neu aufgelegt worden. Dabei wurde<br />

zwar festgestellt, dass die meisten Kantone<br />

im Zuge der boomenden Wirtschaft ihre Finanzkennzahlen<br />

im Wesentlichen verbessert<br />

haben. Dies schlägt sich im Rating aber<br />

Schweiz liegt an der Spitze<br />

Die Schweiz ist laut World Economic Forum (WEF ) der weltweit attraktivste<br />

Tourismusstandort und besitzt auch die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft.<br />

Die weltweite Wirtschaftskrise hinterlässt<br />

auch in der Schweiz deutliche Spuren. Die<br />

Exporte verringerten sich im Zeitraum von<br />

Januar bis Juli 20<strong>09</strong> gegenüber dem Vorjahr<br />

um 15,6 Prozent, die Zahl der Logiernächte<br />

ging um 7 Prozent zurück.<br />

Diesen Rückgang gilt es ernst zu nehmen<br />

und zu bekämpfen. Gleichzeitig bescheinigen<br />

aber zwei neue Studien des World Economic<br />

Forum der Schweiz Spitzenpositionen. Die<br />

anderen Länder sind offensichtlich weniger<br />

gut aufgestellt.<br />

Der im März publizierte «Travel & Tourism<br />

Competitiveness Report » ( TTCR) sieht die<br />

Schweiz wie schon im Vorjahr vor Österreich<br />

und Deutschland an der Spitze von rund<br />

130 Staaten, die anhand von 60 Kriterien<br />

untersucht wurden. Diese berücksichtigen<br />

Sicherheit und Gesundheit, Infrastruktur, das<br />

lokale Preisniveau, gesetzliche Regulierungen<br />

sowie Umwelt- und kulturelle Aspekte.<br />

Noch wichtiger ist der im September<br />

publizierte «Global Competitiveness Report<br />

20<strong>09</strong>/2010» des WEF. Neben Singapur gehört<br />

die Schweiz bei diesem zu den grossen<br />

Gewinnern. Die USA mussten aufgrund<br />

schwächerer Finanzmärkte und geringerer<br />

makroökonomischer Stabilität die Spitzen-<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 39<br />

kaum nieder, da dieses auch vorausschauende<br />

Kennzahlen berücksichtigt. Die meisten<br />

Kantone besitzen in Zukunft jedoch einen<br />

geringeren finanziellen Spielraum, da die<br />

Steuereinnahmen 20<strong>09</strong> und vor allem 2010 –<br />

zeitlich verzögert zur Krise – zurückgehen<br />

und die Arbeitslosenquote steigen dürfte.<br />

Diese Entwicklung wird bei vielen Kantonen<br />

zu Defiziten führen.<br />

Zudem führte die schwache Performance<br />

der Finanzmärkte bei allen Kantonen zu erhöhten<br />

Pensionsverpflichtungen von etwa<br />

25 Milliarden. «Bei den meisten Kantonen werden<br />

Selbstfinanzierungsgrade unter 100 Prozent<br />

erwartet, was zu einer erhöhten Emissionstätigkeit<br />

führen könnte, die wiederum<br />

von einer hohen Nachfrage und historisch<br />

tiefen Zinsen unterstützt wird», so Daniel<br />

Rupli und Fabian Keller vom Swiss Institutional<br />

Credit Research der Credit Suisse. Insgesamt<br />

ergibt sich bei den Ratings ein stabiles<br />

Bild, allerdings wurden doch zwei Kantone<br />

(Appenzell Innerrhoden, Tessin) zurückgestuft<br />

und bei fünf weiteren der Ausblick nach unten<br />

angepasst. Einzig für Zürich wurde der Outlook<br />

positiv verändert. schi<br />

Standortqualität: Welche Region ist die<br />

attraktivste? Economic Research. Swiss Issues<br />

Regionen, August 20<strong>09</strong>.<br />

Kredithandbuch Schweizer Kantone – Update.<br />

Swiss Institutional Credit Research, August 20<strong>09</strong>.<br />

www.credit-suisse.com/shop > Weitere Research-<br />

Publikationen<br />

London als zweite Heimat<br />

Das New York Philharmonic besucht im Januar und Februar erstmals unter<br />

der Leitung von Music Director Alan Gilbert Europa. Dabei spielt das Orchester<br />

in Spanien, Deutschland, Frankreich, England und in der Schweiz.<br />

Foto: Franco Cogoli, Grand Tour, Corbis<br />

position ganz knapp der Schweiz überlassen.<br />

Beide weisen gegenüber den folgenden Ländern<br />

die gleichen Vorteile auf: «Die Schweiz<br />

weist ein sehr innovatives Umfeld auf», meinte<br />

eine WEF-Sprecherin in einem Videointerview.<br />

«Forschung und Entwicklung wird erleichtert<br />

in den Unternehmen. Die Unternehmen<br />

benutzen sehr weit entwickelte<br />

Unternehmenspraktiken, die Infrastruktur ist<br />

hervorragend, der technologische Entwicklungsstand<br />

ist ebenfalls sehr gut, und vor<br />

allem sind die Arbeitsmärkte im Vergleich zu<br />

den europäischen Nachbarn sehr flexibel.»<br />

Hinter der Schweiz und den USA folgen<br />

Singapur, Schweden, Dänemark, Finnland,<br />

Deutschland, Japan, Kanada und die Niederlande.<br />

schi<br />

Die Credit Suisse ist seit Jahrzehnten Mitglied<br />

und seit 2006 strategischer Partner des WEF.<br />

Während der Asientournee im Oktober stiess<br />

das Konzert in Hanoi auf besondere Beachtung,<br />

denn damit figurieren bereits 60<br />

Länder auf der spezifischen Gastspiel­Landkarte<br />

des New York Philharmonic.<br />

Zwischen dem 21. Januar und dem 4. Februar<br />

machen nun Alan Gilbert und das New<br />

York Philharmonic auch Europa ihre Aufwartung.<br />

Natürlich haben die New Yorker<br />

schon öfters in Spanien, Frankreich, England,<br />

Deutschland und in der Schweiz gespielt.<br />

Dennoch betreten sie Neuland: Die Konzerte<br />

im Londoner «Barbican» (Foto) bilden den<br />

Auftakt einer vertieften Zusammenarbeit.<br />

Das New York Philharmonic wird eines<br />

von fünf internationalen Partnerorchestern<br />

des Barbican Centre und residiert alle zwei<br />

Jahre für längere Zeit in London. «London ist<br />

eines der wichtigsten Kulturzentren weltweit»,<br />

meint dazu Alan Gilbert. «Ich bin dem<br />

Barbican Centre dankbar dafür, dass es uns<br />

auf diese Weise erlaubt, London zu unserer<br />

zweiten Heimat zu machen.» Vorgesehen<br />

sind auch Bildungsprojekte an Schulen.<br />

«So können wir nicht nur beim heutigen Publikum<br />

Freunde gewinnen, sondern auch bei<br />

den Zuhörern von morgen», erklärt Gilbert.<br />

Das Orchester wird von zwei Solisten<br />

begleitet, dem bekannten Pianisten Yefim<br />

Bronfman und dem Bariton Thomas Hampson,<br />

der in dieser Saison den neu geschaffenen<br />

Status eines Artist­in­Residence geniesst.<br />

Erstmals hat das Orchester mit dem<br />

Finnen Magnus Lindberg auch einen Composer­in­Residence.<br />

Auf der Tournee werden<br />

zwei Auftragswerke von ihm zu hören sein.<br />

Am 26. Januar gastiert das New York<br />

Philharmonic in der Tonhalle in Zürich. schi<br />

<br />

Mehr Informationen unter http://nyphil.org<br />

und unter www.credit-suisse.com/sponsoring<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


40 Credit Suisse<br />

Musikwandeln zwischen den Epochen<br />

Im Jahr 2008 erhielt das kammerorchesterbasel den begehrten Echo-Klassikpreis als Orchester des<br />

Jahres zugesprochen. Damit wurde bestätigt, was Kenner längst wussten: Die Basler spielen –<br />

selbstverwaltet und mit wechselnden Dirigenten – auf allerhöchstem Niveau. Seit genau 25 Jahren.<br />

Die Schweiz ist ein Land der klassischen<br />

Musik. Sie besitzt hochkarätige Institutionen<br />

wie das Opernhaus Zürich, Klassikfestivals<br />

von internationaler Ausstrahlung mit dem<br />

Lucerne Festival an der Spitze, renommierte<br />

Orchester wie das Tonhalle-Orchester unter<br />

David Zinman oder das Orchestre de la Suisse<br />

Romande mit Dirigent Marek Janowski. Doch<br />

der eigentliche musikalische Botschafter der<br />

Schweiz ist das kammerorchesterbasel: In<br />

über 100 Konzertsälen Europas und Südamerikas<br />

wird es im Lauf dieser Spielzeit<br />

auftreten. Damit ist das kammerorchesterbasel<br />

das Tourneeorchester schlechthin.<br />

Diese Reisetätigkeit birgt natürlich Gefahren<br />

in sich. Man ist sich dessen bewusst. «Entscheidend<br />

sind am Ende stets die zwei Stunden<br />

Konzert, um sich und das Publikum aus<br />

den Klauen des Alltags zu befreien und in<br />

eine zeitlose Welt von Freud und Leid, Trauer<br />

und Glück zu entführen», betonen Orchester-<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 41<br />

Fotos: Roland Schmid | Zermatt Festival<br />

direktor Christoph Müller und der künstlerische<br />

Manager Hans-Georg Hofmann.<br />

Natürlich – weil historisch informiert<br />

Wenn allerdings «Der Standard» schreibt:<br />

«Die Schweizer offenbarten ein barockes<br />

Musizieren (...), wie es in Wien bis dato in<br />

dieser Qualität noch nie gehört wurde», dann<br />

lässt das aufhorchen. Das Geheimnis: Das<br />

kammerorchesterbasel spielt konsequent<br />

und kompetent historisch informiert, interpretiert<br />

aus dem Verständnis der jeweiligen<br />

Musikepoche heraus, benützt für ältere Musik<br />

auch ältere Instrumente. Die Streicher spielen<br />

mit den passenden Bögen auf Darmsaiten,<br />

die Bläser verzichten auf Klappen und<br />

Ventile. Plötzlich klingt alles ganz natürlich.<br />

Aufsehen erregt das kammerorchesterbasel<br />

nicht nur mit seiner Barockmusik, meist<br />

mit Paul Goodwin als Dirigenten, sondern<br />

auch mit seiner Neuinterpretation der Beethoven-Sinfonien<br />

unter Giovanni Antonini.<br />

Die CD-Einspielung der 3. und 4. Sinfonie<br />

brachte den Echo-Klassikpreis «Orchester<br />

des Jahres 2008» ein. Bald erscheinen die<br />

nächsten Tonträger mit Beethovens 5. Sinfonie<br />

und Händels «Concerti grossi op. 3».<br />

Der Orchestername erinnert bewusst an<br />

Paul Sachers Kammerorchester Basel, das<br />

von 1926 bis 1987 existierte. Bei einer Neuausrichtung<br />

nahm das als Serenata Basel<br />

gegründete Ensemble 1999 diesen Namen<br />

an, um anzuzeigen, dass es sich gleichermassen<br />

der Alten Musik und der Neuen<br />

Musik widmet. Die klassizistische Moderne<br />

hat sich das Orchester vor allem mit Christopher<br />

Hogwood erschlossen.<br />

Erfolg ohne festen Chefdirigenten<br />

Die Vitalität und die Vielseitigkeit rühren auch<br />

daher, dass das selbstverwaltete Orchester<br />

keinen festen Dirigenten kennt. Auch mit<br />

David Stern, Paul McCreesh und Kristjan<br />

Järvi arbeitet man regelmässig zusammen.<br />

Geleitet wird das Orchester zudem von Konzertmeisterin<br />

Julia Schröder, Violine, oder<br />

von Solocellist Christoph Dangel.<br />

Da viele renommierte Solistinnen und<br />

Solisten wie Cecilia Bartoli, Maria João Pires<br />

oder Sol Gabetta gerne mit dem kammerorchesterbasel<br />

auftreten, bietet dieses über<br />

die Jubiläumssaison hinaus viele mitreissende<br />

Momente der Zeitlosigkeit. schi<br />

Mehr über das Jubiläum und das Jubiläumskonzert<br />

mit Maria João Pires findet man<br />

unter www.kammerorchesterbasel.ch sowie<br />

www.credit-suisse.com/sponsoring.<br />

Auf den Klangspuren Casals<br />

Im Jubiläumsjahr hat das Zermatt Festival nochmals einen entscheidenden<br />

Schritt nach vorne gemacht. Trotz beschränktem Budget hat es sich in<br />

der riesigen Festivalszene fest etabliert. Dies verdankt Festivaldirektor Nicolas<br />

Bohnet einerseits der einzigartigen Ambiance zu Füssen des Matterhorns,<br />

anderseits aber auch der Treue verschiedener Berliner Philharmoniker.<br />

Zermatt, autofrei und inmitten von 38 Viertausendern<br />

gelegen, übt auf naturverbundene<br />

Menschen eine unwiderstehliche Anziehungskraft<br />

aus. Dass sich darunter auch<br />

viele Künstler, und namentlich Musiker, befinden,<br />

erstaunt nicht.<br />

Man betritt, eher früher als später, die<br />

zentrale Pfarrkirche. Ein Zettel an der Tür<br />

mahnt den Besucher zur Ruhe, es werde für<br />

ein Konzert geprobt. Tatsächlich spielt das<br />

Scharoun Ensemble, 1983 von Mitgliedern<br />

der Berliner Philharmoniker gegründet, und<br />

es singt Marisol Montalvo, deren Stimme,<br />

deren Person man vom ersten Klang an verfällt,<br />

Lieder von Alban Berg. Und da ist auch<br />

Matthias Pintscher, einer der bekanntesten<br />

zeitgenössischen Komponisten, der unterbricht<br />

und unterbricht, an Details feilt. Trotzdem<br />

hört man immer wieder ein Lachen, ein<br />

munteres Diskutieren über die für eine New<br />

Yorkerin nicht einfache Aussprache deutscher<br />

Wörter. Leben, lieben, loben. Bestes<br />

Einvernehmen, die Zeit bleibt stehen. Die<br />

Probe sollte längst zu Ende sein. Wen störts,<br />

es kommt einem Pau Casals in den Sinn.<br />

Vor einem Interview übte Casals drei Stunden<br />

lang. Wieso er das als bester Cellist der<br />

Welt mit 90 Jahren noch mache? Casals:<br />

«Ich möchte einfach besser werden.» In Zermatt<br />

fühlte er sich zu Hause, hier gab er vor<br />

50 Jahren Sommerkonzerte, verbunden mit<br />

Meisterkursen. Sein katalanischer Vorname,<br />

Pau, bedeutet «Frieden» und passt wunderbar.<br />

Irgendwie bleibt Casals präsent, auch<br />

wenn er vor über 30 Jahren verstorben ist.<br />

«Ich bin wegen meiner Freunde von den<br />

Berliner Philharmonikern gekommen», gibt<br />

Pintscher – der Hunger erzwang den Probenabbruch<br />

doch noch – zu. «Das Scharoun<br />

Ensemble, das Concerto Melante und auch<br />

das Blechbläserensemble. Es vereinfacht<br />

das Dirigieren und Komponieren, wenn man<br />

mit Freunden zusammenarbeiten kann.»<br />

Friede, Freunde. «Das Zermatt Festival<br />

besitzt seinen eigenen Charme, der viele<br />

Künstler anlockt, den Countertenor Philippe<br />

Jaroussky oder den Violinisten Leonidas<br />

Das Erfolgsrezept des Zermatt Festival: qualitativ<br />

hochstehende (Kammer-)Musik, dargeboten in<br />

stimmungsvollem Rahmen.<br />

Kavakos etwa», bestätigt Direktor Nicolas<br />

Bohnet. «Auch wenn wir uns in der sechsten<br />

Durchführung weiter entwickeln wollen, darf<br />

sich atmosphärisch nichts ändern. Wir spielen<br />

in Kirchen und Kapellen; Zeltbauten wären<br />

hier fehl am Platz.» Gerade darum gibt es<br />

immer mehr Gäste, die ihren Walliser Aufenthalt<br />

auf das Zermatt Festival ausrichten.<br />

Ihr nächstes Schlüsseldatum: 3. September<br />

2010, Eröffnungskonzert mit dem kammerorchesterbasel<br />

und Vesselina Kasarova. schi<br />

<br />

Mehr über Matthias Pintscher und Marisol<br />

Montalvo auf www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Kammermusikakademie<br />

Junge, hochtalentierte Musiker<br />

aus aller Welt werden<br />

jeweils als Stipendiaten der<br />

Stiftung Zermatt Festival<br />

von Mitgliedern der Berliner<br />

Philharmoniker und des<br />

Scharoun Ensembles unterrichtet.<br />

Vier Kammermusikkonzerte<br />

bilden den Höhepunkt<br />

der internationalen<br />

Chamber Music Academy.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


42 Credit Suisse<br />

Die Perlensucher des Contact Center<br />

erhalten das ISO-Zertifikat mit Bestnote<br />

Der Outbound-Sales-Bereich des Credit Suisse Contact Center Schweiz hat ein Gütesiegel mit<br />

ISO-Zertifizierung im Direktmarketing erhalten. Die Credit Suisse ist die erste Bank schweizweit mit<br />

genau dieser Auszeichnung – ein Beweis für die hohe Qualität der jährlich 50 000 Kundenkontakte.<br />

Im Outbound-Sales-Bereich der Credit<br />

Suisse Contact Centers klingelt kein Telefon.<br />

Ganz im Gegensatz zur Credit Suisse Infoline,<br />

dem telefonischen Eingangsfenster der Bank,<br />

wo jeden Tag tausende Anfragen eingehen.<br />

Denn im Outbound Sales kontaktieren nicht<br />

die Kunden die Bank, sondern die Bank die<br />

Kunden. Die Reaktionen auf die Anrufe der<br />

Bank sind durchaus positiv. Viele Kunden<br />

zeigen sich interessiert und sind offen für ein<br />

Beratungsgespräch. Das Outbound Sales<br />

bietet eine auf die speziellen Bedürfnisse der<br />

Kunden und ihr Potenzial abgestimmte Beratung<br />

sowie Produktlösungen an. Beraten<br />

wird primär in den Sparten Zahlen und Sparen.<br />

Bei Anlage- und Finanzierungswünschen<br />

wird ein Termin für ein vertiefendes<br />

Kundengespräch vereinbart. Rund 40 Mitarbeitende<br />

kontaktieren jährlich 50 000 Kunden<br />

in den vier Regionen Mittelland, Romandie,<br />

Ticino und Zürich/Ostschweiz.<br />

Qualität hat höchste Priorität<br />

Stellvertretend für 40 Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter nimmt Urs Joss (rechts), Leiter Contact<br />

Center Private Clients Schweiz, von Erwin Peter<br />

das ISO-Zertifikat 9001 entgegen.<br />

Jeder einzelne Anruf wird individuell vorbereitet,<br />

um dem Kunden den bestmöglichen<br />

Service zu bieten. Dies verlangt eine grosse<br />

qualitative Vorarbeit. Qualitätssicherungsmassnahmen<br />

wie Service Excellence, Mitarbeitercoachings<br />

oder Fachchecks sowie<br />

regelmässige Zufriedenheitsumfragen haben<br />

folglich eine hohe Priorität.<br />

Das Outbound Sales sieht sich nicht als<br />

herkömmliches Contact Center, wie Urs<br />

Joss, Leiter Contact Center Private Clients<br />

Schweiz, betont: «Wir wollen uns als Qualitätsanbieter<br />

positionieren und uns von anderen<br />

Contact Centers abheben.» Dem Outbound<br />

Sales war es deshalb wichtig, sich<br />

einer Qualitätskontrolle durch eine unabhängige<br />

Instanz zu unterziehen, die weltweit<br />

anerkannt und nicht in der Finanzdienstleistungsbranche<br />

tätig ist.<br />

Eine ISO-Zertifizierung beweist die Einhaltung<br />

hoher ethischer Standards und<br />

schafft bei den Kunden Vertrauen. Das Gütesiegel<br />

Direktmarketing mit der ISO-Zertifizierung<br />

prüft die Contact Centers auf Herz<br />

und Nieren. Dabei muss ein «Ehrenkodex»<br />

des Direktmarketings erfüllt werden, wobei<br />

Wahrheits- und Klarheitsgrundsätze, Datenschutz,<br />

Schutz der Privatsphäre, Verhalten<br />

am Telefon, Bestätigung eines Vertragsabschlusses,<br />

Personalauswahl und -schulung,<br />

Entlöhnung und Kontrolle einzuhalten sind.<br />

Danach erfolgen so genannte «Audits», Interviews<br />

mit Angestellten, vom Management bis<br />

hin zum Mitarbeiter, in allen vier Standorten.<br />

«Der wichtigste Punkt, um die Anforderungen<br />

der ISO-Zertifizierung zu erfüllen, ist ein<br />

klares Commitment des Managements», so<br />

Erwin Peter, leitender Auditor der Schweizerischen<br />

Vereinigung für Qualitäts- und<br />

Management-Systeme (SQS).<br />

Keine Nachbesserungspunkte gefunden<br />

Das Outbound Sales bewies Engagement,<br />

legte alle benötigten Dokumente vor und<br />

absolvierte die Prüfung mit Bestnote: «Die<br />

Credit Suisse hat das Zertifikat gänzlich<br />

ohne Auflagen erhalten. Es konnten keine<br />

Nachbesserungspunkte aufgezeigt werden»,<br />

so Peter. Zugleich ist die Credit Suisse die<br />

bisher einzige Bank in der Schweiz, die diese<br />

Auszeichnung erhalten hat.<br />

Das Resultat erfreut Mitarbeitende wie<br />

Management gleichermassen. «Es ist eine<br />

schöne Bestätigung, die zeigt, dass wir die<br />

strategischen Schwerpunkte richtig setzen<br />

und die Mitarbeitenden eine Topleistung erbringen»,<br />

meint Urs Joss. Bei einem solchen<br />

Einsatz muss das Arbeitsklima stimmen. Dafür<br />

wurde vor vier Jahren eine Coaching Culture<br />

etabliert, welche die Kommunikationsund<br />

Feedbackkultur unter sowie zwischen<br />

Management und Mitarbeitenden fördern soll.<br />

Das gute Arbeitsklima im Outbound-Sales-<br />

Team ist auch Erwin Peter aufgefallen: «Besonders<br />

bemerkenswert bei den Interviews<br />

waren die hohe Motivation und Zufriedenheit<br />

der Mitarbeitenden.»<br />

Die erfolgreiche Suche nach Perlen<br />

Zur Motivation der Mitarbeitenden trägt sicher<br />

auch das Auffinden von Kunden mit hohem<br />

Potenzial, so genannten «Perlen», bei. «Jeden<br />

Tag ändern sich Kundenverbindungen durch<br />

Erbschaft, Heirat, neue berufliche Herausforderungen,<br />

Anschaffung eines Eigenheims,<br />

um ein paar Beispiele zu nennen», erklärt<br />

Joss. So ergeben sich tagtäglich neue Opportunitäten,<br />

die es aufzufinden gilt. Da diese<br />

Tätigkeit zu den Hauptaufgaben des Bereichs<br />

gehört, wird das Outbound-Sales-Logo bildlich<br />

mit einer Perle in einer Muschel dargestellt.<br />

Mit einer ISO-Zertifizierung im Rucksack<br />

und einem kompetenten Team wird das Outbound<br />

Sales diese Aufgabe auch in Zukunft<br />

hoch motiviert anpacken. Urs Joss: «Diese<br />

Auszeichnung ist gleichzeitig auch eine Verpflichtung,<br />

uns zum Nutzen unserer Kunden<br />

ständig weiter zu verbessern.» Maya Kunz<br />

Fotos: Credit Suisse<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 43<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Credit Suisse<br />

Postfach 2<br />

CH-8070 Zürich<br />

Telefon +41 44 333 11 11<br />

Fax +41 44 332 55 55<br />

Redaktion<br />

Daniel Huber (Chefredaktor, dhu), Regula Gerber (rg), Michael<br />

Krobath (mk), Mandana Razavi (mar), Andreas Schiendorfer<br />

(schi) sowie Dorothée Enskog (de) und Marcus Balogh (mb)<br />

E-Mail<br />

redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com<br />

Mitarbeit an dieser Ausgabe<br />

Lalita Advani, Miroslav Durana, Ute Eberle, Christian<br />

Etzensperger, Barbara Hatebur, Reto Hunziker (rh),<br />

Frédéric Junod, Maya Kunz, Mathias Plüss, Roger Signer,<br />

Pascal Rohner, Stefanie Schramm<br />

Internet<br />

www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Marketing<br />

Veronica Zimnic (vz)<br />

Korrektorat<br />

Claudia Marolf, notabene<br />

Übersetzungen<br />

Credit Suisse Language Services<br />

Der bewusste Umgang des Künstlers mit der Perspektive, dem Farbauftrag oder den exakt<br />

platzierten Gegen ständen zeugt von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Medium Malerei.<br />

Sébastien Mettraux, «Ohne Titel», 2008 – 20<strong>09</strong>, Öl auf Leinwand, 110 x 130 cm.<br />

Talentierte Künstler fördern<br />

Die Credit Suisse fördert junge Schweizer Künstlerinnen und Künstler und ist<br />

be strebt, diese in der Frühphase ihres Schaffens in ihre Kunstsammlung aufzunehmen.<br />

In diesem Frühjahr hat der aus Vallorbe stammende Maler Sébastien<br />

Mettraux den Eidgenössischen Kunstpreis des Bundesamts für Kultur, Bern,<br />

erhalten. Der 24-jährige Kunstschaffende ist auch der Credit Suisse aufgefallen;<br />

sie hat von ihm eine ganze Werkgruppe erworben, die unter anderem das<br />

abgebildete Ge mälde «Ohne Titel» enthält. «Ohne Titel» zeigt einen menschenleeren,<br />

ge schlossenen Innenbereich, eine Lager halle. Mit präzisem, gleich -<br />

mässi gem Farbauftrag, der die Nüchternheit des Bildes unterstreicht, und in<br />

klassi scher Manier der Raumaufteilung gestaltet Sébastien Mettraux dieses<br />

Interieur. Einzig die bunten Fässer rechts setzen farbliche Akzen te und Kontraste<br />

zu den unterschiedlichen Grauabstufungen des Raumes. Die Decke zeichnet<br />

sich durch eine Gitterstruktur aus, die zusammen mit der sachlich kühlen<br />

Atmosphäre den Eindruck von Beklemmung hervorruft und Assoziationen an ein<br />

Gefängnis weckt. Hingegen suggeriert der nach aussen abgeschottete Raum<br />

Sicherheit und Zuflucht und bietet einen gewissen Schutz. Durch die reduzierte<br />

Malweise und die Kargheit der Halle rücken der architektonische Aspekt und<br />

somit auch die Ästhetik in den Vordergrund. Sébastien Mettraux hat eine Folge<br />

ähnlicher Innen ansichten gemalt. Dabei handelt es sich um Alltagsarchitekturen,<br />

um Luftschutz bunker, Keller- oder Lager räume, die durch Maltechnik und Wahl<br />

des Sujets unterkühlt und bedrückend wirken, gleichzeitig jedoch das Verhältnis<br />

von Raum und Geborgenheit infrage stellen und Gedanken an das menschliche<br />

Sicher heitsbedürfnis hervorrufen. Mehr Informationen unter<br />

www.credit-suisse.com > Wir über uns > Sponsoring > Kunst > Sammlung<br />

Credit Suisse Barbara Hatebur, Fachstelle Kunst<br />

Gestaltung<br />

www.arnold.inhaltundform.com:<br />

Arno Bandli, Monika Häfliger, Petra Siegenthaler,<br />

Petra Feusi (Projekt management ),<br />

Carola Bächi (Korrektorat)<br />

Inserate<br />

Daniel Baer, Nübruchweg 22, 8605 Gutenswil,<br />

Telefon +41 44 945 38 85, baerdaniel@bluewin.ch<br />

Beglaubigte WEMF-Aufl age 20<strong>09</strong><br />

90 568<br />

ISSN-Registrierung<br />

ISSN 1423-1360<br />

Druck<br />

NZZ Fretz AG /Zollikofer AG<br />

Redaktionskommission<br />

René Buholzer (Head of Public Policy), Monika Dunant (Head<br />

of Communications Private Banking), Urs P. Gauch (Leiter<br />

Firmenkunden Schweiz – Grossunternehmen), Fritz Gutbrodt<br />

(Head Chairman’s Offi ce), Angelika Jahn (Investment Services<br />

& Products), Martin Lanz (Economic Research), Hubert<br />

Lienhard (Asset Management Distribution Services), Andrés<br />

Luther (Head of Group Communications), Charles Naylor<br />

(Head of Corporate Communications), Christian Vonesch<br />

(Head of Private & Business Banking Aarau)<br />

Erschei nt im 115. Jahrgang<br />

(5 x pro Jahr in deutscher, französischer, italienischer und<br />

englischer Sprache) Nachdruck von Texten gestattet mit dem<br />

Hinweis «Aus dem <strong>bull</strong>etin der Credit Suisse».<br />

Adress änderungen<br />

Bitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts<br />

an Ihre Credit Suisse Geschäftsstelle oder an:<br />

Credit Suisse, ULAZ 12, Postfach 100, 8070 Zürich.<br />

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken.<br />

Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens<br />

der Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften.<br />

Hinweise auf die frühere Performance garantieren nicht<br />

notwendi gerweise positive Entwicklungen in der Zukunft.<br />

Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation<br />

wurden durch die Credit Suisse erarbeitet und könnten<br />

vor ihrer Weitergabe an die Kunden von Credit Suisse bereits<br />

für Transaktionen von Gesellschaften der Credit Suisse<br />

Group verwendet worden sein. Die in diesem Dokument vertretenen<br />

Ansichten sind diejenigen der Credit Suisse<br />

zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vorbehalten.)<br />

Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


44 Credit Suisse<br />

Erst der letzte Feinschliff ermöglicht<br />

den wahren Wohlklang<br />

Beim Young Singers Project der Salzburger Festspiele erhalten acht hochtalentierte junge<br />

Opernsänger während zweier Monate intensiven Unterricht. Bereits beim Abschlusskonzert<br />

hört man den kleinen, alles entscheidenden Unterschied.<br />

1<br />

2 3<br />

4<br />

1 Zusammen mit Dirigent Ivor Bolton nehmen die Young Singers im Mozarteum den wohlverdienten, nicht enden wollenden Applaus entgegen. 2 Michael Schade,<br />

Spiritus Rector des Projekts, freut sich zu Recht über den grossen Erfolg. 3 Hoffentlich bald schon auf einer eigenen CD: Christina Daletska verteilt<br />

Autogramme. 4 Intendant Jürgen Flimm gratuliert den Young Singers. Links neben ihm Evamaria Wieser, die das Projekt ebenfalls tatkräftig unterstützt hat.<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 45<br />

«Ein Bereich, in dem man sich als Sänger<br />

eigentlich immer weiterentwickeln und verbessern<br />

kann, ist das Schauspiel – gerade<br />

in einer Zeit, in der die Kritiker den Regisseur<br />

stets vor dem Dirigenten nennen», erklärt<br />

Terry Wey. «Die Arbeit mit einem so grossartigen<br />

Schauspieler wie Peter Jordan, der<br />

in Salzburg den Teufel in Hofmannsthals<br />

‹Jedermann› spielt, ist in dieser Beziehung<br />

natürlich äusserst wertvoll.»<br />

Das Muttertagskonzert im Fernsehen<br />

Fotos: Wolfgang Lienbacher<br />

Drehen wir das Rad der Musik zurück. So<br />

sieht der achtjährige Terry im Fernsehen<br />

ein Muttertagskonzert der Wiener Sängerknaben.<br />

Diesem berühmten Chor will er unbedingt<br />

beitreten – und tatsächlich kann er<br />

seine Familie zum Umzug von Bern nach<br />

Wien bewegen. Bereits als Zwölfjähriger<br />

singt Terry in New York in der Carnegie Hall<br />

das Sopransolo in Mozarts «Krönungsmesse».<br />

Beeindruckend, wenn er von den Auftritten<br />

in aller Welt erzählt. Doch plötzlich merke<br />

ich: Er macht das gar nicht so gerne. «Nach<br />

dem Stimmbruch beginnt die musikalische<br />

Karriere völlig von vorne. Viele meiner Kollegen<br />

mussten aufhören, weil ihre Stimme<br />

nicht mehr mitmachte. Auch ich legte sicherheitshalber<br />

eine zweijährige Singpause ein.»<br />

Nun aber schickt sich Terry Wey an, als<br />

Countertenor die Bühnen des Musiktheaters<br />

zu erobern. Ihm fällt die Ehre zu, beim Eröffnungsfest<br />

der Salzburger Festspiele zu singen,<br />

und beim Young Singers Project fehlt er<br />

ein paar Tage wegen eines Auftritts an den<br />

Bregenzer Festspielen.<br />

Konstruktive Kritik ist enorm wichtig<br />

Doch Terry Wey ist, wie er selbst weiss, noch<br />

weit davon entfernt, ausgelernt zu haben.<br />

Viele Details gilt es zu verbessern, Details,<br />

die wegweisend für die Karriere sind. Dafür<br />

sind er und die anderen Teilnehmer des<br />

Young Singers Project bereit, hart an sich zu<br />

arbeiten – und mitunter Kritik einzustecken,<br />

die weh tut. So hält Thomas Quasthoff ihm<br />

in der öffentlichen Master Class entgegen,<br />

ein Schubert-Lied zu optimistisch zu interpretieren.<br />

«Wenn uns alle nur lobend auf die<br />

Schulter klopfen, kommen wir keinen Schritt<br />

weiter », kommentiert Terry Wey. «Die Meinung<br />

eines Thomas Quasthoff oder eines<br />

Michael Schade nehme ich sehr ernst – auch<br />

wenn es gilt, den eigenen Weg zu finden.»<br />

Am meisten profitiert er davon, dass er<br />

die Rolle des Didymus in Händels «Theodora»<br />

covern darf. Regie führt in Salzburg Chris- ><br />

5<br />

6<br />

5 Michael Schade mit seinen «Schäfchen»: Sara Hershkowitz, Alisa Kolosova, Christina Daletska,<br />

Adrian Strooper, Andrei Bondarenko, Nahuel Di Pierro und … 6 … Terry Wey: «Von der Erfahrung von<br />

Sängergrössen wie Marjana Lipovsek profitiere ich enorm. Ich erhalte viele interpretatorische Impulse.»<br />

Young Singers Project 20<strong>09</strong> «Wir befinden uns hier nicht<br />

in einem musikalischen Ferienlager für talentierte Nachwuchskünstler»,<br />

betont Michael Schade. «Wir versuchen den<br />

ohnehin schon professionellen jungen Sängern den letzten<br />

Feinschliff zu geben. Es stellt sich nicht die Frage, ob sie<br />

eine Karriere machen. Die Frage ist, wie und wie lange sie<br />

dauert.» Zehn Wochen lang haben sich Andrei Bondarenko,<br />

Christina Daletska, Nahuel Di Pierro, Sara Hershkowitz,<br />

Alisa Kolosova, Anna Siminska, Adrian Strooper und Terry<br />

Wey unter kundiger Anleitung weiterentwickelt. Sie arbeiteten<br />

nicht nur intensiv an ihrer Stimme, sondern feilten<br />

auch am schauspielerischen Ausdruck für die Opernbühne<br />

(bei Peter Jordan) und übten mit den Regieassistenzen<br />

verschiedene Rollen als Coverbesetzung für die Salzburger<br />

Festspiele ein. Dem Abschlusskonzert unter Dirigent Ivor<br />

Bolton gingen vier öffentliche Master Classes mit Michael<br />

Schade, Marjana Lipovsek, Christa Ludwig und Thomas<br />

Quasthoff voraus.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


46 Credit Suisse<br />

1 2 3<br />

1 Christina Daletska geniesst den – bestens gelingenden – Vortrag im Rahmen einer öffentlichen Master Class. 2 Marjana Lipovsek mit Sara Hershkowitz:<br />

Die Körperbeherrschung ist für Opernsänger von grosser Bedeutung. 3 Beim Zuhören kann man enorm viel lernen. Für Nahuel Di Pierro macht es (fast) keinen<br />

Unterschied, ob es sich, wie hier, um die Vorträge der Master Class handelt oder um Bassbariton Luca Pisaroni als Figaro, den er in Salzburg covern darf.<br />

tof Loy, die musikalische Leitung hat Ivor<br />

Bolton inne. «Umgekehrte Reihenfolge»,<br />

korrigiert Terry Wey schmunzelnd. «Bejun<br />

Mehta, der richtige Didymus, ist für mich<br />

einer der ganz grossen Countertenöre unserer<br />

Zeit. Ihn beobachten, ihn begleiten zu<br />

dürfen, ist für mich ein unvergessliches und<br />

äusserst lehrreiches Erlebnis.»<br />

Unterhält man sich mit dem Ukrainer Bariton<br />

Andrei Bondarenko, der russischen Mezzosopranistin<br />

Alisa Kolosova, dem argentinischen<br />

Bass Nahuel Di Pierro oder auch mit<br />

der polnischen Sopranistin Anna Siminska,<br />

so spürt man, dass sich die Biografien<br />

ähneln, obwohl sie völlig unterschiedlich sind.<br />

Irgendwann wird bei allen der Wunsch zu<br />

singen so stark, dass ihm alles untergeordnet<br />

wird. Das Leben ist fortan ein völlig<br />

anderes, die Sänger entwickeln einen beispielhaften,<br />

mitunter hinter lockerem Habitus<br />

getarnten Lernwillen. Und sie nutzen jede<br />

Möglichkeit, egal wo auf der Welt. Keiner<br />

lebt noch im Heimatland: Die Musik kennt<br />

keine Grenzen.<br />

Adrian Strooper beispielsweise, Tenor aus<br />

dem australischen Cairns, gehört bereits<br />

zum Ensemble der Komischen Oper Berlin,<br />

Sara Hershkowitz, Sopranistin aus Los Angeles,<br />

ist fest am Theater Bremen engagiert.<br />

Doch selbst sie erachten das Young Singers<br />

Project für sich als grosse Chance.<br />

Das Projekt ist noch nicht beendet<br />

Wochen sind mittlerweile seit Abschluss der<br />

Salzburger Festspiele vergangen. Christina<br />

Daletska schickt ein «Hallo aus Frankreich».<br />

Dort singt sie die Zerlina in einer Don-Giovanni-Aufführung<br />

unter Christopher Moulds;<br />

«Die Frage ist nicht, ob sie<br />

Karriere machen, sondern<br />

wie und wie lange sie dauert.»<br />

Michael Schade, Initiator Young Singers Project<br />

ihr Lebenslauf auf der Homepage der Oper<br />

von Lyon enthält nun prominent den Hinweis<br />

auf das Young Singers Project. Im Mail steht<br />

nur: «Ich habe im Internet das Video der<br />

Credit Suisse gesehen. Super ! Die Proben<br />

sind sehr anstrengend hier an der Opera. Ich<br />

muss gleich wieder weg.»<br />

Plötzlich sind die Zeiten erneut aufgehoben:<br />

In Salzburg erzählt Christina glücklich<br />

von ihren künftigen Engagements, zunächst<br />

gleich mehreren in Lyon. Am 20. März 2010<br />

singt sie an der Oper Graz den Cherubino in<br />

«Le Nozze di Figaro», und 2011 geht sie als<br />

Idamante in «Idomeneo» mit Dirigent Thomas<br />

Hengelbrock sogar auf Europatournee.<br />

Gleichzeitig sehen wir die kleine Hrystyna<br />

in Lemberg eine Schule für musikalisch begabte<br />

Kinder besuchen, sehen sie bei ihrer<br />

Mutter Geigenunterricht nehmen, als Solistin<br />

mit Violine und Viola mit verschiedenen<br />

Orchestern in ganz Europa auftreten, als<br />

19-Jährige an der Musikhochschule Zürich<br />

Geige studieren – dies alles mit dem einzigen,<br />

nicht offen ausgesprochenen Wunsch, Opernsängerin<br />

zu werden. Wie weit will sie es<br />

zuletzt bringen? Christina Daletska: «Ich bin<br />

glücklich, wenn ich vom Singen leben kann.<br />

Und ich möchte so bekannt werden, dass die<br />

Leute sich ernsthaft Gedanken machen,<br />

wenn ich als Botschafterin von Amnesty<br />

International auf Missstände hinweise.»<br />

Wir werden Christina Daletska, Terry Wey<br />

und die anderen Young Singers auf ihrem<br />

Weg begleiten. schi<br />

<br />

Weitere Artikel, Porträts und Interviews<br />

sowie ein Video über das Young Singers Project<br />

unter www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin.<br />

Die Credit Suisse ist überzeugt, dass die unternehmerische Verantwortung gegenüber<br />

der Gesellschaft und der Umwelt ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist.<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 47<br />

Am Lucerne Festival geehrt<br />

Vielleicht kennt man diese Namen in Musikkreisen noch nicht: Andriy Dragan,<br />

Konstanze von Gutzeit. Das wird sich ändern. Der ukrainische Pianist und<br />

die deutsche Cellistin überzeugten am Lucerne Festival in der Reihe «Debut».<br />

Mit Schuberts «Wanderer-Fantasie» beginnt<br />

Andriy Dragan sein Konzert im vollbesetzten<br />

Casineum in Luzern. Ausgesprochen emotional,<br />

fast fiebrig wirkend. Kraftvoll schlägt<br />

er die Tasten, um sie dann wieder zärtlich zu<br />

streicheln, sein Blick wird nach oben gezogen.<br />

Wohin seine Fantasie in diesem Augenblick<br />

wohl wandert? Vielleicht zurück ins ukrainische<br />

Lemberg der frühen 1990er-Jahre. Andriys<br />

Eltern, beide Pianisten, stehen unmittelbar<br />

vor dem Abschluss ihres Musikstudiums.<br />

Kein Wunder, üben sie Tag und Nacht, der<br />

Vater unter anderem Schuberts «Wanderer-<br />

Fantasie». Der kleine Andriy hört sie stundenlang,<br />

ob er will oder nicht – das Klavier steht<br />

«Ihr Können, Ihre Eleganz, Ihr Charisma haben<br />

mich tief beeindruckt», erklärte Urs Rohner,<br />

Vizepräsident des Verwaltungsrats der Credit<br />

Suisse, anlässlich der Übergabe des mit<br />

25 000 Franken dotierten Preises. «Das war<br />

eine grandiose Darbietung.»<br />

Ganz besonderes Lob holte sich Dragan<br />

bei den anwesenden Musikkritikern, unter<br />

anderem aus Frankreich und Japan, für seine<br />

Interpretation der äusserst anspruchsvollen<br />

Suite «Im Freien» von Béla Bartók.<br />

Niemand zweifelt deshalb daran, dass Dragan<br />

seinen Weg als Musiker gehen wird, wie vor<br />

ihm Sol Gabetta (Cello, 2001), Pawel Mazurkiewicz<br />

(Klavier, 2003), das Tecchler Trio<br />

(2005) und Aniela Frey (Flöte, 2007).<br />

Gianni Bergamo Classic Music Award<br />

Auch die deutsche Cellistin Konstanze von<br />

Gutzeit, die Anfang September in der Reihe<br />

«Debut» auftrat, ist eine verdiente Preisträgerin;<br />

sie schwang beim alles in allem mit<br />

25 000 Euro dotierten Gianni Bergamo Classic<br />

Music Award der gemeinnützigen Stiftung<br />

Accentus obenaus, dies vor Umberto Clerici,<br />

Italien, und Sebastian Diezig, Schweiz. Am<br />

Lucerne Festival bewies sie als Interpretin<br />

sowohl Schalk als auch poetisches Einfühlungsvermögen<br />

und wusste besonders mit<br />

den modernen Stücken von Henri Dutilleux<br />

und Francis Poulenc zu überzeugen.<br />

Im Vorjahr war der Gianni Bergamo Classic<br />

Music Award in der Kategorie Komposition<br />

an Panayiotis Kokoras verliehen worden,<br />

der vor Simone Movio und Carlo Ciceri gewann.<br />

Als nächstes folgt nun ein Kammermusikwettbewerb.<br />

schi<br />

«Selbst wenn man nicht<br />

am Klavier sitzt und<br />

übt, ist man stets mit Musik<br />

beschäftigt.»<br />

Andriy Dragan, Pianist<br />

Fotos: Patrick Deslarzes | Georg Anderhub | Wolfgang Lienbacher<br />

unmittelbar neben seinem Bett. Sie leben alle<br />

drei im gleichen Raum. Die Eltern schauen<br />

zwar, dass Andriy nicht allzu früh mit Klavierspielen<br />

beginnt. Danach aber besucht er elf<br />

Jahre lang das Musikinternat Solomiya Krushelnytska<br />

in Lemberg.<br />

Als Adrian Oetiker dort einen Meisterkurs<br />

leitet, beschliesst Dragan, seine musikalische<br />

Ausbildung an der Musikhochschule Basel<br />

fortzusetzen.<br />

Dort gab er im Juni 20<strong>09</strong> sein Diplomkonzert.<br />

Im August folgte dann der glanzvolle<br />

Auftritt in der Reihe «Debut » am Lucerne<br />

Festival – eine hochkarätige Jury unter der<br />

Leitung von Pierre Wavre, Direktor des Musikkonservatoriums<br />

Lausanne, hatte ihn als Gewinner<br />

des zum fünften Mal im Namen des<br />

Jubiläumsfonds der Credit Suisse Foundation<br />

verliehenen Prix Credit Suisse Jeunes Solistes<br />

erkoren.<br />

1<br />

2 3<br />

1 Konstanze von Gutzeit steht eine grosse Karriere als Cellistin bevor. 2 Der Ukrainer Andriy Dragan,<br />

Absolvent der Musikhochschule Basel, überzeugte am Lucerne Festival in jeder Hinsicht. 3 Urs Rohner,<br />

Vizepräsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse, übergab Andriy Dragan den begehrten Preis.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


48 Credit Suisse<br />

Glück für Helfer und Bedürftige<br />

2003 gründeten Marc Jenni und Daniel Siegfried die Hilfsorganisation Child’s Dream<br />

Foundation. Zuvor in der Finanzbranche tätig, fanden sie ihr fehlendes Stück Glück in der<br />

Hilfe für Bedürftige. Mittlerweile beschäftigen die beiden Schweizer 30 Mitarbeitende,<br />

die sich für den Bau von Schulen und die Gesundheitsversorgung einsetzen. Ein Besuch<br />

am Hauptsitz der Organisation in Chiang Mai, Thailand.<br />

Erst nach langen, in Thai und per Mobiltelefon<br />

übermittelten Erklärungen findet der Taxifahrer<br />

das Gebäude. Das fensterlose Haus<br />

fällt auf zwischen den umliegenden einstöckigen<br />

Häusern. «Bis vor etwas mehr als<br />

einem Jahr haben wir ein kleines Häuschen<br />

bewohnt, nun ist das hier der Hauptsitz der<br />

Child’s Dream», erzählt Daniel Siegfried,<br />

einer der beiden Gründer der wohltätigen<br />

Organisation. «Diesen Bau haben uns drei<br />

Spender ermöglicht, wir hätten sonst kein<br />

Geld dafür gehabt. Wenn wir reisen, übernachten<br />

wir fast ausnahmslos bei Freunden,<br />

denn wir wollen für unsere Administration<br />

weniger als 10 Prozent des Spendevolumens<br />

ausgeben, was minimal ist im Vergleich zu<br />

den 40 Prozent von Organisationen beispielsweise<br />

in den USA.» Daniel Siegfried hat zusammen<br />

mit Marc Jenni vor nunmehr sechs<br />

Jahren Child’s Dream gegründet. Beide hatten<br />

sie zuvor durch ihre Arbeit in der Finanzbranche<br />

jahrelang in Asien gelebt und dabei<br />

die Probleme der Region kennengelernt. Je<br />

länger, je mehr fühlten sie sich ihrem Sinn<br />

für Gerechtigkeit verpflichtet. Sie beschlossen,<br />

ihr Wissen und Engagement bedürftigen<br />

Kindern zu widmen. «Die so genannte<br />

Mekong-Unterregion ist Schauplatz von vielen<br />

humanitären Katastrophen», erklärt Daniel<br />

Siegfried. «Es herrscht vielerorts Armut<br />

und Krankheit, politische Verfolgung und<br />

sexuelle Ausbeutung. Und am härtesten trifft<br />

«Die Zukunft einer Dorfgemeinschaft<br />

sind die<br />

Kinder. Und deshalb sind sie<br />

der Fokus unserer Arbeit.»<br />

Marc Jenni<br />

es die Kinder.» Diese kämen beispielsweise<br />

als Flüchtlinge oder illegale Immigranten<br />

nach Thailand und hätten als staatenlose und<br />

papierlose Menschen keinen Zugang zum<br />

thailändischen System, also kein Anrecht auf<br />

öffentliche Institutionen wie Spitäler und insbesondere<br />

Schulen.<br />

Spenden aus der ganzen Welt<br />

Genau um diesen Missstand kümmert sich<br />

Child’s Dream, indem die Organisation durch<br />

Programme einerseits die Gesundheitsversorgung<br />

der Kinder verbessert und andererseits<br />

Kindergärten, Bildungseinrichtungen und<br />

Schulen baut und über 55 000 Kinder mit<br />

Lernmaterial versorgt. «Wir sind glücklich,<br />

dass unsere ‹Lasst es uns anpacken›-Haltung<br />

bei den Spendern Gehör findet. Zu Beginn<br />

stammten 90 Prozent der Spenden aus<br />

der Schweiz, mittlerweile kommen 50 Prozent<br />

aus Ländern wie Singapur, Japan und<br />

aus Hongkong. Gerade hat uns das APAC<br />

Philanthropy Committee der Credit Suisse<br />

eine Zuwendung von 250 000 US-Dollar<br />

zugesprochen. Dies ist die bisher grösste<br />

Spende von einem Unternehmen. Damit<br />

können wir 30 neue Klassenzimmer bauen!»<br />

Daniel Siegfrieds Enthusiasmus ist auch<br />

nach über 60 realisierten Projekten nicht zu<br />

bremsen. Und gemeinsam mit ihm kämpfen<br />

mittlerweile 30 Mitarbeitende für die gute<br />

Sache. Als dritte Schweizerin im Bunde ist<br />

vor drei Jahren Manuela Bianchi dazugestossen.<br />

«Damals hatten Marc und Dani vier<br />

Angestellte, wovon eine die Haushälterin<br />

war», konstatiert die ehemalige Personalmanagerin,<br />

die auch lange in Asien tätig war.<br />

Nebst dem gestiegenen Spendenvolumen<br />

ist es das Verdienst ihrer Erfahrung im asia-<br />

1 2<br />

3<br />

1 In Südostasien ist es üblich, bis zur Universitätsstufe eine Schuluniform zu tragen. 2 Die laotische Sprache hat ein Alphabet, das dem thailändischen sehr<br />

ähnlich ist. 3 Abgängerinnen eines englischsprachigen Studienprogramms: Child’s Dream Foundation finanziert mittlerweile achtzig Studenten das Studium.<br />

Fotos: Child’s Dream | Regula Gerber<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 49<br />

Die entlegenen Schulen auf den unasphaltierten<br />

Strassen zu erreichen, kann sehr schwierig sein.<br />

Die 2003 von den beiden<br />

Schweizern Marc Jenni und<br />

Daniel Siegfried gegründete<br />

Child’s Dream Foundation<br />

hat ihren Hauptsitz in Chiang<br />

Mai, Thailand. Sie will benachteiligte<br />

Dorfgemeinschaften<br />

in der Mekong-Unterregion<br />

ermutigen, ihre Zukunft<br />

selbst in die Hand zu nehmen.<br />

Die Organisation arbeitet<br />

eng mit den Dorfgemeinschaften<br />

zusammen, um die<br />

Gesundheits- und Bildungsstandards<br />

der Kinder sowie<br />

die sozioökonomischen<br />

Möglichkeiten der Familien<br />

zu verbessern.<br />

Die Arbeit von Child’s Dream<br />

ist schwerpunktmässig auf<br />

Bildungsinfrastruktur ausgerichtet,<br />

also auf Kindergärten,<br />

Schulen, Berufsschulen,<br />

höhere Bildungseinrichtungen.<br />

Zudem beschäftigt<br />

sich die Organisation mit der<br />

Verbesserung der Gesundheitsversorgung<br />

durch Programme<br />

wie beispielsweise<br />

den Medizinfonds für Kinder<br />

und versorgt über 55 000<br />

Kinder mit Lernmaterial.<br />

tischen Arbeitsmarkt, dass innerhalb kurzer<br />

Zeit sehr viele Leute angestellt und deshalb<br />

mehr Projekte realisiert werden konnten.<br />

Engpässe an allen Fronten<br />

Neben Spendengeldern sind fähige Mitarbeitende<br />

entscheidend für den Erfolg von Child’s<br />

Dream. Denn mit jedem Projekt, das ein Bedürfnis<br />

deckte, tauchten wieder neue Probleme<br />

auf: Engpässe bei der Energieversorgung,<br />

Wasserknappheit oder die Verbreitung<br />

von Malaria. Das Mandat von Child’s Dream<br />

war jedoch auf Kinder beschränkt. Daniel<br />

Siegfried meint: «Gemäss unserer Vorstellung<br />

von nachhaltiger Entwicklung wollten<br />

wir nicht nur Kinder zu verantwortungsvollen<br />

und aktiven Mitgliedern der Gemeinschaft<br />

«Wir arbeiten eng mit den<br />

Dorfgemeinschaften zusammen,<br />

um sie für die aktive<br />

Beteiligung zu gewinnen.»<br />

Daniel Siegfried<br />

heranwachsen lassen, sondern dem ganzen<br />

Dorf die Chance auf eine selbstbestimmte<br />

Zukunft geben. Deshalb haben wir 2006 die<br />

diversethics Foundation gegründet .» Unter<br />

dieser Stiftung laufen seither vier langfristige<br />

Programme. Im Rahmen des Malariakontrollprogramms<br />

werden in Zusammenarbeit mit<br />

einer Klinik Menschen in Grenzgebieten auf<br />

die Krankheit getestet, denn früh erkannt<br />

kann diese geheilt werden. Basic Health Interventions<br />

for Children setzt sich dafür ein,<br />

dass sich schwangere Frauen möglichst gut<br />

ernähren und die Kindersterblichkeit, die<br />

besonders in vielen armen Gegenden unheimlich<br />

hoch ist, reduziert werden kann. Ein<br />

weiteres Programm entstand aufgrund der<br />

Verwüstung durch den Zyklon Nargis. Dort<br />

leistet die diversethics Foundation Hilfe vor<br />

Ort in Form von Notfallmedizin, aber auch mit<br />

dem Wiederaufbau der Infrastruktur und<br />

der Nahrungsmittelproduktion. Das vierte<br />

Programm wurde geschaffen, um Studierenden<br />

aus Nachbarländern die Möglichkeit zu<br />

geben, in Thailand zu studieren.<br />

Stipendium als einzige Lebenschance<br />

Davon erfahren die Studenten nur durch<br />

Mundpropaganda, weil es in ihrem Heimatland<br />

kaum Computer, Internetzugang oder<br />

Schreibmaschinen gibt. «Die zum Teil ><br />

Daheim ist Thailand<br />

<strong>bull</strong>etin traf Daniel Siegfried (links)<br />

und Marc Jenni während ihres letzten<br />

Schweizaufenthalts zum Gespräch.<br />

<strong>bull</strong>etin: Welche Arbeiten fallen bei<br />

Aufenthalten in der Schweiz für Sie an?<br />

Marc Jenni: Die Hauptaufgabe ist Fundraising.<br />

Wir haben einen engen Terminplan,<br />

um bestehende und neue Sponsoren, aber<br />

auch andere Organisationen oder Interessierte<br />

zu treffen.<br />

Welche Gefühle kommen bei einem<br />

Aufenthalt in der alten Heimat auf?<br />

Daniel Siegfried: Schon bei der Ankunft in<br />

Zürich freuen wir uns beide jeweils wieder<br />

auf die Rückkehr nach Thailand, das nach all<br />

den Jahren unsere Heimat geworden ist.<br />

Mir persönlich fehlen in der Schweiz die Unbeschwertheit<br />

und Herzlichkeit der Menschen,<br />

sie sind sehr verplant. In Thailand<br />

wissen die Menschen kaum, was sie zwei<br />

Tage später machen, in der Schweiz kennen<br />

die Leute ihren Terminplan drei Monate im<br />

Voraus. Was wir in Thailand vermissen, sind<br />

die unterschiedlichen Jahreszeiten, vor allem<br />

den Schnee. Und natürlich unsere Familien.<br />

In welche Projekte sind Sie zurzeit<br />

besonders involviert ?<br />

Marc Jenni: Wir bauen zurzeit in sechs Dörfern<br />

in Laos Schulen, das ist ein grosses<br />

Projekt. In Kambodscha haben wir ein Büro<br />

eröffnet, das wir nun zum vollumfänglichen<br />

Partner aufbauen, indem wir den Standard<br />

bezüglich Tempo und Reporting kontinuierlich<br />

zu verbessern versuchen. Und dann erwarten<br />

wir in Thailand durch die für 2010<br />

angekündigten burmesischen Wahlen eine<br />

Migrationswelle. Um diese auffangen zu können,<br />

bauen wir bereits jetzt Bestehendes wie<br />

Schulen und Gesundheitsprogramme aus.<br />

In welche Richtung soll sich Child’s<br />

Dream weiterentwickeln?<br />

Daniel Siegfried: Wir wollen nicht unendlich<br />

wachsen, sondern auf der in den letzten fünf<br />

Jahren entstandenen soliden Infrastruktur aufbauen.<br />

Ziel ist, das Operative in lokale Hände<br />

geben, um uns vertieft der Strategie und<br />

grossen Projekten widmen zu können. rg<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


50 Credit Suisse<br />

handschriftlichen Bewerbungen werden auf<br />

abenteuerlichem Weg wie beispielsweise<br />

über einen Priester ausser Landes zu uns<br />

gebracht », erzählt Manuela Bianchi. «Ein<br />

Institut sammelt und sortiert für uns die<br />

Bewerbungen, und wir nehmen dann eine<br />

Selektion vor.» Spender haben insofern die<br />

Möglichkeit, Einfluss auf die Selektion zu nehmen,<br />

als sie bevorzugte Studienrichtungen<br />

angeben oder selbst entscheiden können,<br />

ob sie junge Frauen oder junge Männer unterstützen<br />

wollen. «Sponsoren suchten wir<br />

erst, nachdem wir die Studenten bereits<br />

ausgesucht hatten. Der dringende Bedarf<br />

an Stipendiengeldern war vorhanden, und<br />

wir wollten ihn so oder so decken», erklärt<br />

Daniel Siegfried. Manuela Bianchi ergänzt:<br />

«Studenten zu unterstützen, ist sinnvoll, weil<br />

sie potenzielle Träger von Veränderungen<br />

sind und demokratisches Gedankengut in ihr<br />

Heimatland zurückbringen.» So wurde 2006<br />

eine erste Gruppe von insgesamt acht Studenten<br />

ausgewählt, vier davon werden bis<br />

heute von der Credit Suisse unterstützt.<br />

Mittlerweile ist das Programm auf 80 Studierende<br />

angewachsen, wovon gut zwei<br />

Drittel Frauen sind. «Auf unsere ersten acht<br />

Studenten sind wir ausserordentlich stolz,<br />

weil sie alle durchwegs sehr gute Noten<br />

haben. Sie begreifen, dass das ihre vermutlich<br />

einzige Chance ist, ihr Leben zu verändern,<br />

und sie sie drum nutzen sollten», meint<br />

Manuela Bianchi, der die Freude darüber ins<br />

Gesicht geschrieben ist. Dass die Studenten<br />

ihr Studium mit grösster Ernsthaftigkeit angehen,<br />

zeigt die tiefe Quote von Studienabbrüchen.<br />

So haben in den vergangenen drei<br />

«Wir sind um ein enges<br />

Coaching der Studenten<br />

bemüht, denn sie erleben<br />

hier eine neue Welt.»<br />

Manuela Bianchi<br />

Jahren nur fünf Studierende das Programm<br />

verlassen – zwei davon liessen sich in die<br />

USA umsiedeln, eine Studentin bekam ein<br />

Kind und ein Student verschwand aus unbekannten<br />

Gründen.<br />

Der Weg zum persönlichen Glück<br />

1<br />

3<br />

1 Die Bung-Kaew-Schule war in einem desolaten Zustand, jeder Sturm wurde für die Schüler<br />

gefährlicher. 2 In der neuen Schule bleibt der Schlamm garantiert draussen – und es herrscht Sicherheit<br />

drinnen. 3 Die Veranda der Pakkam-Schule ist besonders wichtig, dauert doch die Regenzeit<br />

von Mai bis Oktober. 4 Das Baumaterial wird von einem Child’s Dream Team über den einzigen Weg<br />

zu einer Schule gebracht.<br />

2<br />

4<br />

Doch was passiert mit den Studenten nach<br />

dem Abschluss? Ein Drittel wird das Wissen<br />

wieder in das Heimatland tragen und beispielsweise<br />

als Lehrer weiterverbreiten. Ein<br />

weiteres Drittel wird in einer nichtstaatlichen<br />

Organisation als Journalist, Übersetzer oder<br />

Projektleiter arbeiten. Und der verbleibende<br />

Teil hat noch kein festes Ziel, studiert aber<br />

oftmals Berufe im Gesundheitswesen. Als<br />

weitere Option besteht seit nunmehr einem<br />

Jahr ein Business-Angels-Programm. Die<br />

Studenten können in ihrem letzten Studienjahr<br />

einen Vorschlag für ein nachhaltiges<br />

Projekt einreichen, das mindestens einen<br />

Arbeitsplatz schafft, der Gemeinschaft dient,<br />

den Starthilfebetrag von maximal 20 000<br />

US-Dollar nicht überschreitet und nach einer<br />

gewissen Zeit selbsttragend ist. Das kann<br />

die Eröffnung eines Schreibladens oder einer<br />

kleinen Bücherleihe sein.<br />

Die Organisationsleiter diskutieren hin<br />

und wieder, ob die ausgebildeten jungen<br />

Menschen zwingend zurück in ihr Heimatland<br />

gehen oder ob sie auch die Möglichkeit<br />

haben sollten, beispielsweise in den USA<br />

bei einer Bank zu arbeiten. Noch hat sich<br />

kein Studierender so entschieden, und das<br />

wird vermutlich auch so bleiben. Denn wenn<br />

diese jungen Menschen nur annähernd die<br />

gleiche Gesinnung wie die Gründer von<br />

Child’s Dream haben, werden auch sie einen<br />

verantwortungsvollen Weg gehen – und merken,<br />

dass dieser zum eigenen Glück werden<br />

kann. So wie Marc Jenni, der die Arbeit in<br />

der Finanzindustrie sehr genossen hat, dem<br />

aber damals etwas zu seiner totalen Zufriedenheit<br />

fehlte. Durch seine Arbeit für die<br />

Organisation hat er dieses fehlende Stück<br />

in der Hilfe für Bedürftige gefunden. Und<br />

Daniel Siegfried spricht wohl für beide Gründer,<br />

wenn er auf die Frage nach der Motivation<br />

antwortet: «Es fühlt sich einfach genau<br />

richtig an.» Regula Gerber<br />

Fotos: Child’s Dream | Rogan Macdonald | Credit Suisse<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 51<br />

Enduro-Challenge-Triathlon<br />

Von Turm zu Turm<br />

Das Credit Suisse Team gewann mit einem Vorsprung von<br />

62 Minuten den Enduro-Challenge-Triathlon vom 28. August.<br />

Die Mannschaft mit Paul Annegarn, Matthew Caldwell,<br />

Oliver Caldwell, Christopher Dettmar, Rebecca Glover, Helen<br />

Haworth, Ben Jervis und Christopher Twycross verwies<br />

Barclays Capital und die Deutsche Bank auf den zweiten und<br />

dritten Platz. Das jährlich stattfindende Stafettenrennen<br />

zwischen sechs führenden Finanzdienstleistungsunternehmen<br />

besteht aus einem Lauf über 150 Kilometer von London nach<br />

Dover, einer Schwimmprüfung über 40 Kilometer bis nach<br />

Calais und einer Radprüfung über 300 Kilometer nach Paris.<br />

Dieses Jahr wurde der Ärmelkanal aufgrund der rauen See<br />

nicht durchschwommen, dafür mussten die Teilnehmer eine<br />

Strecke im Hafenbereich von Dover schwimmen.<br />

Es war ein Rennen von «Turm zu Turm» mit Start beim<br />

Tower of London und Ziel beim Eiffelturm in Paris: Allen Teams<br />

gelang es, für ihre Wohltätigkeitsorganisationen beträchtliche<br />

Geldbeträge zu sammeln. Die Credit Suisse unterstützte<br />

auch dieses Jahr The Place2be, eine Organisation, die<br />

Kindern mit schwierigem Hintergrund zur Seite steht. Durch<br />

die Sammlung ist die Organisation ihrem Ziel, die Zahl der von<br />

ihr betreuten Schulen bis 2010 auf 190 zu erhöhen, nähergekommen.<br />

Seit die Credit Suisse die Organisation mit Sammelaktionen<br />

unterstützt hat, sind mehr als 625 000 britische<br />

Pfund zusammengekommen. Mandana Razavi<br />

Habitat for Humanity<br />

Gemeinsam gegen<br />

Wohnungsnot<br />

Weltweit sind fast 1,6 Milliarden<br />

Menschen mit Wohnungsproblemen<br />

konfrontiert. Daher unterstützt<br />

die Credit Suisse bereits seit<br />

mehreren Jahren die Organisation<br />

Habitat for Humanity. Regelmässig<br />

leisten Credit Suisse Mitarbeitende<br />

beim Bau von Eigenheimen für<br />

Familien mit geringem Einkommen<br />

freiwillige Arbeitseinsätze: So bildeten<br />

Mitarbeitende Teams, um<br />

nach dem verheerenden Tsunami<br />

beim Wiederaufbau in Sri Lanka<br />

und Indien mitzuhelfen. In den USA<br />

unterstützten Credit Suisse Volunteers<br />

Projekte in New York, Raleigh,<br />

Atlanta, Boston und Princeton.<br />

Freiwillige aus den Niederlassungen<br />

in Singapur und Hongkong<br />

fliegen regelmässig nach Indonesien<br />

und China, um Aufbauhilfe<br />

zu leisten. Auch Mitarbeitende aus<br />

London beteiligen sich an diversen<br />

Wiederaufbauprojekten.<br />

Allein im Juni leisteten 95 Mitarbeitende<br />

aus sechs Niederlassungen<br />

Freiwilligenarbeit für<br />

Habitat. Die Credit Suisse Standorte<br />

Buenos Aires, Mexico City,<br />

Seoul und Breslau arbeiteten dabei<br />

zum ersten Mal mit Habitat zusammen.<br />

Das Private Banking in<br />

Dallas und das Investment Banking<br />

in Chicago erweiterten ihr Engagement<br />

und bezogen erstmals auch<br />

Kunden und Praktikanten mit ein.<br />

Aufgrund der langjährigen und erfolgreichen<br />

Zusammenarbeit ist das<br />

Corporate Volunteering mittlerweile<br />

eine Partnerschaft mit Habitat for<br />

Humanity eingegangen. Lalita Advani<br />

Menschen» in den letzten Monaten<br />

öffentlich diskutiert worden. Am<br />

24. November findet nun im Winterthurer<br />

«Zentrum für Ausbildung im<br />

Gesundheitswesen Kanton Zürich»<br />

mit der Unterstützung des Jubiläumsfonds<br />

der Credit Suisse ein<br />

Sensibilisierungstag für Fachpersonen<br />

statt, die sich von Berufs<br />

wegen mit älteren Menschen<br />

beschäftigen. Andreas Schiendorfer<br />

Schweiz<br />

Nachwuchskräfte für<br />

die Credit Suisse<br />

Die Credit Suisse steht seit Jahren<br />

für eine langfristige Nachwuchsförderung.<br />

Auch dieses Jahr konnten<br />

im August wieder über 200<br />

Lernende und Mittelschulabsolventen<br />

ihr Ausbildungsprogramm beginnen.<br />

Ihre Lehrabschlussprüfung<br />

haben bereits Ende Juli 96 Prozent<br />

unserer Lehrabgängerinnen und<br />

Lehrabgänger erfolgreich hinter<br />

sich gebracht. Die Credit Suisse ist<br />

bestrebt, ihre Lernenden und<br />

Mittelschulabsolventen nach ihrem<br />

Abschluss als erfolgreiche und<br />

qualifizierte Fachkräfte im Unternehmen<br />

zu behalten. So werden<br />

auch dieses Jahr erfreulicherweise<br />

über 80 Prozent der Absolventen,<br />

welche die Anforderungen erfüllen<br />

und unmittelbar nach dem Lehrabschluss<br />

eine feste Stelle bei der<br />

Credit Suisse anstreben, bei uns<br />

weiterarbeiten. Mandana Razavi<br />

Weitere Informationen zu<br />

den Credit Suisse Ausbildungsprogrammen<br />

unter: www.creditsuisse.com/careers/de/.<br />

Anzeige<br />

Gesundheitswesen<br />

Sensibilisierungstag<br />

Aufgrund von Missständen, die<br />

in Zürcher Pflegeheimen aufgedeckt<br />

wurden, ist das Tabuthema<br />

«Gewalt gegenüber älteren<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


52 Wirtschaft <strong>Struktur</strong>wandel<br />

Die Schweizer Wirtschaft<br />

vor einem tiefgreifenden<br />

<strong>Struktur</strong>wandel<br />

Die Schweiz hat die Wirtschafts- und Finanzkrise im internationalen Vergleich gut überstanden.<br />

Doch deren Auswirkungen werden für die Schweizer Wirtschaft tiefgreifend sein<br />

und den zwischenzeitlich zum Stillstand gekommenen <strong>Struktur</strong>wandel beschleunigen.<br />

Text: Christian Etzensperger und Frédéric Junod, Economic Research, Zürich<br />

Potenzielle Verlierer<br />

Branchen mit tiefer Chancen-Risiken-Bewertung<br />

Möbelindustrie<br />

Bau<br />

Metallerzeugung<br />

Autogewerbe<br />

Landverkehr, Logistik<br />

Detailhandel<br />

Papierindustrie<br />

Druck & Verlag<br />

Textil- und Bekleidung<br />

Gastgewerbe<br />

Landwirtschaft<br />

–10<br />

–5<br />

0<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


<strong>Struktur</strong>wandel Wirtschaft 53<br />

Potenzielle Gewinner<br />

Branchen mit hoher Chancen-Risiken-Bewertung<br />

Uhrenindustrie<br />

Chemie & Pharma<br />

Medtech, Messinstrumente<br />

Unternehmensberatung<br />

Gesundheitswesen<br />

Banken<br />

Informatik<br />

Versicherungen<br />

Maschinenbau<br />

Nachrichtenübermittlung<br />

Nahrungsmittelindustrie<br />

Elektrotechnik<br />

Architekten, Ingenieure<br />

Grosshandel<br />

Energieversorgung<br />

Reisebranche<br />

Elektronik<br />

Fotos: Meinrad Riedo, Prisma | DAJ<br />

Holzindustrie<br />

Kunststoffindustrie<br />

Metallerzeunisse<br />

Immobilienwesen<br />

0 5 10<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


54 Wirtschaft <strong>Struktur</strong>wandel<br />

In den 1990er-Jahren wurde die Schweizer<br />

Industrie auf der Verliererseite des einsetzenden<br />

Globalisierungsschubs gesehen. In<br />

der Tat hatten mehrere grosse Industriebetriebe<br />

Mühe, dem Puls der Weltmärkte zu<br />

folgen. Dies galt für traditionelle, inländische<br />

Marken wie Saurer-Lastwagen oder SLM-<br />

Lokomotiven. Aber auch Sulzer, ABB sowie<br />

viele mittelgrosse Produktionsbetriebe mussten<br />

Federn lassen. Die Produktion wurde in<br />

Länder mit billigeren Arbeitskosten ausgelagert,<br />

und man unternahm Anstrengungen,<br />

den Dienstleistungsanteil am Umsatz zu erhöhen.<br />

Beschäftigte die Industrie in den<br />

1960er-Jahren noch über 1,6 Millionen Arbeitskräfte,<br />

fiel die Zahl Mitte der Neunzigerjahre<br />

unter die Millionenmarke. Diese Entwicklung<br />

fand gleichzeitig wie die Immobilienkrise<br />

statt. Die Kombination führte zu einer U-förmigen<br />

Rezession mit mehrjähriger Wachstumsschwäche<br />

und hoher Arbeitslosigkeit.<br />

Die Schwäche der Industrie führte zu einem<br />

tiefgreifenden <strong>Struktur</strong>wandel, und ihre<br />

Wertschöpfung entwickelte sich im Vergleich<br />

zur Gesamtwirtschaft während der ganzen<br />

Dekade unterdurchschnittlich.<br />

Krise erfasst Industrie Mitte 2008<br />

Zusätzlich wurde die traditionelle Güterproduktion<br />

auch zunehmend vom Dotcom-Boom<br />

überschattet. Doch als die Dotcom-Blase<br />

platzte, folgte nach einer kurzen Rezession<br />

ein überraschend kräftiger, mehrjähriger Aufschwung,<br />

der eine Auferstehung der Industrie<br />

beinhaltete. Die einheimische Industrieproduktion<br />

stieg von 2003 bis 2008 um knapp<br />

ein Drittel, die Umsätze um rund 40 Prozent.<br />

Gegenüber der Gesamtwirtschaft wies die Industrie<br />

von 2005 bis 2008 gemessen an der<br />

Wertschöpfung eine deutliche Überperformance<br />

von jährlich 2 Prozent aus. Der Boom<br />

mündete in die Schaffung von 100 000 neuen<br />

Industriearbeitsplätzen – der stärkste Anstieg<br />

seit Beginn der Messreihe 1960.<br />

Indes sollte diese erstaunliche Entwicklung<br />

nicht lange währen. Ab Mitte 2008 wurde<br />

die Schweizer Realwirtschaft von der<br />

Weltwirtschaftskrise erfasst. Knapp ein Jahr<br />

zuvor hatte die Finanzkrise die Banken und<br />

andere an den Finanzmärkten exponierte<br />

Akteure in Bedrängnis zu bringen begonnen.<br />

Im Juli 2008 stürzten die Erdölnotierungen,<br />

mit ihnen der Rohstoffsektor und schliesslich<br />

die ersten Industriebranchen in die Tiefe. In<br />

der Schweiz waren die Metallerzeuger betroffen,<br />

aber auch die Hersteller chemischer<br />

Grundstoffe. Gleichzeitig brach der globale<br />

Textilmarkt ein, was einen dramatischen<br />

<br />

Nachfragerückgang bei den Schweizer Textilmaschinenproduzenten<br />

auslöste. Ähnlich<br />

schlecht erging es nur noch den Automobilzulieferern.<br />

Weil die Wertschöpfungskette im<br />

Autobau äusserst lang ist, betraf die Krise<br />

Unternehmen verschiedenster Branchen,<br />

vom Metall- und Maschinenbau über die<br />

Elektronik bis hin zur Chemie. Anfang 20<strong>09</strong><br />

brachen die Umsätze der bisher unbehelligten<br />

Uhrenindustrie ein. Anschliessend<br />

übertrug sich das Virus auch auf das binnenorientierte<br />

Gewerbe.<br />

Schweizer Wirtschaft schlägt Konkurrenz<br />

Im internationalen Vergleich hat die Schweizer<br />

Wirtschaft die Krise aber gut überstanden.<br />

Das Bruttoinlandprodukt sank im 1. Halbjahr<br />

20<strong>09</strong> um 2,1 Prozent. Die wichtigsten Schweizer<br />

Handelspartner erlebten mit wenigen Ausnahmen<br />

eine deutlich stärkere Schrumpfung<br />

ihrer Volkswirtschaften. Das Gleiche gilt für<br />

die Exporte, die in der Schweiz seit dem<br />

Höchststand im 3. Quartal 2008 bis im Sommer<br />

20<strong>09</strong> um 20 Prozent eingebrochen sind.<br />

In Deutschland betrug der entsprechende Einbruch<br />

knapp ein Viertel, in den USA 27 Prozent<br />

und in Japan gar 40 Prozent. An Konkurrenzfähigkeit<br />

gegenüber Mitbewerbern hat die<br />

Schweizer Industrie also nicht verloren. Vielmehr<br />

wurde sie Opfer einer Welle, die viele<br />

Boote zum Kentern brachte.<br />

Trotz dieser vergleichsweise erfreulichen<br />

Zwischenbilanz ist es absehbar, dass die gegenwärtige<br />

Rezession die Wirtschaft verändern<br />

wird. Die vier vorgängigen Rezessionen<br />

<br />

Wertschöpfungsintensiven Branchen gehört die Zukunft<br />

Die mittelfristigen Chancen und Risiken der verschiedenen Branchen der Schweizer Wirtschaft.<br />

Als Berechnungsgrundlage dient ein Modell des Economic Research der Credit Suisse. Der Prognosehorizont<br />

erstreckt sich über die nächsten drei bis fünf Jahre. Quelle: Credit Suisse Economic Research<br />

der Nachkriegszeit in der Schweiz wirkten<br />

sich jeweils unterschiedlich stark auf die Wirtschaftsstruktur<br />

aus. Die Rückgänge von<br />

1982 und 2003 hatten vergleichsweise geringe<br />

Auswirkungen auf den <strong>Struktur</strong>wandel,<br />

während die Rückgänge von 1975 und 1993<br />

den Wandel relativ stark beschleunigten. Der<br />

<strong>Struktur</strong>wandel betrifft aus drei Gründen<br />

stets die Industrie am stärksten. Erstens, weil<br />

sie stärker von den zyklischen, durch Firmen<br />

mehrheitlich im Ausland getätigten Anlageinvestitionen<br />

abhängt als der eher vom glättenden<br />

Konsum der privaten Haushalte abhängige<br />

Dienstleistungssektor. Zweitens ist<br />

der technologische Fortschritt in besonderem<br />

Masse Fluch und Segen für die Industrie. Einerseits<br />

eröffnet er dem findigen Unternehmer<br />

stets neue Marktchancen. Die Kehrseite<br />

der sich beschleunigenden Innovationskadenz<br />

ist aber zunehmender Innovationsstress, weil<br />

die Verdrängung oder das Verschwinden von<br />

angestammten Märkten droht (Beispiel: Konkurs<br />

von Polaroid 2008). Die Industrie mit<br />

ihren weniger flexiblen <strong>Struktur</strong>en und hohen<br />

Fixkosten tut sich hier nachweislich schwerer<br />

als der Dienstleistungssektor. Drittens folgt<br />

die Verlagerung vom sekundären zum tertiären<br />

Sektor trotz des Industriebooms von<br />

2003 bis 2008 einem langfristigen Trend.<br />

Zwischen 1995 und 2005 hat die Zahl der<br />

Industriebetriebe in der Schweiz um 1800 abgenommen.<br />

Die Zahl der Dienstleistungsbetriebe<br />

nahm gleichzeitig um 14 500 zu. Selbst<br />

in guten Phasen konnte dieser Trend jeweils<br />

nicht mehr als neutralisiert werden. In Krisen-<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


<strong>Struktur</strong>wandel Wirtschaft 55<br />

zeiten werden dagegen die Geschäftsmodelle<br />

überdacht, die Betriebe verschlankt und<br />

Teile der Produktion ausgelagert. Dadurch<br />

begrenzt die Industrie ihren Beitrag zur Wirtschaftsleistung<br />

dauerhaft, also auch über den<br />

nachfolgenden Zyklus.<br />

Die Industrieunternehmen sind nach dem<br />

Ende des Booms mit Aufräumarbeiten beschäftigt.<br />

Danach dürften sich die Restrukturierungen<br />

aber auf strategischer Ebene<br />

fortsetzen. Angesichts tieferer Absatzniveaus<br />

und steigender Rohstoffpreise müssen die<br />

Unternehmen überdenken, was sie an welchen<br />

Standorten für welche Märkte herstellen<br />

wollen. Nachdem das in den 1990er-Jahren<br />

propagierte Outsourcing und Offshoring<br />

in den fetten Jahren in den Hintergrund<br />

rückte, dürfte das Pendel in den mageren<br />

Jahren wieder auf die andere Seite ausschwingen.<br />

Während im Dienstleistungssektor<br />

schwergewichtig Administratives oder<br />

Basisdienste ausgelagert werden, sind es in<br />

der Industrie ganze Produktionslinien, die zudem<br />

überwiegend in Ländern mit tieferen<br />

Lohnkosten angesiedelt werden.<br />

Der Dienstleistungssektor wird wachsen<br />

Der Anteil des Dienstleistungssektors an der<br />

Wirtschaftsleistung dürfte in den nächsten<br />

Jahren weiter steigen, die Schrumpfung einzelner<br />

Industriezweige hingegen weitergehen.<br />

Von den erwähnten 100 000 in den Boomjahren<br />

geschaffenen Industriearbeitsplätzen<br />

sind im ersten Halbjahr 20<strong>09</strong> bereits 25 000<br />

wieder abgebaut worden. Ein weiterer grosser<br />

Schnitt dürfte in der ersten Hälfte 2010<br />

erfolgen, wenn die Möglichkeiten der Kurzarbeitszeit<br />

ausgeschöpft sind.<br />

Chancen und Risiken einzelner Branchen<br />

Mittelfristig wird sich in der Schweizer Industrie<br />

− aber auch in der ganzen Schweizer<br />

Wirtschaft − der Trend in Richtung wertschöpfungsintensivere<br />

Aktivitäten fortsetzen.<br />

Denn trotz momentaner Restrukturierungen<br />

und Entlassungen in vielen Industriezweigen<br />

erwiesen sich andere, für die Wirtschaft immer<br />

wichtigere und immer wertschöpfungsintensivere<br />

Industriebranchen als regelrechte<br />

Stabilisatoren der Schweizer Wirtschaft. Dies<br />

gilt beispielsweise für die Pharmaindustrie<br />

und die Medizinaltechnik.<br />

Um die mittelfristigen Gewinner und Verlierer<br />

zu eruieren, um die Branchen nach ihren<br />

strukturellen Stärken und Schwächen einzuordnen<br />

und um ihr mittelfristiges Wachstumspotenzial<br />

abzuschätzen, berechnet das Economic<br />

Research der Credit Suisse jährlich<br />

eine mittelfristige Chancen-Risiken-Bewertung.<br />

Der Prognosehorizont dieser Bewertung<br />

erstreckt sich über die nächsten drei bis<br />

fünf Jahre. Die Bewertung stützt sich auf ein<br />

eigens entwickeltes Modell und wird auf einer<br />

Skala von –10 bis +10 abgebildet (> siehe Abbildung<br />

Seite 52). Eine Branche mit hohem Wert<br />

wird sich folglich in der mittleren Frist wirtschaftlich<br />

nachhaltiger entwickeln als eine<br />

Branche mit einem tiefen Wert. Neben Wertschöpfungs-,<br />

Produktivitäts- und Beschäftigungswachstum<br />

fliessen in die Beurteilung<br />

auch Indikatoren ein, die den <strong>Struktur</strong>wandel,<br />

die Wachstumsschwankungen sowie das<br />

Ausmass an Regulierungen und Protektionismus<br />

innerhalb einer Branche messen.<br />

Spitzenreiter bleiben gemäss unserer<br />

Chancen-Risiken-Bewertung wertschöpfungsintensive<br />

Branchen, die mittelfristig<br />

trotz zyklischer Schwankungen sehr wettbewerbsfähig<br />

sind. Dazu gehören die Chemie,<br />

die Pharmaindustrie, die Uhrenindustrie sowie<br />

die Hersteller von Präzisionsinstrumenten<br />

(Medizinaltechnik, Mess- und Kontrollinstrumente).<br />

Während sich die Pharmaindustrie<br />

und die Medizinaltechnik im aktuellen Abschwung<br />

erneut als konjunkturresistent erwiesen,<br />

offenbarte sich einmal mehr die<br />

starke Zyklizität der chemischen Industrie, der<br />

Uhrenindustrie sowie der Hersteller von Messund<br />

Kontrollinstrumenten. Letztere dürften<br />

aber dank ihrer hohen Konkurrenzfähigkeit<br />

überdurchschnittlich von einer konjunkturellen<br />

Erholung profitieren. Unmittelbar hinter<br />

der Spitzengruppe befinden sich das Gesundheits-<br />

und Sozialwesen sowie die Unternehmensberatungen.<br />

Die Entwicklung im Gesundheits-<br />

und Sozialwesen ist geprägt von<br />

den demografischen Veränderungen, den<br />

wachsenden Ansprüchen an Gesundheit und<br />

Betreuungsleistungen sowie vom technologischen<br />

Fortschritt. Auch in Zukunft werden<br />

diese Dienstleistungsbranchen deutlich<br />

wachsen. Im Gesundheitswesen droht in Zukunft<br />

sogar ein enormer Personalmangel. Bei<br />

den Unternehmensberatern besteht ein wesentlicher<br />

Treiber darin, dass Unternehmen<br />

komplexe Aufgaben und Abklärungen immer<br />

häufiger an Spezialisten auslagern. Die Banken,<br />

die Versicherungen und die Informatikbranche<br />

erhalten ebenfalls eine überdurchschnittliche<br />

Bewertung. Denn trotz der momentan<br />

starken Turbulenzen bleibt der<br />

Finanzplatz Schweiz gut positioniert und für<br />

die Zukunft gerüstet.<br />

Im Mittelfeld befinden sich Branchen aus<br />

unterschiedlichen Bereichen. Die Maschinenbauer<br />

präsentieren sich heute in einem völlig<br />

anderen Kleid als noch vor zehn Jahren. Die<br />

meisten Betriebe haben sich vom Kostenwettlauf<br />

verabschiedet und setzen immer<br />

mehr auf Innovationen. Weiter hinten befindet<br />

sich die Metallindustrie. Sie gehörte zu den<br />

ersten Branchen, die vom Abschwung betroffen<br />

wurden, und dürfte auch in Zukunft<br />

nur unterdurchschnittlich stark wachsen.<br />

Branchen mit strukturellen Problemen auf<br />

der Angebotsseite befinden sich am Ende der<br />

Rangliste. Dort findet man die Textil­ und die<br />

Bekleidungsindustrie sowie die Branche<br />

Druck und Verlag. Diese Branchen durchlaufen<br />

seit Jahren massive strukturelle Veränderungen.<br />

Trotz harter Restrukturierungen<br />

profitierten sie nur wenig von den letzten<br />

Boomjahren 2003–2008 und leiden im aktuellen<br />

Abschwung wieder besonders stark.<br />

Das Jahr 20<strong>09</strong> wird nach dem Boom der<br />

Jahre 2003–2008 als Katerjahr in die Annalen<br />

der Schweizer Industrie eingehen. Aufgrund<br />

der Schärfe der Rezession scheint in<br />

bereits strukturell schwachen Branchen eine<br />

Beschleunigung des <strong>Struktur</strong>wandels gewiss.<br />

Die wertschöpfungsintensiven Branchen<br />

− beziehungsweise die Spitzengruppe<br />

unserer Chancen­Risiken­Bewertung − können<br />

gelassener in die Zukunft schauen. Der<br />

Wandel von wertschöpfungsschwachen zu<br />

wertschöpfungsintensiven Branchen sowie<br />

von Industriebranchen zu Dienstleistungsbranchen<br />

wird sich fortsetzen. <<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


56 Wirtschaft Speichertechnologie<br />

Auf dem Weg zum<br />

ultimativen<br />

Universalspeicher<br />

Bei der Entwicklung neuartiger Datenspeicher dringt die Forschung in neue Sphären vor.<br />

Nanoverstärkte Verfahren erhalten das Moore’sche Gesetz bis über 2010 hinaus.<br />

Text: Miroslav Durana, Nanotechnology Research, Zürich<br />

Der Verlauf des Moore’schen Gesetzes seit 1960 und die voraussichtliche Entwicklung bis 2010<br />

Die Annahme des Moore’schen Gesetzes, dass sich die Zahl der Transistoren alle zwei Jahre verdoppelt, bleibt weiter aktuell,<br />

weil der Einsatz von Nanotechnologie die Entwicklung neuartiger Speichermedien ermöglicht, die intelligenter, schneller, sparsamer<br />

und universeller einsetzbar sind. Quelle: Computer Measurement Group, Credit Suisse<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Speichertechnologie Wirtschaft 57<br />

Seit Ende der 1960er-Jahre zeichnet sich die<br />

Informationstechnologie (IT) durch hohe Innovationskraft<br />

aus und bestätigt dadurch das<br />

berühmte Moore’sche Gesetz, eine visionäre<br />

Vorhersage des Intel-Mitgründers Gordon<br />

Moore aus dem Jahr 1965. Das ursprüngliche<br />

Gesetz besagt, dass sich die Anzahl<br />

Transistoren, die sich in der erweiterten Funktionalität<br />

vieler elektronischer Geräte wie<br />

Computer spiegelt, alle zwei Jahre verdoppelt.<br />

Nahezu alle Funktionen der digitalen<br />

Informationstechnologie wie Prozessorgeschwindigkeit<br />

und Speicherkapazität werden<br />

mit diesem Gesetz in Verbindung gebracht<br />

und seit fast einem halben Jahrhundert empirisch<br />

verfolgt. Nun ist aber ein Punkt erreicht,<br />

an dem sich das beeindruckende<br />

Wachstum der Funktionalität vieler mikroelektronischer<br />

Geräte mit der bisherigen Metalloxid-Halbleiter-Technologie<br />

(CMOS) voraussichtlich<br />

nicht fortsetzen wird. Deshalb entwickeln<br />

viele Unternehmen Alternativen, um<br />

im Nanomassstab bessere Lösungen bereitzustellen.<br />

Vorstoss in den molekularen Bereich<br />

In den nächsten zehn Jahren wird die Siliziumtechnologie<br />

in den molekularen Bereich<br />

vorstossen, um mit Bauteilgrössen von weniger<br />

als 20 nm weitere Leistungsverbesserungen<br />

in Bezug auf Geschwindigkeit,<br />

Komplexität, Zuverlässigkeit und Kosten zu<br />

erzielen. Gemäss der International Technology<br />

Roadmap for Semiconductors ( ITRS)<br />

dürfte die heutige Standard-Halbleitertechnologie<br />

die physikalischen Grenzen der Optimierung<br />

bis 2020 erreicht haben. Bis dann<br />

könnte ein Transistor eine Elektrodenlänge<br />

(Gate) von 6 bis 7 nm und ein Speicherchip<br />

eine Breite von 14 bis 15 nm aufweisen. Solche<br />

Dimensionen gehen weit über die Möglichkeiten<br />

der heutigen Technologie hinaus.<br />

Viele Halbleiterunternehmen arbeiten daher<br />

an der Integration von Kohlenstoff-Nanoröhren<br />

und Kohlenstoff-Nanodrähten in gängige<br />

Siliziumtechnologien. Zahlreiche elektronische<br />

Anwendungen dürften allmählich<br />

zu molekularen Systemen übergehen. Nanoimprintlithografie,<br />

Silizium-Nanodrähte, Phasenwechselspeicher<br />

oder dreidimensionale<br />

Chips gehören zu den zahlreichen technischen<br />

Neuerungen, welche die Gültigkeit<br />

des Moore’schen Gesetzes verlängern dürften,<br />

obwohl das bekannte Prinzip des Computerwesens<br />

in den letzten Jahrzehnten<br />

schon mehrfach totgesagt wurde.<br />

Um die nächste Ebene der Miniaturisierung<br />

zu erreichen, ist 2010 im nanoverstärkten<br />

IT-Sektor mit kräftigen privaten Investitionen<br />

in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar<br />

zu rechnen. Dies impliziert ein Wachstum von<br />

mehr als 30 Prozent über drei Jahre. Viele<br />

Anwendungen wie nanoverstärkte Massenspeichermedien,<br />

gedruckte Elektronik, Funketiketten<br />

(RFID) und organische Leuchtdioden<br />

dürften von diesen Ausgaben profitieren<br />

und bis 2012 zunehmend auf den<br />

Markt kommen. Der nächste Abschnitt befasst<br />

sich mit der Entwicklung neuer Speichersysteme.<br />

Schnelle Speicher ohne Strom<br />

Zu den Hauptmerkmalen der nächsten Datenspeichergeneration<br />

gehört, dass sie 1. nichtflüchtig,<br />

2. schnell und 3. billig sind und<br />

4. eine sehr lange Lebensdauer (hohe Anzahl<br />

Schreib-/Lesezyklen) sowie 5. eine hohe<br />

Datendichte aufweisen. Nichtflüchtig bedeutet,<br />

dass die Datenerfassung keinen elektrischen<br />

Strom im Chip erfordert.<br />

Zu den heute erhältlichen nichtflüchtigen<br />

Speichermedien zählen Festplatten und<br />

Flash-Speicher. Während Festplatten keinen<br />

schnellen Datenzugriff ermöglichen, weshalb<br />

Computer nach dem Einschalten einen zeitraubenden<br />

Start- oder Downloadprozess<br />

durchlaufen, sind Flash-Speicher, zum Beispiel<br />

in Digitalkameras, teuer und gewähren<br />

– im Gegensatz zu flüchtigen Speichermedien<br />

wie dynamischen und statischen<br />

RAM (DRAM und SRAM) – ebenfalls nur<br />

langsamen Zugriff. Einige neue Technologien<br />

verfolgen das Ziel, zum ultimativen Universalspeicher<br />

zu werden und alle fünf genannten<br />

Kriterien zu erfüllen. Der Nanomassstab<br />

wird bei allen eine wichtige Rolle<br />

spielen. Viele Technologieunternehmen arbeiten<br />

aktiv an der Entwicklung der folgenden<br />

Schlüsselspeichertechnologien:<br />

FRAM (Ferroelektrischer RAM): FRAM<br />

ist neben der Spintronik die einzige handelsübliche<br />

neue Speichertechnologie. Sie basiert<br />

auf der Kombination eines konventionellen<br />

DRAM-Chips und einer zusätzlichen<br />

ferroelektrischen Nanometerschicht als<br />

nichtflüchtiges Speicherelement, dessen<br />

elektrische Eigenschaften durch ein Magnetfeld<br />

verändert werden.<br />

Spintronik: In konventionellen elektronischen<br />

Speicherchips (DRAM oder SRAM)<br />

dient die Ladung der Elektronen als Datenträger.<br />

Die Spintroniktechnologie nutzt den<br />

Spin von Atomen und Elektronen zur Informationsspeicherung.<br />

Der Spin kann als<br />

inneres Drehmoment des Partikels beschrieben<br />

werden und lässt sich durch Magnetfel-<br />

der beeinflussen. Giant Magneto-Resistance<br />

(GMR) ist die fortschrittlichste Technologie<br />

dieser Gruppe und wird bereits in Sensoren<br />

und hoch empfindlichen Leseköpfen von<br />

Festplatten und magnetischen RAM-Speichern<br />

(MRAM) eingesetzt.<br />

PRAM (Phasenwechselspeicher): Die<br />

Datenspeicherung erfolgt auf Materialien,<br />

die ihre Phase von kristallin zu amorph und<br />

damit die elektrische Leitfähigkeit ändern,<br />

sodass sie als elektronische Speicher genutzt<br />

werden können. Energy Conversion<br />

Devices ist im Besitz des einzigen Patents<br />

für diese Technologie, und Samsung Electronics<br />

als Lizenznehmer hat im letzten Monat<br />

mit der Massenproduktion begonnen. Dieser<br />

PRAM kann Daten neu beschreiben, ohne<br />

dass frühere Daten gelöscht werden, und ist<br />

30-mal schneller beziehungsweise 10-mal<br />

langlebiger als ein Flash-Speicher. Ausserdem<br />

reduziert sich der Stromverbrauch, da<br />

das Umwandlungsvolumen dank UV-Nanoimprintlithografie<br />

im Bereich von unter<br />

100 nm liegt.<br />

Die hochinnovative Forschung von heute<br />

führt laufend zu neuen nanoverstärkten Speichertechnologien.<br />

Die erste 40-nm-Prozesstechnologie auf<br />

DRAM-Basis von Samsung Electronics sollte<br />

die Entwicklungszeit um 50 Prozent auf ein<br />

Jahr verkürzen, das Produktionsvolumen um<br />

60 Prozent steigern und Energieeinsparungen<br />

von 30 Prozent ermöglichen.<br />

Der 32-Gigabit-NAND-Flash-Speicherchip<br />

von Toshiba basiert auf einer neuen,<br />

fortschrittlichen 32-nm-Flash-Speichertechnologie.<br />

Starkes Wachstum erwartet<br />

Zu den grössten Produzenten dieser Schlüsselspeichertechnologien<br />

gehören Ramtron<br />

(FRAM), Sony, Infineon, Toshiba und Fujitsu<br />

(FRAM und Spintronik), IBM und NVE Corp.<br />

(Spintronik) sowie Samsung (für alle drei<br />

genannten Technologien). Angesichts dieser<br />

beschleunigten Entwicklung von nanogestützten<br />

Speicherprozesstechnologien und<br />

neuen Speichermedien ist bis 2012 mit einem<br />

Umsatzwachstum von über 40 Prozent<br />

(CAGR über drei Jahre) auf sieben Milliarden<br />

US-Dollar zu rechnen.<br />

Die Credit Suisse rät deshalb zu einem<br />

selektiven Aktienengagement in Firmen, die<br />

auf diesem Gebiet aktiv sind. Anlegern, die<br />

an einer Position in nanoverstärkten Produkten<br />

im weiteren Sinne interessiert sind, empfehlen<br />

wir, in ein breit diversifiziertes Nanotechnologie-Portfolio<br />

zu investieren. <<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


58 Wirtschaft Mexiko<br />

«Made in USA» – bei der mexikanischen Grenzstadt Tijuana<br />

sind teilweise direkt hinter dem gut gesicherten Grenzzaun<br />

auf US-Boden Firmen angesiedelt, welche die in Mexiko<br />

fabrizierten Einzelteile zusammenbauen.<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Mexiko Wirtschaft 59<br />

Mexiko: Im Sog<br />

des mächtigen<br />

Nachbarn<br />

Der mexikanische Diktator Porfirio Díaz (1830 –1915) sagte einst: «Pobre México,<br />

tan lejos de Dios y tan cerca de los Estados Unidos» – zu Deutsch: armes Mexiko,<br />

so weitweg von Gott und so nahe an den USA. Die geografische Nähe zu den<br />

USA hat nicht nur die Geschichte von Mexiko geprägt, sie wird auch die zukünftige<br />

Entwicklung der mexikanischen Wirtschaft mitbestimmen.<br />

Text: Pascal Rohner, Equity Research, Zürich<br />

Foto: Thomas Eugster<br />

Die starke Verflechtung mit den USA ist<br />

wahrscheinlich die wichtigste Eigenschaft der<br />

mexikanischen Wirtschaft. Seit der Integration<br />

von Mexiko in das Nordamerikanische<br />

Freihandelsabkommen (NAFTA) im Jahr<br />

1994 haben sich die mexikanischen Exporte<br />

in die USA auf jährlich mehr als 200 Milliarden<br />

US-Dollar vervierfacht. Viele amerikanische<br />

und multinationale Unternehmen wie Ford,<br />

General Motors, ehemals DaimlerChrysler,<br />

Siemens, Philips oder Toshiba haben Teile<br />

ihrer Produktion in mexikanische Grenzstädte<br />

wie Ciudad Juáres, Tijuana und Mexicali<br />

ausgegliedert. Die so genannten Maquiladoras<br />

setzen direkt an der US-Grenze Einzelteile<br />

oder Halbfertigwaren zu Dreivierteloder<br />

Fertigwaren exklusiv für den Export in<br />

die USA zusammen. Mittlerweile sind rund<br />

80 Prozent der mexikanischen Exporte für<br />

den US-Markt bestimmt, und die Exporte in<br />

die USA machen circa 20 Prozent des mexikanischen<br />

Bruttoinlandprodukts aus.<br />

Neben den Rohölexporten stellen Konsumelektronik<br />

und Autoteile die wichtigsten<br />

Kategorien dar. Ausser den Exporten gibt es<br />

aber noch weitere Verknüpfungen zwischen<br />

den beiden Nachbarländern. So stammen<br />

Direktinvestitionen aus den USA. Diese Kapitalströme<br />

korrelieren sehr stark mit dem<br />

Gewinnwachstum von US-Unternehmen.<br />

Mexiko profitierte folglich lange Zeit vom<br />

boomenden Konsum und von steigenden<br />

Unternehmensgewinnen in den USA. Es ist<br />

aber auch nicht verwunderlich, dass die seit<br />

Jahrzehnten grösste US-Rezession die mexikanische<br />

Wirtschaft hart getroffen hat. Die<br />

Krise in der Automobilindustrie und das<br />

schwierige Konsumumfeld in den USA führten<br />

zu rückläufigen mexikanischen Exporten.<br />

Die mageren Gewinne der US-Unternehmen<br />

und die gekürzten Investitionsprogramme<br />

dürften zu einer Halbierung der ausländischen<br />

Direktinvestitionen im Jahr 20<strong>09</strong> im<br />

Vergleich zum Vorjahr führen.<br />

Versiegender Geldfluss für die Familien<br />

Rezession in Mexiko die logische Folge. Das<br />

Bruttoinlandprodukt fiel im 1. Quartal im<br />

Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozent. Für die<br />

Mexikaner ist es nur ein geringer Trost, dass<br />

sie dieses Mal die Krise nicht selbst verschuldet<br />

haben.<br />

Auch für den Ausbruch der Schweinegrippe<br />

Ende April können die Mexikaner kaum<br />

verantwortlich gemacht werden. Im Gegenteil,<br />

die mexikanischen Behörden haben offenbar<br />

sehr rasch und verantwortungsvoll gehandelt,<br />

um die Ausbreitung des H1N1-Virus einzudämmen.<br />

Viele Schulen, Bars, Diskotheken und<br />

Einkaufszentren blieben mehrere Wochen geschlossen.<br />

Selbst Fussballspiele fanden vor<br />

leeren Rängen statt. Den grössten Schaden<br />

trug aber die mexikanische Tourismusbranche<br />

davon. Die Einnahmen aus dem Tourismus<br />

waren im Jahr 2008 mit mehr als 13 Milliarden<br />

US-Dollar (circa 1,5 Prozent des BIP)<br />

die drittwichtigste Deviseneinnahmequelle.<br />

Nach dem Ausbruch der Schweinegrippe<br />

und der Verängstigung vieler Touristen strichen<br />

viele Reiseunternehmen ihre Angebote<br />

nach Mexiko, teilweise bis Ende 20<strong>09</strong>.<br />

Die grossen Kreuzfahrtschiffe mieden die<br />

mexikanischen Häfen wie Acapulco, Cancún,<br />

Auch die Überweisungen der in den USA lebenden<br />

Mexikaner zur Unterstützung ihrer<br />

Familien haben unter der US-Rezession gelitten.<br />

Im Jahr 2008 stellten diese Zahlungen<br />

mit 25 Milliarden US-Dollar nach den Ölexporten<br />

die wichtigste Deviseneinnahmequelle<br />

dar. Von Oktober 2008 bis Januar 20<strong>09</strong><br />

fielen die monatlichen Zahlungen um 40 Pro-<br />

zum Beispiel 50 Prozent der ausländischen zent. Aus all diesen Gründen war eine heftige Los Cabos und Puerto Vallarta. Gemäss<br />

><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


60 Wirtschaft Mexiko<br />

dem Dachverband der Nationalen Handels-,<br />

Dienstleistungs- und Tourismuskammern<br />

(Confederación de Cámaras Nacionales de<br />

Comercio, Servicios y Turismo) sank die Hotelauslastung<br />

landesweit auf etwa 10 Prozent<br />

Mitte Mai und Anfang Juni. Der Flughafen<br />

in Cancún verzeichnete im Mai einen Rückgang<br />

von 63 Prozent bei internationalen Passagieren.<br />

Auch im Juni (minus 38 Prozent)<br />

und Juli (minus 25 Prozent) besuchten deutlich<br />

weniger Touristen die mexikanische Küstenstadt<br />

an der Riviera Maya. Die Lage hat<br />

sich in der Zwischenzeit etwas verbessert,<br />

aber von einer Normalisierung kann noch<br />

nicht die Rede sein. Das Sekretariat für Tourismus<br />

in Mexiko erwartet einen Rückgang<br />

der ausländischen Tourismuseinnahmen von<br />

über 40 Prozent für das ganze Jahr 20<strong>09</strong>.<br />

Erinnerungen an die «Tequila-Krise»<br />

Nach der Belastung der US-Rezession führte<br />

die Schweinegrippe zu einer zusätzlichen<br />

Verschlimmerung der wirtschaftlichen Situation<br />

im 2. Quartal. Das Bruttoinlandprodukt<br />

fiel 10,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.<br />

Die mexikanische Zentralbank gab am<br />

29. Juli bekannt, dass sie für 20<strong>09</strong> von einer<br />

Kontraktion des BIP um zwischen 6,5 und<br />

7,5 Prozent ausgeht. Im April wurde noch ein<br />

Rückgang von nur 4,8 Prozent erwartet. Damit<br />

dürfte die Korrektur noch stärker ausfallen<br />

als während der letzten Rezession im<br />

Jahr 1995, als das BIP gegenüber dem Vorjahr<br />

um «nur » 6,2 Prozent sank. Die so<br />

genannte Tequila-Krise begann im Dezember<br />

1994, als die mexikanische Regierung nicht<br />

mehr in der Lage war, den fixierten Pesokurs<br />

gegenüber dem US-Dollar zu halten. Dies<br />

führte zu einer Vertrauenskrise und schliesslich<br />

zu einem massiven Abzug ausländischen<br />

Kapitals, was innerhalb weniger Tage in eine<br />

Währungsabwertung von bis zu 50 Prozent<br />

mündete. Das fehlende Kapital, die rasant<br />

ansteigenden Kreditkosten und ein Anstieg<br />

der Inflation auf über 50 Prozent machten<br />

schliesslich die Währungskrise zu einer allgemeinen<br />

Wirtschaftskrise. Die mexikanischen<br />

Banken hatten sich vorwiegend auf den<br />

liberalisierten Märkten in den USA verschuldet.<br />

Die Entwertung des Pesos löste einen<br />

drastischen Anstieg der Kreditkosten aus.<br />

Viele mexikanische Banken standen vor dem<br />

Bankrott und wurden schliesslich überwiegend<br />

von ausländischen Banken übernommen.<br />

Mexikanische Unternehmen mussten<br />

sich nach der Krise bei ausländischen Geldgebern<br />

verschulden, und der Staatshaushalt<br />

wurde durch die hochverzinslichen Staatspapiere<br />

bei den mittlerweile ausländischen<br />

Banken stark belastet.<br />

Seit der Tequila-Krise hat sich Mexikos<br />

makroökonomische Situation allerdings stark<br />

verbessert. Die Nettofremdverschuldung im<br />

Verhältnis zum BIP konnte von fast 50 Prozent<br />

im Jahr 1995 auf acht Prozent im Jahr<br />

2008 reduziert werden. Einerseits wurden<br />

die Staatsschulden reduziert und andererseits<br />

US-Dollar-Kredite durch Kredite in<br />

mexikanischen Pesos ersetzt. So sank allein<br />

in den letzten fünf Jahren der Anteil der<br />

Staatsschulden in US-Dollar von 95 Prozent<br />

auf 63 Prozent per Ende 2008. Mexiko hat<br />

über die letzten Jahre auch Währungsreserven<br />

von über 70 Milliarden US-Dollar aufgebaut.<br />

Zusätzlich sorgte eine Swap-Vereinbarung<br />

mit der US-Notenbank über 30 Milliarden<br />

US-Dollar und eine flexible Kreditlinie<br />

über 47 Milliarden US-Dollar mit dem Internationalen<br />

Währungsfonds (IWF) für eine<br />

erhöhte Währungsstabilität, was die Gefahr<br />

einer stärkeren Abwertung des Pesos verminderte.<br />

Da sich die IWF-Kreditlinie an<br />

Länder mit soliden gesamtwirtschaftlichen<br />

Fundamentaldaten richtet, sendete sie Anlegern<br />

ein positives Signal über die wirtschaftliche<br />

Verfassung. Der stellvertretende<br />

geschäftsführende Direktor des IWF, John<br />

Lipsky, sagte im April, dass die mexikanischen<br />

Behörden in der Vergangenheit sehr gut auf<br />

politische Implikationen geachtet haben und<br />

dass Mexiko ein hervorragender Kandidat für<br />

die neue flexible Kreditlinie sei. Auch mexikanische<br />

Unternehmen haben ihren Anteil<br />

an Dollarschulden reduziert und durch lokale<br />

Kredite ersetzt. Dies bedeutet, dass<br />

Mexiko weit weniger von externen Kapitalflüssen<br />

abhängig ist. Dadurch löste die leichte,<br />

temporäre Abwertung des mexikanischen<br />

Pesos keine negative Kettenreaktion mehr<br />

aus, und die Inflation blieb unter Kontrolle.<br />

Die Teuerung hat sich sogar weiter gemässigt.<br />

Sie fiel von 6,5 Prozent im Dezember<br />

2008 auf 5,4 Prozent im Juli 20<strong>09</strong> und dürfte<br />

sich in den nächsten Monaten weiter abschwächen.<br />

Gerade die moderate Inflation<br />

macht die jetzige Situation für Mexikaner viel<br />

erträglicher, vor allem im Vergleich zu 1995<br />

und früheren Währungskrisen.<br />

Krise vergleichsweise gut überstehen<br />

Die gewonnene makroökonomische Stabilität<br />

und die erwartete Erholung der Weltwirtschaft,<br />

und damit der mexikanischen Exporte,<br />

deuten darauf hin, dass Mexiko die<br />

Krise relativ unbeschadet überstehen dürfte.<br />

Für 2010 erwarten wir wieder ein BIP-Wachs-<br />

1 Nettofremdverschuldung<br />

Seit der Tequila-Krise 1994 sank die<br />

Nettofremdverschuldung kontinuierlich von<br />

fast 50 auf acht Prozent. Quelle: Datastream, CS<br />

Nettofremdverschuldung (% des BIP)<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Mexiko<br />

Brasilien<br />

Venezuela<br />

95 96 97 98 99 00 01 02 03 <strong>04</strong> 05 06 07 08<br />

2 Sinkende Ölproduktion<br />

Die Ölproduktion in Mexiko sinkt seit<br />

Jahren und erreicht 2008 ein 13-Jahres-Tief.<br />

Quelle: CS, US Dep. of Energy, Datastream<br />

Mio. Barrel/Tag<br />

3.5<br />

3<br />

2.5<br />

2<br />

1.5<br />

1<br />

6 %<br />

6 %<br />

8 %<br />

Exportmärkte<br />

01 02 03 <strong>04</strong> 05 06 07 08<br />

3 USA als dominanter Exportmarkt<br />

Rund 80 Prozent der mexikanischen<br />

Exporte sind für den US-Markt bestimmt.<br />

Quelle: Banco de México, Credit Suisse<br />

80 %<br />

USA<br />

Lateinamerika<br />

Europa<br />

Andere<br />

9 %<br />

16 %<br />

25 %<br />

US-Exportstruktur<br />

Andere<br />

Autoindustrie<br />

Rohöl<br />

Fernseher<br />

50 %<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Mexiko Wirtschaft 61<br />

tum von vier Prozent. Allerdings scheint die<br />

Erholung auf wackligen Füssen zu stehen.<br />

Die verbesserte Situation der Staatsfinanzen<br />

wurde nicht zuletzt aufgrund der steigenden<br />

Ölexporte realisiert. Mexikos Staatsfinanzen<br />

sind auch in Zukunft stark von den Ölexporten<br />

abhängig. Mexiko ist der siebtgrösste Ölförderer<br />

weltweit. Ölexporte machen zwar<br />

«nur » fünf Prozent des BIP aus, was im Vergleich<br />

zu anderen ölexportierenden Ländern<br />

moderat scheint. Die starke Besteuerung<br />

der staatlichen Ölgesellschaft Pemex bedeutet<br />

aber, dass Öleinnahmen mittlerweile fast<br />

50 Prozent der totalen Staatseinnahmen<br />

ausmachen.<br />

Schwindende Ölreserven<br />

Fotos: Thomas Eugster<br />

Das Hauptproblem ist, dass Mexikos ausgewiesene<br />

Ölreserven langsam ausgehen.<br />

Cantarell, eines der grössten je gefundenen<br />

Erdölfelder der Welt, wird wahrscheinlich in<br />

wenigen Jahren leer gefördert sein. Die Ölproduktion<br />

in Mexiko sinkt momentan jährlich<br />

um etwa zehn Prozent und erreichte 2008<br />

ein neues 13-Jahres-Tief. Der staatlichen<br />

Ölgesellschaft Pemex fehlten in den letzten<br />

Jahren die finanziellen Mittel, um genügend<br />

stark in neue Explorationsprojekte zu investieren.<br />

Ausländischen Ölfirmen bleibt der<br />

Zugang zu Mexikos Ölreserven versperrt.<br />

Dabei verfügt Mexiko über ein erhebliches<br />

Reservepotenzial. Vor allem das Onshore-<br />

Feld Chicontepec und Tiefseevorkommen im<br />

Golf von Mexiko haben ein grosses Potenzial.<br />

Die Exploration ist jedoch wirtschaftlich und<br />

technisch schwierig. Die seit langem erwartete<br />

und Ende 2008 verabschiedete Energiereform<br />

ermöglicht eine flexiblere Auftragsvergabe<br />

und eine grössere Flexibilität<br />

bei der Anlage überschüssiger Erträge von<br />

Pemex. Das mit der Exploration und Erschliessung<br />

neuer Ölfelder verbundene Risiko und<br />

die damit zusammenhängenden Kosten werden<br />

jedoch weiterhin von Pemex getragen,<br />

und eine direkte Beteiligung des privaten<br />

Sektors an der Ölförderung bleibt verboten.<br />

Der Umfang einer privaten Beteiligung bleibt<br />

begrenzt, und es ist höchst unsicher, ob<br />

Mexiko den Rückgang der Ölförderung in<br />

den nächsten Jahren stoppen kann.<br />

Umfassende Steuerreform nötig<br />

Die Steuereinnahmen ausserhalb des Ölsektors<br />

betragen in Mexiko nur gerade neun<br />

Prozent des Bruttoinlandprodukts. Dies ist<br />

der tiefste Wert aller OECD-Länder und liegt<br />

auch deutlich unter dem lateinamerikanischen<br />

Durchschnitt von 15 Prozent. Präsident<br />

Felipe Calderóns Bestrebungen für eine<br />

umfangreiche Steuerreform sind bis jetzt an<br />

der politischen Durchsetzbarkeit gescheitert.<br />

Es bleibt unsicher, ob sich der politische Reformwille<br />

in naher Zukunft wesentlich verbessern<br />

wird. Bei den Parlamentswahlen<br />

Anfang Juli gehörte Calderóns Regierungspartei,<br />

die konservative Partei der Nationalen<br />

Aktion (PAN), zu den grossen Verlierern. Im<br />

Gegenzug ging die grösste Oppositionspartei,<br />

die Partei der institutionalisierten Revolution<br />

(PRI), als Wahlsiegerin hervor. Im Hinblick auf<br />

die nächsten Präsidentschaftswahlen 2012<br />

ist es daher eher unwahrscheinlich, dass die<br />

PRI auch unpopuläre Entscheidungen mittragen<br />

wird, die für eine umfassende Steuerreform<br />

notwendig wären. Ironischerweise<br />

Bild oben Tausende von Trucks<br />

mit Exportgütern passieren<br />

täglich bei Tijuana die Grenze<br />

zu den USA. Bild links Um den<br />

Strom von illegalen Einwanderern<br />

in den Griff zu bekommen,<br />

haben die USA in den vergangenen<br />

Jahren die Mauern und<br />

Zäune an der Grenze zu Mexiko<br />

massiv verstärkt.<br />

könnten genau die wieder angestiegenen Ölpreise<br />

vom Problem ablenken und die notwendigen<br />

Öl- und Energiereformen hinauszögern.<br />

Fazit: Mexiko dürfte aufgrund der gewonnenen<br />

makroökonomischen Stabilität die<br />

schwerste Rezession seit Jahrzehnten relativ<br />

gut überstehen. Die grösste Herausforderung<br />

besteht nun darin, die Abhängigkeit des<br />

Staatshaushaltes vom Öl zu reduzieren und<br />

mehr Anreize für Investitionen im Ölsektor zu<br />

schaffen. Können die notwendigen strukturellen<br />

Reformen durchgesetzt werden,<br />

dürfte sich das Wachstumspotenzial des<br />

Landes verbessern und vor allem der Binnenmarkt<br />

gestärkt werden. Dies würde auch<br />

die grosse Abhängigkeit von der US-Wirtschaft<br />

reduzieren. <<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


62 Wirtschaft Neue Brands<br />

Starke<br />

Marken aus<br />

Emerging<br />

Markets<br />

Japan hat gezeigt, dass sich mit erfolgreichen nationalen Marken auch der globale<br />

Markt erobern lässt. Mit dem Aufstieg der Emerging-Market-Konsumenten erstarkt<br />

derzeit eine Flut von neuen Marken, die auch im Westen Erfolg haben dürften.<br />

Text: Roger Signer, Thematic Research, Zürich<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Neue Brands Wirtschaft 63<br />

In den heutigen Märkten des Überflusses<br />

und des überwältigenden Angebots spielen<br />

Marken eine entscheidende Rolle, da sie für<br />

den Konsumenten ein massgebliches Indiz<br />

für eine bestimmte Qualität geben und damit<br />

den Suchaufwand reduzieren können. Ausserdem<br />

ermöglichen sie den Konsumenten,<br />

etwas über ihre Persönlichkeit auszusagen,<br />

was in der heutigen Gesellschaft wohl zu den<br />

wichtigsten Funktionen einer Marke gehört.<br />

Als Gegenleistung können Marken von den<br />

Kunden einen beträchtlichen Aufpreis verlangen.<br />

Marken sind folglich bedeutende<br />

Aktivposten eines Unternehmens und oftmals<br />

das Ergebnis eines langjährigen Entwicklungsprozesses;<br />

dies gilt beispielsweise<br />

für die Markennamen amerikanischer, europäischer<br />

und japanischer Unternehmen wie<br />

Coca-Cola, Daimler oder Sony.<br />

Mit dem Trend zu einer multipolaren Welt<br />

und dem Aufstieg des Emerging-Market-<br />

Konsumenten erleben wir heute das Entstehen<br />

neuer Marken, deren Ursprung in den<br />

Schwellenmärkten liegt. Das Research der<br />

Credit Suisse unterscheidet sie nach folgenden<br />

zwei Modellen:<br />

Das Binnenmarktmodell: Ein starker<br />

Binnenmarkt, der oft vor ausländischer Konkurrenz<br />

geschützt wird – etwa durch hohe<br />

Importsteuern –, fördert lokale Marken. Weil<br />

das Wirtschaftswachstum zu höheren Löhnen<br />

und dadurch zu steigendem Binnenkonsum<br />

führt, profitieren einzelne lokale Unternehmen<br />

von der Binnenentwicklung, realisieren<br />

Skaleneffekte und erreichen dank<br />

Exklusivität und wettbewerbsfähigen Preisen<br />

eine hohe Markenwiedererkennung. Dies<br />

war etwa in den USA zwischen dem Bürgerkrieg<br />

und dem Zweiten Weltkrieg zu beobachten,<br />

als die amerikanische Industrie, die<br />

noch in den Kinderschuhen steckte, vor der<br />

ausländischen Konkurrenz geschützt wurde.<br />

In Europa geschah dasselbe in den 1950erund<br />

1960er-Jahren. Unternehmen, die von<br />

einem wachsenden Binnenmarkt profitieren,<br />

sind oftmals «Spiegelunternehmen» von ähnlichen<br />

Firmen in grösseren oder höher entwickelten<br />

Ländern, in denen der Schwerpunkt<br />

auf steigenden Ausgaben für Basiskonsumgüter,<br />

Konsumartikel usw. liegt und<br />

die weiterhin von einer niedrigen Kostenbasis<br />

profitieren.<br />

Das Exportmodell: Unternehmen mit unzureichenden<br />

Binnenmärkten spezialisieren<br />

sich auf besondere Nischen und exportieren<br />

hauptsächlich Produkte mit Mehrwert. Sie<br />

geniessen oftmals staatliche Unterstützung<br />

und gelten deshalb als «Export Champions».<br />

Dies war in europäischen Ländern wie<br />

Schweden, Dänemark, der Schweiz oder den<br />

Niederlanden der Fall, wo die Binnenmärkte<br />

zwar limitiert waren, aber die Unternehmen<br />

über Wettbewerbsvorteile bezüglich Ressourcen,<br />

qualifizierter Arbeitskräfte, Forschung<br />

oder Management verfügten. Dieses<br />

Modell wurde in den letzten Jahrzehnten<br />

auch von Ländern wie Singapur, Korea oder<br />

Taiwan übernommen, die zudem häufig von<br />

einer niedrigeren Kostenbasis profitierten.<br />

Das japanische Modell dient als Vorbild<br />

Die derzeitige Entwicklung in den Schwellenmärkten<br />

lässt sich mit dem Geschehen in<br />

Japan vor einigen Jahrzehnten vergleichen:<br />

Japan begann sein dynamisches Wirtschaftswachstum<br />

in den 1960er-Jahren. In den<br />

1950er-Jahren nutzten amerikanische und<br />

europäische Unternehmen Japans niedrige<br />

Herstellungskosten, um ihre eigenen Vertriebsketten<br />

zu versorgen. In den 1960er-<br />

Jahren drehten japanische Unternehmen<br />

den Spiess um und begannen eigene Marken<br />

und Vertriebssysteme aufzubauen. Sie entwickelten<br />

innovative Produkte und Produktionsprozesse<br />

derart schnell, dass sie ab Mitte<br />

der 1970er-Jahre amerikanische und europäische<br />

Unternehmen vom Automobil- bis<br />

zum Konsumelektronikbereich dominierten;<br />

die Marken von anerkannten Export Champions<br />

wie Toyota und Sony sowie den Spiegelunternehmen<br />

wie Nomura wurden aus<br />

dem Nichts zu Weltmarktführern. Während<br />

1953 nur 1,5 Prozent der weltweiten Exporte<br />

auf Japan entfielen, waren es 1978 bereits<br />

7,5 Prozent.<br />

Mit Blick in die Zukunft ist festzustellen,<br />

dass sich viele einheimische EM-Marken<br />

schnell entwickeln, aber es wird sich erst<br />

allmählich zeigen, welche von diesen in die<br />

Fussstapfen erfolgreicher Unternehmen wie<br />

Sony, Toyota oder Nomura treten können.<br />

Zahlreiche Firmen besitzen das Potenzial, zu<br />

neuen globalen Markenführern aufzusteigen.<br />

Die Finanzkrise hat die Karten neu gemischt,<br />

sodass das Rennen um die Entwicklung erfolgreicher<br />

neuer Marken von jenen Unternehmen<br />

entschieden werden dürfte, die sich<br />

der neuen Realität anzupassen wissen.<br />

Breite Mittelschicht als Wachstumsmotor<br />

Die Finanzkrise hat bei den Konsumenten in<br />

den Industrieländern deutliche Spuren hinterlassen:<br />

Geringe Ersparnisse und Lohndruck<br />

erschweren es westlichen Haushalten,<br />

kreditfinanzierte Ermessensausgaben durch<br />

Barbezahlung zu ersetzen. Deshalb müssen<br />

die Konsumenten in hoch verschuldeten Ländern<br />

wie den USA ihr Haushaltsbudget bereinigen,<br />

um möglicherweise über mehrere<br />

Jahre hinweg ihre Verschuldung zu verrin- ><br />

Fotos: Eightfish, Getty Images | Stephen Wilkes, Getty Images | Michel Euler, AP, Keystone<br />

Teenager in Schanghai: Die Mittelschicht als<br />

Wachstumsmotor in den Schwellenländern.<br />

Fabrik in China: Tiefe Produktionskosten als<br />

Wettbewerbsvorteil der Emerging Markets.<br />

Konkurrenz für Nike: Die chinesische<br />

Sportartikelfirma Anta sponsert Zhen Jie.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


64 Wirtschaft Neue Brands<br />

Ölraffinerie von Petrobras in Manaus,<br />

Brasilien: Dank riesiger Reserven bald<br />

einer der Weltmarktführer.<br />

gern. Dies hat bereits ein Loch in die Konsumausgaben<br />

gerissen, darunter auch solche<br />

für Produkte von Exporteuren in Schwellenmärkten.<br />

Hingegen schlüpfen die Konsumenten in<br />

Schwellenmärkten zunehmend in die Rolle<br />

der Konsumenten in Industrieländern. Tatsächlich<br />

suchen die Schwellenländer nach<br />

einem nachhaltigen neuen Wachstumsmotor<br />

mit geringerer Exportabhängigkeit. Um der<br />

Lokalbevölkerung den Übergang vom Sparen<br />

zum Geldausgeben zu erleichtern, versuchen<br />

inzwischen mehrere Länder, die traditionelle<br />

Konsumbarriere abzubauen: Ein unzureichendes<br />

soziales Sicherheitsnetz veranlasst den<br />

Grossteil der Bevölkerung dazu, für den Fall<br />

von Arbeitslosigkeit oder Krankheit zu sparen.<br />

Ausserdem wird der Wohlstandseffekt<br />

in den Schwellenmärkten weiterhin vom<br />

robusten Wirtschaftswachstum getragen,<br />

und immer mehr Personen überschreiten die<br />

Einkommensschwelle, die Ermessensausgaben<br />

ermöglicht. Langfristig dürfte dies in den<br />

Schwellenmärkten zur Herausbildung einer<br />

breiten Mittelschicht führen. Laut Prognose<br />

der Weltbank wird die Zahl der Mittelschichtkonsumenten<br />

in den Schwellenmärkten bis<br />

2030 um 800 Millionen zunehmen.<br />

Marken müssen echten Mehrwert bieten<br />

Angriff auf den Weltmarkt: Der chinesische<br />

Autohersteller Geely an der Internationalen<br />

Automobilausstellung in Frankfurt.<br />

Angesichts dieser bedeutenden Veränderungen<br />

des wirtschaftlichen Umfelds dürften<br />

neue Marken erfolgreicher sein, wenn sie auf<br />

Konsumenten in Wachstumsmärkten abzielen.<br />

Das «Spiegelunternehmen»-Modell ist<br />

deshalb geeigneter als jenes der Export<br />

Champions für Konsumenten in den Industrieländern.<br />

Dennoch sollten Export Champions<br />

mit herausragender Innovationskraft<br />

und Produkten, die den Konsumenten echten<br />

Mehrwert bieten, weiterhin erfolgreich<br />

sein und dem Sturm der rückläufigen Verbrauchernachfrage<br />

in den westlichen Ländern<br />

trotzen. Wie die Beispiele von Toyota<br />

oder Sony – zwei Grossunternehmen, die<br />

sich mitten in der Krise der 1980er-Jahre<br />

erfolgreich entwickelten – zeigen, können<br />

entscheidende Wettbewerbsvorteile zu beträchtlichen<br />

Marktanteilsgewinnen führen.<br />

Nach der Einschätzung der Credit Suisse<br />

werden Unternehmen wie Sasol – ein südafrikanischer<br />

Energiekonzern, der über ein<br />

Patent zur Kohleverflüssigung verfügt – im<br />

Bereich der alternativen Energien weiterhin<br />

auf Erfolgskurs bleiben und die Auswirkungen<br />

einer vorübergehend schwächeren<br />

Energienachfrage verkraften.<br />

Chance für Export Champions<br />

Export Champions mit Zugang zu knappen<br />

Ressourcen verfügen ebenfalls über einen<br />

wesentlichen Wettbewerbsvorteil, um dem<br />

Sturm der rückläufigen Nachfrage in den<br />

Schwellenländer auf Überholspur<br />

Der Einzelhandelsumsatz der USA schrumpft<br />

zunehmend gegenüber jenem der BRIC-Länder<br />

(Brasilien, Russland, Indien, China).<br />

Quelle: Bloomberg<br />

% YoY, 3mma, real<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

–5%<br />

–10%<br />

07.02 07.03 07.<strong>04</strong> 07.05 07.06 07.07 07.08<br />

Einzelhandelsumsatz der BRIC-Länder, Proxy<br />

US-Einzelhandelsumsatz, real<br />

westlichen Ländern zu trotzen. Energieunternehmen<br />

wie Petrobras und Gazprom verfügen<br />

über riesige Reserven, insbesondere<br />

verglichen mit der Konkurrenz, und werden<br />

unseres Erachtens in die Liga der Weltmarktführer<br />

wie ExxonMobil und BP aufsteigen.<br />

Industries Qatar, ein Petrochemieunternehmen,<br />

gewinnt aufgrund von Katars ausgedehnten<br />

Gasreserven und staatlicher Produktionsförderung<br />

in der Flüssiggasproduktion<br />

rasch Marktanteile hinzu.<br />

Schliesslich dürften Export Champions,<br />

die ihr Augenmerk vermehrt auf Schwellenmärkte<br />

statt auf westliche Industrieländer<br />

richten, von der steigenden Nachfrage dieser<br />

Konsumentenbasis profitieren. Diese Export<br />

Champions werden voraussichtlich ähnliche<br />

Wachstumsraten wie lokale Spiegelunternehmen<br />

erzielen.<br />

Neue Marken vor dem Durchbruch<br />

Wachsende Konsumtrends in den Schwellenmärkten<br />

und Zugang zu knappen Ressourcen<br />

gehören zu den Schlüsselfaktoren, die<br />

den Aufstieg von Unternehmen aus den<br />

Schwellenmärkten zu globalen Marken fördern.<br />

Viele Unternehmen sind in den Schwellenmärkten<br />

bereits gut positioniert, aber<br />

noch einige Schritte davon entfernt, etablierte<br />

globale Marken zu werden. Anta<br />

Sports, ein chinesischer Sportbekleidungshersteller,<br />

erzielt vor allem auf dem chinesischen<br />

Markt schon heute ein kräftiges<br />

Umsatzwachstum. Über das Sponsoring von<br />

Basketball- und Tennisspielern hat Anta zudem<br />

die globale Bühne betreten. Es ist deshalb<br />

denkbar, dass Anta künftig in mehreren<br />

Industrieländern Flagship-Stores eröffnet<br />

und die Marke zu einem echten globalen<br />

Konkurrenten von etablierten Marken wie<br />

Adidas oder Nike wird. Andere neue Marken<br />

aus den Segmenten Unterhaltungselektronik<br />

oder Haushaltsgeräte verstärken ihre Präsenz<br />

in den Industrieländern ebenfalls kontinuierlich.<br />

In einer immer multipolareren Welt<br />

dürfte sich dies in den Marken niederschlagen,<br />

auf die wir uns bei unseren täglichen<br />

Einkaufs- und Geschäftsentscheidungen<br />

verlassen. <<br />

Fotos: Per-Anders Pettersson, Getty Images | Novum Fotoagentur | Volkmar Schulz, Keystone<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 65<br />

Invest<br />

Analysen und Prognosen<br />

Konjunktur Global<br />

Globale Konjunkturindikatoren<br />

positiver<br />

Die globalen Konjunkturindikatoren und<br />

Daten zeigen weiterhin ein insgesamt<br />

freundlicheres Bild. Die globale Rezession<br />

ist vorbei, und in den kommenden Monaten<br />

dürfte das globale Wachstum solide<br />

ausfallen. th<br />

Unternehmensbefragungen deuten auf<br />

globale Wachstumserholung hin<br />

Quelle: Datastream, PMI Premium, IMF, Credit Suisse<br />

Veränderung gegenüber Vorjahr in %<br />

Index<br />

Handel<br />

Nach einem markanten<br />

Einbruch zu Beginn<br />

des Jahres erholt sich<br />

der Welthandel wieder.<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

–2<br />

–4<br />

60<br />

55<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

<strong>04</strong> 08<br />

98 00 02 06<br />

Globales Wirtschaftswachstum<br />

Globaler Einkaufsmanagerindex, r. S.<br />

Konjunktur Schweiz<br />

Erholung von tiefem Fall<br />

Die Stabilisierung an den Finanzmärkten hat sich fortgesetzt,<br />

und die globalen Konjunkturindikatoren bestätigen den Eintritt der Weltwirtschaft<br />

in eine Phase der Erholung.<br />

Gleichzeitig ist die Kapazitätsauslastung noch immer auf ausserordentlich<br />

tiefen Niveaus, und der Inflationsdruck bleibt dadurch gering.<br />

Die Schweizer Wirtschaft dürfte 2010<br />

wieder wachsen. Die Erholung des realen<br />

Bruttoinlandprodukts basiert auf den von<br />

tiefer Basis aus wiedererwachenden Impulsen<br />

aus den Exportmärkten und einem<br />

stützenden inländischen Konsum. cm<br />

Wachstumsbeiträge zum BIP der Schweiz<br />

in Prozentpunkten Quelle: Credit Suisse<br />

Während einzelne Zentralbanken bereits erste Schritte unternahmen,<br />

um die enorm expansive Geldpolitik in Richtung eines neutralen Niveaus<br />

zu korrigieren, bleibt der Druck für Zinserhöhungen in den<br />

meisten Wirtschaftsräumen vorläufig gering.<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

BIP, real<br />

–1<br />

Die Aktienmärkte haben sich vor dem Hintergrund der verbesserten<br />

Wirtschaftslage überdurchschnittlich entwickelt. Wir bleiben strategisch<br />

positiv, kurzfristig kann es aber zu Korrekturen kommen.<br />

–2<br />

–3<br />

–4<br />

BIP, real<br />

Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />

Aufgrund des amerikanischen Zwillingsdefizits und des tiefen Zinsniveaus<br />

scheint eine Abwertung des US-Dollars auf 12-Monats-Sicht<br />

wahrscheinlich.<br />

Die konjunkturelle Erholung und die gleichzeitig verzögerte Kapazitätsausweitung<br />

begünstigen eine positive Entwicklung an den Rohstoffmärkten.<br />

–5<br />

20<strong>09</strong> 2010<br />

Lager<br />

Staatskonsum<br />

Privatkonsum<br />

Bauinvestitionen<br />

Ausrüstungsinvestitionen<br />

Aussenhandel<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


66 Credit Suisse<br />

Übersicht<br />

Ausblick Global<br />

Nach Erreichen der Wendepunkte verzeichneten<br />

die weltweiten Konjunkturdaten<br />

in den letzten Monaten starke<br />

Anstiege. Expansive geldpolitische<br />

Rahmenbedingungen und Stimulierungspakete<br />

der Regierungen trugen<br />

zu dieser Entwicklung bei. Mittelfristig<br />

erwarten wir vor allem in den<br />

Schwellenländern eine günstige<br />

Wachstumsentwicklung, da diese ihr<br />

Wachstumspotenzial weiter ausbauen<br />

dürften. Die Aktien- und Rohstoffmärkte<br />

sollten von der Verbesserung<br />

der globalen Konjunkturaussichten<br />

auch weiterhin profitieren.<br />

Zinsen und Obligationen<br />

<strong>Struktur</strong>elle Stärke<br />

von Schwellenmärkten<br />

Wir erwarten weiterhin, dass Schwellenmärkte<br />

mittelfristig ein höheres Wachstumspotenzial<br />

aufweisen dürften als einige I n-<br />

dustrieländer. Zu den Gründen für diese<br />

Erwartung zählen leichter realisierbare Produktivitätssteigerungen<br />

und demografische<br />

Vorteile. Auch die meist geringere Verschuldung<br />

sowohl des privaten als auch des öffentlichen<br />

Sektors stellt einen strukturellen<br />

Vorteil dar. Nach einer globalen Tiefzins politik<br />

haben die ersten Notenbanken (bspw. in Australien<br />

und Israel) damit begonnen, die Zinsen<br />

zu erhöhen. Wir rechnen mit gra duellen<br />

Zinschritten der grossen Notenbanken im<br />

Jahr 2010, allerdings dürfte die globale Geldpolitik<br />

die wirtschaftliche Er holung weiterhin<br />

Aktienmarkt<br />

Wirtschaftliche Erholung<br />

stützt Aktienmärkte<br />

Die Konjunkturuhr der Credit Suisse deutet<br />

auf eine wirtschaftliche Erholungsphase hin,<br />

in der sich Aktien in der Vergangenheit überdurchschnittlich<br />

entwickelten. Die Bewer tungen<br />

sind trotz der starken Aktienmärkte noch<br />

nicht teuer und die Liquiditätsbestände von<br />

Anlegern noch immer relativ hoch. Aus diesen<br />

Gründen bleiben wir für Aktien strategisch<br />

positiv, wobei zu hohe Erwartungen<br />

zu kurzfristigen Kurskorrekturen führen<br />

könnten. Wir empfehlen, solche Korrektu ren<br />

zum Aufbau von Aktienpositionen zu nutzen,<br />

z. B. in zyklischen Sektoren (IT, Industrie),<br />

Schwellenländern oder Value-Aktien. Darüber<br />

hinaus empehlen wir weiterhin Titel aus<br />

den CS Megatrends (z. B. Alternative Energien,<br />

Wasser, Infrastruktur). rs<br />

Die Bewertungen für den MSCI World sind<br />

trotz Rally noch nicht hoch.<br />

Quelle: Datastream, IBES, Credit Suisse<br />

12 M-Forward-P/E<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

90 92 94 96 98 00 02 <strong>04</strong> 06 08<br />

MSCI World (12M-Forward-P/E)<br />

+/– 1 Standardabweichung<br />

Durchschnitt<br />

Währungen<br />

US-Dollar dürfte sich<br />

weiter abschwächen<br />

Der US-Dollar ist im Zuge der Normalisierung<br />

stark unterstützen. th<br />

der Finanzmarktbedingungen in den<br />

vergangenen Monaten weiter unter Druck<br />

dürften. et<br />

geraten. Wir sind unverändert der Auffassung,<br />

Staatsschulden im globalen Vergleich,<br />

in % der Wirtschaftsleistung (BIP).<br />

dass sich der US-Dollar auch auf 12-<br />

Quelle: IMF, Credit Suisse<br />

Monats-Sicht weiter abschwächen wird. Unsere<br />

Staatsverschuldung in % des BIP<br />

Hauptargumente für dieses Szenario<br />

Index<br />

110<br />

sind das hohe amerikanische Zwillingsdefizit<br />

450<br />

90<br />

in der Leistungsbilanz und im Staatshaushalt<br />

400<br />

70<br />

sowie das tiefe US-Zinsniveau. Zudem sind<br />

350<br />

50<br />

die Absicherungskosten von USD-Engagements<br />

300<br />

30<br />

für ausländische Investoren historisch<br />

250<br />

10<br />

betrachtet attraktiv, und wir erwarten auch,<br />

200<br />

06 07 08 <strong>09</strong> 10 14 dass ausländische Zentralbanken vermehrt<br />

einen Teil ihrer Währungsreserven aus dem<br />

Industrieländer<br />

Schwellenländer<br />

USD diversifizieren. Der EUR als alternative<br />

Reservewährung zum USD dürfte davon<br />

profitieren. mh<br />

Enge Zinsdifferenz deutet auf weitere US-Dollarabschwächung<br />

hin. Quelle: Bloomberg,Credit Suisse<br />

USD/CHF<br />

1.35<br />

1.30<br />

1.25<br />

1.20<br />

1.15<br />

1.10<br />

1.05<br />

1.00<br />

0.95<br />

0.90<br />

<strong>04</strong> 05 06 07 08 <strong>09</strong><br />

USD/CHF<br />

2-Jährige Zinsdifferenz Swap USD minus CHF (r. S.)<br />

Rohstoffe<br />

Rohstoffpreise dürften<br />

2010 deutlich steigen<br />

Rohstoffpreise haben unseres Erachtens<br />

2010 weiteres Aufwärtspotenzial<br />

Quelle: Bloomberg<br />

10.<strong>04</strong> 10.05 10.06 10.07 10.08 10.<strong>09</strong><br />

Dow Jones UBS Commodity Index<br />

Credit Suisse Commodity Benchmark (r. S.)<br />

in %<br />

3.5<br />

3.0<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

0<br />

-0.5<br />

Nach der deutlichen Korrektur 2008 erholten<br />

sich die Rohstoffpreise im 1.HJ 20<strong>09</strong>.<br />

Seit Juni handeln aber die meisten Indizes<br />

innerhalb einer relativ breiten Spanne seitwärts.<br />

Die Lage an den Rohstoffmärkten verengt<br />

sich jedoch. Angebotsseitig konnten<br />

die Überschüsse an vielen Märkten durch<br />

Produktionskürzungen und verzögerte Kapazitätsausweitungen<br />

reduziert werden. Nachfrageseitig<br />

zeigt die konjunkturelle Erholung<br />

erste positive Auswirkungen, und die<br />

Bestände an den meisten Märkten haben<br />

ihren Zenit überschritten. Gleichzeitig belebt<br />

die Normalisierung an den Finanzmärkten<br />

den Handel und die Liquidität an den Rohstoffmärkten.<br />

All dies spricht dafür, dass<br />

die Roh stoffpreise 2010 weiter ansteigen<br />

Index<br />

9000<br />

8000<br />

7000<br />

6000<br />

5000<br />

4000<br />

3000<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 67<br />

Übersicht<br />

Ausblick Schweiz<br />

Aktienmarkt<br />

Defensive Ausrichtung<br />

des SMI als Nachteil<br />

Währungen<br />

EUR/CHF kann unter<br />

1.50 fallen<br />

Die Konjunkturaussichten für die<br />

Schweiz haben sich weiter verbessert,<br />

und wir erwarten für das BIP-Wachstum<br />

demnächst wieder positive Werte.<br />

Gleichzeitig blieb der Inflationsdruck<br />

vor dem Hintergrund der tiefen Kapazitätsauslastung<br />

und der Schwäche am<br />

Arbeitsmarkt gering. Entsprechend<br />

gestaltet die Schweizerische Nationalbank<br />

(SNB) die monetären Bedingungen<br />

weiterhin expansiv. Wir erwarten<br />

aber, dass die SNB ihr Ziel, eine<br />

Frankenaufwertung zum EUR zu<br />

verhindern, in der näheren Zukunft<br />

weniger rigoros umsetzen wird.<br />

Zinsen und Obligationen<br />

Monetäre Bedingungen<br />

bleiben expansiv<br />

Bei ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung im<br />

September hat die Schweizerische Nationalbank<br />

(SNB) an ihrer expansiven Strategie<br />

festgehalten. Sie liess den Zielsatz für den<br />

3 -Monats-LIBOR unverändert zwischen<br />

0% und 0.75% und bestätigte, eine Aufwertung<br />

des CHF gegenüber dem EUR weiterhin<br />

zu verhindern. Auch die Käufe von Frankenobligationen<br />

zur Senkung der Risikoprämien<br />

sollen wenn nötig weitergeführt werden. Indessen<br />

bleibt der Inflationsdruck 2010 vorraussichtlich<br />

tief, sodass wir vor Mitte nächsten<br />

Jahres nicht mit Zinserhöhungen rechnen. Die<br />

stark ausgedehnten Liquiditätsmassnahmen<br />

und die übrigen unkonventionellen Massnahmen<br />

dürften jedoch schon zu einem früheren<br />

Zeitpunkt zurückgefahren werden. fh<br />

SNB-Inflationserwartungen bleiben in der kurzen Frist<br />

tief und erhöhen sich ab 2011. Quelle: SNB, Credit Suisse<br />

Im Rahmen unserer strategisch positiven Einschätzung<br />

der Aktienmärkte erwarten wir<br />

weiterhin eine positive absolute Entwicklung<br />

des Schweizer Aktienmarktes. Aufgrund seiner<br />

defensiven Ausrichtung ist aber für den<br />

SMI eine schlechtere Wertentwicklung zu<br />

erwarten als für stärker zyklisch orientierte<br />

Indizes. Nach der starken Erholung des breiten<br />

Markets erwarten wir wachsende Performanceunterschiede<br />

auf Titelebene. rs<br />

Der SMI hat ab seinem Tief im März bis zum<br />

14. Oktober 49% zugelegt, notiert aber noch immer<br />

32% unter dem Höchststand von 2007.<br />

Quelle: Datastream<br />

Index<br />

10 000<br />

9000<br />

8000<br />

7000<br />

6000<br />

5000<br />

4000<br />

3000<br />

<strong>04</strong>.05 10.06 <strong>04</strong>.08 10.<strong>09</strong><br />

SMI<br />

MSCI World (adjustiert)<br />

1.70<br />

1.65<br />

1.60<br />

1.55<br />

1.50<br />

1.45<br />

1.40<br />

Top-Thema<br />

Steigende Arbeitslosigkeit<br />

Arbeitslosenquote in %, saisonbereinigt Quelle: Seco, Credit Suisse<br />

Die enge Zinsdifferenz, der Schweizer Leistungsbilanzüberschuss,<br />

die ausstehenden<br />

Frankenkredite in Osteuropa sowie die Unterbewertung<br />

des CHF sprechen für einen<br />

stärkeren Franken zum EUR. Im Zuge der<br />

wirtschaftlichen Erholung dürfte die SNB<br />

zuversichtlicher werden, von ihren Devisenmarktinterventionen<br />

Abstand nehmen und<br />

die Leitzinsen erhöhen. Wir erwarten deshalb,<br />

dass EUR/CHF auf 12-Monats-Sicht<br />

unter 1.50 in Richtung 1.48 fallen wird. mh<br />

Zinsdifferenz zwischen EUR und CHF dürfte<br />

eng bleiben und deutet auf stärkeren CHF gegenüber<br />

dem EUR hin. Quelle: Bloomberg, CS<br />

%<br />

01.<strong>04</strong> 01.05 01.06 01.07 01.08 01.<strong>09</strong><br />

EUR /CHF<br />

Carry (3M-Zinsdifferenz, risikobereinigt) r. S.<br />

Die Erholung der Schweizer Wirtschaft ist vorerst noch zu schwach, um eine weitere<br />

Zunahme der Arbeitslosigkeit verhindern zu können. Wir erwarten deshalb, dass der<br />

Anstieg der Arbeitslosenquote bis Mitte 2010 schrittweise weitergehen und im Jahresdurchschnitt<br />

5.2% betragen wird. Dies ist der höchste Stand seit 1997. Damals war<br />

allerdings die Arbeitslosenquote ab 1990 von einem tiefen Niveau aus (0.5%) für<br />

damalige Schweizer Verhältnisse ungewöhnlich stark angestiegen. Heute ist der Anstieg<br />

der Arbeitslosigkeit zwar ebenfalls rezessionsgetrieben, das höhere Niveau ist indes auch<br />

durch die gestiegene Sockelarbeitslosigkeit bedingt. cm<br />

%<br />

0.70<br />

0.60<br />

0.50<br />

0.40<br />

0.30<br />

0.20<br />

0.10<br />

0<br />

%<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

–0.5<br />

12.<strong>09</strong> 06.10 12.10 06.11 12.11 06.12<br />

%<br />

6.0<br />

5.0<br />

4.0<br />

3.0<br />

2.0<br />

1.0<br />

0<br />

1990 1994 1998 2002 2006 2010<br />

Prognose September 20<strong>09</strong><br />

Prognose Juni 20<strong>09</strong><br />

Arbeitslosenquote<br />

Prognose Arbeitslosenquote<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


68 Credit Suisse<br />

19. Oktober 20<strong>09</strong><br />

Überblick Prognosen<br />

Aktien und Rohstoffe: Ausgewählte Indizes<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Auswahl Kurs YTD Ausblick 3M 12M Ziele<br />

S&P 500 1’<strong>09</strong>7.91 21.6 % 1’082<br />

SMI 6’436.37 16.3 % 6’400<br />

FTSE-100 5’281.54 19.1 % 5’296<br />

DJ Euro Stoxx 50 2’947.41 20.4 % 2’935<br />

Nikkei 225 10’236.51 15.5 % 11’500<br />

Gold 1’064 21.6 % 1’050<br />

WTI Erdöl<br />

Dow Jones UBS Commodity Index<br />

Devisen (Wechselkurse)<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

80<br />

274<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

87.5 % 87.5<br />

16.7 % 270<br />

Reales BIP-Wachstum in %<br />

Wichtige Information<br />

Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden<br />

von Credit Suisse per angegebenem Datum erstellt und<br />

können sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht<br />

wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder<br />

ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag<br />

von Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren<br />

oder ähnlichen Finanzinstrumenten oder zur Teilnahme an<br />

einer spezifischen Handelsstrategie in irgendeiner<br />

Rechtsordnung. Der Bericht wurde ohne Berücksichtigung<br />

der Zielsetzungen, der finanziellen Situation oder der<br />

Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der Bericht<br />

enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder<br />

hinsichtlich Investitionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er<br />

stellt auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen<br />

Umstände eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen<br />

angemessene Investition oder Strategie oder eine andere an<br />

einen bestimmten Anleger gerichtete Empfehlung dar.<br />

Verweise auf frühere Entwicklungen sind nicht unbedingt<br />

massgebend für künftige Ergebnisse.<br />

Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen,<br />

die Credit Suisse als zuverlässig erachtet. Dennoch<br />

kann keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit<br />

der Informationen geleistet werden. Credit Suisse<br />

lehnt jede Haftung für Verluste aus der Verwendung dieses<br />

Berichts ab.<br />

19.10.20<strong>09</strong><br />

3M 12M<br />

USD/CHF 1.02 0.91 – 0.95<br />

EUR/CHF 1.52 1.46 – 1.50<br />

JPY/CHF 1.12 1.03 – 1.07<br />

EUR/USD 1.49 1.58 – 1.62<br />

USD/JPY 90 86 – 90<br />

EUR/JPY 133 139 – 143<br />

EUR/GBP 0.93 0.92 – 0.96<br />

GBP/USD 1.59 1.68 – 1.72<br />

EUR/SEK 10.35 9.30 – 9.70<br />

EUR/NOK 8.34 7.80 – 8.20<br />

AUD/USD 0.91<br />

0.88 – 0.92<br />

NZD/USD 0.74 0.67 – 0.71<br />

USD/CAD 1.03 1.01 – 1.05<br />

2008 20<strong>09</strong>E 2010E<br />

CH 1.6 –2 0.6<br />

EWU 0.7 –3.7 1.7<br />

USA 1.1 –2.5 2.8<br />

GB 0.7 –4.2 1.4<br />

Japan –0.7 –4.5 1.7<br />

Kurzfristzinsen 3M-LIBOR<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

19.10.20<strong>09</strong> 3M 12M<br />

CHF 0.27 0.7–0.9<br />

EUR 0.74 1.5–1.7<br />

USD 0.28 1.2–1.4<br />

GBP 0.58 1.3–1.5<br />

JPY 0.33 0.2–0.4<br />

WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN<br />

DAVON DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN<br />

VERSANDT, DORTHIN MITGENOMMEN ODER AN US-<br />

PERSONEN ABGEGEBEN WERDEN. Örtliche Gesetze<br />

oder Vorschriften können die Verteilung von Research-<br />

Berichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken.<br />

Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank Credit Suisse<br />

verteilt, die der Zulassung und Regulierung der<br />

Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht untersteht.<br />

Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung<br />

der Credit Suisse weder ganz noch auszugsweise vervielfältigt<br />

werden. Copyright © 20<strong>09</strong> Credit Suisse Group AG<br />

und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte<br />

vorbehalten.<br />

Schweizer Wirtschaft<br />

(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)<br />

Quelle: Credit Suisse<br />

20<strong>09</strong> 2010<br />

Bruttoinlandprodukt, real –2.0 0.6<br />

Privater Konsum 0.5 0.3<br />

Öffentlicher Konsum 0.2 0.1<br />

Bauinvestitionen –0.1 –0.1<br />

Ausrüstungsinvestitionen –1.0 –0.2<br />

Importe 4.2 –1.1<br />

Exporte –3.1 1.5<br />

Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) –0.8 –1.5<br />

Arbeitslosenquote 3.8 5.2<br />

Inflation in %<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

2008 20<strong>09</strong>E 2010E<br />

CH 2.4 –0.4 1.0<br />

EWU 3.3 0.4 1.7<br />

USA 3.8 –0.7 2.2<br />

GB 3.6 1.8 2.3<br />

Japan 1.4 –1.1 –0.3<br />

Rendite 10-j. Staatsanleihen<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

19.10.20<strong>09</strong> 3M 12M<br />

CHF 2.13 2.7 – 2.9<br />

EUR 3.30 3.8 – 4<br />

USD 3.39 4.1 – 4.3<br />

GBP 3.61 4.2 – 4.4<br />

JPY 1.35 1.8 – 2<br />

Impressum Invest<br />

Herausgeber Credit Suisse, Global Research,<br />

Uetlibergstrasse 231, Postfach 300, CH-8070 Zürich<br />

Redaktion Marcus Hettinger (mh), Thomas Herrmann (th),<br />

Fabian Heller (fh), Eliane Tanner (et), Claude Maurer (cm),<br />

Roger Signer (rs)<br />

Weitere Research-Publikationen finden Sie im Internet<br />

oder auf Anfrage.<br />

E-Mail publications.research@credit-suisse.com<br />

Internet www.credit-suisse.com/research<br />

Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem Bulletin<br />

der Credit Suisse»<br />

<strong>bull</strong>etin 3/<strong>09</strong> 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Wissenswert Wirtschaft 69<br />

WBegriffe unid Bsüchersaus deer Wirtnschaftswert<br />

Führungsstruktur [ Art und Weise<br />

der Steuerung von Mitarbeitenden<br />

oder eines Unternehmens ]: Der<br />

Chef hat immer recht. Dieser Grundsatz<br />

gilt stillschweigend in jedem<br />

Unternehmen. Doch so individuell<br />

eine Firma, so spezifisch sind in der<br />

Regel deren Führungsstrukturen,<br />

hängen diese doch in einem Unternehmen<br />

von zahlreichen Faktoren<br />

ab. Etwa von der Geschichte des<br />

Unternehmens: Hat sich die<br />

Führungsstruktur historisch entwickelt<br />

? Oder sich einfach eingependelt<br />

nach dem Motto «Das<br />

haben wir schon immer so gemacht»?<br />

Auch Unternehmensgrösse und<br />

Branche haben Einfluss auf die<br />

Führungsstruktur. Und schliesslich<br />

sind die Eigentumsverhältnisse<br />

prägend: Wer viel besitzt, bestimmt,<br />

wer wie viel Macht erhält. Grundsätzlich<br />

aber wird zwischen einer<br />

Einpersonenführung – allenfalls mit<br />

Stabstellen – und einer Gremiumsführung,<br />

in der sich mehrere<br />

Manager die Führungsaufgaben<br />

teilen, unterschieden. Das Prinzip<br />

der Einpersonenführung hat zwar<br />

die Vorteile einer klaren Führungsstruktur,<br />

der hohen Flexibilität<br />

und der klaren Zuständigkeiten und<br />

Hierarchie. Andererseits hängt<br />

der Erfolg des Gesamtunternehmens<br />

von einer einzelnen Person ab,<br />

was eine starke Persönlichkeit und<br />

vielerlei Qualitäten verlangt.<br />

Die Gremiumsführung hingegen<br />

verteilt die Verantwortung auf<br />

mehrere Personen, was eine höhere<br />

Kontinuität und ausgewogenere<br />

Entscheidungen garantiert. Allerdings<br />

gestaltet sich dort die Entscheidungsfindung<br />

komplizierter.<br />

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<strong>Struktur</strong>ierte Produkte [Anlageprodukt<br />

]: Nein, das hat nichts<br />

mit Käseimitat oder Mogelschinken<br />

zu tun. Bei <strong>Struktur</strong>ierten<br />

Produkten handelt es sich<br />

um Kombinationen von zwei oder<br />

mehreren Finanzinstrumenten.<br />

Wobei der eine Basiswert eine<br />

klassische Anlage ist, beispielsweise<br />

eine Obligation, und<br />

der andere ein Derivat, und im<br />

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einem individuellen Risikoprofil als<br />

neues Wertpapier mit subjektiven<br />

Eigenschaften gehandelt. Je nach<br />

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Markterwartung – aufwärts, seitwärts<br />

oder sinkend – und jedes<br />

Anlageprofil die passende Ergänzung<br />

gewählt werden. Indem<br />

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Markterwartungen und Risikoneigungen<br />

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das Verhältnis zwischen Rendite<br />

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vor allem für sicherheitsorientierte<br />

Anleger.<br />

Bankenstruktur [ Statistische<br />

Erfassung der Schweizer Banken ]:<br />

Italien hat schöne Frauen, Schweden<br />

hat Elche, die Schweiz hat Banken.<br />

Und zwar viele davon. Die Eidgenossenschaft<br />

verfügt über eine<br />

der höchsten Bankendichten<br />

der Welt. 2008 gab es 327 Banken<br />

und Finanzgesellschaften, davon<br />

24 Kantonalbanken, 2 Grossbanken,<br />

75 Regionalbanken und Sparkassen,<br />

1 Raiffeisenbank, 31 Filialen<br />

ausländischer Banken, 14 Privatbankiers<br />

und 180 übrige Banken.<br />

Nicht erst seit dem Zusammenbruch<br />

von Lehman Brothers und Merill<br />

Lynch weiss man hierzulande, wie<br />

wichtig dieses diversifizierte System<br />

für die Stabilität des Finanzmarktes<br />

ist. Unter anderem der vielfältigen<br />

Bankenstruktur hat es<br />

die Schweiz zu verdanken, dass<br />

sie von der Finanzkrise nicht<br />

so arg getroffen wurde wie andere<br />

europäische Länder. Doch die<br />

letzten 20 Jahre sind von einem<br />

Konzentrationsprozess geprägt, die<br />

Regionalbanken wurden marginalisiert<br />

und haben sich anzahlmässig<br />

mehr als halbiert. rh<br />

Review: Der Seestern und die Spinne<br />

Der Seestern und die Spinne:<br />

Die beständige Stärke einer kopflosen Organisation<br />

Ori Brafman und Rod A. Beckström<br />

Wiley-VCH, 2007<br />

192 Seiten<br />

ISBN: 978-3527503452<br />

Dies ist kein Buch über Zoologie, sondern eines über Organisationsstrukturen.<br />

Konkret geht es um den Gegensatz zwischen<br />

zentralen, geschlossenen und dezentralen, offenen Organisationen.<br />

Die beiden Autoren zeigen Verknüpfungen in unserer «wikifizierten»<br />

Welt auf – Wikipedia ist eines ihrer Paradebeispiele –, die kaum<br />

jemand zuvor wahrgenommen, geschweige denn zu einer Theorie<br />

komprimiert hat. Spannende und lehrreich aufbereitete Beispiele<br />

aus der weiter zurückliegenden Geschichte gehen Hand in Hand<br />

mit solchen jüngeren Datums. Wenn man unbedingt ein Haar in der<br />

Suppe finden will, könnte man sich höchstens wünschen, das Buch<br />

wäre noch etwas länger – die knapp 200 Seiten dieser enorm<br />

spannenden Lektüre sind viel zu schnell gelesen. getAbstract<br />

empfiehlt das Werk allen, die sich für organisatorisch-unternehmerische<br />

Zusammenhänge interessieren. © getAbstract<br />

Review: Business Reengineering<br />

Business Reengineering:<br />

Die Radikalkur für das Unternehmen<br />

Michael Hammer und James Champy<br />

Campus, 1996<br />

288 Seiten<br />

ISBN-13: 9783593350172<br />

Michael Hammer und James Champy, die Vordenker von Business<br />

Reengineering, zeigen in ihrem bahnbrechenden Bestseller, wie<br />

Unternehmen durch radikale Umstrukturierung Zeit und Kosten<br />

sparen können und durch schlanke, effektive Prozesse Kunden für<br />

sich gewinnen. Die Autoren verstehen ihr Buch mehr als Anregung<br />

für Unternehmen und weniger als erschöpfende Behandlung der<br />

konkreten Umsetzung von Reengineering-Massnahmen – obwohl<br />

sie auch dazu bereits Ansätze bieten. Im Buch finden sich Beispiele<br />

von Firmen, die mit Business Reengineering grosse Erfolge erzielt<br />

haben. Ausserdem liefern die Autoren Ratschläge, welche Fehler<br />

bei der Umsetzung des Konzepts unbedingt vermieden werden<br />

sollten. getAbstract empfiehlt diesen Management-Klassiker allen<br />

Führungskräften von traditionell strukturierten Unternehmen, die<br />

sich mit neuen Methoden für die Zukunft rüsten wollen. © getAbstract<br />

© getAbstract. Fünfseitige Zusammenfassungen dieser Bücher finden Sie<br />

auf www.getabstract.com.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


70 Leader Ben van Berkel<br />

«Innovativ ist man<br />

nie im Alleingang»<br />

Mit seiner unprätentiösen Auffassung von der Rolle des Architekten setzt sich<br />

Ben van Berkel vom Status des klassischen Stararchitekten ab. Dass er trotzdem einer<br />

ist, beweisen zahlreiche Projekte, die er und sein Architekturbüro UNStudio in den<br />

letzten Jahren realisiert haben. Ben van Berkel über die Vor- und Nachteile von digitalem<br />

Design, unter welchen Bedingungen innovative Architektur entsteht und wo sie<br />

uns in Zukunft hinführt.<br />

Interview: Regula Gerber<br />

<strong>bull</strong>etin: Mit welchen Gefühlen gehen Sie durch ein von Ihnen<br />

erbautes Gebäude?<br />

Ben van Berkel: Das sind sehr gemischte Gefühle. Einerseits<br />

bin ich stolz. Andererseits kann ich kaum mehr objektiv urteilen,<br />

weil ich meine Gebäude immer so kritisch betrachte: Beim<br />

Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart beispielsweise war die erste<br />

Frage, welche Menschen wohl in dieses Gebäude zurückkehren<br />

würden. Schon die zweite aber war, wo und wann ich wohl mit dem<br />

Kunden darüber sprechen könnte, was noch verbessert werden<br />

sollte. Ich denke eigentlich immer, dass ich es noch besser machen<br />

kann. Diese Haltung hat zeitweise schon den Anschein erweckt,<br />

ich wolle mich von meinen Gebäuden distanzieren, was natürlich<br />

nicht stimmt.<br />

Sie sind also mit dem Umstand versöhnt, dass Architektur<br />

vergänglich ist ?<br />

Ja, all das, was gestern gebaut wurde, spielt keine Rolle mehr<br />

für mich. Jede Ruine ermöglicht neue architektonische Bauwerke,<br />

die dann wiederum früher oder später zu Ruinen werden – auch<br />

meine. Als Grafik- und Innendesigner erlebte ich aber die Schnelllebigkeit<br />

in extremer Form, was mir auch wieder nicht gefiel: So<br />

gut meine Buch- oder Plakatdesigns auch waren, nach einem Jahr<br />

erinnerte sich niemand mehr daran. Bei architektonischen Bauwerken<br />

ist das ganz anders: Sie stehen immer im Blickpunkt der<br />

Öffentlichkeit, und jeder kann sie so oft ansehen, wie er will.<br />

Genau das macht ihren Reiz aus.<br />

Deshalb haben Sie sich schliesslich auch für die<br />

Architektur entschieden?<br />

Ja, ich lege viel Wert auf Kommunikation und den Dialog mit<br />

der Öffentlichkeit. Diese Auseinandersetzung macht mir Spass<br />

und ich bin gerne Teil davon.<br />

Sie haben erwähnt, dass Sie nicht auf direktem Weg zur<br />

Architektur gekommen sind.<br />

Obwohl mich die Baukunst schon immer interessierte, dachte ich<br />

noch mit 19 Jahren, dieses Metier sei nichts für mich. So studierte<br />

ich zunächst einmal Kunst und wechselte dann zum Innen- und<br />

Produktdesign. Ich absolvierte an der Kunsthochschule vier Jahre<br />

lang ein Abendstudium und tagsüber arbeitete ich als Designer.<br />

Ich stand immer um 8 Uhr auf, war bis 18 oder 19 Uhr im Büro<br />

und ging danach zur Kunsthochschule. Gegen 22 Uhr erledigte<br />

ich meine Hausaufgaben und war nie vor 2 oder 3 Uhr im Bett.<br />

Nach vier oder fünf Stunden Schlaf ging es dann wieder von<br />

vorne los. Nach diesem Rhythmus lebte ich vier Jahre lang. Ich<br />

war absolut begeistert von meinem Professor für Kunstgeschichte,<br />

der fast ausschliesslich Vorlesungen über Architektur hielt. Er<br />

bewegte mich dazu, mich an der Architectural Association School<br />

of Architecture in London einzuschreiben, die zu jener Zeit das<br />

Mekka der Architektur war. Das tat ich dann auch und blieb<br />

fünf Jahre lang in London. Ich habe also insgesamt neun Jahre<br />

Design und Architektur studiert und erst dann begonnen, als<br />

Architekt zu arbeiten. ><br />

Foto: Thomas Eugster<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


72 Leader Ben van Berkel<br />

Der Niederländer Ben van Berkel studierte<br />

Architektur an der Rietveld Academie in<br />

Amsterdam und an der renommierten School<br />

of Architecture in London und schloss diese<br />

1987 mit Auszeichnung ab. 1988 gründete<br />

er in Amsterdam zusammen mit der Kunsthistorikerin<br />

und Journalistin Caroline Bos ein<br />

Architekturbüro und brachte unmittelbar<br />

darauf seine ersten Projekte zur Umsetzung –<br />

noch bevor einer seiner vormaligen Lehrer<br />

in London eigene Entwürfe realisiert hatte.<br />

Das erste grosse Projekt, die Erasmus-Brücke<br />

in Rotterdam, das in die Zeit zwischen<br />

1990 und 1996 fiel, führte zur Gründung des<br />

Netzwerkes UNStudio (siehe Box Seite 74).<br />

Ben van Berkel war Gastprofessor in Princeton<br />

und hat an der Columbia-Universität,<br />

am Berlage-Institut und an der Universität<br />

von Kalifornien in Los Angeles (UCLA) doziert.<br />

Zurzeit ist er Professor und Leiter des Fachbereichs<br />

Architektur an der Städelschule in<br />

Frankfurt am Main.<br />

Wie ging es weiter ?<br />

Nachdem ich eine Weile in Zürich für Santiago Calatrava gearbeitet<br />

hatte, eröffnete ich 1987 zusammen mit der Kunsthistorikerin<br />

Caroline Bos das Büro in Amsterdam. Sie hat einen hervorragenden<br />

Schreibstil und eine ausgeprägte Kreativität. Wir arbeiten<br />

eng zusammen und entwickeln gemeinsam neue Ideen. Ausserdem<br />

war ich für Galerien und Kunstsammler tätig und übernahm<br />

einige Aufträge im Innen- und Möbeldesign. Zur selben Zeit<br />

begann die Arbeit an einem Elektrizitätswerk und an den ersten<br />

Gebäuden. Eines meiner ersten grossen Projekte war die Erasmus-Brücke<br />

in Rotterdam im Jahr 1996, das mir den Weg zu<br />

weiteren attraktiven Aufträgen ebnete, aber auch das Verständnis<br />

meiner Rolle als Architekt tiefgreifend beeinflusste.<br />

Inwiefern?<br />

Mir wurde bewusst, dass Innovation im Alleingang unmöglich ist.<br />

Gemeinsam experimentieren, sich mit Gleichgesinnten mit<br />

derselben Idee im Kopf in eine Richtung zu bewegen, führt zu<br />

den innovativeren Ergebnissen. Ich wollte mich deshalb mehr<br />

in einem Team weiterentwickeln.<br />

Hat diese Einstellung 1998 zur Gründung von<br />

UNStudio geführt ?<br />

Ja, zu einem Teil schon. Aber ich hatte schlichtweg auch den Eindruck,<br />

dass Architekten schlecht organisiert waren und zu stark in<br />

linearen Prozessen dachten. Mit UNStudio wurden wir zu einem<br />

Teil eines Netzwerkes von Spezialisten aus verschiedenen Disziplinen:<br />

Architektur, Ingenieurwesen, Design, Kommunikation. So<br />

kann jedes Projekt mit einem individuell gemischten Team verschiedenste<br />

Ansätze beleuchten und Bedürfnisse abdecken. Wir haben<br />

intensiv an einer guten Kommunikation und Organisation gearbeitet,<br />

was sich gelohnt hat. Denn dadurch haben wir nun viel mehr<br />

Zeit, um gemeinsam Inhalte zu entwickeln und uns dem Design<br />

zu widmen.<br />

Hat dieses Prinzip UNStudio so erfolgreich werden lassen?<br />

Ich vermute, dass viele Leute tatsächlich die Andersartigkeit und<br />

auch die Vielfältigkeit dieses Ansatzes mögen. Zum einen sind es<br />

die organisatorischen Aspekte der Architektur: der kluge Einsatz<br />

modernster Materialien und Konstruktionsmethoden, eine gute<br />

Logistik sowie Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz, die mich<br />

i nteressieren. Zum anderen lege ich in Bezug auf die Ästhetik,<br />

die Konzeption und das Design grossen Wert auf Interpretationsvielfalt.<br />

Das Resultat aus dieser Kombination überrascht unsere<br />

Kunden oft. Für mich persönlich ist es das grösste Kompliment,<br />

wenn sich ein Kunde positiv über unsere Projekte äussert.<br />

Sie sehen durch das Netzwerk Ihren Status als Stararchitekt<br />

nicht gefährdet ?<br />

(Lacht) Der irritiert mich mehr, als er mich freut. Zurzeit bauen<br />

wir in Korea, wo ich bei jeder passenden Gelegenheit über einen<br />

roten Teppich schreiten muss und von begeistert schreienden<br />

Menschen empfangen werde. Ich fühle mich dabei nicht sehr wohl.<br />

Im Gegenteil: Ich empfinde es eher als befreiend, wenn man sich<br />

von einem persönlichen Markendenken lossagen kann.<br />

Lassen Sie uns über die von Ihnen entwickelten Designmodelle<br />

sprechen. Welches Prinzip steckt dahinter ?<br />

Ein Designmodell dient dazu, Ideen computergesteuert zu bearbeiten<br />

und zu filtern. Ebenfalls können im Laufe dieses Filtervorgangs<br />

die wichtigsten Details des späteren Designs ausgewählt<br />

werden. Das Designmodell ist vergleichbar mit einem Fahrzeugprototyp.<br />

Aus einer vorhandenen Designidee wird ein Prototyp,<br />

Foto: Thomas Eugster<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


Ben van Berkel Leader 73<br />

und daraus entstehen wiederum fünf bis acht verschiedene Fahrzeuge.<br />

Ein Prototyp kann also viele neue Ideen hervorbringen.<br />

Sie möchten also den Entwurf aus der Arbeitsmethode des<br />

Architekten eliminieren?<br />

Ja, mit den Designmodellen schlagen wir vor, dass der Architekt,<br />

statt Projekt um Projekt zu entwerfen und von Fall zu Fall neu<br />

zu planen, die Technik einübt, mit langlebigeren Entwurfsmodellen<br />

zu arbeiten. Architekten verfügen mit den Designmodellen über<br />

ein Set von Prinzipien, das ihnen hilft, sowohl die richtigen Parameter<br />

auszuwählen und zu implementieren als auch ihrer eigenen<br />

Vision treu zu bleiben.<br />

Besteht mit den Designmodellen nicht auch die Gefahr, dass<br />

die Architektur zu einem Bausatz verkommt und eine individuelle<br />

Vision verloren geht ?<br />

Das ist ein interessanter Einwand. Da ich aber im Laufe der Jahre<br />

meine Designmodelle erweitert und weiterentwickelt habe, besteht<br />

die Gefahr kaum. Ich möchte diese Designmodelle nutzen, um<br />

mögliche Anwendungsbereiche herauszufiltern und um zu ermitteln,<br />

in welcher Phase ich beispielsweise zehn Ideen innerhalb einer<br />

Reihe von Projekten untersuchen könnte. Ich entferne mich<br />

ein wenig von dem Gedanken, dass jedes Projekt ein Meisterwerk<br />

sein muss – und nehme mir dabei ein Beispiel an Künstlern<br />

wie etwa Andy Warhol, die viel flexibler im Umgang mit neuen<br />

Techniken oder sogar Designmodellen sind. Es war sehr klug von<br />

ihm, nur das Ausgangskonzept zu entwickeln, da so möglicherweise<br />

fünf oder sechs Bilder als Meisterwerke betrachtet werden<br />

konnten. Zurzeit nehme ich Analysen unter Berücksichtigung dieser<br />

verschiedenen Ideen vor, wobei ich ebenfalls untersuche, inwiefern<br />

Designmodelle neue Erkenntnisse im Hinblick auf bestehende<br />

Experimente liefern. Ihre Frage ist also berechtigt. In der Tat können<br />

schlechte Designmodelle zu gravierenden Baufehlern führen.<br />

Welchem Credo bleiben Sie in Ihrer Arbeit treu?<br />

Ich definiere mich als Architekt weniger über die Form als über<br />

den Aufbau und die Gliederung eines Gebäudes – die Form entwickelt<br />

sich dann von ganz allein. Zweifellos ist die <strong>Struktur</strong><br />

ein wesentlicher Aspekt, bei allen meinen Arbeiten steht deshalb<br />

im Vordergrund, wie ein Gebäude errichtet wird. Das ist beispielsweise,<br />

wie ein Haus in zwei Stockwerke unterteilt oder analog<br />

einer Doppelhelix organisiert wird. Aber als noch wichtiger erachte<br />

ich, dass ich als Architekt die Menschen in einem Gebäude und<br />

in ihrer Auseinandersetzung damit zusammenbringe.<br />

Aber es ist unmöglich, allen Erwartungen und Geschmäckern<br />

zu entsprechen. Steckt hinter diesem Dialog mit der Öffentlichkeit<br />

der Versuch, die Gesellschaft zu erziehen?<br />

Meine ungewöhnliche Art der Kommunikation ist wenig didaktisch.<br />

Ich betrachte Architektur als Ausdrucksform der heutigen Gesellschaft,<br />

und ich möchte die Leute zum kritischen Nachdenken<br />

anregen. Ich mag es, wenn unsere Projekte zu verschiedenen<br />

Interpretationen führen und eine Diskussion auslösen. Nehmen wir<br />

beispielsweise das grosse orangefarbene Theatergebäude in<br />

Lelystad. Dass ich es in solch schillernden Farben plante, hat viele<br />

Fragen aufgeworfen. Aber solche Provokationen fördern oft in<br />

hohem Masse das Gemeinschaftsgefühl und stellen die Ästhetik<br />

etwas in den Hintergrund. Das fasziniert mich.<br />

A propos Ästhetik: In welchem Verhältnis sehen Sie diese<br />

zur Funktionalität ?<br />

Vor nicht allzu langer Zeit standen Funktionalität und Ästhetik<br />

noch im Gegensatz zueinander, dies hat sich inzwischen geändert.<br />

Mit der Erweiterung der Funktionalität nahm auch die technologische<br />

Komplexität von Gebäuden zu. Ich lasse gerne die Grenzen<br />

zwischen Ästhetik und Funktionalität verschwinden, damit bei<br />

der Planung eines Gebäudes beide Aspekte fliessend ineinander<br />

übergehen.<br />

Vielschichtige Anforderungen verlangen nach Kompromissen.<br />

Wie gehen Sie damit um?<br />

Ich habe es mir angewöhnt, niemals über Kompromisse nachzudenken.<br />

Sämtliche Fragen, die im Team gelöst werden müssen,<br />

sehe ich vielmehr als Chancen, unsere Konzepte zu überdenken<br />

und zu verfeinern. Ich versuche, immer den positiven Aspekt<br />

zu sehen: Wenn beispielsweise bei einem Gebäude Kosteneinsparungen<br />

erforderlich sind, stellt dies eine Herausforderung dar,<br />

noch effizienter zu arbeiten.<br />

«Ich fühle mich als Star nicht sehr<br />

wohl. Im Gegenteil: Ich betrachte<br />

es eher als befreiend, wenn<br />

man sich von einem persönlichen<br />

Markendenken lossagen kann.»<br />

Die digitale Revolution ist in den letzten Jahren rasant<br />

fortgeschritten. Welche Auswirkungen auf Ihre Arbeit hatte<br />

diese Entwicklung?<br />

Sie hat meine Arbeit stark beeinflusst. Aber ich möchte noch<br />

einmal auf meine vielleicht übertrieben wirkende Begeisterung für<br />

Computer zurückkommen. Schon in den 1990er-Jahren wies<br />

ich immer wieder auf ihre Möglichkeiten und Auswirkungen hin<br />

und sagte, dass die Entwicklung des Computers für die Architektur<br />

genauso wichtig sei wie die Erfindung des Zements – und<br />

ich sehe das noch immer so. Aber wenn ein Architekt denkt, dass<br />

Designtechniken der wichtigste Aspekt für die architektonische<br />

Gestaltung sind, irrt er. Zuallererst muss ein Architekt folgende<br />

Fragen beantworten: Welchem Zweck dienen die Techniken?<br />

Welche Gesten sollen damit beeinflusst werden? Wie werden<br />

die Techniken gesteuert ? Wie wird ihr Anwendungszweck deutlich<br />

gemacht ? Der Computer ist nur eine dieser Techniken.<br />

Er vermittelt Ideen und Konzepte, beantwortet jedoch nicht die<br />

vorgenannten Fragen.<br />

Die digitalen Möglichkeiten können also auch zu komischen<br />

Auswüchsen verleiten?<br />

Heutzutage kann man mit dem Computer selbst die verrücktesten<br />

und bizarrsten Formen entwerfen. Tatsächlich kann das gefährlich<br />

sein, denn in den computergestützten Entwurfsverfahren werden<br />

viele Prämissen, denen die Architektur unterworfen ist, nicht mehr<br />

berücksichtigt. Das führt häufig zu amorphen, rein theoretischen<br />

und nicht realisierbaren Resultaten. Mit Hilfe der Designmodelle<br />

beispielsweise lassen sich solche Auswüchse vermeiden.<br />

Wie sieht die Architektur der Zukunft aus?<br />

Weiss und sehr merkwürdig (lacht). Ich habe keine Ahnung. Aber<br />

die Architektur von morgen wird vermutlich autonomer und weniger<br />

traditionell sein. Als mir beispielsweise vor vielen Jahren ein<br />

Freund meinen ersten iPod ohne Kopfhörer schenkte, konnte ich<br />

mit dem Gerät nichts anfangen und dachte zuerst, es wäre viel- ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong>


74 Leader Ben van Berkel<br />

leicht ein Telefon. Als ich die Funktion begriff, wurde mir heiss<br />

und kalt zugleich, denn ich realisierte, dass man immer noch verblüffende<br />

Ideen haben kann, auf die sonst keiner kommt. Genau<br />

das ist es, was mich so an Technologie und Innovation reizt. Ich<br />

glaube an das Neue, auch im Bereich der Architektur. Wir arbeiten<br />

gerade an einem Projekt in Abu Dhabi, über das ich noch nicht<br />

sprechen darf, aber die architektonischen Konzepte dort sind<br />

so innovativ, dass sie jeglichen Bezug zur traditionellen Architektur<br />

vermissen lassen.<br />

An welchen Projekten arbeiten Sie zurzeit sonst noch?<br />

Eines meiner Lieblingsprojekte ist eine Loft für einen Kunstsammler<br />

in New York, der in seiner Kunstgalerie wohnen wird. Dann<br />

arbeite ich an einem neuen Theater hier in den Niederlanden.<br />

Darüber hinaus darf ich nun den «Tanzpalast» in St. Petersburg<br />

planen, nachdem ich einen entsprechenden Wettbewerb gewonnen<br />

habe. Dieses Projekt ist von grosser Bedeutung, einerseits<br />

auf kultureller Ebene, andererseits, weil es eines der wichtigsten<br />

Bauvorhaben in Russland ist. Ausserdem wurden wir in China<br />

mit der Planung von zwei 250 Meter hohen Türmen beauftragt, die<br />

auf einer Baufläche von 400 Quadratmetern errichtet werden<br />

sollen. Da dieses Projekt sehr umfangreich ist, arbeiten wir mit<br />

fast 20 Leuten daran.<br />

Sie haben schon viele Auszeichnungen gewonnen. Welche<br />

war Ihnen die wichtigste?<br />

Vor drei Jahren gewann ich den so genannten Jencks-Award. Für<br />

mich hatte diese Auszeichnung einen besonderen Stellenwert,<br />

da ich Charles Jencks als Autor und Architekturhistoriker bewundere.<br />

Es freut mich, wenn die Leute meine Arbeit schätzen und<br />

dies in ihre Entscheidungen als Jurymitglieder einfliessen lassen.<br />

Gibt es irgendetwas, was Sie gerne bauen oder entwerfen<br />

würden und was Ihnen bisher verwehrt geblieben ist ?<br />

Nein, wir haben bereits alle Bereiche abgedeckt. Wir nehmen<br />

Sanierungen vor, bauen Wohnhäuser, Bürogebäude oder Brücken<br />

und erstellen Produktdesigns. Letzterem widme ich viel Zeit,<br />

beispielsweise habe ich einen Stuhl für Walter Knoll entwickelt.<br />

Mein grösster Wunsch für die Zukunft ist es, meine Arbeit ständig<br />

weiter zu verbessern. Ansonsten bin ich wunschlos glücklich.<br />

Nachdem ich vor 16 Jahren noch mit 300 Architekten im Wettbewerb<br />

gestanden habe, hat sich diese Zahl auf nunmehr 10 verringert.<br />

Worüber sollte ich also klagen? Ich bin rundum zufrieden! <<br />

UNStudio 1988 gegründet, entwickelte sich das<br />

Architekturbüro Van Berkel & Bos zehn Jahre später<br />

zu United Network for urbanism, infrastructure<br />

and architecture, UNStudio. Dieses nicht hierarchische<br />

Netzwerk war aus dem Bedürfnis nach<br />

flexibleren, strukturierteren Designprozessen und<br />

maximalem kreativem Austausch heraus entstanden.<br />

Seither hat UNStudio Projekte in sämtlichen Bereichen<br />

der Architektur realisiert – von Wohnhäusern<br />

über Brücken, Bahnhöfe und Einkaufszentren bis<br />

hin zu Museen.<br />

wieder manifestiert (siehe Bild 4). Der Pavillon, ein<br />

Geschenk der Niederlande an New York zu Ehren der<br />

gegenseitigen 400-jährigen Freundschaft, soll mit<br />

Hilfe von digitalen Informationsstellen die Besucher<br />

mit New York City vertraut machen und über Anlässe<br />

in den Niederlanden informieren – und damit Treffpunkt<br />

für Einheimische und Touristen sein. Ein Projekt<br />

also, das Ben van Berkels Vorliebe für den Dialog<br />

mit der Öffentlichkeit wohl kaum gerechter werden<br />

könnte. rg<br />

In seinen Arbeiten vereinigt UNStudio hochentwickelte<br />

Kenntnisse von digitalem Design mit einem<br />

experimentierfreudigen Umgang mit Form und<br />

Material. Daraus resultieren Projekte, die häufig auf<br />

Diagrammen basieren und sich durch fliessende,<br />

flexible und innovative Formsprache auszeichnen.<br />

Als Paradebeispiel dafür gilt das als Meisterwerk<br />

computergestützter Architektur gefeierte Mercedes-<br />

Benz-Museum in Stuttgart (siehe Bild 1).<br />

Das in Amsterdam situierte Büro ist international<br />

tätig, unter anderem in Deutschland, den USA,<br />

China und Russland. Für Letzteres wurde UNStudio<br />

in diesem Jahr mit dem Bau des 21 000 Quadratmeter<br />

umfassenden Tanzpalasts von St. Petersburg<br />

beauftragt (siehe Bild 2). Auch in Planung ist das<br />

Projekt für die chinesische Stadt Hangzhou, das eine<br />

Anlage für Hotel, Gewerbe-, Büro- und Wohnräumlichkeiten<br />

vorsieht (siehe Bild 3).<br />

Die breite Palette von Baukunst, die UNStudio bedient,<br />

hat sich mit dem erst kürzlich enthüllten<br />

New Amsterdam Pavilion in New Yorks Battery Park<br />

1 2<br />

3 4<br />

Fotos: Daimler AG | UNStudio | Richard Koek<br />

<strong>bull</strong>etin 4/<strong>09</strong> Credit Suisse


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Telefon +41 44 332 05 01, Telefax +41 44 332 05 02, www.empiris.ch, info@empiris.ch<br />

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Die Credit Suisse unterstützt ausgewählte Kulturinsti tutionen<br />

langfristig. So das Kunsthaus Zürich, das Kunstmuseum Bern,<br />

das Kunstmuseum Winterthur, das Museo d’Arte Lugano, die<br />

Fondation Pierre Gianadda in Martigny sowie das Singapore<br />

Art Museum und die National Gallery in London.<br />

www.credit-suisse.com/sponsorship<br />

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