bull_10_02_Süden
Credit Suisse bulletin, 2010/02
Credit Suisse bulletin, 2010/02
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Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse Nummer 2 Mai/Juni 20<strong>10</strong><br />
<strong>Süden</strong><br />
Pozuzo: 1859 brachten Siedler aus Österreich<br />
und Süddeutschland alpines Brauchtum in den<br />
peruanischen Urwald, wo es noch heute stolz<br />
gepfl egt wird (Seite 20).<br />
Immobilienstudie Schweiz profi tiert von Zuzügern<br />
Roger Federer im exklusiven Leader-Interview<br />
Dossier 16 Seiten zum Schweizer Fussball<br />
<strong>bull</strong>etin plus Wohnen
Hier gehen Sie an Bord!<br />
Kreuzfahrt Wunderwelt Antarktis<br />
Ushuaia–Falkland–Südgeorgien–Süd-Orkney–Süd-Shetland–Antarktis<br />
23 Tage<br />
inkl. Vollpension<br />
an Bord und Flug<br />
ab Fr. 18900.–<br />
■ Falkland Inseln – bewegte Geschichte ■ Südgeorgien – beeindruckende Tierwelt<br />
■ Antarktische Halbinsel ■ Südpolarkreis – magische Grenze ■ Drake Passage – legendäres Fahrwasser<br />
Ihr Reiseprogramm<br />
1. Tag: Schweiz–Buenos Aires.<br />
Linienflug mit Umsteigen nach Buenos Aires.<br />
Hotelübernachtung.<br />
2. Tag: Buenos Aires.<br />
Entdecken Sie heute Buenos Aires auf einer<br />
Stadtrundfahrt. Hotelübernachtung.<br />
3. Tag: Buenos Aires–Ushuaia.<br />
Flug nach Ushuaia. Transfer und Einschiffung<br />
auf «MS HANSEATIC».<br />
4. Tag: Erholung auf See.<br />
5. Tag: Falkland Inseln+.<br />
«MS HANSEATIC» steuert die Falkland-Inseln<br />
an, die zu Grossbritannien gehören. Im Hauptort<br />
Stanley laden die Häuser im viktorianischen Stil<br />
zu einem Spaziergang ein.<br />
6.–7. Tag: Erholung auf See.<br />
8.–<strong>10</strong>. Tag: Südgeorgien+.<br />
Wenn das Wetter es zulässt, entdecken wir die<br />
unberührte Natur der Fortuna Bay bei einer<br />
Wanderung, bevor «MS HANSEATIC» in die<br />
Stromness Bay fährt. Allein auf der Hauptinsel<br />
Südgeorgiens befinden sich mehr als 160 Gletscher,<br />
von denen viele bis an die Wasserkante<br />
heranreichen. Aber nicht nur Gletscher sind<br />
Ihr Kreuzfahrtschiff<br />
Gebaut für dichtes Packeis, schmale Fjorde oder<br />
verschlungene Flussläufe, lässt Sie das einzige<br />
Expeditionsschiff «MS HANSEATIC» mit 5<br />
Sternen Erstaunliches entdecken. Dabei werden<br />
Sie begleitet von einer engagierten Crew, maximal<br />
183 weiteren Gästen und einem Team namhafter<br />
Experten aus verschiedenen Fachgebieten.<br />
Aussergewöhnlich ist auch die persönliche<br />
Atmosphäre an Bord. In einem vertrauten Kreis<br />
sympathischer Expeditionsliebhaber geniessen<br />
Sie die Vorzüge eines kleinen Schiffes. Als einziges<br />
5-Sterne-Expeditionsschiff weltweit. Entdecken<br />
Sie eine einmalig intensive Art des Reisens,<br />
die Ihnen unvergesslich bleiben wird…<br />
Willkommen an Bord!<br />
zahlreich vorhanden: Etwa 400 000 majestätische<br />
Königspinguine, ca. fünf Millionen Goldschopfpinguine<br />
und unzählige See-Elefanten<br />
haben hier ihre Heimat gefunden. Mit Grytviken<br />
erreichen Sie den einzigen Ort auf Südgeorgien.<br />
Neben Zodiacanlandungen in Salisbury Plain<br />
und auf Prion Island, dem Brutgebiet der riesigen<br />
Wanderalbatrosse, dürfen Sie sich auf Gold<br />
Harbour und die Cooper Bay freuen – eines der<br />
atemberaubendsten Tierparadiese der Welt:<br />
Alljährlich finden sich hier zehntausende<br />
Königs pinguine und Eselspinguine sowie tausende<br />
See-Elefanten ein.<br />
11. Tag: Erholung auf See.<br />
12.–18. Tag: Südorkney-Inseln+/Süd-Shetland-Inseln+/Antarktische<br />
Halbinsel/Drake<br />
Passage.<br />
Wir haben etwa 2000 Seemeilen zurückgelegt,<br />
wenn die Süd-Orkney-Inseln in Sicht kommen.<br />
Bei gutem Wetter folgt ein Besuch der Forschungsstation<br />
Orcadas. Oder wir kreuzen mit<br />
unseren Zodiacs vor Monroe Island. Hier tummeln<br />
sich tausende Zügelpinguine, und auch<br />
See-Elefanten sind hier anzutreffen. Unsere Zodiacfahrt<br />
bei Point Wild auf Elephant Island gilt<br />
ebenfalls den Zügelpinguinen. Adeliepinguine<br />
Ihre Reiseroute<br />
Südorkney Inseln<br />
Port Lockroy<br />
Ushuaia<br />
ANTARKTIS<br />
Drake Passage<br />
Weddellmeer<br />
Atlantischer<br />
Ozean<br />
Falkland Inseln<br />
Stanley<br />
«MS Hanseatic»<br />
Elephant Is.<br />
MS HANSEATIC unterwegs in der Antarktis<br />
Grytviken<br />
Südorkney Inseln<br />
hingegen lassen sich auf der Vulkaninsel Paulet<br />
Island und nahe Devil Island beim Durchkreuzen<br />
der mystischen Stille des Weddellmeeres<br />
bestaunen. Auf unserer antarktischen Route<br />
reihen sich die Paradies Bucht mit Almirante<br />
Brown und Skontorp Cove sowie Petermann<br />
Island wie Perlen einer Kette aneinander.<br />
Sicher können Sie hier Kormorane oder Adelieund<br />
Eselspinguine samt ihrem Nachwuchs<br />
sichten. Gebannte Stimmung herrscht auf<br />
«MS HANSEATIC». Das Eis vor dem verstärkten<br />
Bug bricht, die Schiffssirene ertönt, und die<br />
Spannung löst sich: Der Südpolarkreis ist erreicht.<br />
19.–20. Tag: Fahrt durch die Drake Passage.<br />
Benannt nach Sir Francis Drake, durchfahren<br />
wir die legendäre Drake Passage und nehmen<br />
Kurs auf den südamerikanischen Kontinent.<br />
21. Tag: Ushuaia.<br />
Ankunft frühmorgens in Ushuaia und Ausschiffung.<br />
Transfer und Flug nach Buenos Aires. Hotelübernachtung.<br />
22. Tag: Buenos Aires–Zürich.<br />
Transfer und Rückflug mit Umsteigen in die<br />
Schweiz.<br />
23. Tag: Ankunft in Zürich.<br />
Höhepunkte der Antarktis-Reise<br />
■<br />
5 Sterne-Expeditionsschiff mit max. 184 Passagieren<br />
und Schiff mit höchster Eisklasse E4<br />
■<br />
Spezialisten für Polarregionen an Bord<br />
(Kapitäne und Expeditionsleiter)<br />
■<br />
Zodiacs bringen Sie ganz nah an die polare<br />
Tierwelt und die Eisberge der Antarktis<br />
■<br />
Tierparadies Südgeorgien: Königspinguine,<br />
See-Elefanten und Robben<br />
■<br />
Falklands Vogelwelt, unvergessliche<br />
Walbeobachtungen<br />
■<br />
Shackleton, Amundsen, Scott – auf den<br />
Spuren legendärer Forscher und Entdecker<br />
Reisedatum 2011<br />
24.01.–15.<strong>02</strong>.<br />
Preise pro Person<br />
Fr.<br />
Kat. Kabinentyp Katalog- Frühpreis<br />
buchungspreis<br />
1 2-Bett aussen,<br />
Garantie 19800.– 18900.–<br />
2 2-Bett aussen,<br />
Amundsen-Deck 21650.– 20550.–<br />
4 2-Bett aussen,<br />
Marco Polo-Deck 25000.– 23850.–<br />
5 2-Bett aussen,<br />
Explorer-Deck 26000.– 24700.–<br />
7 Suite, Bridge 39400.– 37400.–<br />
* Frühbuchungspreis bis 11.06.20<strong>10</strong><br />
Beschränkte Verfügbarkeit – früh buchen lohnt sich!<br />
Unsere Leistungen<br />
■<br />
Linienflug in Economy Class via<br />
Deutschland inkl. Taxen<br />
■<br />
Transfers<br />
■<br />
Treibstoff- und Kerosinzuschlag<br />
■<br />
3 Übernachtungen in Buenos Aires in<br />
Erstklasshotel inkl. Frühstück<br />
■<br />
Kreuzfahrt in der gebuchten<br />
Kabinenkategorie<br />
■<br />
Vollpension an Bord ab Abendessen<br />
Einschiffungstag bis Frühstück<br />
Ausschiffungstag<br />
■<br />
Kapitänsempfang, Galadinner<br />
■<br />
Sicherheitsgebühren, Hafentaxen<br />
■<br />
Deutschsprechende Bordreiseleitung<br />
■<br />
Alle Zodiacanlandungen<br />
■<br />
Wasserdichte und warme Parkas und<br />
Gummistiefel stehen leihweise zur Verfügung<br />
■<br />
Vorträge durch erfahrene Lektoren<br />
Nicht inbegriffen<br />
■<br />
Auftragspauschale pro Person Fr. 20.–,<br />
bei Buchung über www.mittelthurgau.ch<br />
Reduktion von Fr. 20.– pro Person<br />
■<br />
Persönliche Auslagen und Getränke<br />
■<br />
Trinkgelder<br />
■<br />
Kombinierte Annullationskosten- und<br />
Extrarückreiseversicherung auf Anfrage<br />
■<br />
Zuschlag Business Class auf Anfrage<br />
Reiseformalitäten, Wissenswertes<br />
Schweizer Bürger benötigen einen gültigen<br />
Reisepass, der 6 Monate über das<br />
Rückreisedatum gültig sein muss.<br />
Bei dieser Kreuzfahrt-Expedition in die Antarktis kann<br />
ein Umstellen des Fahrplans notwendig werden. Je<br />
nach örtlichen Bedingungen entscheidet der Kapitän<br />
über die bestmögliche Alternative.<br />
+ Übersetzen an Land mit Zodiacs (wetterabhängig)<br />
Gratis-Buchungstelefon:<br />
0800 86 26 85<br />
Bestellen Sie unseren neuen Katalog «Antarktis»<br />
Für Reservationen/Auskünfte verlangen<br />
Sie Frau Gabi Herzig<br />
Reisebüro Mittelthurgau Fluss- und Kreuzfahrten AG<br />
Oberfeldstrasse 19, 8570 Weinfelden<br />
Tel. 071 626 85 85, Fax 071 626 85 95<br />
www.mittelthurgau.ch, info@mittelthurgau.ch<br />
734<br />
Fluss- und Kreuzfahrten AG, Weinfelden, www.mittelthurgau.ch
Editorial 3<br />
Für uns Nordeuropäer steht <strong>Süden</strong> für Sonne, Strand und das süsse Schwelgen<br />
im Nichtstun. Der Ethnologe David Signer ortet in seinem Essay (Seite 6) die<br />
Wurzeln dieser Sehnsucht im 18. Jahrhundert, und zwar konkret bei den Berichten<br />
des französischen Entdeckers Louis-Antoine de Bougainville über seine Reisen<br />
in die Südsee. Den Ursprung meiner ganz persönlichen Sehnsucht nach dem <strong>Süden</strong><br />
kann ich ebenfalls exakt orten: Er trägt den Namen Golfo del Sole, eine Bungalow-<br />
Feriensiedlung bei Follonica in Italien. Dort verbrachte ich als neunjähriger Bub<br />
meine ersten Ferien am Meer. Statt eines einsamen Palmenstrands mit weissem<br />
Sand gab es einen Pinienwald und einen schmalen, mit Liegestühlen und Sonnenschirmen<br />
zugepflasterten, braunen Sandstrand. Trotzdem waren es wohl die<br />
schönsten zwei Wochen meiner Kindheit: jeden Tag Sonnenschein, am Strand<br />
im Sand spielen, in der Brandung tollen, mit Netzen bewaffnet von einem Schlauchboot<br />
aus das kleine Riff nach Seesternen und Seeigelschalen absuchen.<br />
Un ver gessen sind der Geruch des klebrigen Kokosnuss-Sonnenöls und der<br />
salzige Meerwasser geschmack.<br />
So hat im winterlichen Europa nördlich der Alpen wohl jeder sein ganz persönliches,<br />
zumeist völlig verklärtes Bild vom <strong>Süden</strong>. Dadurch ist der Begriff weit mehr<br />
als die simple Bezeichnung einer Himmelsrichtung – er beinhaltet ein subjektiv<br />
erlebtes Weltbild. Insbesondere auch, weil die Wahrnehmung der Menschen,<br />
die in der Realität des <strong>Süden</strong>s leben, eine so gänzlich andere ist und Millionen<br />
von Menschen mit Neid nach dem vermeintlich reichen Norden blicken.<br />
Immerhin wird sich in diesem Sommer für einmal der Mittelpunkt der Sportwelt<br />
ganz in den <strong>Süden</strong> verschieben, wenn vom 11. Juni bis 11. Juli in Südafrika die<br />
Fussball-WM-Endrunde ausgetragen wird. Mit dabei ist auch die Schweizer Nationalmannschaft<br />
und damit die Credit Suisse. Sie ist seit 17 Jahren Hauptsponsor<br />
der Nationalmannschaften und des Schweizerischen Fussballverbandes. Dabei<br />
floss von Anfang an die Hälfte des Sponsoringbeitrags in die Nachwuchsförderung.<br />
Wie sich die Credit Suisse auf jeder Ebene vom Breiten- bis zum Profisport<br />
für den Schweizer Fussball engagiert, erfahren Sie im Dossier ab Seite 65.<br />
Gold Winner<br />
Und zum Schluss noch eine Meldung, die uns enorm freut: Das <strong>bull</strong>etin wurde<br />
bei den internationalen Mercury Awards in New York in der Kategorie Best Writing<br />
mit dem Grand Award ausgezeichnet – und das bei einem hochdotierten internationalen<br />
Teilnehmerfeld von 690 Publikationen. Manchmal kommen die schönen<br />
Dinge eben auch aus dem Westen.<br />
Daniel Huber, Chefredaktor <strong>bull</strong>etin<br />
Gold Winner<br />
Foto: Cédric Widmer<br />
Preisträger
7,7 Millionen Mitspieler<br />
1 Team<br />
Eine Bank,<br />
die mitfi ebert<br />
Die Credit Suisse steht seit 1993 als Hauptsponsor voll<br />
und ganz hinter der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft.<br />
Zusammen mit der ganzen Bevölkerung freuen wir uns auf<br />
die Auftritte unserer Mannschaft in Südafrika und drücken ihr<br />
die Daumen. Hopp Schwiiz!<br />
credit-suisse.com/fussball
Inhalt 5<br />
65<br />
Schwerpunkt <strong>Süden</strong><br />
6 _ Lebensgefühl Woher kommt die<br />
nordeuropäische Sehnsucht nach dem <strong>Süden</strong>?<br />
<strong>10</strong>_ Genforschung Die Buschmänner sind die<br />
älteste Abstammungslinie der Menschheit<br />
14 _ Hymnen für den Frieden Im Kampf gegen die<br />
Apartheid erklangen Lieder von Vollenweider<br />
16 _ Südwind Der Föhn bringt vorzeitigen Frühling,<br />
entfacht tosende Stürme und grosse Brände<br />
20 _ Neue Heimat In Peru wurde 1859 die deutschösterreichische<br />
Kolonie Pozuzo gegründet<br />
28 _ Bröckelnde Dominanz Wirtschaftsprofessor<br />
Simon J. Evenett über die Nord-Süd-Spaltung<br />
Coverfoto: Luca Zanetti | Foto: Alberto Venzago<br />
Dossier Schweizer Fussball Seit 17 Jahren unterstützt<br />
die Credit Suisse den Schweizer Fussball. Angefangen<br />
von Kinderturnieren bis hin zur Nationalmannschaft. Die<br />
Geschichte einer erfolgreichen Zusammenarbeit.<br />
Ab Seite 65<br />
01 _ Der Trainer Ottmar Hitzfeld über Löhne, Computer<br />
und Gerechtigkeit im Fussball.<br />
<strong>02</strong> _ Der Profi Stephan Lichtsteiner, vom Credit Suisse<br />
Lehrling zum Nationalspieler.<br />
03 _ Das Talent Oliver Buff, der unter schätzte<br />
U-17-Weltmeister.<br />
04 _ Der Schüler Gianluca Bianculli oder Das Glück mit<br />
dem runden Leder.<br />
05 _ Der Verein Die Young Kickers Foundation will den<br />
Mädchenfussball fördern.<br />
06 _ Wettbewerb Die Credit Suisse verlost <strong>10</strong> 000 Trikots<br />
der Schweizer Nati!<br />
Credit Suisse<br />
34 _ Albert Anker In Bern seinen Anker werfen,<br />
um das Kunstmuseum zu besuchen<br />
37 _ Jugendarbeitslosigkeit Die Stiftung<br />
Die Chance schafft neue Arbeitsstellen<br />
40 _ Reise in den <strong>Süden</strong> Wie steht es um den<br />
Tourismus in der Südschweiz?<br />
42 _ Roger Federer Foundation Der Tennisstar<br />
besucht eine Schule im Hochland Äthiopiens<br />
44 _ Haiti Das Schweizerische Rote Kreuz nach<br />
dem Erdbeben im Logistikeinsatz<br />
48 _ Mikrofinanz Für einen Kleinunternehmer<br />
in Afrika bewirkt ein Kleinkredit Grosses<br />
51 _ <strong>bull</strong>etin plus «wohnen»<br />
Wirtschaft<br />
52 _ Immobilien Schweiz profitiert noch immer<br />
von der Zusatznachfrage der Einwanderer<br />
56 _ Lateinamerika Um den Rückstand auf Asien<br />
zu verkleinern, braucht es neue Infrastruktur<br />
60 _ Asset Allocation So wird aus einer Marktanalyse<br />
ein Investitionsentscheid<br />
62 _ Luftverschmutzung Auch Wirtschaftsvertreter<br />
fordern Emissionskontrollsysteme<br />
Invest<br />
81 _ Aktuelle Analysen und Trends<br />
Leader<br />
86 _ Roger Federer über seine mentale Stärke,<br />
die Rolle des Coachs und seinen Alltag in Dubai<br />
Service<br />
41 _ Impressum<br />
85 _ Wissenswert/Nachlese<br />
Der Forest Stewardship Council (FSC) setzt mit <strong>10</strong> Prinzipien und Kriterien den Standard für eine umwelt- und<br />
sozialver trägliche Waldbewirtschaftung. Schweizer Papier (Z-Offset, mit 30% FSC-Anteil), aus europäischem Zellstoff,<br />
hergestellt von der ISO-14001-zertifizierten Ziegler Papier AG, Grellingen.<br />
Ihr Link zu unserem Know-how: www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin
ulletin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse<br />
Das Gemälde «Zwei Frauen aus Tahiti» malte Paul Gauguin<br />
bei seinem ersten Aufenthalt auf Tahiti 1892.
Die Sehnsucht nach dem <strong>Süden</strong><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
8 <strong>Süden</strong> Mythos<br />
Warum zieht es eigentlich dauernd alle nach <strong>Süden</strong>?<br />
Der Pauschaltourist verbringt seinen Urlaub in der Türkei, der Grafiker träumt von einem<br />
Haus in der Toskana und der Professor verlustiert sich in den Altertümern Roms. Der<br />
Esoteri ker pilgert in den indischen Aschram und der Hollywoodstar kauft sich eine<br />
karibische Insel. Der Abenteurer kämpft sich durch den Kongo und der Erotomane durch<br />
die Bars von Bangkok. Ja, selbst der Rentner setzt sich in Spanien zur Ruhe. So unterschiedlich<br />
sie sein mögen und so viel sie sich auf ihre Individualität einbilden – der Drang<br />
nach <strong>Süden</strong> verbindet sie wie die Vögel im Herbst.<br />
Text: David Signer<br />
Gerne halten wir Gefühle für natürlich, für allgemein, und sind uns<br />
nicht bewusst, dass auch Ängste, Empörungen, Hoffnungen, Träume<br />
und Wünsche gesellschaftlich und historisch geprägt sind. So weiss<br />
hierzulande jeder sofort, was mit der «Sehnsucht nach dem <strong>Süden</strong>»<br />
gemeint ist, und vergisst dabei leicht, dass diese Empfindung eine<br />
«Erfindung» des nördlichen Europa ist. Und dass Historiker ihren<br />
Ursprung genau datieren können: auf den 5. April 1768. An diesem<br />
Tag landete der Entdecker Louis-Antoine de Bougainville in Tahiti.<br />
Kaum war er vor Anker gegangen, schreibt er in seinem Reisebericht,<br />
suchten die Bewohner «uns zu bewegen, uns eine Frau auszusuchen<br />
und mit ihr an Land zu gehen, und mit eindeutigen Gesten gaben<br />
sie uns zu verstehen, auf welche Weise wir ihre Bekanntschaft machen<br />
sollten. Man stelle sich das vor!»<br />
Bei der Nachfolgemission in die Südsee, geleitet von James Cook,<br />
sprang beim Ablegen einer der Matrosen über Bord und schwamm<br />
zurück auf die Insel, um dort zu bleiben. Georg Forster notierte –<br />
durchaus mit Verständnis für den Deserteur – in seinem Bericht<br />
«Reise um die Welt»: «Unser gemeines Volk ist nun einmal zu lauter<br />
Plackereyen und zu beständigem Arbeiten bestimmt. Wie ist hingegen<br />
beym Tahitier das alles so ganz anders! Wie glücklich, wie<br />
ruhig lebt nicht der!»<br />
1789 – im Jahr der Französischen Revolution – wiederholte gewissermassen<br />
eine ganze Schiffsmannschaft den Befreiungsschlag<br />
des Matrosen. Die Meuterer der «Bounty» strandeten nach langer<br />
Irrfahrt auf der einsamen Südseeinsel Pitcairn, wo sie blieben. Ihre<br />
Nachkommen leben noch heute dort. Die Berichte über die paradiesischen<br />
Zustände auf den Südseeinseln – «das wahre Utopien, ein<br />
Garten Eden», schrieb de Bougainville – schlugen in Europa ein wie<br />
eine Bombe. Insbesondere Künstler, Schriftsteller und Philosophen<br />
nahmen die Schilderungen über die edlen, nicht von der Zivilisation<br />
verdorbenen Wilden begierig auf; nicht zuletzt, um die eigene Gesellschaft<br />
– Prüderie, Ordnungswahn, Militarismus, Repression, Kirche<br />
– zu kritisieren. Der Aufklärer Denis Diderot schrieb ein von<br />
de Bougainville inspiriertes Manifest für sexuelle Freiheit, und 1808<br />
wurde ein studentischer Geheimbund ausgehoben, der in der Südsee<br />
«frey und unabhängig, los von den Fesseln fremden Zwanges» leben<br />
wollte. Die Rädelsführer dieser frühen Aussteigerclique wurden ins<br />
Gefängnis geworfen.<br />
Die glücklichen Bewohner des Paradieses in Ozeanien würden<br />
vom Leben nichts anderes als seine Süsse kennen, schrieb auch der<br />
Maler Paul Gauguin 1890 in einem Brief über Tahiti. «Für sie heisst<br />
Leben Singen und Lieben.» Er machte mit seiner Sehnsucht Ernst<br />
und schiffte sich im folgenden Jahr tatsächlich nach Tahiti ein, wo<br />
er schliesslich 1903, ziemlich desillusioniert, starb.<br />
Italien und die innere Topografie<br />
In gemässigter Form konnte die Sehnsucht nach dem <strong>Süden</strong> durch<br />
die «Grand Tour» befriedigt werden, der in aristokratischen Kreisen<br />
fast obligatorischen Reise nach Italien, Spanien oder ins Heilige Land,<br />
die dann im 19. Jahrhundert durch die bürgerliche Bildungsreise nach<br />
Rom, Florenz und Venedig abgelöst wurde, wie sie etwa Goethe in<br />
seiner «Italienischen Reise» beschrieb. Selbstredend ging es auch<br />
bei diesem frühen Kulturtourismus nicht nur um antike Statuen,<br />
Ruinen, Kirchen und Museen, sondern ebenso um ein vages Versprechen<br />
von Entgrenzung, Freiheit, Wärme, Loslassen, Erotik …<br />
Noch etwas weiter nach <strong>Süden</strong> wagten sich die Maler Paul Klee,<br />
August Macke und Louis Moilliet 1914 mit ihrer berühmten «Tunisreise»,<br />
die sich künstlerisch als ungeheuer fruchtbar erwies. «Die<br />
Farbe hat mich», schrieb Klee begeistert aus Nordafrika. «Ich brauche<br />
nicht mehr nach ihr zu haschen … Das ist der glücklichen Stunde<br />
Sinn: Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.»<br />
Wenn wir uns heute, kaum haben wir ein paar Tage frei, auf den<br />
Weg ins Tessin oder nach Italien machen, und dabei in Kauf nehmen,<br />
die Hälfte der Zeit im Stau zu verbringen, so wandeln wir, bewusst<br />
oder nicht, mehr oder weniger auf den Spuren von de Bougainville,<br />
Gaugin, Goethe und den andern frühen Sonnensuchern. Unsere<br />
Sehnsucht, so ureigen und spontan sie uns vorkommen mag, folgt<br />
kulturell geprägten Mustern und Bildern.<br />
«Der <strong>Süden</strong> ist eine Idee, wir tragen ihn in uns», schreibt Dieter<br />
Richter in seinem soeben erschienenen Buch «Der <strong>Süden</strong> – Geschich-<br />
Foto Seite 6: Paul Gauguin, Keystone Imagno<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Mythos <strong>Süden</strong> 9<br />
te einer Himmelsrichtung». «Der <strong>Süden</strong> ist aber auch eine Realität»,<br />
fährt er fort. Dazu gehört zum Beispiel, dass heute zum ersten Mal<br />
im Lauf der Geschichte mehr Menschen aus dem <strong>Süden</strong> in den<br />
Norden migrieren als umgekehrt. «Imaginärer und realer <strong>Süden</strong>», so<br />
Richter, «stehen in beständiger Wechselwirkung, Traum und Eroberung<br />
sind die beiden Seiten ein und derselben Medaille.»<br />
Der ambivalente <strong>Süden</strong><br />
Zum Traum vom <strong>Süden</strong> gehört – ebenfalls seit mehr als zweihundert<br />
Jahren – auch der Albtraum. «Da überall ist das Paradies der<br />
Erde», schrieb der Bildhauer Ernst Rietschel 1930 aus der Gegend<br />
von Neapel, «oder es würde es sein, wenn keine Menschen dort<br />
wären, die die niedrigste Brut ist, die mir je vorgekommen.» Seit den<br />
Anfängen des Tourismus gab es diese Ambivalenz: Mal wurden die<br />
Südländer bewundert, weil sie so ganz im Hier und Jetzt aufzugehen<br />
schienen, ohne sich allzu sehr ums Morgen zu kümmern, mal wurden<br />
sie gerade für diese Verantwortungslosigkeit und «Faulheit» verachtet.<br />
Das galt seit Goethe für die Italiener, erst recht dann aber<br />
für die Afrikaner und andere «Eingeborene». Von den ersten Entdeckern<br />
über die Kolonialisten bis zu den heutigen Reisenden prägt<br />
dieses Gemisch aus Faszination, Neid, Mitleid, Verachtung und Abneigung<br />
die Wahrnehmung der Fremde. Und bis heute gibt es eine<br />
Art Klimatheorie, mit der wir uns intuitiv die Mentalitätsunterschiede<br />
erklären: Die Kälte macht die Menschen kühl, rational, planend,<br />
kontrolliert, die Wärme macht sie warm, emotional, sorglos und ausschweifend.<br />
«Jedermann lebt in den Tag hinein, weil ein Tag dem<br />
andern gleicht und man sich auf keine Zeit des Mangels, keinen<br />
Winter vorzubereiten hat», schrieb schon Goethe 1797 aus Neapel.<br />
Die Pionier-Aussteiger<br />
Auch den Typus des Aussteigers, der seinen Urlaub gewissermassen<br />
verlängert und zur definitiven Lebensform macht, gibt es nicht erst<br />
seit den Siebzigerjahren.<br />
Neben dem Monte Verità bei Ascona war es Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
vor allem die italienische Insel Capri, die Bohémiens, Revolutionäre,<br />
Sinnsucher, Libertins und Dandys anzog. Ein besonders<br />
schillernder Expatriate war zum Beispiel Jacques d’Adelswärd-Fersen,<br />
der seinem exzentrischen Namen alle Ehre machte. In Paris gerade<br />
einem Skandalprozess wegen schwarzer Messen und «Verleitung von<br />
Minderjährigen zu Ausschweifungen» entkommen, liess er sich 1903<br />
auf Capri eine neoklassizistische Villa mit römischer Therme und<br />
Opium-Fumoir bauen, gerade unterhalb der Ruinen jener Villa Jovis,<br />
in der vor zweitausend Jahren Kaiser Tiberius seine legendären Orgien<br />
feierte. In seinem Werk «Et le feu s’éteignit sur la mer» beschrieb<br />
d’Adelswärd-Fersen, wie ein junger Mann vor den nackten Jünglingsstatuen<br />
in Neapel die Schönheit der Männerliebe entdeckte. Capri<br />
und der Kult der Antike sind heute etwas aus der Mode gekommen;<br />
aber die Beweggründe der damaligen Italienfahrer waren wohl nicht<br />
sehr anders als die derjenigen, die heute für Partys nach Ibiza fliegen,<br />
für leichten Sex nach Thailand oder Kenia oder auf der Suche nach<br />
der «Schönheit der Männerliebe» in Marokko landen.<br />
Ist der <strong>Süden</strong> gesund?<br />
Heute fahren jährlich Millionen Urlauber, in der Überzeugung, sich<br />
etwas Gutes zu tun, im Sommer an die sonnigen Strände, um sich<br />
zu bräunen – oder zumindest ins Solarstudio um die Ecke. O sole mio.<br />
Zugleich warnen die Ärzte vor Sonnenbrand und Hautkrebs. Auch<br />
dieser Zwiespalt ist alt. Zwar waren schon die Aufklärer der Ansicht,<br />
der Einfluss der Sonne auf die freie Haut belebe Körper und Geist<br />
und die warme Luft wirke stärkend, aber zugleich kursierten alle möglichen<br />
Theorien über den schädlichen Einfluss von Pestilenzdämpfen<br />
und Ausdünstungen im fremdartigen Klima. Ganz selbstverständlich<br />
gehörten ins Gepäck des kultivierten Reisenden Thermometer, Barometer<br />
und sogar der dubiose «Aerometer», mit dem angeblich die<br />
Reinheit der Luft gemessen werden konnte. 1817 erschien ein «wissenschaftlicher»<br />
Artikel, in dem das Verschwinden der Südländer<br />
infolge von Miasmen prophezeit wurde: «Über das Absterben der Länder,<br />
Italiens insbesondere, und dessen Vergiftung durch verdorbene<br />
Luft». Auch war man überzeugt – vielleicht nicht ganz zu Unrecht –,<br />
dass die disziplinierte Seele des Nordländers unter dem Einfluss des<br />
<strong>Süden</strong>s verderben könne. «Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen»,<br />
schrieb Goethe, «und die Gesinnungen ändern sich gewiss in<br />
einem Lande, wo Elefanten und Tiger zu Hause sind.»<br />
Zu diesem Widerspruch gehört auch, dass wir einerseits unseren<br />
Lebensstil mehr oder weniger aggressiv auf der ganzen Welt durchsetzen,<br />
andererseits den Glauben hegen, dass gerade diejenigen<br />
den Schlüssel zum Glück besitzen, die sich der Zivilisation widersetzen<br />
oder (noch) entziehen können. Dann machen wir – Tausende<br />
von angeblichen «Individual-» und «Alternativtouristen» – uns auf in<br />
ihren Garten Eden, um an ihrem gefährdeten Glück zu partizipieren,<br />
und tragen gerade damit zu dessen Zerstörung bei.<br />
Beim Nachdenken über den <strong>Süden</strong> darf zum Schluss eine paradoxe<br />
Destination nicht fehlen. Geht man immer weiter nach <strong>Süden</strong>,<br />
wird es bekanntlich zuerst immer heisser, aber dann wieder kälter.<br />
Erst am 14. Dezember 1911 setzte zum ersten Mal ein Mensch den<br />
Fuss auf den Südpol: Roald Amundsen. Einen Monat später erreichte<br />
sein Konkurrent Robert Falcon Scott das Ziel; auf dem Rückweg<br />
erfror er mit seinen vier Gefährten. In seinem posthum veröffentlichten<br />
Tagebuch schreibt er: «An diesen entsetzlichen Ort haben wir<br />
uns mühsam hergeschleppt und erhalten als Lohn nicht einmal das<br />
Bewusstsein, die ersten gewesen zu sein.» Der Südpol – der Ort, wo<br />
man zwar Sehnsucht nach Wärme, aber definitiv keine Sehnsucht<br />
nach dem <strong>Süden</strong> empfindet. <<br />
David Signer ist promovierter Ethnologe.<br />
Er hat jahrelang in Westafrika zum Zusammen<br />
hang zwischen traditionellen<br />
Glaubens vorstellungen und Entwicklung<br />
geforscht. Dazu erschien: «Die Ökonomie<br />
der Hexerei oder Warum es in Afrika<br />
keine Wolkenkratzer gibt», Peter Hammer<br />
Verlag, 2004.<br />
Signer ist mit einer Senegalesin verheiratet<br />
und wohnt in Zürich. Sein neuestes Buch,<br />
der Roman «Die nackten Inseln» (Salis Verlag,<br />
20<strong>10</strong>), spielt unter anderem in Nigeria,<br />
Côte d’Ivoire, Haiti, Jamaika und auf den<br />
Kapverdischen Inseln.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
Eine Gruppe Jäger des Ju/’hoansi-Stammes unterwegs im Buschland Namibias.<br />
Die ersten Kinder<br />
Südafrikas<br />
Genetiker haben das Erbgut der Buschmänner entziffert. Es zeigt: Die Ureinwohner des südlichen Afrikas<br />
sind die älteste Abstammungslinie der Menschheit.<br />
Text: Stefanie Schramm<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Buschmänner <strong>Süden</strong> 11<br />
Als das Ergebnis der Studie bekannt gegeben wurde, tanzte !Gubi.<br />
Seine Frau und eine seiner Töchter sangen. Mit ihren Händen schlugen<br />
sie den Takt. Und !Gubi tanzte dazu. An seinen Fussgelenken<br />
klapperten Rasseln – mit Samen gefüllte Nachtfalterkokons, auf<br />
Schnüre gezogen –, während er die Gestalten und Tiere nachahmte,<br />
welche die Frauen besangen.<br />
Der alte Mann ist es gewohnt, mit seiner Familie vor Fremden<br />
aufzutreten. Hin und wieder reist er zu Musikfestivals, aber das hier<br />
war etwas Besonderes. Gerade eben hatten die Forscher erklärt,<br />
was sie bei ihrer jüngsten Untersuchung herausgefunden hatten:<br />
!Gubis Volk ist der älteste Zweig im Stammbaum der Menschheit.<br />
«Ich bin sehr glücklich», sagt er, der schon an die 80 Jahre erlebt<br />
hat. «Es ist einer der stolzesten Tage meines Lebens.»<br />
Sein Volk, das sind die Buschmänner des südlichen Afrikas, auch<br />
San genannt. Sie leben, ursprünglich als Jäger und Sammler, in Botsuana,<br />
Namibia und Südafrika. Sie wissen, wie man in der Wüste,<br />
der Kalahari, überlebt. Sie lesen die Spuren ihrer Beutetiere – Antilopen,<br />
Springhasen, Steinböcke – mit grösster Genauigkeit. Und sie<br />
sprechen eine der kompliziertesten Sprachen der Welt, mit Klick- und<br />
Schnalzlauten, die wir nur mit Sonderzeichen schreiben können.<br />
!Gubi und seine Familie sowie drei weitere Buschmänner aus<br />
Namib ia waren im Februar in die Landeshauptstadt Windhoek gereist,<br />
um zu hören, was die Wissenschaftler in ihrem Blut gelesen<br />
hatten. Eine Forschergruppe um Stephan Schuster von der Pennsylvania<br />
State University in den USA und Vanessa Hayes von der<br />
University of New South Wales in Australien hatte ihr Erbgut untersucht.<br />
Ihre Ergebnisse veröffentlichte das Fachmagazin «Nature»,<br />
was ein Erfolg in der Wissenschaftswelt ist. Doch die Gendaten<br />
könnten noch etwas weit Wichtigeres leisten: Sie könnten dem bedrohten<br />
Volk der San zu mehr Anerkennung verhelfen.<br />
Genetische Abspaltung der Buschmänner<br />
Fotos: Stephan C. Schuster<br />
«Wir wollten so nah wie möglich an den Ursprung des Menschen<br />
herankommen», sagt Schuster. Das ist den Forschern gelungen. «Wir<br />
wussten schon aus früheren Stichproben, dass wahrscheinlich eine<br />
ganz entscheidende Trennung zwischen den Buschmännern und allen<br />
anderen Menschen verläuft», erzählt der Genetiker. «Das hat sich<br />
jetzt bestätigt.» !Gubi ist der erste Buschmann, dessen Genom vollständig<br />
entziffert wurde. Zuvor war überhaupt nur von neun Menschen<br />
weltweit das komplette Erbgut sequenziert und veröffentlicht<br />
worden, darunter das des Nobelpreisträgers James Watson und des<br />
bekannten Biochemikers Craig Venter.<br />
Im Genom von !Gubi fanden die Wissenschaftler mehr als eine<br />
Million kleinster Abwandlungen, die noch bei keinem anderen Menschen<br />
festgestellt worden waren. Die San sind aber keineswegs<br />
Relikte aus der Vorzeit, sie sind moderne Menschen wie alle Afrikaner,<br />
Asiaten und Europäer. Die Varianten in ihrem Erbgut tauchten<br />
erst auf – das zeigen die Tests der Forscher –, nachdem ihre Abstammungslinie<br />
im Stammbaum des Menschen abgezweigt war. Das<br />
geschah wahrscheinlich vor etwa 35 000 Jahren, hat die Populationsgenetikerin<br />
Sarah Tishkoff herausgefunden.<br />
Dass sich diese Unterschiede so gut erhalten konnten, liegt daran,<br />
dass die Buschmänner sich kaum vermischt haben. Lange hielten<br />
die Kalahari-Wüste im Osten, die Etosha-Wüste im Norden und<br />
der Atlantik im Westen Fremde ab. Als dann zunächst Bantu-Stämme<br />
einwanderten und später Weisse ins Land drangen, diskriminierten<br />
beide Gruppen die San gleichermassen. «Einige Buschleute<br />
haben am Anfang geglaubt, wir wollten zeigen, dass sie Affen sind»,<br />
Das Genom des Buschmannes !Gubi wurde vollständig entziffert.<br />
Er war damit weltweit erst der zehnte Mensch, dessen Erbgut<br />
voll ständig sequenziert wurde.<br />
erzählt Schuster. Stattdessen entdeckten die Forscher, dass von<br />
den Abwandlungen in !Gubis Erbgut nur sechs Prozent mit den entsprechenden<br />
Stellen im Genom des Schimpansen übereinstimmen.<br />
Bei Craig Venter sind es 87 Prozent dieser Positionen.<br />
Und die Untersuchung zeigte noch etwas: Die San sind auch untereinander<br />
sehr unterschiedlich. Das fanden die Wissenschaftler<br />
heraus, indem sie das Erbgut von drei anderen Buschmännern in<br />
Ausschnitten entzifferten. «Zwei Buschmänner unterscheiden sich<br />
mehr als ein Europäer und ein Asiate», sagt Schuster. «Das hilft uns<br />
zu verstehen, wie gross die genetische Diversität des Menschen wirklich<br />
ist.» Doch die Gendaten bringen nicht nur die Wissenschaft voran.<br />
Sie lenken auch die Aufmerksamkeit der Welt auf die San. «45 000<br />
Internetseiten zitieren schon unsere Studie», erzählt Schuster. Vielleicht,<br />
so hofft der Forscher, helfe das, den Blick auf das kleine Volk<br />
zu verändern. Bis heute werden die Buschmänner herabgewürdigt,<br />
verdrängt aus ihren Jagdgründen, umgesiedelt in Reservate. Vor 2000<br />
Jahren streiften noch bis zu 400 000 San durch das südliche Afrika,<br />
heute leben dort nur noch <strong>10</strong>0 000 Buschleute. An seine erste Begegnung<br />
mit !Gubi kann sich Stephan Schuster noch gut erinnern.<br />
«Das war nicht ganz einfach, natürlich waren wir uns sehr fremd.»<br />
Gefunden hatten die Wissenschaftler den Stammesältesten auf einer<br />
«Reise ins Blaue», wie Schuster sagt. Vor zwei Jahren war er mit seiner<br />
Kollegin Vanessa Hayes einfach losgefahren, quer durch Namibia,<br />
und hatte mit Leuten geredet, mit Pastoren, Priestern, Farmern. «Die<br />
kennen die San-Gemeinschaften vor Ort gut.»<br />
Nur noch wenige Sammler und Jäger<br />
Fünfmal reisten die Forscher ins Land der Buschmänner. Sie begegneten<br />
San, die in bitterer Armut auf den Müllhalden der Städte<br />
hausten; Buschleuten, die dabei waren, sesshafte Farmer zu werden;<br />
und einigen wenigen Ureinwohnern, die in Naturschutzgebieten ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
Genetische Ahnenforschung beim Stamm der Ju/’hoansi: Co-Leiterin der Feldstudie Vanessa Hayes von der University of South Wales<br />
in Australien beim Einsammeln der Proben.<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Buschmänner <strong>Süden</strong> 13<br />
noch immer als Jäger und Sammler lebten. «Wir haben Buschmänner<br />
gesucht, die möglichst lange die ursprüngliche Lebensweise verfolgt<br />
haben», sagt Schuster.<br />
Traditionell jagen die San mit Pfeil und Bogen, die Pfeile präparieren<br />
sie mit dem Gift von Pflanzen wie der Wolfsmilch und der<br />
Buschmannrose oder mit den giftigen Säften aus Blattkäferlarven.<br />
Für die Jagd auf Springhasen bauen sie lange Angeln aus Gerten<br />
des Rosinenstrauchs, die sie mit dem Harz aus Lilienknollen zusammenfügen<br />
und an der Spitze mit einem Metallhaken versehen. Mit<br />
diesen Gerätschaften stochern sie in den verzweigten Bauen der<br />
Tiere, bis sie eines erwischen. Die Frauen sammeln «Veldkost»:<br />
Früchte, Wurzeln, Knollen, Raupen, Käfer, Würmer. Die Arbeit ist<br />
klar verteilt, aber Frauen und Männer sind gleichberechtigt.<br />
!Gubi und seine Familie haben wie viele andere ihre Jagdgründe<br />
verloren, jetzt leben sie auf der Farm eines Weissen. Über diesen<br />
haben Schuster und Hayes den Stammesältesten kennengelernt. «Wir<br />
haben alte Menschen gesucht, weil sie zu einer Zeit geboren wurden,<br />
als es noch wenige Kontakte zu Europäern gab», sagt der Genetiker.<br />
Nach den Vorstellungsformalitäten begannen die Forscher zu erklären,<br />
was sie vorhatten. «Die Buschleute haben ein hervorragendes<br />
Verständnis der menschlichen Vererbung, sie wissen auch genau, wer<br />
ihre Vorfahren sind, besser als wir», sagt Schuster.<br />
Friedensnobelpreisträgers hatten die Forscher ebenfalls vollständig entziffert,<br />
zum Vergleich; Tutu gehört zur ethnischen Gruppe der Bantu,<br />
wie die meisten Menschen im <strong>Süden</strong> Afrikas.<br />
Erzbischof Tutu mit San-Erbgut<br />
Auch !Gubi und die drei anderen Buschmänner hatten eine lange<br />
Reise hinter sich, am längsten war sie für G/aq’o. Er brauchte eineinhalb<br />
Tage, um aus dem äussersten Norden der Kalahari in die<br />
Hauptstadt zu gelangen, zum ersten Mal in seinem Leben war er in<br />
ein Auto gestiegen. Dann sassen sie im Publikum und hörten, wie<br />
der Premierminister sagte, er erkenne die herausragende Rolle der<br />
San in Namibia an. Und sie hörten, wie Tutu eine Geschichte erzählte.<br />
Nach dem Ende der Apartheid habe er versucht, einen südafrikanischen<br />
Pass zu bekommen. Den habe man ihm verwehrt, mit<br />
dem Argument, seine Herkunft sei nicht zu bestimmen. Heute, sagte<br />
der Friedensnobelpreisträger, halte er das für eine noch grössere<br />
Unverschämtheit als damals.<br />
Denn im Erbgut des Erzbischofs sahen die Forscher auch seine<br />
Abstammung: Einer seiner Vorfahren war eine San-Frau. Das war<br />
eine Überraschung für die Wissenschaftler und für den Kirchenmann.<br />
«Ich bin ein wahres Kind Südafrikas», sagte Tutu. «Darüber bin ich<br />
mehr als glücklich.» <<br />
Tagelange Gespräche geführt<br />
Fotos: Stephan C. Schuster<br />
Wie die San die Spuren im Sand, so könnten sie im Blut lesen, erklärten<br />
die Wissenschaftler. Und sie könnten daraus Erstaunliches<br />
schliessen: «Wir haben gesagt, dass wir zum Beispiel sehen können,<br />
dass der Klippschliefer, so ein kleines, pelziges Tier, der nächste<br />
Verwandte des Elefanten ist», erzählt Schuster. «Und dass wir auch<br />
sehen können, warum der eine so klein ist und der andere so gross.»<br />
Tagelang redeten die Forscher mit den Buschmännern, so ist es üblich<br />
bei den San. Wichtige Fragen und Probleme werden lange in<br />
der ganzen Gruppe diskutiert, weil jeder für das Überleben der Gemeinschaft<br />
wichtig ist.<br />
Schliesslich stimmte !Gubi zu. «Wir wollen, dass die Menschen<br />
wissen, wer wir sind», sagte er. «Wir glauben, dass wir die Ältesten<br />
sind. Wir waren da, bevor alle anderen kamen.» Und er erklärte sich<br />
persönlich bereit, sich Blut abnehmen zu lassen. Eine Spritze hatte<br />
er noch nie gesehen. Die Wissenschaftler nahmen das Blut mit in<br />
ihre Heimat und versprachen zurückzukommen, wenn sie die Vergangenheit<br />
enträtselt hätten. Die Zukunft der San ist weit unklarer.<br />
Nur wenige Buschleute können wirklich noch vom Jagen und Sammeln<br />
leben. Die meisten sind auf die staatliche Rente angewiesen,<br />
viele geben einen grossen Teil davon für Alkohol aus. Die Sucht und<br />
Krankheiten wie Aids, Tuberkulose und Malaria kommen mit der Sesshaftigkeit.<br />
Einige Hilfsorganisationen versuchen, einen Ausweg zu<br />
finden. Sie bringen den San Lesen und Schreiben bei, Säen und<br />
Viehhüten, Ernten und Vorratshaltung, Müllentsorgung – alles, was<br />
für ein sesshaftes Leben nötig ist und in der Kultur der Buschmänner<br />
nicht vorkommt. Und sie versuchen, den Tourismus für die San zu<br />
nutzen, bilden Buschleute als Touristenführer aus, lassen sie Souvenirs<br />
fertigen und den Besuchern ihre Kultur vorführen, die Tänze, die<br />
Musik, die Jagd. Vielleicht lässt sich so die Tradition bewahren, vielleicht<br />
wird sie so zu Kitsch. Der Grat ist schmal. Und vielleicht wird<br />
den San ein wenig helfen, was die Wissenschaftler zu berichten hatten,<br />
als sie zurückkamen. Sie kamen nicht allein in den Konferenzsaal<br />
in Windhoek, auch der Premierminister Namibias, Nahas Angula, war<br />
dort und Erzbischof Desmond Tutu aus Südafrika. Das Genom des<br />
1<br />
3<br />
1 !Gubi begrüsst mit einem Stammesritual die Teilnehmer der<br />
Southern African Genome Project Conference, die am 18. Februar<br />
20<strong>10</strong> in Namibia stattfand. 2 Ebenfalls auf der Bühne ist Tochter<br />
Maria. 3 Namibias Premierminister Nahas Angula eröffnet mit<br />
einer Rede den Kongress. 4 Das entzifferte Genom von Erzbischof<br />
Desmond Tutu weist eine direkte San-Abstammung nach.<br />
2<br />
4<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
«Unsere Musik soll eine Atmosphäre<br />
schaffen, in der Frieden sich breit<br />
machen kann»<br />
Die Musik half Hunderttausenden von Südafrikanerinnen und Südafrikanern, den scheinbar endlosen, kräftezehrenden<br />
Kampf gegen die Apartheid durchzustehen. Die Musik von Ladysmith Black Mambazo, die Musik<br />
von Miriam Makeba und Abdullah Ibrahim und auch die Musik des Schweizer Harfenisten Andreas Vollenweider.<br />
Er erzählte uns von der Wirkung seiner Musik in Südafrika. Erzählte eine Geschichte ohne Anfang.<br />
Text: Andreas Schiendorfer<br />
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Andreas Vollenweider unter www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin.<br />
Fotos: Steven Haberland | www.cover-paradies.to<br />
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Vollenweider <strong>Süden</strong> 15<br />
«Das Wesentliche funktioniert in Afrika über die Musik, über den<br />
Tanz, die gelebte Kultur», erklärt Andreas Vollenweider. «Beim<br />
Kampf gegen die Apartheid war das nicht anders. Man suchte und<br />
fand Kraft und Ermutigung in der Musik. Angesichts der schwer<br />
bewaffneten Sicherheitskräfte stampften Tausende der Demonstranten<br />
in den Townships im gemeinsamen Rhythmus, bis der Boden<br />
zitterte. Oder sie schlugen sich auf die Brust, bis ihre übermächtigen<br />
Gegner Angst bekamen.»<br />
Wenn die schwarzen Südafrikaner auf ihren Freiheitsmärschen<br />
von einer Township zur anderen marschierten, sangen sie unentwegt<br />
Lieder. Und eines immer wieder: «Pearls and Tears» von Andreas<br />
Vollenweider. Die Südafrikaner versahen es sogar mit einem Text,<br />
da es sich vorzüglich für einen Vorsänger mit Chor eignete. Damals,<br />
beim Komponieren dieses Songs, habe er an seine in Südafrika<br />
lebende Schwester gedacht, an die bedrohliche Stimmung in ihrer<br />
neuen Heimat, blickt der Schweizer Musiker zurück. Im Fluss des<br />
kreativen Prozesses reflektierte er darüber, wie die schwarze Bevölkerung,<br />
wollte sie sich jemals ohne schlimmstes Blutvergiessen<br />
befreien, die Fähigkeit des Verzeihens in aussergewöhnlichem<br />
Masse entwickeln müsste. Diese Kraft erschien ihm als Voraussetzung<br />
auf dem Weg, das erlittene Leid verarbeiten zu können.<br />
«Ich hatte all diese Gedanken nie jemandem mitgeteilt, und die<br />
Musik ist ja instrumental, also ohne Text», sinniert Vollenweider.<br />
«In meinem Leben habe ich schon sehr oft erlebt, wie gedankliche<br />
Inhalte sich über die Musik durchaus konkret nonverbal kommunizieren<br />
lassen. Doch als ausgerechnet dieser Song zur bevorzugten<br />
Demonstrationshymne wurde, durch die sich die Menschen aufgefordert<br />
fühlten, den Weg des sich immer deutlicher abzeichnenden<br />
Wandels gewaltfrei zu gehen, war dies für mich schon eines der bewegendsten<br />
Beispiele für die Kraft von Musik.»<br />
«Pearls and Tears» erschien 1988. Damals begann die Endphase<br />
der Apartheid. Frederik Willem de Klerk wurde bald darauf südafrikanischer<br />
Staatspräsident, Nelson Mandela und die übrigen politischen<br />
Gefangenen durften endlich das Gefängnis verlassen, 1992<br />
sprachen sich 68,7 Prozent der Weissen für die Abschaffung der<br />
Rassentrennung aus …<br />
Durchgang zum gegenseitigen Versprechen<br />
«Das Lied ‹Passage to Promise› mit Ladysmith Black Mambazo entstand<br />
1991, also ebenfalls in dieser Phase», erzählt Andreas Vollenweider.<br />
«Ich schickte die Kassette mit der Melodie nach Südafrika,<br />
damit Joseph Shabalala, der Leiter der Chorgruppe, den Text und<br />
das Stimmenarrangement für die geplanten Aufnahmen vorbereiten<br />
konnte. Auf einen Zettel notierte ich meine Gedanken: Wiederum<br />
geht es ums Verzeihen, um das gegenseitige Versprechen, dem<br />
Frieden in klar sichtbaren Formen bedingungslos zu dienen. – Im<br />
letzten Moment verzichtete ich jedoch darauf, den Zettel beizulegen.<br />
Im Studio wurde der Song nur ein einziges Mal gespielt. Wir waren<br />
alle sehr berührt. Als ich Joseph nach dem genaueren Sinn seiner<br />
Worte in der Zulu-Sprache fragte, sprach er fast wörtlich aus, was<br />
ich auf meinen Zettel geschrieben hatte.»<br />
Nach dem Massaker in der Township Sharpeville im Jahr 1960<br />
waren mit Miriam Makeba (1932 –2008) und Dollar Brand die gewichtigsten<br />
Einzelstimmen des schwarzen Südafrika den Weg ins<br />
europäische Exil gegangen. Dort machten Mama Africa, die ihre<br />
grössten Hits wie «Pata, Pata» in Xhosa sang, sowie der zum Islam<br />
konvertierte Dollar Brand, der sich fortan Abdullah Ibrahim nannte,<br />
auf die Apartheid, aber auch auf die kulturelle Vielfalt Südafrikas<br />
aufmerksam. Abdullah Ibrahims Song «Mannenberg» wurde in den<br />
1970er-Jahren zur inoffiziellen Nationalhymne Südafrikas. Demgegenüber<br />
blieben Ladysmith Black Mambazo – ihr Name bedeutet<br />
«der schwarze Ochse mit der Axt aus der Township Ladysmith» –<br />
stets in Südafrika. Der breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden sie<br />
erst 1986 – durch eine in der Szene nicht unumstrittene Aktion.<br />
Nachdem einige westliche Künstler in südafrikanischen Tourismusstädten<br />
aufgetreten waren, gaben Stars wie Bruce Springsteen und<br />
Bob Dylan den Song «Sun City» («I Ain’t Gonna Play») heraus und<br />
riefen der Weltöffentlichkeit die Apartheid und den Kulturboykott in<br />
Erinnerung.<br />
Trotzdem nahm Paul Simon wenig später in Johannesburg sein<br />
legendäres Album «Graceland» auf. Einige warfen ihm – etwas kurzsichtig<br />
– die Missachtung des Boykotts vor, weil er die Apartheid auf<br />
dem Album nicht direkt kritisierte. Anderseits machte Simon den in<br />
Soweto geprägten Musikstil Mbaqanga weltweit bekannt und bot<br />
schwarzen Künstlern eine Plattform – neben Miriam Makeba auch<br />
dem Senegalesen Youssou N’Dour und vor allem Ladysmith Black<br />
Mambazo.<br />
Eine südafrikanische Geschichte ohne Anfang<br />
«An unserem Konzert in Bloemfontein sangen 40 000 Besucher<br />
unsere Songs voller Inbrunst mit, so als handle es sich um ihre eigenen<br />
Volkslieder. Das ist ein unbeschreibliches, ein unvergessliches<br />
Erlebnis», blickt Andreas Vollenweider zurück. Zurück ins Jahr 2004.<br />
«Wegen des Kulturboykotts war es für uns undenkbar, in Südafrika<br />
aufzutreten. Deshalb ist meine südafrikanische Geschichte eigentlich<br />
eine Geschichte ohne Anfang. Sie beginnt mittendrin, und das<br />
Wissen darum verdanke ich dem puren Zufall.»<br />
Zu Beginn der 1980er-Jahre hatte der Zürcher Journalist Thomas<br />
Küng Südafrika bereist, um eine Reportage über die Townships zu<br />
schreiben. Zu seiner Überraschung hörte er fast in jedem Haushalt<br />
die Musik von Andreas Vollenweider, die von dessen Album «Behind<br />
the Gardens» stammen musste. Niemand wollte ihm glauben, dass<br />
diese Musik von einem Weissen, von einem Schweizer stamme.<br />
Darauf angesprochen, bestätigte Vollenweiders Schwester, dass<br />
die Südafrikaner seine Musik selbstverständlich kennen würden, die<br />
Weissen! Seine Musik sprach also in diesem Krisenherd beide<br />
Seiten an. «Das entscheidende Schlüsselwort dazu lautet ‹Frieden›»,<br />
kommentiert Vollenweider. «Ich betrachte es nicht als persönliches<br />
Verdienst meinerseits, aber ich darf eine Art Botschafter sein,<br />
um mit Musik eine Atmosphäre zu schaffen, in der Frieden sich breit<br />
machen kann.» Und damit wiederum deutet er an, dass seine «südafrikanische»<br />
Musik letztlich gar keine solche ist, sondern nun über<br />
dreissig Jahre lang gezeigt hat, dass sie weltweit eine ähnliche Wirkung<br />
zu erzielen vermag, bei Gemeinschaften, aber auch bei Individuen,<br />
die sich in einer schweren Krisenphase befinden, beispielsweise<br />
auch hinsichtlich ihrer geistigen oder körperlichen Gesundheit.<br />
Aber der <strong>Süden</strong> hat es Andreas Vollenweider durchaus angetan.<br />
Er geniesst die Begegnungen mit der südafrikanischen Bevölkerung<br />
auf den Tourneen, geniesst die Auftritte mit seinem Freund<br />
Abdullah Ibrahim, geniesst die buchstäblich farbigen Konzerte mit<br />
dem Multiinstrumentalisten Pops Mohammed. Andreas Vollenweider:<br />
«Bei einem Workshop mit Studenten in Soweto spielte Pops Mohammed<br />
mit seinem ‹mouth bow›, einem klingenden Pfeilbogen. Und er<br />
erzählte uns die Geschichte der San, die durch die Musik mit dem<br />
‹mouth bow› die Bienen ablenken und beruhigen, damit sie von ihrem<br />
Honig holen können. Gerade so viel, wie sie benötigen.» <<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
Er bringt einen vorzeitigen Frühling, entfacht<br />
Brände und tosende Stürme und wird als<br />
Sündenbock für wetterbedingte Beschwerden<br />
verantwortlich gemacht. In Mitteleuropa<br />
nimmt der Südwind eine derart besondere<br />
Stellung ein, dass er sogar einen eigenen<br />
Namen erhalten hat:<br />
Der Föhn<br />
Text: Andreas Walker<br />
1<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong><br />
Foto: Andreas Walker
18 <strong>Süden</strong> Südwind<br />
Es gibt wohl kaum eine meteorologische Erscheinung, die so bekannt,<br />
geschätzt oder gefürchtet ist wie der Föhn. Jener seltsame warme<br />
Wind Mitteleuropas, der scheinbar aus dem Nichts auftaucht und im<br />
Winterhalbjahr innert Kürze die Temperaturen in die Höhe schnellen<br />
lässt. Die Wärme und die trockene Luft mögen angenehm sein, die<br />
starken Stürme, die plötzlich anschwellen, können für den Menschen<br />
zu einer beträchtlichen Gefahr werden. Beim «Jahrhundertföhn» vom<br />
7. bis 9. November 1982 wurden grossräumig sehr hohe Windgeschwindigkeiten<br />
gemessen: in Zürich <strong>10</strong>0 km/h, im Rhonetal 120 km/h, im<br />
Reusstal 160 km/h und auf dem Gotthard (2<strong>10</strong>0 m ü.M.) 185 km/h.<br />
Die Schäden beliefen sich auf 30 Millionen Franken.<br />
Der «Guggiföhn» vom Lauberhorn<br />
Immer wieder macht bei der Lauberhorn-Ski-Weltcup-Abfahrt auch<br />
der «Guggiföhn» von sich reden, wenn er plötzlich mit stürmischer<br />
Wucht hervorbricht und die Pläne der Organisatoren durcheinanderwirbelt.<br />
Der Guggiföhn ist ein lokales Phänomen. Er tritt vor allem bei<br />
starkem Südostwind auf, stürzt vom Jungfraujoch herunter, fegt in<br />
einem schmalen Kanal genau über das Gebiet Wixi-Lauberhorn<br />
hinweg und hebt dann über das Lauterbrunnental ab. Wenn der<br />
Wind in 3000 bis 4000 Metern Höhe aus südöstlichen Richtungen<br />
bläst, ist er jeweils besonders stark. Der Guggiföhn kann sehr stürmisch<br />
wehen und in Extremfällen Windgeschwindigkeiten von über<br />
200 km/h erreichen.<br />
Eine Luftströmung über die Alpen<br />
Als man um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Föhnforschung<br />
begann, kursierten verschiedene Theorien über die Entstehung dieses<br />
warmen Windes. Unter anderem wurde die Meinung vertreten,<br />
dass der Föhn seinen Ursprung in der Sahara habe, ein heisser Wind<br />
sei, der den glühenden Sandwüsten Afrikas entstammte. Schliesslich<br />
erkannte man den Zusammenhang zwischen den starken Niederschlägen<br />
auf der Alpensüdseite und dem warmen Wind auf der<br />
Alpennordseite, und damit wurde eindeutig klar: Der Föhn ist ein<br />
Produkt unserer Alpen.<br />
Überall, wo Luftmassen aus einer bestimmten Richtung strömen<br />
und auf Gebirgszüge treffen, können föhnartige Winde entstehen.<br />
Deshalb kommen föhnähnliche Winde auf der ganzen Welt unter<br />
verschiedenen Namen vor. Die grossräumigste Föhnerscheinung der<br />
Welt dürfte der Chinook auf der Ostseite der Rocky Mountains sein.<br />
In sehr kalten Wintern kann er in den Ebenen östlich der Rocky<br />
Wolkenbildung<br />
S<br />
Wolkenauflösung<br />
N<br />
3600 m<br />
3<strong>10</strong>0 m<br />
1300 m<br />
trockener Fallwind<br />
23 ºC<br />
18%<br />
relative Feuchte<br />
600 m<br />
<strong>10</strong>0 m<br />
20 ºC<br />
52%<br />
relative Feuchte<br />
Po-Ebene, Italien Alpen Alpenvorland<br />
Wenn sich die Schweiz auf der Vorderseite eines starken Tiefdruckwirbels<br />
befindet, entsteht über den Alpen eine starke Südströmung.<br />
Die Luftmassen, die von <strong>Süden</strong> nach Norden fliessen, müssen die<br />
Alpen überqueren. Bei diesem Aufstieg kühlt sich die Luft zuerst<br />
im Durchschnitt um etwa ein Grad pro <strong>10</strong>0 Meter Höhendifferenz ab.<br />
Mit zunehmender Abkühlung kann die Luft jedoch immer weniger<br />
Wasser aufnehmen. Deshalb beginnt das überschüssige Wasser in<br />
Form von Wolkentröpfchen zu konden sieren. Bei der Abkühlung der<br />
Luft wird jedoch nicht nur Wasser freigesetzt, sondern auch<br />
gespeicherte Sonnenenergie. Die Energie, die nötig war, um dieses<br />
Wasser zu verdunsten, wird wieder als Kondensationswärme an die<br />
Luft abgegeben. Deshalb kühlen sich die aufsteigenden Luftmassen<br />
vom Moment der Kondensation an nur noch ein halbes Grad pro<br />
<strong>10</strong>0 Meter ab (und nicht wie bisher ein Grad). Sobald die Luft den<br />
Gebirgskamm überströmt hat, beginnt sie abzusinken. Dabei<br />
erwärmt sie sich wieder um ein Grad pro <strong>10</strong>0 Meter und könnte jetzt<br />
viel mehr Wasser aufnehmen, das aber als Regen auf der Südseite<br />
schon gefallen ist. Deshalb lösen sich die Wolken auf der anderen<br />
Seite des Gebirges auf und die Luft gelangt als warmer trockener Wind<br />
in die Niederungen.<br />
Illustration: www.wetter.com<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Südwind <strong>Süden</strong> 19<br />
Mountains Temperaturschwankungen von 30 bis 40 Grad Celsius<br />
verursachen! So sorgte der Chinook bei den Olympischen Winterspielen<br />
1988 in Calgary (Kanada) über Nacht für einen Temperaturanstieg<br />
von –30 auf +12 Grad Celsius und für Windgeschwindigkeiten<br />
von bis zu 120 km/h, sodass zahlreiche Veranstaltungen abgesagt<br />
werden mussten.<br />
Der Föhn als Feuerteufel<br />
Der Föhn hat schon mehrmals Schweizer Geschichte geschrieben.<br />
So soll Wilhelm Tell während eines Föhnsturms auf dem Urnersee<br />
vom Schiff geflüchtet sein, wo er gefangen war, nachdem er sich<br />
geweigert hatte, den Hut des Landvogts Gessler zu grüssen.<br />
Im Lauf der Zeit hat der Föhn auch etliche Dörfer und Städte in<br />
Schutt und Asche gelegt. In dieser Hinsicht erlangte Glarus eine<br />
traurige Berühmtheit, das mehrmals von solchen Bränden heimgesucht<br />
wurde. Der grösste Brand in jener Gegend wütete in der Nacht<br />
vom <strong>10</strong>. auf den 11. Mai 1861. Ein starker Föhnsturm entfachte aus<br />
einer Glut ein Feuer, das sich innert kürzester Zeit auf das ganze<br />
Städtchen Glarus ausbreitete. Stundenlang klangen die Feuerglocken<br />
durch die Dörfer, und der glutrote Widerschein an den Wänden<br />
des Glärnisch verkündete die Brandkatastrophe in weitem Umkreis.<br />
600 Häuser wurden bei diesem verheerenden Brand innert weniger<br />
Stunden in Schutt und Asche gelegt, und 3000 Menschen verloren<br />
ihr gesamtes Hab und Gut. Das Feuer forderte fünf Todesopfer. Auch<br />
heute noch besteht bei starkem Föhn Brandgefahr. Der Föhnsturm<br />
vom 6. und 7. Februar 2001 sorgte für einen Grossbrand in Balzers<br />
(Fürstentum Liechtenstein), wo innert Stunden 16 Häuser zerstört<br />
wurden. Zu dieser Zeit blies der Föhn im Rheintal mit etwa <strong>10</strong>0 km/h<br />
und wehte die Glut über 300 Meter weit fort. Dadurch wurden laufend<br />
Sträucher und Hecken entzündet und immer wieder neue Brandherde<br />
geschaffen.<br />
der Niederungen äussert sich dieses Phänomen in kleinen, aber<br />
häufigen Luftdruckschwankungen, die vor allem den wetterfühligen<br />
Menschen zu schaffen machen.<br />
Messungen haben gezeigt, dass Druckschwankungen mit einer<br />
Dauer von 4 bis 20 Minuten am meisten Beschwerden auslösen.<br />
Man nimmt an, dass diese Frequenz offenbar gewisse Regelkreise<br />
im Körper stört, die vermutlich in ähnlichen zeitlichen Abständen<br />
«schwingen». Greift der Föhn schliesslich voll durch bis zum Boden,<br />
lassen häufig auch die Beschwerden nach.<br />
Zu den wichtigsten Symptomen, die der Föhn bei vielen Menschen<br />
auslöst, gehören Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Übelkeit, Unlustempfinden,<br />
Angstgefühle, Depressionen, unruhiger Schlaf, Arbeitsunlust,<br />
verminderte Leistungsfähigkeit, Gereiztheit, innere Unruhe,<br />
Verschlimmerung von bereits bestehenden Krankheitszeichen, wie<br />
zum Beispiel rheumatische Schmerzen und Narbenschmerzen, sowie<br />
Herz-Kreislauf-Störungen. Umfragen haben gezeigt, dass Frauen den<br />
Föhn noch besser zu spüren glauben als Männer. Ob warmer Südwind,<br />
wilder Sturm oder Überbringer von wetterfühligen Beschwerden<br />
– der Föhn bleibt weiterhin ein geheimnisvolles Phänomen. Auch<br />
wenn er bis heute ziemlich gut erforscht worden ist, hat er nichts von<br />
seiner Faszination eingebüsst. <<br />
Am Boden Bise, in der Höhe Föhn<br />
Je genauer man den Föhn erfassen will, desto komplexer erscheint<br />
dieses Phänomen. Einerseits kann es im oberen Teil eines Tals föhnig<br />
sein, während der Föhn noch nicht bis zu den unteren Talregionen<br />
vorgedrungen ist. Zusätzlich kann auf dem Talgrund ein Kaltluftsee<br />
vorhanden sein, worüber der warme Föhn gleitet. In einer solchen<br />
Situation kann auf dem Talgrund ein leichter und kalter Nordwind<br />
blasen, während in höheren Regionen am Hang ein stürmischer und<br />
warmer Südwind weht. Die warme Föhnströmung gleitet dabei auf<br />
die schwere Kaltluft auf. Diese Kaltluft hat ein höheres spezifisches<br />
Gewicht als der warme Föhn und bleibt deshalb regelrecht auf dem<br />
Talgrund hocken. Mit fortschreitender Zeit räumt der Föhn diese<br />
Kaltluft aus und greift an einigen Orten schliesslich bis zum Boden<br />
durch. Die unterschiedlichen Luftmassen in verschiedenen Höhen<br />
beeinträchtigen das menschliche Wohlbefinden und belasten in Form<br />
von Wetterfühligkeit.<br />
Rasche Luftdruckschwankungen sorgen für Kopfweh<br />
So ist der Föhn eindeutiger Sündenbock, wenn es um wetterbedingte<br />
Beschwerden geht. Allerdings werden gerade in den typischen Föhntälern<br />
weniger Beschwerden der Wetterfühligkeit registriert als in<br />
Gebieten, wo der Föhn kaum richtig bis zum Boden vordringt. Ursache<br />
dafür ist der Kaltluftsee auf dem Talgrund, worüber der warme<br />
Föhn gleitet. Dieser Kältesee ist im Winter häufig als Nebelmeer<br />
sichtbar, und der Föhn erzeugt in diesem Nebelmeer Wellen, ähnlich<br />
wie Wind, der in einem Wassersee Wellen erzeugt. Für die Bewohner<br />
Fernsicht und Föhn<br />
Wenn die Berge zum Greifen nah erscheinen und<br />
eine kristallklare Fernsicht herrscht, dann führt fast<br />
immer der Föhn Regie. Deshalb werden Föhn und<br />
klare Sicht meistens selbstverständlich miteinander<br />
verknüpft. Untersuchungen, die den Zusammenhang<br />
zwischen Föhnlagen und guter Fernsicht erforschten,<br />
zeigten jedoch Folgendes: Der Föhn ist nicht – wie<br />
viele Leute glauben – zwangsläufig mit einer legendären<br />
Fernsicht verbunden. Solange es im <strong>Süden</strong> nicht<br />
regnet, besteht durchaus die Möglichkeit, dass im<br />
Norden die Sicht immer noch trüb bleibt. Die Niederschläge<br />
auf der Alpensüdseite sorgen nämlich dafür,<br />
dass der in der Luft enthaltene Staub mit dem Regen<br />
ausgewaschen wird. Regnet es jedoch nicht auf der<br />
Luvseite des Gebirges, wird auch der Staub über<br />
die Alpen transportiert und die Föhnluft ist somit viel<br />
trüber.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
Neue Heimat<br />
1857 zogen 300 wagemutige Auswanderer aus dem Tirol und Süddeutschland aus, um im fernen Südamerika<br />
«die einzige österreichisch-deutsche Kolonie der Welt» zu gründen, wie auf dem Torbogen am Dorfeingang von<br />
Pozuzo zu lesen ist. Eine Reportage aus einem «Tiroler » Dorf hoch in den Anden Perus. ><br />
Text: Lukas Lessing<br />
Fotos: Luca Zanetti<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Neue Heimat <strong>Süden</strong> 21<br />
Der tief verwurzelte Glaube der Tiroler Siedler<br />
verband sich gut mit dem Katholizismus der missionierten<br />
indigenen Andenbewohner.<br />
Wie überall im Land paradieren<br />
Schüler am peruanischen Unabhängigkeitstag,<br />
dem 28. Juli, über die<br />
Strassen. Nachfahren der Österreicher<br />
sowie aus den Anden zugewanderte<br />
«Altoandinos» lernen gemeinsam<br />
Spanisch, Deutsch und Volkstanz.<br />
Das Dorf Pozuzo ist mit seinen rund 1500 Einwohnern das Zentrum<br />
der 1400 Quadratkilometer grossen Provinz.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
22 <strong>Süden</strong> Neue Heimat<br />
Zu den Klängen der Ziehharmonika und des Stehgeigers drehen<br />
sich die Paare artig im Kreis, die Burschen in farbigen Westen, die<br />
Mädchen mit bunten Schleifen in den Zöpfen. Im Vorbeitanzen wechseln<br />
sie in rhythmischer Folge hüpfend ihre Partner, bis jede Krachlederne<br />
mit jedem Dirndl getanzt hat. Am Buffet gleich neben dem<br />
Tanzboden gibt es Gulasch und Strudel, dazu Süssmost und Bier,<br />
wie das so üblich ist bei einem alpinen Volksfest. Darum weht hier<br />
auch die österreichische Flagge, doch was ist das? – Einmal flattert<br />
das rot-weiss-rote Tuch ordnungsgemäss waagrecht im Wind, daneben<br />
jedoch in senkrechter Ausrichtung: Ein bedauernswerter<br />
I rrtum der Veranstalter? Seltsam auch, dass die meisten der Tänzerinnen<br />
und Tänzer satte schwarze Haare und einen so dunklen Teint<br />
haben, als hätten sie sich ihr Leben lang unter der prallen Sonne<br />
zu solchen Ländlern im Kreis gedreht. Auch ist die Vegetation<br />
gleich hinter der Strasse, auf der das Volksfest stattfindet, strotzend<br />
prächtig, und in den angrenzenden Gärten biegen sich die<br />
Hecken unter der Last der Orchideen und der blühenden Bananenbäume.<br />
Soll das das echte Tirol sein?<br />
Mitnichten – es ist das noch viel echtere Tirol: Hier verstellen<br />
keine Hotelkästen und Skistationen den Blick auf die Landschaft,<br />
hier zerschneiden keine Autobahnen und Hochspannungsmasten<br />
das Tal. Hier wohnen die Menschen nicht in Kataloghäusern von<br />
Fertigbaufirmen, sondern in selbstgebauten Holzhäusern mit bunten<br />
Veranden. Hier ist nicht der Handymast, sondern der Kirchturm<br />
das höchste Bauwerk des Dorfes. Hier sind die hölzernen Stuben<br />
karg und die Herrgottswinkel reich mit Blumen geschmückt, hier<br />
arbeiten die Männer nicht im Fremdenverkehr, sondern in der Landwirtschaft,<br />
während sich die Frauen um die Hühner, den Gemüsegarten<br />
und den meist umfangreichen Haushalt kümmern, der in der<br />
Regel von vier bis acht Kindern bevölkert wird. In diesem Dorf hoch<br />
in den Anden Perus ist das Tirol noch das, was es in Europa vor 150<br />
Jahren war. Doch eigentlich verliessen die Gründer das alte Tirol<br />
genau aus dem Grund, weil sie nicht mehr so leben wollten: mit zu<br />
wenig Geld, zu wenig Land, zu viel Nachwuchs und ohne Perspektive<br />
für die Zukunft.<br />
Eineinhalb Jahrhunderte ist es nun her, dass Tiroler Aussiedler<br />
unter der Führung eines deutschen Forschers und eines Tiroler Priesters<br />
ihr heimatliches Oberinntal verliessen, sich in Antwerpen auf<br />
den Frachtsegler «Norton» einschifften und den Ozean überquerten,<br />
um im fernen Peru festzustellen, dass das ihnen zugesagte Land auf<br />
der anderen Seite der Anden lag, jenseits eines Gebirgszuges so<br />
hoch, wie sie ihn noch nie gesehen hatten in ihrer Alpenheimat.<br />
Doch auch als die unerschrockenen 180 Tiroler und 120 Süddeutsche,<br />
die sich ihnen zugesellt hatten, erfuhren, dass der Weg<br />
in ihr Tal entgegen allen Versprechungen noch nicht gebaut war,<br />
gaben sie nicht auf, sondern schlugen sich ihren eigenen Saumpfad<br />
durch das schier undurchdringliche Dickicht. Die wagemutigen<br />
Auswanderer benötigten auf diese Weise zwei Jahre, um zu ihrem<br />
Siedlungsgebiet am Río Huancabamba zu gelangen. Bis sie mit dem<br />
Roden des Urwalds beginnen konnten, um Platz für ihre Häuser,<br />
Weiden und Felder zu schaffen, war bereits die Hälfte von ihnen<br />
unter unvorstellbar harten Bedingungen gestorben. Zehn Jahre später<br />
verstärkten noch mal 300 Tiroler und 30 Bayern die Pioniere am<br />
Osthang der Anden, sodass der Torbogen am Dorfeingang seine<br />
Aufschrift zu Recht tragen konnte: «Willkommen in Pozuzo, der einzigen<br />
österreichisch-deutschen Kolonie der Welt.» Heute leben im<br />
1400 Quadratkilometer grossen Distrikt Pozuzo 8000 Menschen,<br />
von denen nur mehr 1200 bis 2000 österreichische oder deutsche<br />
Wurzeln haben – so genau weiss das niemand. Die im kleinsten Rahmen<br />
florierenden Gemeinden besitzen eine starke Anziehungskraft<br />
für «Altoandinos», wie die indigenen Andenbewohner genannt<br />
werden, in deren Geburtsdörfern die wirtschaftlichen Aussichten<br />
noch bescheidener sind als in Pozuzo. Der Austausch ist jedoch beschränkt<br />
– so bleibt die 90 Kilometer lange Schotterpiste in die<br />
nächste Kleinstadt Oxapampa während der Regenzeit oft für viele<br />
Wochen unpassierbar. Einige der Handvoll Dörfer und viele der<br />
verstreuten Einzelgehöfte sind immer noch nur zu Fuss erreichbar.<br />
Die Flugpiste wird lediglich einmal pro Woche mit einer viersitzigen<br />
Propellermaschine angeflogen, in der auch schon mal eine Kuh mitfliegt,<br />
falls sich nicht genug menschliche Passagiere finden. Die<br />
Menschen finanzieren ihr bescheidenes Leben meist mit der Landwirtschaft,<br />
sie bauen Mais, Bananen, Orangen, Kaffee und Tabak<br />
an und züchten Zebus, dem tropischen Klima angepasste Rinder.<br />
Viele Junge verlassen das Tal zur Ausbildung und arbeiten später<br />
in Lima oder irgendwo draussen in der Welt. Zurück bleibt die Hoffnung<br />
auf eine bessere Zukunft, die vor allem im lebendig gehaltenen<br />
Erbe der Tiroler Vorväter besteht: Inzwischen gilt Pozuzo in den<br />
finanzkräftigeren Kreisen Limas als Geheimtipp für einen kulturell<br />
interessanten Abenteuerurlaub, in denen die in Kleinbussen herangekarrten<br />
Touristen nicht nur seltsame Tänze und Riten sowie europäische<br />
Effizienz erleben, sondern auch echte Schnitzel, Knödel und<br />
Strudel verkosten können. Dass die meist nicht mit Äpfeln, sondern<br />
mit Bananen oder Mangos gefüllt sind, fällt keinem der Besucher<br />
des in seinen allerersten Anfängen steckenden Ferienparadieses<br />
unangenehm auf. Erst wenn diese Entwicklung so weitergeht, wird<br />
Pozuzo in ferner Zukunft vielleicht eine ähnliche Funktion bekommen<br />
wie das Tiroler Heimatland: eine wunderschöne Bergwelt, in der die<br />
Einheimischen zahlende Gäste bei ihren ehemals volkstümlichen<br />
Verrichtungen zusehen lassen – auch wenn über deren Köpfen<br />
die rot-weiss-roten Streifen der Fahnen nicht nur waagrecht, sondern<br />
auch senkrecht verlaufen, worin glücklicherweise der einzige<br />
Unterschied zwischen der österreichischen und der peruanischen<br />
Flagge besteht. <<br />
Trujillo<br />
Pucallpa<br />
Lima<br />
Iquitos<br />
Pozuzo<br />
Peru<br />
Kolumbien<br />
Cusco<br />
Brasilien<br />
Arequipa<br />
Bolivien<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Die «Miss Turismo». Der Tourismus<br />
ist die grosse Zukunftshoffnung<br />
für die entlegene Andenregion<br />
Pozuzo.<br />
Der drei Monate alte Neubürger<br />
Pozuzos, Jonathan Witting Schuler, wird<br />
von verwandten Mädchen umsorgt.<br />
Die Alten besuchen die Sonntags messe in der Kirche Sagrado Corazón de Jesús.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
In der Abgeschiedenheit der peruanischen Anden haben sich Brauchtum und Tradition viel stärker erhalten<br />
als in den mit Touristenhochburgen und Skiliften vollgestellten Tälern der Tiroler Alpen.<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Neue Heimat <strong>Süden</strong> 25<br />
Ihren Gründungstag, den 25. Juli, feiern die Einwohner<br />
Pozuzos traditionell mit einem Rodeo.<br />
Viele der einzeln stehenden Gehöfte<br />
der Region sind auch heute nur<br />
zu Fuss oder mit dem Pferd erreichbar.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
Frische Liebe: Pepe Gstir mit einer Touristin aus Lima.<br />
Daneben sein Freund Luis Koch Schaus.<br />
Der 39-jährige Avelino Witting Schuler hat drei Kinder. Sein Jüngster<br />
führt traditionell den zweiten Vornamen des Vaters, Witting.<br />
Der 21-jährige Pepe Gstir<br />
ist stolz auf seine neu<br />
gegründete Motorradwerkstatt.<br />
Comboni-Missionar Vater Hans Werner mit<br />
einem Porträt von Pozuzos erstem Pfarrer,<br />
dem Tiroler Priester Josef Egg.<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Neue Heimat <strong>Süden</strong> 27<br />
Am Unabhängigkeitstag<br />
spielt auch in Pozuzo die Blasmusik.<br />
Ihr Repertoire umfasst<br />
nicht nur die peruanische Hymne,<br />
sondern auch Tiroler Ländler<br />
und Polkas.<br />
Bernardo Müller Hoffmann mit seiner Nichte Jesli<br />
Eliana González Müller. Der 83-jährige bewirtschaftet<br />
sein Land zusammen mit seiner 59-jährigen Frau<br />
Santa Rosa Mercedes Garcías.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
28 <strong>Süden</strong> Nord-Süd-Gefälle<br />
«Die Lehrer haben Probleme»<br />
Bemerkung eines hochrangigen chinesischen Politikers, zitiert aus «Capitalism at Bay», in The Economist, 17. Oktober 2008<br />
Der britische Wirtschaftsprofessor Simon J. Evenett über den Kampf um Ideen,<br />
die globale Wirtschaftskrise und die Spaltung zwischen Nord und Süd.<br />
Der Verlust von Singapur an die Japaner im Jahr 1942 wird von vielen<br />
Experten als Beginn des unvermeidlichen Niedergangs des britischen<br />
Empire im Fernen Osten angesehen. Auch der Sieg im Zweiten<br />
Weltkrieg konnte nicht verhindern, dass sich dieser Niedergang<br />
unaufhaltsam fortsetzte; so war die Bedeutung Grossbritanniens<br />
in der Weltpolitik nur ein Vierteljahrhundert später drastisch zurückgegangen.<br />
Die Dominanz des «Nordens» hatte einen ersten Riss<br />
bekommen. Wie schon Ende der 1990er-Jahre die Asienkrise hat<br />
auch die aktuelle schwere Rezession Zweifel an der Glaubwürdigkeit<br />
der gängigen Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik und ihrer Befürworter<br />
aufkommen lassen. Weil diese Empfehlungen aus den westlichen<br />
Industrienationen und den von ihnen dominierten Gremien wie<br />
dem Internationalen Währungsfonds (IWF) kommen, hat die jüngste<br />
Krise eine weitere Folge: Auch die führende Rolle des «Nordens»<br />
in der globalen Wirtschaftspolitik wird zunehmend in Frage gestellt.<br />
Zwar mögen sich Beobachter und Entscheidungsträger aus dem<br />
Norden nicht in jedem Punkt einig sein. Aber es gibt einen Kanon<br />
etablierten Wissens, der die Grundlage der internationalen Wirtschaftspolitik<br />
bildet. Ein Teil dieses Kanons hat schon eine längere Geschichte,<br />
ein anderer ist erst durch die Reaktionen auf die Asienkrise<br />
entstanden. Man könnte die fünf folgenden Grundsätze dazuzählen:<br />
1. Defizitländer sollten die Last der makroökonomischen<br />
Anpassung selbst tragen.<br />
2. Geldpolitik ist mächtig; Fiskalpolitik ist bestenfalls<br />
ineffizient und schlimmstenfalls Verschwendung.<br />
3. Die Regime fester Wechselkurse sind auf lange Sicht<br />
sehr schwierig aufrechtzuerhalten.<br />
4. Industriepolitik funktioniert nicht.<br />
5. Ein offenes Handels- und Finanzsystem steigert<br />
den Wohlstand.<br />
Die Regierungen des Nordens haben diese Ideen weit verbreitet – in<br />
internationalen Foren, in Hilfsprogrammen sowie in regionalen und<br />
multilateralen Entwicklungshilfeorganisationen (die ihre Finanzierung<br />
von nördlichen Regierungen beziehen). Auch in der Debatte über<br />
Fragen der Wirtschaftspolitik sind diese Ideen dominant, und ihre<br />
Wirkung wird häufig noch verstärkt durch Forschungsarbeiten von<br />
Mainstream-Ökonomen, die hauptsächlich an westlichen Universitäten<br />
tätig sind. Wirtschaftliche Vorherrschaft hat also auch eine<br />
intellektuelle Dominanz mit sich gebracht. Die aktuelle Finanz- und<br />
Wirtschaftskrise, die im Jahr 2007 ihren Anfang nahm, hat im Vergleich<br />
zu vorherigen Krisen deutlich mehr Wohlstand und Wirtschaftsleistung<br />
gekostet. Als die Lage wirklich bedrohlich wurde, hat sich<br />
die politische Führung nicht mehr an ihre eigene Lehre gehalten,<br />
nach der alle Macht der Geldpolitik gebührt und Fiskalpolitik nur eine<br />
Ablenkung darstellt. Das jedenfalls legt die Tatsache nahe, dass viele<br />
Regierungen Zuflucht in Konjunkturprogrammen suchten, nachdem<br />
die Nominalzinsen schon fast auf null Prozent gesunken waren und<br />
damit wenig Raum für weitere geldpolitische Massnahmen liessen.<br />
Ausserdem sind es ausgerechnet bestimmte Länder des Nordens,<br />
die seit Kurzem die Ansicht vertreten, dass Volkswirtschaften mit<br />
anhaltend hohen Leistungsbilanzüberschüssen die heimische Nachfrage<br />
fördern und ihr Wachstum weniger stark durch Exporte erzielen<br />
sollten. Das entspricht einer kompletten Kehrtwende gegenüber<br />
der Position, die von den USA seit dem Abkommen von Bretton<br />
Woods im Jahr 1944 vertreten wurde: dass defizitäre Länder die<br />
Lasten der Anpassung selbst tragen müssen. Was auch immer die<br />
Gründe für diesen Schwenk gewesen sein mögen, vielen Beobachtern<br />
kommt er prinzipienlos und opportunistisch vor.<br />
Subventionen und Protektionismus zu vermeiden, war in den<br />
Nachkriegsjahren lange ebenfalls ein Grundsatz der Wirtschaftspolitik,<br />
vor allem in der so genannten Thatcher-Reagan-Ära. Im aktuellen<br />
Abschwung aber waren Subventionen, die gegen kommerzielle<br />
Interessen anderer Länder verstossen, die häufigste Form von<br />
Protektionismus. Schlimmer noch: Trotz gegenteiliger öffentlicher<br />
Bekundungen haben die G-20-Regierungen durchschnittlich jeden<br />
zweiten Tag eine protektionistische Massnahme eingeführt, wie der<br />
unabhängige Beobachtungsdienst für Handelspolitik Global Trade<br />
Alert festgestellt hat.<br />
Obendrein fühlen sich jetzt diejenigen Regierungen in Schwellenländern<br />
bestätigt, die bei der Liberalisierung des Finanzsektors und<br />
der Einführung voller Währungskonvertibilität zurückhaltend waren.<br />
Zwar wiesen vorsichtige Liberalisierungsbefürworter aus dem Norden<br />
darauf hin, dass eine finanzielle Öffnung von effektiven regulatorischen<br />
Reformen begleitet werden muss, doch ihre Warnungen gingen<br />
in der zur Vereinfachung neigenden öffentlichen Debatte unter.<br />
Ausserdem sahen wichtige Akteure aus der Privatwirtschaft wenig<br />
Wert in zusätzlicher Regulierung, und in Abwesenheiten eines aktuellen<br />
Finanzschocks fiel es ihnen leichter, dagegen zu argumentieren.<br />
Viele Regierungen des <strong>Süden</strong>s sahen das Verlangen nördlicher Regierungen<br />
nach besserem Zugang zu ihren Finanzmärkten als besonders<br />
egoistisch und unklug an. Was lassen diese Entwicklungen<br />
erwarten? Wird der Einfluss der wichtigen multilateralen Institutionen<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Nord-Süd-Gefälle <strong>Süden</strong> 29<br />
wie des IWF und der Weltbank zurückgehen? Werden neue institutionelle<br />
Strukturen errichtet und wenn ja, welchem Zweck werden<br />
sie dienen? Wird es insgesamt gesehen eine Machtverschiebung<br />
zugunsten des <strong>Süden</strong>s geben?<br />
Bei der Beantwortung dieser Fragen sollte man daran denken,<br />
dass der Einfluss der internationalen Wirtschaftsinstitutionen schon<br />
im Sinken begriffen war, als die globalen Finanzmärkte 2007 ins<br />
Stocken gerieten. Viele Schwellenländer waren bereits während der<br />
Asienkrise so entsetzt über die Ratschläge des IWF, dass sie sich<br />
fest dazu entschlossen, nie wieder auf dessen Hilfe angewiesen zu<br />
sein. Eigenversicherung wurde das neue Mantra, und im Verlauf der<br />
nächsten zehn Jahre sammelten die ostasiatischen Staaten mehr als<br />
zwei Billionen US-Dollar an Reserven in fremden Währungen an.<br />
Tatsächlich war es Mitte des Jahrzehnts schon so weit, dass der<br />
IWF Mitarbeiter entlassen musste, weil so wenige Schwellenländer<br />
Kredite aufnehmen wollten (die laufenden Kosten des Fonds werden<br />
von den Zinsen und Rückzahlungen von Kreditnehmern finanziert).<br />
Ähnlich, wenn auch weniger drastisch, verlief die Entwicklung bei<br />
der Weltbank. Der Umgang des <strong>Süden</strong>s mit multilateralen Wirtschaftsinstitutionen<br />
zu Beginn der aktuellen Krise lässt sich also<br />
weniger mit dem Versuch einer Machtübernahme oder dem Verlangen<br />
nach Dominanz beschreiben als mit einer Loslösung.<br />
Auch die Kooperation in der internationalen Handelspolitik wirft<br />
wichtige Fragen auf. Die erfolglos beendete Doha-Runde zu multilateralen<br />
Handelsfragen zeigt, dass es den wichtigsten Handelsnationen<br />
– zu denen mittlerweile die führenden Schwellenländer mit<br />
Ausnahme von Russland gehören – nicht gelungen ist, die Basis für<br />
eine für alle Seiten vertretbare Vereinbarung zu finden. Ohne Zweifel<br />
üben die USA und die Europäische Union immer noch einen bedeutenden<br />
Einfluss in der Welthandelsorganisation (WTO) aus. Aber<br />
sie sind heute anders als in früheren Verhandlungen nicht mehr in<br />
der Lage, anderen ihren Willen aufzuzwingen. Jeder der grossen<br />
Mitspieler hat jetzt ein Vetorecht und ist durchaus bereit, davon Gebrauch<br />
zu machen.<br />
Allgemeiner gesehen steht das Scheitern der Doha-Runde für<br />
eine mangelnde Bereitschaft der Länder, verbindliche Vereinbarungen<br />
über zwischenstaatliche Kooperation zu treffen. Viele Regierungen<br />
des <strong>Süden</strong>s bewachen argwöhnisch ihre Souveränität und sind<br />
verärgert über Einschränkungen, die sich durch den Beitritt zur WTO<br />
(wie bei China) oder ihre Teilnahme an früheren multilateralen Handelsrunden<br />
(wie bei Südafrika und Indien) ergeben haben. Weil es<br />
keinerlei Mechanismus für einen Abschluss der multilateralen Verhandlungen<br />
von Doha gibt, ziehen sie sich weiter hin; so entsteht<br />
eine Art Niemandsland, in dem kaum jemand wirklich daran glaubt,<br />
dass es kurz- bis mittelfristig irgendwelche Erfolge geben wird.<br />
Obendrein werden Versuche, auch über Themen zu sprechen,<br />
die schwere Folgen für jedes Handelssystem haben könnten –<br />
so wie der Klimawandel und damit zusammenhängende Steuern – als<br />
Ablenkung zurückgewiesen.<br />
Die beschriebene, unübersichtliche Situation bei IWF, Weltbank<br />
und WTO lässt erkennen, dass das Ende der Dominanz des Nordens<br />
nicht zu einer Herrschaft des <strong>Süden</strong>s geführt hat. Stattdessen<br />
scheint es eine Pattsituation zu geben, in der viele Länder weitgehende<br />
und kompromisslose Bedingungen für die zukünftige wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit aufstellen. Übrig bleibt ein loses Gebilde,<br />
in dem Regierungschefs den Anschein von Kooperation aufrechterhalten<br />
können. Die wachsende Bedeutung der G-20 sollte<br />
deshalb eher als therapeutische Notwendigkeit denn als substanzielle<br />
Entwicklung verstanden werden. Es war nämlich just der Mangel an<br />
Substanz, der es dem Norden leichter machte, führende Vertreter des<br />
<strong>Süden</strong>s bereitwillig an globalen Wirtschaftsberatungen zu beteiligen.<br />
Um den Status quo zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, was<br />
Regierungen in einer Finanzkrise zu tun haben: Sie müssen – einzeln<br />
und gemeinsam – Massnahmen ergreifen, die schnell den flüchtigsten<br />
«Rohstoff» überhaupt sichern: das Vertrauen der Investoren. Sorgen<br />
vor einem Rückfall in die «Beggar thy Neighbour»-Politik der<br />
1930er-Jahre, mit der einige Regierungen versuchten, die Last von<br />
Job- und Produktionsverlusten ihren Handelspartnern aufzubürden,<br />
machten ein Signal der führenden Regierungen nötig, dass sie es<br />
dieses Mal anders versuchen würden. Ein solches Signal kann aber<br />
normalerweise nicht verbindlich sein, weil nicht genug Zeit ist, um<br />
vorher die nötigen internationalen Verpflichtungen und Mechanismen<br />
auszuhandeln.<br />
Als Ergebnis wurden zum Abschluss von G-20-Gipfeltreffen grosse,<br />
aber unverbindliche Erklärungen verabschiedet, die den Eindruck von<br />
Einigkeit, Kooperation und Fortschritt vermittelten. Ein genauerer<br />
Blick auf die Erklärungen aber zeigt ihre geringe Reichweite und<br />
Unklarheit – und das Versprechen weiterer Überlegungen in technokratischen<br />
Gremien, die üblicherweise von Regierungsexperten aus<br />
dem Norden dominiert werden. Von einem Sieg für den <strong>Süden</strong> kann<br />
deshalb keine Rede sein.<br />
Wie also ist der Stand der Spaltung zwischen Nord und Süd hinsichtlich<br />
der richtigen Wirtschaftspolitik? Tatsächlich mögen die Lehrer<br />
einige Probleme haben, die sie noch gar nicht richtig angegangen<br />
sind. Trotzdem müssen die Schüler (um in der chinesischen Analogie<br />
zu bleiben) erst noch auf Augenhöhe mit ihnen kommen. Die wichtigsten<br />
Ideen und Institutionen der Lehrer abzulehnen, hat dem <strong>Süden</strong><br />
keine Dominanz verschafft. Vor diesem Hintergrund sollte man<br />
vielleicht bedenken, dass die aktuellen Regelwerke für die Weltwirtschaft<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg im Prinzip von nur zwei Nationen<br />
(oder sogar nur einer, wenn man Grossbritanniens Rolle ausser Acht<br />
lässt) ausgearbeitet wurden. Ob sich neue Regeln finden lassen,<br />
wenn so viele Regierungen aus Nord und Süd bei wichtigen Verhandlungen<br />
ein Vetorecht haben, wird sich erst noch zeigen müssen. <<br />
Simon J. Evenett ist Professor für Aussenwirtschaft<br />
und Entwicklung an der Universität<br />
St. Gallen und Co-Direktor des International<br />
Trade and Regional Economics Programme<br />
am Centre for Economic Policy Research<br />
(CEPR) in London. Er studierte an der Universität<br />
Cambridge und promovierte 1995 an der<br />
Yale University. Danach arbeitete er unter<br />
anderem für die Weltbank, war Senior Fellow<br />
im volkswirtschaftlichen Programm der<br />
Brookings Institution in Washington, DC, und<br />
lehrte als Professor an der Oxford University.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
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Exklusive Rotunda Tours/Kuoni Reise<br />
Gut zu wissen!<br />
– Rundreise mit Rotunda Tours/Kuoni<br />
Kundschaft und Betreuung ab/bis Zürich<br />
– Min. 4 Personen / Max. 12 Personen<br />
Unsere Leistungen<br />
– Rotunda Tours Betreuung ab / bis Zürich<br />
(ab 6 Personen)<br />
– Deutsch sprechende Reise begleitung ab<br />
Johannesburg bis Kapstadt<br />
– Flüge ab / bis Zürich gemäss Programm<br />
– Flughafentaxen<br />
– Reise im klimatisierten Fahrzeug<br />
– Unterkunft gemäss Programm<br />
– Mahlzeiten gemäss Programm<br />
– Ausflüge und Eintrittsgebühren gemäss<br />
Programm<br />
Nicht inbegriffen<br />
– Persönliche Ausgaben, Getränke und<br />
Trinkgelder<br />
– Gebühren für optionale Ausflüge und<br />
Aktivitäten<br />
– Reiseversicherung<br />
Reisedatum 20<strong>10</strong><br />
(jeweils freitags)<br />
September <strong>10</strong><br />
Oktober 1<br />
November 5<br />
Zürich<br />
Krüger<br />
Nat. Park<br />
Hazyview<br />
Timbavati<br />
Johannesburg<br />
SWAZILAND<br />
Zululand Rhino<br />
Reserve<br />
LESOTHO<br />
Durban<br />
Weitere Rundreisen 20<strong>10</strong> nach<br />
Botswana und Namibia<br />
1. Tag, Zürich–Johannesburg. Am Abend<br />
Abflug Richtung Johannesburg. (A)<br />
2. Tag, Johannesburg–Hazyview. (± 470 km).<br />
Ankunft in Johannesburg. Die Reise führt Sie in<br />
die Provinz Mpumalanga. Übernachtung Umbhaba<br />
Lodge o. ä. (FA).<br />
Highlights: Willkommen in Afrika<br />
3. Tag, Hazyview–Timbavati. (± 295 km). Am<br />
Morgen erkunden Sie die landschaftlich reizvolle<br />
Panoramaroute. Die heutige Unterkunft befindet<br />
sich im privaten Naturreservat Timbavati, westlich<br />
vom berühmten Krügerpark. Freuen Sie sich auf<br />
eine Pirschfahrt am Nachmittag in einem offenen<br />
Safarifahrzeug. Übernachtung Royal Legend<br />
Lodge oder Motswari Lodge o. ä. (FA)<br />
Highlights: Panoramaroute<br />
4. Tag, Timbavati. Am frühen Morgen unternehmen<br />
Sie eine Pirschfahrt im offenen Safarifahrzeug.<br />
Geniessen Sie die schöne Umgebung<br />
Ihrer Lodge, bevor es am Nachmittag erneut auf<br />
eine spannende Safari geht. Übernachtung Royal<br />
Legend Lodge oder Motswari Lodge o. ä. (FMA)<br />
Highlights: Heia Safari !<br />
5. Tag, Timbavati–Swaziland. (± 415 km).<br />
Weiterreise in das kleine Königreich Swaziland.<br />
Übernachtung Royal Swazi Spa o. ä. (F)<br />
Highlights: Im Königreich<br />
6. Tag, Swaziland–Zululand Rhino Reserve.<br />
(± 280 km). Besuch eines lokalen Marktes<br />
und einer Kerzenfabrik, bevor Sie wieder nach<br />
Südafrika einreisen. Am Nachmittag geniessen<br />
Sie noch eine Pirschfahrt (abhängig von der Ankunftszeit).<br />
Übernachtung Bayete Zulu Boutique<br />
Lodge o. ä. (FA)<br />
Highlights: Im Zululand<br />
Auf dieser klassischen Rundreise erleben Sie das facettenreiche Südafrika.<br />
Sie reisen in einer kleinen Reisegruppe mit Rotunda Tours<br />
Betreuung. Ein Höhepunkt Ihrer Reise ist der Aufenthalt im privaten<br />
Wildschutzgebiet Timbavati. Am Ende der Reise erwartet Sie Kapstadt<br />
– die wohl schönste Stadt der Welt.<br />
7. Tag, Zululand Rhino Reserve –<br />
Durban. (± 3<strong>10</strong> km). Am Morgen lernen Sie<br />
die Hauselefanten Rambo und Rachel kennen.<br />
Weiterfahrt nach Durban. Übernachtung Southern<br />
Sun North Beach o. ä. (F)<br />
Highlights: Hauselefanten und Indischer Ozean<br />
8. Tag, Durban–Tsitsikamma. (± 200 km).<br />
Transfer zum Flughafen für Ihren Weiterflug nach<br />
Port Elizabeth. In Port Elizabeth unternehmen Sie<br />
eine Stadtrundfahrt und gewinnen einen Eindruck<br />
vom Leben in den Townships. Weiterreise nach<br />
Tsitsikamma. Übernachtung Protea Hotel Tsitsikamma<br />
o. ä. (F)<br />
Highlights: Afrikanische Begegnung<br />
9. Tag, Tsitsikamma–Knysna. (± 120 km).<br />
Auf dem Weg nach Knysna besuchen Sie eine<br />
Schnaps-Brennerei auf dem Buffalo Hills Game<br />
Reserve. Übernachtung Knysna Log-Inn o. ä. (F)<br />
Highlights: Willkommen an der Gardenroute.<br />
<strong>10</strong>. Tag, Knysna. Der heutige Tag steht Ihnen<br />
zur freien Verfügung. Übernachtung Knysna<br />
Log-Inn o. ä. (F)<br />
Highlights: Auf eigene Faust<br />
11. Tag, Knysna–Montagu. (± 390 km). Weiterfahrt<br />
nach Oudtshoorn und Besuch der Safari<br />
Ostrich Show Farm. Weiterfahrt nach Montagu.<br />
Übernachtung Mimosa Lodge o. ä. (FM)<br />
Highlights: Vogel Strauss, Route 62<br />
Tafelberg<br />
12. Tag, Montagu–Kapstadt. (± 230 km). Besuch<br />
einer Weinfarm bei Stellenbosch. Am späten<br />
Nachmittag Ankunft in Kapstadt. Übernachtung<br />
Westin Grand Cape Town o. ä. (F)<br />
Highlights: Im Land des Weins<br />
13. Tag, Kapstadt. (± 250 km). Entlang der<br />
wunderschönen Küstenstrasse geht es an das Kap<br />
der Guten Hoffnung. Übernachtung Westin Grand<br />
Cape Town o. ä. (F)<br />
Highlights: Kap der guten Hoffnung<br />
14. Tag, Kapstadt. Der ganze Tag steht Ihnen<br />
zur freien Verfügung. Am Abend geniessen Sie ein<br />
gemeinsames Abschieds-Abendessen. Übernachtung<br />
Westin Grand Cape Town o. ä. (FA)<br />
Highlights: Weltstadt<br />
15. Tag, Kapstadt. (± 25 km). Der Morgen steht<br />
zur freien Verfügung. Am Nachmittag Transfer<br />
zum Flughafen für Ihren Rückflug in die Schweiz.<br />
16. Tag, Zürich. Am Morgen Ankunft in Zürich.<br />
ZRH RTPWUS<br />
16 Tage ab / bis Zürich<br />
<strong>10</strong>.09.<strong>10</strong>–25.09.<strong>10</strong> 01.<strong>10</strong>.<strong>10</strong>–16.<strong>10</strong>.<strong>10</strong> 05.11.<strong>10</strong>–20.11.<strong>10</strong><br />
R11 Doppel 7590 7990 7890<br />
R12 Einzel 9490 9990 9890<br />
Rotunda Tours • Geroldstrasse 20 • 80<strong>10</strong> Zürich • Tel. 044 386 46 66 • marketing@rotunda.ch
Credit Suisse 31<br />
Credit Suisse<br />
Business / Sponsoring / In der Gesellschaft<br />
SVC – AG für KMU Risikokapital<br />
Risikokapital für KMU und<br />
Jungunternehmer<br />
Zur Unterstützung der Schweizer<br />
Wirtschaft und insbesondere von<br />
KMU und Jungunternehmern stellt<br />
die Credit Suisse in Zusammenarbeit<br />
mit dem Swiss Venture Club<br />
Risikokapital in der Höhe von bis<br />
zu <strong>10</strong>0 Millionen Schweizer Franken<br />
zur Verfügung. Die Gelder sollen<br />
gezielt in Innovations- und Wachstumsprojekte<br />
investiert werden.<br />
Dabei stehen kleine, engagiert geführte<br />
Unternehmen mit Wachstumsperspektiven<br />
sowie innovative<br />
Jungunternehmer im Vordergrund.<br />
Mit dem Engagement sollen nachhaltige<br />
Arbeitsplätze geschaffen<br />
und die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Schweiz insgesamt gestärkt<br />
werden. Geplant ist, dass die neu<br />
gegründete SVC – AG für KMU<br />
Risikokapital bereits ab Ende Mai<br />
20<strong>10</strong> erste Projekt- und Finanzierungsanträge<br />
entgegennehmen<br />
kann. cfv<br />
Nähere Informationen finden Sie unter<br />
www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
sowie www.swiss-venture-club.ch.<br />
Jugend in Arbeitsprozess integrieren<br />
Zusammenarbeit mit sieben<br />
kompetenten Partnern<br />
Im Dezember kündigte die Credit<br />
Suisse an, im Rahmen ihrer Initiative<br />
Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit<br />
die Zahl der Ausbildungsplätze<br />
in der Schweiz in den<br />
nächsten drei Jahren um 25 Prozent<br />
zu erhöhen. Zudem stellt sie<br />
30 Millionen Schweizer Franken zur<br />
Verfügung. Mit diesem Betrag sollen<br />
neue Konzepte und Initiativen<br />
angeregt werden, die in erster Linie<br />
Jugendliche in ihren Fähigkeiten<br />
bestärken und von der Ausbildung<br />
in ein reguläres Ar beitsverhältnis<br />
begleiten. Für diese Aufgabe konnten<br />
nun sieben spezialisierte Partnerorganisationen<br />
im Non-Profit-<br />
Bereich gewonnen werden: Infoklick.ch,<br />
Intégration pour tous,<br />
Labor Transfer SA, Netzwerk für<br />
Attestberufe, Regionalvereine des<br />
Schweizerischen Arbeiterhilfswerks,<br />
die Stiftung Die Chance sowie<br />
die Stiftung Speranza. Das <strong>bull</strong>etin<br />
wird sie in loser Folge vorstellen.<br />
Den Beginn macht die Stiftung Die<br />
Chance (siehe Seiten 37– 39). schi<br />
Das Davos Festival zeigt seit 25 Jahren Young Artists<br />
in Concert. Hintergrundinformationen über das Festival<br />
vom 24. Juli bis 7. August unter www.davosfestival.ch<br />
sowie www.credit-suisse.com/sponsoring. schi<br />
Foto: Davos Festival<br />
Transparenz Drei Publikationen informieren<br />
eingehend über das Geschäftsjahr 2009 der<br />
Credit Suisse. Neben dem umfassenden<br />
Geschäftsbericht für Analysten zeigen die<br />
Berichte «Unternehmensprofil 2009» sowie<br />
«Unternehmerische Verantwortung 2009»<br />
allen Interessierten die verschiedenen<br />
Geschäftsaktivitäten auf, und wie die Credit<br />
Suisse ihre Verantwortung gegenüber der<br />
Gesellschaft und der Umwelt wahrnimmt .<br />
Bestellungen mit dem <strong>bull</strong>etin Talon. mar/vz<br />
Young Singers Project in Salzburg<br />
Opernnachwuchs lernt<br />
bei Marjana Lipovsek Praxis<br />
Mit dem Young Singers Project<br />
haben die Salzburger Festspiele<br />
eine hochkarätige Praxisplattform<br />
zur Förderung des sängerischen<br />
Nachwuchses geschaffen. Acht<br />
junge Sängerinnen und Sänger erhalten<br />
eine umfassende Ausbildung<br />
und werden in den Produktionsprozess<br />
der Festspiele eingebunden.<br />
Neu hat Marjana Lipovsek die<br />
künstlerische Leitung von Michael<br />
Schade übernommen. Öffentliche<br />
Meisterkurse werden am 29. Juli<br />
sowie am 5., 12. und 18. August<br />
durchgeführt. Das Abschlusskonzert<br />
im Mozarteum findet am<br />
Donnerstag, 26. August, um 18 Uhr<br />
unter der Leitung von Ivor Bolton<br />
statt. Ausgewählt wurden folgende<br />
Teilnehmende: Lena Belkina, Mezzosopran,<br />
Usbekistan, Claudia Boyle,<br />
Sopran, Irland, Vladimir Kapshuk,<br />
Bariton, Ukraine, Antonio Poli,<br />
Tenor, Italien, Emily Righter,<br />
Mezzo sopran, USA, André Schuen,<br />
Bariton, Italien, Regina Isabella<br />
Sturm, Sopran, Deutschland, sowie<br />
Erika Wueschner, Sopran, USA.<br />
Die Credit Suisse ist seit 2006<br />
Hauptsponsor der Salzburger Festspiele<br />
und seit 2009 des Young<br />
Singers Project. schi<br />
www.credit-suisse.com/sponsoring;<br />
www.salzburgerfestspiele.at<br />
Anzeige<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
32 Credit Suisse<br />
Osec Export Award 20<strong>10</strong><br />
Anerkennungspreis für<br />
erfolgreiche Exporteure<br />
Die Basis des Erfolgs<br />
Bei der Sorgenbarometer-Umfrage<br />
stuften 48 Prozent die Schweizer Qualität<br />
als grösste Stärke des Landes<br />
ein, und 96 Prozent gaben an, stolz auf<br />
den internationalen Qualitätsruf der<br />
Schweiz zu sein. Die Qualität liegt also<br />
den Schweizerinnen und Schweizern<br />
im Blut, und so verwundert es nicht,<br />
dass auch die Credit Suisse grössten<br />
Wert auf Qualität als Grundlage des Vertrauens<br />
der Kundinnen und Kunden und<br />
somit des geschäftlichen Erfolgs legt<br />
und dem Qualitätsmanagement höchste<br />
Priorität beimisst. Ein Instrument hierfür<br />
sind die gerade in der Schweiz<br />
sehr geschätzten ISO-Zertifizierungen,<br />
die von allen Mitarbeitenden höchsten<br />
Einsatz erfordern. Bereits 1997 erlangte<br />
die Credit Suisse als erste Bank weltweit<br />
das Zertifikat für ihr Umweltmanagementsystem<br />
(ISO 14001). Die Firmenuniversität<br />
Business School erhielt<br />
2003 das Zertifikat «eduQua» sowie 2005<br />
den Clip-Award (Corporate Learning<br />
Improvement Process). In den letzten<br />
Wochen sind auch zwei wichtige<br />
Be reiche von Investment Services and<br />
Products zertifiziert worden, nämlich<br />
Mutual Funds and ETFs (Exchange-<br />
Traded Funds) unter der Leitung von<br />
Christian Mesenholl sowie Structured<br />
Derivatives Switzerland unter der<br />
Leitung von Thomas Imhasly. Das von<br />
Urs Joss geführte Call Center hat sogar<br />
drei Zertifizierungen erhalten: zunächst<br />
das Gütesiegel für Outbound Sales,<br />
also Direkt- und Telemarketing (siehe<br />
<strong>bull</strong>etin 4/2009); im Frühjahr 20<strong>10</strong> folgten<br />
die Zertifikate ISO 9001 sowie –<br />
erstmals verliehen – EN 15838, die europäische<br />
Branchennorm. schi<br />
Detaillierte Informationen unter<br />
www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Corporate<br />
Volunteering<br />
Im vergangenen Jahr<br />
leisteten 13 658 Mitarbeitende<br />
der Credit<br />
Suisse während über<br />
115 000 Stunden Freiwilligeneinsätze<br />
bei<br />
Partnerorganisationen.<br />
Nachfolgend die<br />
Aufteilung nach den<br />
vier Geschäftsregionen.<br />
Mehr Informationen<br />
sind enthalten<br />
im Bericht «Unternehmerische<br />
Verantwortung».<br />
4Ame598<br />
ricas<br />
2EME236<br />
A<br />
2Asien60<br />
-Pazifik4<br />
S42<br />
chweiz20<br />
Am Forum der Schweizer Aussenwirtschaft<br />
vom 15. und 16. April<br />
in Zürich Oerlikon wurde zum zweiten<br />
Mal der Osec Export Award<br />
verliehen. Er zeichnet Unternehmen<br />
aus, die systematisch und zielgerichtet<br />
ihr Expansionsvorhaben vorantreiben.<br />
In der Kategorie Success<br />
für bereits erfahrene Ex porteure<br />
gewann die Contrinex AG. Das<br />
Unternehmen mit Sitz in Givisiez ist<br />
ein führender Hersteller von induktiven<br />
und fotoelektrischen Sensoren<br />
und hat weltweit über 500 Mitarbeitende.<br />
In der Kategorie «Stepin»<br />
für Unternehmen am Anfang<br />
ihrer Exporttätigkeit wurde die<br />
Bauwerk Parkett AG aus St. Margrethen<br />
ausgezeichnet. Das Unternehmen<br />
entwickelt und produziert<br />
seit über 60 Jahren Massiv- und<br />
Zweischicht-Parkettböden für den<br />
Wohnbereich. vcf<br />
Videos über den Anlass unter<br />
www.credit-suisse.com/unternehmen<br />
Unternehmerpreis Swiss Venture Club<br />
Oertli: In der Augenchirurgie<br />
global mit an der Spitze<br />
Andreas Bosshard, Verwaltungsratspräsident<br />
der Oertli Instrumente<br />
AG, Berneck, durfte aus den Händen<br />
von Hans-Ulrich Müller, Präsident<br />
des Swiss Venture Club, sowie<br />
Hans-Ulrich Meister, CEO Credit<br />
Suisse Schweiz, den vierten Unternehmerpreis<br />
Ostschweiz entgegennehmen<br />
(siehe Bild). Oertli produziert<br />
seit 1955 Präzisionsgeräte und<br />
-instrumente für die Augen chirurgie<br />
und ist, so Jurypräsidentin Franziska<br />
Tschudi, «als Nummer 4 auf dem<br />
Weltmarkt die einzige Alter native zu<br />
den Grossen». Die folgenden Plätze<br />
belegten die Spezialholzbaufirma<br />
Blumer-Lehmann AG, Gossau<br />
Anzeige<br />
Swiss-Venture-Club-Preis (v.l.n.r.):<br />
Hans-Ulrich Müller, Andreas Bosshard,<br />
Hans-Ulrich Meister.<br />
(SG), sowie die Complementa Investment-Controlling<br />
AG, St. Gallen.<br />
Die Dieci AG, Rapperswil-Jona,<br />
die Flumroc, Flums, sowie die<br />
NeoVac Gruppe, Oberriet, hatten<br />
es, bei 150 teilnehmenden Unternehmen,<br />
in den Final geschafft.<br />
Der St. Galler Regierungspräsident<br />
Josef Keller würdigte in den Olma-<br />
Hallen die Leistung und den Mut<br />
der sechs Finalisten, die «in hart<br />
umkämpften Branchen dank einer<br />
vielversprechenden Mischung aus<br />
Tradition und Innovation, aus Unternehmergeist<br />
und Know-how» wirtschaftlich<br />
nachhaltige Erfolge erzielen.<br />
schi<br />
Esprix – Swiss Excellence Award<br />
Seedamm Plaza vorbildlich<br />
Bundespräsidentin Doris Leuthard<br />
hat am Forum für Excellence<br />
im Kultur- und Kongresszentrum<br />
Luzern das Seedamm Plaza Hotel<br />
in Pfäffikon mit dem Swiss Excellence<br />
Award 20<strong>10</strong> Esprix ausgezeichnet.<br />
schi<br />
Credit Suisse Geschäftsstellen<br />
Neue Standards für Selbstbedienungstechnologie<br />
Wenn Dienstleistungen ohne<br />
Kundenberatung einfacher und<br />
schneller angeboten werden können,<br />
kommt in den Geschäftsstellen<br />
der Credit Suisse die Selbst -<br />
bedienungstechnologie zum<br />
Tragen. Mit dem neuen Cash Cycle<br />
Management, das weltweit erstmals<br />
bei der Credit Suisse eingesetzt<br />
wird, lässt sich die Zeit des<br />
Stillstands von Cash-Systemen<br />
deutlich reduzieren und damit<br />
deren Verfügbarkeit für die Kunden<br />
entsprechend erhöhen. Ohne<br />
dass grosse Veränderungen im<br />
Prozessablauf vorzunehmen sind,<br />
Fotos: Patrik Kälin | Swiss Venture Club | Alberto Venzago<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 33<br />
profitiert der Kunde durch eine<br />
einfachere Bedienung, eine schnellere<br />
Transaktionszeit, eine höhere<br />
Verfüg bar keit sowie einen nochmals<br />
verbesserten Schutz gegen<br />
Manipu lation und Betrug durch<br />
Skimming. schi<br />
Live at Sunset in Zürich<br />
Gurrumul-Tickets gewinnen<br />
Beim 15. Live at Sunset auf der<br />
Dolder-Eisbahn in Zürich reiht sich<br />
vom 14. bis 25. Juli wiederum ein<br />
musikalischer Leckerbissen an den<br />
anderen: Tori Amos, John Fogerty,<br />
A-Ha, Element of Crime, Reamonn,<br />
Nina Hagen, Lunik, Dada Ante<br />
Portas, Foreigner, Gilberto Gil,<br />
Lucio Dalla, Francesco de Gregori,<br />
Maria Mena. Und dazwischen, am<br />
Freitag, 16. Juli, Gurrumul. Lesen<br />
Sie online unser Porträt und machen<br />
Sie bei unserem Wettbewerb mit<br />
(5 x 2 Tickets).<br />
www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Neuer Corporate-Volunteering-Partner<br />
<strong>10</strong>0 Jahre Krebsliga<br />
In der Schweiz erkranken jedes<br />
Jahr rund 35 000 Personen an<br />
Krebs – etwa 15 000 sterben daran.<br />
Die Krebs liga setzt sich für die<br />
Anliegen der Erkrankten und deren<br />
Angehörigen ein. Im Jahr 20<strong>10</strong> feiert<br />
sie ihr <strong>10</strong>0-jähriges Bestehen<br />
und veranstaltet am 29. Mai einen<br />
Solidaritätsanlass. Betroffene und<br />
Interessierte sind auf gerufen, an<br />
den kantonalen Sternmärschen in<br />
Richtung Bern mit zuwandern und<br />
am Solidaritätsfest gegen Krebs<br />
auf dem Bundesplatz in Bern teilzunehmen.<br />
Zusammen mit anderen<br />
sorgen Mitarbeitende der Credit<br />
Suisse als Freiwillige für einen reibungslosen<br />
Ablauf. cfv<br />
www.krebsliga.ch<br />
Tickets für St. Galler Festspiele<br />
Vor uns die Sintflut<br />
«Il diluvio universale» (Die Sintflut),<br />
die Oper von Gaetano Donizetti,<br />
wird im Sommer unter der Leitung<br />
von Antonino Fogliani auf dem<br />
Klosterhof St. Gallen aufgeführt.<br />
Premiere ist am Freitag, 25. Juni.<br />
Weitere Informationen und die<br />
Möglichkeit, 5 x 4 Tickets zu gewinnen,<br />
erhalten Sie online.<br />
www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Neuer Standort für Challenge-Turnier<br />
Golf am Sempachersee<br />
Erster Höhepunkt der Schweizer<br />
Golfsaison ist das Zurich Open<br />
des Golfclubs Schönenberg am<br />
14./15. Juni. Das Bad Ragaz<br />
PGA Seniors Open folgt bereits am<br />
2. bis 4. Juli. Die Credit Suisse<br />
Challenge wird unter dem Motto<br />
Follow the Future Stars vom<br />
15. bis 18. Juli neu vom Golfclub<br />
Sempachersee ausgetragen. schi<br />
www.credit-suisse.com/sponsoring<br />
Seit Jahrzehnten beschäftigt sich Baufritz mit wohngesunder<br />
Holzbauweise nach dem Vorbild der Natur.<br />
Denn sie macht uns am besten vor, wie Hightech-<br />
Häuser idealerweise funktionieren. Nach diesem Prinzip<br />
stammen von Baufritz zum Beispiel Patente für die<br />
geniale Biodämmung aus Holzspänen, verbesserte<br />
Winddichtigkeit, Schutzimprägnierungen aus Naturstoffen,<br />
erdbebensichere Häuser und die nahezu wartungsfreie<br />
Natursilber-Fassade.<br />
Fragen an Stephan Lichtsteiner Die Fussballweltmeisterschaft<br />
in Südafrika steht vor der<br />
Tür. Mit der Schweizer Nationalmannschaft<br />
dabei sein könnte ein ehemaliger Lehrling<br />
der Credit Suisse. Lesen Sie unser Porträt im<br />
16-seitigen Dossier Schweizer Fussball.<br />
Online-Forum mit Stephan Lichtsteiner unter www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Lassen Sie sich von den Baufritz-Innovationen überzeugen<br />
und von unserer Stilwelten-Kollektion inspirieren.<br />
Telefon 033-341<strong>10</strong>00, www.baufritz-bu.ch<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong><br />
Ausgezeichnet mit dem Dt. Nachhaltigkeitspreis 2009
34 Credit Suisse<br />
Das irdische Paradies findet sich in Bern<br />
Zum hundertsten Todestag des bekannten Schweizer Malers Albert Anker zeigt das Kunstmuseum<br />
Bern derzeit dessen «Schöne Welt». Eine intensive Beschäftigung verdient auch die Ausstellung<br />
«Das Irdische Paradies» mit Werken des viktorianischen Malers Edward Burne-Jones.<br />
Albert Anker, «Bauer seine Weste flickend», 1871, Öl auf Leinwand, 44,4 x 37,1 cm, Kunstmuseum Bern, Geschenk von Dorothy Baume.<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 35<br />
Fotos: Kunstmuseum Bern, gift of Dorothy Baume in memory of her parents | Credit Suisse | Chantal Michel | David Aebi<br />
Zu seinem hundertsten Todestag erhält<br />
Albert Anker (1. April 1831 bis 16. Juli 19<strong>10</strong>)<br />
eine eigene Briefmarke, eine Goldmünze<br />
und eine soeben eröffnete Retrospektive im<br />
Kunstmuseum Bern unter dem Titel «Schöne<br />
Welt». Diese greift einige typische Anker-<br />
Themen auf: das Dorfleben in seiner Heimatgemeinde<br />
Ins, die Entwicklung des Schulund<br />
Bildungswesens in der Schweiz oder<br />
auch die Porträts, die sein Bedürfnis nach<br />
Individualisierung ausdrücken. So erfasste<br />
er beispielsweise das Kind als kleine Persönlichkeit,<br />
unabhängig von der Rolle innerhalb<br />
der sozialen Schicht, von Alter und Geschlecht.<br />
Das ist im 19. Jahrhundert keineswegs<br />
eine Selbstverständlichkeit.<br />
Nach dem Erfolg der im Februar zu Ende<br />
gegangenen farbenprächtigen Giovanni-Giacometti-Ausstellung<br />
mit 42 000 Eintritten<br />
dürfte Albert Anker noch mehr Besucher anlocken,<br />
vergleichbar wohl mit der Ferdinand-<br />
Hodler-Ausstellung, die 2008 sogar von<br />
80 000 Interessierten gesehen wurde.<br />
Neben diesen bedeutenden Schweizer<br />
Malern gewähren die Berner richtigerweise<br />
stets auch jungen Schweizer Künstlern eine<br />
Plattform. Aktuell setzt sich die Berner<br />
Künstlerin Chantal Michel in «Honig, Milch<br />
und erste Veilchen» bewusst mit Albert<br />
Anker auseinander. Ab dem 5. November<br />
präsentiert das Kunstmuseum eine grosse<br />
Werkschau von Yves Netzhammer. Zur Einstimmung<br />
ist bereits jetzt seine von der<br />
Stiftung Gegenwart angekaufte Installation<br />
«Die Subjektivierung der Wiederholung. Projekt<br />
B» zu sehen.<br />
Breiten Raum gewährt das Kunstmuseum<br />
Bern auch der Gegenwartskunst aus China.<br />
Dieses Jahr sind ab 19. November Fotografien<br />
aus der Sammlung von Uli und Rita<br />
Sigg zu sehen. Nach der in der Fachwelt<br />
Aufsehen erregenden, beim Publikum aber<br />
keine übermässig grosse Resonanz auslösenden<br />
Retrospektive von Tracey Emin widmet<br />
sich nun die Ausstellung «Das Irdische<br />
Paradies» dem Maler und Zeichner Edward<br />
Burne-Jones. Man darf gespannt sein, wie<br />
dieser Hauptvertreter der Präraffaeliten aufgenommen<br />
wird. Die auf dem Kontinent<br />
sträflich vernachlässigte viktorianische Kunst<br />
verdient jedenfalls eine bewusste Auseinandersetzung.<br />
Dass Burne-Jones’ Welt der<br />
Mythen, Sagen und Legenden gleichzeitig<br />
mit den Bildern von Albert Anker entstanden<br />
ist, stellt einen zusätzlichen Reiz dar.<br />
Andreas Schiendorfer<br />
www.kunstmuseumbern.ch<br />
1<br />
3<br />
1 Yves Netzhammer, «Adressen unmöglicher Orte», 2009, mehrteilige Installation, Ausstellungsansicht<br />
Kunsthalle Winterthur, Courtesy the artist und Galerie Anita Beckers, Frankfurt a.M. © Der Künstler.<br />
2 Chantal Michel. Ausstellung «Honig, Milch und erste Veilchen». 3 Edward Burne-Jones, «Das<br />
schlafende Dornröschen», 1894/95, Öl auf Leinwand, 126 x 237 cm, Dublin City Gallery, The Hugh Lane.<br />
2<br />
Jeweils während der Museumsnacht verwandelt<br />
sich auch die Geschäftsstelle der Credit Suisse<br />
am Bundesplatz in eine Galerie; im März 20<strong>10</strong> mit<br />
einem Werk des Zürcher Künstlers Andreas Marti.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
36 Credit Suisse<br />
Hans-Ulrich Meister: «Es gibt verschiedene<br />
Wege, erfolgreich Karriere zu machen»<br />
Der Credit Suisse ist es ernst mit der Förderung des internen Nachwuchses. Hans-Ulrich Meister,<br />
CEO Credit Suisse Schweiz, betonte dies anlässlich einer Veranstaltung des Next Generation Network<br />
in Zürich, wo er den jungen Talenten der Bank die verschiedenen Aufstiegschancen darlegte.<br />
Von den weltweit über 47 000 Beschäftigten<br />
der Credit Suisse arbeiten rund 21 000 in der<br />
Schweiz. Zudem wurde 2009 gut ein Drittel<br />
des Ertrags der Gesamtbank im Heimmarkt<br />
erzielt. Neben den starken Geschäftsbereichen<br />
Asset Management und Investment<br />
Banking bietet die Credit Suisse mit ihrem<br />
laufend ausgebauten Geschäftsstellennetz<br />
und einer intensivierten Kundenbetreuung<br />
vor Ort ihren Firmen- und Privatkunden in der<br />
Schweiz sämtliche Dienstleistungen einer<br />
modernen Universalbank an.<br />
150 neue Lehrstellen werden geschaffen<br />
«Eine Reduktion der Ausbildungsplätze in der<br />
Schweiz stand während der ganzen Krise<br />
nie zur Diskussion», betonte Hans-Ulrich<br />
Meister im Rahmen einer Veranstaltung des<br />
Mitarbeitenden-Netzwerks Next Generation<br />
Network (NGN). «Im Gegenteil, letzten Dezember<br />
beschlossen wir, die Zahl der Lehrstellen<br />
über die nächsten drei Jahre um 150<br />
auf 750 zu erhöhen. Ich hätte mir sogar eine<br />
weiter gehende Aufstockung gewünscht,<br />
aber dazu fehlen im Moment die entsprechenden<br />
Praxisausbildner. Es hat keinen Sinn,<br />
wenn wir Lernende anstellen, die wir nicht<br />
bestmöglich betreuen können.»<br />
Und auf Nachfrage eines Lehrlings aus<br />
dem Bereich Informationstechnologie ergänzte<br />
er: «Die Aufstockung beinhaltet auch<br />
die Weiterbeschäftigung der Lehrabschlussabsolventen.<br />
Derzeit liegt die Quote bei<br />
hohen 80 Prozent. Man muss auch bedenken,<br />
dass es immer einige Mitarbeitende gibt, die<br />
nach der Lehre eine Pause einlegen, ein anderes<br />
Finanzinstitut kennenlernen oder gar<br />
einen völlig anderen Berufsweg einschlagen<br />
möchten.»<br />
Neben 750 Lernenden im kaufmännischen<br />
Bereich und in der Informatik bildet<br />
die Credit Suisse jeweils 120 Mittelschulabgänger<br />
(Junior Banker) sowie 300 Hochschulabsolventen<br />
(Career Starter) aus und<br />
bietet zudem 180 Praktikastellen für Studierende<br />
an. Postwendend wurde nachgefragt,<br />
ob man denn auch ohne Hochschulabschluss<br />
intakte Aufstiegschancen besitze. «Es gibt<br />
verschiedene Wege, erfolgreich Karriere zu<br />
machen. Der Berufseinstieg über eine kaufmännische<br />
Lehre, später ergänzt mit spezifischer<br />
Weiterbildung, kann ebenso erfolgreich<br />
sein wie der Einstieg nach abgeschlossenem<br />
Studium. Flexibilität, Mobilität<br />
und der Wille, sich sowohl fachlich wie persönlich<br />
permanent weiterzuentwickeln, sind<br />
die entscheidenden Faktoren», führte Hans-<br />
Ulrich Meister an. «Gerade bei der Umsetzung<br />
unserer Strategie der integrierten Bank,<br />
in der für alle Mitarbeitenden ein Denken<br />
über den eigenen Bereich hinaus wichtig ist,<br />
1<br />
2 3<br />
war es für mich von Vorteil, dass ich zuvor<br />
viele verschiedene Arbeits- und Kulturbereiche<br />
persönlich erlebt habe.»<br />
Sich frühzeitig Ziele setzen<br />
Um eine berufliche Karriere – egal in welcher<br />
Branche – zu realisieren, muss man sich,<br />
so Meister, frühzeitig Ziele setzen. Nicht<br />
unbedingt in Bezug auf einen Einzeljob, den<br />
es in zehn Jahren vielleicht gar nicht mehr<br />
gibt, aber die Richtung sollte bestimmt sein,<br />
und in diese Richtung gilt es dann konsequent<br />
zu gehen, das heisst, insbesondere die<br />
ent sprechenden Weiterbildungen zu machen.<br />
«Die Credit Suisse ist bereit, ihre Talente<br />
1 Aufgestellte Banker – auch wegen ihrer internen Vernetzung. 2 Hans-Ulrich Meister nahm sich Zeit für<br />
den Nachwuchs. 3 Zuhören, nachdenken – und die Möglichkeit nutzen, Fragen zu stellen.<br />
Fotos: Martin Stollenwerk<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 37<br />
darin zu unterstützen, auch finanziell, aber<br />
letztl ich liegt es an jedem Einzelnen selbst:<br />
Es braucht die Bereitschaft, in die Weiterbildung<br />
– sei es nun fachlich oder sprachlich –<br />
zu investieren», erklärte der CEO Schweiz.<br />
«Das geht stets zulasten der Freizeit.»<br />
Keine Angst vor Veränderung haben<br />
Hans-Ulrich Meister schätzt die Qualitäten<br />
seiner Schweizer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />
so etwa Leistungsbewusstsein und<br />
Pflichtgefühl. Gleichzeitig stellt er aber eine<br />
gewisse Unbeweglichkeit fest. «Man sollte<br />
bereit sein, auch einmal eine neue Aufgabe<br />
innerhalb der Bank anzupacken und einen<br />
Ortswechsel zu vollziehen, selbst wenn man<br />
sich bereits ein Eigenheim gekauft hat», führte<br />
er aus. «Es ist manchmal sehr schwierig,<br />
einen St. Galler dazu zu bewegen, in Zürich<br />
zu arbeiten, oder einen Luzerner, nach Genf<br />
zu ziehen. Und wenn es um einen Auslandaufenthalt<br />
geht, kann man sich zwar einen<br />
Umzug nach New York oder London vorstellen,<br />
aber nach Indien oder Mexiko?»<br />
Doch selbst diese Bereitschaft zu Mobilität<br />
und Flexibilität nützt letztlich nichts, wenn<br />
das ehrliche Interesse fehlt. «Wer eine Weiterbildung<br />
nur macht, weil es im Lebenslauf<br />
gut aussieht, wird nicht reüssieren. Interesse<br />
für die Sache ist die Voraussetzung dafür,<br />
dass Sie einen guten Job machen, voller<br />
Elan, aber auch mit einer gewissen Lockerheit»,<br />
betonte Meister. «Und je breiter Ihr<br />
Interesse ist, umso besser. Ein guter Banker<br />
interessiert sich auch für politische Themen<br />
und für die Volkswirtschaft. Schliesslich ist<br />
die Credit Suisse der Motor der Schweizer<br />
KMU-Landschaft. Wir stellen rund einen Viertel<br />
der ungesicherten Kredite an Schweizer<br />
Firmen zur Verfügung. Davon profitieren über<br />
<strong>10</strong>0000 Unternehmen in der Schweiz.»<br />
Der CEO Schweiz nutzte die Möglichkeit,<br />
um den Talenten im Forum St. Peter in Zürich<br />
die Bedeutung der integrierten Bank zu erläutern.<br />
Hans-Ulrich Meister: «Die Strategie<br />
der so genannten One Bank funktioniert<br />
bei uns sehr gut und bietet enormes Potenzial.<br />
Die Erträge aus der divisionsübergreifenden<br />
Zusammenarbeit in der Schweiz betrugen<br />
im letzten Jahr rund zwei Milliarden<br />
Franken. Es ist unser klares Ziel, diese Erträge<br />
weiter zu steigern. Spartenübergreifende<br />
Netzwerke wie das Next Generation<br />
Network tragen dazu bei, dass die Umsetzung<br />
der One-Bank-Strategie in Zukunft<br />
noch besser funktionier t». Andreas Schiendorfer<br />
Next Generation Network<br />
In der Credit Suisse sind in den<br />
letzten Jahren verschiedene<br />
Netzwerke entstanden, um die<br />
Interessen spezifischer Gruppen<br />
von Mitarbeitenden zum Nutzen<br />
der Einzelnen und der Gesamtbank<br />
zu fördern. In der Schweiz gibt es<br />
ein Multi cultural Forum, ein Family<br />
Forum, ein Women’s Forum, das<br />
Open Network Switzerland sowie<br />
das Disability Interest Forum. Und<br />
so wie es ein Netzwerk 50+ gibt,<br />
sind auch die Nachwuchskräfte<br />
zusammengeschlossen. Wie<br />
wichtig gerade das Next Generation<br />
Network (NGN) aus Sicht<br />
der Bankspitze ist, beweist die<br />
Tat sache, dass an den bislang<br />
vier Jahresversammlungen immer<br />
ein Mitglied der Geschäftsleitung<br />
oder der Verwaltungsratspräsident<br />
teilnahm. Neu sollen auch die<br />
etwas älteren Career Starter ins<br />
NGN integriert werden. Zudem<br />
arbeitet das sechsköpfige Core<br />
Team an einer neuen, attraktiven<br />
Intranetplattform. schi<br />
Gemeinsam gegen<br />
die Jugendarbeitslosigkeit<br />
Die Chance, eine Stiftung für Berufspraxis in der Ostschweiz, setzt sich mit<br />
Erfolg für Schulentlassene ein, die aufgrund ihrer schulischen Leistung oder ihres<br />
Sozialverhaltens den gestiegenen Anforderungen für eine berufliche Ausbildung<br />
nicht auf Anhieb entsprechen können.<br />
«Die Qualität der Berufslehre und damit die<br />
an die Lernenden gestellten Anforderungen<br />
sind in den letzten Jahren kontinuierlich<br />
gestiegen», führt Helmut Gehrer, Gesamtprojektleiter<br />
der Stiftung Die Chance, aus.<br />
«Das ist mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Schweiz grundsätzlich<br />
zu begrüssen, aber es hat gleichzeitig dazu<br />
geführt, dass viel zu wenig Anlehren beziehungsweise<br />
Grundausbildungen mit Attest<br />
angeboten werden. Für leistungsschwächere<br />
Schüler führt dies oft zu Problemen.»<br />
Als Rektor der Berufsschule Rorschach hat<br />
Helmut Gehrer diese neue Herausforderung<br />
schon früh erkannt. So beenden rund zehn<br />
Prozent der Jugendlichen ihre Ausbildung mit<br />
dem Schulobligatorium ohne einen beruflichen<br />
Abschluss – und haben es nachher<br />
dementsprechend schwer auf dem Arbeitsmarkt.<br />
Rückblickend räumt Gehrer aber ein,<br />
dass selbst er das Ausmass des Problems<br />
zunächst unterschätzt habe. Zum einen<br />
glaubte er, bereits mit 15 bis 20 zusätzlichen<br />
Stellen die Situation in der Ostschweiz entschärfen<br />
zu können, zum anderen nahm er<br />
an, dass fast ausschliesslich Schülerinnen<br />
und Schüler mit einem Migrationshintergrund<br />
betroffen wären.<br />
Tatsächlich waren aber gemäss Jahresbericht<br />
2008 beinahe 54 Prozent der von<br />
der Stiftung Die Chance betreuten Jugendlichen<br />
Schweizer. Deshalb können nicht nur<br />
mangelhafte Deutschkenntnisse ausschlaggebend<br />
für die fehlende Integration in den<br />
Arbeitsmarkt sein.<br />
Zudem hat der von Markus Rauh präsidierte<br />
Stiftungsrat 2004 beschlossen,<br />
200 Jugendliche gleichzeitig ins Programm<br />
aufzunehmen. Inzwischen sind es sogar<br />
über 300, weil im Laufe des Schuljahres<br />
immer wieder neue Jugendliche hinzustossen.<br />
Und trotzdem werden auch im ursprünglichen<br />
Tätigkeitsgebiet (St. Gallen, Appenzell<br />
Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Thurgau)<br />
noch etliche Interessenten abgewiesen.<br />
«Dank der Unterstützung durch die Credit<br />
Suisse können wir unsere Arbeit auch auf ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
38 Credit Suisse<br />
die Kantone Glarus und Graubünden ausdehnen»,<br />
erklärt Helmut Gehrer. «Eine noch<br />
weiter gehende geografische Ausweitung<br />
des Projekts ist aber nicht vorgesehen, weil<br />
sonst der für den Erfolg massgebende persönliche<br />
Kontakt mit den Jugendlichen, den<br />
Unternehmern, den Lehrkräften und den<br />
Be hörden, aber auch unter uns Betreuern<br />
nicht mehr in der gewünschten Intensität gewährleistet<br />
werden kann. Erfreulicherweise<br />
ist unsere Idee aber in anderen Regionen,<br />
zum Beispiel in Thun/Interlaken, bereits<br />
adap tiert worden.»<br />
Guter Wille als Basis für alles<br />
Entscheidend für die Wahrnehmung der<br />
beruflichen Chance ist die «positive Grundhaltung»<br />
der Jugendlichen. Nicht in Frage<br />
kommt daher, wer nicht willens ist, an seinen<br />
Defiziten zu arbeiten und sich bei einem allfälligen<br />
Durchhänger durchzubeissen.<br />
«Neben Jugendlichen, die für eine Lehre<br />
die erforderlichen schulischen Leistungen<br />
nicht erbringen können, kommen auch solche<br />
in Frage, die wegen ihres so zialen Verhaltens<br />
Probleme haben», erklärt Helmut<br />
Gehrer. Trotz des kontinuierlich gewachsenen<br />
Projekts ist er nach wie vor die erste<br />
Anlaufstelle und führt mit jedem Stellensuchenden<br />
ein persönliches Gespräch.<br />
«Wenn sich später jemand wiederholt nicht<br />
an die vertraglich festgehaltenen Regeln hält,<br />
wird er aus dem Programm entlassen. Es<br />
darf beispielsweise nicht sein, dass sich jemand<br />
ständig unflätig benimmt, zu spät zur<br />
Arbeit kommt oder die von uns geforderten<br />
Zwischenberichte nicht schreibt. Wir nehmen<br />
da eine konsequente Haltung ein.» Und die<br />
Erfahrungen, die Gehrer bislang gemacht<br />
hat, sind durchaus positiv. Es scheint, als ob<br />
manche Jugendlichen sogar froh darüber<br />
sind, wenn jemand klare Regeln aufstellt<br />
und strikte auf deren Einhaltung pocht –<br />
vorausgesetzt, man ist gleichzeitig bereit,<br />
sich mit seiner ganzen Person, oft auch<br />
ausserhalb geregelter Bürozeiten, für sie<br />
einzusetzen. Jedenfalls müssen im Jahresdurchschnitt<br />
nur etwa ein halbes Dutzend<br />
Jugendliche wegen negativer Gründe aus<br />
dem Programm entlassen werden. Hinzu<br />
kommen weitere 40, die nach erfolgtem<br />
Start ihr berufliches Ziel selbständig erreichen<br />
wollen. «Dies ist ganz in unserem Sinn»,<br />
meint Gehrer. «Die Förde rung der Eigenverantwortlichkeit<br />
ist uns sehr wichtig.»<br />
Den Draht zur Jugend finden<br />
«Wichtig ist, dass wir Berater einen guten<br />
Draht zu den Jugendlichen finden, ihr Vertrauen<br />
gewinnen», betont die Ausbildungsberaterin<br />
Gaby Braun. «Ich staune immer<br />
wieder, wie vieles in Fluss kommt, wenn der<br />
Jugendliche spürt: Ich bin nicht mehr allein.»<br />
Der Erfolg gibt dem kleinen, effizienten<br />
«Chance»-Team Recht. Auch wenn viele<br />
besonders motivierte und gut integrierte<br />
Jugendliche aus der Bilanz fallen, ist diese<br />
hervorragend. Die ehrgeizige Vorgabe des<br />
Stiftungsrats für erfolgreich abgeschlossene<br />
Ausbildungen liegt bei 80 Prozent, jene<br />
für eine Anstellung nach erfolgreichem<br />
Abschluss bei 90 Prozent. Im Schnitt der<br />
letzten acht Jahre liegen die Werte sogar bei<br />
89 beziehungsweise über 98 Prozent.<br />
Der Jugendliche wird je nach Wohnort<br />
einem Ausbildungsberater zugewiesen. «Die<br />
Suche nach einem geeigneten Lehrbetrieb<br />
kann bis fünf Monate dauern, wobei dazu ein<br />
Die Chance<br />
521<br />
Jugendliche kamen seit 20<strong>02</strong> zu<br />
einem erfolgreichen Lehrabschluss.<br />
Dies entspricht einer Abschlussquote<br />
von 89 Prozent. Lediglich<br />
57 Jugendliche stiegen in dieser<br />
Zeit aus dem Vertrag aus, 28 scheiterten<br />
an der Abschlussprüfung.<br />
98,4<br />
Prozent beträgt die Beschäftigungsquote<br />
der Jugendlichen mit erfolgreichem<br />
Abschluss. Seit 20<strong>02</strong> fanden<br />
nur gerade 11 Personen innerhalb von<br />
zwei Monaten weder eine Arbeit noch<br />
eine Weiterbildungsmöglichkeit.<br />
186<br />
Unternehmen waren 2009 am Projekt<br />
Die Chance beteiligt. Grundsätzlich<br />
sind rund 900 Ostschweizer Unternehmen<br />
bereit, sich hier zu engagieren.<br />
Die Initiative Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit<br />
Als Beitrag zur langfristigen Förderung des Bildungs- und Werkplatzes Schweiz engagiert sich<br />
die Credit Suisse für die Verbesserung der Berufschancen von Jugendlichen. Im Rahmen<br />
der Initiative Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit stellt sie 30 Millionen Franken bereit. Dabei<br />
arbeitet sie in den nächsten drei bis fünf Jahren mit sieben kompetenten Partnern zusammen.<br />
Mehr Informationen unter www.credit-suisse.com/verantwortung<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 39<br />
oder zwei Schnupperlehren erforderlich sind.<br />
Alles in allem dauert die Betreuung im Durchschnitt<br />
gut drei Jahre», erklärt Gaby Braun.<br />
Sie hat – wie alle Ausbildungsberater – ihr<br />
Büro im eigenen Wohnhaus eingerichtet,<br />
um so trotz fast uneingeschränkter Erreichbarkeit<br />
doch noch ein gewisses Familienleben<br />
führen zu können. «Mittlerweile verfügen<br />
wir, nicht zuletzt dank der Vermittlung<br />
unserer Stiftungsratsmitglieder, über ein<br />
Netz von 900 Unternehmen in der Region,<br />
die grundsätzlich bereit sind, unsere Jugendlichen<br />
zu beschäftigen. Konkret sind es momentan<br />
über 180.» Im Normalfall handelt es<br />
sich dabei um neu geschaffene Stellen.<br />
Grosser Betreuungsaufwand lohnt sich<br />
Die Suche nach Ausbildungsbetrieben erweist<br />
sich als eher weniger schwierig als erwartet,<br />
dafür ist der Betreuungsaufwand<br />
umso grösser – für die Jugendlichen bei<br />
persönlichen, sozialen oder schulischen Problemen,<br />
aber auch für die Ausbildenden.<br />
«Gerade in kleinen Unternehmen fühlt sich<br />
der Patron oft allein gelassen, wenn Schwierigkeiten<br />
auftauchen.» In St. Gallen bietet<br />
mittlerweile der Branchenverband, basierend<br />
auf den Erfahrungen der Stiftung, den<br />
Detaillis ten diesen wichtigen Service an.<br />
Manchmal ist es übrigens gar nicht so einfach,<br />
herauszufinden, für welchen Beruf der<br />
Jugendliche sich wirklich interessiert und<br />
eignet. «Als wir begannen, fehlte jegliches<br />
stu fengerechtes Informationsmaterial», so<br />
Helmut Gehrer. «Wir haben deshalb vierseitige<br />
Prospekte für 69 Berufsbilder angefertigt,<br />
beispielsweise für Werkhofpraktiker,<br />
Blumenbinder oder Tiefkühlpraktiker.»<br />
Treue und zuverlässige Mitarbeitende<br />
«Viele Unternehmer lernen die Zuverlässigkeit,<br />
den Fleiss und die Treue dieser Mitarbeitenden<br />
schätzen», betont Gehrer. «Diese<br />
Jugendlichen identifizieren sich mit dem Betrieb,<br />
in dem sie sich wohlfühlen. Deshalb<br />
können sie nach Abschluss ihrer Ausbildung<br />
oft im Unternehmen bleiben oder finden mit<br />
wenigen Ausnahmen schnell eine feste Anstellung.»<br />
Schliesslich ist zu erwähnen, dass<br />
die mit privaten Mitteln finanzierte Stiftung<br />
derzeit mit 430 Stellenprozent auskommt.<br />
Deshalb kostet die Betreuung eines Jugendlichen<br />
im Durchschnitt nur etwa 2500 bis<br />
Die Finanzanalysten<br />
der Zukunft fördern<br />
Ein Team der Universität Zürich gewann die erste Schweizer Landesausscheidung<br />
zur Global Investment Research Challenge. Damit qualifizierten<br />
sich die künftigen Investmentexperten für das regionale Finale in Istanbul.<br />
Die Finanzanalysten und Investmentexperten,<br />
also die Chartered Financial Analysts,<br />
haben sich weltweit im CFA Institute zusammengeschlossen.<br />
Zu diesem gehören derzeit<br />
136 Organisationen aus 57 Ländern, seit<br />
1996 auch die Swiss CFA Society mit rund<br />
2000 Mitgliedern. «Wir wollen eine führende<br />
Rolle in der Förderung von Fachwissen, Professionalität<br />
und Integrität im Investment<br />
Business spielen», erklärt Executive Director<br />
Anne-Katrin Scherer. «Die Global Investment<br />
Research Challenge ist eine besonders wichtige<br />
Fortbildungsinitiative für die nächste Generation<br />
der Finanzwelt. Die von der Credit<br />
Suisse unterstützte erstmalige Schweizer<br />
Landesausscheidung hat mich in jeder Hinsicht<br />
überzeugt: Das Echo an den Universitäten<br />
und bei den Studenten war enorm, und<br />
die Gewinner gefielen durch die Kombination<br />
ihrer ausgezeichneten Fallstudie, der tiefgreifenden<br />
Sachkenntnisse sowie ihrer herausragenden<br />
Analysefähigkeiten.»<br />
Insgesamt nahmen über 60 Studenten von<br />
sechs Universitäten an der Landesausscheidung<br />
teil. Das Siegerteam der Universität<br />
Zürich, dem Adrian Amstalden, Daniel Ettli,<br />
Joël Schüepp, Pablo von Siebenthal und<br />
Mark Strauch angehörten, präsentierte als<br />
Fallstudie eine Unternehmensanalyse zur<br />
Myriad Group. Das war, wie Jurymitglied Olivier<br />
P. Müller, Equity Research Credit Suisse,<br />
betonte, eine eigentliche Knacknuss. Der<br />
führende Hersteller von Software für Mobiltelefone<br />
ist im April 2009 aus der Fusion von<br />
Esmertec und Purple Labs entstanden,<br />
schrieb als Folge davon zunächst hohe Verluste<br />
und besass noch keine Zahlen und<br />
Eckdaten, anhand derer sich Prognosen und<br />
Schätzungen ableiten liessen. Deshalb mussten<br />
die Studenten ihre Einschätzung von<br />
Grund auf neu erarbeiten, wobei ihnen – wie<br />
den anderen Teams – ein Fachexperte als<br />
Mentor den einen oder anderen Tipp gab.<br />
Für ihren Einsatz wurden sie gleich mehrfach<br />
belohnt. Die Universitäten Zürich und<br />
Neuenburg boten die Challenge als Kurse an,<br />
bei denen man Credits holen konnte. Zudem<br />
waren mit dem Sieg nicht nur 3000 Franken<br />
verbunden, sondern auch die Teilnahme an<br />
der regionalen Ausscheidung in Istanbul.<br />
Hier erreichten die Schweizer den Final der<br />
besten sechs, wo sich Südafrika durchsetzte.<br />
Das Wichtigste war jedoch der aufgrund<br />
des Praxisbezugs erzielte enorme Lern effekt.<br />
Den besten Researchbericht lieferte ein<br />
anderes Team der Universität Zürich (Sandro<br />
Braun, Fabian Forrer, Markus Mühlemann,<br />
Patrick Quensel, Johanna Voser), die beste<br />
Projektpräsentation in Englisch hielt ein Genfer<br />
Team (Gianluca Castilli, Bruce Crochat,<br />
Alexandre Durr, Aurélien Michaud). schi<br />
Mehr Informationen unter www.scfas.org<br />
3000 Franken pro Jahr. Andreas Schiendorfer<br />
Foto: scfas<br />
Mehr Informationen unter<br />
www.die-chance.ch<br />
Das Siegerteam der Universität Zürich qualifizierte sich für die regionale Ausscheidung in Istanbul.<br />
Hier stiessen die Schweizer unter die besten sechs Teams vor – eine ausgesprochen starke Leistung.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
40 Credit Suisse<br />
Ferienregion Tessin kämpft<br />
um Platz an der Sonne<br />
<strong>Süden</strong> – Sonne – Ferien. Das Tessin ist die Sonnenstube unseres Landes<br />
und derjenige Kanton, der am weitesten in den <strong>Süden</strong> reicht. Trotz<br />
Topi nfrastruktur und einer Reputation als Prestigedestination liegen aber<br />
die Gästezahlen tiefer als zu Beginn der Neunzigerjahre.<br />
Gemessen an der Anzahl Logiernächte in<br />
Hotels und Kurbetrieben liegt das Tessin<br />
nach Graubünden, Bern, Wallis, Zürich und<br />
Genf an sechster Stelle der Schweizer Kantone.<br />
2009 wurden rund 2,6 Millionen Logiernächte<br />
registriert, dies entspricht etwa<br />
sieben Prozent der Logiernächte der Schweiz.<br />
Während sich die drei Spitzenreiter neben<br />
der Sommersaison durch ausgeprägte Winteraktivitäten<br />
auszeichnen, kommt bei Zürich<br />
und Genf der Geschäftstourismus als wichtiger<br />
Nachfragefaktor hinzu. Wenn man die<br />
Bevölkerung berücksichtigt, wies die Tourismusregion<br />
Tessin 2009 die vierthöchste<br />
Touris musintensität der Schweiz auf (Abbildung<br />
oben). Das bedeutet, dass im Tessin<br />
auf Hundert Einwohner zwei Übernachtungen<br />
von Touristen in Hotels und Kurbetrieben<br />
kommen. Der Tourismus ist folglich für den<br />
Kanton ein bedeutender Wirtschaftsfaktor:<br />
Der Wertschöpfungsanteil des Tourismus<br />
im Tessin liegt gemäss Experten bei rund<br />
15 Prozent des kantonalen Bruttoinlandprodukts<br />
(BIP).<br />
Schweizer Gäste in der Mehrheit<br />
Die langfristige Entwicklung der Übernachtungen<br />
im Tessin stagniert allerdings. So<br />
liegt die jährliche Anzahl Logiernächte in<br />
Tessiner Hotels und Kurbetrieben heute um<br />
mehr als 15 Prozent unter dem Stand von<br />
1992. Allerdings verdeckt dieser generelle<br />
Trend deutliche Unterschiede zwischen den<br />
einzelnen Gemeinden. Der Kanton profitierte<br />
insgesamt deutlich weniger stark vom letzten<br />
konjunkturellen Aufschwung als andere Tourismusregionen.<br />
Insbesondere die Städte<br />
Zürich und Genf partizipierten unter anderem<br />
dank dem Geschäftstourismus und dem<br />
Boom im Städtetourismus überdurchschnittlich<br />
an der wirtschaftlichen Hausse und<br />
konnten ihre Logiernächte seit 1992 um etwa<br />
30 Prozent steigern. Das Tessin hingegen<br />
scheint sich im Abwärtstrend zu bewegen.<br />
Einer der Gründe für diese negative Entwicklung<br />
ist die überdurchschnittliche Abhängigkeit<br />
von Schweizer Gästen. 2009<br />
kamen etwa 55 Prozent der Gäste aus dem<br />
Inland, verglichen mit 43 Prozent für die gesamte<br />
Schweiz. Die Übernachtungszahlen<br />
von Schwei zer Gästen im Tessin konnten seit<br />
dem Zwischenhoch 2000 aber nicht gehalten<br />
werden (Abbildung unten).<br />
Von den Asiaten bislang nicht entdeckt<br />
Bei deutschen Gästen sowie Touristen aus<br />
den USA und Grossbritannien resultierte gar<br />
eine Reduktion um rund 40 Prozent seit 2000.<br />
Logiernächte in Hotels und Kurbetrieben<br />
pro <strong>10</strong>0 Einwohner<br />
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />
>6<br />
4–6<br />
2–4<br />
1–2<br />
< 1<br />
1.6<br />
Logiernächte in Tessiner Hotels<br />
und Kurbetrieben<br />
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />
1999 =<strong>10</strong>0<br />
220<br />
180<br />
140<br />
<strong>10</strong>0<br />
60<br />
20<br />
1.0<br />
00<br />
01<br />
0.3<br />
0.4<br />
<strong>02</strong><br />
0.4<br />
5.2<br />
4.0<br />
0.7<br />
03<br />
04<br />
Schweiz Deutschland Italien Niederlande<br />
Frankreich USA BRIC Grossbritannien<br />
1.3<br />
0.7<br />
05<br />
2.1<br />
06<br />
0.6<br />
07<br />
8.5<br />
08<br />
09<br />
In diesen gesättigten Märkten ist es nicht<br />
zuletzt aufgrund des wachsenden Angebots<br />
an Konkurrenzdestinationen enorm schwierig,<br />
neue Gäste zu gewinnen, respektive die<br />
bestehenden zu halten. Hingegen ist das<br />
Tessin unterdurchschnittlich in Wachstumsmärkten<br />
wie beispielsweise den BRIC-Ländern<br />
(Brasilien, Russland, Indien und China)<br />
vertreten, deren Gästezahlen sich um zwei<br />
Drittel erhöhten. Nur 1,6 Prozent der Gäste<br />
stammen aus dieser Ländergruppe, für die<br />
Schweiz insgesamt erreicht ihr Anteil mehr<br />
als das Doppelte. Das Tessin partizipiert also<br />
nur unterdurchschnittlich an den rasant<br />
wachsenden Einkommen in diesen Ländern.<br />
Gäste aus diesen Staaten sind in der Regel<br />
deutlich spendabler, was neben dem Gastgewerbe<br />
auch anderen Branchen in der Region<br />
wie dem Detailhandel zugute kommt.<br />
In den letzten vier Jahren war in der<br />
Tessiner Hotellerie im Durchschnitt nur<br />
knapp jedes zweite Zimmer besetzt. Dies ist<br />
in vielen Fällen nicht ausreichend, um kostendeckend<br />
zu wirtschaften oder gar eine<br />
befriedigende Profitabilität zu erreichen.<br />
Nicht nur im Tessin weist das Gastgewerbe<br />
strukturelle Probleme auf. Die Branche ist in<br />
den meisten Regionen der Schweiz durch<br />
eine kleinbetriebliche Struktur gekennzeichnet.<br />
42 Prozent der Beschäftigten arbeiten<br />
in Betrie ben mit weniger als zehn Mitarbeitenden.<br />
Viele dieser Betriebe sind zu<br />
klein, um Skalenerträge erzielen zu können,<br />
was ihre tiefe Rentabilität zumindest teilweise<br />
erklärt. Nicht einmal in konjunkturellen<br />
Boomphasen erwirtschaften sie genügend<br />
finanzielle Mitte l, damit die notwendigen Ersat<br />
z- und Erneuerungsinvestitionen getätigt<br />
werden können, um den wandelnden Gästebedürfnissen<br />
gerecht zu werden. Zudem<br />
weist die Tourismusdestination Schweiz im<br />
Vergleich zu ihrer Konkurrenz einen Kostennachteil<br />
auf, besonders in Bezug auf die<br />
Arbeitsauslagen. Trotzdem ist der internationale<br />
Tourismus ein Wachstumsmarkt, insbesondere<br />
aufgrund der rasch wachsenden<br />
Einkommen in den Schwellenländern. Die<br />
Schweiz wie auch das Tessin verfügen über<br />
eine grosse landschaftliche Vielfalt, eine<br />
Topinfra struktur und eine Reputation als<br />
Prestigedestination. Dies sind gute Voraussetzungen,<br />
um von dieser Entwicklung zu<br />
profitieren. Nicole Brändle, Economic Research<br />
Mehr Informationen unter<br />
www.credit-suisse.com/research<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 41<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Credit Suisse AG<br />
Postfach 2<br />
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Redaktion<br />
Daniel Huber (Chefredaktor, dhu), Marcus Balogh (mb),<br />
Valérie Clapasson Fahrni (cfv), Fabienne de Lannay (fdl),<br />
Dorothée Enskog (de), Regula Gerber (rg), Michael Krobath (mk),<br />
Mandana Razavi (mar) und Andreas Schiendorfer (schi)<br />
E-Mail<br />
redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com<br />
Mitarbeit an dieser Ausgabe<br />
Pierre-Yves Bolinger, Nicole Brändle, Simon Evenett,<br />
Eva Halper, Fredy Hasenmaile, Barbara Hatebur,<br />
Anja Hochberg, Fabian Huwyler, Lukas Lessing, Pascal Rohner,<br />
Stefanie Schramm, Andreas Walker, Adrian Zürcher<br />
Internet<br />
www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />
Marketing<br />
Veronica Zimnic (vz)<br />
Korrektorat<br />
Claudia Marolf, notabene<br />
Boris Rebetez (*1970), Anticipations IV, 2009, schwarze und grüne Tinte auf Papier, 555 x 75 cm.<br />
Seit Ende März ausgestellt in der Geschäftsstelle Freiburg.<br />
Übersetzungen<br />
Credit Suisse Language Services<br />
Foto: Credit Suisse<br />
Moderne Illusionsräume<br />
In der grosszügigen neuen Besprechungszone im ersten Obergeschoss<br />
der Geschäftsstelle Freiburg vereinen sich traditionelle Gemälde von Künstlern<br />
aus dem lokalen Fundus mit zeitgenössischen Werken aus der Sammlung<br />
Credit Suisse. Besonderes Augenmerk wurde auf die Einbettung der Werke in<br />
ihre jeweilige Raumsituation gelegt. So dürften im zentralen Foyer nicht wenige<br />
der aus dem Lift tretenden Kundinnnen und Kunden von zwei schwungvollen<br />
Zeichnungen überrascht werden. Im Stil einer virtuosen Bande dessinée führt<br />
der 1970 im Jura geborene und heute in Basel lebende Künstler Boris Rebetez<br />
seine Auseinandersetzung mit dem Raum vor: Raum in Bezug zu Architektur,<br />
Landschaft oder Natur. In unterschiedlichsten Medien erarbeitet und erprobt der<br />
Künstler Raumkonzepte und spielt mit der Wahrnehmung von Innen- und<br />
Aussenbereichen. «Anticipations IV» (2009) gehört einer während eines Studienaufenthalts<br />
in Rom entstandenen Werkreihe an und zeigt eine in schwungvoller<br />
Federführung ausgeführte, auf einem Sockel stehende Plastik im Vordergrund.<br />
Die elliptische Form lässt Ein- und Durchblicke zu, lotet das Innen und<br />
Aussen durch Umkehrung wie auch durch Öffnungen aus. Eine Art Treppe,<br />
die an ein Auditorium oder an ein Amphitheater erinnert, schliesst die Zeichnung<br />
gegen hinten ab und lenkt den Blick wiederum auf das davor platzierte Kunstwerk.<br />
Schwarze Linien werden dynamisch gezogen, ballen sich zu Schraffuren<br />
oder verdichten sich zu Flächen. Die Härte des Schwarz wird durch verwässertes<br />
Grün gedämpft. Unsicher ist, ob es sich wirklich um eine Architektur<br />
handelt, und in welchem Bezug die vermeintliche «Plastik» zu ihr steht. Auch<br />
die Menschen werden im Hintergrund nur angedeutet und verorten sich nicht.<br />
Boris Rebetez operiert mit Architekturmodellen, die realitätsnah scheinen<br />
und zugleich irritieren, indem sie sich zu modernen Illusionsräumen auflösen.<br />
Mehr Informationen unter www.credit-suisse.com > Wir über uns ><br />
Sponsoring > Kunst > Sammlung Credit Suisse Barbara Hatebur, Fachstelle Kunst<br />
Gestaltung<br />
www.arnold.inhaltundform.com:<br />
Arno Bandli, Raphael Bertschinger, Monika Häfliger,<br />
Nadia Bucher (Projektmanagement), Carola Bächi (Korrektorat)<br />
Inserate<br />
print-ad kretz gmbh, Andrea Hossmann und Esther Kretz,<br />
General-Wille-Strasse 147, CH-8706 Feldmeilen,<br />
Telefon +41 44 924 20 70, <strong>bull</strong>etin@kretzgmbh.ch<br />
Beglaubigte WEMF-Auflage 2009<br />
145 504<br />
ISSN-Registrierung<br />
ISSN 1423-1360<br />
Druck<br />
NZZ Fretz AG /Zollikofer AG<br />
Redaktions kommission<br />
Richard Bachem (Head Marketing Private and Business<br />
Banking Switzerland), René Buholzer (Head Public Policy), Urs<br />
P. Gauch (Leiter Firmenkunden Schweiz – Grossunternehmen),<br />
Fritz Gutbrodt (Direktor Credit Suisse Foundation), Anja Hochberg<br />
(Head Investment Strategy Asset Management), Angelika<br />
Jahn (Investment Services & Products), Bettina Junker Kränzle<br />
(Head Internal Corporate Publishing & Services), Hanspeter<br />
Kurzmeyer (Head Private Clients Switzerland), Martin Lanz<br />
(Economic Research), Andrés Luther (Head Group Communications),<br />
Charles Naylor (Head Corporate Communications),<br />
Christian Vonesch (Head Private & Business Banking Aarau)<br />
Erschei nt im 116. Jahrgang<br />
(5 x pro Jahr in deutscher, französischer, italienischer und<br />
englischer Sprache) Nachdruck von Texten gestattet mit dem<br />
Hinweis «Aus dem <strong>bull</strong>etin der Credit Suisse».<br />
Adress änderungen<br />
Bitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts<br />
an Ihre Credit Suisse Geschäftsstelle oder an:<br />
Credit Suisse AG, SULA 213, Postfach <strong>10</strong>0, CH-8070 Zürich.<br />
Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken.<br />
Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens<br />
der Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften.<br />
Hinweise auf die frühere Performance garantieren nicht<br />
notwendi gerweise positive Entwicklungen in der Zukunft.<br />
Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation<br />
wurden durch die Credit Suisse erarbeitet und könnten<br />
vor ihrer Weitergabe an die Kunden von Credit Suisse bereits<br />
für Transaktionen von Gesellschaften der Credit Suisse<br />
Group verwendet worden sein. Die in diesem Dokument vertretenen<br />
Ansichten sind diejenigen der Credit Suisse<br />
zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vorbehalten.)<br />
Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
42 Credit Suisse<br />
Mit Roger Federer auf Schulbesuch<br />
in Kore Roba, Äthiopien<br />
Am 12. Februar 20<strong>10</strong> reiste Roger Federer nach Kore Roba, einem kleinen Dorf nördlich von<br />
Addis Abeba, wo seine Foundation seit drei Jahren ein Schulprojekt unterstützt. Wie der<br />
zurzeit weltbeste Tennisspieler im Dorf empfangen wurde und wie er sich im Rennen über einen<br />
Kilometer gegen die besten Läufer der Schule behauptete, schildert folgender Bericht.<br />
Singen und Klatschen mit dem Tennisstar: Roger Federer unterstützt mit seiner Foundation seit drei Jahren die Schule in Kore Roba.<br />
In dieser Zeit stieg die Zahl der Schüler von 250 auf 4<strong>10</strong> Kinder und der Anteil der Mädchen von 38 auf 51 Prozent.<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 43<br />
Fotos: Marcel Grubenmann | Daniel Huber<br />
Als Roger Federer in Addis Abeba landet,<br />
regnet es in Strömen. In Äthiopien gibt es<br />
jeweils im Februar die so genannte kleine<br />
Regenzeit, bei der es zwar nicht ständig, aber<br />
recht häufig regnet. Die Reise führt durch<br />
die Siebenmillionen-Metropole Addis Abeba<br />
hinauf ins hügelige Hochland der Region<br />
Sululta. «Irgendwie hatte ich mir Äthiopien<br />
viel karger und trockener und nicht so grün<br />
vorgestellt», sagt Federer. «Diese Landschaft<br />
hier oben ist wirklich wunderschön.»<br />
Nach etwa einer Stunde Fahrt heisst es<br />
aussteigen. Das letzte schlammig zerfurchte<br />
Wegstück bis zur Schule ist nur mit Geländewagen<br />
oder eben zu Fuss zu schaffen. Federer<br />
übernimmt mit Hailu Benti und der Übersetzerin<br />
die Spitze. Hailu ist der Leiter der regional<br />
verankerten Hilfsorganisation EFDA,<br />
welche dank der Unterstützung der Roger<br />
Federer Foundation den Zugang und die<br />
Qualität der Bildung in zwei Schulen nachhaltig<br />
verbessern konnte. Nach einer Viertelstunde<br />
ist die Schule, die aus drei gemauerten<br />
Gebäuden und zwei sanitären<br />
Wellblechhütten besteht, erreicht. Federer<br />
wird am Eingang von rund 400 singenden<br />
Kindern empfangen. Sichtlich gerührt begrüsst<br />
er die Leiterin der Schule. «Ich war<br />
nur schon vom Gesang dieser Kinder zu<br />
Tränen gerührt», erzählt er später. «Als ich<br />
dann noch erfuhr, was sie sangen, war es<br />
gleich nochmals so weit.» Father Roger,<br />
welcome here, good to see you, ...<br />
Säuerliches Fladenbrot und Gelächter<br />
Mittlerweile ist die ganze Besuchergruppe<br />
durch die Spalier stehenden Kinder auf dem<br />
Schulplatz eingetroffen. Federer ist eingetaucht<br />
in der Menge, drückt hier einem<br />
schüchternen Mädchen in weissem Sonntagskleid<br />
die Hand, spricht da mit einer Lehrerin<br />
ein paar Worte und lässt sich von Hailu<br />
die verschiedenen Neuerungen erklären. Die<br />
Schule liegt am Rande einer Dorfsiedlung,<br />
die aus lose angeordneten Hütten besteht.<br />
Die drei Gebäude beherbergen mehrere<br />
Schulzimmer, eine Bibliothek sowie eine Art<br />
Büro und Lehrerzimmer. Daneben ist ein<br />
grosses Feld, wo neben weidenden Ziegen<br />
Kinder herumrennen und Volleyball spielen.<br />
In einem provisorisch aufgestellten Zelt<br />
wird zu einem traditionellen Injera-Mahl geladen.<br />
Dabei dient ein säuerliches Fladenbrot<br />
als Teller und Speise zugleich. Von Hand<br />
werden kleine Stücke des Injera abgerissen,<br />
um damit die anderen Speisen zu umwickeln<br />
und zum Mund zu führen. Roger wird von<br />
1 2<br />
1 Roger Federer, abgeschlagen weit hinten im roten T-Shirt, ist beim Kilometerlauf auf 2500 Metern Höhe<br />
chancenlos. 2 Reich beschenkt: der weltbeste Tennisspieler in den Farben Äthiopiens.<br />
Äthiopien in Zahlen<br />
Grösse<br />
1 127 127 km 2<br />
(mehr als dreimal so gross wie Deutschland)<br />
Bevölkerung<br />
76 Mio.<br />
Lebenserwartung<br />
47,6 Jahre<br />
Ernährung<br />
47%<br />
der Kinder unter fünf Jahren sind unterernährt<br />
Zugang zu Trinkwasser<br />
22%<br />
der Bevölkerung (Stadt 90%, Land 20%)<br />
Analphabetenrate<br />
58,5%<br />
Einschulungsquote<br />
46%<br />
Grundschule<br />
25%<br />
Sekundarschule<br />
Kindern mit Fragen überhäuft. Noch so gerne<br />
erzählt er von seinen eigenen Zwillingstöchtern<br />
Myla und Charlene. Ein Mädchen möchte<br />
darauf wissen, wie alt er sei. «Was schätzt<br />
du?», gibt der 28-jährige Federer die Frage<br />
zurück. Worauf diese zaghaft meint: «Bei den<br />
Weissen kann ich das nicht so gut sagen –<br />
45?» Die Stimmung im Zelt ist auf dem Höhepunkt.<br />
«Your Excellency Roger Federer»<br />
Kore Roba<br />
Dann kommt es zum offiziellen Teil des Besuchs.<br />
In einem der Schulzimmer, das blau<br />
ausgestrichen ist und dessen Lehmboden zu<br />
Ehren des hohen Gastes mit frischem Gras<br />
bestreut ist, hält Hailu eine vorbereitete Rede.<br />
Verschiedentlich spricht er den Gast mit<br />
«Your Excellency Roger Federer» an, was<br />
dieser mit einem Lächeln zur Kenntnis nimmt.<br />
Hailu zeigt auf, was für Fortschritte in der<br />
Kenia<br />
Eritrea<br />
Addis Abeba<br />
Dschibuti<br />
Somalia<br />
Schule von Kore Roba dank der Unterstützung<br />
der Foundation möglich waren. So stieg<br />
die Zahl der Schüler von 250 auf 4<strong>10</strong> Kinder<br />
an und der Anteil der Mädchen von 38 auf<br />
51 Prozent. Zudem konnte ein neues Gebäude<br />
mit vier Klassenzimmern fertiggestellt<br />
und nicht zuletzt konnten auch die Lehrer und<br />
Lehrerinnen besser geschult werden. Für<br />
das ganze Dorf von grosser Bedeutung war<br />
zudem die Install ation einer neuen Trinkwasser-Handpumpe<br />
am Rande des Schulgeländes,<br />
die auch noch von Federer offiziell eingeweiht<br />
wurde. Gemäss der Tradition des<br />
Landes wird während des Vortrags von einer<br />
Lehrerin in einer aufwändigen Zeremonie<br />
frischer Kaffee zuerst geröstet und dann aufgebrüht.<br />
Federer kommt seinen Pflichten als<br />
Ehrengast gerne nach und schneidet das<br />
riesige, süsslich schmeckende Brot an und<br />
verteilt Tassen mit aromatischem Kaffee. ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
44 Credit Suisse<br />
Zurück im Freien steht nun der eigentliche<br />
Höhepunkt des Besuchs an: Roger Federer<br />
misst sich mit den besten Läufern der Schule<br />
über eine Distanz von einem Kilometer. Die<br />
Strecke ist mit Fähnchen und Seilen notdürftig<br />
auf dem ackerähnlichen Feld neben der<br />
Schule ausgesteckt. Nach einem kurzen<br />
Blick auf die schon etwas älteren, sich einlaufenden<br />
Teenager gibt sich Federer bescheiden:<br />
«Die sehen sehr laufstark aus.<br />
Gegen die werde ich wohl kaum eine Chance<br />
haben.» Nach einem etwas chaotischen<br />
Start sorgt insbesondere die zufällig auf der<br />
Laufstrecke weidende Ziege, die sich spontan<br />
dem Läuferfeld anschliesst, für ausgelassenes<br />
Gelächter. Federer ist chancenlos,<br />
hält aber tapfer die drei Runden durch. Sichtlich<br />
gezeichnet sagt er im Ziel: «Die Höhe<br />
von fast 2500 Metern hat mir schon recht zu<br />
schaffen gemacht, auch trainiere ich nie<br />
Langstrecken, sondern vor allem Intervall-<br />
Sprints.» Was ihn aber vor allem tief beeindruckte:<br />
«Die Strecke war voller Löcher mit<br />
Steinen und Dornen und weiss nicht was,<br />
und viele von diesen Kindern sind barfuss<br />
gerannt, unglaublich!» Glücklicherweise kamen<br />
alle Fussgelenke heil ins Ziel.<br />
Bälle im Tausch gegen Strickmütze<br />
Nach der Siegerehrung werden Gastgeschenke<br />
ausgetauscht. Roger übergibt den<br />
Schulverantwortlichen im Namen der Foundation<br />
eine Reisetasche voll mit Bällen,<br />
T-Shirts und Mützen. Im Gegenzug übergeben<br />
ihm Kinder eine handgestrickte Mütze<br />
mit Schal in den äthiopischen Landesfarben,<br />
die er spontan anzieht. Dazu kommen handgewobene<br />
Stoffe, Schale, ein Korb und vieles<br />
mehr für die Familie. In der Zwischenzeit<br />
sind über den Hügeln immer mehr bedrohlich<br />
schwarze Gewitterwolken aufgezogen. Die<br />
Fahrer drängen zum Aufbruch. Roger besteigt<br />
sichtlich zufrieden den Bus und winkt<br />
den strahlenden Kindergesichtern entlang<br />
dem Weg ein letztes Mal zu. Für ihn steht<br />
fest: «Dieser Besuch hat sich für mich sehr<br />
gelohnt. Ich wurde reich beschenkt – vor<br />
allem auch mit bleibenden Eindrücken.»<br />
Daniel Huber<br />
<br />
<br />
Die Credit Suisse unterstützt die Foundation<br />
von Roger Federer im Rahmen der im Herbst<br />
2009 eingegangenen Sponsoringpartner -<br />
schaft jährlich mit einer Million US-Dollar<br />
Infos unter www.rogerfedererfoundation.org<br />
Lesen Sie auch das grosse Interview<br />
mit Roger Federer auf Seite 86.<br />
Die Logistik ist der Motor<br />
der ersten Hilfe<br />
Seit dem 12. Januar vergeht kaum eine Woche ohne Schlagzeilen aus<br />
Haiti. Bei allem Elend gibt es auch Lichtblicke: Die Hilfswerke, allen voran<br />
die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften,<br />
melden beeindruckende Erfolge. Wichtig waren vor allem die ersten Tage.<br />
Eine Spende aus dem Katastrophenhilfe-Fonds der Credit Suisse ermöglichte<br />
dem Schweizerischen und Amerikanischen Roten Kreuz schnelles Handeln.<br />
Eine Katastrophe kommt leider selten allein.<br />
Dieses Jahr setzte die Regenzeit in Haiti<br />
bereits in der zweiten Märzhälfte ein, rund<br />
drei Wochen früher als üblich. Für die Hilfswerke<br />
aus aller Welt begann ein nervenaufreibender<br />
Wettlauf mit der Zeit. Würde<br />
es gelingen, den 1,3 Millionen Menschen, die<br />
durch das Erdbeben ihr Obdach verloren hatten,<br />
einen trockenen Platz zu verschaffen?<br />
Schliesslich schafften sie es – weil ein<br />
Scheitern fatal gewesen wäre. Doch es waren<br />
enorme Anstrengungen nötig, die alle<br />
Beteiligten an die Grenzen ihrer Leistungsund<br />
auch Leidensfähigkeit brachte. «Wir<br />
haben 700 Zelte, 1700 Planen, 3000 Matratzen<br />
und viele weitere Güter geliefert, die<br />
das einheimische Rote Kreuz an Obdachlose<br />
verteilte», berichtet Hannes Heinimann, Leiter<br />
Katastrophen hilfe des SRK. «Zudem stellte<br />
das SRK die Logistik für die Hilfsgüterlieferungen<br />
der Rotkreuz-Bewegung sicher.»<br />
Auch wenn sie in der Regel nicht gebührend<br />
gewürdigt wird, so ist in der Katastrophenhilfe<br />
doch die Logistik das A und O des<br />
Erfolgs. Unmittelbar nach dem Beben sandte<br />
die ganze Welt Hilfsgüter nach Haiti, doch<br />
manch ein Flugzeug musste unverrichteter<br />
Dinge wieder umkehren, weil es auf dem<br />
kleinen, halbzerstörten Flughafen von Porteau-Prince<br />
nicht landen konnte. Und wo Hunderte<br />
von Tonnen, die natürlich trotzdem<br />
ankamen, zwischenlagern? Wie sie ver teilen?<br />
Ab dem 18. Januar über nahm das Nothilfeteam<br />
des SRK die Abwicklung aller<br />
Rotkreuz-Hilfslieferungen – total 5000 Tonnen,<br />
die von der Mehrzahl der 186 nationalen<br />
Gesellschaften stammten.<br />
«Die Katastrophenhilfe des Roten Kreuzes<br />
ist in den letzten 15 Jahren immer professioneller<br />
geworden», erklärt Thomas Kumpera,<br />
der Programmverantwortliche für Nothilfeaktionen.<br />
«Die verschiedenen nationalen<br />
Gesellschaften konzentrieren sich dabei<br />
auf genau definierte Bereiche, damit sie<br />
sich im Ernstfall optimal ergänzen können.<br />
Die Schweiz ist, wie fünf weitere Länder,<br />
auf die Logistik spezialisiert. Wir haben entsprechend<br />
geschulte Katastrophenhelfer<br />
und verfügen über das nötige Material. Zudem<br />
können wir im Bereich gesundheitliche<br />
Basishilfe geschultes Personal stellen.»<br />
Beim Roten Kreuz spricht man von Notfall-Soforthilfeeinheiten<br />
beziehungsweise in<br />
der englischen Föderationssprache Emergency<br />
Response Units (ERUs). Nach dem<br />
Hilfegesuch des Haitianischen Roten Kreuzes<br />
landete umgehend eine Anfrage der<br />
Föderation in Bern, ob die Schweiz die ><br />
Das Rote Kreuz in Haiti 18 nationale Rotkreuzgesellschaften sind<br />
derzeit in Haiti im Einsatz. So hat das Britische Rote Kreuz in Santo<br />
Domingo ein zweites Logistikzentrum eingerichtet und ist zudem<br />
im Bereich sanitäre Einrichtungen engagiert. Das Amerikanische Rote<br />
Kreuz wiederum konzentriert sich auf IT/Telekommunikation sowie auf<br />
Aufräumarbeiten und Unterkünfte. Die Mitarbeitenden der Credit Suisse<br />
trugen ebenfalls zur Finanzierung bei. Sie haben weltweit ansehnliche<br />
Summen gesammelt. Der Betrag wurde von der Bank um das Doppelte<br />
erhöht und anschliessend der entsprechenden nationalen Rotekreuzgesellschaft<br />
zur Verfügung gestellt. Das Schweizerische Rote Kreuz ist<br />
weiterhin dankbar für jede Spende auf das Postcheckkonto 30-9700-0<br />
(Haiti). Aktuelle Informationen über die Situation in Haiti findet man<br />
unter www.redcross.org sowie www.redcross.ch.<br />
Fotos: Patrice Charmillot, SRK | American Red Cross<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 45<br />
1<br />
2<br />
3 4<br />
1 Beim Erdbeben in Haiti verloren rund 1,3 Millionen Menschen ihr Obdach, weit über 200 000 sogar ihr Leben. 2 Ein auf den ersten Blick wenig spektakuläres<br />
Foto; aber ohne die Arbeit der Logistiker des Schweizerischen Roten Kreuzes, rechts Andrea Schmid, wäre die Hilfe für die notleidende Bevölkerung fast nicht<br />
möglich. 3 Die Mehrzahl der Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaften schickten Hilfsgüter, deren 18 sind vor Ort präsent. 4 Das Amerikanische Rote Kreuz<br />
hat sich auf IT/Telekommunikation sowie auf die Erstellung von Unterkünften spezialisiert. Letzteres war in Haiti angesichts der drohenden Regenzeit besonders<br />
wichtig; davon konnte sich Eric Eckholdt, Leiter der Credit Suisse American Foundation, im amerikanischen Hauptquartier persönlich überzeugen.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
46 Credit Suisse<br />
gewünschte Logistics ERU stellen könne.<br />
«Da die Bevölkerung in Haiti nicht englisch,<br />
sondern höchstens französisch spricht, waren<br />
wir gewissermassen erste Wahl», blickt<br />
Thomas Kumpera zurück. «Zudem kannten<br />
wir die örtlichen Verhältnisse bereits sehr gut.<br />
Wir waren ja schon im September 2008 nach<br />
der Hurrikankatastrophe in Haiti.»<br />
Bis die Soforthilfe abgeschlossen ist, sind<br />
drei bis fünf Staffeln à vier Wochen mit<br />
jeweils sechs Logistikern nötig. Da zudem<br />
das deutsche Basic Health Care Team um<br />
Unter stützung durch insgesamt zwölf Gesundheitsspezialisten<br />
bat, waren Kosten<br />
von rund einer Million Franken absehbar.<br />
«Weil die Credit Suisse sofort nach unserer<br />
Zusage aus ihrem Katas trophenhilfe-<br />
Fonds eine Million Dollar zusicherte, die je<br />
zur Hälfte an das SRK und an das Amerikanische<br />
Rote Kreuz ging, konnten wir unsere<br />
Hilfeleistungen sofort ausbauen respektive<br />
erhöhen», so Wanda Arnet, die beim SRK für<br />
Corporate Partnerships zuständig ist.<br />
In vier Wochen 2000 Tonnen abgefertigt<br />
«Ich bin froh, diesen wichtigen Einsatz geleistet<br />
zu haben», sagt Andrea Schmid. «Wir<br />
fertigten 43 Frachtflüge und <strong>10</strong> Seecontainer<br />
mit mehr als 2000 Tonnen Material ab.<br />
Danach waren wir total erschöpft. Wir arbeiteten<br />
jeden Tag von morgens um sechs bis<br />
tief in die Nacht. Hitze und Staub machten<br />
uns zusätzlich zu schaffen.» Doch das Positive<br />
überwog. Sehr angenehm empfand<br />
Andrea Schmid die Zusammenarbeit mit<br />
den lokalen Rotkreuz-Mitarbeitenden. «Wir<br />
konnten auf das Vertrauensverhältnis aufbauen,<br />
das beim letzten Einsatz vor zwei<br />
Jahren entstand. Nun sind daraus Freundschaften<br />
geworden.» Und bei Schlagzeilen<br />
wie etwa nach der <strong>10</strong>0 000. Schutzimpfung<br />
des Roten Kreuzes (am 4. März) wissen die<br />
Schweizer, dass sie dank der im Hintergrund<br />
geleisteten Unterstützung ebenfalls zum<br />
Erfolg beigetragen haben.<br />
Mittlerweile sind die Vorbereitungen des<br />
SRK für mittel- und langfristige Aufbauhilfe<br />
angelaufen. «Wir führen Projekte in Léogâne,<br />
Jacmel und Artibonite durch, so etwa die<br />
Instandstellung einer Tuberkuloseklinik», erläutert<br />
Thomas Kumpera. «In Haiti ist unsere<br />
Hilfe noch sehr lange nötig.»<br />
«Das SRK leiste te 2009 über 20 Nothilfeund<br />
Katastrophen einsätze», führt Hannes<br />
Heinimann abschliessend aus. «Jährlich<br />
werden 200 Millionen Menschen Opfer von<br />
extremen Naturkatastrophen. Häufig werden<br />
sie durch die globale Erwärmung verursacht.»<br />
Die Arbeit geht dem SRK also nicht aus;<br />
Haiti ist nur ein Beispiel von vielen. schi<br />
Die Normalität kehrt zurück<br />
Die Erdbeben in Haiti Anfang 20<strong>10</strong> haben die Weltöffentlichkeit erschüttert.<br />
Die weltweit gesammelten Spenden helfen, kurzfristig die Not zu lindern und<br />
mittelfristig die Rückkehr in die Normalität zu ermöglichen. In Italien, wo<br />
die Abruzzen im Frühjahr 2009 von einem Erdbeben heimgesucht worden sind,<br />
ist man bereits einen Schritt weiter. Im Februar wurde beispielsweise ein<br />
Schul haus in Poggio Picenze, einer Gemeinde in der Provinz L’Aquila, eingeweiht.<br />
Rosalba mit Loris, Valbona mit Nurije und<br />
Aleina. Das verheerende Erdbeben in den<br />
Abruzzen in Italien am 6. April 2009 kostet<br />
die Mütter und ihre Kinder das Leben.<br />
Mit einer Stärke von 5,8 auf der Richterskala<br />
trifft es vor allem das historische<br />
Zentrum von Poggio Picenze, die Gebäude<br />
halten solch starken Erschütterungen nicht<br />
stand. Hier sterben auch zwei Italiener und<br />
drei Mazedonier, die in diesem Ort seit vielen<br />
Jahren zu Hause waren und zu einer<br />
engagierten Gruppe von Menschen gehörten,<br />
die der grossen Landflucht in der Vergangenheit<br />
etwas entgegenhalten wollten. Sie hatten<br />
Erfolg – die Einwohnerzahl des Ortes war<br />
nach und nach wieder auf 1200 Einwohner<br />
angestiegen. Besonders bemerkbar macht<br />
sich die Zerstörung im nur drei Kilometer entfernten<br />
Onna, wie Kartenhäuser fallen hier<br />
viele Häuser zusammen. Dennoch hält sich<br />
die Zahl der Toten in Poggio Picenze in Grenzen,<br />
weil viele der neueren Häuser unter erdbebensicheren<br />
Gesichtspunkten erbaut wurden<br />
und den Erschütterungen standhalten<br />
können. Am schwersten trifft es die Schulen.<br />
Der Ort, an dem Nicola Menna Bürgermeister<br />
und gleichzeitig Schulleiter ist, ist einer<br />
der Ersten, der sich nach der Tragödie neu<br />
organisiert.<br />
Provisorischer Unterricht in Containern<br />
Schon am 16. April, also zehn Tage nach<br />
dem Beben und fünf Tage nach den Bestattungen<br />
der Opfer, wird der Unterricht wieder<br />
aufgenommen, jedoch nicht in den angeschlagenen<br />
historischen Gebäuden, sondern<br />
in sechs Containerbauten, errichtet auf dem<br />
Platz vor der historischen Kirche San Felice<br />
Martire. Die ebenfalls schwer beschädigte<br />
Kuppel der Kirche wird abgestützt und das<br />
Gebäude für jeden Zugang gesperrt. Man<br />
findet Zeit aufzuatmen, sich umzusehen, und<br />
schon bald beginnt überall der Wiederaufbau.<br />
Monatelang ist die Kulisse von den Zeltstädten<br />
geprägt, denn die Menschen ziehen es<br />
vor, in diesen Provisorien zu übernachten,<br />
statt sich in einem bequemen Hotel an der<br />
Adriaküste einzurichten. Zunächst befasst<br />
man sich mit dem Kindergarten. Schnell<br />
wird klar, dass das Gebäude nicht mehr zu<br />
retten ist, die Neuerrichtung wird einer Gruppe<br />
venezianischer Unternehmen anvertraut.<br />
Nach weiteren sorgfältigen Untersuchungen<br />
lässt man auch von einer Restaurierung der<br />
Grundschule ab. Es ist Juni, als der Zivilschutz<br />
die Stiftung Fondazione La Stampa-<br />
Specchio dei Tempi aus Turin um Unterstützung<br />
beim Wiederaufbau der Schule bittet.<br />
Die einfluss- und traditionsreiche Stiftung<br />
der beliebtesten Tageszeitung Nordwestitaliens<br />
zählt auf die Solidarität der Leser und<br />
organisiert seit gut 55 Jahren Hilfsaktionen<br />
für von schweren Katastrophen betroffene<br />
Gebiete in Italien und häufig auch im Ausland.<br />
Darunter waren bisher eine Kampagne<br />
gegen den Hunger in Indien, Hilfe für die<br />
Flüchtlinge aus dem Kosovo und Unterstüt-<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 47<br />
Fotos: Angelo Conti | Janine Händel<br />
1<br />
3<br />
1 Langsam beginnt die Sonne wieder zu scheinen ... 2 Die farbenprächtige und zweckmässige Schule<br />
von Poggio Picenze passt bestens ins Dorfensemble. 3 Mitte Februar konnte das Schulhaus für 150 Kinder<br />
von Bürgermeister Nicola Menna offiziell eingeweiht werden. 4 Das ABC als bunter Wandschmuck.<br />
zung für Sri Lanka, I ndien und Thailand nach<br />
dem tragischen Tsunami vor fünf Jahren. Die<br />
Fondazione La Stampa (die später auch die<br />
Schulzentren von Barisciano und Cugnoli<br />
sowie eine Poliklinik neben dem zerstörten<br />
Krankenhaus von L’Aquila errichten soll) erhält<br />
den offiziellen Auftrag erst im Juli.<br />
Die Planung läuft an, und die Gemeinde<br />
soll möglichst schnell die ausgewählte Fläche<br />
direkt bei der Kirche San Felice neu be bauen.<br />
Im September 2009 beginnen schliesslich<br />
die Arbeiten an den Fundamenten. Die weitere<br />
Tätigkeit erfährt durch eine grosszügige<br />
Spende der Credit Suisse Auftrieb.<br />
Beginn des Aufbaus im Oktober<br />
2<br />
4<br />
Noch einmal verzögern sich die Arbeiten jedoch,<br />
da die Gemeinde Poggio Picenze sich<br />
wünscht, dass auch die Schulküche sowie<br />
der Speisesaal für den Kindergarten und die<br />
Schüler der Mittelstufe neu errichtet werden.<br />
Die Fondazione La Stampa willigt ein, worauf<br />
das gesamte Schulgebäude neu geplant<br />
werden muss. Man beeilt sich, doch die<br />
Ausarbeitung der neuen Pläne und der anschliessende<br />
Umbau der Fundamente erfordern<br />
einige Wochen.<br />
Im Oktober kann der Aufbau schliesslich<br />
beginnen, die Arbeiten erstrecken sich über<br />
die häufig verschneiten Monate November<br />
und Dezember. Ende Januar ist das Hauptge<br />
bäude fertig und es werden die gesetzlich<br />
vorgeschriebenen Überprüfungen durch geführt.<br />
Nach dem zufriedenstellenden Abschluss<br />
dieser Kontrollen können die Kinder<br />
in den ersten Februartagen endlich wieder<br />
eine richtige und vor allem beheizte Schule<br />
mit grossen, komfortablen und sicheren<br />
Unterrichtsräumen besuchen. Und diese von<br />
der Foca Group aus Villarbasse (Turin) erbaute<br />
Schule mit der Energieeffizienzklasse A<br />
ist zudem vollkommen erdbebensicher.<br />
Der erste Schultag ist von starken Emotio<br />
nen geprägt, denn die Erinnerungen an das<br />
Erdbeben und die ihm zum Opfer gefallenen<br />
Schulkameraden und deren Familien werden<br />
noch einmal mit voller Intensität wach. Doch<br />
langsam kehrt man zur Normalität zurück,<br />
das Leben kann weitergehen.<br />
Angelo Conti, Direktor der Fondazione La Stampa<br />
Der Katastrophenhilfe-Fonds<br />
der Credit Suisse<br />
Im Anschluss an die Katastrophe<br />
des 11. September 2001 gründete<br />
die Credit Suisse eine Stif tung<br />
mit dem Zweck, unbürokratisch<br />
Hilfe an Betroffene zu leisten.<br />
Erstmals kam dieser Katastrophenhilfe-Fonds<br />
nach dem Tsunami<br />
zum Einsatz. Mit über drei Millionen<br />
Schweizer Franken wurden<br />
Wiederaufbauprojekte in Sri Lanka<br />
und In donesien unterstützt.<br />
Seitdem engagiert sich der Fonds<br />
regelmässig nach Naturkatastrophen,<br />
die internationaler Hilfe<br />
bedürfen. So geschehen nach<br />
dem Wirbelsturm in Myanmar, den<br />
Erdbeben in China, Italien, Indonesien<br />
und in den Philippinen und<br />
zuletzt mit grossem Engagement<br />
in Haiti. Wichtiger Bestandteil<br />
des Engagements ist jeweils das<br />
Sammeln von Spenden geldern<br />
unter den Mitarbeitenden der<br />
Credit Suisse. Das Resultat der<br />
Sammelaktionen wird vom Katastrophenhilfe-Fonds<br />
je nach Fall<br />
verdoppelt oder verdreifacht und<br />
aufgerundet. Die Mittel werden<br />
bevorzugt für den Wiederaufbau<br />
von Schulen durch erfahrene<br />
Non-Profit-Organisationen eingesetzt.<br />
In Poggio Picenze (Italien)<br />
sorgte die Credit Suisse mit der<br />
Fondazione La Stampa dafür, dass<br />
150 Kinder nach nur neun Monaten<br />
wieder in neuen, erdbebensicheren<br />
Räumlichkeiten zur Schule<br />
gehen konnten. In Haiti unterstützt<br />
die Credit Suisse vor allem die<br />
Tätigkeit des Amerikanischen und<br />
des Schweizerischen Roten<br />
Kreuzes. Janine Händel<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
48 Credit Suisse<br />
Kleinkredite als Motor für<br />
Kleinunternehmer<br />
Ein Kredit im Wert von 1<strong>10</strong>0 US-Dollar für einen Kühlschrank ermöglichte<br />
einem Kleinunternehmer in Tansania die Erweiterung seines Restaurants.<br />
Heute floriert sein Geschäft, und er konnte noch einmal expandieren – unter<br />
anderem dank der Credit Suisse Microfinance Capacity Building Initiative.<br />
finanziellen Grenzen stiess. Ein erster Kredit<br />
von FINCA in der Höhe von 1<strong>10</strong>0 US-Dollar<br />
erlaubte ihm, sich einen neuen Kühlschrank<br />
anzuschaffen. Folglich konnte er seine Produktpalette<br />
erweitern und mehr Kunden<br />
verkös tigen. Ein weiterer Kredit, ein weiterer<br />
Kühlschrank und die Eröffnung eines zweiten<br />
Restaurants liessen kein Jahr auf sich warten.<br />
Said hat den Schritt über die Armuts schwelle<br />
geschafft: «Was ich heute bin, verdanke ich<br />
FINCA.» Und Pilly, Saids Kreditbearbeiterin,<br />
gibt die Komplimente mit einem Augenzwinkern<br />
zurück: «Er macht die besten Pommes<br />
frites des Viertels.»<br />
Wer morgens durch die geschäftigen und<br />
bisweilen verstopften Strassen von Daressalam<br />
fährt – mit rund 4 Millionen Einwohnern<br />
Tansanias grösste Stadt und wirtschaftlicher<br />
Motor des Landes am indischen<br />
Ozean – wird sich bewusst, dass die Stadtbe<br />
zeich nung «Haus des Friedens» aus längst<br />
vergangenen Tagen stammen muss. Daressalam<br />
lebt und wächst unaufhaltsam, und mit<br />
ihr das Kleingewerbe im ganzen Land. Für<br />
dessen nachhaltiges Wachstum braucht es<br />
in der Regel Kapital von kommerziellen Banken,<br />
zu dem Kleinunternehmer aus den untersten<br />
Einkommensschichten oft gar keinen Zugang<br />
haben. Um diese Situation zu verbessern,<br />
nahm FINCA Tansania – lokaler Ableger<br />
der globalen Mikrofinanzinstitution FINCA<br />
International – 1998 ihre Tätigkeit in Tansania<br />
auf. Die Mission von FINCA ist simpel: Arme<br />
Kleinunternehmer sollen Zugang zu Finanzdienstleistungen<br />
erhalten, damit Arbeit und<br />
Wohlstand geschaffen und der Lebensstandard<br />
verbessert werden können. Mittlerweile<br />
profitieren über 40 000 Kunden von FINCAs<br />
Dienstleistungen in Tansania.<br />
Erfolgreiche Erweiterung<br />
Einer davon ist Said. Gut gelaunt sitzt er im<br />
Stadtteil Ilala vor einem seiner beiden Restaurants,<br />
die er mittlerweile nebst einem<br />
Catering-Service für Hochzeiten erfolgreich<br />
führt. Angefangen hat alles vor zwei Jahren,<br />
als er bei der geplanten Erweiterung seines<br />
kleinen Take-away-Restaurants an seine<br />
Diskrepanz von Angebot und Nachfrage<br />
Ortswechsel in ein anderes afrikanisches<br />
Land: Ruanda. Gut 15 Jahre nach dem Bürgerkrieg<br />
ist das Land auf der wirtschaftlichen<br />
Überholspur. Aber noch immer leben 90 Prozent<br />
der Bevölkerung auf dem Land und<br />
arbeiten meist im informellen Sektor. Nur<br />
14 Prozent werden mit Bankdienstleistungen<br />
bedient. Um die Diskrepanz zwischen Angebot<br />
und Nachfrage an Finanzdienstleistungen<br />
für das untere Ende der Einkommenspyramide<br />
zu verkleinern, wurde 2007 von der<br />
NGO World Relief und der Mikrofinanzorganisation<br />
Opportunity International die Urwego<br />
Opportunity Bank gegründet. Urwego – was<br />
in der lokalen Sprache Kinyarwanda «die<br />
Leiter» bedeutet – bietet ihren Kunden in<br />
23 über das Land verteilten Filia len verschie-<br />
Links Said, ein Kunde von FINCA Tansania, konnte dank mehrerer Kredite der Organisation sein Take-away-Restaurant in Daressalam ausbauen. Er führt heute<br />
zwei Restaurants und einen Catering-Service für Hochzeiten. Rechts Eine Kundin von FINCA Tansania in ihrem Gemischtwarenladen in Daressalam.<br />
Fotos: Credit Suisse<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 49<br />
dene Kredite, Sparmöglichkeiten, Versicherungen,<br />
Geld überweisungen sowie Ausbildungsprogramme<br />
an. Seith, ein Mitarbeiter<br />
von Urwego, ist zu einem Kundentraining am<br />
Hauptsitz der Bank in Kigali unterwegs. Kurz<br />
vor 15 Uhr versammelt sich eine Gruppe von<br />
rund 30 Mikro-Entrepreneurinnen im Freiluft-<br />
Trainingsbereich hinter dem Hauptgebäude.<br />
Wer von Urwego einen Kredit bekommen<br />
möchte, muss auch an Schulungen im Bereich<br />
Buchhaltung oder Kundenumgang teilnehmen.<br />
Heute werden die Geschäftsfrauen<br />
in Kundenbetreuung ausge bildet. Man lernt,<br />
auf deren Bedürfnisse zu achten und sich<br />
strategisch danach auszurichten. Nach einer<br />
lebhaften, interaktiven Stunde sind die Unternehmerinnen<br />
zufrieden. Sie sind mit einem<br />
neuen Kredit ausgestattet und reicher an<br />
Ideen für den Umgang mit den eigenen Kundinnen<br />
und Kunden.<br />
Mobile Kommunikationsgeräte<br />
Im Unterschied zu anderen Mikrofinanz instituten<br />
setzt Urwego konsequent auf technische<br />
Hilfsmittel. Als erstes Institut führte<br />
es den papierlosen Bankverkehr und die<br />
biometrische Identifikation von Kunden ein.<br />
Zukünftig sollen durch mobile Kommunikationsgeräte<br />
und mobile Banken alle potenziellen<br />
Kunden, auch jene im Hinterland, erreicht<br />
werden und der Leitsatz in Erfüllung<br />
gehen: Banki Ya Bose – die Bank für alle.<br />
Fabian Huwyler<br />
Mikrofinanzinitiative 2009<br />
7500<br />
Mitarbeitende wurden von lokalen<br />
Mikro finanzinstituten geschult<br />
2 0 0<br />
Schulungshandbücher<br />
wurden entwickelt<br />
400 000<br />
der Ärmsten dieser Welt konnten<br />
direkt mit verbesserten Dienst leistunge<br />
n unterstützt werden.<br />
Mikrofinanz bekämpft Armut Die Vergabe von Mikrokrediten kann<br />
für Menschen in Entwicklungs- und Schwellen ländern eine wirkungsvolle<br />
Hilfe zur Selbsthilfe sein. Um Mikrofinanz zu fördern und dem Mangel<br />
an Fachkräften und Know-how in diesem Sektor entgegenzuwirken, hat<br />
die Credit Suisse die Microfinance Capacity Building Initiative ins Leben<br />
gerufen. Das Programm vermittelt Tausenden von Mikrofinanzmitarbeitenden<br />
weltweit die nötigen Kompetenzen und ermöglicht Menschen<br />
am unteren Ende der Einkommens pyramide eine n besseren Zugang<br />
zu Finanzdienstleistungen. Dabei arbeitet die Credit Suisse mit vier ausgesuchten<br />
Partnerorganisationen zusammen.<br />
ACCION International www.accion.org, FINCA International www.finca.org, Opportunity International <br />
www.opportunity.org, Swisscontact www.swisscontact.ch<br />
Masibambisane<br />
Die Swiss-South African Co-operation<br />
Initiative (SSACI) hat bis jetzt<br />
50 erfolgreiche Pilotprojekte ermöglicht.<br />
Die Republik Südafrika ist ein wichtiger<br />
Handelspartner der Schweiz und zählt zu<br />
den fortschrittlichsten Ländern Afrikas.<br />
Dennoch sieht sich der Staat mit grossen<br />
Herausforderungen konfrontiert. Jährlich<br />
gelangen 800000 Jugendliche neu auf den<br />
Arbeitsmarkt, doch nur 300000 von ihnen<br />
finden eine Stelle. Deshalb beträgt die<br />
Jugendarbeitslosigkeit in gewissen<br />
Ge bieten über 70 Prozent. Davon betroffen<br />
ist fast nur die schwarze Bevölkerungsmehrheit,<br />
denn nach wie vor leidet sie unter<br />
mangelhaften Bildungs möglichkeiten.<br />
Seit Februar 2001 findet das Schweizer<br />
Engagement in Südafrika in Form einer<br />
Public-Private Development Partnership<br />
(PPDP) statt – und dies so erfolgreich, dass<br />
soeben eine dritte Projektphase angelaufen<br />
ist. In der rechtlich selbständigen Swiss-<br />
South African Co-operation Initiative (SSACI)<br />
unter CEO Ken Duncan arbeitet die Direktion<br />
für Entwicklung und Zusammenarbeit mit<br />
Schweizer Firmen zusammen. Unter dem<br />
Motto Masibambisane – in der Sprache der<br />
Zulu bedeutet dies «Zusammenarbeit» –<br />
möchte man jugendlichen Südafrikanern<br />
den Einstieg ins Berufsleben ermöglichen.<br />
Bis Ende 2009 konnten 50 Pilotprojekte<br />
realisiert werden, die nun vom Staat<br />
weitergeführt werden. In der Pilotphase<br />
profitierten rund 5400 Jugendliche. 92 Prozent<br />
von ihnen erlangten einen Berufsabschluss,<br />
von diesen fanden 80 Prozent<br />
nachher ein eigenes Auskommen. Es<br />
wurden 378 Start-ups gegründet und 650<br />
exis tierende Unternehmen gefördert, so-<br />
dass über 1360 Stellen geschaffen wurden.<br />
Die Credit Suisse ist seit der Gründung<br />
Mitglied der SSACI und wird durch Robert<br />
Judelson im Verwaltungsrat vertreten. schi<br />
Mehr unter www.ssaci.org.za<br />
Die Credit Suisse ist überzeugt, dass die unter nehme rische Verantwortung gegen über<br />
der Gesellschaft und der Umwelt ein wichtiger Faktor für den wirtschaft lichen Erfolg ist.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
50 Credit Suisse<br />
Dialog zum Thema Equator Principles<br />
Banken diskutieren mit<br />
NGOs über Umweltfragen<br />
Vertreter von 15 internationalen Nichtregierungsorgani sa -<br />
tionen (NGOs) und 23 global tätigen Finanzinstituten, die sich<br />
zur Einhaltung der Equator Principles verpflichtet haben,<br />
diskutierten am 3. und 4. Februar 20<strong>10</strong> über Umweltthemen.<br />
Am Anlass, der von der Credit Suisse organisiert worden war,<br />
nahmen neben NGOs des Netzwerks BankTrack weitere<br />
Umweltorganisationen wie etwa der WWF teil. Die Equator<br />
Principles definieren einen auf Weltbank-Richtlinien basierenden<br />
Standard zur Analyse von ökologischen und gesellschaft<br />
lichen Risiken bei Projektfinanzierungen. Die Prinzipien<br />
wurden 2003 von acht Banken aufgestellt, zu denen auch<br />
die Credit Suisse gehörte. Mittlerweile bekennen sich über<br />
60 Banken, die gemeinsam einen grossen Teil des Markts<br />
für internationale Projektfinanzierung abdecken, zur Einhaltung<br />
des Branchenstandards. Der gut besuchte Anlass<br />
bot den Unterzeichnerbanken und den NGOs ein Forum zum<br />
Meinungsaustausch über aktuelle Themen und Entwicklungen.<br />
Zur Sprache kamen unter anderem die Ergebnisse der<br />
UNO-Klimakonferenz in Kopenhagen vom Dezember 2009<br />
sowie deren mögliche Auswirkungen für Banken und ihre<br />
Kunden. Weiter wurden Themen wie Transparenz und Vertraulichkeit<br />
bei Projektfinanzierungen im Rahmen der Equator<br />
Principles diskutiert sowie der Einbezug der von Projekten<br />
direkt betroffenen lokalen Bevölkerung. In angeregten<br />
Gesprächen wurden durchaus auch kontroverse Standpunkte<br />
ver treten. Der intensive Meinungsaustausch förderte jedoch<br />
in konstruktiver Weise das gegenseitige Verständnis über<br />
die teilweise unterschiedlichen Positionen der verschiedenen<br />
Teilnehmenden. Fabian Huwyler<br />
African Leadership Academy<br />
Führungskräfte ausbilden<br />
An der African Leadership Academy<br />
(ALA) in Johannesburg werden<br />
die zukünftigen afrikanischen<br />
Führungs kader ausgebildet. Hochqualifizierte<br />
Jugendliche im Alter<br />
von 15 bis 18 Jahren aus allen<br />
53 afrikanischen Staaten besuchen<br />
eine n zweijährigen Studiengang.<br />
Zu den Lerninhalten gehören<br />
Management, Unternehmertum<br />
und Afrikanistik. Mit Fördermitteln<br />
der Credit Suisse werden Berufsund<br />
Bewerberberatungen sowie<br />
Computerkurse finanziert. Inzwischen<br />
hat die ALA mehr als<br />
50 re nommierte Colleges und Universitäte<br />
n in den USA und Grossbritannien<br />
besucht, um bei den<br />
Bewerber gremien bekannt zu werden.<br />
Umgekehrt besichtigten<br />
bereits 25 Angehörige dieser Gremien<br />
die ALA in Südafrika. Die<br />
Gelder der Credit Suisse wurden<br />
weiter zur Finanzierung von<br />
Tutoren programmen, Internatsaufenthalten<br />
und für die erste ALA-<br />
Jobbörse verwendet. Eva Halper<br />
WWF Earth Hour 20<strong>10</strong><br />
Weltweites Lichterlöschen<br />
für den Klimaschutz<br />
Anzeige<br />
Mit der Aktion Earth Hour setzt der<br />
WWF seit 2007 jährlich Ende März<br />
ein Zeichen für den Klimaschutz.<br />
Regierungen, Unternehmen und<br />
Privatpersonen werden weltweit<br />
dazu aufgerufen, jeweils um 20.30<br />
Uhr Ortszeit für eine Stunde die<br />
Lichter zu löschen. So tauchten am<br />
27. März touristische Wahrzeichen,<br />
Regierungsgebäude, Firmenhauptsitze<br />
oder Einfamilienhäuser und<br />
Mietwohnungen für eine Stunde in<br />
die Dunkelheit. Auch die Credit<br />
Suisse beteiligte sich an der Aktion.<br />
Rund 50 unserer Geschäftsliegenschaften<br />
löschten die Lichter, darunter<br />
der Hauptsitz am Paradeplatz<br />
in Zürich und sämtliche 28 Bürogebäude<br />
in der Region Asien-Pazifik.<br />
In Singapur und Hongkong leisteten<br />
Mitarbeitende der Credit Suisse<br />
Freiwilligeneinsätze, indem sie<br />
Passanten in belebten Einkaufszentren<br />
auf die Aktion aufmerksam<br />
machten. Valérie Clapasson Fahrni<br />
www.earthhour.org<br />
Credit Suisse Americas Foundation<br />
Neues Bildungsprogramm<br />
Bildung spielt für die Entwicklung<br />
und die Zukunft von Kindern und<br />
Jugendlichen eine entscheidende<br />
Rolle. Deshalb lancierte die Credit<br />
Suisse Americas Foundation ein<br />
Programm zur Förderung lokaler<br />
Bildungsprojekte für Jugendliche.<br />
Damit soll die Qualität des vorhandenen<br />
Bildungsangebots für<br />
benachteiligte junge Leute in den<br />
USA verbessert werden. Die Stiftung<br />
stellt dafür zunächst zwei<br />
Millionen US-Dollar zur Verfügung.<br />
Dazu Rob Shafir, CEO der Region<br />
Americas: «Wir sind der Meinung,<br />
dass erfolgreiches soziales Engagement<br />
zielgerichtet und messbar<br />
sein sollte. Deshalb konzentrieren<br />
wir uns auf zwei Bereiche: Schulen<br />
und Berufsbildung.» Etwas mehr<br />
als die Hälfte der Gelder geht daher<br />
an Organisationen, die Schulen<br />
direkt unterstützen, der andere<br />
Teil an Organisationen, die Lehrpersonal<br />
ausbilden. Die Americas<br />
Foundation machte die neue Initiative<br />
am International Corporate<br />
Philanthropy Day vom 22. Februar<br />
bekannt. Die Konferenz wird vom<br />
Committee Encouraging Corporate<br />
Philanthropy (CECP) organisiert,<br />
das sich für die Verbesserung des<br />
sozialen Engagements der Wirtschaft<br />
einsetzt. Nächster wich tiger<br />
Termin ist das CECP-Gipfeltreffen<br />
vom 2. und 3. Juni in New York,<br />
wo weitere Massnahmen diskutiert<br />
werden. Fabienne de Lannay<br />
www.credit-suisse.com/verantwortung<br />
Fotos: Credit Suisse<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
ulletin plus –<br />
das Heft im Heft für<br />
Schweizer Leser<br />
Umbauen und Renovieren als Daueraufgabe<br />
Alle <strong>10</strong> Jahre die Wände neu streichen, alle 15 Jahre die Küchenapparate ersetzen, alle<br />
20 Jahre den Heizkessel erneuern und alle 25 Jahre das Dach umdecken. Natürlich variiert<br />
die Lebensdauer der einzelnen Bauteile von Wohnhäusern stark. Unbestritten ist aber,<br />
dass man die Renovationstätigkeit nicht bis zuletzt hinauszögern und in der Regel gestaffelt<br />
vornehmen sollte. Das lohnt sich hinsichtlich des Wohnkomforts und aus finanzieller<br />
(steuerlicher) Sicht. Erstaunlicherweise sind die Schweizerinnen und Schweizer in diesem<br />
Bereich jedoch sehr nachlässig. Informieren Sie sich in unserem <strong>bull</strong>etin plus – und<br />
lassen Sie sich beraten. Ergänzende Informationen finden Sie auf unserer Internetplattform<br />
www.credit-suisse.com/wohnen.
52 Wirtschaft Immobilienstudie<br />
Dank der zuwanderungsbedingten Zusatznachfrage wird<br />
sich der Wohnimmobilienmarkt in der Schweiz einer Krise<br />
weiterhin entziehen können. Schwieriger ist die Situation<br />
für die nächsten zwei Jahre auf dem Büroflächenmarkt.<br />
Foto: Michael Egloff, remotephoto.com
Immobilienmarkt:<br />
20<strong>10</strong> wird das Jahr<br />
der Bewährung<br />
Mit Immobilienkrisen ist nicht zu spassen. Die Schweizer Geschichte<br />
lehrt uns, dass Wirtschaftskrisen, die mit grossen Verwerfungen<br />
auf den Immobilienmärkten einhergehen, einen ziemlich langen Kater<br />
auslösen können. Daher ist es für die Schweizer Wirtschaft von<br />
Vorteil, dass sich die hiesigen Immobilienmärkte stabil präsentieren.<br />
Text: Fredy Hasenmaile, Economic Research, Credit Suisse
54 Wirtschaft Immobilienstudie<br />
Weder die weltweite Rezession geschweige<br />
denn die einschneidenden Immobilienkrisen<br />
in mehreren Ländern vermochten den Schweizer<br />
Wohnungsmarkt zu destabilisieren. Ein<br />
solider Hypothekarkreditmarkt sowie die anhaltende<br />
Zusatznachfrage von Seiten der nur<br />
langsam abebbenden Zuwanderung haben<br />
zu dessen Stabilität beigetragen. Nach bestandener<br />
Feuertaufe steht dem Wohnungsmarkt<br />
20<strong>10</strong> die Bewährung bevor, denn das<br />
laufende Jahr wird schwieriger als 2009.<br />
Steigende Arbeitslosigkeit, stagnierende Einkommen,<br />
auslaufende Nachfrageimpulse der<br />
Zuwanderung sowie das näher rückende<br />
Ende der Tiefzinsphase sind nur einige der<br />
anstehenden Herausforderungen.<br />
1 Vorübergehend geringere Zyklizität auf dem Wohnimmobilienmarkt<br />
Die seit 2006 anhaltende Zuwanderungswelle aus dem Ausland hat das erneute<br />
zyklische Anschwellen der Zahl leer stehender Wohnungen verhindert und damit für<br />
eine engere Schwankungsbandbreite gesorgt.<br />
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />
%<br />
2.5<br />
2<br />
1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
– 0.5<br />
– 1<br />
Veränderung des Leerstands<br />
88 90 92 94 96 98 00 <strong>02</strong> 04 06 08 <strong>10</strong><br />
20 000<br />
16 000<br />
12 000<br />
8000<br />
4000<br />
0<br />
– 4000<br />
– 8000<br />
Importierte Zusatznachfrage seit 2006<br />
Wachstum Wohnungsbestand<br />
Wachstum Bevölkerung<br />
Immobilienmärkte sind sehr zyklisch. Die lange<br />
Produktionszeit von Immobilien macht es<br />
für Investoren schwierig, die Nachfragesituation<br />
zum Zeitpunkt der Fertigstellung einer<br />
Immobilie richtig vorherzusehen und das<br />
Angebot entsprechend zu planen. Deswegen<br />
klaffen Angebot und Nachfrage häufig<br />
auseinander, was sich in steigenden oder<br />
fallenden Leerständen und damit Markt ungleichgewichten<br />
niederschlägt. In der Regel<br />
korrigiert der Markt in der Schweiz das Ungleichgewicht,<br />
bevor die Zu- oder Abnahme<br />
der Leerstände die Schwelle von ungefähr<br />
8000 Wohnungen oder jährlich rund 0,2 Prozent<br />
des Wohnungsbestandes erreicht. Auf<br />
eine Periode sinkender Leerstände folgt zumeist<br />
eine ähnlich lange mit steigenden<br />
Leerständen. Dieses Wechselspiel von Angebots-<br />
und Nachfrageüberschuss ist in den<br />
letzten Jahren von einem exogenen Nachfrageschock<br />
in Form der jüngsten Zuwanderungswelle<br />
überlagert worden. Glücklicherweise<br />
ist diese importierte Zusatznachfrage,<br />
die sich im Jahr 2006 erstmals bemerkbar<br />
machte, auf eine Phase wachsenden Überangebots<br />
getroffen. Nicht auszudenken, in<br />
welche Sphären die Preise gestiegen wären,<br />
wenn die Zuwanderungswelle bereits kurz<br />
nach der Jahrtausendwende eingesetzt hätte,<br />
als die Bautätigkeit in der Schweiz noch<br />
sehr schwach war.<br />
Die gesteigerte Nachfrage kam mit anderen<br />
Worten genau zum richtigen Zeitpunkt –<br />
wenn auch etwas gar kräftig – und hat die<br />
Zyklizität auf dem Wohnimmobilienmarkt<br />
stark reduziert. Der Saldo der Leerstände<br />
hat sich in den letzten Jahren innerhalb einer<br />
Bandbreite von weniger als 3500 Wohnungen<br />
bewegt. Es ist somit der Zuwanderung<br />
zu verdanken, dass 2008 und 2009 ein weiteres<br />
Anschwellen der Leerstände verhindert<br />
werden konnte. Trotz massiver Bautätigkeit<br />
nahmen in diesen beiden Jahren die Leerstände<br />
ab. Die ausserordentliche Stabilität<br />
der Schweizer Immobilienmärkte ist also in<br />
erster Linie auf diese etwas glückliche Fügung<br />
zurückzuführen. Diese darf aber nicht<br />
als gegeben hingenommen werden. In einigen<br />
Jahren ist mit einer Rückkehr der<br />
höheren Schwankungen zu rechnen. Im laufenden<br />
Jahr ist das noch nicht der Fall: Die<br />
Leerstände werden 20<strong>10</strong> zwar wieder leicht<br />
zunehmen, doch die engeren Schwankungsbandbreiten,<br />
die die letzten sechs Jahre geprägt<br />
haben, dürften Bestand haben.<br />
Steigende Preise seit zehn Jahren<br />
Der weitgehende Gleichlauf von Angebot und<br />
Nachfrage sorgt nicht zuletzt für relativ stabile<br />
Verhältnisse bei den Preisen. Das ist<br />
nicht selbstverständlich, denn der Wohnimmobilienmarkt<br />
befindet sich am Ende einer<br />
rund zehnjährigen Periode stetig steigender<br />
Preise, bei der sich die Marktteilnehmer fragen,<br />
ob nun nicht eine Preiskorrektur ansteht.<br />
Eine solche ist aber vor dem Hintergrund des<br />
derzeit guten Timings von Angebot und Nachfrage<br />
wenig wahrscheinlich. Im Wohneigentum<br />
dürften zudem die bis gegen Ende des<br />
Jahres anhaltend tiefen Zinsen für eine intakte<br />
Nachfrage und weitgehend stabile Preise<br />
sorgen, vor allem im Segment der Eigentumswohnungen.<br />
Dagegen verdichten sich die Anzeichen,<br />
dass sich besonders das Einfamilienhaussegment<br />
einer wachsenden Marktsättigung<br />
ausgesetzt sieht. Die im letzten Jahr erteilten<br />
Baubewilligungen für Einfamilienhäuser sind<br />
so gering wie seit Mitte der 1970er-Jahre<br />
nicht mehr – lässt man eine kurze, krisenbedingte<br />
Phase zu Beginn der Neunziger ausser<br />
Acht. Der Anteil der Einfamilienhäuser an den<br />
Leerständen hat sich in den letzten zehn Jahren<br />
praktisch verdoppelt, und die Preisentwicklung<br />
ist seit vier Quartalen konstant<br />
rückläufig. Es scheint, als ob das freistehende<br />
Einfamilienhaus nicht mehr das Mass<br />
der Dinge ist – das Einfamilienhaus steckt<br />
in der demografischen Falle.<br />
Die geburtenstarken Jahrgänge gelangen<br />
in ein Alter, in dem die Haushalte sich tendenziell<br />
vom Einfamilienhaus verabschieden.<br />
Eine Entwicklung, die üblicherweise im Alter<br />
von 55 einsetzt. Die Alterspyramide weist<br />
die Form einer klassischen Suppenschüssel<br />
auf und zeigt, dass sich die geburtenstarken<br />
Jahrgänge diesem Alter nähern (siehe Abbildung<br />
2). Dem Angebot steht eine deutlich<br />
kleinere Nachfrage von Seiten der jüngeren<br />
Bevölkerung gegenüber, allein deswegen,<br />
weil diese Gruppe zahlmässig kleiner ist. Hohe<br />
Preisniveaus und ein Bestand, der den<br />
modernen Wohnbedürfnissen immer weniger<br />
entspricht, sind weitere Gründe für eine kontinuierlich<br />
wachsende Nachfragelücke.<br />
Die kommerziellen Immobilienmärkte können<br />
nicht im gleichen Stil wie der Wohnungsmarkt<br />
von einer exogenen Mehrnachfrage<br />
profitieren. Sie bekommen daher die Auswirkungen<br />
des zyklischen Abschwungs stärker<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Immobilienstudie Wirtschaft 55<br />
zu spüren. Teilweise verschärfen hausgemachte<br />
Probleme die Situation. Bei den Büroimmobilien<br />
gelangen im laufenden Jahr<br />
viele neue Flächen auf den Markt, die noch<br />
in den Zeiten der Hochkonjunktur in Angriff<br />
genommen wurden, sich nun aber zum Zeitpunkt<br />
der Fertigstellung nur geringer Nachfrage<br />
gegen übersehen. Ähnlich wie bei der<br />
Aufzucht von Schweinen führt die verzögerte<br />
Reaktion auf Nachfragesignale auch auf<br />
dem Büroflächenmarkt zu Angebotsschwankungen<br />
(siehe Abbildung 3). Ein Lichtblick für<br />
diese Flächen dürfte sein, dass heute moderne,<br />
grosse und zusammenhängende Büroflächen<br />
in der Gunst der Nachfrager stehen,<br />
sodass die absehbaren Leerstände weniger<br />
Neubauten betreffen dürften. Denn in<br />
der Schweiz lässt sich ein Trend zur Konzentration<br />
von Arbeitsplätzen beobachten.<br />
Praktisch in allen klassischen Bürobranchen<br />
hat zwischen 2001 und 2008 die Zahl<br />
der Beschäftigten in Betrieben mit mehr als<br />
<strong>10</strong>0 Angestellten zugenommen. Hinter dem<br />
Bestreben der Unternehmen, ihre Arbeitsplätze<br />
möglichst an einem Ort zu konzentrieren<br />
und nicht über eine Vielzahl von Büros zu<br />
streuen, stehen letztlich betriebswirtschaftliche<br />
Gründe: Grosse Flächen am selben<br />
Ort lassen sich einfacher und kostengünstiger<br />
bewirtschaften. Die wachsende Professionalisierung<br />
der Bewirtschaftung von Betriebsimmobilien<br />
beginnt sich auf die Struktur<br />
der Betriebe auszuwirken.<br />
Bis 2012 zu viel Bürofläche im Angebot<br />
War die Zurückhaltung bei der Nachfrage<br />
nach Büroflächen im letzten Jahr auf die<br />
Verunsicherung vieler Unternehmen zurückzuführen,<br />
wird der Büroflächenmarkt im laufenden<br />
Jahr unter einem erwarteten leichten<br />
Abbau von rund 9000 Büroarbeitsplätzen<br />
l eiden, sodass die Unternehmen insgesamt<br />
nur wenige neue Flächen nachfragen werden.<br />
Diese Nachfrageschwäche fällt dabei mit<br />
der erwähnten Angebotsausweitung zusammen.<br />
Zwar haben die Investoren rasch auf<br />
die Finanzkrise reagiert, Projekte gestoppt,<br />
redimensioniert oder bezüglich Nutzung<br />
neu überdacht. Doch die stark reduzierte<br />
Zahl von Baubewilligungen dürfte dem Markt<br />
erst ab 2012 eine Linderung in Form von<br />
weniger Neubauflächen verschaffen. Bis<br />
dahin muss mit einem zunehmenden Überangebot<br />
gerechnet werden, das die Leerstände<br />
in den meisten regionalen Teilmärkten<br />
ansteigen lassen dürfte. Unter Druck geraten<br />
in erster Linie die Preise ausserhalb der<br />
grossen Büro märkte, wo das Angebot in der<br />
letzten Zeit überdurchschnittlich stark zugenommen<br />
hat.<br />
Ausscheidungsrennen im Verkauf<br />
Der Detailhandel sieht sich gleichzeitig konjunkturellen<br />
wie auch strukturellen Herausforderungen<br />
ausgesetzt. Immer deutlicher<br />
tritt zu Tage, dass ein verändertes Einkaufsverhalten<br />
der Haushalte die Struktur des<br />
Verkaufsflächenmarktes umpflügt. Die hohe<br />
Flächenausweitung der letzten Jahre ist<br />
eine Konsequenz der Tatsache, dass wir<br />
nicht mehr an denselben Orten einkaufen<br />
wie früher. Dahinter stehen mächtige gesellschaftliche<br />
Trends wie zum Beispiel eine<br />
höhere Erwerbstätigkeit der Frauen, bessere<br />
Betreuungsangebote für Kinder und immer<br />
zahlreichere, dafür kleinere Haushalte. Zwar<br />
harren nur noch wenige Grossprojekte einer<br />
Realisierung, doch die massive Flächenausweitung<br />
der letzten Jahre ist noch längst<br />
nicht abgeschlossen. Das Ende der konjunkturellen<br />
Blütephase hat ihr erst die Spitze<br />
gebrochen. Die Flächenausweitung wirkt dabei<br />
wie ein Katalysator der Strukturbereinigung.<br />
Nicht mehr wettbewerbsfähige Läden<br />
werden unerbittlich aus dem Markt gedrängt.<br />
Bis anhin hat diese Flurbereinigung in erster<br />
Linie kleine Läden mit Verkaufs flächen unter<br />
<strong>10</strong>0 Quadratmeter und Fachdetailhändler im<br />
Food-Bereich dezimiert. Die im laufenden<br />
Jahr zu erwartenden, stagnierenden Detailhandelsumsätze<br />
erhöhen den Wettbewerbsdruck,<br />
sodass das Ladensterben nicht mehr<br />
nur im Verborgenen abläuft. In der Gunst der<br />
Nachfrager stehen dagegen grosse Verkaufs<br />
flächen ab einer Mindestgrösse von<br />
<strong>10</strong>00 Quadratmetern sowie verkehrsgünstig<br />
gelegene Convenience-Shops. Die Lage<br />
gewinnt in diesem Umfeld noch mehr an Bedeutung,<br />
denn der Markt ist durch eine Zweiteilung<br />
geprägt. Standorte, die den neuen<br />
Anforderungen genügen, können mit intakter<br />
Nachfrage und gar steigenden Preisen<br />
rechnen, andere müssen mit Mieterwechseln,<br />
sinkenden Mieten oder zuletzt mit Umnutzungen<br />
vorliebnehmen. <<br />
Die vollständige Studie «Swiss Issues<br />
Immobilien: Immobilienmarkt 20<strong>10</strong> – Fakten<br />
und Trends» sowie die Vertiefungsstudie<br />
«Immobilienmarkt 20<strong>10</strong> – Regionen» können<br />
mit dem <strong>bull</strong>etin Talon bestellt werden. Sie<br />
sind auch im Internet als PDF zu finden unter:<br />
www.credit-suisse.com/immobilienstudie.<br />
2 Alterspyramide der Schweiz<br />
Die geburtenstarken Jahrgänge nähern sich<br />
dem 55. Altersjahr, ab dem man sich langsam<br />
vom Einfamilienhaus verabschiedet.<br />
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />
Alter in Jahren<br />
<strong>10</strong>0<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
– 75 – 50 – 25 0<br />
Männer 2009<br />
Männer 2019<br />
Frauen 2009<br />
Frauen 2019<br />
25<br />
50<br />
Anzahl Personen<br />
in <strong>10</strong>00<br />
3 Der Büroflächenmarkt im<br />
Banne des «Schweinezyklus»<br />
Viel Bürofläche, die noch in Zeiten der<br />
Hochkonjunktur geplant wurde, gelangt<br />
trotz Nachfragerückgang dieses Jahr<br />
auf den Markt.<br />
Quelle: Schweizer Baublatt, Credit Suisse Economic Research<br />
Baugesuche und Baubewilligungen in Mio.CHF,<br />
gleitende Summe über 12 Monate<br />
4000<br />
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000 Langjähriges Mittel<br />
1500<br />
<strong>10</strong>00<br />
500<br />
0<br />
95 97 99 01 03 05 07 09<br />
Neubaubewilligungen<br />
Neubaugesuche<br />
Umbaubewilligungen<br />
Umbaugesuche<br />
75<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
56 Wirtschaft Lateinamerika<br />
1 Chile hat, was Investoren suchen<br />
In Chile finden Private, die in Infrastrukturprojekte investieren wollen, die bei Weitem<br />
attraktivsten Bedingungen in ganz Lateinamerika: makroökonomische Stabilität, ein<br />
gesundes Bankensystem sowie einen guten Zugang zu Informationen und Regierungsstatistiken.<br />
Quelle: Weltwirtschaftsforum<br />
Attraktivität<br />
von Privatinvestitionen<br />
in lateinamerikanische Infrastrukturprojekte<br />
Qualitätsgefälle<br />
der verschiedenen Infrastrukturen<br />
im Vergleich zu Deutschland<br />
Chile<br />
Brasilien<br />
Kolumbien<br />
Peru<br />
Mexiko<br />
Uruguay<br />
El Salvador<br />
Guatemala<br />
Argentinien<br />
Venezuela<br />
Bolivien<br />
Dom. Republik<br />
5.5 5.0 4.5 4.0 3.5<br />
1 = niedrigstmögliche Attraktivität<br />
7 = höchstmögliche Attraktivität<br />
2 4 6 8 <strong>10</strong> 12 14 16 18 20<br />
1 = geringstes Gefälle = beste Infrastruktur<br />
7 = höchstes Gefälle = schlechteste Infrastruktur<br />
Strassennetz<br />
Häfen<br />
Flugverkehr<br />
Stromversorgung<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Lateinamerika Wirtschaft 57<br />
Will Lateinamerika<br />
aufholen, braucht es<br />
eine neue Infrastruktur<br />
Lateinamerika ist als Ganzes in vielerlei Hinsicht stabiler geworden und konnte<br />
bei den Rohstoffexporten massiv zulegen. Dennoch hinkt der Kontinent asiatischen<br />
Märkten beim Wachstum weiterhin hinterher. Um den Rückstand zu verkleinern,<br />
muss die Infrastruktur Lateinamerikas verbessert und der Wettbewerb zwischen<br />
den einzelnen Ländern der Region gefördert werden.<br />
Text: Pascal Rohner, Senior Equity Analyst<br />
Nach mehreren Schulden- und Währungskrisen<br />
in den 80er- und 90er-Jahren des<br />
letzten Jahrhunderts führten lateinamerikanische<br />
Länder wie Mexiko und Brasilien<br />
Massnahmen ein, um die Wirtschaft zu stabilisieren,<br />
die Inflation zu bekämpfen und so<br />
weiteren Krisen vorzubeugen. Unter anderem<br />
wurden Geld- und Währungspolitik umsichtiger<br />
gestaltet, es wurden Inflationsziele eingeführt,<br />
Schlüsselbranchen liberalisiert und<br />
Handelsbeschränkungen verringert. So konnten<br />
Auslandschulden reduziert, die Widerstandsfähigkeit<br />
heimischer Märkte gegen<br />
äussere Einflüsse gestärkt und die Abhängigkeit<br />
von Spekulationsgeschäften und Kapitalinvestitionen<br />
aus dem Ausland reduziert<br />
werden, was einen signifikanten Rückgang<br />
von Inflation und Zinssätzen zur Folge hatte.<br />
Zudem sind die Finanzsituation der lateinamerikanischen<br />
Staaten und die Stimmung an<br />
den Börsen wegen des Rohstoffbooms, der<br />
seit einiger Zeit herrscht, besser geworden:<br />
Als bedeutender Rohstoffproduzent und -exporteur<br />
profitierte Lateinamerika besonders<br />
stark vom Rohstoffhunger Asiens. Venezuela,<br />
Mexiko und Brasilien gehören zu den<br />
wichtigsten Ölproduzenten; Chile hat die<br />
grössten Kupferreserven der Welt; Brasilien<br />
exportiert mehr Zucker und Rindfleisch als<br />
jedes andere Land der Welt, es belegt Platz<br />
2 in der Rangliste der Hauptproduzenten von<br />
Ethanoltreibstoff und ist der drittwichtigste<br />
Eisenerzproduzent. Zudem sind die lateinamerikanischen<br />
Länder (vor allem Argentinien<br />
und Brasilien) für mehr als drei Viertel der<br />
globalen Sojabohnenexporte verantwortlich.<br />
Enorme Ressourcen, wenig Wachstum<br />
Im Vergleich zu anderen Schwellenländern<br />
schreitet das Wirtschaftswachstum der Region<br />
jedoch langsam voran – trotz enormer<br />
natürlicher Ressourcen und Verbesserungen<br />
in der makroökonomischen Stabilität. Das<br />
reale Wachstum des jährlichen Bruttoinlandprodukts<br />
(BIP) belief sich auf 2,9 Prozent<br />
in den 1990er-Jahren und auf 3,1 Prozent in<br />
den Jahren 2000 bis 20<strong>10</strong> – und lag damit<br />
weit unter dem beeindruckenden Gesamtwachstum<br />
von beinahe 8 Prozent, das die<br />
Schwellenländer Asiens im gleichen Zeitraum<br />
verzeichneten (siehe Abbildung 2). Wie ist<br />
diese Diskrepanz zu erklären? Die Tatsache,<br />
dass in den letzten 20 Jahren nicht in ausreichendem<br />
Mass in Infrastrukturen investiert<br />
wurde, ist sicher ein Grund für das vergleichsweise<br />
geringe Wachstum in Lateinamerika.<br />
Zwischen 1996 und 2001 machten<br />
die öffentlichen Ausgaben für Infrastrukturen<br />
in den sieben grössten Volkswirtschaften<br />
Latein amerikas nur 0,8 Prozent des BIP aus;<br />
im Zeitraum 1980 bis 1985 waren jährlich<br />
noch 3,1 Prozent des BIP für Bau, Wartung<br />
und Ausbau von Infrastrukturen aufgewendet<br />
worden. Die Folge: Die Infrastruktur der Region<br />
ist grösstenteils veraltet und in schlechtem<br />
Zustand. Darauf weist auch der Global<br />
Competitiveness Report 2009–20<strong>10</strong> des<br />
Weltwirtschaftsforums hin, in dessen Ländervergleich<br />
die Infrastrukturen der meisten<br />
lateinamerikanischen Länder schlecht abschneiden<br />
(siehe Abbildung 3). Die Transportinfrastruktur<br />
ist einer der grössten Schwachpunkte:<br />
Das Autobahnnetz Brasiliens ist das<br />
drittlängste der Welt, doch nur 12 Prozent<br />
der Autobahnen sind asphaltiert. In den<br />
meisten lateinamerikanischen Ländern sind<br />
die Frachtraten für Exporte in die USA<br />
trotz der geografischen Nähe höher als beispielsweise<br />
die Frachtraten für Exporte aus<br />
Fernost oder Europa in die USA, was hauptsächlich<br />
auf die ineffizienten Hafeninfrastrukturen<br />
vieler lateinamerikanischer Länder<br />
zurückzuführen ist. DHL Express zufolge<br />
kämpfen viele brasilianische Häfen mit<br />
grossen Problemen. Bei einigen mangelt es<br />
an Abfertigungskapazitäten; zudem ist die<br />
Schienen- und Autobahnanbindung oft ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
58 Wirtschaft Lateinamerika<br />
nicht ausreichend. Die Globalisierung schreitet<br />
weiter voran, ein Ende der hohen Rohstoffnach<br />
frage ist nicht in Sicht. Nicht zuletzt deshalb<br />
sollten die Regierungen Lateinamerikas<br />
dringend die Handelskosten reduzieren.<br />
Regierungen ergreifen die Initiative<br />
Erfreulicherweise haben viele lateinamerikanische<br />
Regierungen inzwischen erkannt,<br />
dass mehr und effizientere Investitionen in<br />
Infrastrukturen notwendig sind. In Brasilien<br />
und Mexiko, den beiden grössten lateinamerikanischen<br />
Volkswirtschaften, in denen mehr<br />
als 60 Prozent des BIP der Region erwirtschaftet<br />
werden, stiegen in den letzten drei<br />
Jahren die Investitionen in Infrastrukturen. Im<br />
Januar 2007 rief Brasiliens Präsident Luiz<br />
Inácio Lula da Silva ein ehrgeiziges Programm<br />
zur Beschleunigung des Wachstums ins Leben.<br />
Ursprünglich sollten bis zum Jahr 20<strong>10</strong><br />
220 Milliarden US-Dollar in landesweite Infrastrukturprojekte<br />
fliessen, doch schon<br />
2008 wurde das Budget auf 280 Milliarden<br />
US-Dollar aufgestockt. Dank dieser Konjunkturspritze<br />
machten Investitionen in Infrastrukturen<br />
zwischen 2007 und 20<strong>10</strong> etwa<br />
4,4 Prozent des BIP aus und lagen weitaus<br />
höher als in den Jahren davor. Zudem plant<br />
Brasilien, auch nach 20<strong>10</strong> in seine Infrastruktur<br />
zu investieren: Weitere 200 Milliarden<br />
US-Dollar sollen für entsprechende Projekte<br />
aufgewendet werden, und durch die Bauvorhaben<br />
rund um die Fussballweltmeisterschaft<br />
2014 und die Olympischen Spiele 2016 in<br />
Rio de Janeiro werden etwa 50 Milliarden<br />
US-Dollar dazukommen. Auch der mexikanische<br />
Präsident Felipe Calderón hat einen<br />
Infrastrukturplan vorgestellt, der bis 2012<br />
jährliche Ausgaben in Höhe von etwa 4 Prozent<br />
des BIP vorsieht. Die gegenwärtigen<br />
Infrastrukturprogramme sind sicher wichtige<br />
Schritte in die richtige Richtung, haben wohl<br />
aber nicht das Potenzial, die anstehenden<br />
Probleme in Bezug auf die Infrastruktur der<br />
Region zu lösen. Im Vergleich zu den Infrastrukturinvestitionen<br />
Chinas, die sich auf etwa <strong>10</strong><br />
Prozent des BIP belaufen, sind die Ausgaben<br />
Lateinamerikas eher bescheiden. Schätzungen<br />
der Weltbank zufolge müsste die Region<br />
über einen Zeitraum von 20 Jahren bis zu 6<br />
Prozent ihres BIP investieren, um bei der produktiven<br />
Infrastruktur das Niveau Südkoreas<br />
zu erreichen.<br />
Anreize müssen verbessert werden<br />
Da die finanziellen Möglichkeiten der Regierungen<br />
beschränkt sind, sind bessere Anreize<br />
zur Bildung öffentlich-privater Partnerschaften<br />
(ÖPP) besonders wichtig. Werden<br />
Projekte transparent gestaltet, Risiken gemeinsam<br />
getragen und Gewinne angemessen<br />
verteilt, ist das Geschäftsmodell der ÖPP<br />
herkömmlichen Konzessionen oft überlegen.<br />
Auch wenn in den letzten 20 Jahren verstärkt<br />
Privatinvestitionen in Infrastrukturprojekte<br />
getätigt wurden, konnten die Defizite, die entstanden,<br />
weil ein grosser Teil der öffentlichen<br />
Mittel in den 1990er-Jahren wegfiel, nie vollständig<br />
kompensiert werden. Um mehr Privatinvestoren<br />
anzulocken, die in Infrastrukturprojekte<br />
investieren, sind insbesondere stabile<br />
makroökonomische und politische<br />
Verhältnisse sowie ein förderlicher Regulierungs-<br />
und Rechtsrahmen wichtig. 2007 erstellte<br />
das Weltwirtschaftsforum einen Index,<br />
der die Attraktivität von Privatinvestitionen in<br />
Infrastrukturprojekte in Lateinamerika misst,<br />
in den viele makroökonomische und infrastrukturelle<br />
Faktoren einfliessen. Dazu gehören<br />
beispielsweise die Bereitwilligkeit von<br />
Regierungen, private Investitionen zuzulassen<br />
und zu fördern, die Erfolgsbilanz bezüglich<br />
privater Infrastrukturinvestitionen, rechtliche<br />
Rahmenbedingungen, politische Risiken, die<br />
1<br />
3<br />
1 Peru Manche Strassen sind mittlerweile in gefährlich schlechtem<br />
Zustand. 2 Peru Viele Häfen an der 2400 Kilometer langen Küste<br />
haben eine ineffiziente Infrastruktur. 3 Chile Die Atacamawüste ist<br />
ein grosser Touristenmagnet. Das ganze Land könnte sich bald<br />
auch zum attraktiven Ziel für Investoren entwickeln. 4 Brasilien<br />
Die Wirtschaft des grössten Landes auf dem lateinamerikanischen<br />
Kontinent steht unter Strom.<br />
2<br />
4<br />
Möglichkeit des Zugangs zu Informationen,<br />
das makroökonomische Umfeld, Finanzmärkte<br />
sowie Regierungen und Gesellschaften<br />
(siehe Abbildung 1).<br />
Chile bietet Privaten, die in Infrastrukturprojekte<br />
investieren wollen, die bei Weitem<br />
attraktivsten Bedingungen: makroökonomische<br />
Stabilität, ein gesundes Bankensystem,<br />
einen guten Zugang zu Informationen und<br />
Regierungsstatistiken sowie effiziente und<br />
gut ausgestaltete Vorschriften und Bestimmungen<br />
für ÖPP. Unglücklicherweise wurde<br />
das Land im Februar 20<strong>10</strong> von einem verheerenden<br />
Erdbeben heimgesucht, das nach<br />
Schätzungen der chilenischen Regierung Gesamtausgaben<br />
von 15 bis 30 Milliarden US-<br />
Dollar (zwischen 8 und 17 Prozent des BIP)<br />
nach sich ziehen wird. Die Swiss Re schätzt,<br />
dass total zwischen 4 und 7 Milliarden US-<br />
Dollar an Versicherungskosten anfallen werden.<br />
Diese Schätzungen fallen so hoch aus,<br />
weil es in Chile üblich ist, sowohl Wohnhäuser<br />
als auch Gewerbeimmobilien gegen Erdbebenschäden<br />
zu versichern. Aufgrund dieser<br />
hohen Versicherungsdichte und attraktiver<br />
makroökonomischer Bedingungen befindet<br />
Fotos: gettyimages, Gallo Images, National Geographic, The Image Bank, Photographer’s Choice<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Lateinamerika Wirtschaft 59<br />
sich Chile in einer besseren Ausgangslage<br />
als die meisten anderen Schwellenmärkte,<br />
um mit einer solchen Naturkatastrophe fertig<br />
zu werden. Ausser Chile bieten sich Brasilien,<br />
Kolumbien und Peru für Privatinvestoren an,<br />
die an Infrastrukturprojekten interessiert sind<br />
(siehe Abbildung 1). Insbesondere Kolumbien,<br />
das laut dem Bericht Doing Business 20<strong>10</strong><br />
der Weltbank seit 2004 zu den zehn Top Reformers<br />
zählt, gilt als attraktives Investitionsland;<br />
eine Zunahme privater Investitionen<br />
würde jedoch sicher all diesen Ländern helfen,<br />
ihre gegenwärtigen infrastrukturellen<br />
Engpässe zu überwinden.<br />
Region will strukturelle Probleme lösen<br />
Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass Lateinamerika<br />
den Vorsprung der asiatischen<br />
Volkswirtschaften in Bezug auf Wachstum<br />
und Infrastrukturqualität aufholen wird. Dennoch<br />
bleibt festzuhalten, dass die Länder Lateinamerikas<br />
heute besser positioniert und<br />
somit eher in der Lage sind, ihre strukturellen<br />
Probleme anzugehen. Zudem nimmt die Bereitwilligkeit<br />
zu, mehr Anreize für privat finanzierte<br />
Infrastrukturprojekte zu schaffen. Dabei<br />
darf nicht vergessen werden, dass bessere<br />
Infrastrukturen nicht nur ein stärkeres Wirtschaftswachstum<br />
und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit<br />
zur Folge haben, sondern<br />
auch dazu beitragen, die Einkommensschere<br />
zu schliessen und Armut zu bekämpfen, indem<br />
sie beispielsweise benachteiligte Bevölkerungsgruppen<br />
mit Märkten verbinden. Infrastrukturelle<br />
Verbesserungen könnten somit<br />
zu einem steigenden Inlandsverbrauch und<br />
dieser gemeinsam mit der unvermindert hohen<br />
Nachfrage nach Rohstoffen (Rohstoff-<br />
Superzyklus) zu einer positiveren Wachstumsentwicklung<br />
führen. Die Schätzungen<br />
des Weltwährungsfonds bestätigen diese<br />
Annahme: Zwischen 20<strong>10</strong> und 2014 wird<br />
eine Zunahme des jährlichen BIP der Region<br />
auf 3,8 Prozent erwartet. <<br />
2 Der Kondor schwingt sich auf, doch die Tiger liegen weiter vorn<br />
Das Wachstum der lateinamerikanischen Volkswirtschaften dürfte sich in den<br />
nächsten Jahren beschleunigen, das zeigen Wachstumserwartungen für die Region<br />
im Zeitraum 1990 bis 2014. Der Vorsprung der asiatischen Schwellenländer ist<br />
jedoch nicht aufzuholen. Quelle: Weltwährungsfonds, Credit Suisse<br />
%<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Industrieländer Schwellenländer Tigerstaaten Lateinamerika<br />
1990er-Jahre 2000er-Jahre 20<strong>10</strong>–2014<br />
3 Asiaten punkten bei der Infrastruktur<br />
China und Indien haben qualitativ höherwertige Infrastrukturen als Venezuela, Peru,<br />
Argentinien und Kolumbien. Dort ist die Transportinfrastruktur ein Schwachpunkt.<br />
Quelle: Global Competitiveness Report 2009–20<strong>10</strong> des Weltwirtschaftsforums<br />
Deutschland<br />
Hongkong<br />
Singapur<br />
USA<br />
Japan<br />
Taiwan<br />
Südkorea<br />
Chile<br />
China<br />
Mexiko<br />
Russland<br />
Brasilien<br />
Indien<br />
Kolumbien<br />
Argentinien<br />
Peru<br />
Venezuela<br />
2.5 3.5 4.5 5.5 6.5<br />
1 = ausserordentlich unterentwickelt; 7 = weitreichend und effizient gemäss internationalen Standards<br />
Lateinamerika asiatische Tigerstaaten BRIC-Partner Industrieländer<br />
Anzeige<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
60 Wirtschaft Asset Allocation<br />
Anlagestrategie:<br />
Vom Marktausblick zum<br />
Investitionsentscheid<br />
Das Vermögen gesamtheitlich zu betrachten und zu bewirtschaften, ist die erfolgreichste<br />
Anlagestrategie. Wie aber entsteht eine entsprechende Vermögens aufteilung, eine<br />
Asset Allocation? Wir gewähren einen Einblick in den Entscheidungs- und Investitionsprozess<br />
unserer Vermögensverwaltung.<br />
Text: Anja Hochberg, Head Investment Strategy, Stefan Keitel, Global Chief Investment Officer,<br />
Adrian Zürcher, Global Strategist<br />
In der letzten Ausgabe des <strong>bull</strong>etin konnten<br />
wir zeigen, wie das Verhältnis von Portfolioertrag<br />
und Portfoliorisiko durch eine Mischung<br />
verschie dener Anlagekategorien wie<br />
Aktien, Obligationen, Alternative Anlagen<br />
(wie Rohstoffe, Immobilien, Hedge-Fonds)<br />
und Liquidität optimiert werden kann. Der<br />
Anlageerfolg wird dabei insbesondere von<br />
zwei Faktoren bestimmt: der langfristigen<br />
Aufteilung des Vermögens und der kurzfristigen<br />
Abweichung davon, die zum Beispiel<br />
durch den aktuellen Stand im Konjunkturoder<br />
Zinszyklus getrieben wird.<br />
In einem ganzheitlichen Anlageprozess<br />
erstellt das globale Investmentkomitee der<br />
Credit Suisse unter Leitung des Chief Investment<br />
Officer (CIO) eine einheitliche Anlagestrate<br />
gie sowohl für die Kunden der Vermögensverwaltung<br />
als auch für die Beratungskunden.<br />
Benchmark ist langfristiger Anker<br />
Die langfristige Allocation ist dabei der Anker<br />
der Anlagestrategie und wird auch als Benchmark<br />
Asset Allocation bezeichnet. Sie gibt die<br />
Stossrichtung der Credit Suisse Anlagestrategie<br />
für die nächsten drei bis sieben Jahre<br />
vor und ist auch Referenz für den Verlauf der<br />
Wertentwicklung. Aufgrund eines sich verändernden<br />
Marktumfeldes und mit dem Ziel,<br />
die Transparenz in den Portfolios weiter zu<br />
er höhen, hat die Credit Suisse zum 1. April<br />
20<strong>10</strong> wichtige Anpassungen in dieser langfristigen<br />
Anlagestrategie beschlossen. Wesentliche<br />
Merkmale der neuen Strategie sind:<br />
1. Eine neutrale Liquiditätsquote von 5 Prozent.<br />
Dies trägt der Tatsache Rechnung,<br />
dass einerseits die Geldmarktzinsen sehr<br />
tief sind und auf längere Zeit auf historisch<br />
tiefen Niveaus pendeln werden. Anderseits<br />
ist eine gewisse Mindestre serve an liquiden<br />
Mitteln notwendig, um flexibel agieren<br />
zu können.<br />
2. In diesem Marktzyklus dürften sich reale<br />
Anlagen wie Aktien oder Alternative Anlagen<br />
besser entwickeln als nominale Anlagen<br />
wie festverzinsliche Wertpapiere.<br />
Wir haben daher den Aktienanteil in den<br />
relevanten Portfolios erhöht.<br />
3. Angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen<br />
Bedeutung von Schwellenländern<br />
und deren steigenden Kapitalmarkttiefe<br />
haben wir den Anteil von Schwellenländern<br />
im Vergleich zu den entwickelten<br />
Volkswirtschaften erhöht.<br />
4. Bei den festverzinslichen Anlagen werden<br />
wir in der Benchmark, also der langfristigen<br />
Anlagestrategie, keine Währungsrisiken<br />
eingehen. Wir werden uns aber auf<br />
taktischer Basis für spürbare Währungspositionen<br />
entscheiden, wenn sich diesbe<br />
züglich vielversprechende Chancen<br />
ergeben.<br />
5. Alternative Anlagen wurden bislang oft<br />
als homogene Anlagegruppe verstanden<br />
und in der Wahrnehmung meistens mit<br />
Hedge-Fonds verknüpft. Die Alternativen<br />
Anlagen umfassen allerdings eher heterogene<br />
Anlageklassen wie Hedge-Fonds,<br />
Rohstoffe, Immobilien oder Gold. Sie<br />
verbin det zwar die Eigenschaft, im Vergleich<br />
zu den traditionellen Anlageklassen<br />
eine unabhängige Wertentwicklung<br />
aufzuzeigen (geringe oder keine Korrelation).<br />
Im Marktzyklus sind diese Sub-<br />
Anlageklassen allerdings unterschiedlich<br />
attraktiv. Die Neu aufteilung des Anlageblocks<br />
Alternative Anlagen in unterschiedliche<br />
Sub-Anlageklassen berücksichtigt<br />
dabei ihre Heterogenität und erhöht die<br />
Transparenz.<br />
Schlüsselfaktor 1<br />
Eingehende Marktanalyse<br />
Das vom CIO geleitete Anlagekomitee der<br />
Credit Suisse setzt sich aus Vertretern der<br />
Vermögensverwaltung und aus erfahrenen<br />
Analysten zusammen und definiert die Rahmenbedingungen<br />
der aktuellen Anlagestrategie.<br />
Die enge Zusammenarbeit mit dem<br />
Research und die Stellvertretung des CIO im<br />
Anlagekomitee durch den Leiter Research<br />
stellt dabei sicher, dass die Investitionsentscheide<br />
des Komitees Eingang sowohl in den<br />
Beratungsprozess der Bankkunden als auch<br />
in die private Vermögensverwaltung finden.<br />
Darüber hinaus identifiziert das Anlagekomitee<br />
Marktchancen, die sich nicht nur in<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Asset Allocation Wirtschaft 61<br />
der längeren, sondern auch in der kürzeren<br />
Frist ergeben, der so genannt taktischen Asset<br />
Allocation (TAA). Innerhalb der TAA werden<br />
damit die kurzfristigen Abweichungen von<br />
der längerfristigen Anlagestrategie definiert.<br />
Dabei stützen wir uns auf unsere Markterwartungen<br />
für die nächsten ein bis sechs<br />
Monate. Ziel ist es dabei, in einem risikokontrollierten<br />
Rahmen die Vermögen innerhalb<br />
der verschiedenen Anlageklassen so<br />
umzuschichten, dass für unsere Kunden eine<br />
zusätzliche Renditequelle entsteht. Das Vertrauen<br />
in die formulierten Anlageeinschätzungen<br />
ist dabei entscheidend. So gehen wir<br />
lediglich Positionen ein, von denen wir überzeugt<br />
sind und die auf ihre Konsistenz geprüft<br />
wurden. Schwer beherrschbare Anlagestrategien<br />
verfolgen wir nicht weiter.<br />
Wenn wir die Anlagebeurteilungen formulieren,<br />
berücksichtigen wir multidimensionale<br />
Marktfaktoren und kombinieren die qualitativen<br />
Erkenntnisse führender Experten der<br />
Credit Suisse mit quantitativen Untersuchungen.<br />
Zu den Mitgliedern des Anlagekomitees<br />
zählen daher Verantwortliche jeder Anlageklasse,<br />
zum Beispiel Aktien und festverzinsliche<br />
Anlagen, sowie der zentralen Analyseverfahren<br />
wie Volkswirtschaft und technische<br />
Analyse. Um den lokalen Gegebenheiten in<br />
den einzelnen Anlageregionen Rechnung zu<br />
tragen, beziehen wir die Einschätzungen<br />
unserer Spezialisten vor Ort in den Entscheidungsprozess<br />
mit ein. Die Konsistenzprüfung<br />
und Synthese der im Anlagekomitee vorgetragenen<br />
Analysen bildet den Abschluss des<br />
analytischen Teils der Anlageentscheidung.<br />
Als Zweites werden ausschliesslich Anlagestrategien,<br />
von denen wir überzeugt sind, mit<br />
Hilfe des Portfolio-Allocation-Systems der<br />
Credit Suisse optimiert.<br />
Schlüsselfaktor 2<br />
Konsequente Risikokontrolle<br />
Dieses Allocation-System basiert auf dem<br />
Modell der optimalen Risikobudgetierung und<br />
ermöglicht es zum Beispiel, den Unsicherheitsfaktor<br />
aktiv zu steuern, der bei der Umsetzung<br />
von Marktmeinungen in anlagestrategische<br />
Entscheide eine wesentliche Rolle<br />
spielt. Mit dieser wissenschaftlich sehr gut<br />
abgestützten Methode transformieren wir<br />
die erarbeiteten Anlagestrategien, ohne das<br />
gewählte Risiko zu vernachlässigen, in eine<br />
kundenspezifische und praktisch umsetzbare<br />
Vermögensaufteilung.<br />
Vermögensverwaltung in der Credit Suisse<br />
Die Stärken unseres Vermögensverwaltungsansatzes<br />
basieren auf einer Kombination<br />
aus stringentem Anlageprozess, langjähriger<br />
Anlageerfahrung, umfangreichem Research<br />
und dem Einsatz innovativer Technologie. So<br />
können wir risikokontrollierte und kosteneffiziente<br />
Portfolios gestalten, die den individuellen<br />
Bedürfnissen unserer Kunden gerecht<br />
werden. <<br />
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Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
62 Wirtschaft Luftverschmutzung<br />
1 Düstere Aussichten<br />
Werden keine neuen Vorschriften erlassen, ersticken Umwelt und<br />
Wirtschaft an den Schadstoffemissionen. Quelle: OECD, Credit Suisse<br />
SO x -Emissionen weltweit<br />
Millionen Tonnen pro Jahr<br />
73.0<br />
32.4<br />
NO x -Emissionen weltweit<br />
Millionen Tonnen pro Jahr<br />
29.4<br />
67.1<br />
28.8<br />
65.1<br />
29.0<br />
64.1<br />
27.5<br />
62.4<br />
2000 20<strong>10</strong> 2<strong>02</strong>0 2030 2040<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Luftverschmutzung Wirtschaft 63<br />
Emissionskontrollsysteme:<br />
Der Schlüssel<br />
zur Eindämmung der<br />
Luftverschmutzung<br />
Nicht nur Umweltschützer wissen: Luftverschmutzung ist ein Problem, das dringend<br />
gelöst werden muss. Studien beweisen, dass es sich auch für die Wirtschaft lohnt,<br />
den Schadstoffausstoss zu senken. Dazu braucht es moderne Technologie, global<br />
strengere Gesetze und nicht zuletzt Emissionskontrollsysteme. Alle diese Massnahmen<br />
sollen dafür sorgen, dass der Weltwirtschaft nicht bald der Schnauf ausgeht.<br />
Text: Pierre-Yves Bolinger, Analyst Thematic Research<br />
Foto: gettyimages, The Image Bank<br />
Nach Schätzungen wissenschaftlicher Studien<br />
aus dem Jahr 2000 sind rund 1,4 Milliarden<br />
Menschen – das sind 22 Prozent<br />
der Weltbevölkerung – Konzentrationen an<br />
Rauch und Feststoffteilchen (FT) ausgesetzt,<br />
die die Höchstwerte in den Sicherheitsrichtlinien<br />
der Weltgesundheitsbehörde (WHO)<br />
überschreiten. Entwicklungsländer sind am<br />
stärksten davon betroffen; die Feinstaubkonzentrationen<br />
in vielen chinesischen Städten<br />
liegen über <strong>10</strong>0 μg/m 3 , als sicher eingeschätzt<br />
werden 20 μg/m 3 . Dieses Beispiel<br />
belegt eindrucksvoll, wie der durch menschliches<br />
Handeln verursachte Ausstoss von<br />
Schadstoffen die Luftqualität beeinträchtigt.<br />
Bei einem weiter steigenden Bevölkerungswachstum<br />
und einer wachsenden Industrie<br />
nimmt auch die Luftverschmutzung<br />
immer weiter zu (siehe Abbildung 1) – mit<br />
schwerwiegenden Auswirkungen auf die<br />
Gesund heit der Menschen und auf die Umwelt.<br />
Dieses Phänomen ist in städtischen<br />
Regionen mit einem hohen Verkehrsaufkommen<br />
und hoher industrieller Aktivität besonders<br />
ausgeprägt.<br />
Die Credit Suisse ist überzeugt, dass<br />
Luftverschmutzung in vielen Regionen weltweit<br />
ein grosses Problem darstellt, das besondere<br />
Massnahmen seitens der Regierungen<br />
erfordert. Für die Credit Suisse ist die<br />
Luftverschmutzung daher eines der globalen<br />
Themen ersten Ranges.<br />
Winzige Schmutzstoffe, grosses Risiko<br />
Eine Unterscheidung zwischen Luftschadstoffen<br />
wie Kohlendioxid (CO 2 ) und anderen<br />
Treibhausgasen (THG) ist von grundlegender<br />
Bedeutung. Luftschadstoffe und CO 2 entstehen<br />
überwiegend bei der Verbrennung<br />
fossiler Brennstoffe. Kohlendioxid, das am<br />
stärksten verbreitete THG, wirkt sich jedoch<br />
nicht unmittel bar auf die Gesundheit des<br />
Menschen aus. Demgegenüber sind SS<br />
und bodennahes Ozon die am weitesten<br />
verbreiteten Schadstoffe, die sich besonders<br />
gesundheitsschädigend auswirken. SS sind<br />
winzige Feststoffteilchen, die überwiegend<br />
bei der Verbrennung von Kohle, Holz und<br />
Dieselöl freigesetzt werden. Kleine (bis zu<br />
<strong>10</strong> μm grosse) FT bleiben in der Luft hängen<br />
und können sich in der Lunge ansammeln,<br />
wo sie schwere Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
sowie Krebs auslösen<br />
und damit das Risiko eines vorzeitigen Todes<br />
erhöhen können.<br />
Bodennahes Ozon wird zwar nicht direkt<br />
in die Luft abgegeben, sondern entsteht in<br />
einem fotochemischen Prozess mit Vorläufersubstanzen<br />
wie Stickoxid (NO x ), flüchtigen<br />
organischen Verbindungen (FOV) und Methan.<br />
Ozon beeinträchtigt die Lungenfunktion,<br />
verursacht Lungenentzündung und führt zu<br />
Atemwegserkrankungen und vorzeitigem Tod.<br />
Ein weiterer wichtiger Schadstoff ist das<br />
Schwefeloxid (SO x ), das in Verbindung mit<br />
NO x sauren Regen und Smog hervorruft. SO x<br />
entsteht überwiegend bei der Verbrennung<br />
von Kohle in Kraftwerken (rund 60 Prozent),<br />
NO x bei der Verbrennung von Brennstoffen<br />
und Benzin (rund 50 Prozent im Strassenverkehr<br />
und 20 Prozent in Kraftwerken).<br />
Mehr Dreck, höhere Gesundheitskosten<br />
Überall auf der Welt tragen Menschen zur<br />
Luftverschmutzung bei, ohne sich unmittelbar<br />
über die Folgen bewusst zu sein. Doch<br />
die Auswirkungen auf Volksgesundheit und<br />
Umwelt bürden der Gesellschaft enorme<br />
Kosten auf. So wirkt sich Luftverschmutzung<br />
etwa auf Ernteerträge, auf die Gesundheit<br />
der Wälder und sogar auf Gebäude nachteilig<br />
aus. Ausserdem löst sie Erkrankungen<br />
des Herz-Kreislauf-Systems und der Atemwege<br />
aus. Die durch Luftverschmutzung<br />
verursach ten Kosten im Gesundheitswesen<br />
belau fen sich jährlich auf schätzungsweise<br />
180 Milliarden US-Dollar in Europa, über ><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
64 Wirtschaft Luftverschmutzung<br />
<strong>10</strong>0 Milliarden US-Dollar in den USA und über<br />
70 Milliarden US-Dollar in China.<br />
Strengere Gesetze sind nötig<br />
Das Problem muss angegangen werden, indem<br />
tolerable Schadstoffkonzentrationen definiert<br />
und der Schadstoffausstoss mit strengen<br />
gesetzlichen Vorschriften eingedämmt<br />
werden. Die meisten OECD-Mitgliedstaaten<br />
haben in den vergangenen zehn Jah re n erfolgreich<br />
ihre Luftverschmutzung reduziert<br />
und sie vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt.<br />
Dies verdeutlicht den Nutzeffekt entsprechender<br />
Massnahmen. Dennoch müssen<br />
bestimmte Schadstoffe mit Hilfe noch<br />
strengerer Gesetzesvorschriften weiter verringert<br />
werden, wie es für die kommenden<br />
fünf Jahre geplant ist.<br />
Auch in den Entwicklungsländern werden<br />
nach und nach entsprechende Vorschriften<br />
eingeführt. China hat im Jahr 2000 erste<br />
Abgasnormen für Fahrzeuge eingeführt, die<br />
es in Europa bereits seit 1992 gibt. Um ihren<br />
Nutzen zu steigern, müssen diese Rechtsvorschriften<br />
noch enger gefasst werden, da<br />
sie bei einem starken Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum<br />
bald nicht mehr ihren<br />
ursprünglichen Zweck erfüllen. Wenn jetzt<br />
keine Massnahmen ergriffen werden, muss<br />
in China bis 2030 von einer Verdreifachung<br />
der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von FT<br />
ausgegangen werden.<br />
Gesunde Umwelt, gesunde Wirtschaft<br />
Wie viele wissenschaftliche Studien zeigen,<br />
werden die Kosten für eine Senkung des<br />
Schadstoffausstosses durch den Gesamtgewinn<br />
mehr als kompensiert. Die Vorteile<br />
machen sich hauptsächlich durch geringere<br />
Kosten für die medizinische Versorgung und<br />
weniger Produktionseinbussen bemerkbar,<br />
aber sie schlagen sich auch in Form von Kosteneinsparungen<br />
durch eine gesündere Umwelt<br />
nieder.<br />
Die Kosten-Nutzen-Analyse beziffert den<br />
Gewinn respektive Verlust bei unterschiedlichen<br />
Rechtsvorschriften durch eine Gegenüberstellung<br />
des Gesamtgewinns mit den<br />
Gesamtkosten. So ist beispielsweise im Fall<br />
des Clean Air Act (CAA), einem US-amerikanischen<br />
Gesetz zur Luftreinhaltung, der<br />
Gewinn weitaus höher als die Kosten (siehe<br />
Abbildung 2). Das Kosten-Nutzen-Verhältnis<br />
(Gewinn geteilt durch Kosten) fällt mit Werten,<br />
die je nach Szenario zwischen 3,7 und<br />
4,1 betragen, positiv aus. Besonders wirkungsvoll<br />
sind Rechtsvorschriften nämlich<br />
dann, wenn sie Massnahmen umfassen, die<br />
Synergieeffekte bewirken, indem sie gleichzeitig<br />
mehrere Schadstoffe bekämpfen.<br />
Erneuerbare Energien können zu einer<br />
verminderten Luftverschmutzung beitragen,<br />
da sie weniger THG erzeugen. Doch diese<br />
Technologien sind verhältnismässig kapitalintensiv<br />
und können in grossem Massstab<br />
nur über einen längeren Zeithorizont hinweg<br />
implementiert werden. Auf der anderen Seite<br />
ist auf dem Markt ein breites Angebot erschwinglicher<br />
Technologien zur Neutralisierung<br />
von Schadstoffen verfügbar. So besteht<br />
etwa die Möglichkeit, den Schwefelgehalt<br />
von Energieträgern zu senken. Und die<br />
Schadstoffemissionen bei der Kohleverbrennung<br />
können durch die «saubere Kohleverstromung»<br />
gesenkt werden.<br />
Ferner können Schadstoffe in der Zu- oder<br />
Abluft von Raumbelüftungssystemen mit<br />
Hilf e bestimmter Technologien neutralisiert<br />
werden. Hierbei variieren die Voraussetzungen<br />
und Erfordernisse je nach Anwendungsgebiet.<br />
So kommen etwa bei den gängigen<br />
Technologien für die Energiegewinnung und<br />
den gewerblichen Bereich Filteranlagen<br />
zum Einsatz, in denen fortschrittliche Membran-<br />
oder Elektrofilter die Partikel von<br />
den Gasen der Abluft trennen. Im Transportsektor<br />
werden hauptsächlich zwei Technologien<br />
angewendet, die effizienzsteigernd<br />
miteinander kombiniert werden können:<br />
Kataly satoren, in denen für einen hohen<br />
Wirkungs grad hauptsächlich Edelmetalle<br />
(Platin) als katalytische Mittel verwandt werden,<br />
dienen der Neutralisierung von NO x . Die<br />
üblicherweise aus porösem Keramikmaterial<br />
bestehenden Partikelfilter sondern die FT<br />
aus Dieselabgasen aus.<br />
Spezialisierte Unternehmen profitieren<br />
Die Wertschöpfungskette rund um diese<br />
Technologien wird von Rohstofflieferanten,<br />
spezialisierten Herstellern von Emissionskontrollsystemen<br />
und Endverbrauchern gestaltet.<br />
Da Unternehmen im mittleren Segment<br />
der Wertschöpfungskette stärker spezialisiert<br />
sind, haben sie aufgrund des<br />
Trends hin zur Bekämpfung und Minderung<br />
der Luftverschmutzung auch ein grösseres<br />
Wachstumspotenzial. Bei einem voraussichtlichen<br />
jährlichen Wachstum von über<br />
zehn Prozent ist davon auszugehen, dass<br />
der Marktumsatz, der sich 2009 auf geschätzte<br />
63 Milliarden Euro belief, bis zum<br />
Jahr 2013 auf knapp <strong>10</strong>0 Milliarden Euro anwachsen<br />
wird.<br />
Die Unternehmen können in zwei Sektoren<br />
unterteilt werden: vorwiegend in kleinem<br />
2 Luftreinhaltung ist ihr Geld wert<br />
Beim Clean Air Act (US-amerikanisches<br />
Geset z zur Luftreinigung) ist der Gewinn viel<br />
höher als die Kosten. Quelle: OECD, Credit Suisse<br />
Milliarden US-Dollar<br />
120<br />
<strong>10</strong>0<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Kosten<br />
Gewinn<br />
Nettogewinn<br />
1. Szenario 2. Szenario<br />
Umfang tätige Hersteller von Katalysatoren<br />
und Hersteller von Filteranlagen für gewerbliche<br />
Anwendungsbereiche.<br />
Investieren in Technologievorreiter lohnt<br />
Luftverschmutzung wird zu einem immer dringen<br />
deren Problem, da sie schwerwiegende<br />
Erkrankungen und eine steigende Anzahl<br />
vorzeitiger Todesfälle zur Folge hat. Mit insgesamt<br />
über 350 Milliarden US-Dollar sind<br />
die jährlich in den USA, in Europa und China<br />
durch Luftverschmutzung verursachten Kosten<br />
hoch. Bei der Bekämpfung von Schadstoffen<br />
haben sich zweckmässige Rechtsvorschriften<br />
als wirkungsvoll erwiesen und<br />
erlauben es den jeweiligen Staaten, das<br />
Emis sionsproblem vom Wirtschaftswachstum<br />
abzukoppeln. Darüber hinaus erbringen<br />
mehrere wissenschaftliche Publikationen<br />
den Beweis, dass derartige Vorschriften<br />
sich wirt schaftlich vorteilhaft auswirken. Zur<br />
Minderung des Schadstoffaufkommens<br />
werde n ausgeklügelte, schadstoffspezifische<br />
Technologien für diverse Anwendungsgebiete<br />
benötigt. Von den künftigen, verschärften<br />
Vorschriften begünstigt, sind Technologievorreiter<br />
eine vielversprechende Investitionschance.<br />
<<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
65<br />
Dossier Schweizer Fussball<br />
Die Pyramide<br />
des Erfolgs<br />
Inhalt<br />
01<br />
<strong>02</strong><br />
03<br />
04<br />
Der Trainer Exklusivinterview mit Ottmar Hitzfeld<br />
Der Profi Nationalspieler Stephan Lichtsteiner<br />
Das Talent U-17-Weltmeister Oliver Buff<br />
Der Schüler Schweizer Meister Gianluca Bianculli<br />
05 Der Verein Wie die Young Kickers Foundation hilft<br />
Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/09
66<br />
01<br />
Schweizer<br />
Fussball<br />
«Ich programmiere<br />
mich immer auf Erfolg»<br />
Ottmar Hitzfeld hat die Schweiz an die WM in Südafrika geführt. Der Erfolgstrainer über seinen<br />
ersten Lohn, die Bedeutung der Wissenschaft für den Fussball und die Angst vor dem Scheitern.<br />
<strong>bull</strong>etin: Herr Hitzfeld, Sie sind seit<br />
27 Jahren im Trainergeschäft. Hat man da<br />
überhaupt noch Lust, über Fussball zu<br />
reden?<br />
Ottmar Hitzfeld: Fussball ist nicht nur mein<br />
Beruf, sondern meine Leidenschaft. Er kennt<br />
keine endgültige Wahrheit, sondern bietet<br />
immer wieder neuen Diskussionsstoff.<br />
Was würden Sie Ottmar Hitzfeld als<br />
Erstes fragen?<br />
Ich würde wissen wollen, wieso er ein so<br />
grosses Risiko einging und Trainer wurde.<br />
Und wie lautet die Antwort ?<br />
Ich hatte das nie geplant. Doch als ich 1983<br />
nach meiner Fussballerkarriere Lehrer werden<br />
wollte, wurde eine Nachprüfung verlangt,<br />
da ich seit dem Staatsexamen nie als Lehrer<br />
tätig war. Das fand ich ungerecht, und so<br />
wurde ich Trainer des SC Zug. Ich gab mir<br />
fünf Jahre Zeit, um in diesem Beruf Erfolg<br />
zu haben. Das Risiko hat sich gelohnt – mehrheitlich.<br />
Wie meinen Sie das?<br />
Fussball bedeutete jahrzehntelang mein Leben<br />
und ich hatte kaum mehr als einen Tag<br />
pro Monat frei. Darunter litt das Familienleben,<br />
besonders meine Frau musste Opfer<br />
bringen. Wir gingen fast nie gemeinsam zu<br />
Einladungen und vielleicht einmal im Jahr ins<br />
Theater. Da ich dauernd in der Öffentlichkeit<br />
stand, habe ich mich in der Freizeit isoliert.<br />
Wie hat sich der Fussball in all den Jahren<br />
verändert ?<br />
Er hat sich in jeder Hinsicht entwickelt. Das<br />
Spiel ist heute schneller, die Spieler trainieren<br />
härter, Fussball ist gesellschaftsfähiger<br />
und kommerzieller geworden. Gleich geblieben<br />
ist eigentlich bloss eines: Die Spieler<br />
gehen dorthin, wo es am meisten Geld zu<br />
verdienen gibt.<br />
Erinnern Sie sich an Ihren ersten Lohn?<br />
Beim FC Basel bekam ich 1971 monatlich<br />
800 Franken. Es gab zwar lukrativere Angebote<br />
von kleineren Vereinen, aber mich<br />
reizte die sportliche Herausforderung. Ich<br />
hätte damals auch umsonst für Basel gespielt.<br />
Dank der Erhebung unzähliger Daten ist<br />
heute vom «gläsernen Spieler» die Rede.<br />
Welche neuen Erkenntnisse hat die Wissenschaft<br />
gebracht?<br />
Dank Blut- oder Schnelligkeitstests kann<br />
man sich ein umfassenderes Bild eines Spielers<br />
machen und dessen Defizite besser aufzeigen.<br />
Besonders hilfreich ist das bei lauffaulen<br />
Diven, die überzeugt sind, wahnsinnig<br />
viel geleistet zu haben.<br />
Dann dienen die Daten dazu, die Verantwortung<br />
abzuschieben?<br />
Nein. Sie sind eine Ergänzung. Eine Hilfe,<br />
um Meinungen zu untermauern. Mehr nicht.<br />
Computerprogramme schlüsseln heute die<br />
rund 2500 Aktionen auf, die es während<br />
eines Spiels gibt. Welche Informationen<br />
sind für Sie die wichtigsten?<br />
Für mich geht es etwa darum, die Zweikampfstatistik<br />
zu kennen. Diese lügt nie.<br />
Entscheidend ist aber die Interpretation der<br />
Daten. Die Kunst besteht darin, das Wesentliche<br />
herauszusuchen und zu fragen, was uns<br />
weiterbringt.<br />
Wird man als routinierter Trainer von den<br />
Daten wirklich überrascht ?<br />
Natürlich. Ein Beispiel: Gökhan Inler wurde<br />
nach dem WM-Qualifikationsspiel gegen<br />
Israel für seine vielen Fehl- und Querpässe<br />
kritisiert. Die Statistik hat aber gezeigt, dass<br />
er 55 Prozent der Pässe in die Spitze spielte,<br />
30 quer und 20 zurück. Der fleissige Gelson<br />
Fernandes hingegen spielte 50 Prozent rückwärts,<br />
also Sicherheitspässe, und bloss<br />
20 Prozent in die Spitze. Da ist man auch als<br />
Trainer erstaunt.<br />
Verdrängen die Statistiken die psychologische<br />
Komponente des Trainerberufs?<br />
Nein, sie ist nach wie vor das Wichtigste in<br />
meinem Job. Der Mensch steht im Mittelpunkt<br />
und ich versuche ihn zu stärken, indem<br />
ich viele Gespräche führe. Nach einer schlechten<br />
Leistung hacke ich nicht auf dem Spieler<br />
rum. Ich liefere ihm Lösungsansätze, wie er<br />
es das nächste Mal besser machen kann.<br />
Worauf achten Sie bei der Komposition<br />
einer Mannschaft ?<br />
<br />
Fotos: Cover, Muster Andreas Mustermann Meier | | Muster Foto rechts, Mustermann Alberto Venzago<br />
<strong>bull</strong>etin 4/09 Credit Suisse
Der Trainer<br />
«Es wird oft gesagt, der Hitzfeld sei ein kühler Kopfmensch. Das ist Quatsch.<br />
Ich verlasse mich viel auf meine innere Stimme, auf meinen Bauch.»<br />
Ottmar Hitzfeld
Geschafft: Die Qualifikation für Südafrika<br />
mit der Schweiz bedeutet für Ottmar<br />
Hitzfeld die erste WM-Teilnahme.<br />
Ottmar Hitzfeld (61) ist seit<br />
dem Sommer 2008 Trainer der<br />
Schweizer Nationalmannschaft.<br />
Er wurde nach der deutschen<br />
Fussballlegende Ottmar Walter<br />
benannt und wuchs als jüngstes<br />
von fünf Kindern in Lörrach<br />
auf. Als Spieler war er für den<br />
FC Basel (zwei Meistertitel)<br />
sowie für VfB Stuttgart,<br />
FC Lugano und FC Luzern tätig.<br />
Er war ein schneller und treffsicherer<br />
Stürmer. 1973 wurde<br />
er Torschützenkönig der<br />
Schweiz, und mit sechs Toren<br />
in einem Spiel hält er bis heute<br />
einen Bundesligarekord. Als<br />
Trainer wirkte er bei SC Zug,<br />
FC Aarau, den Grasshoppers,<br />
Borussia Dortmund und Bayern<br />
München. Er gewann insgesamt<br />
sechsmal den Pokal und<br />
holte neun Meistertitel. Als<br />
einer von nur zwei Trainern<br />
wurde er mit zwei verschiedenen<br />
Vereinen Champions-<br />
League-Sieger (Dortmund,<br />
Bayern) und gehört damit zu<br />
den erfolgreichsten Klubtrainern<br />
aller Zeiten.<br />
Neben der Taktik geht es dabei um die<br />
menschliche Komponente. Nicht die elf besten<br />
Einzelspieler sind das beste Team, es<br />
muss zusammenpassen. Es wird oft gesagt,<br />
der Hitzfeld sei ein kühler Kopfmensch, ein<br />
berechnender Mathematiker. Das ist Quatsch.<br />
Ich verlasse mich viel auf meine innere Stimme,<br />
auf meinen Bauch.<br />
Ist die Mannschaft ein Spiegelbild des<br />
Charakters ihres Trainers?<br />
Das glaub ich nicht. Besonders als Trainer<br />
der Nationalmannschaft kann ich ja nicht die<br />
Spieler meines Geschmacks zusammenkaufen,<br />
sondern muss mit jenen arbeiten, die mir<br />
zur Verfügung stehen. Ich versuche jedoch<br />
immer, meine Mentalität auf das Team zu<br />
übertragen.<br />
Kann man den Spielern eine Siegermentalität<br />
vermitteln?<br />
Ja, aber es ist ein langer Prozess. Ich selbst<br />
war früher gehemmt und traute mich nicht,<br />
in der Schule aufzustrecken aus Angst, etwas<br />
falsch zu machen. Aber mit den Jahren habe<br />
ich mir eine gewisse Robustheit angeeignet.<br />
Die Spieler müssen schon im Training jedes<br />
Mätschli gewinnen wollen, und sie dürfen<br />
keine Angst haben.<br />
Sie sind seit knapp zwei Jahren Schweizer<br />
Nationaltrainer. Fühlen Sie sich von den<br />
Spielern verstanden?<br />
Ich empfinde die Zeit nach wie vor als sehr<br />
kurz, da ich viel weniger Zeit mit dem Team<br />
verbringe als ein Vereinstrainer. Da sind mir<br />
schon ein wenig die Hände gebunden. Aber<br />
ich denke, dass wir nach der Heimniederlage<br />
gegen Luxemburg eine gute Mentalität bewiesen<br />
haben. Die WM-Qualifikation hat<br />
jedoch auch gezeigt, dass die Auswahl an<br />
gleichwertigen Spielern nicht sehr gross ist.<br />
Immerhin scheint es nicht an Talenten zu<br />
mangeln, stellt die Schweiz doch den U-17-<br />
Weltmeister. Warum haben Sie bisher keinen<br />
davon ins Nationalteam berufen?<br />
Diese Spieler haben Sensationelles geleistet<br />
und stehen unter Beobachtung. Aber mit<br />
einer Nomination würde ich keinem einen Gefallen<br />
tun. Das sind Jugendspieler, die sich<br />
erst mal im Profifussball durchsetzen müssen.<br />
Welcher Faktor entscheidet, ob es einer<br />
packt ?<br />
Die psychische Komponente. Wenn einer<br />
denkt, seine Karriere sei gesichert, nur weil<br />
er U-17-Weltmeister ist, dann hat er schon<br />
verloren.<br />
Wie bringt man eine Mannschaft pünktlich<br />
auf WM-Beginn in Bestform?<br />
Es braucht eine gute Vorbereitung, in der<br />
man das Team physisch, taktisch und psychisch<br />
gut einstellt. Danach hängt vieles<br />
von den ersten Spielen ab. Man braucht das<br />
nötige Schlachtenglück.<br />
In der Schweiz bekommt man den Eindruck,<br />
die Achtelfinalqualifikation sei reine Formsache.<br />
Unterschätzt man die WM-Gruppe?<br />
Seit wir im März von Uruguay vorgeführt wurden,<br />
hat sich diese Frage erübrigt. Honduras<br />
bewegt sich in derselben Stärkeklasse, Chile<br />
ist noch etwas besser. Wir brauchen eine<br />
Topleistung, um gegen beide zu bestehen.<br />
Und wie schlägt man den Europameister<br />
und WM-Favoriten Spanien?<br />
Jeder Spieler muss an seine Leistungsgrenze<br />
gehen, und wir brauchen einen Torhüter<br />
Benaglio, der das Spiel seines Lebens macht.<br />
Das Team muss total überzeugt sein, die<br />
Sensation schaffen zu können. Von zehn<br />
Spielen verlieren wir acht gegen diese Jahrhundertelf.<br />
Aber zwei Partien sind offen. Da<br />
ist alles möglich.<br />
Sie sind vom Erfolg verwöhnt. Haben Sie<br />
Angst vor dem Scheitern?<br />
Ich denke nie an das Scheitern, sondern programmiere<br />
mich immer auf Erfolg. Dabei bin<br />
ich aber kein Träumer. Meine Aufgabe ist es,<br />
die Mannschaft so gut wie möglich für die<br />
Gruppenspiele vorzubereiten. Danach sehen<br />
wir weiter.<br />
Haben Sie Mühe, vor wichtigen Spielen<br />
einzuschlafen?<br />
Als junger Trainer bin ich nachts wach gelegen<br />
und habe an der Aufstellung gezweifelt.<br />
Es bereitete mir Probleme, den Spielern weh<br />
zu tun, weil ich sie auf die Bank verbannte.<br />
Heute schlafe ich besser.<br />
Heute haben Sie keine Skrupel mehr?<br />
Es fällt mir genauso schwer. Für mich sind<br />
die Spieler nach wie vor Menschen und keine<br />
Nummern, wie für gewisse Berufskollegen.<br />
Aber ich habe gelernt, zu entscheiden.<br />
Gibt es im Fussball Gerechtigkeit?<br />
Wer verliert, ist immer selber schuld. 1999 im<br />
Champions-League-Final erlebte ich meine<br />
bitterste Niederlage. Wir waren die bessere<br />
Mannschaft, hatten zwei Lattenschüsse und<br />
führten bis zur 89. Minute mit 1: 0. Aber am<br />
Schluss hiess es 1: 2. In diesem Moment gibt<br />
es nichts Schlimmeres, als Mitleid geschenkt<br />
zu bekommen. Wir haben uns selber geschlagen.<br />
So einfach ist das. Die einzige Frage<br />
lautet: Steht man nach einem solchen Tiefschlag<br />
wieder auf oder nicht.<br />
Träumen Sie manchmal von diesem<br />
Drama?<br />
Meine Frau kann sich fast jeden Morgen an<br />
ihren Traum erinnern. Aber ich träume nie.<br />
Michael Krobath<br />
Fotos: Andreas Meier
69<br />
Der Weg nach Südafrika Mit der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 20<strong>10</strong> nimmt die<br />
Schweiz zum achten Mal an einer WM-Endrunde teil. Das Turnier findet vom 11. Juni<br />
bis 11. Juli 20<strong>10</strong> in Südafrika und damit erstmals auf afrikanischem Boden statt. In den<br />
zehn Qualifikationsspielen setzte Trainer Ottmar Hitzfeld insgesamt 26 Spieler ein –<br />
die meisten Tore erzielten Blaise Nkufo und Alex Frei mit je fünf Treffern. Mit sechs Siegen<br />
und drei Unentschieden wurde die Schweiz Gruppensieger vor Griechenland. Die<br />
einzige Niederlage erfolgte gegen Luxemburg, womit sie sich als erstes Team überhaupt<br />
nach einer Heimniederlage gegen den Fussballzwerg für eine Endrunde qualifizierte.<br />
Gutes Auftaktspiel, doch<br />
in letzter Sekunde erzielt<br />
Israel den Ausgleich.<br />
6.9.2008<br />
Israel–Schweiz 2:2<br />
Der grosse Schock: Der<br />
Fussballzwerg Luxemburg<br />
gewinnt in Zürich.<br />
<strong>10</strong>.9.2008<br />
Schweiz–Luxemburg 1:2<br />
Der mühsame Heimsieg<br />
gegen Lettland gibt wieder<br />
Hoffnung.<br />
11.<strong>10</strong>.20 0 8<br />
Schweiz–Lettland 2:1<br />
Überraschender Sieg in<br />
Griechenland, die Schweiz<br />
ist wieder im WM-Rennen.<br />
Nervöse Schweizer in<br />
Moldawien. Das 2:0 fällt<br />
erst in der 93. Minute.<br />
15.<strong>10</strong>.20 0 8<br />
Griechenland–Schweiz 1:2<br />
Im Rückspiel werden die<br />
Moldawier dominiert.<br />
Nkufo trifft bereits zum<br />
fünften Mal.<br />
28.3.2009<br />
Moldawien–Schweiz 0:2<br />
Big Points gegen Griechenland<br />
und vierter Sieg<br />
in Folge. Die Schweiz auf<br />
WM-Kurs.<br />
1.4.2009<br />
Schweiz–Moldawien 2:0<br />
Krimi in Lettland: Rettung<br />
in letzter Minute dank<br />
Derdiyoks Ausgleich.<br />
Gelungene Revanche<br />
gegen Luxemburg, Platz<br />
eins vor dem letzten Spiel.<br />
5.9.2009<br />
Schweiz–Griechenland 2:0<br />
Das torlose Unentschieden<br />
gegen Israel reicht:<br />
Südafrika, wir kommen!<br />
9.9.2009<br />
Lettland–Schweiz 2:2<br />
Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />
<strong>10</strong>.<strong>10</strong>.2009<br />
Luxemburg–Schweiz 0:3<br />
14.<strong>10</strong>.20 09<br />
Schweiz–Israel 0:0
<strong>02</strong><br />
Schweizer<br />
Fussball<br />
«Noch einmal gegen Brasilien spielen»<br />
Stephan Lichtsteiner hat seinen Jugendtraum verwirklicht. Er ist Profifussballer, derzeit<br />
bei Lazio Roma, und wird, wenn ihn keine Verletzung zurückwirft, an der Weltmeisterschaft eine<br />
Stütze der Nationalmannschaft sein. Dort debütierte er gegen Brasilien. Nun lockt die Traumbegegnung<br />
erneut.<br />
Valon Behrami, Gelson Fernandes, Gökhan<br />
Inler, Stephan Lichtsteiner, Ludovic Magnin,<br />
Patrick Müller und Philippe Senderos. Sieben<br />
Nationalspieler. Was sie verbindet? Eine zumeist<br />
defensive Position auf dem Spielfeld,<br />
vor allem aber: An der EURO 2008 in der<br />
Schweiz gehörten sie unter Jakob Kuhn in<br />
allen drei Partien gegen die Tschechische<br />
Republik, die Türkei und Portugal zur Startelf.<br />
Die 2 auf dem Rücken – und doch nicht<br />
Nicht alle sieben werden in Südafrika unter<br />
Ottmar Hitzfeld diesen Traum wiederholen<br />
können und sowohl am 16. Juni gegen Spanien<br />
als auch am 21. Juni gegen Chile und<br />
am 25. Juni gegen Honduras auf dem Spielfeld<br />
stehen, wenn die Schweizer Nationalhymne<br />
erklingt. Aber, keine Frage, Stephan<br />
Lichtsteiner ist es zuzutrauen. Er ist unter<br />
Ottmar Hitzfeld weiter gereift, hat als rechter<br />
Aussenverteidiger mit viel Offensivdrang acht<br />
der zehn Qualifikationsspiele bestritten und<br />
befindet sich derzeit in einer beneidenswerten<br />
Form.<br />
In der Nationalmannschaft und bei Lazio<br />
Roma trägt er die 2 auf dem Rücken, aber<br />
im übertragenen Sinn stimmt dies längst<br />
nicht mehr. Die Fans haben den Innerschweizer<br />
Kämpfer und Dauerläufer in ihr Herz<br />
geschlossen. In Rom nennen sie ihn zärtlich<br />
Forrest Gump, in Anspielung auf einen<br />
Oscar-preisgekrönten Film mit Tom Hanks.<br />
Telefoninterview: Die Handynummer von<br />
Stephan Lichtsteiner, die er von Zeit zu Zeit<br />
32<br />
Länderspiele hat Stephan Lichtsteiner<br />
im Idealfall absolviert, wenn die Schweiz im<br />
Achtelfinal auf Brasilien trifft …<br />
wechselt, habe ich von Denise Ferrari erhalten<br />
– Denise Ferrari, die seinerzeit den<br />
fussball begeisterten Lehrling in der Credit<br />
Suisse Geschäftsstelle am Schaffhauserplatz<br />
in Zürich betreute und die ihm nun, Jahre<br />
später, beim Römer Derby auf der Tribüne<br />
im Olympiastadion fest die Daumen drückte.<br />
Stephan Lichtsteiner hat sich in der Zwischenzeit<br />
zwar einen Platz in der glamourösen<br />
Welt des Fussballs erobert; aber letztlich<br />
ist er der Gleiche geblieben. Bescheiden<br />
und zuvorkommend, gerne Ice Tea trinkend,<br />
Lasagne essend. Und wenn er davon träumt,<br />
sich ein Haus nach seinen eigenen Vorstellungen<br />
zu bauen, ein Haus für eine Familie<br />
mit zwei Kindern, dann steht dieses Haus<br />
natürlich im <strong>Süden</strong> – im <strong>Süden</strong> von Zürich, an<br />
den Gestaden des Vierwaldstättersees.<br />
Kontinuierliche, nachhaltige Entwicklung<br />
In der Zentralschweiz, wo alles begonnen hat<br />
und wo sich der Kreis auch wieder schliessen<br />
wird. Beim FC Adligenswil, der 1985 von<br />
Stephans Vater mitbegründet wurde. Mag<br />
sein, dass der Vater dabei träumte, sein Sohn<br />
würde eines Tages für den FCA Tor um Tor<br />
schiessen, ihn erfolgreich in die 3. Liga führen;<br />
aber so richtig planbar war die Karriere<br />
von Stephan, geboren am 16. Januar 1984,<br />
damals noch nicht.<br />
Doch seine Liebe zum Fussball zeigte sich<br />
schon sehr bald und zog 1996 den Wechsel<br />
des Zwölfjährigen zum FC Luzern nach sich.<br />
Und spätestens am 12. Oktober 1999, <br />
Fotos: Foto: Alberto Muster Venzago Mustermann | Muster Mustermann<br />
<strong>bull</strong>etin 5/09 Credit Suisse
Der Profi<br />
«Dieser Ehrgeiz, immer spielen und immer gewinnen zu wollen, ist in mir drin. Ab und zu steht mir diese Eigenschaft auch im Weg.<br />
Doch ich habe an mir gearbeitet und habe mich inzwischen viel besser unter Kontrolle als früher.»<br />
Stephan Lichtsteiner
Die Credit Suisse und die Nationalmannschaft<br />
Sechs internationale<br />
Endrunden – eine sehr<br />
erfolgreiche Ära<br />
Die Credit Suisse engagiert<br />
sich seit vielen Jahren für den<br />
Schweizer Fussball und ist<br />
seit 1993 Hauptsponsor des<br />
Schweizerischen Fussballverbands<br />
(SFV) und der Nationalmannschaften.<br />
Die Zusammenarbeit<br />
mit dem SFV ist<br />
von grossen Erfolgen geprägt.<br />
Jüngster Höhepunkt dabei<br />
war die Qualifikation der<br />
Schweizer Nationalmannschaft<br />
für die Weltmeisterschaft in<br />
Südafrika. Es ist bereits die<br />
dritte Teilnahme seit Bestehen<br />
der Partnerschaft mit der<br />
Credit Suisse nach 1994 (USA)<br />
und 2006 (Deutschland).<br />
Ebenso oft er reichte die<br />
Schweiz in dieser Zeit eine<br />
Europa meisterschafts -<br />
end runde: 1996 in England,<br />
2004 in Portugal und 2008 zu<br />
Hause in der Schweiz. Und,<br />
keine Frage, 2012 möchte man<br />
in Polen und in der Ukraine<br />
ebenfalls dabei sein.<br />
als Stephan in Bry-sur-Marne gegen<br />
<br />
Frankreich das erste U-15-Länderspiel bestreiten<br />
durfte, wagte er seinen Traum, Fussballprofi<br />
zu werden, offen auszusprechen.<br />
Dies umso mehr, als schon im April 2000 zu<br />
Hause, in Meggen und Willisau, die ersten<br />
Länderspielsiege gegen Ungarn folgten.<br />
Der Vereinswechsel zu den Zürcher Grasshoppers,<br />
in eine der besten Juniorenabteilungen<br />
Europas, war folgerichtig, doch die<br />
Eltern willigten nur ein, weil die berufliche<br />
Ausbildung darunter nicht leiden musste. Die<br />
Credit Suisse ermöglichte ihrem kaufmännischen<br />
Lehrling den sechs- bis siebenmaligen<br />
Trainingsbesuch pro Woche – dies aber, ohne<br />
bei der geforderten Leistung Konzessionen<br />
zu machen. Stephan Lichtsteiner beklagte<br />
sich nicht, biss sich durch und betonte uns<br />
gegenüber schon im Februar 20<strong>02</strong>: «Es gibt<br />
auch ein Leben nach dem Spitzensport, und<br />
da will ich mir nichts verbauen. Wie schnell<br />
zerstört eine Verletzung alle Träume.»<br />
Aggressivität statt Unbeherrschtheit<br />
Der eiserne Wille ist zum Lichtsteinerschen<br />
Markenzeichen geworden, nicht zuletzt der<br />
Wille, mit unermüdlichem Einsatz sein Potential<br />
voll auszuschöpfen, seine eigenen Grenzen<br />
zu verschieben. Ausserhalb des Feldes<br />
ein Lamm, wurde er auf dem Platz zum Tiger,<br />
seinem Lieblingstier. Nicht selten wollte Stephan<br />
Lichtsteiner dabei des Guten zu viel;<br />
die Unbeherrschtheit drohte für ihn zum Problem<br />
zu werden. Doch wiederum besass er<br />
den Willen, seine Schwä chen gezielt zu bekämpfen,<br />
seine Impulsivität durch mentales<br />
Training in den Griff zu bekommen, ohne die<br />
wichtige sportliche Aggressivität zu verlieren.<br />
Und die Träume des U-19-Nationalspielers<br />
von 20<strong>02</strong>, der Roberto Carlos als sein<br />
Vorbild nannte? Eine erfolgreiche Euro 2008<br />
in der Schweiz spielen, Spitzenpartien mit<br />
den Grasshoppers im fünfeckigen Stadion<br />
Zürich bestreiten und die Karriere mit einem<br />
Engagement bei ManU krönen.<br />
Wie nahe ist Stephan Lichtsteiner diesen<br />
Sternen gekommen! Die Schweiz gewann<br />
mit Österreich die Kandidatur zur EURO<br />
2008. Und Stephan Lichtsteiner, der am<br />
15. November 2006 gegen Brasilien sein<br />
erstes «richtiges» Länderspiel bestritt, wurde<br />
ge rade rechtzeitig Stammspieler der Nationalmannschaft.<br />
Mit den Grasshoppers errang<br />
er 2003 den Schweizer Meistertitel, allerdings<br />
nicht im Stadion Zürich; wenigstens<br />
soll dieses nun in einer redimensionierten<br />
Form doch noch realisiert werden. Selbst<br />
ein Wechsel zu ManU erscheint nicht als<br />
utopisch. Stephan Lichtsteiner wurde in der<br />
Saison 2007/08 als Stammspieler des OSC<br />
Lille zum besten Verteidiger der Ligue 1 gewählt,<br />
und nun erhält er in Rom, wo er 2009<br />
viel zu Lazios Cupsieg beitrug, beste Kritiken.<br />
Zeit also, sich neue Ziele zu setzen. «Wenn<br />
man schon mit Lille Erfahrung in der Königsklasse<br />
sammeln durfte, wäre es natürlich das<br />
Grösste, den Champions-League-Pokal mal<br />
in die Höhe zu stemmen», meint Stephan<br />
Lichtsteiner. Und ergänzt verschmitzt: «Ob<br />
man das bei ManU oder bei einem anderen<br />
Topclub macht, ist dann fast schon zweitrangig.»<br />
Ein Vorbild für alle Jungen und Älteren, die ihre<br />
Träume auch tatsächlich verwirklichen möchten.<br />
Auch in Bezug auf die Nationalmannschaft<br />
hat er sternenklare Träume: «Ich möchte<br />
dazu beitragen, dass wir in Südafrika die<br />
Gruppenspiele überstehen. Angenommen,<br />
wir werden hinter Spanien Gruppenzweiter,<br />
dann wartet im Achtelfinal Brasilien auf uns.<br />
Werden wir gar Gruppensieger, dann treffen<br />
wir eben erst im Viertelfinal auf Brasilien …»<br />
Stephan Lichtsteiner weiss, dass man<br />
sich hohe Ziele setzen muss, um etwas<br />
zu erreichen. Aber er weiss auch, dass die<br />
Schweiz rein von der Papierform her betrachtet<br />
gegen Chile als Aussenseiter antreten<br />
wird. Unmöglich aber ist nichts – wofür hat<br />
man schliesslich einen Willen!<br />
Botschafter von SolidarMed<br />
Beim Stichwort «<strong>Süden</strong>» denkt Stephan<br />
Lichtsteiner aber auch an die Schattenseiten<br />
des Lebens. Als Botschafter des Hilfswerks<br />
SolidarMed besuchte er letzten Sommer<br />
Mosambik, «tschuttete» auf den Sandplätzen<br />
in Chiure und sprach den Ärmsten und<br />
Kranken Mut zu. Die Bodenhaftung wird<br />
Stephan Lichtsteiner nie verlieren.<br />
Andreas Schiendorfer<br />
<strong>bull</strong>etin 5/09 Credit Suisse
03<br />
Schweizer<br />
Fussball<br />
Der unterschätzte Weltmeister<br />
Der Mittelfeldspieler Oliver Buff trug wesentlich zum U-17-Weltmeistertitel der Schweiz<br />
in Nigeria bei. Doch im Rampenlicht standen andere. Porträt eines leisen Fussballers mit dem<br />
Potenzial für eine grosse Karriere.<br />
Fotos: Steffen Schmidt, Keystone | Andreas Meier | Keystone AFP STR<br />
Es war ein Moment für die Ewigkeit: In der<br />
64. Minute des U-17-WM-Finals kam die<br />
Schweiz zu einem Eckball. Oliver Buff zirkelte<br />
den Ball in den Strafraum, der kräftige<br />
Haris Seferovic wuchtete ihn mit einem lehrbuchmässigen<br />
Kopfstoss ins Netz. Die hochfavorisierten<br />
Nigerianer waren mit 1: 0 besiegt.<br />
Erstmals in der Geschichte gewann<br />
die kleine Schweiz mit ihren gerade einmal<br />
245 419 lizenzierten Fussballern einen Weltmeistertitel.<br />
Die Szene ist irgendwie typisch für Oliver<br />
Buff. Obwohl er wesentlich daran beteiligt<br />
war, standen danach andere im Rampenlicht.<br />
Aber auch er selbst macht kein grosses Aufhebens<br />
darum. «Ich habe einfach auf die entfernte<br />
Ecke des Fünfmeterraums gezielt»,<br />
erzählt er vier Monate später in einem Zürcher<br />
Café, «einstudiert war diese Cornervariante<br />
nicht .» Der Mittelfeldspieler aus dem<br />
zürcherischen Geroldswil ging in der medialen<br />
Nachbearbeitung ziemlich unter.<br />
Gute Noten der Experten<br />
Vermutlich ist er jedoch der meistunterschätzte<br />
Spieler des Weltmeisterteams. Zum<br />
viel zitierten «Wunder von Nigeria» trug er<br />
wesentlich bei. In sechs der sieben Partien<br />
stand er in der Startelf, im Viertelfinal gegen<br />
Italien erzielte er mit einem trockenen Schuss<br />
aus 18 Metern den wichtigen Führungstreffer.<br />
«Mit seiner hervorragenden Technik und<br />
Überdurchschnittliche Spielintelligenz: Oliver Buff<br />
im Spiel gegen Holland an der U-17-Europameisterschaft<br />
2009.<br />
überdurchschnittlichen Spielintelligenz war<br />
er für uns extrem wichtig», sagt Coach Dany<br />
Ryser. Und fragt man Peter Knäbel, den Ausbildungschef<br />
des Schweizerischen Fussballverbands,<br />
welchen drei U-17-Weltmeistern<br />
er am ehesten eine internationale Karriere<br />
zutraut, dann fällt auch der Name Oliver Buff.<br />
Wenn sich der U-21-Spieler des FC Zürich<br />
an diesem warmen Frühlingstag an die Weltmeisterschaft<br />
zurückerinnert, tut er dies leise,<br />
aber mit jener für seine Fussballergeneration<br />
so typischen Abgeklärtheit. Nach dem<br />
3. Platz an der Europameisterschaft hätte die<br />
Mannschaft gewusst, dass bei der WM viel<br />
drin sei, sagt er. Der schwierigste Moment<br />
sei der Elfmeter für Italien gewesen: «Wäre<br />
der reingegangen, dann wären wir rausgeflogen.»<br />
Seine Erklärung für den Erfolg ist<br />
ebenso kurz wie prägnant: «Keiner wurde<br />
arrogant, keiner egoistisch, jeder spielte für<br />
jeden.»<br />
Daheim in der Schweiz fand die sich anbahnende<br />
Sensation anfänglich kaum Beachtung.<br />
Erst mit den Direktübertragungen<br />
ab den Viertelfinals kam eine eigentliche Aufmerksamkeitswelle<br />
ins Rollen, die mit phänomenalen<br />
1,3 Millionen TV-Zuschauern im<br />
Finalspiel endete. Noch nie hatte hierzulande<br />
ein Juniorenevent auch nur annähernd so viel<br />
Beachtung gefunden. Die Spieler in Nigeria<br />
hätten ihre Popularität nur ansatzweise erahnt,<br />
erzählt Oliver Buff. Übers Internet las<br />
man die Artikel in der Presse, mit der Zeit<br />
seien immer mehr Spieler zu Presseterminen<br />
abkommandiert worden, und schliesslich<br />
musste im Hotel gar ein grösserer Medienraum<br />
gemietet werden, um den Journalistenandrang<br />
bewältigen zu können.<br />
Erst nach der Heimkehr sei ihm aber richtig<br />
bewusst geworden, was für eine Euphorie<br />
sie ausgelöst hatten. Es herrschte Ausnahmezustand:<br />
Ein Medientermin jagte den
Das Talent<br />
«Ich muss nicht mit 17 das grosse Geld verdienen. Abgerechnet wird mit 35.<br />
Dann werden wir ja sehen, wer am meisten auf dem Konto hat.»<br />
Oliver Buff
75<br />
nächsten; wildfremde Menschen gratulierten<br />
ihm im Tram; Spieleragenten lockten<br />
mit Vereinen aus Deutschland, England und<br />
Italien; die Heimatgemeinde Geroldswil<br />
schenkte ihm eine Praktikumsstelle auf dem<br />
Gemeindebüro. Ganz besonders stolz machte<br />
ihn die Gratulation von Ottmar Hitzfeld per<br />
SMS. Doch nach wenigen Wochen hatte ihn<br />
der Alltag wieder eingeholt. «Das war eine<br />
harte Landung», gibt er offenherzig zu.<br />
Als der junge Oliver Buff einst mit vier Jahren<br />
zu kicken begann, deutete nichts auf<br />
1,3<br />
Mio.<br />
Zuschauer verfolgten den WM-Sieg<br />
der Schweizer U-17 am TV.<br />
eine hoffnungsvolle Fussballkarriere hin. Er<br />
ist weder ein Secondo wie die meisten<br />
Schweizer Talente, noch ist er genetisch vorbelastet.<br />
Die Eltern – der Vater Liegenschaftenverwalter,<br />
die Mutter kaufmännische Angestellte<br />
– gehörten nie zu jenen überehrgeizigen<br />
Erziehern, die ihren Sprössling auf<br />
Erfolg trimmten. Trotzdem sprach sich schon<br />
bald seine Begabung herum, und mit 11 kam<br />
die Einladung der Grasshoppers für ein Probetraining.<br />
Er ging hin, bestand – und sagte<br />
ab: «Ich war FCZ-Fan, genau wie mein Vater.»<br />
Doch auf den Anruf aus dem Letzigrund<br />
wartete er vergeblich. Mit 13 klopfte er selber<br />
dort an, und nach mehreren Übungseinheiten<br />
durfte er schliesslich bleiben.<br />
Starkes Debüt bei den Profis<br />
Sports, die eine optimale Verbindung von<br />
KV-Lehre und Sport erlaubt.<br />
Sportlich steht Oliver Buff nun vor den<br />
entscheidenden Jahren, denn zwischen 17<br />
und 20 trennt sich die Spreu vom Weizen.<br />
Den meisten U-17-Weltmeistern dürfte es<br />
gehen wie jenen Schweizer Talenten, die<br />
20<strong>02</strong> U-17-Europameister wurden. Mit Philippe<br />
Senderos, Tranquillo Barnetta und Reto<br />
Ziegler haben nur gerade drei von ihnen<br />
den Sprung ins internationale Geschäft geschafft.<br />
Die Voraussetzungen für den Geroldswiler<br />
scheinen gut. «Er hat sich in den<br />
vergangenen zwei Jahren kontinuierlich weiterentwickelt»,<br />
sagt Dany Ryser. Der beidfüssige<br />
Buff mischt Kunst und Zweckmässigkeit<br />
in seiner zentralen Mittelfeldrolle gut<br />
dosiert, instinktiv mache er «fast immer das<br />
Richtige», wie der Nachwuchstrainer staunt.<br />
Zwar muss er sich mit nur 68 Kilo bei einer<br />
Grösse von 1,78 Meter athletisch noch verbessern.<br />
Aber wie sein Vorbild Andrés Iniesta<br />
vom FC Barcelona weiss er das Spiel<br />
hervorragend zu «lesen», und dank seiner<br />
Antizipationsfähigkeit gewinnt er die meisten<br />
Zweikämpfe.<br />
Zurzeit ist Oliver Buff auf Kurs. Am<br />
21. März gab er gegen Bellinzona ein hochgelobtes<br />
Profidebüt beim FC Zürich. «Es<br />
lief überraschend gut», kommentiert er<br />
dies gewohnt gelassen. Noch besser lief es<br />
zwei Wochen später beim 3:2-Sieg gegen<br />
die Grasshoppers, als er erstaunlich abgebrüht<br />
sein erstes Tor erzielte. Nächste Saison<br />
will er sich in der Super League etablieren,<br />
einen Wechsel ins Ausland, wie ihn andere<br />
U-17-Weltmeister wagen, findet er verfrüht.<br />
«Dort bin ich doch bloss der kleine Schweizer.»<br />
Ohne Zweifel: Ungeduld und Selbstüberschätzung,<br />
die beiden gefährlichsten<br />
Charakterzüge für jeden Jungstar, sind Oliver<br />
Buff fremd. Doch dahinter mangelnden Ehrgeiz<br />
zu vermuten, wäre weit gefehlt: «Ich<br />
muss nicht mit 17 das grosse Geld verdienen»,<br />
meint er trocken. «Abgerechnet wird<br />
mit 35. Dann werden wir ja sehen, wer am<br />
meisten auf dem Konto hat.» Michael Krobath<br />
Die Nachwuchsförderung der Credit Suisse<br />
Der U-17-Weltmeistertitel<br />
als Krönung<br />
Seit die Nachwuchsförderung<br />
des Schweizerischen Fussballverbands<br />
(SFV) Mitte der<br />
1990er-Jahre professionalisiert<br />
wurde, sorgen Schweizer<br />
Fussballtalente wiederholt für<br />
Furore. 20<strong>02</strong> erreichte die<br />
U-21 den EM-Halbfinal, im<br />
selben Jahr wurde die Schweiz<br />
U-17-Europameister. 2009<br />
folgte die Krönung mit dem<br />
U-17-Weltmeistertitel in Nigeria.<br />
Die Nachwuchsförderung liegt<br />
der Credit Suisse besonders<br />
am Herzen. Deshalb fliessen<br />
seit 1993 50 Prozent des<br />
Sponsoringbeitrags für den<br />
SFV in die Juniorenförderung.<br />
Die Credit Suisse unterstützt<br />
damit nicht nur die Nationalteams<br />
von heute, sondern<br />
leistet auch einen substanziellen<br />
Beitrag für die Nationalmannschaften<br />
von morgen.<br />
Und sorgt so dafür, dass die<br />
Schweiz auch in Zukunft<br />
Fussballfeste feiern kann.<br />
Das Wunder von Nigeria: Die Schweiz<br />
ist U-17-Weltmeister 2009.<br />
Fotos: Muster Alberto Mustermann Venzago | Muster Keystone | Muster Mustermann AP Segun Ogunfeyitimi<br />
Über den FCZ kam er an die Schule für<br />
Mannschaftssport (MSP), wo der Unterricht<br />
auf die Trainingseinheiten der Leistungssportler<br />
abgestimmt wird. «Er war eher introvertiert<br />
und für sein Alter sehr reflektiert»,<br />
erinnert sich Schulleiter René Scheidegger.<br />
«Leistungsmässig hatte er das Potenzial zum<br />
Gymnasiasten.» Doch Oliver Buff setzte auf<br />
den Fussball und wechselte nach Abschluss<br />
der Sekundarschule in die United School of
04<br />
Schweizer<br />
Fussball<br />
Gianluca oder Das Glück<br />
mit dem runden Leder<br />
Für den Viertklässler Gianluca Bianculli aus Herisau ist es ein ganz besonderer Moment,<br />
als er beim Credit Suisse Cup 2009 den Pokal in die Höhe stemmt. Es ist ein Glückstag,<br />
der auf eine sehr schwierige Zeit folgte.<br />
Wenn Gianluca auf ein Fussballtor zustürmt<br />
und den letzten, tödlichen Pass spielt, der<br />
zum Tor führt, sprudelt er über vor Freude.<br />
Dann entwickelt der schmalgliedrige Elfjährige<br />
mit Brille und kurzen, dunklen Haaren<br />
sein ganzes Temperament. Doch er ist keiner,<br />
der um jeden Preis das Tor und den lauten<br />
Jubel sucht. «Ich bin laufstark, hole die Bälle<br />
zurück und spiele dann präzise Pässe», sagt<br />
er. Und darauf ist er stolz.<br />
Dreimal Training pro Woche<br />
Eine Strategie entwickeln und aus dem defensiven<br />
Mittelfeld heraus das Angriffsspiel<br />
ankurbeln, das sind die fussballerischen<br />
Fähig kei ten, die den kleinen Italo-Appenzeller<br />
auch bei seinem bisher grössten Erfolg<br />
auszeichneten: Im vergangenen Jahr gewann<br />
er zusammen mit seinen Kollegen von<br />
der Schule Landhaus in Herisau den Credit<br />
Suisse Cup in der neu geschaffenen Kategorie<br />
der Viertklässler. Der Credit Suisse<br />
Cup ist die offizielle Schulfussballmeisterschaft<br />
des Schweizerischen Fussballverbands<br />
2:0<br />
siegte die Schule Landhaus im Final des<br />
Credit Suisse Cup gegen Taverne-Torricella.<br />
und gilt mit seinen 150 000 Beteiligten als<br />
grösster Jugendsportanlass der Schweiz<br />
(siehe Kasten auf der übernächsten Seite).<br />
Gianluca gehörte zu den tragenden Spielern<br />
seines Teams. Im Finalspiel erzielte er mit<br />
einem Schuss fast von der Mittellinie die<br />
Führung zum vorentscheidenden 1:0. Die<br />
Eigenschaften, die ihn als Spieler auszeichnen,<br />
prägen ihn auch neben dem Rasen: Verantwortung<br />
übernehmen, Fehler vermeiden,<br />
vielleicht ein Stück reifer sein als die Kameraden.<br />
Das hat viel mit dem Schicksal seiner<br />
Mutter zu tun, die im Oktober 2008 an Krebs<br />
starb. Davor lag eine Zeit des Hoffens und<br />
Bangens und schliesslich des Abschieds.<br />
Neben aller Trauer blieb Gianluca aus dieser<br />
Zeit die enge Familienbande in Erinnerung.<br />
Das gemeinsame Leid hat ihn und seinen<br />
Vater, die Schwester, die Grosseltern, Cousins,<br />
Onkel und Tanten, die ebenfalls in<br />
Herisau wohnen, einander nahegebracht.<br />
Die Liebe zum Fussball teilt Gianluca mit<br />
seinem Vater Claudio Bianculli. Dieser spielte<br />
einst beim FC Herisau, wo er noch heute <br />
Foto: Alberto Venzago<br />
<strong>bull</strong>etin 5/09 Credit Suisse
Der Schüler<br />
«Fussball ist pures Glück. Das grösste Glücksgefühl habe ich, wenn mir ein präziser Pass gelingt<br />
oder wenn ich ein Tor schiesse. Dann weiss ich: Es ist gelungen.»<br />
Gianluca Bianculli
Der Credit Suisse Cup<br />
Der grösste Jugendsportanlass<br />
der Schweiz<br />
Neben der Elite fördert die<br />
Credit Suisse auch den Breitenfussball<br />
und unterstützt gezielt<br />
Nachwuchsprojekte wie<br />
den Credit Suisse Cup. Jährlich<br />
machen 150 000 Buben und<br />
Mädchen an dieser Schülermeisterschaft<br />
mit, was diese<br />
zum grössten Jugendsportanlass<br />
des Landes macht.<br />
Kinder und Jugendliche aller<br />
Altersstufen spielen an den<br />
kantonalen Vorausscheidungen<br />
um den Einzug in das Finalturnier.<br />
Dort kämpfen die<br />
Finalisten unter den Augen der<br />
Schweizer Fussballprominenz<br />
um den Schweizer Meistertitel.<br />
Mit der Förderung des<br />
Breitenfussballs trägt die<br />
Credit Suisse dazu bei, dass<br />
die Schweizer Jugend am<br />
Ball bleibt, damit auch in Zukunft<br />
Schweizer Talente wie<br />
Barnetta & Co. auf den grossen<br />
Rasenfeldern dieser Welt<br />
anzutreffen sind.<br />
We are the champions: Gianluca (hinten rechts) und sein Team von der Schule<br />
Landhaus aus Herisau feiern den Sieg am Credit Suisse Cup 2009.<br />
als Funktionär amtet. Daneben trainiert<br />
er die D-Junioren-Auswahl des Kantons<br />
Appenzell Ausserrhoden, wo sein talentierter<br />
Sohn ebenfalls mitspielt. Claudio Bianculli<br />
war es auch, der die elfköpfige Mannschaft<br />
der Schule Landhaus nach der erfolgreichen<br />
Vorausscheidung übernahm und in Absprache<br />
mit dem Lehrer Lukas Pfiffner beim<br />
Finalturnier des Credit Suisse Cup in Basel<br />
betreute. Für dieses hatten sich die 16 Sieger<br />
der kantonalen Ausscheidungen qualifiziert.<br />
Die meisten Spiele waren hart umkämpft,<br />
der Halbfinal endete gar mit einem<br />
Penaltyschiessen. «Nur wenn der Gegner<br />
schwächer war, wechselte mich mein Vater<br />
aus», erzählt Gianluca, und im Brustton der<br />
Überzeugung fügt er an: «Der 2:0-Finalsieg<br />
gegen Taverne-Torricella war verdient.»<br />
Gianluca investiert viel Zeit in den Fussball.<br />
Drei Trainings pro Woche und am Wochenende<br />
Meisterschaftsspiele oder Turniere<br />
– dies ist der Weg, der den Jungen hin<br />
zum Profi führen soll. «Das wäre mein grösster<br />
Traum», gesteht er.<br />
Und bis es so weit ist, eifert er dem argentinischen<br />
Filigrantechniker Lionel Messi nach,<br />
der in seinem Lieblingsklub, dem FC Barcelona,<br />
spielt. Ein Poster dieser Mannschaft<br />
mit dem Pokal der Champions League ziert<br />
eine Wand in Gianlucas Zimmer. Auf dem<br />
Nachttisch steht ein Bild der Familie. Es erinnert<br />
ihn an die Zeit, als die Mutter noch<br />
bei ihnen war. Er denkt oft an sie. Nicht nur,<br />
wenn er das Bild sieht. Manchmal machen<br />
ihn die Gedanken an sie traurig, manchmal<br />
trösten sie ihn. Doch er fühlt sich wohl bei<br />
seinen Grosseltern, die ihn nun tagsüber<br />
betreuen. Gianluca geht gern zur Schule.<br />
Besonders Mathematik hat es ihm angetan.<br />
Deshalb könnte er sich vorstellen, dereinst<br />
auch im Bankensektor zu arbeiten, falls es<br />
mit der Karriere als Profifussballer nicht<br />
klappen sollte. Doch derzeit steht der Fussball<br />
wieder im Mittelpunkt, denn im Sommer<br />
wollen Gianluca und seine Freunde den Titel<br />
am Credit Suisse Cup verteidigen. Der Ballsport<br />
ist für ihn das pure Glück. «Das grösste<br />
Glücksgefühl habe ich, wenn mir ein präziser<br />
Pass gelingt oder wenn ich ein Tor<br />
schiesse», sagt er. «Dann weiss ich: Es ist<br />
ge lungen.» Martin Arnold<br />
Träumen vom FC Barcelona<br />
Fotos: Foto: Lukas Muster Pfiffner Mustermann | Muster Mustermann<br />
<strong>bull</strong>etin 5/09 Credit Suisse
05<br />
Schweizer<br />
Fussball<br />
Damit die Jugend am Ball bleibt<br />
Im Vorfeld der Fussballweltmeisterschaft 2006 ist die Young Kickers Foundation der Stiftung<br />
Symphasis gegründet worden. Vier Jahre danach kann eine positive Zwischenbilanz gezogen<br />
werden. 45 Projekte in der ganzen Schweiz sind bislang mitunterstützt worden.<br />
«Ein Ball, zwei Tore, zwei Teams – das braucht<br />
es für einen Strassenfussball-Match. Eigentlich<br />
ganz simpel. Die Effekte aber, die durch<br />
Strassenfussball erzielt werden können, sind<br />
zahlreich und vielfältig» – mit diesen Worten<br />
wirbt «Bunt kickt gut» für die transkulturelle<br />
Strassenliga in der Schweiz. 2005 führte<br />
infoklick.ch in Bern einen ersten Spieltag<br />
für Jugendliche im Alter zwischen <strong>10</strong> und<br />
21 Jahren durch. Mittlerweile finden diese<br />
Fussballturniere in sieben Regionen statt.<br />
Demnächst fasst der interkulturelle Strassenfussball<br />
auch im Tessin Fuss, denn die Vergabungskommission<br />
der Young Kickers Foundation<br />
unter der Leitung von Marco Blatter,<br />
Direktor Swiss Olympic 1991 bis 2006, hat<br />
an seiner letzten Sitzung einen grösseren<br />
Beitrag gutgeheissen, damit das Projekt<br />
auch in Bellinzona lanciert werden kann.<br />
Mit dem Projekt «Teamspirit» schult die<br />
Caritas in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen<br />
Fussballverband Spielerinnen und<br />
Spieler, aber auch Funktionäre in zwei 90-minütigen<br />
Fairnessmodulen, damit diese besser<br />
mit Spannungen und interkulturellen Konflikten<br />
umgehen beziehungsweise solche mit<br />
präventiven Massnahmen verhindern können.<br />
Alle sollen Fussball spielen können<br />
2005 zu tragen. Der FC Rances wiederum<br />
erstellte ein neues Juniorenspielfeld, die<br />
Fussballvereine in Rüti/GL, Ellikon/Marthalen<br />
und Langnau bauten ein neues Klubhaus.<br />
Eine verdiente Anerkennung<br />
Es sind keine Riesenbeträge, welche die<br />
Young Kickers Foundation den Gesuchstellern<br />
zukommen lässt, aber natürlich doch<br />
willkommene Zustüpfe und besonders eine<br />
Aufmunterung, weiterhin alles zu unternehmen,<br />
damit in der Schweiz möglichst viele<br />
Fussball spielen können. Dies ist alles andere<br />
denn eine Selbstverständlichkeit, denn<br />
die Erfolge der Nationalmannschaft haben<br />
im Breitenfussball zu einem Boom ungeahnten<br />
Ausmasses geführt. Seit 2001 nimmt die<br />
Zahl der lizenzierten Fussballer dauernd zu,<br />
demnächst wird die magische Grenze von<br />
einer Viertelmillion überschritten. Eigentlich<br />
wäre das längst der Fall, wenn die Vereine<br />
nicht über zu wenige Plätze und zu wenige<br />
Ausbildner verfügen würden. Die Folge<br />
davon sind lange Wartelisten bei den siebenbis<br />
neunjährigen F-Junioren. Davon betroffen<br />
sind nicht zuletzt die vielen fussballbegeisterten<br />
Mädchen – sie möchte die Young<br />
Kickers Foundation in Zukunft noch vermehrt<br />
unterstützen. Andreas Schiendorfer<br />
www.symphasis.ch > Projekte > Kultur&Sport<br />
Es könnten noch weitere Beispiele aufgeführt<br />
werden, die den Gedanken der Fairness<br />
und der Integration fördern, «SportAssist»<br />
des FC Concordia Basel etwa oder «Be ToleranT»<br />
des Sporting Club Schaffhausen.<br />
Gleichzeitig finden wir unter den bislang<br />
45 von der Young Kickers Foundation mitunterstützten<br />
Projekten aber auch etliche im<br />
infrastrukturellen Bereich. So half man dem<br />
FC Schattdorf, die Folgen der Überschwemmungen<br />
nach den Unwettern von August<br />
Seit 2007 hat die Young Kickers Foundation bereits 45 Projekte in der ganzen Schweiz unterstützt<br />
mit dem Ziel, den Breitenfussball in der Schweiz zu fördern und möglichst allen interessierten Jugendlichen<br />
eine sinnvolle sportliche Betätigung zu ermöglichen.
06<br />
Schweizer<br />
Fussball<br />
Die Credit Suisse und ihr Fussballengagement –<br />
eine erfolgreiche Partnerschaft seit 1993<br />
Die Nationalmannschaft<br />
Die Credit Suisse ist seit 1993 Hauptsponsor des Schweizerischen Fussballverbands<br />
(SFV) und der Nationalmannschaften. Die Zusammenarbeit mit dem SFV<br />
ist von grossen Erfolgen geprägt. Als jüngster Höhepunkt hat sich das Schweizer<br />
Nationalteam für die Weltmeisterschaft 20<strong>10</strong> in Südafrika qualifiziert. Es ist bereits<br />
die dritte WM-Teilnahme seit Bestehen der Partnerschaft mit der Credit<br />
Suisse. Ebenso oft erreichte die Schweiz in dieser Zeit eine EM-Endrunde.<br />
Die Nachwuchsförderung<br />
Die Nachwuchsförderung liegt der Credit Suisse besonders am Herzen. Deshalb<br />
fliessen seit 1993 die Hälfte des Sponsoringbeitrags an den SFV in die Juniorenförderung,<br />
wodurch diese professionalisiert werden konnte. Neben der Etablierung<br />
eines hochqualifizierten Trainerstabs entstanden vier Credit Suisse Football<br />
Academies, darunter eine für Frauen. Seither sorgen Schweizer Fussballtalente<br />
wiederholt für Furore. 20<strong>02</strong> wurde die Schweiz U-17-Europameister, 2009 folgte<br />
die Krönung mit dem U-17-Weltmeistertitel.<br />
Der Breitenfussball<br />
Neben der Elite fördert die Credit Suisse auch gezielt Jugendprojekte wie den<br />
Credit Suisse Cup. Jährlich nehmen 150 000 Buben und Mädchen am grössten<br />
Kindersportanlass der Schweiz teil. Zusätzlich unterstützt die Credit Suisse den<br />
Breitenfussball mit der Young Kickers Foundation im Rahmen der rechtlich selbstständigen<br />
Stiftung Symphasis. Davon profitiert haben bereits 45 Projekte, darunter<br />
solche, die den Integrations- und Fairnessgedanken fördern, sowie Amateurvereine,<br />
denen die Mittel für die Erneuerung ihrer Infrastruktur fehlen.<br />
Alles über die Schweizer Nationalmannschaft und die Nachwuchsförderung finden Sie unter<br />
www.credit-suisse.com/fussball.<br />
Wettbewerb<br />
Gewinnen Sie eines von <strong>10</strong> 000 offiziellen Nati-Trikots!<br />
«Ein Land, ein Team, eine Bank.»<br />
Die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft hat sich für<br />
die FIFA-Weltmeisterschaft 20<strong>10</strong> in Südafrika qualifiziert.<br />
Die Credit Suisse gratuliert und verlost <strong>10</strong> 000 offizielle<br />
Schweizer Nati-Trikots und zusätzliche attraktive Sonderpreise.<br />
Machen Sie mit und werden Sie ein Teil des Schweizer<br />
Nationalteams!<br />
Teilnahmebedingungen: Gehen Sie zwischen 17. Mai und 4. Juni 20<strong>10</strong> in eine Filiale der Credit Suisse und füllen<br />
Sie den Wettbewerbstalon aus. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt und erhalten einen Bon, den sie bei Ochsner<br />
Sport einlösen können.<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Credit Suisse AG<br />
Postfach 2<br />
CH-8070 Zürich<br />
Telefon: +41 44 333 11 11<br />
Projekt<br />
Michael Krobath (Leitung)<br />
Martin Arnold, Andreas Schiendorfer<br />
E-Mail<br />
redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com<br />
Korrektorat<br />
Claudia Marolf, notabene<br />
Fotos: Andreas Meier | Sigi Tischler, Keystone | Oliver Nanzig | Lehtikuva, Tuomas Marttila, Keystone
Credit Suisse 81<br />
Invest<br />
Analysen und Prognosen<br />
Konjunktur Global<br />
Wirtschaftsdaten<br />
bestätigen Erholung<br />
Die Erholung wird zunehmend breiter<br />
abgestüt zt. Nachdem zu Beginn staatliche<br />
Stimulusprogramme global einen deutlichen<br />
Impuls gegeben haben, mehren<br />
sich jetzt die Anzeichen dafür, dass<br />
ins besondere die Nachfrage auch wieder<br />
mehr von privater Seite gestützt wird. th<br />
Welthandel zieht deutlich an<br />
Quelle: CPB, Credit Suisse<br />
Währungen<br />
Wir erwarten, dass sich<br />
der Franken gegenüber<br />
dem Euro weiter<br />
aufwerten wird.<br />
Importe vom Rest der Welt, indexiert (2000 = <strong>10</strong>0)<br />
Gleitender 3-Monats-Durchschnitt<br />
230<br />
2<strong>10</strong><br />
190<br />
170<br />
150<br />
130<br />
1<strong>10</strong><br />
90<br />
00 <strong>02</strong> 04 06 08 <strong>10</strong><br />
Asien (ohne Japan)<br />
Eurozone<br />
USA<br />
Konjunktur Schweiz<br />
Die Erholung setzt sich fort und gewinnt zunehmend an Breite. Gleichzeitig<br />
zeigt sich jedoch eine Divergenz bei der globalen Geldpolitik. Zentralbanken<br />
in Entwicklungsländern sehen sich mit zunehmenden Inflationsrisiken<br />
kon frontiert und straffen die Geldpolitik teilweise bereits, während dies in<br />
den Indus triel ändern frühestens gegen Ende des Jahres der Fall sein dürfte.<br />
Aktien gegenüber bleiben wir längerfristig positiv eingestellt.<br />
Aufgrund kurz fristiger Risiken empfehlen wir jedoch derzeit eine eher<br />
defensivere Aus richtung.<br />
Wir erwarten eine weitere Aufwertung der Währungen von Schwellenländern<br />
gegenüber dem USD. EUR/CHF nähert sich dagegen seinem fairen<br />
Wert, auch wenn wir weiterhin von einem stärkeren Franken ausgehen.<br />
PMI: Spiegel starker<br />
Industriedynamik<br />
Der PMI-Index schloss im April knapp<br />
unter seinem historischen Höchststand.<br />
Dabei darf aber nicht ausser Acht gelasse<br />
n werden, dass die Zunahme der<br />
industriel len Aktivität, die sich im Indexanstieg<br />
widerspiegelt, immer noch von<br />
tiefe n Niveaus ausgeht. cm<br />
PMI nahe Höchststand<br />
Quelle: Credit Suisse<br />
70<br />
60<br />
Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />
Rohstoffe dürften weiterhin von der wirtschaftlichen Erholung profitieren.<br />
Insbesondere die Nachfrage in den Industrieländern zieht jetzt wieder an,<br />
nachdem sie hinter derjenigen in Entwicklungsländern zurückgeblieben war.<br />
50<br />
40<br />
30<br />
95 98 01 04 07 <strong>10</strong><br />
Index<br />
Index (saisonbereinigt)<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
82 Credit Suisse<br />
Übersicht<br />
Ausblick Global<br />
Sowohl umfragebasierte Wirtschaftsindikatoren<br />
als auch «harte» Daten<br />
zeigen eine deutliche Verbesserung.<br />
Wichtig ist insbesondere, dass die<br />
globale Nachfrage nach deutlichen<br />
Impulsen durch staatliche Ausgaben<br />
zunehmend breiter abgestützt ist.<br />
Kurzfristige Unsicherheiten, zum<br />
Beispiel im Zusammenhang mit der<br />
Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen,<br />
können temporär zu erhöhter Risikoaversion<br />
unter den Marktteilnehmern<br />
führen. Wir sehen strategisch<br />
jedoch weiterhin Potenzial für Kursgewinne<br />
an den Aktienmärkten.<br />
Zinsen und Obligationen<br />
Risikoprämien<br />
Die Zinspolitik zeigt ebenso wie die konjunkturelle<br />
Entwicklung global eine gewisse<br />
Divergenz. Auf der einen Seite stehen stark<br />
wachsende Schwellenländer und Rohstoffexporteure.<br />
Diese Länder sehen sich bereits<br />
mit inflationären Entwicklungen bzw. diesbezüglichen<br />
Risiken konfrontiert und haben<br />
begonnen, die Zinsen zu erhöhen (z. B. Indien,<br />
Brasilien, Australien). Auf der anderen<br />
Seite stehen jene Länder, deren wirtschaftliche<br />
Erholung zwar klar erkennbar ist, aber<br />
schwächer ausfällt, und in denen ein sehr<br />
tiefer Inflationsdruck besteht (z. B. USA,<br />
Eurozone). Diese Länder werden unseres<br />
Erachtens voraus sichtlich noch bis Ende<br />
Jahr oder sogar bis 2011 warten, bevor die<br />
ersten Zinsschritte erfolgen können. th<br />
Brasilien erhöhte die Zinsen deutlich,<br />
trotz starker Währung<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
%<br />
16<br />
14<br />
12<br />
<strong>10</strong><br />
8<br />
CHF pro BRL<br />
Aufwertung +30%<br />
0.65<br />
gegenüber CHF<br />
0.60<br />
0.55<br />
0.50<br />
0.45<br />
07 08 09<br />
<strong>10</strong><br />
Leitzins Brasilien (SELIC-Satz)<br />
BRL/CHF-Wechselkurs (rechte Skala)<br />
Aktienmarkt<br />
Engagement bei Kursrückgängen<br />
weiter ausbauen<br />
Die globale Wirtschaftserholung und bessere<br />
Gewinne dürften Aktien längerfristig<br />
stützen. Die Bewertungen sind noch immer<br />
in neutralem Territorium. Auf strategischer<br />
Basis bleiben wir daher positiv für Aktien.<br />
Kurzfristig können sich jedoch Unsicherheiten<br />
bezüglich der Staatsverschuldung in<br />
entwickelten Ländern und der Normalisierung<br />
der Geldpolitik in China negativ auf die<br />
Aktienmärkte auswirken. Wir gehen daher<br />
davon aus, dass eine Sektorrotation zu defensiveren<br />
Sektoren mit hohen Dividendenrenditen<br />
stattfinden wird, und passen unsere<br />
zyk lische Sektorempfehlung entsprechend<br />
an: Metalle und Bergbau reduzieren<br />
wir auf eine neutrale Gewichtung, den Gesundheitssektor<br />
stufen wir von untergewichten<br />
auf eine neutrale Gewichtung herauf. rs<br />
Performance von Aktienindizes über die letzten<br />
zehn Jahre Quelle: Datastream, Credit Suisse/IDC<br />
Index<br />
160<br />
140<br />
120<br />
<strong>10</strong>0<br />
80<br />
60<br />
40<br />
01 04 07 <strong>10</strong><br />
MSCI UK (GBP)<br />
MSCI World Ic<br />
MSCI USA (USD)<br />
MSCI Japan (JPY)<br />
FTSE Europe ohne UK (EUR)<br />
Währungen<br />
Der Aufstieg der Emerging-<br />
Markets-Währungen<br />
Die Verschärfung der Schuldenkrise in den<br />
südlichen EWU-Ländern lastet schwer auf<br />
dem EUR. Der Ausblick für die Staatsverschuldung<br />
in den USA, Grossbritannien und<br />
Japan ist jedoch ebenfalls düster, wobei die<br />
USA und Grossbritannien auch noch Leistungsbilanzdefizite<br />
aufweisen. Ganz anders<br />
sieht die Lage in den Emerging Markets aus:<br />
Tiefe Staatsverschuldung, hohe Währungsreserven,<br />
Leistungsbilanzüberschüsse (in<br />
Asien) und ein attraktives Zinsniveau dürften<br />
zu Kapitalzuflüssen führen und die Währungen<br />
längerfristig gegenüber dem USD aufwerten.<br />
Investoren mit Referenzwährung<br />
CHF sollten jedoch auch die von uns erwartete<br />
Aufwertung des CHF zum USD in Erwägung<br />
ziehen. mh<br />
Asiatische Währungen sind nach unserem<br />
CS Fair Value Model unterbewertet<br />
Quelle: Datastream, IMF, Credit Suisse/IDC<br />
Abweichung in %<br />
20<br />
0<br />
–20<br />
–40<br />
–60<br />
–80<br />
Rohstoffe<br />
Aufwärtstrend bei<br />
Rohstoffen bleibt intakt<br />
Die Tatsache, dass die Rohstoffpreise trotz<br />
des starken USD ansteigen, bestätigt die<br />
Stärke des zugrunde liegenden Trends.<br />
Einige Faktoren deuten zudem darauf hin,<br />
dass der Aufwärtstrend weiterhin Bestand<br />
haben dürfte. Die konjunkturellen Frühindikatoren<br />
wie die Einkaufsmanagerindizes<br />
für das verarbeitende Gewerbe verbessern<br />
sich weiter, vor allem in den USA. Die Auftragseingänge,<br />
die wichtig für die zyklischen<br />
Rohstoffmärkte wie Öl und Basismetalle<br />
sind, nehmen weiter zu. In den Industriel ändern,<br />
deren Entwicklung hinter derj enigen<br />
der Schwellenmärkte zurückgeblieben ist,<br />
zeichnet sich ein erster merklicher Anstieg<br />
des Rohstoffverbrauchs ab, der dem Sektor<br />
in den kommenden Monaten positive Impulse<br />
verleihen dürfte. et<br />
Globale Industrieproduktion dürfte in den<br />
nächsten Monaten weiter wachsen<br />
Quelle: Bloomberg, Datastream, IMF, PMIPremium,<br />
Credit Suisse/IDC<br />
%YoY, PPP-gewichtet<br />
5<br />
0<br />
–5<br />
–<strong>10</strong><br />
–15<br />
CNY<br />
TWD<br />
KRW<br />
SGD<br />
THB<br />
JPY<br />
SEK<br />
GBP<br />
MXN<br />
CHF<br />
EUR<br />
CAD<br />
ZAR<br />
PLN<br />
HUF<br />
NOK<br />
AUD<br />
NZD<br />
CZK<br />
Überbewertung gegenüber USD (28.04.20<strong>10</strong>)<br />
Unterbewertung gegenüber USD (28.04.20<strong>10</strong>)<br />
98 00 <strong>02</strong> 04 06 08<br />
Globale Industrieproduktion<br />
Globaler Einkaufsmanagerindex: Auftragseingänge (r. S.)<br />
Index<br />
50<br />
35<br />
20<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Credit Suisse 83<br />
Übersicht<br />
Ausblick Schweiz<br />
Die Wirtschaftsdaten sind im ersten<br />
Quartal äusserst robust ausgefallen,<br />
und die Konjunkturindikatoren<br />
signalisieren eine Fortsetzung der<br />
Erholung. Einerseits widerspiegelt<br />
sich die Stabilisierung der Auslandsnachfrage<br />
nun zunehmend in der<br />
Schweizer Exportstatistik, vor allem<br />
aber erweist sich der inländische<br />
Konsum als solide. Die expansiven<br />
monetären Rahmenbedingungen<br />
wirken weiter unterstützend, doch<br />
erste Schritte zur Rückkehr zur<br />
geldpolitischen Nor malität sind im<br />
zweiten Halbjahr zu erwarten.<br />
Aktienmarkt<br />
Neutrale Positionierung<br />
in Schweizer Aktien<br />
Auf 12-Monats-Sicht sehen wir weiterhin<br />
Potenzial für Aktien, verringern aber aus<br />
taktischer Sicht das Risiko leicht. Mit einer<br />
allgemein defensiveren Aktienstrategie stufen<br />
wir unsere Positionierung im Schweizer<br />
Aktienmarkt von untergewichten auf neutral<br />
herauf. Innerhalb des Schweizer Marktes<br />
verlagern wir unser Engagement wei terhin<br />
auf defensivere Qualitätsaktien (z. B. mit<br />
hoher Dividendenrendite) wie Nestlé oder<br />
Zurich Financial Services. rs<br />
Die Bewertung des SMI befindet sich am<br />
unteren Ende des historischen Durchschnitts.<br />
Quelle: MSCI, Datastream, Credit Suisse/IDC<br />
KGV mit Gewinnen des laufenden Jahres<br />
30<br />
25<br />
Währungen<br />
Schweizer Franken nähert<br />
sich fairem Wert<br />
Wir erwarten eine moderate Aufwertung des<br />
Frankens zum EUR auf zwölf Monate, womit<br />
sich der EUR/CHF dem von uns geschätzten<br />
fairen Wert annähert. Die Unterbewertung<br />
des CHF, welche unser Modell seit 2007<br />
zeig te, ist somit abgebaut worden. Die enge<br />
Zinsdifferenz zwischen EUR und CHF, der<br />
Schweizer Leistungsbilanzüberschuss sowie<br />
die flexiblere Haltung der SNB gegenüber<br />
einer Aufwertung sprechen für einen leicht<br />
stärkeren Franken. mh<br />
Die Überbewertung des EUR zum CHF<br />
wurde in den vergangenen Jahren abgebaut.<br />
Quelle: Bloomberg, CS<br />
EUR /CHF<br />
2.40<br />
2.20<br />
Zinsen und Obligationen<br />
Geldpolitik bleibt vorerst<br />
weiter expansiv<br />
Vor dem Hintergrund der starken Konjunkturdaten<br />
hat die Schweizerische Nationalbank<br />
(SNB) sowohl die BIP-Wachstums prognosen<br />
als auch die mittelfristigen Inflationsprognosen<br />
nach oben korrigiert. Dennoch hält sie<br />
gegenwärtig an ihrer expansiven geldpolitischen<br />
Strategie fest. Um eine übermässige<br />
Frankenaufwertung zu verhindern, interveniert<br />
die SNB weiterhin am Währungsmarkt.<br />
Als Hauptargument für diese Währungspolitik<br />
nannte die SNB die kurzfristige Deflationsgefahr<br />
im Umfeld eines zu starken Frankens.<br />
Unserer Ansicht nach haben sich diese<br />
Ri siken aber weiter reduziert. Wir erwarten,<br />
dass die SNB im zweiten Halbjahr erste<br />
Schritte unternehmen wird, um die Geldpolitik<br />
graduell wieder zu normalisieren. fh<br />
20<br />
15<br />
<strong>10</strong><br />
5<br />
0<br />
00 <strong>02</strong> 04 06 08 <strong>10</strong><br />
KGV<br />
+/–1 Standardabweichung<br />
Durchschnitt<br />
+1 Standardabweichung<br />
Fair Value EUR/CHF<br />
–1 Standardabweichung<br />
28.04.20<strong>10</strong><br />
Top-Thema<br />
Robuste Schweizer Wirtschaft<br />
2.00<br />
1.80<br />
1.60<br />
1.40<br />
1.20<br />
82 86 90 94 98 <strong>02</strong> 06 <strong>10</strong><br />
Die Erwartungen beeinflussen die Realwirtschaft und die Börsen. Der Credit Suisse<br />
Surprise Index zeigt, dass die Realwirtschaft in den ersten Monaten dieses Jahres<br />
tendenziell positiv überrascht hat. Die Einschätzungen der Wirtschaftslage waren mehrheitlich<br />
zu negativ, wobei der Pessimisums nicht mehr derart ausgeprägt war wie vor<br />
einem Jahr. Die Schweizer Wirtschaft ist offensichtlich robuster, als ihr attestiert wird.<br />
Dennoch ist eine gewisse Vorsicht angebracht. Denn die Erwartungsbildung scheint<br />
einem gewissen Muster zu unterliegen. Auf zu pessimistische Phasen folgen tendenziell<br />
zu optimistische. cm<br />
Die Zielrate für den 3M-LIBOR bleibt vorläufig tief.<br />
Wir erwarten jedoch erste Erhöhungen im 2. Halbjahr.<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse/IDC<br />
CS Surprise Index signalisiert: Erwartungen wurden übertroffen. Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
%<br />
%<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0<br />
00 <strong>02</strong> 04 06 08 <strong>10</strong><br />
Zielband<br />
Zielsatz für den 3M-LIBOR<br />
Zielband<br />
15<br />
<strong>10</strong><br />
5<br />
0<br />
– 5<br />
–<strong>10</strong><br />
–15<br />
12.07 06.08 12.08 06.09 12.09<br />
CS Swiss Surprise Index +1 Standardabweichung –1 Standardabweichung<br />
zu pessimistisch<br />
zu optimistisch<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
84 Credit Suisse<br />
30. April 20<strong>10</strong><br />
Überblick Prognosen<br />
Aktien und Rohstoffe: Ausgewählte Indizes<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Auswahl Kurs YTD Ausblick 3M 12M-Ziele<br />
S&P 500 1’2<strong>02</strong>.26 7.82 % 1’173<br />
SMI 6’607.71 0.94 % 7’350<br />
FTSE-<strong>10</strong>0 5’553.29 2.59 % 5’677<br />
DJ Euro Stoxx 50 2’816.5 –5.01 % 2’897<br />
Nikkei 225 11’057.4 4.84 % 11’800<br />
Gold 1’182.18 35.1 % 1’250<br />
WTI Erdöl 86.19 93.3 % 97.5<br />
Dow Jones UBS Commodity Index 271.0948 15.4 % 305<br />
Devisen (Wechselkurse)<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Reales BIP-Wachstum in %<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
Wichtige Information<br />
Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden<br />
von Credit Suisse per angegebenem Datum erstellt und<br />
können sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht<br />
wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder<br />
ein Angebot noch eine Auf forderung seitens oder im Auftrag<br />
von Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren<br />
oder ähnlichen Finanzinstrumenten oder zur Teilnahme an<br />
einer spezifischen Handelsstrategie in irgendeiner<br />
Rechts ordnung. Der Bericht wurde ohne Berücksichtigung<br />
der Zielsetzungen, der finanziellen Situation oder der<br />
Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der Bericht<br />
enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder<br />
hinsichtlich Investitionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er<br />
stellt auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen<br />
Umstände eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen<br />
angemessene Inves tition oder Strategie oder eine andere an<br />
einen bestimmten Anleger gerichtete Empfehlung dar.<br />
Ver weise auf frühere Entwicklungen sind nicht unbedingt<br />
mass gebend für künftige Ergebnisse.<br />
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die Credit Suisse als zuver lässig erachtet. Dennoch<br />
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30.04.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />
USD/CHF 1.08 0.90 – 0.94<br />
EUR/CHF 1.43 1.38 – 1.42<br />
JPY/CHF 1.15 1.06 – 1.12<br />
EUR/USD 1.33 1.51 – 1.55<br />
USD/JPY 94 83 – 87<br />
EUR/JPY 125 128 – 132<br />
EUR/GBP 0.87 0.93 – 0.97<br />
GBP/USD 1.53 1.59 – 1.63<br />
EUR/SEK 9.64 9.00 – 9.40<br />
EUR/NOK 7.85 7.80 – 8.20<br />
AUD/USD 0.92 0.91 – 0.95<br />
NZD/USD 0.73 0.69 – 0.73<br />
USD/CAD 1.<strong>02</strong> 0.98 – 1.<strong>02</strong><br />
2009 20<strong>10</strong> 2011<br />
CH –1.5 0.9 2.0<br />
EWU –4 1.5 2.1<br />
USA –2.4 3.5 2.8<br />
GB –4.9 1.4 2.7<br />
Japan –5 1.9 1.8<br />
Kurzfristzinsen 3M-LIBOR<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
30.04.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />
CHF 0.25 0.9 – 1.1<br />
EUR 0.66 1.8 – 2<br />
USD 0.35 1.2 – 1.4<br />
GBP 0.68 1.1 – 1.3<br />
JPY 0.24 0.2 – 0.4<br />
WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN<br />
DAVON DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN<br />
VERSANDT, DORTHIN MITGENOMMEN ODER AN US-<br />
PERSONEN ABGEGEBEN WERDEN. Örtliche Gesetze<br />
oder Vorschriften können die Verteilung von Research-<br />
Berichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken.<br />
Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank Credit Suisse<br />
verteilt, die der Zulassung und Regulierung der<br />
Eidge nössischen Finanzmarktaufsicht untersteht.<br />
Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung<br />
der Credit Suisse weder ganz noch aus zugsweise ver vielfältigt<br />
werden. Copyright © 20<strong>10</strong> Credit Suisse Group AG<br />
und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte<br />
vor behalten.<br />
Schweizer Wirtschaft<br />
(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)<br />
Quelle: Credit Suisse<br />
2009 20<strong>10</strong><br />
Bruttoinlandprodukt, real –1.5 0.9<br />
Privater Konsum 1.2 1<br />
Öffentlicher Konsum 2.5 1<br />
Bauinvestitionen 1.3 –1.5<br />
Ausrüstungsinvestitionen –7.5 –1.5<br />
Importe –5.9 3<br />
Exporte –<strong>10</strong> 5<br />
Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) –0.1 0<br />
Arbeitslosenquote 3.7 4.1<br />
Inflation in %<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
2009 20<strong>10</strong> 2011<br />
CH –0.5 0.8 1.0<br />
EWU 0.4 1.1 1.3<br />
USA –0.7 2.2 1.2<br />
GB 1.8 2.3 1.4<br />
Japan –1.4 –1.2 –0.4<br />
Rendite <strong>10</strong>-j. Staatsanleihen<br />
Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />
30.04.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />
CHF 1.78 2.3 – 2.5<br />
EUR 3.<strong>02</strong> 3.7 – 3.9<br />
USD 3.65 4.1 – 4.3<br />
GBP 3.85 4.4 – 4.6<br />
JPY 1.29 1.4 – 1.6<br />
Impressum Invest<br />
Herausgeber Credit Suisse, Global Research,<br />
Uetlibergstrasse 231, Postfach 300, CH-8070 Zürich<br />
Redaktion Marcus Hettinger (mh), Thomas Herrmann (th),<br />
Fabian Heller (fh), Eliane Tanner (et), Marcel Thieliant (mt),<br />
Claude Maurer (cm), Roger Signer (rs)<br />
Weitere Research-Publikationen finden Sie im Internet<br />
oder auf Anfrage.<br />
E-Mail publications.research@credit-suisse.com<br />
Internet www.credit-suisse.com/research<br />
Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem Bulletin<br />
der Credit Suisse»<br />
<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Wissenswert Wirtschaft 85<br />
Wissenswert<br />
Begriffe und Bücher aus der Wirtschaft<br />
Inflation [Prozess anhaltender<br />
Preisniveausteigerung]: Stellen<br />
Sie sich vor, Sie müssten bis zu 80<br />
Prozent Ihres Lohns für Lebensmittel<br />
ausgeben. Oder Sie erhielten für<br />
ein Bündel Geldscheine nur einen<br />
Laib Brot. In vielen Entwicklungsländern<br />
ist dies momentan Realität,<br />
denn dort herrscht Inflation. Das<br />
bedeutet, dass die Geldmenge in<br />
einer Volkswirtschaft stärker steigt<br />
als die Warenproduktion. Um die<br />
Güternachfrage zu regulieren,<br />
werden die Preise erhöht. Mit dem<br />
gleichen Geld betrag können folglich<br />
weniger Pro dukte gekauft werden<br />
als vorher; die so genannte<br />
Kaufkraft des Geldes sinkt also.<br />
Insbesondere der <strong>Süden</strong> sieht sich<br />
mit Teuerung konfrontiert, denn<br />
Produktivität wird vor allem durch<br />
trockene und heisse Wetterbedingungen<br />
erschwert. Der Konsumbedarf<br />
kann nicht gedeckt werden,<br />
weshalb die Preise nach oben<br />
angepasst werden müssen.<br />
Mercosur [Südamerikanische<br />
Wirtschaftsunion]: «Unser Norden<br />
ist der <strong>Süden</strong>.» Laut diesem<br />
südamerikanischen Leitspruch ist<br />
der <strong>Süden</strong> dem Norden ebenbürtig.<br />
Daran glaubt auch der südamerikanische<br />
Handelsblock Mercosur.<br />
Die Gründerstaaten Brasilien,<br />
Argentinien, Paraguay und Uruguay<br />
bemühen sich, gegenüber nördlichen<br />
Wirtschaftsbündnissen wie<br />
der EU und der NAFTA wettbewerbsfähiger<br />
zu werden. Sie modernisieren<br />
gemeinsam ihre Volkswirtschaft,<br />
um sich im internationalen<br />
Güterhandel zu behaupten. Dadurch<br />
werden gleichzeitig die Lebensbedingungen<br />
ihrer Bevölkerung – inzwischen<br />
zählt diese mehr als<br />
260 Millionen – verbessert und die<br />
soziale Gleichheit begünstigt. Wie<br />
andere Wirtschaftsbündnisse sieht<br />
sich jedoch auch die Mercosur mit<br />
internen Schwierigkeiten konfrontiert:<br />
Durch die politischen Meinungsverschiedenheiten<br />
und durch<br />
die Unterschiede zwischen den<br />
Mitgliedsländern wird die Umsetzung<br />
der gemeinsam gesetzten<br />
Ziele stark gehemmt. So hat sich<br />
der Staatenbund bisher nicht wie<br />
vorgesehen zu einem umfassenden<br />
Wirtschaftsbündnis, sondern eher<br />
zu einer unvollständigen Zollunion<br />
entwickelt. Im Jahr 2006 beschlos-<br />
sen die beteiligten Regierungen,<br />
Venezuela als fünftes Mitglied<br />
aufzunehmen. Der offizielle Beitritt<br />
wird jedoch von Paraguay verzögert,<br />
da die Opposition der Meinung ist,<br />
dass die Regierung in Caracas die<br />
Voraussetzungen nicht erfülle.<br />
Index der menschlichen<br />
Entwicklung [Aus dem Englischen:<br />
Human Development Index]: «Jielsj<br />
sldpg.» Sie verstehen nichts? So<br />
ergeht es knapp der Hälfte der<br />
Bevölkerung Südasiens, wenn sie<br />
ein Buch aufschlägt. Und in Afrika<br />
erreichen viele Menschen erst gar<br />
nicht das Alter der Lesefähigkeit.<br />
Soziale Faktoren wie der Bildungsgrad<br />
und die Lebenserwartung<br />
tragen stark zum menschlichen<br />
Wohlergehen bei. Aufgrund dieser<br />
Überzeugung entwarf der Ökonom<br />
Mahbub ul Haq im Rahmen des<br />
Entwicklungsprogramms der<br />
Vereinten Nationen den Human<br />
Development Index (HDI). Mit der<br />
statistischen Kenngrösse wird der<br />
Entwicklungsstand von Ländern<br />
charakterisiert, wobei zusätzlich zum<br />
nationalen Wirtschaftswachstum<br />
auch die genannten sozialen<br />
Aspekte bewertet werden. Südliche<br />
Staaten weisen generell den<br />
niedrigsten HDI auf. Dies zeigt die<br />
aktuelle Rangliste des Human<br />
Development Reports: Mit Ausnahme<br />
von Osttimor und Afghanistan<br />
bilden ausschliesslich Länder Afrikas<br />
das Schlusslicht. fdl<br />
Anzeige<br />
Afrika kommt. Der schwarze Kontinent:<br />
Jahrhundertchance für Investoren und Unternehmer<br />
Vijay Mahajan<br />
Börsenmedien AG, 2009<br />
343 Seiten, ISBN -13: 978-3938350911<br />
«Afrika kommt» – daran lässt Vijay Mahajan keinen Zweifel. Wann<br />
genau das der Fall sein wird, lässt der renommierte Sozialunternehmer<br />
offen. Aber es scheint ihm ohnehin eher um einen grundsätzlichen<br />
Gesinnungswandel zu gehen als um kleinliche Investoreninteressen.<br />
Seine spannenden Einblicke in den angeblich<br />
verlorenen Kontinent ergeben ein Plädoyer für eine neue, differenziertere<br />
Sicht. Die hat der 900-Millionen-Verbraucher-Markt Afrika<br />
bestimmt verdient. Konkrete Anlagetipps, wie sie der Unter titel<br />
nahelegt, sollte man von Mahajans Buch allerdings nicht erwarten.<br />
Von den allermeisten der genannten Unternehmen hat man noch<br />
nie etwas gehört – und wird das womöglich auch nie wieder, zu<br />
klein und zu willkürlich herausgepickt sind sie. Der Autor, fasziniert<br />
von Fallbeispielen und persönlichen Erfahrungen, läuft immer<br />
wieder Gefahr, sich in belanglosen Fundamentaldaten zu verheddern.<br />
Als engagierter Aufruf, sich mit Afrika näher zu beschäftigen,<br />
hat das Buch aber trotzdem seine Bedeutung, meint getAbstract –<br />
und empfiehlt es allen privaten und institutionellen Investoren sowie<br />
Entscheidungsträgern in globalen Unternehmen. © getAbstract<br />
The First Crash: Lessons from the South Sea Bubble<br />
Richard Dale<br />
Princeton University Press, 2004<br />
192 Seiten<br />
ISBN -13 : 978 - 0691119717<br />
Dies ist ein faszinierendes Buch über eine faszinierende Zeit –<br />
das frühe 18. Jahrhundert. Es geht um Gier, Korruption, Romantik,<br />
Duelle, Könige, Regenten und ausgebuffte Schurken, wie sie<br />
von scharfsinnigen, zeitgenössischen Chronisten wie etwa Daniel<br />
Defoe beschrieben wurden. Vor allem aber geht es um die in<br />
London geplatzte Südseeblase von 1720. In akribischer, stichhaltiger,<br />
finanzanalytischer Feinarbeit zieht Richard Dale, emeritierter<br />
Professor für internationales Bankwesen und Experte für<br />
regulative Finanzpolitik, bemerkenswerte Parallelen zwischen<br />
dieser ersten Spekulationsblase der Geschichte und der Dotcom-<br />
Blase der 1990er-Jahre. Auch würdigt Dale den Anwalt und<br />
Ökonomen Archibald Hutcheson, der sich seinerzeit – allein auf<br />
weiter Flur – nicht von der Welle des Finanzwahnsinns mitreissen<br />
liess, sondern den Zusammenbruch der South Sea Company sogar<br />
ernüchternd klar berechnete und voraussagte. Jeder, der mit<br />
Finanzmärkten zu tun hat, sollte sich dieses Buch zu Gemüte führen;<br />
besonders in Haussemärkten, in denen man sich vor steigenden<br />
Kursen kaum retten kann. © getAbstract<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
86 Leader Roger Federer<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Roger Federer Leader 87<br />
«Wir leben<br />
recht normal»<br />
Im Exklusivinterview erklärt Roger Federer, wie er sich auf dem Tennisplatz mental<br />
auf einen entscheidenden Punkt vorbereitet, seinen Alltag zu Hause sowie auf der Tour<br />
organisiert und die schwierige Zeit 2008 erlebt hat, als er nur noch die Nummer 2 war.<br />
Die ungekürzte Fassung des rund eineinhalbstündigen Gesprächs finden Sie unter<br />
www.credit-suisse.com/rogerfederer.<br />
Interview: Daniel Huber<br />
Foto: Julian Finney, Staff, Getty Images<br />
Im Februar erhält das <strong>bull</strong>etin die Gelegenheit, Roger Federer<br />
beim Besuch eines Schulprojekts in Äthiopien zu begleiten, das<br />
von seiner Foundation unterstützt wird. Die Reportage dazu ist auf<br />
Seite 42 zu lesen. Folgendes Gespräch findet einen Tag danach in<br />
der Lobby des Wohnhochhauses in Dubai Marina statt, wo Roger,<br />
wie er sich bei der Begrüssung tags zuvor vorgestellt hat, einen<br />
zweiten Wohnsitz hat. Der erfolgreichste Tennisspieler aller Zeiten<br />
erscheint zum Termin am frühen Abend entspannt und frisch<br />
geduscht im Trainingsanzug mit zwei Flaschen Mineralwasser.<br />
<strong>bull</strong>etin: Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, du hättest<br />
hier in Dubai wie Michael Schumacher eine Villa auf einer der<br />
aufgeschütteten Palmeninseln.<br />
Roger Federer: Vom Unterhalt her sind Wohnungen viel praktischer,<br />
gerade wenn man wie wir nur sehr wenig zu Hause ist.<br />
Wir wohnen auch in der Schweiz in einer Wohnung.<br />
Und wo trainierst du hier inmitten all dieser Hochhäuser?<br />
Gleich um die Ecke in einem Hotel mit Tennisplatz und Fitnesszentrum.<br />
Da sind die Trainingsbedingungen ideal.<br />
Wie frei kannst du dich hier in Dubai bewegen?<br />
Wir leben hier eigentlich recht normal, gehen am Strand spazieren,<br />
in die Shopping Malls einkaufen und in die Restaurants essen.<br />
Klar, werden wir erkannt, und die Leute bitten ab und zu um ein<br />
Autogramm. Aber ich kann alles machen, was ich will.<br />
Mit vielleicht zehn Tennisstunden bin ich nie über das Stadium<br />
eines Anfängers hinausgekommen. Immerhin weiss ich, dass ich<br />
vermutlich keinen Ball von dir retournieren könnte.<br />
Tennis ist ein schwieriger Sport, gerade auch von der Koordination<br />
her. Jedenfalls ist es kein Sport, bei dem ein zweitägiger Kurs<br />
reicht, um schon ein bisschen spielen zu können. Und je später<br />
man anfängt, umso weniger gut kann man noch werden.<br />
Und wann ist der ideale Zeitpunkt, um mit Tennis anzufangen?<br />
Spätestens im Alter von zehn Jahren, besser vorher. Dann<br />
kann man sich gewisse koordinative Grundfähigkeiten und das<br />
Bewegen mit dem Ball noch sehr einfach verinnerlichen.<br />
Wo holst du die mentale Stärke, um in den entscheidenden<br />
Momenten eines Tennismatches die Punkte zu machen?<br />
Du musst es im Kopf möglichst einfach halten. Du sagst dir, ich<br />
gebe bei jedem Punkt <strong>10</strong>0 Prozent und probierst im Moment, gut<br />
zu spielen. In einem sehr wichtigen Augenblick versuchst du<br />
dann bewusst, mit deinen Stärken in die Schwäche des Gegners zu<br />
gehen. Das lässt sich natürlich nicht immer so einfach umsetzen,<br />
zumal der Gegner das Gleiche versucht. Aber du musst für dich<br />
selber ein klares Ziel vor Augen haben und dich möglichst nicht<br />
vom Gegner führen lassen. Natürlich muss man im Tennis das<br />
Spiel immer wieder anpassen. Schliesslich ist es ein Reaktionssport.<br />
Es gibt nur einen Schlag, den du voll und ganz kontrollieren<br />
kannst, und das ist der Aufschlag. Bei allen anderen musst du<br />
reagie ren, aber möglichst mit einem Plan dahinter.<br />
Einmal abgesehen von der Geschwindigkeit scheint Tennis<br />
auf der mentalen Ebene viel mit Schach gemeinsam zu haben.<br />
Da plant der Spieler aber viele Züge im Voraus. Wie ist das beim<br />
Tennis?<br />
Im Tennis kannst du vielleicht eineinhalb Schläge im Voraus planen.<br />
Ich serviere den Ball auf einen bestimmten Punkt, wo ich weiss,<br />
dass der Ball in der Regel auf eine bestimmte Art zurückkommt,<br />
und dann habe ich verschiedene Optionen. Wenn du zu weit voraus<br />
planst, dann wirst du überrascht, was schlecht ist.<br />
Wie stark beobachtest du den Gegner während des Matches<br />
auf dem Platz ?<br />
Praktisch nicht. Ab und zu sagen mir die Leute nach dem Spiel:<br />
Hast du gesehen, was der andere wieder gemacht hat ? Das<br />
nehme ich überhaupt nicht wahr. Nach jedem Punkt drehe ich<br />
mich sofort weg. Mich interessiert gar nicht, was der Gegner<br />
macht, wie er sich fühlen könnte. Ich konzentriere mich lieber auf<br />
mich. Klar, wenn ich im Spiel sehe, dass er verletzt ist, dann<br />
checke ich das ein-, zweimal ab. Aber so etwas sollte dein Spiel<br />
nicht verän dern. Denn wenn es dann doch nichts ist, dann wirst<br />
du wieder überrascht.<br />
><br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
88 Leader Roger Federer<br />
Der ehemalige Tennisprofi und Trainer Brad Gilbert beschreibt<br />
«Die Trennung von Privatleben<br />
und Öffentlichkeit ist gar nicht<br />
so schwierig, solange du nicht in<br />
Hollywood oder London lebst.»<br />
in seinem Buch «Winning Ugly» einen eigentlichen Psychokrieg<br />
auf dem Tennisplatz. Empfindest du das auch so?<br />
Ich muss immer ein bisschen schmunzeln, wenn ich sehe, was die<br />
Leute in gewisse Aussagen von mir hineininterpretieren. So hat<br />
John McEnroe nach meinem Sieg in Australien in einem Zeitungsinterview<br />
gemeint, dass ich all meine Erfahrung des Psychokriegs<br />
ausgenutzt hätte, indem ich vor dem Final sagte, der Druck auf<br />
Murray sei viel grösser als auf mich, weil ich ja schon alles gewonnen<br />
hätte. Und dann hätte ich auch noch den angeschlagenen<br />
Fuss Murrays voll ausgenutzt. Das ist natürlich völliger Blödsinn,<br />
zumal auch der vermeintlich angeschlagene Fuss dann gar kein<br />
Problem war. Ich sehe das nicht als Psychokrieg. Ich sage einfach<br />
meine Meinung. Dass Murray mit null Grand-Slam-Siegen in<br />
einem Final mehr als ich den Sieg braucht und entsprechend unter<br />
einem grösseren Druck steht, ist einfach so.<br />
Dann gibt es während des Matches auch keine kleinen<br />
Bemerkungen beim Vorbeigehen?<br />
Vor meiner Zeit soll es tatsächlich ab und zu solche Bemerkungen<br />
wie «Ah, wirst du langsam nervös?» oder so gegeben haben. Aber<br />
in den über 800 Matches, die ich schon gespielt habe, kam das<br />
noch nie vor. Klar, gibt es so kleine Gesten, dass, wenn ich einen<br />
Punkt verliere, sich der Gegner überschwänglich freut, um<br />
mich zu ärgern, oder die Intensität wechselt, indem er sich mehr<br />
Zeit beim Aufschlag herausnimmt. Oder der Gegner nörgelt<br />
ständig oder schaut bei einem Punktgewinn ungläubig zu mir herüber,<br />
wie um zu sagen, ich hätte immer so viel Glück. Aber das<br />
gehört einfach dazu. Darüber hinaus wären heute auf dem Center<br />
Court irgendwelche unsauberen Bemerkungen oder sonstige<br />
Mätzchen angesichts der totalen Überwachung durch die Kameras<br />
gar nicht mehr möglich.<br />
Ist es für dich mental ein Vor- oder ein Nachteil, als Nummer 1<br />
auf den Platz zu kommen?<br />
Ich habe schon immer gesagt, dass ich als Nummer 1 besser<br />
Tennis spiele als vorher. Ich bin gerne im Lead und habe die Sache<br />
unter Kontrolle. Auch behagt mir die Erwartungshaltung, dass ich<br />
es bin, der gewinnen sollte. Ich fand es schwieriger, die Nummer 1<br />
zu werden, als sie jetzt zu verteidigen. Irgendwann kamst du<br />
zum Punkt, wo du die Nummer 4 schlagen musstest, dann die 3,<br />
die 2 und schliesslich die 1 – und das gleich mehrmals und dann<br />
noch das nächste Turnier gewinnen. Das war enorm stressig.<br />
Als Nummer 1 ist das viel ausgeglichener. Ich weiss, dass ich,<br />
wenn ich gut spiele, alle schlagen kann.<br />
Irgendwie hat man den Eindruck, dass dich das Verlieren<br />
der Nummer 1 und das Zurückerobern danach sogar noch stärker<br />
gemacht hat.<br />
Diese Zeit hat sicher auch ihr Gutes gehabt. Eigentlich ist es klar,<br />
dass man nach sieben Jahren Dominanz auch einmal verlieren<br />
muss. Ich habe ja vorher ebenfalls nicht einfach jedes Turnier<br />
gewonnen. Ausserdem war mir schon immer wichtig – egal wie es<br />
gerade lief – mich ständig weiterzuentwickeln. Ich bin immer auf<br />
der Suche nach neuen Mitteln und Wegen, um vorwärtszukommen<br />
und mein Leben abwechslungsreich und spannend zu gestalten.<br />
So habe ich einmal Dubai als Trainingsort ausprobiert und plötzlich<br />
hatte ich hier diese neue Basis. Im Übrigen war auch 2008, als<br />
es weniger gut lief und ich nur noch die Nummer 2 war, trotz allem<br />
keine schlechte Saison. Ich stand in allen grossen Turnieren<br />
mindestens im Halbfinal. Mein Problem war, dass ich die Top-5-<br />
Spieler nicht mehr so einfach schlagen konnte wie früher. Ab und<br />
zu gelang es mir zwar immer noch, doch habe ich sie nicht mehr<br />
so dominiert wie vorher. Während dieser Zeit gab es für mich aber<br />
immer gute Gründe, warum ich nicht ganz in Topform war. Ich hatte<br />
zum einen dieses Pfeiffer’sche Drüsenfieber und zum anderen<br />
Rückenprobleme, die meinen Trainingsaufbau durcheinander brachten.<br />
Im Nachhinein wäre es vielleicht besser gewesen, weniger<br />
Turniere zu spielen. Aber vermutlich würde ich es wieder so machen.<br />
Viele Sportjournalisten hatten dich damals bereits abgeschrieben.<br />
Wie stark verfolgst du die Berichterstattung und die<br />
Kommentare über dich in den Medien?<br />
Klar, bekomme ich ab und zu etwas mit. Das grössere Problem<br />
waren für mich die Pressekonferenzen. Die Journalisten fragten<br />
mich ständig: Was ist los mit dir ? Wäre ein neuer Coach nicht<br />
besser ? Was ist mit deiner Vorhand? Dieses ständige Beantworten<br />
von negativen Fragen hat mir schon etwas zugesetzt und<br />
vielleicht auch gewisse Selbstzweifel in mir geweckt. Anderseits<br />
ist es schon komisch, dass man sich als Nummer 2 der Welt ständig<br />
erklären muss.<br />
Du schaffst es, deine Familie zwar immer dabeizuhaben, aber<br />
trotzdem deine Privatsphäre zu wahren. Wie machst du das?<br />
Meine Familie ist mir sehr wichtig. Ich brauche einen Ort der Ruhe,<br />
wo ich mich zurückziehen kann. Diese Trennung von Privatleben<br />
«Ich fand es schwieriger,<br />
die Nummer 1 zu werden, als<br />
sie jetzt zu verteidigen.»<br />
und Öffentlichkeit ist gar nicht so schwierig, solange du nicht in<br />
Hollywood oder London lebst. Insofern schotte ich mich auch nicht<br />
so stark ab, wie viele meinen.<br />
Wirst du es nicht langsam müde, immer aus dem Koffer<br />
zu leben?<br />
Im Gegenteil: Ich reise immer noch sehr gerne. Sicher, das<br />
ständige Ein- und Auspacken ist manchmal etwas lästig, und ich<br />
würde manchmal gerne noch zwei, drei Tage länger an einem<br />
Ort bleiben. Aber das gehört irgendwie dazu. Bestimmt, werde ich<br />
es nach meiner Tenniskarriere etwas ruhiger nehmen. Aber ich<br />
werde sicher noch viel reisen.<br />
Wie geregelt ist dein Reisen? Steigst du zum Beispiel<br />
immer in den gleichen Hotels ab?<br />
Anfänglich wollte ich immer wieder in neue Hotels. Das hat sich<br />
schnell gelegt. Heute gehe ich immer in die gleichen. Da weiss ich,<br />
was mich erwartet, da kenne ich die Leute und das Umfeld. Für<br />
mich wird es immer wichtiger, mich auch fern von zu Hause an<br />
einem Ort zu Hause zu fühlen.<br />
><br />
Fotos: André Springer<br />
<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse
Roger Federer Leader 89<br />
Bilder und Fakten einer grossen Karriere<br />
Geboren<br />
8. August 1981 in Basel<br />
Grösse<br />
186 cm<br />
Gewicht<br />
85 kg<br />
Spielhand<br />
Rechts (einhändige Rückhand)<br />
Gewinnt als 16-jähriger 1998 in<br />
Wimbledon das Junioren-Turnier.<br />
Gstaad 1998: sein erstes Spiel<br />
auf der ATP-Tour.<br />
In seiner zweiten Profisaison<br />
2000 in Wimbledon.<br />
Erstes ATP-Turnier<br />
Juli 1998 in Gstaad<br />
Erste Profisaison<br />
1999<br />
Platzierung Weltrangliste<br />
Nummer 1 (2. Februar 2004 bis<br />
17. August 2008 und seit 6. Juli 2009)<br />
Grand-Slam-Titel<br />
16<br />
Australien Open<br />
2004, 2006, 2007, 20<strong>10</strong><br />
French Open<br />
2009<br />
Wimbledon<br />
2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2009<br />
US Open<br />
2004, 2005, 2006, 2007, 2008<br />
Turniersiege Einzel<br />
62<br />
Turniersiege Doppel<br />
7<br />
Olympische Medaille<br />
Gold (Peking 2008, Doppel)<br />
Key Biscayne 2001: Mirka auf<br />
dem Feld, Roger auf der Tribüne.<br />
Key Biscayne 2001<br />
Zusammen mit Andre Agassi bei der Gala des Masters in Schanghai<br />
20<strong>02</strong>, wo er im Halbfinal gegen Lleyton Hewitt ausschied.<br />
French Open 2004<br />
Auszeichnungen<br />
Als erster Sportler überhaupt<br />
bei den Laureus World Sport<br />
Awards viermal zum Weltsportler<br />
des Jahres gewählt (2003, 2004,<br />
2006, 2007).<br />
Persönliches<br />
Vater Robert ist Schweizer und<br />
Mutter Lynette Südafrikanerin;<br />
lernt 2000 an den Olympischen<br />
Spielen in Sydney die Profi-Tennisspielerin<br />
Mirka Vavrinec kennen,<br />
die er am 11. April 2009 heiratet;<br />
am 23. Juli 2009 Geburt der<br />
Zwillingstöchter Charlene Riva<br />
und Myla Rose.<br />
Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>
90 Leader Roger Federer<br />
Wie sieht für dich ein normaler Trainingstag zu Hause aus?<br />
Ich versuche zuerst genug Schlaf zu bekommen, damit ich<br />
körperlich und mental optimal regenerieren kann. Dann stehe ich<br />
auf, dusche, frühstücke.<br />
Hast du ein spezielles Ernährungsprogramm?<br />
Eigentlich nicht. Ich habe mich einmal bei einem Ernährungsberater<br />
erkundigt, was er mir empfehlen würde. Darauf meinte<br />
dieser: «Du bist ohne meine Hilfe die Nummer 13 der Welt<br />
geworden, dann kannst du es auch ohne meine Hilfe zur<br />
Nummer 1 bringen. Doch wenn du mal einen Tipp von mir willst,<br />
dann ruf mich an.» Bis jetzt habe ich ihn noch nicht angerufen.<br />
Wir waren beim Frühstück.<br />
Danach gehe ich stretchen, mache fünf bis zehn Minuten ein<br />
paar Aufwärmübungen und gehe zum Konditionstraining, zirka<br />
eine Stunde lang. Und dann trainiere ich so zwei Stunden lang auf<br />
dem Tennisplatz. Anschliessend gehts zum Mittagessen. Von drei<br />
bis fünf Uhr folgt entweder nochmals eine Konditions- oder eine<br />
Tennis-Session. Dann komme ich zurück, dusche und erhalte<br />
eine Massage. Das ist von sechs bis acht und danach gibts Nachtessen.<br />
Trinkst du zu einem guten Essen auch mal ein Glas Wein?<br />
Das kann es schon mal geben. Wie gesagt, ich bin bei der Ernährung<br />
nicht sehr strikt.<br />
Mittlerweile wirst du bei den Diskussionen um den grössten<br />
Sportler aller Zeiten in einem Atemzug mit Mohammed Ali und<br />
Michael Jordan gehandelt. Wie ist das für dich?<br />
Das ist natürlich schon speziell. Das war es auch schon, als ich<br />
mehr Erfolg hatte als meine Tennisidole Stefan Edberg und Boris<br />
Becker. Für mich ist es immer wieder unglaublich, wenn mir bewusst<br />
wird, wie weit ich es im Tennis schon gebracht habe, und<br />
dass ich mittlerweile über meine Sportart hinaus tatsächlich mit<br />
diesen Grössen verglichen werde. Es freut mich auch, dass ich so<br />
meinen Teil dazu beitragen kann, dass Tennis noch populärer wird.<br />
«Irgendwie hatte ich den Leader<br />
schon immer ein bisschen in mir.»<br />
Du bist weltweit die Nummer 1 des Tennis und auch<br />
Sprecher der Spielervereinigung. Was zeichnet einen guten<br />
Leader aus?<br />
Irgendwie hatte ich den Leader schon immer ein bisschen in mir,<br />
sei es beim Fussball oder auch in der Schule. Ich habe häufig<br />
die Aufmerksamkeit auf mich gezogen, und es war mir auch nie<br />
unangenehm, im Mittelpunkt zu stehen. Ich war zwar anfangs<br />
eher ein schüchternes Kind, aber das hat sich dann übers Tennis<br />
bald geändert. Ein guter Leader darf sich nicht zu schade sein,<br />
vorne an der Front zu stehen, wenn es hart auf hart kommt. Die<br />
Art und Weise, wie er die Krise bewältigt, zeichnet den Leader<br />
aus. Er braucht sicher eine grosse Portion Selbstvertrauen und<br />
muss mit breiten Schultern auftreten. Ich nehme ja nicht nur im<br />
Tennissport und bei meiner Foundation eine Leader-Rolle ein,<br />
sondern auch bei meinem Team. Und da merke ich immer wieder,<br />
wie wichtig es ist, einerseits eine klare Richtung vorzugeben<br />
und andererseits auch immer wieder zuzuhören und offen für Kritik<br />
zu sein.<br />
Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben?<br />
Bei uns herrscht eine sehr entspannte Stimmung. Es wird häufig<br />
sehr offen diskutiert. Transparenz ist für mich sehr wichtig. Und<br />
gleichzeitig wird auch das Wissen um die gegenseitigen Stärken<br />
immer grösser, und wir vertrauen einander fast blind.<br />
So gesehen war sicher auch die Zeit, als es nicht optimal<br />
lief, rückblickend für dich spannend. Wie krisenerprobt ist dein<br />
Team?<br />
Wenn auf der Welle des Erfolgs alles nur noch rosa erscheint,<br />
dann ist während der Krise plötzlich alles nur noch schwierig.<br />
Während der schwierigen Zeit 2008 kam ich an einen Punkt, an<br />
dem ich für mich nochmals alles sehr genau analysierte und zum<br />
Schluss kam, dass meine Arbeit eigentlich gut war und ich das<br />
Richtige gemacht hatte. Entsprechend hielt ich auch an meinem<br />
Team fest. Aber dieses ständige Hinterfragen der eigenen Arbeit<br />
ist wichtig und entsprechend habe ich das auch schon vor der<br />
Krise gemacht.<br />
Dann hattest du in dieser Zeit keinen Wechsel im Team?<br />
Ich habe einzig den Masseur durch einen Physiotherapeuten<br />
ersetzt. Aber das hätte ich sowieso gemacht, weil ich Rückenprobleme<br />
bekommen hatte und diese gezielter angehen wollte.<br />
Bereits zum zweiten Mal unterbricht ein aufdringlicher Mitbewohner<br />
des Hochhauses, den Roger eigentlich gar nicht kennt,<br />
das Gespräch und stellt einen weiteren Freund vor, der mit Roger<br />
ein Bild will. Als er endlich gegangen ist und wir wieder sitzen:<br />
Bleibst du eigentlich immer so höflich?<br />
Das gehört für mich dazu. Und irgendwie ist er ja auch ein Nachbar,<br />
den man vielleicht wieder mal in der Lobby trifft.<br />
Im Fussball wird als Erstes der Trainer ausgewechselt, wenn<br />
der Erfolg ausbleibt.<br />
Der Coach ist in allen Sportarten eine sehr umstrittene Figur.<br />
Niemand weiss genau, wie stark er tatsächlich für Erfolg oder<br />
Misserfolg verantwortlich ist. Am Schluss ist es immer der Athlet,<br />
der die Leistung bringen muss. Anders als beim Tennis kann<br />
der Coach im Fussball aber auch während des Spiels relativ direkt<br />
Einfluss nehmen. Er kann in der Pause die Taktik neu definieren,<br />
Spieler austauschen. Er kann zudem mehr oder weniger gut die<br />
verschiedenen Egos zu einem Team zusammenfügen. Und wenn<br />
ein Coach ausgetauscht wird, dann sind wieder alle Karten neu<br />
gemischt. Alle kriegen wieder eine neue Chance, auch die Spieler<br />
auf der Bank. Gleichzeitig sind die Stammspieler wieder etwas<br />
verunsichert. Das kann sicher einen neuen, positiven Impuls<br />
gebe n. Im Tennis mag das auch etwas der Fall sein, weil man dem<br />
neuen Coach sein Können beweisen will. Aber der Effekt ist sicher<br />
nie so gross.<br />
Und trotzdem ist er auch im Tennis wichtig.<br />
Bei einem Einzelsport wie Tennis ist der Kontakt sehr viel direkter.<br />
Die Beziehung ist viel unmittelbarer. Du lebst praktisch mit dem<br />
Coach zusammen und isst dreimal am Tag mit ihm. Ein Tenniscoach<br />
kennt seinen Spieler vermutlich nach einer Woche besser als ein<br />
Fussballtrainer sein Team nach zehn Jahren. Insofern ist es kaum<br />
vergleichbar. Ich hatte, kurz nachdem ich 2003 die Nummer 1<br />
wurde, während zweier Jahre keinen Coach. Damals hatte ich im<br />
Übrigen auch kein Management. Das war eine echte Lebensschule.<br />
Ich musste alles selber machen bis hin zu den Verhandlungen<br />
mit den Sponsoren. Das war eine extrem lehrreiche Zeit<br />
für mich. Damals habe ich gelernt, Entscheidungen zu treffen. <<br />
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