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bull_10_02_Süden

Credit Suisse bulletin, 2010/02

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Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse Nummer 2 Mai/Juni 20<strong>10</strong><br />

<strong>Süden</strong><br />

Pozuzo: 1859 brachten Siedler aus Österreich<br />

und Süddeutschland alpines Brauchtum in den<br />

peruanischen Urwald, wo es noch heute stolz<br />

gepfl egt wird (Seite 20).<br />

Immobilienstudie Schweiz profi tiert von Zuzügern<br />

Roger Federer im exklusiven Leader-Interview<br />

Dossier 16 Seiten zum Schweizer Fussball<br />

<strong>bull</strong>etin plus Wohnen


Hier gehen Sie an Bord!<br />

Kreuzfahrt Wunderwelt Antarktis<br />

Ushuaia–Falkland–Südgeorgien–Süd-Orkney–Süd-Shetland–Antarktis<br />

23 Tage<br />

inkl. Vollpension<br />

an Bord und Flug<br />

ab Fr. 18900.–<br />

■ Falkland Inseln – bewegte Geschichte ■ Südgeorgien – beeindruckende Tierwelt<br />

■ Antarktische Halbinsel ■ Südpolarkreis – magische Grenze ■ Drake Passage – legendäres Fahrwasser<br />

Ihr Reiseprogramm<br />

1. Tag: Schweiz–Buenos Aires.<br />

Linienflug mit Umsteigen nach Buenos Aires.<br />

Hotelübernachtung.<br />

2. Tag: Buenos Aires.<br />

Entdecken Sie heute Buenos Aires auf einer<br />

Stadtrundfahrt. Hotelübernachtung.<br />

3. Tag: Buenos Aires–Ushuaia.<br />

Flug nach Ushuaia. Transfer und Einschiffung<br />

auf «MS HANSEATIC».<br />

4. Tag: Erholung auf See.<br />

5. Tag: Falkland Inseln+.<br />

«MS HANSEATIC» steuert die Falkland-Inseln<br />

an, die zu Grossbritannien gehören. Im Hauptort<br />

Stanley laden die Häuser im viktorianischen Stil<br />

zu einem Spaziergang ein.<br />

6.–7. Tag: Erholung auf See.<br />

8.–<strong>10</strong>. Tag: Südgeorgien+.<br />

Wenn das Wetter es zulässt, entdecken wir die<br />

unberührte Natur der Fortuna Bay bei einer<br />

Wanderung, bevor «MS HANSEATIC» in die<br />

Stromness Bay fährt. Allein auf der Hauptinsel<br />

Südgeorgiens befinden sich mehr als 160 Gletscher,<br />

von denen viele bis an die Wasserkante<br />

heranreichen. Aber nicht nur Gletscher sind<br />

Ihr Kreuzfahrtschiff<br />

Gebaut für dichtes Packeis, schmale Fjorde oder<br />

verschlungene Flussläufe, lässt Sie das einzige<br />

Expeditionsschiff «MS HANSEATIC» mit 5<br />

Sternen Erstaunliches entdecken. Dabei werden<br />

Sie begleitet von einer engagierten Crew, maximal<br />

183 weiteren Gästen und einem Team namhafter<br />

Experten aus verschiedenen Fachgebieten.<br />

Aussergewöhnlich ist auch die persönliche<br />

Atmosphäre an Bord. In einem vertrauten Kreis<br />

sympathischer Expeditionsliebhaber geniessen<br />

Sie die Vorzüge eines kleinen Schiffes. Als einziges<br />

5-Sterne-Expeditionsschiff weltweit. Entdecken<br />

Sie eine einmalig intensive Art des Reisens,<br />

die Ihnen unvergesslich bleiben wird…<br />

Willkommen an Bord!<br />

zahlreich vorhanden: Etwa 400 000 majestätische<br />

Königspinguine, ca. fünf Millionen Goldschopfpinguine<br />

und unzählige See-Elefanten<br />

haben hier ihre Heimat gefunden. Mit Grytviken<br />

erreichen Sie den einzigen Ort auf Südgeorgien.<br />

Neben Zodiacanlandungen in Salisbury Plain<br />

und auf Prion Island, dem Brutgebiet der riesigen<br />

Wanderalbatrosse, dürfen Sie sich auf Gold<br />

Harbour und die Cooper Bay freuen – eines der<br />

atemberaubendsten Tierparadiese der Welt:<br />

Alljährlich finden sich hier zehntausende<br />

Königs pinguine und Eselspinguine sowie tausende<br />

See-Elefanten ein.<br />

11. Tag: Erholung auf See.<br />

12.–18. Tag: Südorkney-Inseln+/Süd-Shetland-Inseln+/Antarktische<br />

Halbinsel/Drake<br />

Passage.<br />

Wir haben etwa 2000 Seemeilen zurückgelegt,<br />

wenn die Süd-Orkney-Inseln in Sicht kommen.<br />

Bei gutem Wetter folgt ein Besuch der Forschungsstation<br />

Orcadas. Oder wir kreuzen mit<br />

unseren Zodiacs vor Monroe Island. Hier tummeln<br />

sich tausende Zügelpinguine, und auch<br />

See-Elefanten sind hier anzutreffen. Unsere Zodiacfahrt<br />

bei Point Wild auf Elephant Island gilt<br />

ebenfalls den Zügelpinguinen. Adeliepinguine<br />

Ihre Reiseroute<br />

Südorkney Inseln<br />

Port Lockroy<br />

Ushuaia<br />

ANTARKTIS<br />

Drake Passage<br />

Weddellmeer<br />

Atlantischer<br />

Ozean<br />

Falkland Inseln<br />

Stanley<br />

«MS Hanseatic»<br />

Elephant Is.<br />

MS HANSEATIC unterwegs in der Antarktis<br />

Grytviken<br />

Südorkney Inseln<br />

hingegen lassen sich auf der Vulkaninsel Paulet<br />

Island und nahe Devil Island beim Durchkreuzen<br />

der mystischen Stille des Weddellmeeres<br />

bestaunen. Auf unserer antarktischen Route<br />

reihen sich die Paradies Bucht mit Almirante<br />

Brown und Skontorp Cove sowie Petermann<br />

Island wie Perlen einer Kette aneinander.<br />

Sicher können Sie hier Kormorane oder Adelieund<br />

Eselspinguine samt ihrem Nachwuchs<br />

sichten. Gebannte Stimmung herrscht auf<br />

«MS HANSEATIC». Das Eis vor dem verstärkten<br />

Bug bricht, die Schiffssirene ertönt, und die<br />

Spannung löst sich: Der Südpolarkreis ist erreicht.<br />

19.–20. Tag: Fahrt durch die Drake Passage.<br />

Benannt nach Sir Francis Drake, durchfahren<br />

wir die legendäre Drake Passage und nehmen<br />

Kurs auf den südamerikanischen Kontinent.<br />

21. Tag: Ushuaia.<br />

Ankunft frühmorgens in Ushuaia und Ausschiffung.<br />

Transfer und Flug nach Buenos Aires. Hotelübernachtung.<br />

22. Tag: Buenos Aires–Zürich.<br />

Transfer und Rückflug mit Umsteigen in die<br />

Schweiz.<br />

23. Tag: Ankunft in Zürich.<br />

Höhepunkte der Antarktis-Reise<br />

■<br />

5 Sterne-Expeditionsschiff mit max. 184 Passagieren<br />

und Schiff mit höchster Eisklasse E4<br />

■<br />

Spezialisten für Polarregionen an Bord<br />

(Kapitäne und Expeditionsleiter)<br />

■<br />

Zodiacs bringen Sie ganz nah an die polare<br />

Tierwelt und die Eisberge der Antarktis<br />

■<br />

Tierparadies Südgeorgien: Königspinguine,<br />

See-Elefanten und Robben<br />

■<br />

Falklands Vogelwelt, unvergessliche<br />

Walbeobachtungen<br />

■<br />

Shackleton, Amundsen, Scott – auf den<br />

Spuren legendärer Forscher und Entdecker<br />

Reisedatum 2011<br />

24.01.–15.<strong>02</strong>.<br />

Preise pro Person<br />

Fr.<br />

Kat. Kabinentyp Katalog- Frühpreis<br />

buchungspreis<br />

1 2-Bett aussen,<br />

Garantie 19800.– 18900.–<br />

2 2-Bett aussen,<br />

Amundsen-Deck 21650.– 20550.–<br />

4 2-Bett aussen,<br />

Marco Polo-Deck 25000.– 23850.–<br />

5 2-Bett aussen,<br />

Explorer-Deck 26000.– 24700.–<br />

7 Suite, Bridge 39400.– 37400.–<br />

* Frühbuchungspreis bis 11.06.20<strong>10</strong><br />

Beschränkte Verfügbarkeit – früh buchen lohnt sich!<br />

Unsere Leistungen<br />

■<br />

Linienflug in Economy Class via<br />

Deutschland inkl. Taxen<br />

■<br />

Transfers<br />

■<br />

Treibstoff- und Kerosinzuschlag<br />

■<br />

3 Übernachtungen in Buenos Aires in<br />

Erstklasshotel inkl. Frühstück<br />

■<br />

Kreuzfahrt in der gebuchten<br />

Kabinenkategorie<br />

■<br />

Vollpension an Bord ab Abendessen<br />

Einschiffungstag bis Frühstück<br />

Ausschiffungstag<br />

■<br />

Kapitänsempfang, Galadinner<br />

■<br />

Sicherheitsgebühren, Hafentaxen<br />

■<br />

Deutschsprechende Bordreiseleitung<br />

■<br />

Alle Zodiacanlandungen<br />

■<br />

Wasserdichte und warme Parkas und<br />

Gummistiefel stehen leihweise zur Verfügung<br />

■<br />

Vorträge durch erfahrene Lektoren<br />

Nicht inbegriffen<br />

■<br />

Auftragspauschale pro Person Fr. 20.–,<br />

bei Buchung über www.mittelthurgau.ch<br />

Reduktion von Fr. 20.– pro Person<br />

■<br />

Persönliche Auslagen und Getränke<br />

■<br />

Trinkgelder<br />

■<br />

Kombinierte Annullationskosten- und<br />

Extrarückreiseversicherung auf Anfrage<br />

■<br />

Zuschlag Business Class auf Anfrage<br />

Reiseformalitäten, Wissenswertes<br />

Schweizer Bürger benötigen einen gültigen<br />

Reisepass, der 6 Monate über das<br />

Rückreisedatum gültig sein muss.<br />

Bei dieser Kreuzfahrt-Expedition in die Antarktis kann<br />

ein Umstellen des Fahrplans notwendig werden. Je<br />

nach örtlichen Bedingungen entscheidet der Kapitän<br />

über die bestmögliche Alternative.<br />

+ Übersetzen an Land mit Zodiacs (wetterabhängig)<br />

Gratis-Buchungstelefon:<br />

0800 86 26 85<br />

Bestellen Sie unseren neuen Katalog «Antarktis»<br />

Für Reservationen/Auskünfte verlangen<br />

Sie Frau Gabi Herzig<br />

Reisebüro Mittelthurgau Fluss- und Kreuzfahrten AG<br />

Oberfeldstrasse 19, 8570 Weinfelden<br />

Tel. 071 626 85 85, Fax 071 626 85 95<br />

www.mittelthurgau.ch, info@mittelthurgau.ch<br />

734<br />

Fluss- und Kreuzfahrten AG, Weinfelden, www.mittelthurgau.ch


Editorial 3<br />

Für uns Nordeuropäer steht <strong>Süden</strong> für Sonne, Strand und das süsse Schwelgen<br />

im Nichtstun. Der Ethnologe David Signer ortet in seinem Essay (Seite 6) die<br />

Wurzeln dieser Sehnsucht im 18. Jahrhundert, und zwar konkret bei den Berichten<br />

des französischen Entdeckers Louis-Antoine de Bougainville über seine Reisen<br />

in die Südsee. Den Ursprung meiner ganz persönlichen Sehnsucht nach dem <strong>Süden</strong><br />

kann ich ebenfalls exakt orten: Er trägt den Namen Golfo del Sole, eine Bungalow-<br />

Feriensiedlung bei Follonica in Italien. Dort verbrachte ich als neunjähriger Bub<br />

meine ersten Ferien am Meer. Statt eines einsamen Palmenstrands mit weissem<br />

Sand gab es einen Pinienwald und einen schmalen, mit Liegestühlen und Sonnenschirmen<br />

zugepflasterten, braunen Sandstrand. Trotzdem waren es wohl die<br />

schönsten zwei Wochen meiner Kindheit: jeden Tag Sonnenschein, am Strand<br />

im Sand spielen, in der Brandung tollen, mit Netzen bewaffnet von einem Schlauchboot<br />

aus das kleine Riff nach Seesternen und Seeigelschalen absuchen.<br />

Un ver gessen sind der Geruch des klebrigen Kokosnuss-Sonnenöls und der<br />

salzige Meerwasser geschmack.<br />

So hat im winterlichen Europa nördlich der Alpen wohl jeder sein ganz persönliches,<br />

zumeist völlig verklärtes Bild vom <strong>Süden</strong>. Dadurch ist der Begriff weit mehr<br />

als die simple Bezeichnung einer Himmelsrichtung – er beinhaltet ein subjektiv<br />

erlebtes Weltbild. Insbesondere auch, weil die Wahrnehmung der Menschen,<br />

die in der Realität des <strong>Süden</strong>s leben, eine so gänzlich andere ist und Millionen<br />

von Menschen mit Neid nach dem vermeintlich reichen Norden blicken.<br />

Immerhin wird sich in diesem Sommer für einmal der Mittelpunkt der Sportwelt<br />

ganz in den <strong>Süden</strong> verschieben, wenn vom 11. Juni bis 11. Juli in Südafrika die<br />

Fussball-WM-Endrunde ausgetragen wird. Mit dabei ist auch die Schweizer Nationalmannschaft<br />

und damit die Credit Suisse. Sie ist seit 17 Jahren Hauptsponsor<br />

der Nationalmannschaften und des Schweizerischen Fussballverbandes. Dabei<br />

floss von Anfang an die Hälfte des Sponsoringbeitrags in die Nachwuchsförderung.<br />

Wie sich die Credit Suisse auf jeder Ebene vom Breiten- bis zum Profisport<br />

für den Schweizer Fussball engagiert, erfahren Sie im Dossier ab Seite 65.<br />

Gold Winner<br />

Und zum Schluss noch eine Meldung, die uns enorm freut: Das <strong>bull</strong>etin wurde<br />

bei den internationalen Mercury Awards in New York in der Kategorie Best Writing<br />

mit dem Grand Award ausgezeichnet – und das bei einem hochdotierten internationalen<br />

Teilnehmerfeld von 690 Publikationen. Manchmal kommen die schönen<br />

Dinge eben auch aus dem Westen.<br />

Daniel Huber, Chefredaktor <strong>bull</strong>etin<br />

Gold Winner<br />

Foto: Cédric Widmer<br />

Preisträger


7,7 Millionen Mitspieler<br />

1 Team<br />

Eine Bank,<br />

die mitfi ebert<br />

Die Credit Suisse steht seit 1993 als Hauptsponsor voll<br />

und ganz hinter der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft.<br />

Zusammen mit der ganzen Bevölkerung freuen wir uns auf<br />

die Auftritte unserer Mannschaft in Südafrika und drücken ihr<br />

die Daumen. Hopp Schwiiz!<br />

credit-suisse.com/fussball


Inhalt 5<br />

65<br />

Schwerpunkt <strong>Süden</strong><br />

6 _ Lebensgefühl Woher kommt die<br />

nordeuropäische Sehnsucht nach dem <strong>Süden</strong>?<br />

<strong>10</strong>_ Genforschung Die Buschmänner sind die<br />

älteste Abstammungslinie der Menschheit<br />

14 _ Hymnen für den Frieden Im Kampf gegen die<br />

Apartheid erklangen Lieder von Vollenweider<br />

16 _ Südwind Der Föhn bringt vorzeitigen Frühling,<br />

entfacht tosende Stürme und grosse Brände<br />

20 _ Neue Heimat In Peru wurde 1859 die deutschösterreichische<br />

Kolonie Pozuzo gegründet<br />

28 _ Bröckelnde Dominanz Wirtschaftsprofessor<br />

Simon J. Evenett über die Nord-Süd-Spaltung<br />

Coverfoto: Luca Zanetti | Foto: Alberto Venzago<br />

Dossier Schweizer Fussball Seit 17 Jahren unterstützt<br />

die Credit Suisse den Schweizer Fussball. Angefangen<br />

von Kinderturnieren bis hin zur Nationalmannschaft. Die<br />

Geschichte einer erfolgreichen Zusammenarbeit.<br />

Ab Seite 65<br />

01 _ Der Trainer Ottmar Hitzfeld über Löhne, Computer<br />

und Gerechtigkeit im Fussball.<br />

<strong>02</strong> _ Der Profi Stephan Lichtsteiner, vom Credit Suisse<br />

Lehrling zum Nationalspieler.<br />

03 _ Das Talent Oliver Buff, der unter schätzte<br />

U-17-Weltmeister.<br />

04 _ Der Schüler Gianluca Bianculli oder Das Glück mit<br />

dem runden Leder.<br />

05 _ Der Verein Die Young Kickers Foundation will den<br />

Mädchenfussball fördern.<br />

06 _ Wettbewerb Die Credit Suisse verlost <strong>10</strong> 000 Trikots<br />

der Schweizer Nati!<br />

Credit Suisse<br />

34 _ Albert Anker In Bern seinen Anker werfen,<br />

um das Kunstmuseum zu besuchen<br />

37 _ Jugendarbeitslosigkeit Die Stiftung<br />

Die Chance schafft neue Arbeitsstellen<br />

40 _ Reise in den <strong>Süden</strong> Wie steht es um den<br />

Tourismus in der Südschweiz?<br />

42 _ Roger Federer Foundation Der Tennisstar<br />

besucht eine Schule im Hochland Äthiopiens<br />

44 _ Haiti Das Schweizerische Rote Kreuz nach<br />

dem Erdbeben im Logistikeinsatz<br />

48 _ Mikrofinanz Für einen Kleinunternehmer<br />

in Afrika bewirkt ein Kleinkredit Grosses<br />

51 _ <strong>bull</strong>etin plus «wohnen»<br />

Wirtschaft<br />

52 _ Immobilien Schweiz profitiert noch immer<br />

von der Zusatznachfrage der Einwanderer<br />

56 _ Lateinamerika Um den Rückstand auf Asien<br />

zu verkleinern, braucht es neue Infrastruktur<br />

60 _ Asset Allocation So wird aus einer Marktanalyse<br />

ein Investitionsentscheid<br />

62 _ Luftverschmutzung Auch Wirtschaftsvertreter<br />

fordern Emissionskontrollsysteme<br />

Invest<br />

81 _ Aktuelle Analysen und Trends<br />

Leader<br />

86 _ Roger Federer über seine mentale Stärke,<br />

die Rolle des Coachs und seinen Alltag in Dubai<br />

Service<br />

41 _ Impressum<br />

85 _ Wissenswert/Nachlese<br />

Der Forest Stewardship Council (FSC) setzt mit <strong>10</strong> Prinzipien und Kriterien den Standard für eine umwelt- und<br />

sozialver trägliche Waldbewirtschaftung. Schweizer Papier (Z-Offset, mit 30% FSC-Anteil), aus europäischem Zellstoff,<br />

hergestellt von der ISO-14001-zertifizierten Ziegler Papier AG, Grellingen.<br />

Ihr Link zu unserem Know-how: www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin


ulletin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse<br />

Das Gemälde «Zwei Frauen aus Tahiti» malte Paul Gauguin<br />

bei seinem ersten Aufenthalt auf Tahiti 1892.


Die Sehnsucht nach dem <strong>Süden</strong><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


8 <strong>Süden</strong> Mythos<br />

Warum zieht es eigentlich dauernd alle nach <strong>Süden</strong>?<br />

Der Pauschaltourist verbringt seinen Urlaub in der Türkei, der Grafiker träumt von einem<br />

Haus in der Toskana und der Professor verlustiert sich in den Altertümern Roms. Der<br />

Esoteri ker pilgert in den indischen Aschram und der Hollywoodstar kauft sich eine<br />

karibische Insel. Der Abenteurer kämpft sich durch den Kongo und der Erotomane durch<br />

die Bars von Bangkok. Ja, selbst der Rentner setzt sich in Spanien zur Ruhe. So unterschiedlich<br />

sie sein mögen und so viel sie sich auf ihre Individualität einbilden – der Drang<br />

nach <strong>Süden</strong> verbindet sie wie die Vögel im Herbst.<br />

Text: David Signer<br />

Gerne halten wir Gefühle für natürlich, für allgemein, und sind uns<br />

nicht bewusst, dass auch Ängste, Empörungen, Hoffnungen, Träume<br />

und Wünsche gesellschaftlich und historisch geprägt sind. So weiss<br />

hierzulande jeder sofort, was mit der «Sehnsucht nach dem <strong>Süden</strong>»<br />

gemeint ist, und vergisst dabei leicht, dass diese Empfindung eine<br />

«Erfindung» des nördlichen Europa ist. Und dass Historiker ihren<br />

Ursprung genau datieren können: auf den 5. April 1768. An diesem<br />

Tag landete der Entdecker Louis-Antoine de Bougainville in Tahiti.<br />

Kaum war er vor Anker gegangen, schreibt er in seinem Reisebericht,<br />

suchten die Bewohner «uns zu bewegen, uns eine Frau auszusuchen<br />

und mit ihr an Land zu gehen, und mit eindeutigen Gesten gaben<br />

sie uns zu verstehen, auf welche Weise wir ihre Bekanntschaft machen<br />

sollten. Man stelle sich das vor!»<br />

Bei der Nachfolgemission in die Südsee, geleitet von James Cook,<br />

sprang beim Ablegen einer der Matrosen über Bord und schwamm<br />

zurück auf die Insel, um dort zu bleiben. Georg Forster notierte –<br />

durchaus mit Verständnis für den Deserteur – in seinem Bericht<br />

«Reise um die Welt»: «Unser gemeines Volk ist nun einmal zu lauter<br />

Plackereyen und zu beständigem Arbeiten bestimmt. Wie ist hingegen<br />

beym Tahitier das alles so ganz anders! Wie glücklich, wie<br />

ruhig lebt nicht der!»<br />

1789 – im Jahr der Französischen Revolution – wiederholte gewissermassen<br />

eine ganze Schiffsmannschaft den Befreiungsschlag<br />

des Matrosen. Die Meuterer der «Bounty» strandeten nach langer<br />

Irrfahrt auf der einsamen Südseeinsel Pitcairn, wo sie blieben. Ihre<br />

Nachkommen leben noch heute dort. Die Berichte über die paradiesischen<br />

Zustände auf den Südseeinseln – «das wahre Utopien, ein<br />

Garten Eden», schrieb de Bougainville – schlugen in Europa ein wie<br />

eine Bombe. Insbesondere Künstler, Schriftsteller und Philosophen<br />

nahmen die Schilderungen über die edlen, nicht von der Zivilisation<br />

verdorbenen Wilden begierig auf; nicht zuletzt, um die eigene Gesellschaft<br />

– Prüderie, Ordnungswahn, Militarismus, Repression, Kirche<br />

– zu kritisieren. Der Aufklärer Denis Diderot schrieb ein von<br />

de Bougainville inspiriertes Manifest für sexuelle Freiheit, und 1808<br />

wurde ein studentischer Geheimbund ausgehoben, der in der Südsee<br />

«frey und unabhängig, los von den Fesseln fremden Zwanges» leben<br />

wollte. Die Rädelsführer dieser frühen Aussteigerclique wurden ins<br />

Gefängnis geworfen.<br />

Die glücklichen Bewohner des Paradieses in Ozeanien würden<br />

vom Leben nichts anderes als seine Süsse kennen, schrieb auch der<br />

Maler Paul Gauguin 1890 in einem Brief über Tahiti. «Für sie heisst<br />

Leben Singen und Lieben.» Er machte mit seiner Sehnsucht Ernst<br />

und schiffte sich im folgenden Jahr tatsächlich nach Tahiti ein, wo<br />

er schliesslich 1903, ziemlich desillusioniert, starb.<br />

Italien und die innere Topografie<br />

In gemässigter Form konnte die Sehnsucht nach dem <strong>Süden</strong> durch<br />

die «Grand Tour» befriedigt werden, der in aristokratischen Kreisen<br />

fast obligatorischen Reise nach Italien, Spanien oder ins Heilige Land,<br />

die dann im 19. Jahrhundert durch die bürgerliche Bildungsreise nach<br />

Rom, Florenz und Venedig abgelöst wurde, wie sie etwa Goethe in<br />

seiner «Italienischen Reise» beschrieb. Selbstredend ging es auch<br />

bei diesem frühen Kulturtourismus nicht nur um antike Statuen,<br />

Ruinen, Kirchen und Museen, sondern ebenso um ein vages Versprechen<br />

von Entgrenzung, Freiheit, Wärme, Loslassen, Erotik …<br />

Noch etwas weiter nach <strong>Süden</strong> wagten sich die Maler Paul Klee,<br />

August Macke und Louis Moilliet 1914 mit ihrer berühmten «Tunisreise»,<br />

die sich künstlerisch als ungeheuer fruchtbar erwies. «Die<br />

Farbe hat mich», schrieb Klee begeistert aus Nordafrika. «Ich brauche<br />

nicht mehr nach ihr zu haschen … Das ist der glücklichen Stunde<br />

Sinn: Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.»<br />

Wenn wir uns heute, kaum haben wir ein paar Tage frei, auf den<br />

Weg ins Tessin oder nach Italien machen, und dabei in Kauf nehmen,<br />

die Hälfte der Zeit im Stau zu verbringen, so wandeln wir, bewusst<br />

oder nicht, mehr oder weniger auf den Spuren von de Bougainville,<br />

Gaugin, Goethe und den andern frühen Sonnensuchern. Unsere<br />

Sehnsucht, so ureigen und spontan sie uns vorkommen mag, folgt<br />

kulturell geprägten Mustern und Bildern.<br />

«Der <strong>Süden</strong> ist eine Idee, wir tragen ihn in uns», schreibt Dieter<br />

Richter in seinem soeben erschienenen Buch «Der <strong>Süden</strong> – Geschich-<br />

Foto Seite 6: Paul Gauguin, Keystone Imagno<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Mythos <strong>Süden</strong> 9<br />

te einer Himmelsrichtung». «Der <strong>Süden</strong> ist aber auch eine Realität»,<br />

fährt er fort. Dazu gehört zum Beispiel, dass heute zum ersten Mal<br />

im Lauf der Geschichte mehr Menschen aus dem <strong>Süden</strong> in den<br />

Norden migrieren als umgekehrt. «Imaginärer und realer <strong>Süden</strong>», so<br />

Richter, «stehen in beständiger Wechselwirkung, Traum und Eroberung<br />

sind die beiden Seiten ein und derselben Medaille.»<br />

Der ambivalente <strong>Süden</strong><br />

Zum Traum vom <strong>Süden</strong> gehört – ebenfalls seit mehr als zweihundert<br />

Jahren – auch der Albtraum. «Da überall ist das Paradies der<br />

Erde», schrieb der Bildhauer Ernst Rietschel 1930 aus der Gegend<br />

von Neapel, «oder es würde es sein, wenn keine Menschen dort<br />

wären, die die niedrigste Brut ist, die mir je vorgekommen.» Seit den<br />

Anfängen des Tourismus gab es diese Ambivalenz: Mal wurden die<br />

Südländer bewundert, weil sie so ganz im Hier und Jetzt aufzugehen<br />

schienen, ohne sich allzu sehr ums Morgen zu kümmern, mal wurden<br />

sie gerade für diese Verantwortungslosigkeit und «Faulheit» verachtet.<br />

Das galt seit Goethe für die Italiener, erst recht dann aber<br />

für die Afrikaner und andere «Eingeborene». Von den ersten Entdeckern<br />

über die Kolonialisten bis zu den heutigen Reisenden prägt<br />

dieses Gemisch aus Faszination, Neid, Mitleid, Verachtung und Abneigung<br />

die Wahrnehmung der Fremde. Und bis heute gibt es eine<br />

Art Klimatheorie, mit der wir uns intuitiv die Mentalitätsunterschiede<br />

erklären: Die Kälte macht die Menschen kühl, rational, planend,<br />

kontrolliert, die Wärme macht sie warm, emotional, sorglos und ausschweifend.<br />

«Jedermann lebt in den Tag hinein, weil ein Tag dem<br />

andern gleicht und man sich auf keine Zeit des Mangels, keinen<br />

Winter vorzubereiten hat», schrieb schon Goethe 1797 aus Neapel.<br />

Die Pionier-Aussteiger<br />

Auch den Typus des Aussteigers, der seinen Urlaub gewissermassen<br />

verlängert und zur definitiven Lebensform macht, gibt es nicht erst<br />

seit den Siebzigerjahren.<br />

Neben dem Monte Verità bei Ascona war es Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

vor allem die italienische Insel Capri, die Bohémiens, Revolutionäre,<br />

Sinnsucher, Libertins und Dandys anzog. Ein besonders<br />

schillernder Expatriate war zum Beispiel Jacques d’Adelswärd-Fersen,<br />

der seinem exzentrischen Namen alle Ehre machte. In Paris gerade<br />

einem Skandalprozess wegen schwarzer Messen und «Verleitung von<br />

Minderjährigen zu Ausschweifungen» entkommen, liess er sich 1903<br />

auf Capri eine neoklassizistische Villa mit römischer Therme und<br />

Opium-Fumoir bauen, gerade unterhalb der Ruinen jener Villa Jovis,<br />

in der vor zweitausend Jahren Kaiser Tiberius seine legendären Orgien<br />

feierte. In seinem Werk «Et le feu s’éteignit sur la mer» beschrieb<br />

d’Adelswärd-Fersen, wie ein junger Mann vor den nackten Jünglingsstatuen<br />

in Neapel die Schönheit der Männerliebe entdeckte. Capri<br />

und der Kult der Antike sind heute etwas aus der Mode gekommen;<br />

aber die Beweggründe der damaligen Italienfahrer waren wohl nicht<br />

sehr anders als die derjenigen, die heute für Partys nach Ibiza fliegen,<br />

für leichten Sex nach Thailand oder Kenia oder auf der Suche nach<br />

der «Schönheit der Männerliebe» in Marokko landen.<br />

Ist der <strong>Süden</strong> gesund?<br />

Heute fahren jährlich Millionen Urlauber, in der Überzeugung, sich<br />

etwas Gutes zu tun, im Sommer an die sonnigen Strände, um sich<br />

zu bräunen – oder zumindest ins Solarstudio um die Ecke. O sole mio.<br />

Zugleich warnen die Ärzte vor Sonnenbrand und Hautkrebs. Auch<br />

dieser Zwiespalt ist alt. Zwar waren schon die Aufklärer der Ansicht,<br />

der Einfluss der Sonne auf die freie Haut belebe Körper und Geist<br />

und die warme Luft wirke stärkend, aber zugleich kursierten alle möglichen<br />

Theorien über den schädlichen Einfluss von Pestilenzdämpfen<br />

und Ausdünstungen im fremdartigen Klima. Ganz selbstverständlich<br />

gehörten ins Gepäck des kultivierten Reisenden Thermometer, Barometer<br />

und sogar der dubiose «Aerometer», mit dem angeblich die<br />

Reinheit der Luft gemessen werden konnte. 1817 erschien ein «wissenschaftlicher»<br />

Artikel, in dem das Verschwinden der Südländer<br />

infolge von Miasmen prophezeit wurde: «Über das Absterben der Länder,<br />

Italiens insbesondere, und dessen Vergiftung durch verdorbene<br />

Luft». Auch war man überzeugt – vielleicht nicht ganz zu Unrecht –,<br />

dass die disziplinierte Seele des Nordländers unter dem Einfluss des<br />

<strong>Süden</strong>s verderben könne. «Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen»,<br />

schrieb Goethe, «und die Gesinnungen ändern sich gewiss in<br />

einem Lande, wo Elefanten und Tiger zu Hause sind.»<br />

Zu diesem Widerspruch gehört auch, dass wir einerseits unseren<br />

Lebensstil mehr oder weniger aggressiv auf der ganzen Welt durchsetzen,<br />

andererseits den Glauben hegen, dass gerade diejenigen<br />

den Schlüssel zum Glück besitzen, die sich der Zivilisation widersetzen<br />

oder (noch) entziehen können. Dann machen wir – Tausende<br />

von angeblichen «Individual-» und «Alternativtouristen» – uns auf in<br />

ihren Garten Eden, um an ihrem gefährdeten Glück zu partizipieren,<br />

und tragen gerade damit zu dessen Zerstörung bei.<br />

Beim Nachdenken über den <strong>Süden</strong> darf zum Schluss eine paradoxe<br />

Destination nicht fehlen. Geht man immer weiter nach <strong>Süden</strong>,<br />

wird es bekanntlich zuerst immer heisser, aber dann wieder kälter.<br />

Erst am 14. Dezember 1911 setzte zum ersten Mal ein Mensch den<br />

Fuss auf den Südpol: Roald Amundsen. Einen Monat später erreichte<br />

sein Konkurrent Robert Falcon Scott das Ziel; auf dem Rückweg<br />

erfror er mit seinen vier Gefährten. In seinem posthum veröffentlichten<br />

Tagebuch schreibt er: «An diesen entsetzlichen Ort haben wir<br />

uns mühsam hergeschleppt und erhalten als Lohn nicht einmal das<br />

Bewusstsein, die ersten gewesen zu sein.» Der Südpol – der Ort, wo<br />

man zwar Sehnsucht nach Wärme, aber definitiv keine Sehnsucht<br />

nach dem <strong>Süden</strong> empfindet. <<br />

David Signer ist promovierter Ethnologe.<br />

Er hat jahrelang in Westafrika zum Zusammen<br />

hang zwischen traditionellen<br />

Glaubens vorstellungen und Entwicklung<br />

geforscht. Dazu erschien: «Die Ökonomie<br />

der Hexerei oder Warum es in Afrika<br />

keine Wolkenkratzer gibt», Peter Hammer<br />

Verlag, 2004.<br />

Signer ist mit einer Senegalesin verheiratet<br />

und wohnt in Zürich. Sein neuestes Buch,<br />

der Roman «Die nackten Inseln» (Salis Verlag,<br />

20<strong>10</strong>), spielt unter anderem in Nigeria,<br />

Côte d’Ivoire, Haiti, Jamaika und auf den<br />

Kapverdischen Inseln.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


Eine Gruppe Jäger des Ju/’hoansi-Stammes unterwegs im Buschland Namibias.<br />

Die ersten Kinder<br />

Südafrikas<br />

Genetiker haben das Erbgut der Buschmänner entziffert. Es zeigt: Die Ureinwohner des südlichen Afrikas<br />

sind die älteste Abstammungslinie der Menschheit.<br />

Text: Stefanie Schramm<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Buschmänner <strong>Süden</strong> 11<br />

Als das Ergebnis der Studie bekannt gegeben wurde, tanzte !Gubi.<br />

Seine Frau und eine seiner Töchter sangen. Mit ihren Händen schlugen<br />

sie den Takt. Und !Gubi tanzte dazu. An seinen Fussgelenken<br />

klapperten Rasseln – mit Samen gefüllte Nachtfalterkokons, auf<br />

Schnüre gezogen –, während er die Gestalten und Tiere nachahmte,<br />

welche die Frauen besangen.<br />

Der alte Mann ist es gewohnt, mit seiner Familie vor Fremden<br />

aufzutreten. Hin und wieder reist er zu Musikfestivals, aber das hier<br />

war etwas Besonderes. Gerade eben hatten die Forscher erklärt,<br />

was sie bei ihrer jüngsten Untersuchung herausgefunden hatten:<br />

!Gubis Volk ist der älteste Zweig im Stammbaum der Menschheit.<br />

«Ich bin sehr glücklich», sagt er, der schon an die 80 Jahre erlebt<br />

hat. «Es ist einer der stolzesten Tage meines Lebens.»<br />

Sein Volk, das sind die Buschmänner des südlichen Afrikas, auch<br />

San genannt. Sie leben, ursprünglich als Jäger und Sammler, in Botsuana,<br />

Namibia und Südafrika. Sie wissen, wie man in der Wüste,<br />

der Kalahari, überlebt. Sie lesen die Spuren ihrer Beutetiere – Antilopen,<br />

Springhasen, Steinböcke – mit grösster Genauigkeit. Und sie<br />

sprechen eine der kompliziertesten Sprachen der Welt, mit Klick- und<br />

Schnalzlauten, die wir nur mit Sonderzeichen schreiben können.<br />

!Gubi und seine Familie sowie drei weitere Buschmänner aus<br />

Namib ia waren im Februar in die Landeshauptstadt Windhoek gereist,<br />

um zu hören, was die Wissenschaftler in ihrem Blut gelesen<br />

hatten. Eine Forschergruppe um Stephan Schuster von der Pennsylvania<br />

State University in den USA und Vanessa Hayes von der<br />

University of New South Wales in Australien hatte ihr Erbgut untersucht.<br />

Ihre Ergebnisse veröffentlichte das Fachmagazin «Nature»,<br />

was ein Erfolg in der Wissenschaftswelt ist. Doch die Gendaten<br />

könnten noch etwas weit Wichtigeres leisten: Sie könnten dem bedrohten<br />

Volk der San zu mehr Anerkennung verhelfen.<br />

Genetische Abspaltung der Buschmänner<br />

Fotos: Stephan C. Schuster<br />

«Wir wollten so nah wie möglich an den Ursprung des Menschen<br />

herankommen», sagt Schuster. Das ist den Forschern gelungen. «Wir<br />

wussten schon aus früheren Stichproben, dass wahrscheinlich eine<br />

ganz entscheidende Trennung zwischen den Buschmännern und allen<br />

anderen Menschen verläuft», erzählt der Genetiker. «Das hat sich<br />

jetzt bestätigt.» !Gubi ist der erste Buschmann, dessen Genom vollständig<br />

entziffert wurde. Zuvor war überhaupt nur von neun Menschen<br />

weltweit das komplette Erbgut sequenziert und veröffentlicht<br />

worden, darunter das des Nobelpreisträgers James Watson und des<br />

bekannten Biochemikers Craig Venter.<br />

Im Genom von !Gubi fanden die Wissenschaftler mehr als eine<br />

Million kleinster Abwandlungen, die noch bei keinem anderen Menschen<br />

festgestellt worden waren. Die San sind aber keineswegs<br />

Relikte aus der Vorzeit, sie sind moderne Menschen wie alle Afrikaner,<br />

Asiaten und Europäer. Die Varianten in ihrem Erbgut tauchten<br />

erst auf – das zeigen die Tests der Forscher –, nachdem ihre Abstammungslinie<br />

im Stammbaum des Menschen abgezweigt war. Das<br />

geschah wahrscheinlich vor etwa 35 000 Jahren, hat die Populationsgenetikerin<br />

Sarah Tishkoff herausgefunden.<br />

Dass sich diese Unterschiede so gut erhalten konnten, liegt daran,<br />

dass die Buschmänner sich kaum vermischt haben. Lange hielten<br />

die Kalahari-Wüste im Osten, die Etosha-Wüste im Norden und<br />

der Atlantik im Westen Fremde ab. Als dann zunächst Bantu-Stämme<br />

einwanderten und später Weisse ins Land drangen, diskriminierten<br />

beide Gruppen die San gleichermassen. «Einige Buschleute<br />

haben am Anfang geglaubt, wir wollten zeigen, dass sie Affen sind»,<br />

Das Genom des Buschmannes !Gubi wurde vollständig entziffert.<br />

Er war damit weltweit erst der zehnte Mensch, dessen Erbgut<br />

voll ständig sequenziert wurde.<br />

erzählt Schuster. Stattdessen entdeckten die Forscher, dass von<br />

den Abwandlungen in !Gubis Erbgut nur sechs Prozent mit den entsprechenden<br />

Stellen im Genom des Schimpansen übereinstimmen.<br />

Bei Craig Venter sind es 87 Prozent dieser Positionen.<br />

Und die Untersuchung zeigte noch etwas: Die San sind auch untereinander<br />

sehr unterschiedlich. Das fanden die Wissenschaftler<br />

heraus, indem sie das Erbgut von drei anderen Buschmännern in<br />

Ausschnitten entzifferten. «Zwei Buschmänner unterscheiden sich<br />

mehr als ein Europäer und ein Asiate», sagt Schuster. «Das hilft uns<br />

zu verstehen, wie gross die genetische Diversität des Menschen wirklich<br />

ist.» Doch die Gendaten bringen nicht nur die Wissenschaft voran.<br />

Sie lenken auch die Aufmerksamkeit der Welt auf die San. «45 000<br />

Internetseiten zitieren schon unsere Studie», erzählt Schuster. Vielleicht,<br />

so hofft der Forscher, helfe das, den Blick auf das kleine Volk<br />

zu verändern. Bis heute werden die Buschmänner herabgewürdigt,<br />

verdrängt aus ihren Jagdgründen, umgesiedelt in Reservate. Vor 2000<br />

Jahren streiften noch bis zu 400 000 San durch das südliche Afrika,<br />

heute leben dort nur noch <strong>10</strong>0 000 Buschleute. An seine erste Begegnung<br />

mit !Gubi kann sich Stephan Schuster noch gut erinnern.<br />

«Das war nicht ganz einfach, natürlich waren wir uns sehr fremd.»<br />

Gefunden hatten die Wissenschaftler den Stammesältesten auf einer<br />

«Reise ins Blaue», wie Schuster sagt. Vor zwei Jahren war er mit seiner<br />

Kollegin Vanessa Hayes einfach losgefahren, quer durch Namibia,<br />

und hatte mit Leuten geredet, mit Pastoren, Priestern, Farmern. «Die<br />

kennen die San-Gemeinschaften vor Ort gut.»<br />

Nur noch wenige Sammler und Jäger<br />

Fünfmal reisten die Forscher ins Land der Buschmänner. Sie begegneten<br />

San, die in bitterer Armut auf den Müllhalden der Städte<br />

hausten; Buschleuten, die dabei waren, sesshafte Farmer zu werden;<br />

und einigen wenigen Ureinwohnern, die in Naturschutzgebieten ><br />

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Genetische Ahnenforschung beim Stamm der Ju/’hoansi: Co-Leiterin der Feldstudie Vanessa Hayes von der University of South Wales<br />

in Australien beim Einsammeln der Proben.<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Buschmänner <strong>Süden</strong> 13<br />

noch immer als Jäger und Sammler lebten. «Wir haben Buschmänner<br />

gesucht, die möglichst lange die ursprüngliche Lebensweise verfolgt<br />

haben», sagt Schuster.<br />

Traditionell jagen die San mit Pfeil und Bogen, die Pfeile präparieren<br />

sie mit dem Gift von Pflanzen wie der Wolfsmilch und der<br />

Buschmannrose oder mit den giftigen Säften aus Blattkäferlarven.<br />

Für die Jagd auf Springhasen bauen sie lange Angeln aus Gerten<br />

des Rosinenstrauchs, die sie mit dem Harz aus Lilienknollen zusammenfügen<br />

und an der Spitze mit einem Metallhaken versehen. Mit<br />

diesen Gerätschaften stochern sie in den verzweigten Bauen der<br />

Tiere, bis sie eines erwischen. Die Frauen sammeln «Veldkost»:<br />

Früchte, Wurzeln, Knollen, Raupen, Käfer, Würmer. Die Arbeit ist<br />

klar verteilt, aber Frauen und Männer sind gleichberechtigt.<br />

!Gubi und seine Familie haben wie viele andere ihre Jagdgründe<br />

verloren, jetzt leben sie auf der Farm eines Weissen. Über diesen<br />

haben Schuster und Hayes den Stammesältesten kennengelernt. «Wir<br />

haben alte Menschen gesucht, weil sie zu einer Zeit geboren wurden,<br />

als es noch wenige Kontakte zu Europäern gab», sagt der Genetiker.<br />

Nach den Vorstellungsformalitäten begannen die Forscher zu erklären,<br />

was sie vorhatten. «Die Buschleute haben ein hervorragendes<br />

Verständnis der menschlichen Vererbung, sie wissen auch genau, wer<br />

ihre Vorfahren sind, besser als wir», sagt Schuster.<br />

Friedensnobelpreisträgers hatten die Forscher ebenfalls vollständig entziffert,<br />

zum Vergleich; Tutu gehört zur ethnischen Gruppe der Bantu,<br />

wie die meisten Menschen im <strong>Süden</strong> Afrikas.<br />

Erzbischof Tutu mit San-Erbgut<br />

Auch !Gubi und die drei anderen Buschmänner hatten eine lange<br />

Reise hinter sich, am längsten war sie für G/aq’o. Er brauchte eineinhalb<br />

Tage, um aus dem äussersten Norden der Kalahari in die<br />

Hauptstadt zu gelangen, zum ersten Mal in seinem Leben war er in<br />

ein Auto gestiegen. Dann sassen sie im Publikum und hörten, wie<br />

der Premierminister sagte, er erkenne die herausragende Rolle der<br />

San in Namibia an. Und sie hörten, wie Tutu eine Geschichte erzählte.<br />

Nach dem Ende der Apartheid habe er versucht, einen südafrikanischen<br />

Pass zu bekommen. Den habe man ihm verwehrt, mit<br />

dem Argument, seine Herkunft sei nicht zu bestimmen. Heute, sagte<br />

der Friedensnobelpreisträger, halte er das für eine noch grössere<br />

Unverschämtheit als damals.<br />

Denn im Erbgut des Erzbischofs sahen die Forscher auch seine<br />

Abstammung: Einer seiner Vorfahren war eine San-Frau. Das war<br />

eine Überraschung für die Wissenschaftler und für den Kirchenmann.<br />

«Ich bin ein wahres Kind Südafrikas», sagte Tutu. «Darüber bin ich<br />

mehr als glücklich.» <<br />

Tagelange Gespräche geführt<br />

Fotos: Stephan C. Schuster<br />

Wie die San die Spuren im Sand, so könnten sie im Blut lesen, erklärten<br />

die Wissenschaftler. Und sie könnten daraus Erstaunliches<br />

schliessen: «Wir haben gesagt, dass wir zum Beispiel sehen können,<br />

dass der Klippschliefer, so ein kleines, pelziges Tier, der nächste<br />

Verwandte des Elefanten ist», erzählt Schuster. «Und dass wir auch<br />

sehen können, warum der eine so klein ist und der andere so gross.»<br />

Tagelang redeten die Forscher mit den Buschmännern, so ist es üblich<br />

bei den San. Wichtige Fragen und Probleme werden lange in<br />

der ganzen Gruppe diskutiert, weil jeder für das Überleben der Gemeinschaft<br />

wichtig ist.<br />

Schliesslich stimmte !Gubi zu. «Wir wollen, dass die Menschen<br />

wissen, wer wir sind», sagte er. «Wir glauben, dass wir die Ältesten<br />

sind. Wir waren da, bevor alle anderen kamen.» Und er erklärte sich<br />

persönlich bereit, sich Blut abnehmen zu lassen. Eine Spritze hatte<br />

er noch nie gesehen. Die Wissenschaftler nahmen das Blut mit in<br />

ihre Heimat und versprachen zurückzukommen, wenn sie die Vergangenheit<br />

enträtselt hätten. Die Zukunft der San ist weit unklarer.<br />

Nur wenige Buschleute können wirklich noch vom Jagen und Sammeln<br />

leben. Die meisten sind auf die staatliche Rente angewiesen,<br />

viele geben einen grossen Teil davon für Alkohol aus. Die Sucht und<br />

Krankheiten wie Aids, Tuberkulose und Malaria kommen mit der Sesshaftigkeit.<br />

Einige Hilfsorganisationen versuchen, einen Ausweg zu<br />

finden. Sie bringen den San Lesen und Schreiben bei, Säen und<br />

Viehhüten, Ernten und Vorratshaltung, Müllentsorgung – alles, was<br />

für ein sesshaftes Leben nötig ist und in der Kultur der Buschmänner<br />

nicht vorkommt. Und sie versuchen, den Tourismus für die San zu<br />

nutzen, bilden Buschleute als Touristenführer aus, lassen sie Souvenirs<br />

fertigen und den Besuchern ihre Kultur vorführen, die Tänze, die<br />

Musik, die Jagd. Vielleicht lässt sich so die Tradition bewahren, vielleicht<br />

wird sie so zu Kitsch. Der Grat ist schmal. Und vielleicht wird<br />

den San ein wenig helfen, was die Wissenschaftler zu berichten hatten,<br />

als sie zurückkamen. Sie kamen nicht allein in den Konferenzsaal<br />

in Windhoek, auch der Premierminister Namibias, Nahas Angula, war<br />

dort und Erzbischof Desmond Tutu aus Südafrika. Das Genom des<br />

1<br />

3<br />

1 !Gubi begrüsst mit einem Stammesritual die Teilnehmer der<br />

Southern African Genome Project Conference, die am 18. Februar<br />

20<strong>10</strong> in Namibia stattfand. 2 Ebenfalls auf der Bühne ist Tochter<br />

Maria. 3 Namibias Premierminister Nahas Angula eröffnet mit<br />

einer Rede den Kongress. 4 Das entzifferte Genom von Erzbischof<br />

Desmond Tutu weist eine direkte San-Abstammung nach.<br />

2<br />

4<br />

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«Unsere Musik soll eine Atmosphäre<br />

schaffen, in der Frieden sich breit<br />

machen kann»<br />

Die Musik half Hunderttausenden von Südafrikanerinnen und Südafrikanern, den scheinbar endlosen, kräftezehrenden<br />

Kampf gegen die Apartheid durchzustehen. Die Musik von Ladysmith Black Mambazo, die Musik<br />

von Miriam Makeba und Abdullah Ibrahim und auch die Musik des Schweizer Harfenisten Andreas Vollenweider.<br />

Er erzählte uns von der Wirkung seiner Musik in Südafrika. Erzählte eine Geschichte ohne Anfang.<br />

Text: Andreas Schiendorfer<br />

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Andreas Vollenweider unter www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin.<br />

Fotos: Steven Haberland | www.cover-paradies.to<br />

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Vollenweider <strong>Süden</strong> 15<br />

«Das Wesentliche funktioniert in Afrika über die Musik, über den<br />

Tanz, die gelebte Kultur», erklärt Andreas Vollenweider. «Beim<br />

Kampf gegen die Apartheid war das nicht anders. Man suchte und<br />

fand Kraft und Ermutigung in der Musik. Angesichts der schwer<br />

bewaffneten Sicherheitskräfte stampften Tausende der Demonstranten<br />

in den Townships im gemeinsamen Rhythmus, bis der Boden<br />

zitterte. Oder sie schlugen sich auf die Brust, bis ihre übermächtigen<br />

Gegner Angst bekamen.»<br />

Wenn die schwarzen Südafrikaner auf ihren Freiheitsmärschen<br />

von einer Township zur anderen marschierten, sangen sie unentwegt<br />

Lieder. Und eines immer wieder: «Pearls and Tears» von Andreas<br />

Vollenweider. Die Südafrikaner versahen es sogar mit einem Text,<br />

da es sich vorzüglich für einen Vorsänger mit Chor eignete. Damals,<br />

beim Komponieren dieses Songs, habe er an seine in Südafrika<br />

lebende Schwester gedacht, an die bedrohliche Stimmung in ihrer<br />

neuen Heimat, blickt der Schweizer Musiker zurück. Im Fluss des<br />

kreativen Prozesses reflektierte er darüber, wie die schwarze Bevölkerung,<br />

wollte sie sich jemals ohne schlimmstes Blutvergiessen<br />

befreien, die Fähigkeit des Verzeihens in aussergewöhnlichem<br />

Masse entwickeln müsste. Diese Kraft erschien ihm als Voraussetzung<br />

auf dem Weg, das erlittene Leid verarbeiten zu können.<br />

«Ich hatte all diese Gedanken nie jemandem mitgeteilt, und die<br />

Musik ist ja instrumental, also ohne Text», sinniert Vollenweider.<br />

«In meinem Leben habe ich schon sehr oft erlebt, wie gedankliche<br />

Inhalte sich über die Musik durchaus konkret nonverbal kommunizieren<br />

lassen. Doch als ausgerechnet dieser Song zur bevorzugten<br />

Demonstrationshymne wurde, durch die sich die Menschen aufgefordert<br />

fühlten, den Weg des sich immer deutlicher abzeichnenden<br />

Wandels gewaltfrei zu gehen, war dies für mich schon eines der bewegendsten<br />

Beispiele für die Kraft von Musik.»<br />

«Pearls and Tears» erschien 1988. Damals begann die Endphase<br />

der Apartheid. Frederik Willem de Klerk wurde bald darauf südafrikanischer<br />

Staatspräsident, Nelson Mandela und die übrigen politischen<br />

Gefangenen durften endlich das Gefängnis verlassen, 1992<br />

sprachen sich 68,7 Prozent der Weissen für die Abschaffung der<br />

Rassentrennung aus …<br />

Durchgang zum gegenseitigen Versprechen<br />

«Das Lied ‹Passage to Promise› mit Ladysmith Black Mambazo entstand<br />

1991, also ebenfalls in dieser Phase», erzählt Andreas Vollenweider.<br />

«Ich schickte die Kassette mit der Melodie nach Südafrika,<br />

damit Joseph Shabalala, der Leiter der Chorgruppe, den Text und<br />

das Stimmenarrangement für die geplanten Aufnahmen vorbereiten<br />

konnte. Auf einen Zettel notierte ich meine Gedanken: Wiederum<br />

geht es ums Verzeihen, um das gegenseitige Versprechen, dem<br />

Frieden in klar sichtbaren Formen bedingungslos zu dienen. – Im<br />

letzten Moment verzichtete ich jedoch darauf, den Zettel beizulegen.<br />

Im Studio wurde der Song nur ein einziges Mal gespielt. Wir waren<br />

alle sehr berührt. Als ich Joseph nach dem genaueren Sinn seiner<br />

Worte in der Zulu-Sprache fragte, sprach er fast wörtlich aus, was<br />

ich auf meinen Zettel geschrieben hatte.»<br />

Nach dem Massaker in der Township Sharpeville im Jahr 1960<br />

waren mit Miriam Makeba (1932 –2008) und Dollar Brand die gewichtigsten<br />

Einzelstimmen des schwarzen Südafrika den Weg ins<br />

europäische Exil gegangen. Dort machten Mama Africa, die ihre<br />

grössten Hits wie «Pata, Pata» in Xhosa sang, sowie der zum Islam<br />

konvertierte Dollar Brand, der sich fortan Abdullah Ibrahim nannte,<br />

auf die Apartheid, aber auch auf die kulturelle Vielfalt Südafrikas<br />

aufmerksam. Abdullah Ibrahims Song «Mannenberg» wurde in den<br />

1970er-Jahren zur inoffiziellen Nationalhymne Südafrikas. Demgegenüber<br />

blieben Ladysmith Black Mambazo – ihr Name bedeutet<br />

«der schwarze Ochse mit der Axt aus der Township Ladysmith» –<br />

stets in Südafrika. Der breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden sie<br />

erst 1986 – durch eine in der Szene nicht unumstrittene Aktion.<br />

Nachdem einige westliche Künstler in südafrikanischen Tourismusstädten<br />

aufgetreten waren, gaben Stars wie Bruce Springsteen und<br />

Bob Dylan den Song «Sun City» («I Ain’t Gonna Play») heraus und<br />

riefen der Weltöffentlichkeit die Apartheid und den Kulturboykott in<br />

Erinnerung.<br />

Trotzdem nahm Paul Simon wenig später in Johannesburg sein<br />

legendäres Album «Graceland» auf. Einige warfen ihm – etwas kurzsichtig<br />

– die Missachtung des Boykotts vor, weil er die Apartheid auf<br />

dem Album nicht direkt kritisierte. Anderseits machte Simon den in<br />

Soweto geprägten Musikstil Mbaqanga weltweit bekannt und bot<br />

schwarzen Künstlern eine Plattform – neben Miriam Makeba auch<br />

dem Senegalesen Youssou N’Dour und vor allem Ladysmith Black<br />

Mambazo.<br />

Eine südafrikanische Geschichte ohne Anfang<br />

«An unserem Konzert in Bloemfontein sangen 40 000 Besucher<br />

unsere Songs voller Inbrunst mit, so als handle es sich um ihre eigenen<br />

Volkslieder. Das ist ein unbeschreibliches, ein unvergessliches<br />

Erlebnis», blickt Andreas Vollenweider zurück. Zurück ins Jahr 2004.<br />

«Wegen des Kulturboykotts war es für uns undenkbar, in Südafrika<br />

aufzutreten. Deshalb ist meine südafrikanische Geschichte eigentlich<br />

eine Geschichte ohne Anfang. Sie beginnt mittendrin, und das<br />

Wissen darum verdanke ich dem puren Zufall.»<br />

Zu Beginn der 1980er-Jahre hatte der Zürcher Journalist Thomas<br />

Küng Südafrika bereist, um eine Reportage über die Townships zu<br />

schreiben. Zu seiner Überraschung hörte er fast in jedem Haushalt<br />

die Musik von Andreas Vollenweider, die von dessen Album «Behind<br />

the Gardens» stammen musste. Niemand wollte ihm glauben, dass<br />

diese Musik von einem Weissen, von einem Schweizer stamme.<br />

Darauf angesprochen, bestätigte Vollenweiders Schwester, dass<br />

die Südafrikaner seine Musik selbstverständlich kennen würden, die<br />

Weissen! Seine Musik sprach also in diesem Krisenherd beide<br />

Seiten an. «Das entscheidende Schlüsselwort dazu lautet ‹Frieden›»,<br />

kommentiert Vollenweider. «Ich betrachte es nicht als persönliches<br />

Verdienst meinerseits, aber ich darf eine Art Botschafter sein,<br />

um mit Musik eine Atmosphäre zu schaffen, in der Frieden sich breit<br />

machen kann.» Und damit wiederum deutet er an, dass seine «südafrikanische»<br />

Musik letztlich gar keine solche ist, sondern nun über<br />

dreissig Jahre lang gezeigt hat, dass sie weltweit eine ähnliche Wirkung<br />

zu erzielen vermag, bei Gemeinschaften, aber auch bei Individuen,<br />

die sich in einer schweren Krisenphase befinden, beispielsweise<br />

auch hinsichtlich ihrer geistigen oder körperlichen Gesundheit.<br />

Aber der <strong>Süden</strong> hat es Andreas Vollenweider durchaus angetan.<br />

Er geniesst die Begegnungen mit der südafrikanischen Bevölkerung<br />

auf den Tourneen, geniesst die Auftritte mit seinem Freund<br />

Abdullah Ibrahim, geniesst die buchstäblich farbigen Konzerte mit<br />

dem Multiinstrumentalisten Pops Mohammed. Andreas Vollenweider:<br />

«Bei einem Workshop mit Studenten in Soweto spielte Pops Mohammed<br />

mit seinem ‹mouth bow›, einem klingenden Pfeilbogen. Und er<br />

erzählte uns die Geschichte der San, die durch die Musik mit dem<br />

‹mouth bow› die Bienen ablenken und beruhigen, damit sie von ihrem<br />

Honig holen können. Gerade so viel, wie sie benötigen.» <<br />

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Er bringt einen vorzeitigen Frühling, entfacht<br />

Brände und tosende Stürme und wird als<br />

Sündenbock für wetterbedingte Beschwerden<br />

verantwortlich gemacht. In Mitteleuropa<br />

nimmt der Südwind eine derart besondere<br />

Stellung ein, dass er sogar einen eigenen<br />

Namen erhalten hat:<br />

Der Föhn<br />

Text: Andreas Walker<br />

1<br />

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Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong><br />

Foto: Andreas Walker


18 <strong>Süden</strong> Südwind<br />

Es gibt wohl kaum eine meteorologische Erscheinung, die so bekannt,<br />

geschätzt oder gefürchtet ist wie der Föhn. Jener seltsame warme<br />

Wind Mitteleuropas, der scheinbar aus dem Nichts auftaucht und im<br />

Winterhalbjahr innert Kürze die Temperaturen in die Höhe schnellen<br />

lässt. Die Wärme und die trockene Luft mögen angenehm sein, die<br />

starken Stürme, die plötzlich anschwellen, können für den Menschen<br />

zu einer beträchtlichen Gefahr werden. Beim «Jahrhundertföhn» vom<br />

7. bis 9. November 1982 wurden grossräumig sehr hohe Windgeschwindigkeiten<br />

gemessen: in Zürich <strong>10</strong>0 km/h, im Rhonetal 120 km/h, im<br />

Reusstal 160 km/h und auf dem Gotthard (2<strong>10</strong>0 m ü.M.) 185 km/h.<br />

Die Schäden beliefen sich auf 30 Millionen Franken.<br />

Der «Guggiföhn» vom Lauberhorn<br />

Immer wieder macht bei der Lauberhorn-Ski-Weltcup-Abfahrt auch<br />

der «Guggiföhn» von sich reden, wenn er plötzlich mit stürmischer<br />

Wucht hervorbricht und die Pläne der Organisatoren durcheinanderwirbelt.<br />

Der Guggiföhn ist ein lokales Phänomen. Er tritt vor allem bei<br />

starkem Südostwind auf, stürzt vom Jungfraujoch herunter, fegt in<br />

einem schmalen Kanal genau über das Gebiet Wixi-Lauberhorn<br />

hinweg und hebt dann über das Lauterbrunnental ab. Wenn der<br />

Wind in 3000 bis 4000 Metern Höhe aus südöstlichen Richtungen<br />

bläst, ist er jeweils besonders stark. Der Guggiföhn kann sehr stürmisch<br />

wehen und in Extremfällen Windgeschwindigkeiten von über<br />

200 km/h erreichen.<br />

Eine Luftströmung über die Alpen<br />

Als man um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Föhnforschung<br />

begann, kursierten verschiedene Theorien über die Entstehung dieses<br />

warmen Windes. Unter anderem wurde die Meinung vertreten,<br />

dass der Föhn seinen Ursprung in der Sahara habe, ein heisser Wind<br />

sei, der den glühenden Sandwüsten Afrikas entstammte. Schliesslich<br />

erkannte man den Zusammenhang zwischen den starken Niederschlägen<br />

auf der Alpensüdseite und dem warmen Wind auf der<br />

Alpennordseite, und damit wurde eindeutig klar: Der Föhn ist ein<br />

Produkt unserer Alpen.<br />

Überall, wo Luftmassen aus einer bestimmten Richtung strömen<br />

und auf Gebirgszüge treffen, können föhnartige Winde entstehen.<br />

Deshalb kommen föhnähnliche Winde auf der ganzen Welt unter<br />

verschiedenen Namen vor. Die grossräumigste Föhnerscheinung der<br />

Welt dürfte der Chinook auf der Ostseite der Rocky Mountains sein.<br />

In sehr kalten Wintern kann er in den Ebenen östlich der Rocky<br />

Wolkenbildung<br />

S<br />

Wolkenauflösung<br />

N<br />

3600 m<br />

3<strong>10</strong>0 m<br />

1300 m<br />

trockener Fallwind<br />

23 ºC<br />

18%<br />

relative Feuchte<br />

600 m<br />

<strong>10</strong>0 m<br />

20 ºC<br />

52%<br />

relative Feuchte<br />

Po-Ebene, Italien Alpen Alpenvorland<br />

Wenn sich die Schweiz auf der Vorderseite eines starken Tiefdruckwirbels<br />

befindet, entsteht über den Alpen eine starke Südströmung.<br />

Die Luftmassen, die von <strong>Süden</strong> nach Norden fliessen, müssen die<br />

Alpen überqueren. Bei diesem Aufstieg kühlt sich die Luft zuerst<br />

im Durchschnitt um etwa ein Grad pro <strong>10</strong>0 Meter Höhendifferenz ab.<br />

Mit zunehmender Abkühlung kann die Luft jedoch immer weniger<br />

Wasser aufnehmen. Deshalb beginnt das überschüssige Wasser in<br />

Form von Wolkentröpfchen zu konden sieren. Bei der Abkühlung der<br />

Luft wird jedoch nicht nur Wasser freigesetzt, sondern auch<br />

gespeicherte Sonnenenergie. Die Energie, die nötig war, um dieses<br />

Wasser zu verdunsten, wird wieder als Kondensationswärme an die<br />

Luft abgegeben. Deshalb kühlen sich die aufsteigenden Luftmassen<br />

vom Moment der Kondensation an nur noch ein halbes Grad pro<br />

<strong>10</strong>0 Meter ab (und nicht wie bisher ein Grad). Sobald die Luft den<br />

Gebirgskamm überströmt hat, beginnt sie abzusinken. Dabei<br />

erwärmt sie sich wieder um ein Grad pro <strong>10</strong>0 Meter und könnte jetzt<br />

viel mehr Wasser aufnehmen, das aber als Regen auf der Südseite<br />

schon gefallen ist. Deshalb lösen sich die Wolken auf der anderen<br />

Seite des Gebirges auf und die Luft gelangt als warmer trockener Wind<br />

in die Niederungen.<br />

Illustration: www.wetter.com<br />

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Südwind <strong>Süden</strong> 19<br />

Mountains Temperaturschwankungen von 30 bis 40 Grad Celsius<br />

verursachen! So sorgte der Chinook bei den Olympischen Winterspielen<br />

1988 in Calgary (Kanada) über Nacht für einen Temperaturanstieg<br />

von –30 auf +12 Grad Celsius und für Windgeschwindigkeiten<br />

von bis zu 120 km/h, sodass zahlreiche Veranstaltungen abgesagt<br />

werden mussten.<br />

Der Föhn als Feuerteufel<br />

Der Föhn hat schon mehrmals Schweizer Geschichte geschrieben.<br />

So soll Wilhelm Tell während eines Föhnsturms auf dem Urnersee<br />

vom Schiff geflüchtet sein, wo er gefangen war, nachdem er sich<br />

geweigert hatte, den Hut des Landvogts Gessler zu grüssen.<br />

Im Lauf der Zeit hat der Föhn auch etliche Dörfer und Städte in<br />

Schutt und Asche gelegt. In dieser Hinsicht erlangte Glarus eine<br />

traurige Berühmtheit, das mehrmals von solchen Bränden heimgesucht<br />

wurde. Der grösste Brand in jener Gegend wütete in der Nacht<br />

vom <strong>10</strong>. auf den 11. Mai 1861. Ein starker Föhnsturm entfachte aus<br />

einer Glut ein Feuer, das sich innert kürzester Zeit auf das ganze<br />

Städtchen Glarus ausbreitete. Stundenlang klangen die Feuerglocken<br />

durch die Dörfer, und der glutrote Widerschein an den Wänden<br />

des Glärnisch verkündete die Brandkatastrophe in weitem Umkreis.<br />

600 Häuser wurden bei diesem verheerenden Brand innert weniger<br />

Stunden in Schutt und Asche gelegt, und 3000 Menschen verloren<br />

ihr gesamtes Hab und Gut. Das Feuer forderte fünf Todesopfer. Auch<br />

heute noch besteht bei starkem Föhn Brandgefahr. Der Föhnsturm<br />

vom 6. und 7. Februar 2001 sorgte für einen Grossbrand in Balzers<br />

(Fürstentum Liechtenstein), wo innert Stunden 16 Häuser zerstört<br />

wurden. Zu dieser Zeit blies der Föhn im Rheintal mit etwa <strong>10</strong>0 km/h<br />

und wehte die Glut über 300 Meter weit fort. Dadurch wurden laufend<br />

Sträucher und Hecken entzündet und immer wieder neue Brandherde<br />

geschaffen.<br />

der Niederungen äussert sich dieses Phänomen in kleinen, aber<br />

häufigen Luftdruckschwankungen, die vor allem den wetterfühligen<br />

Menschen zu schaffen machen.<br />

Messungen haben gezeigt, dass Druckschwankungen mit einer<br />

Dauer von 4 bis 20 Minuten am meisten Beschwerden auslösen.<br />

Man nimmt an, dass diese Frequenz offenbar gewisse Regelkreise<br />

im Körper stört, die vermutlich in ähnlichen zeitlichen Abständen<br />

«schwingen». Greift der Föhn schliesslich voll durch bis zum Boden,<br />

lassen häufig auch die Beschwerden nach.<br />

Zu den wichtigsten Symptomen, die der Föhn bei vielen Menschen<br />

auslöst, gehören Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Übelkeit, Unlustempfinden,<br />

Angstgefühle, Depressionen, unruhiger Schlaf, Arbeitsunlust,<br />

verminderte Leistungsfähigkeit, Gereiztheit, innere Unruhe,<br />

Verschlimmerung von bereits bestehenden Krankheitszeichen, wie<br />

zum Beispiel rheumatische Schmerzen und Narbenschmerzen, sowie<br />

Herz-Kreislauf-Störungen. Umfragen haben gezeigt, dass Frauen den<br />

Föhn noch besser zu spüren glauben als Männer. Ob warmer Südwind,<br />

wilder Sturm oder Überbringer von wetterfühligen Beschwerden<br />

– der Föhn bleibt weiterhin ein geheimnisvolles Phänomen. Auch<br />

wenn er bis heute ziemlich gut erforscht worden ist, hat er nichts von<br />

seiner Faszination eingebüsst. <<br />

Am Boden Bise, in der Höhe Föhn<br />

Je genauer man den Föhn erfassen will, desto komplexer erscheint<br />

dieses Phänomen. Einerseits kann es im oberen Teil eines Tals föhnig<br />

sein, während der Föhn noch nicht bis zu den unteren Talregionen<br />

vorgedrungen ist. Zusätzlich kann auf dem Talgrund ein Kaltluftsee<br />

vorhanden sein, worüber der warme Föhn gleitet. In einer solchen<br />

Situation kann auf dem Talgrund ein leichter und kalter Nordwind<br />

blasen, während in höheren Regionen am Hang ein stürmischer und<br />

warmer Südwind weht. Die warme Föhnströmung gleitet dabei auf<br />

die schwere Kaltluft auf. Diese Kaltluft hat ein höheres spezifisches<br />

Gewicht als der warme Föhn und bleibt deshalb regelrecht auf dem<br />

Talgrund hocken. Mit fortschreitender Zeit räumt der Föhn diese<br />

Kaltluft aus und greift an einigen Orten schliesslich bis zum Boden<br />

durch. Die unterschiedlichen Luftmassen in verschiedenen Höhen<br />

beeinträchtigen das menschliche Wohlbefinden und belasten in Form<br />

von Wetterfühligkeit.<br />

Rasche Luftdruckschwankungen sorgen für Kopfweh<br />

So ist der Föhn eindeutiger Sündenbock, wenn es um wetterbedingte<br />

Beschwerden geht. Allerdings werden gerade in den typischen Föhntälern<br />

weniger Beschwerden der Wetterfühligkeit registriert als in<br />

Gebieten, wo der Föhn kaum richtig bis zum Boden vordringt. Ursache<br />

dafür ist der Kaltluftsee auf dem Talgrund, worüber der warme<br />

Föhn gleitet. Dieser Kältesee ist im Winter häufig als Nebelmeer<br />

sichtbar, und der Föhn erzeugt in diesem Nebelmeer Wellen, ähnlich<br />

wie Wind, der in einem Wassersee Wellen erzeugt. Für die Bewohner<br />

Fernsicht und Föhn<br />

Wenn die Berge zum Greifen nah erscheinen und<br />

eine kristallklare Fernsicht herrscht, dann führt fast<br />

immer der Föhn Regie. Deshalb werden Föhn und<br />

klare Sicht meistens selbstverständlich miteinander<br />

verknüpft. Untersuchungen, die den Zusammenhang<br />

zwischen Föhnlagen und guter Fernsicht erforschten,<br />

zeigten jedoch Folgendes: Der Föhn ist nicht – wie<br />

viele Leute glauben – zwangsläufig mit einer legendären<br />

Fernsicht verbunden. Solange es im <strong>Süden</strong> nicht<br />

regnet, besteht durchaus die Möglichkeit, dass im<br />

Norden die Sicht immer noch trüb bleibt. Die Niederschläge<br />

auf der Alpensüdseite sorgen nämlich dafür,<br />

dass der in der Luft enthaltene Staub mit dem Regen<br />

ausgewaschen wird. Regnet es jedoch nicht auf der<br />

Luvseite des Gebirges, wird auch der Staub über<br />

die Alpen transportiert und die Föhnluft ist somit viel<br />

trüber.<br />

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Neue Heimat<br />

1857 zogen 300 wagemutige Auswanderer aus dem Tirol und Süddeutschland aus, um im fernen Südamerika<br />

«die einzige österreichisch-deutsche Kolonie der Welt» zu gründen, wie auf dem Torbogen am Dorfeingang von<br />

Pozuzo zu lesen ist. Eine Reportage aus einem «Tiroler » Dorf hoch in den Anden Perus. ><br />

Text: Lukas Lessing<br />

Fotos: Luca Zanetti<br />

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Neue Heimat <strong>Süden</strong> 21<br />

Der tief verwurzelte Glaube der Tiroler Siedler<br />

verband sich gut mit dem Katholizismus der missionierten<br />

indigenen Andenbewohner.<br />

Wie überall im Land paradieren<br />

Schüler am peruanischen Unabhängigkeitstag,<br />

dem 28. Juli, über die<br />

Strassen. Nachfahren der Österreicher<br />

sowie aus den Anden zugewanderte<br />

«Altoandinos» lernen gemeinsam<br />

Spanisch, Deutsch und Volkstanz.<br />

Das Dorf Pozuzo ist mit seinen rund 1500 Einwohnern das Zentrum<br />

der 1400 Quadratkilometer grossen Provinz.<br />

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22 <strong>Süden</strong> Neue Heimat<br />

Zu den Klängen der Ziehharmonika und des Stehgeigers drehen<br />

sich die Paare artig im Kreis, die Burschen in farbigen Westen, die<br />

Mädchen mit bunten Schleifen in den Zöpfen. Im Vorbeitanzen wechseln<br />

sie in rhythmischer Folge hüpfend ihre Partner, bis jede Krachlederne<br />

mit jedem Dirndl getanzt hat. Am Buffet gleich neben dem<br />

Tanzboden gibt es Gulasch und Strudel, dazu Süssmost und Bier,<br />

wie das so üblich ist bei einem alpinen Volksfest. Darum weht hier<br />

auch die österreichische Flagge, doch was ist das? – Einmal flattert<br />

das rot-weiss-rote Tuch ordnungsgemäss waagrecht im Wind, daneben<br />

jedoch in senkrechter Ausrichtung: Ein bedauernswerter<br />

I rrtum der Veranstalter? Seltsam auch, dass die meisten der Tänzerinnen<br />

und Tänzer satte schwarze Haare und einen so dunklen Teint<br />

haben, als hätten sie sich ihr Leben lang unter der prallen Sonne<br />

zu solchen Ländlern im Kreis gedreht. Auch ist die Vegetation<br />

gleich hinter der Strasse, auf der das Volksfest stattfindet, strotzend<br />

prächtig, und in den angrenzenden Gärten biegen sich die<br />

Hecken unter der Last der Orchideen und der blühenden Bananenbäume.<br />

Soll das das echte Tirol sein?<br />

Mitnichten – es ist das noch viel echtere Tirol: Hier verstellen<br />

keine Hotelkästen und Skistationen den Blick auf die Landschaft,<br />

hier zerschneiden keine Autobahnen und Hochspannungsmasten<br />

das Tal. Hier wohnen die Menschen nicht in Kataloghäusern von<br />

Fertigbaufirmen, sondern in selbstgebauten Holzhäusern mit bunten<br />

Veranden. Hier ist nicht der Handymast, sondern der Kirchturm<br />

das höchste Bauwerk des Dorfes. Hier sind die hölzernen Stuben<br />

karg und die Herrgottswinkel reich mit Blumen geschmückt, hier<br />

arbeiten die Männer nicht im Fremdenverkehr, sondern in der Landwirtschaft,<br />

während sich die Frauen um die Hühner, den Gemüsegarten<br />

und den meist umfangreichen Haushalt kümmern, der in der<br />

Regel von vier bis acht Kindern bevölkert wird. In diesem Dorf hoch<br />

in den Anden Perus ist das Tirol noch das, was es in Europa vor 150<br />

Jahren war. Doch eigentlich verliessen die Gründer das alte Tirol<br />

genau aus dem Grund, weil sie nicht mehr so leben wollten: mit zu<br />

wenig Geld, zu wenig Land, zu viel Nachwuchs und ohne Perspektive<br />

für die Zukunft.<br />

Eineinhalb Jahrhunderte ist es nun her, dass Tiroler Aussiedler<br />

unter der Führung eines deutschen Forschers und eines Tiroler Priesters<br />

ihr heimatliches Oberinntal verliessen, sich in Antwerpen auf<br />

den Frachtsegler «Norton» einschifften und den Ozean überquerten,<br />

um im fernen Peru festzustellen, dass das ihnen zugesagte Land auf<br />

der anderen Seite der Anden lag, jenseits eines Gebirgszuges so<br />

hoch, wie sie ihn noch nie gesehen hatten in ihrer Alpenheimat.<br />

Doch auch als die unerschrockenen 180 Tiroler und 120 Süddeutsche,<br />

die sich ihnen zugesellt hatten, erfuhren, dass der Weg<br />

in ihr Tal entgegen allen Versprechungen noch nicht gebaut war,<br />

gaben sie nicht auf, sondern schlugen sich ihren eigenen Saumpfad<br />

durch das schier undurchdringliche Dickicht. Die wagemutigen<br />

Auswanderer benötigten auf diese Weise zwei Jahre, um zu ihrem<br />

Siedlungsgebiet am Río Huancabamba zu gelangen. Bis sie mit dem<br />

Roden des Urwalds beginnen konnten, um Platz für ihre Häuser,<br />

Weiden und Felder zu schaffen, war bereits die Hälfte von ihnen<br />

unter unvorstellbar harten Bedingungen gestorben. Zehn Jahre später<br />

verstärkten noch mal 300 Tiroler und 30 Bayern die Pioniere am<br />

Osthang der Anden, sodass der Torbogen am Dorfeingang seine<br />

Aufschrift zu Recht tragen konnte: «Willkommen in Pozuzo, der einzigen<br />

österreichisch-deutschen Kolonie der Welt.» Heute leben im<br />

1400 Quadratkilometer grossen Distrikt Pozuzo 8000 Menschen,<br />

von denen nur mehr 1200 bis 2000 österreichische oder deutsche<br />

Wurzeln haben – so genau weiss das niemand. Die im kleinsten Rahmen<br />

florierenden Gemeinden besitzen eine starke Anziehungskraft<br />

für «Altoandinos», wie die indigenen Andenbewohner genannt<br />

werden, in deren Geburtsdörfern die wirtschaftlichen Aussichten<br />

noch bescheidener sind als in Pozuzo. Der Austausch ist jedoch beschränkt<br />

– so bleibt die 90 Kilometer lange Schotterpiste in die<br />

nächste Kleinstadt Oxapampa während der Regenzeit oft für viele<br />

Wochen unpassierbar. Einige der Handvoll Dörfer und viele der<br />

verstreuten Einzelgehöfte sind immer noch nur zu Fuss erreichbar.<br />

Die Flugpiste wird lediglich einmal pro Woche mit einer viersitzigen<br />

Propellermaschine angeflogen, in der auch schon mal eine Kuh mitfliegt,<br />

falls sich nicht genug menschliche Passagiere finden. Die<br />

Menschen finanzieren ihr bescheidenes Leben meist mit der Landwirtschaft,<br />

sie bauen Mais, Bananen, Orangen, Kaffee und Tabak<br />

an und züchten Zebus, dem tropischen Klima angepasste Rinder.<br />

Viele Junge verlassen das Tal zur Ausbildung und arbeiten später<br />

in Lima oder irgendwo draussen in der Welt. Zurück bleibt die Hoffnung<br />

auf eine bessere Zukunft, die vor allem im lebendig gehaltenen<br />

Erbe der Tiroler Vorväter besteht: Inzwischen gilt Pozuzo in den<br />

finanzkräftigeren Kreisen Limas als Geheimtipp für einen kulturell<br />

interessanten Abenteuerurlaub, in denen die in Kleinbussen herangekarrten<br />

Touristen nicht nur seltsame Tänze und Riten sowie europäische<br />

Effizienz erleben, sondern auch echte Schnitzel, Knödel und<br />

Strudel verkosten können. Dass die meist nicht mit Äpfeln, sondern<br />

mit Bananen oder Mangos gefüllt sind, fällt keinem der Besucher<br />

des in seinen allerersten Anfängen steckenden Ferienparadieses<br />

unangenehm auf. Erst wenn diese Entwicklung so weitergeht, wird<br />

Pozuzo in ferner Zukunft vielleicht eine ähnliche Funktion bekommen<br />

wie das Tiroler Heimatland: eine wunderschöne Bergwelt, in der die<br />

Einheimischen zahlende Gäste bei ihren ehemals volkstümlichen<br />

Verrichtungen zusehen lassen – auch wenn über deren Köpfen<br />

die rot-weiss-roten Streifen der Fahnen nicht nur waagrecht, sondern<br />

auch senkrecht verlaufen, worin glücklicherweise der einzige<br />

Unterschied zwischen der österreichischen und der peruanischen<br />

Flagge besteht. <<br />

Trujillo<br />

Pucallpa<br />

Lima<br />

Iquitos<br />

Pozuzo<br />

Peru<br />

Kolumbien<br />

Cusco<br />

Brasilien<br />

Arequipa<br />

Bolivien<br />

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Die «Miss Turismo». Der Tourismus<br />

ist die grosse Zukunftshoffnung<br />

für die entlegene Andenregion<br />

Pozuzo.<br />

Der drei Monate alte Neubürger<br />

Pozuzos, Jonathan Witting Schuler, wird<br />

von verwandten Mädchen umsorgt.<br />

Die Alten besuchen die Sonntags messe in der Kirche Sagrado Corazón de Jesús.<br />

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In der Abgeschiedenheit der peruanischen Anden haben sich Brauchtum und Tradition viel stärker erhalten<br />

als in den mit Touristenhochburgen und Skiliften vollgestellten Tälern der Tiroler Alpen.<br />

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Neue Heimat <strong>Süden</strong> 25<br />

Ihren Gründungstag, den 25. Juli, feiern die Einwohner<br />

Pozuzos traditionell mit einem Rodeo.<br />

Viele der einzeln stehenden Gehöfte<br />

der Region sind auch heute nur<br />

zu Fuss oder mit dem Pferd erreichbar.<br />

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Frische Liebe: Pepe Gstir mit einer Touristin aus Lima.<br />

Daneben sein Freund Luis Koch Schaus.<br />

Der 39-jährige Avelino Witting Schuler hat drei Kinder. Sein Jüngster<br />

führt traditionell den zweiten Vornamen des Vaters, Witting.<br />

Der 21-jährige Pepe Gstir<br />

ist stolz auf seine neu<br />

gegründete Motorradwerkstatt.<br />

Comboni-Missionar Vater Hans Werner mit<br />

einem Porträt von Pozuzos erstem Pfarrer,<br />

dem Tiroler Priester Josef Egg.<br />

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Neue Heimat <strong>Süden</strong> 27<br />

Am Unabhängigkeitstag<br />

spielt auch in Pozuzo die Blasmusik.<br />

Ihr Repertoire umfasst<br />

nicht nur die peruanische Hymne,<br />

sondern auch Tiroler Ländler<br />

und Polkas.<br />

Bernardo Müller Hoffmann mit seiner Nichte Jesli<br />

Eliana González Müller. Der 83-jährige bewirtschaftet<br />

sein Land zusammen mit seiner 59-jährigen Frau<br />

Santa Rosa Mercedes Garcías.<br />

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28 <strong>Süden</strong> Nord-Süd-Gefälle<br />

«Die Lehrer haben Probleme»<br />

Bemerkung eines hochrangigen chinesischen Politikers, zitiert aus «Capitalism at Bay», in The Economist, 17. Oktober 2008<br />

Der britische Wirtschaftsprofessor Simon J. Evenett über den Kampf um Ideen,<br />

die globale Wirtschaftskrise und die Spaltung zwischen Nord und Süd.<br />

Der Verlust von Singapur an die Japaner im Jahr 1942 wird von vielen<br />

Experten als Beginn des unvermeidlichen Niedergangs des britischen<br />

Empire im Fernen Osten angesehen. Auch der Sieg im Zweiten<br />

Weltkrieg konnte nicht verhindern, dass sich dieser Niedergang<br />

unaufhaltsam fortsetzte; so war die Bedeutung Grossbritanniens<br />

in der Weltpolitik nur ein Vierteljahrhundert später drastisch zurückgegangen.<br />

Die Dominanz des «Nordens» hatte einen ersten Riss<br />

bekommen. Wie schon Ende der 1990er-Jahre die Asienkrise hat<br />

auch die aktuelle schwere Rezession Zweifel an der Glaubwürdigkeit<br />

der gängigen Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik und ihrer Befürworter<br />

aufkommen lassen. Weil diese Empfehlungen aus den westlichen<br />

Industrienationen und den von ihnen dominierten Gremien wie<br />

dem Internationalen Währungsfonds (IWF) kommen, hat die jüngste<br />

Krise eine weitere Folge: Auch die führende Rolle des «Nordens»<br />

in der globalen Wirtschaftspolitik wird zunehmend in Frage gestellt.<br />

Zwar mögen sich Beobachter und Entscheidungsträger aus dem<br />

Norden nicht in jedem Punkt einig sein. Aber es gibt einen Kanon<br />

etablierten Wissens, der die Grundlage der internationalen Wirtschaftspolitik<br />

bildet. Ein Teil dieses Kanons hat schon eine längere Geschichte,<br />

ein anderer ist erst durch die Reaktionen auf die Asienkrise<br />

entstanden. Man könnte die fünf folgenden Grundsätze dazuzählen:<br />

1. Defizitländer sollten die Last der makroökonomischen<br />

Anpassung selbst tragen.<br />

2. Geldpolitik ist mächtig; Fiskalpolitik ist bestenfalls<br />

ineffizient und schlimmstenfalls Verschwendung.<br />

3. Die Regime fester Wechselkurse sind auf lange Sicht<br />

sehr schwierig aufrechtzuerhalten.<br />

4. Industriepolitik funktioniert nicht.<br />

5. Ein offenes Handels- und Finanzsystem steigert<br />

den Wohlstand.<br />

Die Regierungen des Nordens haben diese Ideen weit verbreitet – in<br />

internationalen Foren, in Hilfsprogrammen sowie in regionalen und<br />

multilateralen Entwicklungshilfeorganisationen (die ihre Finanzierung<br />

von nördlichen Regierungen beziehen). Auch in der Debatte über<br />

Fragen der Wirtschaftspolitik sind diese Ideen dominant, und ihre<br />

Wirkung wird häufig noch verstärkt durch Forschungsarbeiten von<br />

Mainstream-Ökonomen, die hauptsächlich an westlichen Universitäten<br />

tätig sind. Wirtschaftliche Vorherrschaft hat also auch eine<br />

intellektuelle Dominanz mit sich gebracht. Die aktuelle Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise, die im Jahr 2007 ihren Anfang nahm, hat im Vergleich<br />

zu vorherigen Krisen deutlich mehr Wohlstand und Wirtschaftsleistung<br />

gekostet. Als die Lage wirklich bedrohlich wurde, hat sich<br />

die politische Führung nicht mehr an ihre eigene Lehre gehalten,<br />

nach der alle Macht der Geldpolitik gebührt und Fiskalpolitik nur eine<br />

Ablenkung darstellt. Das jedenfalls legt die Tatsache nahe, dass viele<br />

Regierungen Zuflucht in Konjunkturprogrammen suchten, nachdem<br />

die Nominalzinsen schon fast auf null Prozent gesunken waren und<br />

damit wenig Raum für weitere geldpolitische Massnahmen liessen.<br />

Ausserdem sind es ausgerechnet bestimmte Länder des Nordens,<br />

die seit Kurzem die Ansicht vertreten, dass Volkswirtschaften mit<br />

anhaltend hohen Leistungsbilanzüberschüssen die heimische Nachfrage<br />

fördern und ihr Wachstum weniger stark durch Exporte erzielen<br />

sollten. Das entspricht einer kompletten Kehrtwende gegenüber<br />

der Position, die von den USA seit dem Abkommen von Bretton<br />

Woods im Jahr 1944 vertreten wurde: dass defizitäre Länder die<br />

Lasten der Anpassung selbst tragen müssen. Was auch immer die<br />

Gründe für diesen Schwenk gewesen sein mögen, vielen Beobachtern<br />

kommt er prinzipienlos und opportunistisch vor.<br />

Subventionen und Protektionismus zu vermeiden, war in den<br />

Nachkriegsjahren lange ebenfalls ein Grundsatz der Wirtschaftspolitik,<br />

vor allem in der so genannten Thatcher-Reagan-Ära. Im aktuellen<br />

Abschwung aber waren Subventionen, die gegen kommerzielle<br />

Interessen anderer Länder verstossen, die häufigste Form von<br />

Protektionismus. Schlimmer noch: Trotz gegenteiliger öffentlicher<br />

Bekundungen haben die G-20-Regierungen durchschnittlich jeden<br />

zweiten Tag eine protektionistische Massnahme eingeführt, wie der<br />

unabhängige Beobachtungsdienst für Handelspolitik Global Trade<br />

Alert festgestellt hat.<br />

Obendrein fühlen sich jetzt diejenigen Regierungen in Schwellenländern<br />

bestätigt, die bei der Liberalisierung des Finanzsektors und<br />

der Einführung voller Währungskonvertibilität zurückhaltend waren.<br />

Zwar wiesen vorsichtige Liberalisierungsbefürworter aus dem Norden<br />

darauf hin, dass eine finanzielle Öffnung von effektiven regulatorischen<br />

Reformen begleitet werden muss, doch ihre Warnungen gingen<br />

in der zur Vereinfachung neigenden öffentlichen Debatte unter.<br />

Ausserdem sahen wichtige Akteure aus der Privatwirtschaft wenig<br />

Wert in zusätzlicher Regulierung, und in Abwesenheiten eines aktuellen<br />

Finanzschocks fiel es ihnen leichter, dagegen zu argumentieren.<br />

Viele Regierungen des <strong>Süden</strong>s sahen das Verlangen nördlicher Regierungen<br />

nach besserem Zugang zu ihren Finanzmärkten als besonders<br />

egoistisch und unklug an. Was lassen diese Entwicklungen<br />

erwarten? Wird der Einfluss der wichtigen multilateralen Institutionen<br />

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Nord-Süd-Gefälle <strong>Süden</strong> 29<br />

wie des IWF und der Weltbank zurückgehen? Werden neue institutionelle<br />

Strukturen errichtet und wenn ja, welchem Zweck werden<br />

sie dienen? Wird es insgesamt gesehen eine Machtverschiebung<br />

zugunsten des <strong>Süden</strong>s geben?<br />

Bei der Beantwortung dieser Fragen sollte man daran denken,<br />

dass der Einfluss der internationalen Wirtschaftsinstitutionen schon<br />

im Sinken begriffen war, als die globalen Finanzmärkte 2007 ins<br />

Stocken gerieten. Viele Schwellenländer waren bereits während der<br />

Asienkrise so entsetzt über die Ratschläge des IWF, dass sie sich<br />

fest dazu entschlossen, nie wieder auf dessen Hilfe angewiesen zu<br />

sein. Eigenversicherung wurde das neue Mantra, und im Verlauf der<br />

nächsten zehn Jahre sammelten die ostasiatischen Staaten mehr als<br />

zwei Billionen US-Dollar an Reserven in fremden Währungen an.<br />

Tatsächlich war es Mitte des Jahrzehnts schon so weit, dass der<br />

IWF Mitarbeiter entlassen musste, weil so wenige Schwellenländer<br />

Kredite aufnehmen wollten (die laufenden Kosten des Fonds werden<br />

von den Zinsen und Rückzahlungen von Kreditnehmern finanziert).<br />

Ähnlich, wenn auch weniger drastisch, verlief die Entwicklung bei<br />

der Weltbank. Der Umgang des <strong>Süden</strong>s mit multilateralen Wirtschaftsinstitutionen<br />

zu Beginn der aktuellen Krise lässt sich also<br />

weniger mit dem Versuch einer Machtübernahme oder dem Verlangen<br />

nach Dominanz beschreiben als mit einer Loslösung.<br />

Auch die Kooperation in der internationalen Handelspolitik wirft<br />

wichtige Fragen auf. Die erfolglos beendete Doha-Runde zu multilateralen<br />

Handelsfragen zeigt, dass es den wichtigsten Handelsnationen<br />

– zu denen mittlerweile die führenden Schwellenländer mit<br />

Ausnahme von Russland gehören – nicht gelungen ist, die Basis für<br />

eine für alle Seiten vertretbare Vereinbarung zu finden. Ohne Zweifel<br />

üben die USA und die Europäische Union immer noch einen bedeutenden<br />

Einfluss in der Welthandelsorganisation (WTO) aus. Aber<br />

sie sind heute anders als in früheren Verhandlungen nicht mehr in<br />

der Lage, anderen ihren Willen aufzuzwingen. Jeder der grossen<br />

Mitspieler hat jetzt ein Vetorecht und ist durchaus bereit, davon Gebrauch<br />

zu machen.<br />

Allgemeiner gesehen steht das Scheitern der Doha-Runde für<br />

eine mangelnde Bereitschaft der Länder, verbindliche Vereinbarungen<br />

über zwischenstaatliche Kooperation zu treffen. Viele Regierungen<br />

des <strong>Süden</strong>s bewachen argwöhnisch ihre Souveränität und sind<br />

verärgert über Einschränkungen, die sich durch den Beitritt zur WTO<br />

(wie bei China) oder ihre Teilnahme an früheren multilateralen Handelsrunden<br />

(wie bei Südafrika und Indien) ergeben haben. Weil es<br />

keinerlei Mechanismus für einen Abschluss der multilateralen Verhandlungen<br />

von Doha gibt, ziehen sie sich weiter hin; so entsteht<br />

eine Art Niemandsland, in dem kaum jemand wirklich daran glaubt,<br />

dass es kurz- bis mittelfristig irgendwelche Erfolge geben wird.<br />

Obendrein werden Versuche, auch über Themen zu sprechen,<br />

die schwere Folgen für jedes Handelssystem haben könnten –<br />

so wie der Klimawandel und damit zusammenhängende Steuern – als<br />

Ablenkung zurückgewiesen.<br />

Die beschriebene, unübersichtliche Situation bei IWF, Weltbank<br />

und WTO lässt erkennen, dass das Ende der Dominanz des Nordens<br />

nicht zu einer Herrschaft des <strong>Süden</strong>s geführt hat. Stattdessen<br />

scheint es eine Pattsituation zu geben, in der viele Länder weitgehende<br />

und kompromisslose Bedingungen für die zukünftige wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit aufstellen. Übrig bleibt ein loses Gebilde,<br />

in dem Regierungschefs den Anschein von Kooperation aufrechterhalten<br />

können. Die wachsende Bedeutung der G-20 sollte<br />

deshalb eher als therapeutische Notwendigkeit denn als substanzielle<br />

Entwicklung verstanden werden. Es war nämlich just der Mangel an<br />

Substanz, der es dem Norden leichter machte, führende Vertreter des<br />

<strong>Süden</strong>s bereitwillig an globalen Wirtschaftsberatungen zu beteiligen.<br />

Um den Status quo zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, was<br />

Regierungen in einer Finanzkrise zu tun haben: Sie müssen – einzeln<br />

und gemeinsam – Massnahmen ergreifen, die schnell den flüchtigsten<br />

«Rohstoff» überhaupt sichern: das Vertrauen der Investoren. Sorgen<br />

vor einem Rückfall in die «Beggar thy Neighbour»-Politik der<br />

1930er-Jahre, mit der einige Regierungen versuchten, die Last von<br />

Job- und Produktionsverlusten ihren Handelspartnern aufzubürden,<br />

machten ein Signal der führenden Regierungen nötig, dass sie es<br />

dieses Mal anders versuchen würden. Ein solches Signal kann aber<br />

normalerweise nicht verbindlich sein, weil nicht genug Zeit ist, um<br />

vorher die nötigen internationalen Verpflichtungen und Mechanismen<br />

auszuhandeln.<br />

Als Ergebnis wurden zum Abschluss von G-20-Gipfeltreffen grosse,<br />

aber unverbindliche Erklärungen verabschiedet, die den Eindruck von<br />

Einigkeit, Kooperation und Fortschritt vermittelten. Ein genauerer<br />

Blick auf die Erklärungen aber zeigt ihre geringe Reichweite und<br />

Unklarheit – und das Versprechen weiterer Überlegungen in technokratischen<br />

Gremien, die üblicherweise von Regierungsexperten aus<br />

dem Norden dominiert werden. Von einem Sieg für den <strong>Süden</strong> kann<br />

deshalb keine Rede sein.<br />

Wie also ist der Stand der Spaltung zwischen Nord und Süd hinsichtlich<br />

der richtigen Wirtschaftspolitik? Tatsächlich mögen die Lehrer<br />

einige Probleme haben, die sie noch gar nicht richtig angegangen<br />

sind. Trotzdem müssen die Schüler (um in der chinesischen Analogie<br />

zu bleiben) erst noch auf Augenhöhe mit ihnen kommen. Die wichtigsten<br />

Ideen und Institutionen der Lehrer abzulehnen, hat dem <strong>Süden</strong><br />

keine Dominanz verschafft. Vor diesem Hintergrund sollte man<br />

vielleicht bedenken, dass die aktuellen Regelwerke für die Weltwirtschaft<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg im Prinzip von nur zwei Nationen<br />

(oder sogar nur einer, wenn man Grossbritanniens Rolle ausser Acht<br />

lässt) ausgearbeitet wurden. Ob sich neue Regeln finden lassen,<br />

wenn so viele Regierungen aus Nord und Süd bei wichtigen Verhandlungen<br />

ein Vetorecht haben, wird sich erst noch zeigen müssen. <<br />

Simon J. Evenett ist Professor für Aussenwirtschaft<br />

und Entwicklung an der Universität<br />

St. Gallen und Co-Direktor des International<br />

Trade and Regional Economics Programme<br />

am Centre for Economic Policy Research<br />

(CEPR) in London. Er studierte an der Universität<br />

Cambridge und promovierte 1995 an der<br />

Yale University. Danach arbeitete er unter<br />

anderem für die Weltbank, war Senior Fellow<br />

im volkswirtschaftlichen Programm der<br />

Brookings Institution in Washington, DC, und<br />

lehrte als Professor an der Oxford University.<br />

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Geführte Rundreise<br />

Wunder<br />

Südafrikas<br />

Exclusive<br />

Cape Town<br />

SOUTH AFRICA<br />

Montagu Tsitsikamma<br />

Knysna Port<br />

Elizabeth<br />

Ab / bis Zürich<br />

16 Tage / 15 Nächte<br />

Min. 4 / Max. 12 Personen<br />

Deutsch<br />

Exklusive Rotunda Tours/Kuoni Reise<br />

Gut zu wissen!<br />

– Rundreise mit Rotunda Tours/Kuoni<br />

Kundschaft und Betreuung ab/bis Zürich<br />

– Min. 4 Personen / Max. 12 Personen<br />

Unsere Leistungen<br />

– Rotunda Tours Betreuung ab / bis Zürich<br />

(ab 6 Personen)<br />

– Deutsch sprechende Reise begleitung ab<br />

Johannesburg bis Kapstadt<br />

– Flüge ab / bis Zürich gemäss Programm<br />

– Flughafentaxen<br />

– Reise im klimatisierten Fahrzeug<br />

– Unterkunft gemäss Programm<br />

– Mahlzeiten gemäss Programm<br />

– Ausflüge und Eintrittsgebühren gemäss<br />

Programm<br />

Nicht inbegriffen<br />

– Persönliche Ausgaben, Getränke und<br />

Trinkgelder<br />

– Gebühren für optionale Ausflüge und<br />

Aktivitäten<br />

– Reiseversicherung<br />

Reisedatum 20<strong>10</strong><br />

(jeweils freitags)<br />

September <strong>10</strong><br />

Oktober 1<br />

November 5<br />

Zürich<br />

Krüger<br />

Nat. Park<br />

Hazyview<br />

Timbavati<br />

Johannesburg<br />

SWAZILAND<br />

Zululand Rhino<br />

Reserve<br />

LESOTHO<br />

Durban<br />

Weitere Rundreisen 20<strong>10</strong> nach<br />

Botswana und Namibia<br />

1. Tag, Zürich–Johannesburg. Am Abend<br />

Abflug Richtung Johannesburg. (A)<br />

2. Tag, Johannesburg–Hazyview. (± 470 km).<br />

Ankunft in Johannesburg. Die Reise führt Sie in<br />

die Provinz Mpumalanga. Übernachtung Umbhaba<br />

Lodge o. ä. (FA).<br />

Highlights: Willkommen in Afrika<br />

3. Tag, Hazyview–Timbavati. (± 295 km). Am<br />

Morgen erkunden Sie die landschaftlich reizvolle<br />

Panoramaroute. Die heutige Unterkunft befindet<br />

sich im privaten Naturreservat Timbavati, westlich<br />

vom berühmten Krügerpark. Freuen Sie sich auf<br />

eine Pirschfahrt am Nachmittag in einem offenen<br />

Safarifahrzeug. Übernachtung Royal Legend<br />

Lodge oder Motswari Lodge o. ä. (FA)<br />

Highlights: Panoramaroute<br />

4. Tag, Timbavati. Am frühen Morgen unternehmen<br />

Sie eine Pirschfahrt im offenen Safarifahrzeug.<br />

Geniessen Sie die schöne Umgebung<br />

Ihrer Lodge, bevor es am Nachmittag erneut auf<br />

eine spannende Safari geht. Übernachtung Royal<br />

Legend Lodge oder Motswari Lodge o. ä. (FMA)<br />

Highlights: Heia Safari !<br />

5. Tag, Timbavati–Swaziland. (± 415 km).<br />

Weiterreise in das kleine Königreich Swaziland.<br />

Übernachtung Royal Swazi Spa o. ä. (F)<br />

Highlights: Im Königreich<br />

6. Tag, Swaziland–Zululand Rhino Reserve.<br />

(± 280 km). Besuch eines lokalen Marktes<br />

und einer Kerzenfabrik, bevor Sie wieder nach<br />

Südafrika einreisen. Am Nachmittag geniessen<br />

Sie noch eine Pirschfahrt (abhängig von der Ankunftszeit).<br />

Übernachtung Bayete Zulu Boutique<br />

Lodge o. ä. (FA)<br />

Highlights: Im Zululand<br />

Auf dieser klassischen Rundreise erleben Sie das facettenreiche Südafrika.<br />

Sie reisen in einer kleinen Reisegruppe mit Rotunda Tours<br />

Betreuung. Ein Höhepunkt Ihrer Reise ist der Aufenthalt im privaten<br />

Wildschutzgebiet Timbavati. Am Ende der Reise erwartet Sie Kapstadt<br />

– die wohl schönste Stadt der Welt.<br />

7. Tag, Zululand Rhino Reserve –<br />

Durban. (± 3<strong>10</strong> km). Am Morgen lernen Sie<br />

die Hauselefanten Rambo und Rachel kennen.<br />

Weiterfahrt nach Durban. Übernachtung Southern<br />

Sun North Beach o. ä. (F)<br />

Highlights: Hauselefanten und Indischer Ozean<br />

8. Tag, Durban–Tsitsikamma. (± 200 km).<br />

Transfer zum Flughafen für Ihren Weiterflug nach<br />

Port Elizabeth. In Port Elizabeth unternehmen Sie<br />

eine Stadtrundfahrt und gewinnen einen Eindruck<br />

vom Leben in den Townships. Weiterreise nach<br />

Tsitsikamma. Übernachtung Protea Hotel Tsitsikamma<br />

o. ä. (F)<br />

Highlights: Afrikanische Begegnung<br />

9. Tag, Tsitsikamma–Knysna. (± 120 km).<br />

Auf dem Weg nach Knysna besuchen Sie eine<br />

Schnaps-Brennerei auf dem Buffalo Hills Game<br />

Reserve. Übernachtung Knysna Log-Inn o. ä. (F)<br />

Highlights: Willkommen an der Gardenroute.<br />

<strong>10</strong>. Tag, Knysna. Der heutige Tag steht Ihnen<br />

zur freien Verfügung. Übernachtung Knysna<br />

Log-Inn o. ä. (F)<br />

Highlights: Auf eigene Faust<br />

11. Tag, Knysna–Montagu. (± 390 km). Weiterfahrt<br />

nach Oudtshoorn und Besuch der Safari<br />

Ostrich Show Farm. Weiterfahrt nach Montagu.<br />

Übernachtung Mimosa Lodge o. ä. (FM)<br />

Highlights: Vogel Strauss, Route 62<br />

Tafelberg<br />

12. Tag, Montagu–Kapstadt. (± 230 km). Besuch<br />

einer Weinfarm bei Stellenbosch. Am späten<br />

Nachmittag Ankunft in Kapstadt. Übernachtung<br />

Westin Grand Cape Town o. ä. (F)<br />

Highlights: Im Land des Weins<br />

13. Tag, Kapstadt. (± 250 km). Entlang der<br />

wunderschönen Küstenstrasse geht es an das Kap<br />

der Guten Hoffnung. Übernachtung Westin Grand<br />

Cape Town o. ä. (F)<br />

Highlights: Kap der guten Hoffnung<br />

14. Tag, Kapstadt. Der ganze Tag steht Ihnen<br />

zur freien Verfügung. Am Abend geniessen Sie ein<br />

gemeinsames Abschieds-Abendessen. Übernachtung<br />

Westin Grand Cape Town o. ä. (FA)<br />

Highlights: Weltstadt<br />

15. Tag, Kapstadt. (± 25 km). Der Morgen steht<br />

zur freien Verfügung. Am Nachmittag Transfer<br />

zum Flughafen für Ihren Rückflug in die Schweiz.<br />

16. Tag, Zürich. Am Morgen Ankunft in Zürich.<br />

ZRH RTPWUS<br />

16 Tage ab / bis Zürich<br />

<strong>10</strong>.09.<strong>10</strong>–25.09.<strong>10</strong> 01.<strong>10</strong>.<strong>10</strong>–16.<strong>10</strong>.<strong>10</strong> 05.11.<strong>10</strong>–20.11.<strong>10</strong><br />

R11 Doppel 7590 7990 7890<br />

R12 Einzel 9490 9990 9890<br />

Rotunda Tours • Geroldstrasse 20 • 80<strong>10</strong> Zürich • Tel. 044 386 46 66 • marketing@rotunda.ch


Credit Suisse 31<br />

Credit Suisse<br />

Business / Sponsoring / In der Gesellschaft<br />

SVC – AG für KMU Risikokapital<br />

Risikokapital für KMU und<br />

Jungunternehmer<br />

Zur Unterstützung der Schweizer<br />

Wirtschaft und insbesondere von<br />

KMU und Jungunternehmern stellt<br />

die Credit Suisse in Zusammenarbeit<br />

mit dem Swiss Venture Club<br />

Risikokapital in der Höhe von bis<br />

zu <strong>10</strong>0 Millionen Schweizer Franken<br />

zur Verfügung. Die Gelder sollen<br />

gezielt in Innovations- und Wachstumsprojekte<br />

investiert werden.<br />

Dabei stehen kleine, engagiert geführte<br />

Unternehmen mit Wachstumsperspektiven<br />

sowie innovative<br />

Jungunternehmer im Vordergrund.<br />

Mit dem Engagement sollen nachhaltige<br />

Arbeitsplätze geschaffen<br />

und die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Schweiz insgesamt gestärkt<br />

werden. Geplant ist, dass die neu<br />

gegründete SVC – AG für KMU<br />

Risikokapital bereits ab Ende Mai<br />

20<strong>10</strong> erste Projekt- und Finanzierungsanträge<br />

entgegennehmen<br />

kann. cfv<br />

Nähere Informationen finden Sie unter<br />

www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

sowie www.swiss-venture-club.ch.<br />

Jugend in Arbeitsprozess integrieren<br />

Zusammenarbeit mit sieben<br />

kompetenten Partnern<br />

Im Dezember kündigte die Credit<br />

Suisse an, im Rahmen ihrer Initiative<br />

Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit<br />

die Zahl der Ausbildungsplätze<br />

in der Schweiz in den<br />

nächsten drei Jahren um 25 Prozent<br />

zu erhöhen. Zudem stellt sie<br />

30 Millionen Schweizer Franken zur<br />

Verfügung. Mit diesem Betrag sollen<br />

neue Konzepte und Initiativen<br />

angeregt werden, die in erster Linie<br />

Jugendliche in ihren Fähigkeiten<br />

bestärken und von der Ausbildung<br />

in ein reguläres Ar beitsverhältnis<br />

begleiten. Für diese Aufgabe konnten<br />

nun sieben spezialisierte Partnerorganisationen<br />

im Non-Profit-<br />

Bereich gewonnen werden: Infoklick.ch,<br />

Intégration pour tous,<br />

Labor Transfer SA, Netzwerk für<br />

Attestberufe, Regionalvereine des<br />

Schweizerischen Arbeiterhilfswerks,<br />

die Stiftung Die Chance sowie<br />

die Stiftung Speranza. Das <strong>bull</strong>etin<br />

wird sie in loser Folge vorstellen.<br />

Den Beginn macht die Stiftung Die<br />

Chance (siehe Seiten 37– 39). schi<br />

Das Davos Festival zeigt seit 25 Jahren Young Artists<br />

in Concert. Hintergrundinformationen über das Festival<br />

vom 24. Juli bis 7. August unter www.davosfestival.ch<br />

sowie www.credit-suisse.com/sponsoring. schi<br />

Foto: Davos Festival<br />

Transparenz Drei Publikationen informieren<br />

eingehend über das Geschäftsjahr 2009 der<br />

Credit Suisse. Neben dem umfassenden<br />

Geschäftsbericht für Analysten zeigen die<br />

Berichte «Unternehmensprofil 2009» sowie<br />

«Unternehmerische Verantwortung 2009»<br />

allen Interessierten die verschiedenen<br />

Geschäftsaktivitäten auf, und wie die Credit<br />

Suisse ihre Verantwortung gegenüber der<br />

Gesellschaft und der Umwelt wahrnimmt .<br />

Bestellungen mit dem <strong>bull</strong>etin Talon. mar/vz<br />

Young Singers Project in Salzburg<br />

Opernnachwuchs lernt<br />

bei Marjana Lipovsek Praxis<br />

Mit dem Young Singers Project<br />

haben die Salzburger Festspiele<br />

eine hochkarätige Praxisplattform<br />

zur Förderung des sängerischen<br />

Nachwuchses geschaffen. Acht<br />

junge Sängerinnen und Sänger erhalten<br />

eine umfassende Ausbildung<br />

und werden in den Produktionsprozess<br />

der Festspiele eingebunden.<br />

Neu hat Marjana Lipovsek die<br />

künstlerische Leitung von Michael<br />

Schade übernommen. Öffentliche<br />

Meisterkurse werden am 29. Juli<br />

sowie am 5., 12. und 18. August<br />

durchgeführt. Das Abschlusskonzert<br />

im Mozarteum findet am<br />

Donnerstag, 26. August, um 18 Uhr<br />

unter der Leitung von Ivor Bolton<br />

statt. Ausgewählt wurden folgende<br />

Teilnehmende: Lena Belkina, Mezzosopran,<br />

Usbekistan, Claudia Boyle,<br />

Sopran, Irland, Vladimir Kapshuk,<br />

Bariton, Ukraine, Antonio Poli,<br />

Tenor, Italien, Emily Righter,<br />

Mezzo sopran, USA, André Schuen,<br />

Bariton, Italien, Regina Isabella<br />

Sturm, Sopran, Deutschland, sowie<br />

Erika Wueschner, Sopran, USA.<br />

Die Credit Suisse ist seit 2006<br />

Hauptsponsor der Salzburger Festspiele<br />

und seit 2009 des Young<br />

Singers Project. schi<br />

www.credit-suisse.com/sponsoring;<br />

www.salzburgerfestspiele.at<br />

Anzeige<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


32 Credit Suisse<br />

Osec Export Award 20<strong>10</strong><br />

Anerkennungspreis für<br />

erfolgreiche Exporteure<br />

Die Basis des Erfolgs<br />

Bei der Sorgenbarometer-Umfrage<br />

stuften 48 Prozent die Schweizer Qualität<br />

als grösste Stärke des Landes<br />

ein, und 96 Prozent gaben an, stolz auf<br />

den internationalen Qualitätsruf der<br />

Schweiz zu sein. Die Qualität liegt also<br />

den Schweizerinnen und Schweizern<br />

im Blut, und so verwundert es nicht,<br />

dass auch die Credit Suisse grössten<br />

Wert auf Qualität als Grundlage des Vertrauens<br />

der Kundinnen und Kunden und<br />

somit des geschäftlichen Erfolgs legt<br />

und dem Qualitätsmanagement höchste<br />

Priorität beimisst. Ein Instrument hierfür<br />

sind die gerade in der Schweiz<br />

sehr geschätzten ISO-Zertifizierungen,<br />

die von allen Mitarbeitenden höchsten<br />

Einsatz erfordern. Bereits 1997 erlangte<br />

die Credit Suisse als erste Bank weltweit<br />

das Zertifikat für ihr Umweltmanagementsystem<br />

(ISO 14001). Die Firmenuniversität<br />

Business School erhielt<br />

2003 das Zertifikat «eduQua» sowie 2005<br />

den Clip-Award (Corporate Learning<br />

Improvement Process). In den letzten<br />

Wochen sind auch zwei wichtige<br />

Be reiche von Investment Services and<br />

Products zertifiziert worden, nämlich<br />

Mutual Funds and ETFs (Exchange-<br />

Traded Funds) unter der Leitung von<br />

Christian Mesenholl sowie Structured<br />

Derivatives Switzerland unter der<br />

Leitung von Thomas Imhasly. Das von<br />

Urs Joss geführte Call Center hat sogar<br />

drei Zertifizierungen erhalten: zunächst<br />

das Gütesiegel für Outbound Sales,<br />

also Direkt- und Telemarketing (siehe<br />

<strong>bull</strong>etin 4/2009); im Frühjahr 20<strong>10</strong> folgten<br />

die Zertifikate ISO 9001 sowie –<br />

erstmals verliehen – EN 15838, die europäische<br />

Branchennorm. schi<br />

Detaillierte Informationen unter<br />

www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Corporate<br />

Volunteering<br />

Im vergangenen Jahr<br />

leisteten 13 658 Mitarbeitende<br />

der Credit<br />

Suisse während über<br />

115 000 Stunden Freiwilligeneinsätze<br />

bei<br />

Partnerorganisationen.<br />

Nachfolgend die<br />

Aufteilung nach den<br />

vier Geschäftsregionen.<br />

Mehr Informationen<br />

sind enthalten<br />

im Bericht «Unternehmerische<br />

Verantwortung».<br />

4Ame598<br />

ricas<br />

2EME236<br />

A<br />

2Asien60<br />

-Pazifik4<br />

S42<br />

chweiz20<br />

Am Forum der Schweizer Aussenwirtschaft<br />

vom 15. und 16. April<br />

in Zürich Oerlikon wurde zum zweiten<br />

Mal der Osec Export Award<br />

verliehen. Er zeichnet Unternehmen<br />

aus, die systematisch und zielgerichtet<br />

ihr Expansionsvorhaben vorantreiben.<br />

In der Kategorie Success<br />

für bereits erfahrene Ex porteure<br />

gewann die Contrinex AG. Das<br />

Unternehmen mit Sitz in Givisiez ist<br />

ein führender Hersteller von induktiven<br />

und fotoelektrischen Sensoren<br />

und hat weltweit über 500 Mitarbeitende.<br />

In der Kategorie «Stepin»<br />

für Unternehmen am Anfang<br />

ihrer Exporttätigkeit wurde die<br />

Bauwerk Parkett AG aus St. Margrethen<br />

ausgezeichnet. Das Unternehmen<br />

entwickelt und produziert<br />

seit über 60 Jahren Massiv- und<br />

Zweischicht-Parkettböden für den<br />

Wohnbereich. vcf<br />

Videos über den Anlass unter<br />

www.credit-suisse.com/unternehmen<br />

Unternehmerpreis Swiss Venture Club<br />

Oertli: In der Augenchirurgie<br />

global mit an der Spitze<br />

Andreas Bosshard, Verwaltungsratspräsident<br />

der Oertli Instrumente<br />

AG, Berneck, durfte aus den Händen<br />

von Hans-Ulrich Müller, Präsident<br />

des Swiss Venture Club, sowie<br />

Hans-Ulrich Meister, CEO Credit<br />

Suisse Schweiz, den vierten Unternehmerpreis<br />

Ostschweiz entgegennehmen<br />

(siehe Bild). Oertli produziert<br />

seit 1955 Präzisionsgeräte und<br />

-instrumente für die Augen chirurgie<br />

und ist, so Jurypräsidentin Franziska<br />

Tschudi, «als Nummer 4 auf dem<br />

Weltmarkt die einzige Alter native zu<br />

den Grossen». Die folgenden Plätze<br />

belegten die Spezialholzbaufirma<br />

Blumer-Lehmann AG, Gossau<br />

Anzeige<br />

Swiss-Venture-Club-Preis (v.l.n.r.):<br />

Hans-Ulrich Müller, Andreas Bosshard,<br />

Hans-Ulrich Meister.<br />

(SG), sowie die Complementa Investment-Controlling<br />

AG, St. Gallen.<br />

Die Dieci AG, Rapperswil-Jona,<br />

die Flumroc, Flums, sowie die<br />

NeoVac Gruppe, Oberriet, hatten<br />

es, bei 150 teilnehmenden Unternehmen,<br />

in den Final geschafft.<br />

Der St. Galler Regierungspräsident<br />

Josef Keller würdigte in den Olma-<br />

Hallen die Leistung und den Mut<br />

der sechs Finalisten, die «in hart<br />

umkämpften Branchen dank einer<br />

vielversprechenden Mischung aus<br />

Tradition und Innovation, aus Unternehmergeist<br />

und Know-how» wirtschaftlich<br />

nachhaltige Erfolge erzielen.<br />

schi<br />

Esprix – Swiss Excellence Award<br />

Seedamm Plaza vorbildlich<br />

Bundespräsidentin Doris Leuthard<br />

hat am Forum für Excellence<br />

im Kultur- und Kongresszentrum<br />

Luzern das Seedamm Plaza Hotel<br />

in Pfäffikon mit dem Swiss Excellence<br />

Award 20<strong>10</strong> Esprix ausgezeichnet.<br />

schi<br />

Credit Suisse Geschäftsstellen<br />

Neue Standards für Selbstbedienungstechnologie<br />

Wenn Dienstleistungen ohne<br />

Kundenberatung einfacher und<br />

schneller angeboten werden können,<br />

kommt in den Geschäftsstellen<br />

der Credit Suisse die Selbst -<br />

bedienungstechnologie zum<br />

Tragen. Mit dem neuen Cash Cycle<br />

Management, das weltweit erstmals<br />

bei der Credit Suisse eingesetzt<br />

wird, lässt sich die Zeit des<br />

Stillstands von Cash-Systemen<br />

deutlich reduzieren und damit<br />

deren Verfügbarkeit für die Kunden<br />

entsprechend erhöhen. Ohne<br />

dass grosse Veränderungen im<br />

Prozessablauf vorzunehmen sind,<br />

Fotos: Patrik Kälin | Swiss Venture Club | Alberto Venzago<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 33<br />

profitiert der Kunde durch eine<br />

einfachere Bedienung, eine schnellere<br />

Transaktionszeit, eine höhere<br />

Verfüg bar keit sowie einen nochmals<br />

verbesserten Schutz gegen<br />

Manipu lation und Betrug durch<br />

Skimming. schi<br />

Live at Sunset in Zürich<br />

Gurrumul-Tickets gewinnen<br />

Beim 15. Live at Sunset auf der<br />

Dolder-Eisbahn in Zürich reiht sich<br />

vom 14. bis 25. Juli wiederum ein<br />

musikalischer Leckerbissen an den<br />

anderen: Tori Amos, John Fogerty,<br />

A-Ha, Element of Crime, Reamonn,<br />

Nina Hagen, Lunik, Dada Ante<br />

Portas, Foreigner, Gilberto Gil,<br />

Lucio Dalla, Francesco de Gregori,<br />

Maria Mena. Und dazwischen, am<br />

Freitag, 16. Juli, Gurrumul. Lesen<br />

Sie online unser Porträt und machen<br />

Sie bei unserem Wettbewerb mit<br />

(5 x 2 Tickets).<br />

www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Neuer Corporate-Volunteering-Partner<br />

<strong>10</strong>0 Jahre Krebsliga<br />

In der Schweiz erkranken jedes<br />

Jahr rund 35 000 Personen an<br />

Krebs – etwa 15 000 sterben daran.<br />

Die Krebs liga setzt sich für die<br />

Anliegen der Erkrankten und deren<br />

Angehörigen ein. Im Jahr 20<strong>10</strong> feiert<br />

sie ihr <strong>10</strong>0-jähriges Bestehen<br />

und veranstaltet am 29. Mai einen<br />

Solidaritätsanlass. Betroffene und<br />

Interessierte sind auf gerufen, an<br />

den kantonalen Sternmärschen in<br />

Richtung Bern mit zuwandern und<br />

am Solidaritätsfest gegen Krebs<br />

auf dem Bundesplatz in Bern teilzunehmen.<br />

Zusammen mit anderen<br />

sorgen Mitarbeitende der Credit<br />

Suisse als Freiwillige für einen reibungslosen<br />

Ablauf. cfv<br />

www.krebsliga.ch<br />

Tickets für St. Galler Festspiele<br />

Vor uns die Sintflut<br />

«Il diluvio universale» (Die Sintflut),<br />

die Oper von Gaetano Donizetti,<br />

wird im Sommer unter der Leitung<br />

von Antonino Fogliani auf dem<br />

Klosterhof St. Gallen aufgeführt.<br />

Premiere ist am Freitag, 25. Juni.<br />

Weitere Informationen und die<br />

Möglichkeit, 5 x 4 Tickets zu gewinnen,<br />

erhalten Sie online.<br />

www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Neuer Standort für Challenge-Turnier<br />

Golf am Sempachersee<br />

Erster Höhepunkt der Schweizer<br />

Golfsaison ist das Zurich Open<br />

des Golfclubs Schönenberg am<br />

14./15. Juni. Das Bad Ragaz<br />

PGA Seniors Open folgt bereits am<br />

2. bis 4. Juli. Die Credit Suisse<br />

Challenge wird unter dem Motto<br />

Follow the Future Stars vom<br />

15. bis 18. Juli neu vom Golfclub<br />

Sempachersee ausgetragen. schi<br />

www.credit-suisse.com/sponsoring<br />

Seit Jahrzehnten beschäftigt sich Baufritz mit wohngesunder<br />

Holzbauweise nach dem Vorbild der Natur.<br />

Denn sie macht uns am besten vor, wie Hightech-<br />

Häuser idealerweise funktionieren. Nach diesem Prinzip<br />

stammen von Baufritz zum Beispiel Patente für die<br />

geniale Biodämmung aus Holzspänen, verbesserte<br />

Winddichtigkeit, Schutzimprägnierungen aus Naturstoffen,<br />

erdbebensichere Häuser und die nahezu wartungsfreie<br />

Natursilber-Fassade.<br />

Fragen an Stephan Lichtsteiner Die Fussballweltmeisterschaft<br />

in Südafrika steht vor der<br />

Tür. Mit der Schweizer Nationalmannschaft<br />

dabei sein könnte ein ehemaliger Lehrling<br />

der Credit Suisse. Lesen Sie unser Porträt im<br />

16-seitigen Dossier Schweizer Fussball.<br />

Online-Forum mit Stephan Lichtsteiner unter www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Lassen Sie sich von den Baufritz-Innovationen überzeugen<br />

und von unserer Stilwelten-Kollektion inspirieren.<br />

Telefon 033-341<strong>10</strong>00, www.baufritz-bu.ch<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong><br />

Ausgezeichnet mit dem Dt. Nachhaltigkeitspreis 2009


34 Credit Suisse<br />

Das irdische Paradies findet sich in Bern<br />

Zum hundertsten Todestag des bekannten Schweizer Malers Albert Anker zeigt das Kunstmuseum<br />

Bern derzeit dessen «Schöne Welt». Eine intensive Beschäftigung verdient auch die Ausstellung<br />

«Das Irdische Paradies» mit Werken des viktorianischen Malers Edward Burne-Jones.<br />

Albert Anker, «Bauer seine Weste flickend», 1871, Öl auf Leinwand, 44,4 x 37,1 cm, Kunstmuseum Bern, Geschenk von Dorothy Baume.<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 35<br />

Fotos: Kunstmuseum Bern, gift of Dorothy Baume in memory of her parents | Credit Suisse | Chantal Michel | David Aebi<br />

Zu seinem hundertsten Todestag erhält<br />

Albert Anker (1. April 1831 bis 16. Juli 19<strong>10</strong>)<br />

eine eigene Briefmarke, eine Goldmünze<br />

und eine soeben eröffnete Retrospektive im<br />

Kunstmuseum Bern unter dem Titel «Schöne<br />

Welt». Diese greift einige typische Anker-<br />

Themen auf: das Dorfleben in seiner Heimatgemeinde<br />

Ins, die Entwicklung des Schulund<br />

Bildungswesens in der Schweiz oder<br />

auch die Porträts, die sein Bedürfnis nach<br />

Individualisierung ausdrücken. So erfasste<br />

er beispielsweise das Kind als kleine Persönlichkeit,<br />

unabhängig von der Rolle innerhalb<br />

der sozialen Schicht, von Alter und Geschlecht.<br />

Das ist im 19. Jahrhundert keineswegs<br />

eine Selbstverständlichkeit.<br />

Nach dem Erfolg der im Februar zu Ende<br />

gegangenen farbenprächtigen Giovanni-Giacometti-Ausstellung<br />

mit 42 000 Eintritten<br />

dürfte Albert Anker noch mehr Besucher anlocken,<br />

vergleichbar wohl mit der Ferdinand-<br />

Hodler-Ausstellung, die 2008 sogar von<br />

80 000 Interessierten gesehen wurde.<br />

Neben diesen bedeutenden Schweizer<br />

Malern gewähren die Berner richtigerweise<br />

stets auch jungen Schweizer Künstlern eine<br />

Plattform. Aktuell setzt sich die Berner<br />

Künstlerin Chantal Michel in «Honig, Milch<br />

und erste Veilchen» bewusst mit Albert<br />

Anker auseinander. Ab dem 5. November<br />

präsentiert das Kunstmuseum eine grosse<br />

Werkschau von Yves Netzhammer. Zur Einstimmung<br />

ist bereits jetzt seine von der<br />

Stiftung Gegenwart angekaufte Installation<br />

«Die Subjektivierung der Wiederholung. Projekt<br />

B» zu sehen.<br />

Breiten Raum gewährt das Kunstmuseum<br />

Bern auch der Gegenwartskunst aus China.<br />

Dieses Jahr sind ab 19. November Fotografien<br />

aus der Sammlung von Uli und Rita<br />

Sigg zu sehen. Nach der in der Fachwelt<br />

Aufsehen erregenden, beim Publikum aber<br />

keine übermässig grosse Resonanz auslösenden<br />

Retrospektive von Tracey Emin widmet<br />

sich nun die Ausstellung «Das Irdische<br />

Paradies» dem Maler und Zeichner Edward<br />

Burne-Jones. Man darf gespannt sein, wie<br />

dieser Hauptvertreter der Präraffaeliten aufgenommen<br />

wird. Die auf dem Kontinent<br />

sträflich vernachlässigte viktorianische Kunst<br />

verdient jedenfalls eine bewusste Auseinandersetzung.<br />

Dass Burne-Jones’ Welt der<br />

Mythen, Sagen und Legenden gleichzeitig<br />

mit den Bildern von Albert Anker entstanden<br />

ist, stellt einen zusätzlichen Reiz dar.<br />

Andreas Schiendorfer<br />

www.kunstmuseumbern.ch<br />

1<br />

3<br />

1 Yves Netzhammer, «Adressen unmöglicher Orte», 2009, mehrteilige Installation, Ausstellungsansicht<br />

Kunsthalle Winterthur, Courtesy the artist und Galerie Anita Beckers, Frankfurt a.M. © Der Künstler.<br />

2 Chantal Michel. Ausstellung «Honig, Milch und erste Veilchen». 3 Edward Burne-Jones, «Das<br />

schlafende Dornröschen», 1894/95, Öl auf Leinwand, 126 x 237 cm, Dublin City Gallery, The Hugh Lane.<br />

2<br />

Jeweils während der Museumsnacht verwandelt<br />

sich auch die Geschäftsstelle der Credit Suisse<br />

am Bundesplatz in eine Galerie; im März 20<strong>10</strong> mit<br />

einem Werk des Zürcher Künstlers Andreas Marti.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


36 Credit Suisse<br />

Hans-Ulrich Meister: «Es gibt verschiedene<br />

Wege, erfolgreich Karriere zu machen»<br />

Der Credit Suisse ist es ernst mit der Förderung des internen Nachwuchses. Hans-Ulrich Meister,<br />

CEO Credit Suisse Schweiz, betonte dies anlässlich einer Veranstaltung des Next Generation Network<br />

in Zürich, wo er den jungen Talenten der Bank die verschiedenen Aufstiegschancen darlegte.<br />

Von den weltweit über 47 000 Beschäftigten<br />

der Credit Suisse arbeiten rund 21 000 in der<br />

Schweiz. Zudem wurde 2009 gut ein Drittel<br />

des Ertrags der Gesamtbank im Heimmarkt<br />

erzielt. Neben den starken Geschäftsbereichen<br />

Asset Management und Investment<br />

Banking bietet die Credit Suisse mit ihrem<br />

laufend ausgebauten Geschäftsstellennetz<br />

und einer intensivierten Kundenbetreuung<br />

vor Ort ihren Firmen- und Privatkunden in der<br />

Schweiz sämtliche Dienstleistungen einer<br />

modernen Universalbank an.<br />

150 neue Lehrstellen werden geschaffen<br />

«Eine Reduktion der Ausbildungsplätze in der<br />

Schweiz stand während der ganzen Krise<br />

nie zur Diskussion», betonte Hans-Ulrich<br />

Meister im Rahmen einer Veranstaltung des<br />

Mitarbeitenden-Netzwerks Next Generation<br />

Network (NGN). «Im Gegenteil, letzten Dezember<br />

beschlossen wir, die Zahl der Lehrstellen<br />

über die nächsten drei Jahre um 150<br />

auf 750 zu erhöhen. Ich hätte mir sogar eine<br />

weiter gehende Aufstockung gewünscht,<br />

aber dazu fehlen im Moment die entsprechenden<br />

Praxisausbildner. Es hat keinen Sinn,<br />

wenn wir Lernende anstellen, die wir nicht<br />

bestmöglich betreuen können.»<br />

Und auf Nachfrage eines Lehrlings aus<br />

dem Bereich Informationstechnologie ergänzte<br />

er: «Die Aufstockung beinhaltet auch<br />

die Weiterbeschäftigung der Lehrabschlussabsolventen.<br />

Derzeit liegt die Quote bei<br />

hohen 80 Prozent. Man muss auch bedenken,<br />

dass es immer einige Mitarbeitende gibt, die<br />

nach der Lehre eine Pause einlegen, ein anderes<br />

Finanzinstitut kennenlernen oder gar<br />

einen völlig anderen Berufsweg einschlagen<br />

möchten.»<br />

Neben 750 Lernenden im kaufmännischen<br />

Bereich und in der Informatik bildet<br />

die Credit Suisse jeweils 120 Mittelschulabgänger<br />

(Junior Banker) sowie 300 Hochschulabsolventen<br />

(Career Starter) aus und<br />

bietet zudem 180 Praktikastellen für Studierende<br />

an. Postwendend wurde nachgefragt,<br />

ob man denn auch ohne Hochschulabschluss<br />

intakte Aufstiegschancen besitze. «Es gibt<br />

verschiedene Wege, erfolgreich Karriere zu<br />

machen. Der Berufseinstieg über eine kaufmännische<br />

Lehre, später ergänzt mit spezifischer<br />

Weiterbildung, kann ebenso erfolgreich<br />

sein wie der Einstieg nach abgeschlossenem<br />

Studium. Flexibilität, Mobilität<br />

und der Wille, sich sowohl fachlich wie persönlich<br />

permanent weiterzuentwickeln, sind<br />

die entscheidenden Faktoren», führte Hans-<br />

Ulrich Meister an. «Gerade bei der Umsetzung<br />

unserer Strategie der integrierten Bank,<br />

in der für alle Mitarbeitenden ein Denken<br />

über den eigenen Bereich hinaus wichtig ist,<br />

1<br />

2 3<br />

war es für mich von Vorteil, dass ich zuvor<br />

viele verschiedene Arbeits- und Kulturbereiche<br />

persönlich erlebt habe.»<br />

Sich frühzeitig Ziele setzen<br />

Um eine berufliche Karriere – egal in welcher<br />

Branche – zu realisieren, muss man sich,<br />

so Meister, frühzeitig Ziele setzen. Nicht<br />

unbedingt in Bezug auf einen Einzeljob, den<br />

es in zehn Jahren vielleicht gar nicht mehr<br />

gibt, aber die Richtung sollte bestimmt sein,<br />

und in diese Richtung gilt es dann konsequent<br />

zu gehen, das heisst, insbesondere die<br />

ent sprechenden Weiterbildungen zu machen.<br />

«Die Credit Suisse ist bereit, ihre Talente<br />

1 Aufgestellte Banker – auch wegen ihrer internen Vernetzung. 2 Hans-Ulrich Meister nahm sich Zeit für<br />

den Nachwuchs. 3 Zuhören, nachdenken – und die Möglichkeit nutzen, Fragen zu stellen.<br />

Fotos: Martin Stollenwerk<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 37<br />

darin zu unterstützen, auch finanziell, aber<br />

letztl ich liegt es an jedem Einzelnen selbst:<br />

Es braucht die Bereitschaft, in die Weiterbildung<br />

– sei es nun fachlich oder sprachlich –<br />

zu investieren», erklärte der CEO Schweiz.<br />

«Das geht stets zulasten der Freizeit.»<br />

Keine Angst vor Veränderung haben<br />

Hans-Ulrich Meister schätzt die Qualitäten<br />

seiner Schweizer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />

so etwa Leistungsbewusstsein und<br />

Pflichtgefühl. Gleichzeitig stellt er aber eine<br />

gewisse Unbeweglichkeit fest. «Man sollte<br />

bereit sein, auch einmal eine neue Aufgabe<br />

innerhalb der Bank anzupacken und einen<br />

Ortswechsel zu vollziehen, selbst wenn man<br />

sich bereits ein Eigenheim gekauft hat», führte<br />

er aus. «Es ist manchmal sehr schwierig,<br />

einen St. Galler dazu zu bewegen, in Zürich<br />

zu arbeiten, oder einen Luzerner, nach Genf<br />

zu ziehen. Und wenn es um einen Auslandaufenthalt<br />

geht, kann man sich zwar einen<br />

Umzug nach New York oder London vorstellen,<br />

aber nach Indien oder Mexiko?»<br />

Doch selbst diese Bereitschaft zu Mobilität<br />

und Flexibilität nützt letztlich nichts, wenn<br />

das ehrliche Interesse fehlt. «Wer eine Weiterbildung<br />

nur macht, weil es im Lebenslauf<br />

gut aussieht, wird nicht reüssieren. Interesse<br />

für die Sache ist die Voraussetzung dafür,<br />

dass Sie einen guten Job machen, voller<br />

Elan, aber auch mit einer gewissen Lockerheit»,<br />

betonte Meister. «Und je breiter Ihr<br />

Interesse ist, umso besser. Ein guter Banker<br />

interessiert sich auch für politische Themen<br />

und für die Volkswirtschaft. Schliesslich ist<br />

die Credit Suisse der Motor der Schweizer<br />

KMU-Landschaft. Wir stellen rund einen Viertel<br />

der ungesicherten Kredite an Schweizer<br />

Firmen zur Verfügung. Davon profitieren über<br />

<strong>10</strong>0000 Unternehmen in der Schweiz.»<br />

Der CEO Schweiz nutzte die Möglichkeit,<br />

um den Talenten im Forum St. Peter in Zürich<br />

die Bedeutung der integrierten Bank zu erläutern.<br />

Hans-Ulrich Meister: «Die Strategie<br />

der so genannten One Bank funktioniert<br />

bei uns sehr gut und bietet enormes Potenzial.<br />

Die Erträge aus der divisionsübergreifenden<br />

Zusammenarbeit in der Schweiz betrugen<br />

im letzten Jahr rund zwei Milliarden<br />

Franken. Es ist unser klares Ziel, diese Erträge<br />

weiter zu steigern. Spartenübergreifende<br />

Netzwerke wie das Next Generation<br />

Network tragen dazu bei, dass die Umsetzung<br />

der One-Bank-Strategie in Zukunft<br />

noch besser funktionier t». Andreas Schiendorfer<br />

Next Generation Network<br />

In der Credit Suisse sind in den<br />

letzten Jahren verschiedene<br />

Netzwerke entstanden, um die<br />

Interessen spezifischer Gruppen<br />

von Mitarbeitenden zum Nutzen<br />

der Einzelnen und der Gesamtbank<br />

zu fördern. In der Schweiz gibt es<br />

ein Multi cultural Forum, ein Family<br />

Forum, ein Women’s Forum, das<br />

Open Network Switzerland sowie<br />

das Disability Interest Forum. Und<br />

so wie es ein Netzwerk 50+ gibt,<br />

sind auch die Nachwuchskräfte<br />

zusammengeschlossen. Wie<br />

wichtig gerade das Next Generation<br />

Network (NGN) aus Sicht<br />

der Bankspitze ist, beweist die<br />

Tat sache, dass an den bislang<br />

vier Jahresversammlungen immer<br />

ein Mitglied der Geschäftsleitung<br />

oder der Verwaltungsratspräsident<br />

teilnahm. Neu sollen auch die<br />

etwas älteren Career Starter ins<br />

NGN integriert werden. Zudem<br />

arbeitet das sechsköpfige Core<br />

Team an einer neuen, attraktiven<br />

Intranetplattform. schi<br />

Gemeinsam gegen<br />

die Jugendarbeitslosigkeit<br />

Die Chance, eine Stiftung für Berufspraxis in der Ostschweiz, setzt sich mit<br />

Erfolg für Schulentlassene ein, die aufgrund ihrer schulischen Leistung oder ihres<br />

Sozialverhaltens den gestiegenen Anforderungen für eine berufliche Ausbildung<br />

nicht auf Anhieb entsprechen können.<br />

«Die Qualität der Berufslehre und damit die<br />

an die Lernenden gestellten Anforderungen<br />

sind in den letzten Jahren kontinuierlich<br />

gestiegen», führt Helmut Gehrer, Gesamtprojektleiter<br />

der Stiftung Die Chance, aus.<br />

«Das ist mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Schweiz grundsätzlich<br />

zu begrüssen, aber es hat gleichzeitig dazu<br />

geführt, dass viel zu wenig Anlehren beziehungsweise<br />

Grundausbildungen mit Attest<br />

angeboten werden. Für leistungsschwächere<br />

Schüler führt dies oft zu Problemen.»<br />

Als Rektor der Berufsschule Rorschach hat<br />

Helmut Gehrer diese neue Herausforderung<br />

schon früh erkannt. So beenden rund zehn<br />

Prozent der Jugendlichen ihre Ausbildung mit<br />

dem Schulobligatorium ohne einen beruflichen<br />

Abschluss – und haben es nachher<br />

dementsprechend schwer auf dem Arbeitsmarkt.<br />

Rückblickend räumt Gehrer aber ein,<br />

dass selbst er das Ausmass des Problems<br />

zunächst unterschätzt habe. Zum einen<br />

glaubte er, bereits mit 15 bis 20 zusätzlichen<br />

Stellen die Situation in der Ostschweiz entschärfen<br />

zu können, zum anderen nahm er<br />

an, dass fast ausschliesslich Schülerinnen<br />

und Schüler mit einem Migrationshintergrund<br />

betroffen wären.<br />

Tatsächlich waren aber gemäss Jahresbericht<br />

2008 beinahe 54 Prozent der von<br />

der Stiftung Die Chance betreuten Jugendlichen<br />

Schweizer. Deshalb können nicht nur<br />

mangelhafte Deutschkenntnisse ausschlaggebend<br />

für die fehlende Integration in den<br />

Arbeitsmarkt sein.<br />

Zudem hat der von Markus Rauh präsidierte<br />

Stiftungsrat 2004 beschlossen,<br />

200 Jugendliche gleichzeitig ins Programm<br />

aufzunehmen. Inzwischen sind es sogar<br />

über 300, weil im Laufe des Schuljahres<br />

immer wieder neue Jugendliche hinzustossen.<br />

Und trotzdem werden auch im ursprünglichen<br />

Tätigkeitsgebiet (St. Gallen, Appenzell<br />

Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Thurgau)<br />

noch etliche Interessenten abgewiesen.<br />

«Dank der Unterstützung durch die Credit<br />

Suisse können wir unsere Arbeit auch auf ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


38 Credit Suisse<br />

die Kantone Glarus und Graubünden ausdehnen»,<br />

erklärt Helmut Gehrer. «Eine noch<br />

weiter gehende geografische Ausweitung<br />

des Projekts ist aber nicht vorgesehen, weil<br />

sonst der für den Erfolg massgebende persönliche<br />

Kontakt mit den Jugendlichen, den<br />

Unternehmern, den Lehrkräften und den<br />

Be hörden, aber auch unter uns Betreuern<br />

nicht mehr in der gewünschten Intensität gewährleistet<br />

werden kann. Erfreulicherweise<br />

ist unsere Idee aber in anderen Regionen,<br />

zum Beispiel in Thun/Interlaken, bereits<br />

adap tiert worden.»<br />

Guter Wille als Basis für alles<br />

Entscheidend für die Wahrnehmung der<br />

beruflichen Chance ist die «positive Grundhaltung»<br />

der Jugendlichen. Nicht in Frage<br />

kommt daher, wer nicht willens ist, an seinen<br />

Defiziten zu arbeiten und sich bei einem allfälligen<br />

Durchhänger durchzubeissen.<br />

«Neben Jugendlichen, die für eine Lehre<br />

die erforderlichen schulischen Leistungen<br />

nicht erbringen können, kommen auch solche<br />

in Frage, die wegen ihres so zialen Verhaltens<br />

Probleme haben», erklärt Helmut<br />

Gehrer. Trotz des kontinuierlich gewachsenen<br />

Projekts ist er nach wie vor die erste<br />

Anlaufstelle und führt mit jedem Stellensuchenden<br />

ein persönliches Gespräch.<br />

«Wenn sich später jemand wiederholt nicht<br />

an die vertraglich festgehaltenen Regeln hält,<br />

wird er aus dem Programm entlassen. Es<br />

darf beispielsweise nicht sein, dass sich jemand<br />

ständig unflätig benimmt, zu spät zur<br />

Arbeit kommt oder die von uns geforderten<br />

Zwischenberichte nicht schreibt. Wir nehmen<br />

da eine konsequente Haltung ein.» Und die<br />

Erfahrungen, die Gehrer bislang gemacht<br />

hat, sind durchaus positiv. Es scheint, als ob<br />

manche Jugendlichen sogar froh darüber<br />

sind, wenn jemand klare Regeln aufstellt<br />

und strikte auf deren Einhaltung pocht –<br />

vorausgesetzt, man ist gleichzeitig bereit,<br />

sich mit seiner ganzen Person, oft auch<br />

ausserhalb geregelter Bürozeiten, für sie<br />

einzusetzen. Jedenfalls müssen im Jahresdurchschnitt<br />

nur etwa ein halbes Dutzend<br />

Jugendliche wegen negativer Gründe aus<br />

dem Programm entlassen werden. Hinzu<br />

kommen weitere 40, die nach erfolgtem<br />

Start ihr berufliches Ziel selbständig erreichen<br />

wollen. «Dies ist ganz in unserem Sinn»,<br />

meint Gehrer. «Die Förde rung der Eigenverantwortlichkeit<br />

ist uns sehr wichtig.»<br />

Den Draht zur Jugend finden<br />

«Wichtig ist, dass wir Berater einen guten<br />

Draht zu den Jugendlichen finden, ihr Vertrauen<br />

gewinnen», betont die Ausbildungsberaterin<br />

Gaby Braun. «Ich staune immer<br />

wieder, wie vieles in Fluss kommt, wenn der<br />

Jugendliche spürt: Ich bin nicht mehr allein.»<br />

Der Erfolg gibt dem kleinen, effizienten<br />

«Chance»-Team Recht. Auch wenn viele<br />

besonders motivierte und gut integrierte<br />

Jugendliche aus der Bilanz fallen, ist diese<br />

hervorragend. Die ehrgeizige Vorgabe des<br />

Stiftungsrats für erfolgreich abgeschlossene<br />

Ausbildungen liegt bei 80 Prozent, jene<br />

für eine Anstellung nach erfolgreichem<br />

Abschluss bei 90 Prozent. Im Schnitt der<br />

letzten acht Jahre liegen die Werte sogar bei<br />

89 beziehungsweise über 98 Prozent.<br />

Der Jugendliche wird je nach Wohnort<br />

einem Ausbildungsberater zugewiesen. «Die<br />

Suche nach einem geeigneten Lehrbetrieb<br />

kann bis fünf Monate dauern, wobei dazu ein<br />

Die Chance<br />

521<br />

Jugendliche kamen seit 20<strong>02</strong> zu<br />

einem erfolgreichen Lehrabschluss.<br />

Dies entspricht einer Abschlussquote<br />

von 89 Prozent. Lediglich<br />

57 Jugendliche stiegen in dieser<br />

Zeit aus dem Vertrag aus, 28 scheiterten<br />

an der Abschlussprüfung.<br />

98,4<br />

Prozent beträgt die Beschäftigungsquote<br />

der Jugendlichen mit erfolgreichem<br />

Abschluss. Seit 20<strong>02</strong> fanden<br />

nur gerade 11 Personen innerhalb von<br />

zwei Monaten weder eine Arbeit noch<br />

eine Weiterbildungsmöglichkeit.<br />

186<br />

Unternehmen waren 2009 am Projekt<br />

Die Chance beteiligt. Grundsätzlich<br />

sind rund 900 Ostschweizer Unternehmen<br />

bereit, sich hier zu engagieren.<br />

Die Initiative Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit<br />

Als Beitrag zur langfristigen Förderung des Bildungs- und Werkplatzes Schweiz engagiert sich<br />

die Credit Suisse für die Verbesserung der Berufschancen von Jugendlichen. Im Rahmen<br />

der Initiative Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit stellt sie 30 Millionen Franken bereit. Dabei<br />

arbeitet sie in den nächsten drei bis fünf Jahren mit sieben kompetenten Partnern zusammen.<br />

Mehr Informationen unter www.credit-suisse.com/verantwortung<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 39<br />

oder zwei Schnupperlehren erforderlich sind.<br />

Alles in allem dauert die Betreuung im Durchschnitt<br />

gut drei Jahre», erklärt Gaby Braun.<br />

Sie hat – wie alle Ausbildungsberater – ihr<br />

Büro im eigenen Wohnhaus eingerichtet,<br />

um so trotz fast uneingeschränkter Erreichbarkeit<br />

doch noch ein gewisses Familienleben<br />

führen zu können. «Mittlerweile verfügen<br />

wir, nicht zuletzt dank der Vermittlung<br />

unserer Stiftungsratsmitglieder, über ein<br />

Netz von 900 Unternehmen in der Region,<br />

die grundsätzlich bereit sind, unsere Jugendlichen<br />

zu beschäftigen. Konkret sind es momentan<br />

über 180.» Im Normalfall handelt es<br />

sich dabei um neu geschaffene Stellen.<br />

Grosser Betreuungsaufwand lohnt sich<br />

Die Suche nach Ausbildungsbetrieben erweist<br />

sich als eher weniger schwierig als erwartet,<br />

dafür ist der Betreuungsaufwand<br />

umso grösser – für die Jugendlichen bei<br />

persönlichen, sozialen oder schulischen Problemen,<br />

aber auch für die Ausbildenden.<br />

«Gerade in kleinen Unternehmen fühlt sich<br />

der Patron oft allein gelassen, wenn Schwierigkeiten<br />

auftauchen.» In St. Gallen bietet<br />

mittlerweile der Branchenverband, basierend<br />

auf den Erfahrungen der Stiftung, den<br />

Detaillis ten diesen wichtigen Service an.<br />

Manchmal ist es übrigens gar nicht so einfach,<br />

herauszufinden, für welchen Beruf der<br />

Jugendliche sich wirklich interessiert und<br />

eignet. «Als wir begannen, fehlte jegliches<br />

stu fengerechtes Informationsmaterial», so<br />

Helmut Gehrer. «Wir haben deshalb vierseitige<br />

Prospekte für 69 Berufsbilder angefertigt,<br />

beispielsweise für Werkhofpraktiker,<br />

Blumenbinder oder Tiefkühlpraktiker.»<br />

Treue und zuverlässige Mitarbeitende<br />

«Viele Unternehmer lernen die Zuverlässigkeit,<br />

den Fleiss und die Treue dieser Mitarbeitenden<br />

schätzen», betont Gehrer. «Diese<br />

Jugendlichen identifizieren sich mit dem Betrieb,<br />

in dem sie sich wohlfühlen. Deshalb<br />

können sie nach Abschluss ihrer Ausbildung<br />

oft im Unternehmen bleiben oder finden mit<br />

wenigen Ausnahmen schnell eine feste Anstellung.»<br />

Schliesslich ist zu erwähnen, dass<br />

die mit privaten Mitteln finanzierte Stiftung<br />

derzeit mit 430 Stellenprozent auskommt.<br />

Deshalb kostet die Betreuung eines Jugendlichen<br />

im Durchschnitt nur etwa 2500 bis<br />

Die Finanzanalysten<br />

der Zukunft fördern<br />

Ein Team der Universität Zürich gewann die erste Schweizer Landesausscheidung<br />

zur Global Investment Research Challenge. Damit qualifizierten<br />

sich die künftigen Investmentexperten für das regionale Finale in Istanbul.<br />

Die Finanzanalysten und Investmentexperten,<br />

also die Chartered Financial Analysts,<br />

haben sich weltweit im CFA Institute zusammengeschlossen.<br />

Zu diesem gehören derzeit<br />

136 Organisationen aus 57 Ländern, seit<br />

1996 auch die Swiss CFA Society mit rund<br />

2000 Mitgliedern. «Wir wollen eine führende<br />

Rolle in der Förderung von Fachwissen, Professionalität<br />

und Integrität im Investment<br />

Business spielen», erklärt Executive Director<br />

Anne-Katrin Scherer. «Die Global Investment<br />

Research Challenge ist eine besonders wichtige<br />

Fortbildungsinitiative für die nächste Generation<br />

der Finanzwelt. Die von der Credit<br />

Suisse unterstützte erstmalige Schweizer<br />

Landesausscheidung hat mich in jeder Hinsicht<br />

überzeugt: Das Echo an den Universitäten<br />

und bei den Studenten war enorm, und<br />

die Gewinner gefielen durch die Kombination<br />

ihrer ausgezeichneten Fallstudie, der tiefgreifenden<br />

Sachkenntnisse sowie ihrer herausragenden<br />

Analysefähigkeiten.»<br />

Insgesamt nahmen über 60 Studenten von<br />

sechs Universitäten an der Landesausscheidung<br />

teil. Das Siegerteam der Universität<br />

Zürich, dem Adrian Amstalden, Daniel Ettli,<br />

Joël Schüepp, Pablo von Siebenthal und<br />

Mark Strauch angehörten, präsentierte als<br />

Fallstudie eine Unternehmensanalyse zur<br />

Myriad Group. Das war, wie Jurymitglied Olivier<br />

P. Müller, Equity Research Credit Suisse,<br />

betonte, eine eigentliche Knacknuss. Der<br />

führende Hersteller von Software für Mobiltelefone<br />

ist im April 2009 aus der Fusion von<br />

Esmertec und Purple Labs entstanden,<br />

schrieb als Folge davon zunächst hohe Verluste<br />

und besass noch keine Zahlen und<br />

Eckdaten, anhand derer sich Prognosen und<br />

Schätzungen ableiten liessen. Deshalb mussten<br />

die Studenten ihre Einschätzung von<br />

Grund auf neu erarbeiten, wobei ihnen – wie<br />

den anderen Teams – ein Fachexperte als<br />

Mentor den einen oder anderen Tipp gab.<br />

Für ihren Einsatz wurden sie gleich mehrfach<br />

belohnt. Die Universitäten Zürich und<br />

Neuenburg boten die Challenge als Kurse an,<br />

bei denen man Credits holen konnte. Zudem<br />

waren mit dem Sieg nicht nur 3000 Franken<br />

verbunden, sondern auch die Teilnahme an<br />

der regionalen Ausscheidung in Istanbul.<br />

Hier erreichten die Schweizer den Final der<br />

besten sechs, wo sich Südafrika durchsetzte.<br />

Das Wichtigste war jedoch der aufgrund<br />

des Praxisbezugs erzielte enorme Lern effekt.<br />

Den besten Researchbericht lieferte ein<br />

anderes Team der Universität Zürich (Sandro<br />

Braun, Fabian Forrer, Markus Mühlemann,<br />

Patrick Quensel, Johanna Voser), die beste<br />

Projektpräsentation in Englisch hielt ein Genfer<br />

Team (Gianluca Castilli, Bruce Crochat,<br />

Alexandre Durr, Aurélien Michaud). schi<br />

Mehr Informationen unter www.scfas.org<br />

3000 Franken pro Jahr. Andreas Schiendorfer<br />

Foto: scfas<br />

Mehr Informationen unter<br />

www.die-chance.ch<br />

Das Siegerteam der Universität Zürich qualifizierte sich für die regionale Ausscheidung in Istanbul.<br />

Hier stiessen die Schweizer unter die besten sechs Teams vor – eine ausgesprochen starke Leistung.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


40 Credit Suisse<br />

Ferienregion Tessin kämpft<br />

um Platz an der Sonne<br />

<strong>Süden</strong> – Sonne – Ferien. Das Tessin ist die Sonnenstube unseres Landes<br />

und derjenige Kanton, der am weitesten in den <strong>Süden</strong> reicht. Trotz<br />

Topi nfrastruktur und einer Reputation als Prestigedestination liegen aber<br />

die Gästezahlen tiefer als zu Beginn der Neunzigerjahre.<br />

Gemessen an der Anzahl Logiernächte in<br />

Hotels und Kurbetrieben liegt das Tessin<br />

nach Graubünden, Bern, Wallis, Zürich und<br />

Genf an sechster Stelle der Schweizer Kantone.<br />

2009 wurden rund 2,6 Millionen Logiernächte<br />

registriert, dies entspricht etwa<br />

sieben Prozent der Logiernächte der Schweiz.<br />

Während sich die drei Spitzenreiter neben<br />

der Sommersaison durch ausgeprägte Winteraktivitäten<br />

auszeichnen, kommt bei Zürich<br />

und Genf der Geschäftstourismus als wichtiger<br />

Nachfragefaktor hinzu. Wenn man die<br />

Bevölkerung berücksichtigt, wies die Tourismusregion<br />

Tessin 2009 die vierthöchste<br />

Touris musintensität der Schweiz auf (Abbildung<br />

oben). Das bedeutet, dass im Tessin<br />

auf Hundert Einwohner zwei Übernachtungen<br />

von Touristen in Hotels und Kurbetrieben<br />

kommen. Der Tourismus ist folglich für den<br />

Kanton ein bedeutender Wirtschaftsfaktor:<br />

Der Wertschöpfungsanteil des Tourismus<br />

im Tessin liegt gemäss Experten bei rund<br />

15 Prozent des kantonalen Bruttoinlandprodukts<br />

(BIP).<br />

Schweizer Gäste in der Mehrheit<br />

Die langfristige Entwicklung der Übernachtungen<br />

im Tessin stagniert allerdings. So<br />

liegt die jährliche Anzahl Logiernächte in<br />

Tessiner Hotels und Kurbetrieben heute um<br />

mehr als 15 Prozent unter dem Stand von<br />

1992. Allerdings verdeckt dieser generelle<br />

Trend deutliche Unterschiede zwischen den<br />

einzelnen Gemeinden. Der Kanton profitierte<br />

insgesamt deutlich weniger stark vom letzten<br />

konjunkturellen Aufschwung als andere Tourismusregionen.<br />

Insbesondere die Städte<br />

Zürich und Genf partizipierten unter anderem<br />

dank dem Geschäftstourismus und dem<br />

Boom im Städtetourismus überdurchschnittlich<br />

an der wirtschaftlichen Hausse und<br />

konnten ihre Logiernächte seit 1992 um etwa<br />

30 Prozent steigern. Das Tessin hingegen<br />

scheint sich im Abwärtstrend zu bewegen.<br />

Einer der Gründe für diese negative Entwicklung<br />

ist die überdurchschnittliche Abhängigkeit<br />

von Schweizer Gästen. 2009<br />

kamen etwa 55 Prozent der Gäste aus dem<br />

Inland, verglichen mit 43 Prozent für die gesamte<br />

Schweiz. Die Übernachtungszahlen<br />

von Schwei zer Gästen im Tessin konnten seit<br />

dem Zwischenhoch 2000 aber nicht gehalten<br />

werden (Abbildung unten).<br />

Von den Asiaten bislang nicht entdeckt<br />

Bei deutschen Gästen sowie Touristen aus<br />

den USA und Grossbritannien resultierte gar<br />

eine Reduktion um rund 40 Prozent seit 2000.<br />

Logiernächte in Hotels und Kurbetrieben<br />

pro <strong>10</strong>0 Einwohner<br />

Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />

>6<br />

4–6<br />

2–4<br />

1–2<br />

< 1<br />

1.6<br />

Logiernächte in Tessiner Hotels<br />

und Kurbetrieben<br />

Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />

1999 =<strong>10</strong>0<br />

220<br />

180<br />

140<br />

<strong>10</strong>0<br />

60<br />

20<br />

1.0<br />

00<br />

01<br />

0.3<br />

0.4<br />

<strong>02</strong><br />

0.4<br />

5.2<br />

4.0<br />

0.7<br />

03<br />

04<br />

Schweiz Deutschland Italien Niederlande<br />

Frankreich USA BRIC Grossbritannien<br />

1.3<br />

0.7<br />

05<br />

2.1<br />

06<br />

0.6<br />

07<br />

8.5<br />

08<br />

09<br />

In diesen gesättigten Märkten ist es nicht<br />

zuletzt aufgrund des wachsenden Angebots<br />

an Konkurrenzdestinationen enorm schwierig,<br />

neue Gäste zu gewinnen, respektive die<br />

bestehenden zu halten. Hingegen ist das<br />

Tessin unterdurchschnittlich in Wachstumsmärkten<br />

wie beispielsweise den BRIC-Ländern<br />

(Brasilien, Russland, Indien und China)<br />

vertreten, deren Gästezahlen sich um zwei<br />

Drittel erhöhten. Nur 1,6 Prozent der Gäste<br />

stammen aus dieser Ländergruppe, für die<br />

Schweiz insgesamt erreicht ihr Anteil mehr<br />

als das Doppelte. Das Tessin partizipiert also<br />

nur unterdurchschnittlich an den rasant<br />

wachsenden Einkommen in diesen Ländern.<br />

Gäste aus diesen Staaten sind in der Regel<br />

deutlich spendabler, was neben dem Gastgewerbe<br />

auch anderen Branchen in der Region<br />

wie dem Detailhandel zugute kommt.<br />

In den letzten vier Jahren war in der<br />

Tessiner Hotellerie im Durchschnitt nur<br />

knapp jedes zweite Zimmer besetzt. Dies ist<br />

in vielen Fällen nicht ausreichend, um kostendeckend<br />

zu wirtschaften oder gar eine<br />

befriedigende Profitabilität zu erreichen.<br />

Nicht nur im Tessin weist das Gastgewerbe<br />

strukturelle Probleme auf. Die Branche ist in<br />

den meisten Regionen der Schweiz durch<br />

eine kleinbetriebliche Struktur gekennzeichnet.<br />

42 Prozent der Beschäftigten arbeiten<br />

in Betrie ben mit weniger als zehn Mitarbeitenden.<br />

Viele dieser Betriebe sind zu<br />

klein, um Skalenerträge erzielen zu können,<br />

was ihre tiefe Rentabilität zumindest teilweise<br />

erklärt. Nicht einmal in konjunkturellen<br />

Boomphasen erwirtschaften sie genügend<br />

finanzielle Mitte l, damit die notwendigen Ersat<br />

z- und Erneuerungsinvestitionen getätigt<br />

werden können, um den wandelnden Gästebedürfnissen<br />

gerecht zu werden. Zudem<br />

weist die Tourismusdestination Schweiz im<br />

Vergleich zu ihrer Konkurrenz einen Kostennachteil<br />

auf, besonders in Bezug auf die<br />

Arbeitsauslagen. Trotzdem ist der internationale<br />

Tourismus ein Wachstumsmarkt, insbesondere<br />

aufgrund der rasch wachsenden<br />

Einkommen in den Schwellenländern. Die<br />

Schweiz wie auch das Tessin verfügen über<br />

eine grosse landschaftliche Vielfalt, eine<br />

Topinfra struktur und eine Reputation als<br />

Prestigedestination. Dies sind gute Voraussetzungen,<br />

um von dieser Entwicklung zu<br />

profitieren. Nicole Brändle, Economic Research<br />

Mehr Informationen unter<br />

www.credit-suisse.com/research<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 41<br />

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Daniel Huber (Chefredaktor, dhu), Marcus Balogh (mb),<br />

Valérie Clapasson Fahrni (cfv), Fabienne de Lannay (fdl),<br />

Dorothée Enskog (de), Regula Gerber (rg), Michael Krobath (mk),<br />

Mandana Razavi (mar) und Andreas Schiendorfer (schi)<br />

E-Mail<br />

redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com<br />

Mitarbeit an dieser Ausgabe<br />

Pierre-Yves Bolinger, Nicole Brändle, Simon Evenett,<br />

Eva Halper, Fredy Hasenmaile, Barbara Hatebur,<br />

Anja Hochberg, Fabian Huwyler, Lukas Lessing, Pascal Rohner,<br />

Stefanie Schramm, Andreas Walker, Adrian Zürcher<br />

Internet<br />

www.credit-suisse.com/<strong>bull</strong>etin<br />

Marketing<br />

Veronica Zimnic (vz)<br />

Korrektorat<br />

Claudia Marolf, notabene<br />

Boris Rebetez (*1970), Anticipations IV, 2009, schwarze und grüne Tinte auf Papier, 555 x 75 cm.<br />

Seit Ende März ausgestellt in der Geschäftsstelle Freiburg.<br />

Übersetzungen<br />

Credit Suisse Language Services<br />

Foto: Credit Suisse<br />

Moderne Illusionsräume<br />

In der grosszügigen neuen Besprechungszone im ersten Obergeschoss<br />

der Geschäftsstelle Freiburg vereinen sich traditionelle Gemälde von Künstlern<br />

aus dem lokalen Fundus mit zeitgenössischen Werken aus der Sammlung<br />

Credit Suisse. Besonderes Augenmerk wurde auf die Einbettung der Werke in<br />

ihre jeweilige Raumsituation gelegt. So dürften im zentralen Foyer nicht wenige<br />

der aus dem Lift tretenden Kundinnnen und Kunden von zwei schwungvollen<br />

Zeichnungen überrascht werden. Im Stil einer virtuosen Bande dessinée führt<br />

der 1970 im Jura geborene und heute in Basel lebende Künstler Boris Rebetez<br />

seine Auseinandersetzung mit dem Raum vor: Raum in Bezug zu Architektur,<br />

Landschaft oder Natur. In unterschiedlichsten Medien erarbeitet und erprobt der<br />

Künstler Raumkonzepte und spielt mit der Wahrnehmung von Innen- und<br />

Aussenbereichen. «Anticipations IV» (2009) gehört einer während eines Studienaufenthalts<br />

in Rom entstandenen Werkreihe an und zeigt eine in schwungvoller<br />

Federführung ausgeführte, auf einem Sockel stehende Plastik im Vordergrund.<br />

Die elliptische Form lässt Ein- und Durchblicke zu, lotet das Innen und<br />

Aussen durch Umkehrung wie auch durch Öffnungen aus. Eine Art Treppe,<br />

die an ein Auditorium oder an ein Amphitheater erinnert, schliesst die Zeichnung<br />

gegen hinten ab und lenkt den Blick wiederum auf das davor platzierte Kunstwerk.<br />

Schwarze Linien werden dynamisch gezogen, ballen sich zu Schraffuren<br />

oder verdichten sich zu Flächen. Die Härte des Schwarz wird durch verwässertes<br />

Grün gedämpft. Unsicher ist, ob es sich wirklich um eine Architektur<br />

handelt, und in welchem Bezug die vermeintliche «Plastik» zu ihr steht. Auch<br />

die Menschen werden im Hintergrund nur angedeutet und verorten sich nicht.<br />

Boris Rebetez operiert mit Architekturmodellen, die realitätsnah scheinen<br />

und zugleich irritieren, indem sie sich zu modernen Illusionsräumen auflösen.<br />

Mehr Informationen unter www.credit-suisse.com > Wir über uns ><br />

Sponsoring > Kunst > Sammlung Credit Suisse Barbara Hatebur, Fachstelle Kunst<br />

Gestaltung<br />

www.arnold.inhaltundform.com:<br />

Arno Bandli, Raphael Bertschinger, Monika Häfliger,<br />

Nadia Bucher (Projektmanagement), Carola Bächi (Korrektorat)<br />

Inserate<br />

print-ad kretz gmbh, Andrea Hossmann und Esther Kretz,<br />

General-Wille-Strasse 147, CH-8706 Feldmeilen,<br />

Telefon +41 44 924 20 70, <strong>bull</strong>etin@kretzgmbh.ch<br />

Beglaubigte WEMF-Auflage 2009<br />

145 504<br />

ISSN-Registrierung<br />

ISSN 1423-1360<br />

Druck<br />

NZZ Fretz AG /Zollikofer AG<br />

Redaktions kommission<br />

Richard Bachem (Head Marketing Private and Business<br />

Banking Switzerland), René Buholzer (Head Public Policy), Urs<br />

P. Gauch (Leiter Firmenkunden Schweiz – Grossunternehmen),<br />

Fritz Gutbrodt (Direktor Credit Suisse Foundation), Anja Hochberg<br />

(Head Investment Strategy Asset Management), Angelika<br />

Jahn (Investment Services & Products), Bettina Junker Kränzle<br />

(Head Internal Corporate Publishing & Services), Hanspeter<br />

Kurzmeyer (Head Private Clients Switzerland), Martin Lanz<br />

(Economic Research), Andrés Luther (Head Group Communications),<br />

Charles Naylor (Head Corporate Communications),<br />

Christian Vonesch (Head Private & Business Banking Aarau)<br />

Erschei nt im 116. Jahrgang<br />

(5 x pro Jahr in deutscher, französischer, italienischer und<br />

englischer Sprache) Nachdruck von Texten gestattet mit dem<br />

Hinweis «Aus dem <strong>bull</strong>etin der Credit Suisse».<br />

Adress änderungen<br />

Bitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts<br />

an Ihre Credit Suisse Geschäftsstelle oder an:<br />

Credit Suisse AG, SULA 213, Postfach <strong>10</strong>0, CH-8070 Zürich.<br />

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken.<br />

Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens<br />

der Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften.<br />

Hinweise auf die frühere Performance garantieren nicht<br />

notwendi gerweise positive Entwicklungen in der Zukunft.<br />

Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation<br />

wurden durch die Credit Suisse erarbeitet und könnten<br />

vor ihrer Weitergabe an die Kunden von Credit Suisse bereits<br />

für Transaktionen von Gesellschaften der Credit Suisse<br />

Group verwendet worden sein. Die in diesem Dokument vertretenen<br />

Ansichten sind diejenigen der Credit Suisse<br />

zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vorbehalten.)<br />

Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


42 Credit Suisse<br />

Mit Roger Federer auf Schulbesuch<br />

in Kore Roba, Äthiopien<br />

Am 12. Februar 20<strong>10</strong> reiste Roger Federer nach Kore Roba, einem kleinen Dorf nördlich von<br />

Addis Abeba, wo seine Foundation seit drei Jahren ein Schulprojekt unterstützt. Wie der<br />

zurzeit weltbeste Tennisspieler im Dorf empfangen wurde und wie er sich im Rennen über einen<br />

Kilometer gegen die besten Läufer der Schule behauptete, schildert folgender Bericht.<br />

Singen und Klatschen mit dem Tennisstar: Roger Federer unterstützt mit seiner Foundation seit drei Jahren die Schule in Kore Roba.<br />

In dieser Zeit stieg die Zahl der Schüler von 250 auf 4<strong>10</strong> Kinder und der Anteil der Mädchen von 38 auf 51 Prozent.<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 43<br />

Fotos: Marcel Grubenmann | Daniel Huber<br />

Als Roger Federer in Addis Abeba landet,<br />

regnet es in Strömen. In Äthiopien gibt es<br />

jeweils im Februar die so genannte kleine<br />

Regenzeit, bei der es zwar nicht ständig, aber<br />

recht häufig regnet. Die Reise führt durch<br />

die Siebenmillionen-Metropole Addis Abeba<br />

hinauf ins hügelige Hochland der Region<br />

Sululta. «Irgendwie hatte ich mir Äthiopien<br />

viel karger und trockener und nicht so grün<br />

vorgestellt», sagt Federer. «Diese Landschaft<br />

hier oben ist wirklich wunderschön.»<br />

Nach etwa einer Stunde Fahrt heisst es<br />

aussteigen. Das letzte schlammig zerfurchte<br />

Wegstück bis zur Schule ist nur mit Geländewagen<br />

oder eben zu Fuss zu schaffen. Federer<br />

übernimmt mit Hailu Benti und der Übersetzerin<br />

die Spitze. Hailu ist der Leiter der regional<br />

verankerten Hilfsorganisation EFDA,<br />

welche dank der Unterstützung der Roger<br />

Federer Foundation den Zugang und die<br />

Qualität der Bildung in zwei Schulen nachhaltig<br />

verbessern konnte. Nach einer Viertelstunde<br />

ist die Schule, die aus drei gemauerten<br />

Gebäuden und zwei sanitären<br />

Wellblechhütten besteht, erreicht. Federer<br />

wird am Eingang von rund 400 singenden<br />

Kindern empfangen. Sichtlich gerührt begrüsst<br />

er die Leiterin der Schule. «Ich war<br />

nur schon vom Gesang dieser Kinder zu<br />

Tränen gerührt», erzählt er später. «Als ich<br />

dann noch erfuhr, was sie sangen, war es<br />

gleich nochmals so weit.» Father Roger,<br />

welcome here, good to see you, ...<br />

Säuerliches Fladenbrot und Gelächter<br />

Mittlerweile ist die ganze Besuchergruppe<br />

durch die Spalier stehenden Kinder auf dem<br />

Schulplatz eingetroffen. Federer ist eingetaucht<br />

in der Menge, drückt hier einem<br />

schüchternen Mädchen in weissem Sonntagskleid<br />

die Hand, spricht da mit einer Lehrerin<br />

ein paar Worte und lässt sich von Hailu<br />

die verschiedenen Neuerungen erklären. Die<br />

Schule liegt am Rande einer Dorfsiedlung,<br />

die aus lose angeordneten Hütten besteht.<br />

Die drei Gebäude beherbergen mehrere<br />

Schulzimmer, eine Bibliothek sowie eine Art<br />

Büro und Lehrerzimmer. Daneben ist ein<br />

grosses Feld, wo neben weidenden Ziegen<br />

Kinder herumrennen und Volleyball spielen.<br />

In einem provisorisch aufgestellten Zelt<br />

wird zu einem traditionellen Injera-Mahl geladen.<br />

Dabei dient ein säuerliches Fladenbrot<br />

als Teller und Speise zugleich. Von Hand<br />

werden kleine Stücke des Injera abgerissen,<br />

um damit die anderen Speisen zu umwickeln<br />

und zum Mund zu führen. Roger wird von<br />

1 2<br />

1 Roger Federer, abgeschlagen weit hinten im roten T-Shirt, ist beim Kilometerlauf auf 2500 Metern Höhe<br />

chancenlos. 2 Reich beschenkt: der weltbeste Tennisspieler in den Farben Äthiopiens.<br />

Äthiopien in Zahlen<br />

Grösse<br />

1 127 127 km 2<br />

(mehr als dreimal so gross wie Deutschland)<br />

Bevölkerung<br />

76 Mio.<br />

Lebenserwartung<br />

47,6 Jahre<br />

Ernährung<br />

47%<br />

der Kinder unter fünf Jahren sind unterernährt<br />

Zugang zu Trinkwasser<br />

22%<br />

der Bevölkerung (Stadt 90%, Land 20%)<br />

Analphabetenrate<br />

58,5%<br />

Einschulungsquote<br />

46%<br />

Grundschule<br />

25%<br />

Sekundarschule<br />

Kindern mit Fragen überhäuft. Noch so gerne<br />

erzählt er von seinen eigenen Zwillingstöchtern<br />

Myla und Charlene. Ein Mädchen möchte<br />

darauf wissen, wie alt er sei. «Was schätzt<br />

du?», gibt der 28-jährige Federer die Frage<br />

zurück. Worauf diese zaghaft meint: «Bei den<br />

Weissen kann ich das nicht so gut sagen –<br />

45?» Die Stimmung im Zelt ist auf dem Höhepunkt.<br />

«Your Excellency Roger Federer»<br />

Kore Roba<br />

Dann kommt es zum offiziellen Teil des Besuchs.<br />

In einem der Schulzimmer, das blau<br />

ausgestrichen ist und dessen Lehmboden zu<br />

Ehren des hohen Gastes mit frischem Gras<br />

bestreut ist, hält Hailu eine vorbereitete Rede.<br />

Verschiedentlich spricht er den Gast mit<br />

«Your Excellency Roger Federer» an, was<br />

dieser mit einem Lächeln zur Kenntnis nimmt.<br />

Hailu zeigt auf, was für Fortschritte in der<br />

Kenia<br />

Eritrea<br />

Addis Abeba<br />

Dschibuti<br />

Somalia<br />

Schule von Kore Roba dank der Unterstützung<br />

der Foundation möglich waren. So stieg<br />

die Zahl der Schüler von 250 auf 4<strong>10</strong> Kinder<br />

an und der Anteil der Mädchen von 38 auf<br />

51 Prozent. Zudem konnte ein neues Gebäude<br />

mit vier Klassenzimmern fertiggestellt<br />

und nicht zuletzt konnten auch die Lehrer und<br />

Lehrerinnen besser geschult werden. Für<br />

das ganze Dorf von grosser Bedeutung war<br />

zudem die Install ation einer neuen Trinkwasser-Handpumpe<br />

am Rande des Schulgeländes,<br />

die auch noch von Federer offiziell eingeweiht<br />

wurde. Gemäss der Tradition des<br />

Landes wird während des Vortrags von einer<br />

Lehrerin in einer aufwändigen Zeremonie<br />

frischer Kaffee zuerst geröstet und dann aufgebrüht.<br />

Federer kommt seinen Pflichten als<br />

Ehrengast gerne nach und schneidet das<br />

riesige, süsslich schmeckende Brot an und<br />

verteilt Tassen mit aromatischem Kaffee. ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


44 Credit Suisse<br />

Zurück im Freien steht nun der eigentliche<br />

Höhepunkt des Besuchs an: Roger Federer<br />

misst sich mit den besten Läufern der Schule<br />

über eine Distanz von einem Kilometer. Die<br />

Strecke ist mit Fähnchen und Seilen notdürftig<br />

auf dem ackerähnlichen Feld neben der<br />

Schule ausgesteckt. Nach einem kurzen<br />

Blick auf die schon etwas älteren, sich einlaufenden<br />

Teenager gibt sich Federer bescheiden:<br />

«Die sehen sehr laufstark aus.<br />

Gegen die werde ich wohl kaum eine Chance<br />

haben.» Nach einem etwas chaotischen<br />

Start sorgt insbesondere die zufällig auf der<br />

Laufstrecke weidende Ziege, die sich spontan<br />

dem Läuferfeld anschliesst, für ausgelassenes<br />

Gelächter. Federer ist chancenlos,<br />

hält aber tapfer die drei Runden durch. Sichtlich<br />

gezeichnet sagt er im Ziel: «Die Höhe<br />

von fast 2500 Metern hat mir schon recht zu<br />

schaffen gemacht, auch trainiere ich nie<br />

Langstrecken, sondern vor allem Intervall-<br />

Sprints.» Was ihn aber vor allem tief beeindruckte:<br />

«Die Strecke war voller Löcher mit<br />

Steinen und Dornen und weiss nicht was,<br />

und viele von diesen Kindern sind barfuss<br />

gerannt, unglaublich!» Glücklicherweise kamen<br />

alle Fussgelenke heil ins Ziel.<br />

Bälle im Tausch gegen Strickmütze<br />

Nach der Siegerehrung werden Gastgeschenke<br />

ausgetauscht. Roger übergibt den<br />

Schulverantwortlichen im Namen der Foundation<br />

eine Reisetasche voll mit Bällen,<br />

T-Shirts und Mützen. Im Gegenzug übergeben<br />

ihm Kinder eine handgestrickte Mütze<br />

mit Schal in den äthiopischen Landesfarben,<br />

die er spontan anzieht. Dazu kommen handgewobene<br />

Stoffe, Schale, ein Korb und vieles<br />

mehr für die Familie. In der Zwischenzeit<br />

sind über den Hügeln immer mehr bedrohlich<br />

schwarze Gewitterwolken aufgezogen. Die<br />

Fahrer drängen zum Aufbruch. Roger besteigt<br />

sichtlich zufrieden den Bus und winkt<br />

den strahlenden Kindergesichtern entlang<br />

dem Weg ein letztes Mal zu. Für ihn steht<br />

fest: «Dieser Besuch hat sich für mich sehr<br />

gelohnt. Ich wurde reich beschenkt – vor<br />

allem auch mit bleibenden Eindrücken.»<br />

Daniel Huber<br />

<br />

<br />

Die Credit Suisse unterstützt die Foundation<br />

von Roger Federer im Rahmen der im Herbst<br />

2009 eingegangenen Sponsoringpartner -<br />

schaft jährlich mit einer Million US-Dollar<br />

Infos unter www.rogerfedererfoundation.org<br />

Lesen Sie auch das grosse Interview<br />

mit Roger Federer auf Seite 86.<br />

Die Logistik ist der Motor<br />

der ersten Hilfe<br />

Seit dem 12. Januar vergeht kaum eine Woche ohne Schlagzeilen aus<br />

Haiti. Bei allem Elend gibt es auch Lichtblicke: Die Hilfswerke, allen voran<br />

die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften,<br />

melden beeindruckende Erfolge. Wichtig waren vor allem die ersten Tage.<br />

Eine Spende aus dem Katastrophenhilfe-Fonds der Credit Suisse ermöglichte<br />

dem Schweizerischen und Amerikanischen Roten Kreuz schnelles Handeln.<br />

Eine Katastrophe kommt leider selten allein.<br />

Dieses Jahr setzte die Regenzeit in Haiti<br />

bereits in der zweiten Märzhälfte ein, rund<br />

drei Wochen früher als üblich. Für die Hilfswerke<br />

aus aller Welt begann ein nervenaufreibender<br />

Wettlauf mit der Zeit. Würde<br />

es gelingen, den 1,3 Millionen Menschen, die<br />

durch das Erdbeben ihr Obdach verloren hatten,<br />

einen trockenen Platz zu verschaffen?<br />

Schliesslich schafften sie es – weil ein<br />

Scheitern fatal gewesen wäre. Doch es waren<br />

enorme Anstrengungen nötig, die alle<br />

Beteiligten an die Grenzen ihrer Leistungsund<br />

auch Leidensfähigkeit brachte. «Wir<br />

haben 700 Zelte, 1700 Planen, 3000 Matratzen<br />

und viele weitere Güter geliefert, die<br />

das einheimische Rote Kreuz an Obdachlose<br />

verteilte», berichtet Hannes Heinimann, Leiter<br />

Katastrophen hilfe des SRK. «Zudem stellte<br />

das SRK die Logistik für die Hilfsgüterlieferungen<br />

der Rotkreuz-Bewegung sicher.»<br />

Auch wenn sie in der Regel nicht gebührend<br />

gewürdigt wird, so ist in der Katastrophenhilfe<br />

doch die Logistik das A und O des<br />

Erfolgs. Unmittelbar nach dem Beben sandte<br />

die ganze Welt Hilfsgüter nach Haiti, doch<br />

manch ein Flugzeug musste unverrichteter<br />

Dinge wieder umkehren, weil es auf dem<br />

kleinen, halbzerstörten Flughafen von Porteau-Prince<br />

nicht landen konnte. Und wo Hunderte<br />

von Tonnen, die natürlich trotzdem<br />

ankamen, zwischenlagern? Wie sie ver teilen?<br />

Ab dem 18. Januar über nahm das Nothilfeteam<br />

des SRK die Abwicklung aller<br />

Rotkreuz-Hilfslieferungen – total 5000 Tonnen,<br />

die von der Mehrzahl der 186 nationalen<br />

Gesellschaften stammten.<br />

«Die Katastrophenhilfe des Roten Kreuzes<br />

ist in den letzten 15 Jahren immer professioneller<br />

geworden», erklärt Thomas Kumpera,<br />

der Programmverantwortliche für Nothilfeaktionen.<br />

«Die verschiedenen nationalen<br />

Gesellschaften konzentrieren sich dabei<br />

auf genau definierte Bereiche, damit sie<br />

sich im Ernstfall optimal ergänzen können.<br />

Die Schweiz ist, wie fünf weitere Länder,<br />

auf die Logistik spezialisiert. Wir haben entsprechend<br />

geschulte Katastrophenhelfer<br />

und verfügen über das nötige Material. Zudem<br />

können wir im Bereich gesundheitliche<br />

Basishilfe geschultes Personal stellen.»<br />

Beim Roten Kreuz spricht man von Notfall-Soforthilfeeinheiten<br />

beziehungsweise in<br />

der englischen Föderationssprache Emergency<br />

Response Units (ERUs). Nach dem<br />

Hilfegesuch des Haitianischen Roten Kreuzes<br />

landete umgehend eine Anfrage der<br />

Föderation in Bern, ob die Schweiz die ><br />

Das Rote Kreuz in Haiti 18 nationale Rotkreuzgesellschaften sind<br />

derzeit in Haiti im Einsatz. So hat das Britische Rote Kreuz in Santo<br />

Domingo ein zweites Logistikzentrum eingerichtet und ist zudem<br />

im Bereich sanitäre Einrichtungen engagiert. Das Amerikanische Rote<br />

Kreuz wiederum konzentriert sich auf IT/Telekommunikation sowie auf<br />

Aufräumarbeiten und Unterkünfte. Die Mitarbeitenden der Credit Suisse<br />

trugen ebenfalls zur Finanzierung bei. Sie haben weltweit ansehnliche<br />

Summen gesammelt. Der Betrag wurde von der Bank um das Doppelte<br />

erhöht und anschliessend der entsprechenden nationalen Rotekreuzgesellschaft<br />

zur Verfügung gestellt. Das Schweizerische Rote Kreuz ist<br />

weiterhin dankbar für jede Spende auf das Postcheckkonto 30-9700-0<br />

(Haiti). Aktuelle Informationen über die Situation in Haiti findet man<br />

unter www.redcross.org sowie www.redcross.ch.<br />

Fotos: Patrice Charmillot, SRK | American Red Cross<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 45<br />

1<br />

2<br />

3 4<br />

1 Beim Erdbeben in Haiti verloren rund 1,3 Millionen Menschen ihr Obdach, weit über 200 000 sogar ihr Leben. 2 Ein auf den ersten Blick wenig spektakuläres<br />

Foto; aber ohne die Arbeit der Logistiker des Schweizerischen Roten Kreuzes, rechts Andrea Schmid, wäre die Hilfe für die notleidende Bevölkerung fast nicht<br />

möglich. 3 Die Mehrzahl der Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaften schickten Hilfsgüter, deren 18 sind vor Ort präsent. 4 Das Amerikanische Rote Kreuz<br />

hat sich auf IT/Telekommunikation sowie auf die Erstellung von Unterkünften spezialisiert. Letzteres war in Haiti angesichts der drohenden Regenzeit besonders<br />

wichtig; davon konnte sich Eric Eckholdt, Leiter der Credit Suisse American Foundation, im amerikanischen Hauptquartier persönlich überzeugen.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


46 Credit Suisse<br />

gewünschte Logistics ERU stellen könne.<br />

«Da die Bevölkerung in Haiti nicht englisch,<br />

sondern höchstens französisch spricht, waren<br />

wir gewissermassen erste Wahl», blickt<br />

Thomas Kumpera zurück. «Zudem kannten<br />

wir die örtlichen Verhältnisse bereits sehr gut.<br />

Wir waren ja schon im September 2008 nach<br />

der Hurrikankatastrophe in Haiti.»<br />

Bis die Soforthilfe abgeschlossen ist, sind<br />

drei bis fünf Staffeln à vier Wochen mit<br />

jeweils sechs Logistikern nötig. Da zudem<br />

das deutsche Basic Health Care Team um<br />

Unter stützung durch insgesamt zwölf Gesundheitsspezialisten<br />

bat, waren Kosten<br />

von rund einer Million Franken absehbar.<br />

«Weil die Credit Suisse sofort nach unserer<br />

Zusage aus ihrem Katas trophenhilfe-<br />

Fonds eine Million Dollar zusicherte, die je<br />

zur Hälfte an das SRK und an das Amerikanische<br />

Rote Kreuz ging, konnten wir unsere<br />

Hilfeleistungen sofort ausbauen respektive<br />

erhöhen», so Wanda Arnet, die beim SRK für<br />

Corporate Partnerships zuständig ist.<br />

In vier Wochen 2000 Tonnen abgefertigt<br />

«Ich bin froh, diesen wichtigen Einsatz geleistet<br />

zu haben», sagt Andrea Schmid. «Wir<br />

fertigten 43 Frachtflüge und <strong>10</strong> Seecontainer<br />

mit mehr als 2000 Tonnen Material ab.<br />

Danach waren wir total erschöpft. Wir arbeiteten<br />

jeden Tag von morgens um sechs bis<br />

tief in die Nacht. Hitze und Staub machten<br />

uns zusätzlich zu schaffen.» Doch das Positive<br />

überwog. Sehr angenehm empfand<br />

Andrea Schmid die Zusammenarbeit mit<br />

den lokalen Rotkreuz-Mitarbeitenden. «Wir<br />

konnten auf das Vertrauensverhältnis aufbauen,<br />

das beim letzten Einsatz vor zwei<br />

Jahren entstand. Nun sind daraus Freundschaften<br />

geworden.» Und bei Schlagzeilen<br />

wie etwa nach der <strong>10</strong>0 000. Schutzimpfung<br />

des Roten Kreuzes (am 4. März) wissen die<br />

Schweizer, dass sie dank der im Hintergrund<br />

geleisteten Unterstützung ebenfalls zum<br />

Erfolg beigetragen haben.<br />

Mittlerweile sind die Vorbereitungen des<br />

SRK für mittel- und langfristige Aufbauhilfe<br />

angelaufen. «Wir führen Projekte in Léogâne,<br />

Jacmel und Artibonite durch, so etwa die<br />

Instandstellung einer Tuberkuloseklinik», erläutert<br />

Thomas Kumpera. «In Haiti ist unsere<br />

Hilfe noch sehr lange nötig.»<br />

«Das SRK leiste te 2009 über 20 Nothilfeund<br />

Katastrophen einsätze», führt Hannes<br />

Heinimann abschliessend aus. «Jährlich<br />

werden 200 Millionen Menschen Opfer von<br />

extremen Naturkatastrophen. Häufig werden<br />

sie durch die globale Erwärmung verursacht.»<br />

Die Arbeit geht dem SRK also nicht aus;<br />

Haiti ist nur ein Beispiel von vielen. schi<br />

Die Normalität kehrt zurück<br />

Die Erdbeben in Haiti Anfang 20<strong>10</strong> haben die Weltöffentlichkeit erschüttert.<br />

Die weltweit gesammelten Spenden helfen, kurzfristig die Not zu lindern und<br />

mittelfristig die Rückkehr in die Normalität zu ermöglichen. In Italien, wo<br />

die Abruzzen im Frühjahr 2009 von einem Erdbeben heimgesucht worden sind,<br />

ist man bereits einen Schritt weiter. Im Februar wurde beispielsweise ein<br />

Schul haus in Poggio Picenze, einer Gemeinde in der Provinz L’Aquila, eingeweiht.<br />

Rosalba mit Loris, Valbona mit Nurije und<br />

Aleina. Das verheerende Erdbeben in den<br />

Abruzzen in Italien am 6. April 2009 kostet<br />

die Mütter und ihre Kinder das Leben.<br />

Mit einer Stärke von 5,8 auf der Richterskala<br />

trifft es vor allem das historische<br />

Zentrum von Poggio Picenze, die Gebäude<br />

halten solch starken Erschütterungen nicht<br />

stand. Hier sterben auch zwei Italiener und<br />

drei Mazedonier, die in diesem Ort seit vielen<br />

Jahren zu Hause waren und zu einer<br />

engagierten Gruppe von Menschen gehörten,<br />

die der grossen Landflucht in der Vergangenheit<br />

etwas entgegenhalten wollten. Sie hatten<br />

Erfolg – die Einwohnerzahl des Ortes war<br />

nach und nach wieder auf 1200 Einwohner<br />

angestiegen. Besonders bemerkbar macht<br />

sich die Zerstörung im nur drei Kilometer entfernten<br />

Onna, wie Kartenhäuser fallen hier<br />

viele Häuser zusammen. Dennoch hält sich<br />

die Zahl der Toten in Poggio Picenze in Grenzen,<br />

weil viele der neueren Häuser unter erdbebensicheren<br />

Gesichtspunkten erbaut wurden<br />

und den Erschütterungen standhalten<br />

können. Am schwersten trifft es die Schulen.<br />

Der Ort, an dem Nicola Menna Bürgermeister<br />

und gleichzeitig Schulleiter ist, ist einer<br />

der Ersten, der sich nach der Tragödie neu<br />

organisiert.<br />

Provisorischer Unterricht in Containern<br />

Schon am 16. April, also zehn Tage nach<br />

dem Beben und fünf Tage nach den Bestattungen<br />

der Opfer, wird der Unterricht wieder<br />

aufgenommen, jedoch nicht in den angeschlagenen<br />

historischen Gebäuden, sondern<br />

in sechs Containerbauten, errichtet auf dem<br />

Platz vor der historischen Kirche San Felice<br />

Martire. Die ebenfalls schwer beschädigte<br />

Kuppel der Kirche wird abgestützt und das<br />

Gebäude für jeden Zugang gesperrt. Man<br />

findet Zeit aufzuatmen, sich umzusehen, und<br />

schon bald beginnt überall der Wiederaufbau.<br />

Monatelang ist die Kulisse von den Zeltstädten<br />

geprägt, denn die Menschen ziehen es<br />

vor, in diesen Provisorien zu übernachten,<br />

statt sich in einem bequemen Hotel an der<br />

Adriaküste einzurichten. Zunächst befasst<br />

man sich mit dem Kindergarten. Schnell<br />

wird klar, dass das Gebäude nicht mehr zu<br />

retten ist, die Neuerrichtung wird einer Gruppe<br />

venezianischer Unternehmen anvertraut.<br />

Nach weiteren sorgfältigen Untersuchungen<br />

lässt man auch von einer Restaurierung der<br />

Grundschule ab. Es ist Juni, als der Zivilschutz<br />

die Stiftung Fondazione La Stampa-<br />

Specchio dei Tempi aus Turin um Unterstützung<br />

beim Wiederaufbau der Schule bittet.<br />

Die einfluss- und traditionsreiche Stiftung<br />

der beliebtesten Tageszeitung Nordwestitaliens<br />

zählt auf die Solidarität der Leser und<br />

organisiert seit gut 55 Jahren Hilfsaktionen<br />

für von schweren Katastrophen betroffene<br />

Gebiete in Italien und häufig auch im Ausland.<br />

Darunter waren bisher eine Kampagne<br />

gegen den Hunger in Indien, Hilfe für die<br />

Flüchtlinge aus dem Kosovo und Unterstüt-<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 47<br />

Fotos: Angelo Conti | Janine Händel<br />

1<br />

3<br />

1 Langsam beginnt die Sonne wieder zu scheinen ... 2 Die farbenprächtige und zweckmässige Schule<br />

von Poggio Picenze passt bestens ins Dorfensemble. 3 Mitte Februar konnte das Schulhaus für 150 Kinder<br />

von Bürgermeister Nicola Menna offiziell eingeweiht werden. 4 Das ABC als bunter Wandschmuck.<br />

zung für Sri Lanka, I ndien und Thailand nach<br />

dem tragischen Tsunami vor fünf Jahren. Die<br />

Fondazione La Stampa (die später auch die<br />

Schulzentren von Barisciano und Cugnoli<br />

sowie eine Poliklinik neben dem zerstörten<br />

Krankenhaus von L’Aquila errichten soll) erhält<br />

den offiziellen Auftrag erst im Juli.<br />

Die Planung läuft an, und die Gemeinde<br />

soll möglichst schnell die ausgewählte Fläche<br />

direkt bei der Kirche San Felice neu be bauen.<br />

Im September 2009 beginnen schliesslich<br />

die Arbeiten an den Fundamenten. Die weitere<br />

Tätigkeit erfährt durch eine grosszügige<br />

Spende der Credit Suisse Auftrieb.<br />

Beginn des Aufbaus im Oktober<br />

2<br />

4<br />

Noch einmal verzögern sich die Arbeiten jedoch,<br />

da die Gemeinde Poggio Picenze sich<br />

wünscht, dass auch die Schulküche sowie<br />

der Speisesaal für den Kindergarten und die<br />

Schüler der Mittelstufe neu errichtet werden.<br />

Die Fondazione La Stampa willigt ein, worauf<br />

das gesamte Schulgebäude neu geplant<br />

werden muss. Man beeilt sich, doch die<br />

Ausarbeitung der neuen Pläne und der anschliessende<br />

Umbau der Fundamente erfordern<br />

einige Wochen.<br />

Im Oktober kann der Aufbau schliesslich<br />

beginnen, die Arbeiten erstrecken sich über<br />

die häufig verschneiten Monate November<br />

und Dezember. Ende Januar ist das Hauptge<br />

bäude fertig und es werden die gesetzlich<br />

vorgeschriebenen Überprüfungen durch geführt.<br />

Nach dem zufriedenstellenden Abschluss<br />

dieser Kontrollen können die Kinder<br />

in den ersten Februartagen endlich wieder<br />

eine richtige und vor allem beheizte Schule<br />

mit grossen, komfortablen und sicheren<br />

Unterrichtsräumen besuchen. Und diese von<br />

der Foca Group aus Villarbasse (Turin) erbaute<br />

Schule mit der Energieeffizienzklasse A<br />

ist zudem vollkommen erdbebensicher.<br />

Der erste Schultag ist von starken Emotio<br />

nen geprägt, denn die Erinnerungen an das<br />

Erdbeben und die ihm zum Opfer gefallenen<br />

Schulkameraden und deren Familien werden<br />

noch einmal mit voller Intensität wach. Doch<br />

langsam kehrt man zur Normalität zurück,<br />

das Leben kann weitergehen.<br />

Angelo Conti, Direktor der Fondazione La Stampa<br />

Der Katastrophenhilfe-Fonds<br />

der Credit Suisse<br />

Im Anschluss an die Katastrophe<br />

des 11. September 2001 gründete<br />

die Credit Suisse eine Stif tung<br />

mit dem Zweck, unbürokratisch<br />

Hilfe an Betroffene zu leisten.<br />

Erstmals kam dieser Katastrophenhilfe-Fonds<br />

nach dem Tsunami<br />

zum Einsatz. Mit über drei Millionen<br />

Schweizer Franken wurden<br />

Wiederaufbauprojekte in Sri Lanka<br />

und In donesien unterstützt.<br />

Seitdem engagiert sich der Fonds<br />

regelmässig nach Naturkatastrophen,<br />

die internationaler Hilfe<br />

bedürfen. So geschehen nach<br />

dem Wirbelsturm in Myanmar, den<br />

Erdbeben in China, Italien, Indonesien<br />

und in den Philippinen und<br />

zuletzt mit grossem Engagement<br />

in Haiti. Wichtiger Bestandteil<br />

des Engagements ist jeweils das<br />

Sammeln von Spenden geldern<br />

unter den Mitarbeitenden der<br />

Credit Suisse. Das Resultat der<br />

Sammelaktionen wird vom Katastrophenhilfe-Fonds<br />

je nach Fall<br />

verdoppelt oder verdreifacht und<br />

aufgerundet. Die Mittel werden<br />

bevorzugt für den Wiederaufbau<br />

von Schulen durch erfahrene<br />

Non-Profit-Organisationen eingesetzt.<br />

In Poggio Picenze (Italien)<br />

sorgte die Credit Suisse mit der<br />

Fondazione La Stampa dafür, dass<br />

150 Kinder nach nur neun Monaten<br />

wieder in neuen, erdbebensicheren<br />

Räumlichkeiten zur Schule<br />

gehen konnten. In Haiti unterstützt<br />

die Credit Suisse vor allem die<br />

Tätigkeit des Amerikanischen und<br />

des Schweizerischen Roten<br />

Kreuzes. Janine Händel<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


48 Credit Suisse<br />

Kleinkredite als Motor für<br />

Kleinunternehmer<br />

Ein Kredit im Wert von 1<strong>10</strong>0 US-Dollar für einen Kühlschrank ermöglichte<br />

einem Kleinunternehmer in Tansania die Erweiterung seines Restaurants.<br />

Heute floriert sein Geschäft, und er konnte noch einmal expandieren – unter<br />

anderem dank der Credit Suisse Microfinance Capacity Building Initiative.<br />

finanziellen Grenzen stiess. Ein erster Kredit<br />

von FINCA in der Höhe von 1<strong>10</strong>0 US-Dollar<br />

erlaubte ihm, sich einen neuen Kühlschrank<br />

anzuschaffen. Folglich konnte er seine Produktpalette<br />

erweitern und mehr Kunden<br />

verkös tigen. Ein weiterer Kredit, ein weiterer<br />

Kühlschrank und die Eröffnung eines zweiten<br />

Restaurants liessen kein Jahr auf sich warten.<br />

Said hat den Schritt über die Armuts schwelle<br />

geschafft: «Was ich heute bin, verdanke ich<br />

FINCA.» Und Pilly, Saids Kreditbearbeiterin,<br />

gibt die Komplimente mit einem Augenzwinkern<br />

zurück: «Er macht die besten Pommes<br />

frites des Viertels.»<br />

Wer morgens durch die geschäftigen und<br />

bisweilen verstopften Strassen von Daressalam<br />

fährt – mit rund 4 Millionen Einwohnern<br />

Tansanias grösste Stadt und wirtschaftlicher<br />

Motor des Landes am indischen<br />

Ozean – wird sich bewusst, dass die Stadtbe<br />

zeich nung «Haus des Friedens» aus längst<br />

vergangenen Tagen stammen muss. Daressalam<br />

lebt und wächst unaufhaltsam, und mit<br />

ihr das Kleingewerbe im ganzen Land. Für<br />

dessen nachhaltiges Wachstum braucht es<br />

in der Regel Kapital von kommerziellen Banken,<br />

zu dem Kleinunternehmer aus den untersten<br />

Einkommensschichten oft gar keinen Zugang<br />

haben. Um diese Situation zu verbessern,<br />

nahm FINCA Tansania – lokaler Ableger<br />

der globalen Mikrofinanzinstitution FINCA<br />

International – 1998 ihre Tätigkeit in Tansania<br />

auf. Die Mission von FINCA ist simpel: Arme<br />

Kleinunternehmer sollen Zugang zu Finanzdienstleistungen<br />

erhalten, damit Arbeit und<br />

Wohlstand geschaffen und der Lebensstandard<br />

verbessert werden können. Mittlerweile<br />

profitieren über 40 000 Kunden von FINCAs<br />

Dienstleistungen in Tansania.<br />

Erfolgreiche Erweiterung<br />

Einer davon ist Said. Gut gelaunt sitzt er im<br />

Stadtteil Ilala vor einem seiner beiden Restaurants,<br />

die er mittlerweile nebst einem<br />

Catering-Service für Hochzeiten erfolgreich<br />

führt. Angefangen hat alles vor zwei Jahren,<br />

als er bei der geplanten Erweiterung seines<br />

kleinen Take-away-Restaurants an seine<br />

Diskrepanz von Angebot und Nachfrage<br />

Ortswechsel in ein anderes afrikanisches<br />

Land: Ruanda. Gut 15 Jahre nach dem Bürgerkrieg<br />

ist das Land auf der wirtschaftlichen<br />

Überholspur. Aber noch immer leben 90 Prozent<br />

der Bevölkerung auf dem Land und<br />

arbeiten meist im informellen Sektor. Nur<br />

14 Prozent werden mit Bankdienstleistungen<br />

bedient. Um die Diskrepanz zwischen Angebot<br />

und Nachfrage an Finanzdienstleistungen<br />

für das untere Ende der Einkommenspyramide<br />

zu verkleinern, wurde 2007 von der<br />

NGO World Relief und der Mikrofinanzorganisation<br />

Opportunity International die Urwego<br />

Opportunity Bank gegründet. Urwego – was<br />

in der lokalen Sprache Kinyarwanda «die<br />

Leiter» bedeutet – bietet ihren Kunden in<br />

23 über das Land verteilten Filia len verschie-<br />

Links Said, ein Kunde von FINCA Tansania, konnte dank mehrerer Kredite der Organisation sein Take-away-Restaurant in Daressalam ausbauen. Er führt heute<br />

zwei Restaurants und einen Catering-Service für Hochzeiten. Rechts Eine Kundin von FINCA Tansania in ihrem Gemischtwarenladen in Daressalam.<br />

Fotos: Credit Suisse<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 49<br />

dene Kredite, Sparmöglichkeiten, Versicherungen,<br />

Geld überweisungen sowie Ausbildungsprogramme<br />

an. Seith, ein Mitarbeiter<br />

von Urwego, ist zu einem Kundentraining am<br />

Hauptsitz der Bank in Kigali unterwegs. Kurz<br />

vor 15 Uhr versammelt sich eine Gruppe von<br />

rund 30 Mikro-Entrepreneurinnen im Freiluft-<br />

Trainingsbereich hinter dem Hauptgebäude.<br />

Wer von Urwego einen Kredit bekommen<br />

möchte, muss auch an Schulungen im Bereich<br />

Buchhaltung oder Kundenumgang teilnehmen.<br />

Heute werden die Geschäftsfrauen<br />

in Kundenbetreuung ausge bildet. Man lernt,<br />

auf deren Bedürfnisse zu achten und sich<br />

strategisch danach auszurichten. Nach einer<br />

lebhaften, interaktiven Stunde sind die Unternehmerinnen<br />

zufrieden. Sie sind mit einem<br />

neuen Kredit ausgestattet und reicher an<br />

Ideen für den Umgang mit den eigenen Kundinnen<br />

und Kunden.<br />

Mobile Kommunikationsgeräte<br />

Im Unterschied zu anderen Mikrofinanz instituten<br />

setzt Urwego konsequent auf technische<br />

Hilfsmittel. Als erstes Institut führte<br />

es den papierlosen Bankverkehr und die<br />

biometrische Identifikation von Kunden ein.<br />

Zukünftig sollen durch mobile Kommunikationsgeräte<br />

und mobile Banken alle potenziellen<br />

Kunden, auch jene im Hinterland, erreicht<br />

werden und der Leitsatz in Erfüllung<br />

gehen: Banki Ya Bose – die Bank für alle.<br />

Fabian Huwyler<br />

Mikrofinanzinitiative 2009<br />

7500<br />

Mitarbeitende wurden von lokalen<br />

Mikro finanzinstituten geschult<br />

2 0 0<br />

Schulungshandbücher<br />

wurden entwickelt<br />

400 000<br />

der Ärmsten dieser Welt konnten<br />

direkt mit verbesserten Dienst leistunge<br />

n unterstützt werden.<br />

Mikrofinanz bekämpft Armut Die Vergabe von Mikrokrediten kann<br />

für Menschen in Entwicklungs- und Schwellen ländern eine wirkungsvolle<br />

Hilfe zur Selbsthilfe sein. Um Mikrofinanz zu fördern und dem Mangel<br />

an Fachkräften und Know-how in diesem Sektor entgegenzuwirken, hat<br />

die Credit Suisse die Microfinance Capacity Building Initiative ins Leben<br />

gerufen. Das Programm vermittelt Tausenden von Mikrofinanzmitarbeitenden<br />

weltweit die nötigen Kompetenzen und ermöglicht Menschen<br />

am unteren Ende der Einkommens pyramide eine n besseren Zugang<br />

zu Finanzdienstleistungen. Dabei arbeitet die Credit Suisse mit vier ausgesuchten<br />

Partnerorganisationen zusammen.<br />

ACCION International www.accion.org, FINCA International www.finca.org, Opportunity International <br />

www.opportunity.org, Swisscontact www.swisscontact.ch<br />

Masibambisane<br />

Die Swiss-South African Co-operation<br />

Initiative (SSACI) hat bis jetzt<br />

50 erfolgreiche Pilotprojekte ermöglicht.<br />

Die Republik Südafrika ist ein wichtiger<br />

Handelspartner der Schweiz und zählt zu<br />

den fortschrittlichsten Ländern Afrikas.<br />

Dennoch sieht sich der Staat mit grossen<br />

Herausforderungen konfrontiert. Jährlich<br />

gelangen 800000 Jugendliche neu auf den<br />

Arbeitsmarkt, doch nur 300000 von ihnen<br />

finden eine Stelle. Deshalb beträgt die<br />

Jugendarbeitslosigkeit in gewissen<br />

Ge bieten über 70 Prozent. Davon betroffen<br />

ist fast nur die schwarze Bevölkerungsmehrheit,<br />

denn nach wie vor leidet sie unter<br />

mangelhaften Bildungs möglichkeiten.<br />

Seit Februar 2001 findet das Schweizer<br />

Engagement in Südafrika in Form einer<br />

Public-Private Development Partnership<br />

(PPDP) statt – und dies so erfolgreich, dass<br />

soeben eine dritte Projektphase angelaufen<br />

ist. In der rechtlich selbständigen Swiss-<br />

South African Co-operation Initiative (SSACI)<br />

unter CEO Ken Duncan arbeitet die Direktion<br />

für Entwicklung und Zusammenarbeit mit<br />

Schweizer Firmen zusammen. Unter dem<br />

Motto Masibambisane – in der Sprache der<br />

Zulu bedeutet dies «Zusammenarbeit» –<br />

möchte man jugendlichen Südafrikanern<br />

den Einstieg ins Berufsleben ermöglichen.<br />

Bis Ende 2009 konnten 50 Pilotprojekte<br />

realisiert werden, die nun vom Staat<br />

weitergeführt werden. In der Pilotphase<br />

profitierten rund 5400 Jugendliche. 92 Prozent<br />

von ihnen erlangten einen Berufsabschluss,<br />

von diesen fanden 80 Prozent<br />

nachher ein eigenes Auskommen. Es<br />

wurden 378 Start-ups gegründet und 650<br />

exis tierende Unternehmen gefördert, so-<br />

dass über 1360 Stellen geschaffen wurden.<br />

Die Credit Suisse ist seit der Gründung<br />

Mitglied der SSACI und wird durch Robert<br />

Judelson im Verwaltungsrat vertreten. schi<br />

Mehr unter www.ssaci.org.za<br />

Die Credit Suisse ist überzeugt, dass die unter nehme rische Verantwortung gegen über<br />

der Gesellschaft und der Umwelt ein wichtiger Faktor für den wirtschaft lichen Erfolg ist.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


50 Credit Suisse<br />

Dialog zum Thema Equator Principles<br />

Banken diskutieren mit<br />

NGOs über Umweltfragen<br />

Vertreter von 15 internationalen Nichtregierungsorgani sa -<br />

tionen (NGOs) und 23 global tätigen Finanzinstituten, die sich<br />

zur Einhaltung der Equator Principles verpflichtet haben,<br />

diskutierten am 3. und 4. Februar 20<strong>10</strong> über Umweltthemen.<br />

Am Anlass, der von der Credit Suisse organisiert worden war,<br />

nahmen neben NGOs des Netzwerks BankTrack weitere<br />

Umweltorganisationen wie etwa der WWF teil. Die Equator<br />

Principles definieren einen auf Weltbank-Richtlinien basierenden<br />

Standard zur Analyse von ökologischen und gesellschaft<br />

lichen Risiken bei Projektfinanzierungen. Die Prinzipien<br />

wurden 2003 von acht Banken aufgestellt, zu denen auch<br />

die Credit Suisse gehörte. Mittlerweile bekennen sich über<br />

60 Banken, die gemeinsam einen grossen Teil des Markts<br />

für internationale Projektfinanzierung abdecken, zur Einhaltung<br />

des Branchenstandards. Der gut besuchte Anlass<br />

bot den Unterzeichnerbanken und den NGOs ein Forum zum<br />

Meinungsaustausch über aktuelle Themen und Entwicklungen.<br />

Zur Sprache kamen unter anderem die Ergebnisse der<br />

UNO-Klimakonferenz in Kopenhagen vom Dezember 2009<br />

sowie deren mögliche Auswirkungen für Banken und ihre<br />

Kunden. Weiter wurden Themen wie Transparenz und Vertraulichkeit<br />

bei Projektfinanzierungen im Rahmen der Equator<br />

Principles diskutiert sowie der Einbezug der von Projekten<br />

direkt betroffenen lokalen Bevölkerung. In angeregten<br />

Gesprächen wurden durchaus auch kontroverse Standpunkte<br />

ver treten. Der intensive Meinungsaustausch förderte jedoch<br />

in konstruktiver Weise das gegenseitige Verständnis über<br />

die teilweise unterschiedlichen Positionen der verschiedenen<br />

Teilnehmenden. Fabian Huwyler<br />

African Leadership Academy<br />

Führungskräfte ausbilden<br />

An der African Leadership Academy<br />

(ALA) in Johannesburg werden<br />

die zukünftigen afrikanischen<br />

Führungs kader ausgebildet. Hochqualifizierte<br />

Jugendliche im Alter<br />

von 15 bis 18 Jahren aus allen<br />

53 afrikanischen Staaten besuchen<br />

eine n zweijährigen Studiengang.<br />

Zu den Lerninhalten gehören<br />

Management, Unternehmertum<br />

und Afrikanistik. Mit Fördermitteln<br />

der Credit Suisse werden Berufsund<br />

Bewerberberatungen sowie<br />

Computerkurse finanziert. Inzwischen<br />

hat die ALA mehr als<br />

50 re nommierte Colleges und Universitäte<br />

n in den USA und Grossbritannien<br />

besucht, um bei den<br />

Bewerber gremien bekannt zu werden.<br />

Umgekehrt besichtigten<br />

bereits 25 Angehörige dieser Gremien<br />

die ALA in Südafrika. Die<br />

Gelder der Credit Suisse wurden<br />

weiter zur Finanzierung von<br />

Tutoren programmen, Internatsaufenthalten<br />

und für die erste ALA-<br />

Jobbörse verwendet. Eva Halper<br />

WWF Earth Hour 20<strong>10</strong><br />

Weltweites Lichterlöschen<br />

für den Klimaschutz<br />

Anzeige<br />

Mit der Aktion Earth Hour setzt der<br />

WWF seit 2007 jährlich Ende März<br />

ein Zeichen für den Klimaschutz.<br />

Regierungen, Unternehmen und<br />

Privatpersonen werden weltweit<br />

dazu aufgerufen, jeweils um 20.30<br />

Uhr Ortszeit für eine Stunde die<br />

Lichter zu löschen. So tauchten am<br />

27. März touristische Wahrzeichen,<br />

Regierungsgebäude, Firmenhauptsitze<br />

oder Einfamilienhäuser und<br />

Mietwohnungen für eine Stunde in<br />

die Dunkelheit. Auch die Credit<br />

Suisse beteiligte sich an der Aktion.<br />

Rund 50 unserer Geschäftsliegenschaften<br />

löschten die Lichter, darunter<br />

der Hauptsitz am Paradeplatz<br />

in Zürich und sämtliche 28 Bürogebäude<br />

in der Region Asien-Pazifik.<br />

In Singapur und Hongkong leisteten<br />

Mitarbeitende der Credit Suisse<br />

Freiwilligeneinsätze, indem sie<br />

Passanten in belebten Einkaufszentren<br />

auf die Aktion aufmerksam<br />

machten. Valérie Clapasson Fahrni<br />

www.earthhour.org<br />

Credit Suisse Americas Foundation<br />

Neues Bildungsprogramm<br />

Bildung spielt für die Entwicklung<br />

und die Zukunft von Kindern und<br />

Jugendlichen eine entscheidende<br />

Rolle. Deshalb lancierte die Credit<br />

Suisse Americas Foundation ein<br />

Programm zur Förderung lokaler<br />

Bildungsprojekte für Jugendliche.<br />

Damit soll die Qualität des vorhandenen<br />

Bildungsangebots für<br />

benachteiligte junge Leute in den<br />

USA verbessert werden. Die Stiftung<br />

stellt dafür zunächst zwei<br />

Millionen US-Dollar zur Verfügung.<br />

Dazu Rob Shafir, CEO der Region<br />

Americas: «Wir sind der Meinung,<br />

dass erfolgreiches soziales Engagement<br />

zielgerichtet und messbar<br />

sein sollte. Deshalb konzentrieren<br />

wir uns auf zwei Bereiche: Schulen<br />

und Berufsbildung.» Etwas mehr<br />

als die Hälfte der Gelder geht daher<br />

an Organisationen, die Schulen<br />

direkt unterstützen, der andere<br />

Teil an Organisationen, die Lehrpersonal<br />

ausbilden. Die Americas<br />

Foundation machte die neue Initiative<br />

am International Corporate<br />

Philanthropy Day vom 22. Februar<br />

bekannt. Die Konferenz wird vom<br />

Committee Encouraging Corporate<br />

Philanthropy (CECP) organisiert,<br />

das sich für die Verbesserung des<br />

sozialen Engagements der Wirtschaft<br />

einsetzt. Nächster wich tiger<br />

Termin ist das CECP-Gipfeltreffen<br />

vom 2. und 3. Juni in New York,<br />

wo weitere Massnahmen diskutiert<br />

werden. Fabienne de Lannay<br />

www.credit-suisse.com/verantwortung<br />

Fotos: Credit Suisse<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


ulletin plus –<br />

das Heft im Heft für<br />

Schweizer Leser<br />

Umbauen und Renovieren als Daueraufgabe<br />

Alle <strong>10</strong> Jahre die Wände neu streichen, alle 15 Jahre die Küchenapparate ersetzen, alle<br />

20 Jahre den Heizkessel erneuern und alle 25 Jahre das Dach umdecken. Natürlich variiert<br />

die Lebensdauer der einzelnen Bauteile von Wohnhäusern stark. Unbestritten ist aber,<br />

dass man die Renovationstätigkeit nicht bis zuletzt hinauszögern und in der Regel gestaffelt<br />

vornehmen sollte. Das lohnt sich hinsichtlich des Wohnkomforts und aus finanzieller<br />

(steuerlicher) Sicht. Erstaunlicherweise sind die Schweizerinnen und Schweizer in diesem<br />

Bereich jedoch sehr nachlässig. Informieren Sie sich in unserem <strong>bull</strong>etin plus – und<br />

lassen Sie sich beraten. Ergänzende Informationen finden Sie auf unserer Internetplattform<br />

www.credit-suisse.com/wohnen.


52 Wirtschaft Immobilienstudie<br />

Dank der zuwanderungsbedingten Zusatznachfrage wird<br />

sich der Wohnimmobilienmarkt in der Schweiz einer Krise<br />

weiterhin entziehen können. Schwieriger ist die Situation<br />

für die nächsten zwei Jahre auf dem Büroflächenmarkt.<br />

Foto: Michael Egloff, remotephoto.com


Immobilienmarkt:<br />

20<strong>10</strong> wird das Jahr<br />

der Bewährung<br />

Mit Immobilienkrisen ist nicht zu spassen. Die Schweizer Geschichte<br />

lehrt uns, dass Wirtschaftskrisen, die mit grossen Verwerfungen<br />

auf den Immobilienmärkten einhergehen, einen ziemlich langen Kater<br />

auslösen können. Daher ist es für die Schweizer Wirtschaft von<br />

Vorteil, dass sich die hiesigen Immobilienmärkte stabil präsentieren.<br />

Text: Fredy Hasenmaile, Economic Research, Credit Suisse


54 Wirtschaft Immobilienstudie<br />

Weder die weltweite Rezession geschweige<br />

denn die einschneidenden Immobilienkrisen<br />

in mehreren Ländern vermochten den Schweizer<br />

Wohnungsmarkt zu destabilisieren. Ein<br />

solider Hypothekarkreditmarkt sowie die anhaltende<br />

Zusatznachfrage von Seiten der nur<br />

langsam abebbenden Zuwanderung haben<br />

zu dessen Stabilität beigetragen. Nach bestandener<br />

Feuertaufe steht dem Wohnungsmarkt<br />

20<strong>10</strong> die Bewährung bevor, denn das<br />

laufende Jahr wird schwieriger als 2009.<br />

Steigende Arbeitslosigkeit, stagnierende Einkommen,<br />

auslaufende Nachfrageimpulse der<br />

Zuwanderung sowie das näher rückende<br />

Ende der Tiefzinsphase sind nur einige der<br />

anstehenden Herausforderungen.<br />

1 Vorübergehend geringere Zyklizität auf dem Wohnimmobilienmarkt<br />

Die seit 2006 anhaltende Zuwanderungswelle aus dem Ausland hat das erneute<br />

zyklische Anschwellen der Zahl leer stehender Wohnungen verhindert und damit für<br />

eine engere Schwankungsbandbreite gesorgt.<br />

Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />

%<br />

2.5<br />

2<br />

1.5<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

– 0.5<br />

– 1<br />

Veränderung des Leerstands<br />

88 90 92 94 96 98 00 <strong>02</strong> 04 06 08 <strong>10</strong><br />

20 000<br />

16 000<br />

12 000<br />

8000<br />

4000<br />

0<br />

– 4000<br />

– 8000<br />

Importierte Zusatznachfrage seit 2006<br />

Wachstum Wohnungsbestand<br />

Wachstum Bevölkerung<br />

Immobilienmärkte sind sehr zyklisch. Die lange<br />

Produktionszeit von Immobilien macht es<br />

für Investoren schwierig, die Nachfragesituation<br />

zum Zeitpunkt der Fertigstellung einer<br />

Immobilie richtig vorherzusehen und das<br />

Angebot entsprechend zu planen. Deswegen<br />

klaffen Angebot und Nachfrage häufig<br />

auseinander, was sich in steigenden oder<br />

fallenden Leerständen und damit Markt ungleichgewichten<br />

niederschlägt. In der Regel<br />

korrigiert der Markt in der Schweiz das Ungleichgewicht,<br />

bevor die Zu- oder Abnahme<br />

der Leerstände die Schwelle von ungefähr<br />

8000 Wohnungen oder jährlich rund 0,2 Prozent<br />

des Wohnungsbestandes erreicht. Auf<br />

eine Periode sinkender Leerstände folgt zumeist<br />

eine ähnlich lange mit steigenden<br />

Leerständen. Dieses Wechselspiel von Angebots-<br />

und Nachfrageüberschuss ist in den<br />

letzten Jahren von einem exogenen Nachfrageschock<br />

in Form der jüngsten Zuwanderungswelle<br />

überlagert worden. Glücklicherweise<br />

ist diese importierte Zusatznachfrage,<br />

die sich im Jahr 2006 erstmals bemerkbar<br />

machte, auf eine Phase wachsenden Überangebots<br />

getroffen. Nicht auszudenken, in<br />

welche Sphären die Preise gestiegen wären,<br />

wenn die Zuwanderungswelle bereits kurz<br />

nach der Jahrtausendwende eingesetzt hätte,<br />

als die Bautätigkeit in der Schweiz noch<br />

sehr schwach war.<br />

Die gesteigerte Nachfrage kam mit anderen<br />

Worten genau zum richtigen Zeitpunkt –<br />

wenn auch etwas gar kräftig – und hat die<br />

Zyklizität auf dem Wohnimmobilienmarkt<br />

stark reduziert. Der Saldo der Leerstände<br />

hat sich in den letzten Jahren innerhalb einer<br />

Bandbreite von weniger als 3500 Wohnungen<br />

bewegt. Es ist somit der Zuwanderung<br />

zu verdanken, dass 2008 und 2009 ein weiteres<br />

Anschwellen der Leerstände verhindert<br />

werden konnte. Trotz massiver Bautätigkeit<br />

nahmen in diesen beiden Jahren die Leerstände<br />

ab. Die ausserordentliche Stabilität<br />

der Schweizer Immobilienmärkte ist also in<br />

erster Linie auf diese etwas glückliche Fügung<br />

zurückzuführen. Diese darf aber nicht<br />

als gegeben hingenommen werden. In einigen<br />

Jahren ist mit einer Rückkehr der<br />

höheren Schwankungen zu rechnen. Im laufenden<br />

Jahr ist das noch nicht der Fall: Die<br />

Leerstände werden 20<strong>10</strong> zwar wieder leicht<br />

zunehmen, doch die engeren Schwankungsbandbreiten,<br />

die die letzten sechs Jahre geprägt<br />

haben, dürften Bestand haben.<br />

Steigende Preise seit zehn Jahren<br />

Der weitgehende Gleichlauf von Angebot und<br />

Nachfrage sorgt nicht zuletzt für relativ stabile<br />

Verhältnisse bei den Preisen. Das ist<br />

nicht selbstverständlich, denn der Wohnimmobilienmarkt<br />

befindet sich am Ende einer<br />

rund zehnjährigen Periode stetig steigender<br />

Preise, bei der sich die Marktteilnehmer fragen,<br />

ob nun nicht eine Preiskorrektur ansteht.<br />

Eine solche ist aber vor dem Hintergrund des<br />

derzeit guten Timings von Angebot und Nachfrage<br />

wenig wahrscheinlich. Im Wohneigentum<br />

dürften zudem die bis gegen Ende des<br />

Jahres anhaltend tiefen Zinsen für eine intakte<br />

Nachfrage und weitgehend stabile Preise<br />

sorgen, vor allem im Segment der Eigentumswohnungen.<br />

Dagegen verdichten sich die Anzeichen,<br />

dass sich besonders das Einfamilienhaussegment<br />

einer wachsenden Marktsättigung<br />

ausgesetzt sieht. Die im letzten Jahr erteilten<br />

Baubewilligungen für Einfamilienhäuser sind<br />

so gering wie seit Mitte der 1970er-Jahre<br />

nicht mehr – lässt man eine kurze, krisenbedingte<br />

Phase zu Beginn der Neunziger ausser<br />

Acht. Der Anteil der Einfamilienhäuser an den<br />

Leerständen hat sich in den letzten zehn Jahren<br />

praktisch verdoppelt, und die Preisentwicklung<br />

ist seit vier Quartalen konstant<br />

rückläufig. Es scheint, als ob das freistehende<br />

Einfamilienhaus nicht mehr das Mass<br />

der Dinge ist – das Einfamilienhaus steckt<br />

in der demografischen Falle.<br />

Die geburtenstarken Jahrgänge gelangen<br />

in ein Alter, in dem die Haushalte sich tendenziell<br />

vom Einfamilienhaus verabschieden.<br />

Eine Entwicklung, die üblicherweise im Alter<br />

von 55 einsetzt. Die Alterspyramide weist<br />

die Form einer klassischen Suppenschüssel<br />

auf und zeigt, dass sich die geburtenstarken<br />

Jahrgänge diesem Alter nähern (siehe Abbildung<br />

2). Dem Angebot steht eine deutlich<br />

kleinere Nachfrage von Seiten der jüngeren<br />

Bevölkerung gegenüber, allein deswegen,<br />

weil diese Gruppe zahlmässig kleiner ist. Hohe<br />

Preisniveaus und ein Bestand, der den<br />

modernen Wohnbedürfnissen immer weniger<br />

entspricht, sind weitere Gründe für eine kontinuierlich<br />

wachsende Nachfragelücke.<br />

Die kommerziellen Immobilienmärkte können<br />

nicht im gleichen Stil wie der Wohnungsmarkt<br />

von einer exogenen Mehrnachfrage<br />

profitieren. Sie bekommen daher die Auswirkungen<br />

des zyklischen Abschwungs stärker<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Immobilienstudie Wirtschaft 55<br />

zu spüren. Teilweise verschärfen hausgemachte<br />

Probleme die Situation. Bei den Büroimmobilien<br />

gelangen im laufenden Jahr<br />

viele neue Flächen auf den Markt, die noch<br />

in den Zeiten der Hochkonjunktur in Angriff<br />

genommen wurden, sich nun aber zum Zeitpunkt<br />

der Fertigstellung nur geringer Nachfrage<br />

gegen übersehen. Ähnlich wie bei der<br />

Aufzucht von Schweinen führt die verzögerte<br />

Reaktion auf Nachfragesignale auch auf<br />

dem Büroflächenmarkt zu Angebotsschwankungen<br />

(siehe Abbildung 3). Ein Lichtblick für<br />

diese Flächen dürfte sein, dass heute moderne,<br />

grosse und zusammenhängende Büroflächen<br />

in der Gunst der Nachfrager stehen,<br />

sodass die absehbaren Leerstände weniger<br />

Neubauten betreffen dürften. Denn in<br />

der Schweiz lässt sich ein Trend zur Konzentration<br />

von Arbeitsplätzen beobachten.<br />

Praktisch in allen klassischen Bürobranchen<br />

hat zwischen 2001 und 2008 die Zahl<br />

der Beschäftigten in Betrieben mit mehr als<br />

<strong>10</strong>0 Angestellten zugenommen. Hinter dem<br />

Bestreben der Unternehmen, ihre Arbeitsplätze<br />

möglichst an einem Ort zu konzentrieren<br />

und nicht über eine Vielzahl von Büros zu<br />

streuen, stehen letztlich betriebswirtschaftliche<br />

Gründe: Grosse Flächen am selben<br />

Ort lassen sich einfacher und kostengünstiger<br />

bewirtschaften. Die wachsende Professionalisierung<br />

der Bewirtschaftung von Betriebsimmobilien<br />

beginnt sich auf die Struktur<br />

der Betriebe auszuwirken.<br />

Bis 2012 zu viel Bürofläche im Angebot<br />

War die Zurückhaltung bei der Nachfrage<br />

nach Büroflächen im letzten Jahr auf die<br />

Verunsicherung vieler Unternehmen zurückzuführen,<br />

wird der Büroflächenmarkt im laufenden<br />

Jahr unter einem erwarteten leichten<br />

Abbau von rund 9000 Büroarbeitsplätzen<br />

l eiden, sodass die Unternehmen insgesamt<br />

nur wenige neue Flächen nachfragen werden.<br />

Diese Nachfrageschwäche fällt dabei mit<br />

der erwähnten Angebotsausweitung zusammen.<br />

Zwar haben die Investoren rasch auf<br />

die Finanzkrise reagiert, Projekte gestoppt,<br />

redimensioniert oder bezüglich Nutzung<br />

neu überdacht. Doch die stark reduzierte<br />

Zahl von Baubewilligungen dürfte dem Markt<br />

erst ab 2012 eine Linderung in Form von<br />

weniger Neubauflächen verschaffen. Bis<br />

dahin muss mit einem zunehmenden Überangebot<br />

gerechnet werden, das die Leerstände<br />

in den meisten regionalen Teilmärkten<br />

ansteigen lassen dürfte. Unter Druck geraten<br />

in erster Linie die Preise ausserhalb der<br />

grossen Büro märkte, wo das Angebot in der<br />

letzten Zeit überdurchschnittlich stark zugenommen<br />

hat.<br />

Ausscheidungsrennen im Verkauf<br />

Der Detailhandel sieht sich gleichzeitig konjunkturellen<br />

wie auch strukturellen Herausforderungen<br />

ausgesetzt. Immer deutlicher<br />

tritt zu Tage, dass ein verändertes Einkaufsverhalten<br />

der Haushalte die Struktur des<br />

Verkaufsflächenmarktes umpflügt. Die hohe<br />

Flächenausweitung der letzten Jahre ist<br />

eine Konsequenz der Tatsache, dass wir<br />

nicht mehr an denselben Orten einkaufen<br />

wie früher. Dahinter stehen mächtige gesellschaftliche<br />

Trends wie zum Beispiel eine<br />

höhere Erwerbstätigkeit der Frauen, bessere<br />

Betreuungsangebote für Kinder und immer<br />

zahlreichere, dafür kleinere Haushalte. Zwar<br />

harren nur noch wenige Grossprojekte einer<br />

Realisierung, doch die massive Flächenausweitung<br />

der letzten Jahre ist noch längst<br />

nicht abgeschlossen. Das Ende der konjunkturellen<br />

Blütephase hat ihr erst die Spitze<br />

gebrochen. Die Flächenausweitung wirkt dabei<br />

wie ein Katalysator der Strukturbereinigung.<br />

Nicht mehr wettbewerbsfähige Läden<br />

werden unerbittlich aus dem Markt gedrängt.<br />

Bis anhin hat diese Flurbereinigung in erster<br />

Linie kleine Läden mit Verkaufs flächen unter<br />

<strong>10</strong>0 Quadratmeter und Fachdetailhändler im<br />

Food-Bereich dezimiert. Die im laufenden<br />

Jahr zu erwartenden, stagnierenden Detailhandelsumsätze<br />

erhöhen den Wettbewerbsdruck,<br />

sodass das Ladensterben nicht mehr<br />

nur im Verborgenen abläuft. In der Gunst der<br />

Nachfrager stehen dagegen grosse Verkaufs<br />

flächen ab einer Mindestgrösse von<br />

<strong>10</strong>00 Quadratmetern sowie verkehrsgünstig<br />

gelegene Convenience-Shops. Die Lage<br />

gewinnt in diesem Umfeld noch mehr an Bedeutung,<br />

denn der Markt ist durch eine Zweiteilung<br />

geprägt. Standorte, die den neuen<br />

Anforderungen genügen, können mit intakter<br />

Nachfrage und gar steigenden Preisen<br />

rechnen, andere müssen mit Mieterwechseln,<br />

sinkenden Mieten oder zuletzt mit Umnutzungen<br />

vorliebnehmen. <<br />

Die vollständige Studie «Swiss Issues<br />

Immobilien: Immobilienmarkt 20<strong>10</strong> – Fakten<br />

und Trends» sowie die Vertiefungsstudie<br />

«Immobilienmarkt 20<strong>10</strong> – Regionen» können<br />

mit dem <strong>bull</strong>etin Talon bestellt werden. Sie<br />

sind auch im Internet als PDF zu finden unter:<br />

www.credit-suisse.com/immobilienstudie.<br />

2 Alterspyramide der Schweiz<br />

Die geburtenstarken Jahrgänge nähern sich<br />

dem 55. Altersjahr, ab dem man sich langsam<br />

vom Einfamilienhaus verabschiedet.<br />

Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research<br />

Alter in Jahren<br />

<strong>10</strong>0<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

– 75 – 50 – 25 0<br />

Männer 2009<br />

Männer 2019<br />

Frauen 2009<br />

Frauen 2019<br />

25<br />

50<br />

Anzahl Personen<br />

in <strong>10</strong>00<br />

3 Der Büroflächenmarkt im<br />

Banne des «Schweinezyklus»<br />

Viel Bürofläche, die noch in Zeiten der<br />

Hochkonjunktur geplant wurde, gelangt<br />

trotz Nachfragerückgang dieses Jahr<br />

auf den Markt.<br />

Quelle: Schweizer Baublatt, Credit Suisse Economic Research<br />

Baugesuche und Baubewilligungen in Mio.CHF,<br />

gleitende Summe über 12 Monate<br />

4000<br />

3500<br />

3000<br />

2500<br />

2000 Langjähriges Mittel<br />

1500<br />

<strong>10</strong>00<br />

500<br />

0<br />

95 97 99 01 03 05 07 09<br />

Neubaubewilligungen<br />

Neubaugesuche<br />

Umbaubewilligungen<br />

Umbaugesuche<br />

75<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


56 Wirtschaft Lateinamerika<br />

1 Chile hat, was Investoren suchen<br />

In Chile finden Private, die in Infrastrukturprojekte investieren wollen, die bei Weitem<br />

attraktivsten Bedingungen in ganz Lateinamerika: makroökonomische Stabilität, ein<br />

gesundes Bankensystem sowie einen guten Zugang zu Informationen und Regierungsstatistiken.<br />

Quelle: Weltwirtschaftsforum<br />

Attraktivität<br />

von Privatinvestitionen<br />

in lateinamerikanische Infrastrukturprojekte<br />

Qualitätsgefälle<br />

der verschiedenen Infrastrukturen<br />

im Vergleich zu Deutschland<br />

Chile<br />

Brasilien<br />

Kolumbien<br />

Peru<br />

Mexiko<br />

Uruguay<br />

El Salvador<br />

Guatemala<br />

Argentinien<br />

Venezuela<br />

Bolivien<br />

Dom. Republik<br />

5.5 5.0 4.5 4.0 3.5<br />

1 = niedrigstmögliche Attraktivität<br />

7 = höchstmögliche Attraktivität<br />

2 4 6 8 <strong>10</strong> 12 14 16 18 20<br />

1 = geringstes Gefälle = beste Infrastruktur<br />

7 = höchstes Gefälle = schlechteste Infrastruktur<br />

Strassennetz<br />

Häfen<br />

Flugverkehr<br />

Stromversorgung<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Lateinamerika Wirtschaft 57<br />

Will Lateinamerika<br />

aufholen, braucht es<br />

eine neue Infrastruktur<br />

Lateinamerika ist als Ganzes in vielerlei Hinsicht stabiler geworden und konnte<br />

bei den Rohstoffexporten massiv zulegen. Dennoch hinkt der Kontinent asiatischen<br />

Märkten beim Wachstum weiterhin hinterher. Um den Rückstand zu verkleinern,<br />

muss die Infrastruktur Lateinamerikas verbessert und der Wettbewerb zwischen<br />

den einzelnen Ländern der Region gefördert werden.<br />

Text: Pascal Rohner, Senior Equity Analyst<br />

Nach mehreren Schulden- und Währungskrisen<br />

in den 80er- und 90er-Jahren des<br />

letzten Jahrhunderts führten lateinamerikanische<br />

Länder wie Mexiko und Brasilien<br />

Massnahmen ein, um die Wirtschaft zu stabilisieren,<br />

die Inflation zu bekämpfen und so<br />

weiteren Krisen vorzubeugen. Unter anderem<br />

wurden Geld- und Währungspolitik umsichtiger<br />

gestaltet, es wurden Inflationsziele eingeführt,<br />

Schlüsselbranchen liberalisiert und<br />

Handelsbeschränkungen verringert. So konnten<br />

Auslandschulden reduziert, die Widerstandsfähigkeit<br />

heimischer Märkte gegen<br />

äussere Einflüsse gestärkt und die Abhängigkeit<br />

von Spekulationsgeschäften und Kapitalinvestitionen<br />

aus dem Ausland reduziert<br />

werden, was einen signifikanten Rückgang<br />

von Inflation und Zinssätzen zur Folge hatte.<br />

Zudem sind die Finanzsituation der lateinamerikanischen<br />

Staaten und die Stimmung an<br />

den Börsen wegen des Rohstoffbooms, der<br />

seit einiger Zeit herrscht, besser geworden:<br />

Als bedeutender Rohstoffproduzent und -exporteur<br />

profitierte Lateinamerika besonders<br />

stark vom Rohstoffhunger Asiens. Venezuela,<br />

Mexiko und Brasilien gehören zu den<br />

wichtigsten Ölproduzenten; Chile hat die<br />

grössten Kupferreserven der Welt; Brasilien<br />

exportiert mehr Zucker und Rindfleisch als<br />

jedes andere Land der Welt, es belegt Platz<br />

2 in der Rangliste der Hauptproduzenten von<br />

Ethanoltreibstoff und ist der drittwichtigste<br />

Eisenerzproduzent. Zudem sind die lateinamerikanischen<br />

Länder (vor allem Argentinien<br />

und Brasilien) für mehr als drei Viertel der<br />

globalen Sojabohnenexporte verantwortlich.<br />

Enorme Ressourcen, wenig Wachstum<br />

Im Vergleich zu anderen Schwellenländern<br />

schreitet das Wirtschaftswachstum der Region<br />

jedoch langsam voran – trotz enormer<br />

natürlicher Ressourcen und Verbesserungen<br />

in der makroökonomischen Stabilität. Das<br />

reale Wachstum des jährlichen Bruttoinlandprodukts<br />

(BIP) belief sich auf 2,9 Prozent<br />

in den 1990er-Jahren und auf 3,1 Prozent in<br />

den Jahren 2000 bis 20<strong>10</strong> – und lag damit<br />

weit unter dem beeindruckenden Gesamtwachstum<br />

von beinahe 8 Prozent, das die<br />

Schwellenländer Asiens im gleichen Zeitraum<br />

verzeichneten (siehe Abbildung 2). Wie ist<br />

diese Diskrepanz zu erklären? Die Tatsache,<br />

dass in den letzten 20 Jahren nicht in ausreichendem<br />

Mass in Infrastrukturen investiert<br />

wurde, ist sicher ein Grund für das vergleichsweise<br />

geringe Wachstum in Lateinamerika.<br />

Zwischen 1996 und 2001 machten<br />

die öffentlichen Ausgaben für Infrastrukturen<br />

in den sieben grössten Volkswirtschaften<br />

Latein amerikas nur 0,8 Prozent des BIP aus;<br />

im Zeitraum 1980 bis 1985 waren jährlich<br />

noch 3,1 Prozent des BIP für Bau, Wartung<br />

und Ausbau von Infrastrukturen aufgewendet<br />

worden. Die Folge: Die Infrastruktur der Region<br />

ist grösstenteils veraltet und in schlechtem<br />

Zustand. Darauf weist auch der Global<br />

Competitiveness Report 2009–20<strong>10</strong> des<br />

Weltwirtschaftsforums hin, in dessen Ländervergleich<br />

die Infrastrukturen der meisten<br />

lateinamerikanischen Länder schlecht abschneiden<br />

(siehe Abbildung 3). Die Transportinfrastruktur<br />

ist einer der grössten Schwachpunkte:<br />

Das Autobahnnetz Brasiliens ist das<br />

drittlängste der Welt, doch nur 12 Prozent<br />

der Autobahnen sind asphaltiert. In den<br />

meisten lateinamerikanischen Ländern sind<br />

die Frachtraten für Exporte in die USA<br />

trotz der geografischen Nähe höher als beispielsweise<br />

die Frachtraten für Exporte aus<br />

Fernost oder Europa in die USA, was hauptsächlich<br />

auf die ineffizienten Hafeninfrastrukturen<br />

vieler lateinamerikanischer Länder<br />

zurückzuführen ist. DHL Express zufolge<br />

kämpfen viele brasilianische Häfen mit<br />

grossen Problemen. Bei einigen mangelt es<br />

an Abfertigungskapazitäten; zudem ist die<br />

Schienen- und Autobahnanbindung oft ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


58 Wirtschaft Lateinamerika<br />

nicht ausreichend. Die Globalisierung schreitet<br />

weiter voran, ein Ende der hohen Rohstoffnach<br />

frage ist nicht in Sicht. Nicht zuletzt deshalb<br />

sollten die Regierungen Lateinamerikas<br />

dringend die Handelskosten reduzieren.<br />

Regierungen ergreifen die Initiative<br />

Erfreulicherweise haben viele lateinamerikanische<br />

Regierungen inzwischen erkannt,<br />

dass mehr und effizientere Investitionen in<br />

Infrastrukturen notwendig sind. In Brasilien<br />

und Mexiko, den beiden grössten lateinamerikanischen<br />

Volkswirtschaften, in denen mehr<br />

als 60 Prozent des BIP der Region erwirtschaftet<br />

werden, stiegen in den letzten drei<br />

Jahren die Investitionen in Infrastrukturen. Im<br />

Januar 2007 rief Brasiliens Präsident Luiz<br />

Inácio Lula da Silva ein ehrgeiziges Programm<br />

zur Beschleunigung des Wachstums ins Leben.<br />

Ursprünglich sollten bis zum Jahr 20<strong>10</strong><br />

220 Milliarden US-Dollar in landesweite Infrastrukturprojekte<br />

fliessen, doch schon<br />

2008 wurde das Budget auf 280 Milliarden<br />

US-Dollar aufgestockt. Dank dieser Konjunkturspritze<br />

machten Investitionen in Infrastrukturen<br />

zwischen 2007 und 20<strong>10</strong> etwa<br />

4,4 Prozent des BIP aus und lagen weitaus<br />

höher als in den Jahren davor. Zudem plant<br />

Brasilien, auch nach 20<strong>10</strong> in seine Infrastruktur<br />

zu investieren: Weitere 200 Milliarden<br />

US-Dollar sollen für entsprechende Projekte<br />

aufgewendet werden, und durch die Bauvorhaben<br />

rund um die Fussballweltmeisterschaft<br />

2014 und die Olympischen Spiele 2016 in<br />

Rio de Janeiro werden etwa 50 Milliarden<br />

US-Dollar dazukommen. Auch der mexikanische<br />

Präsident Felipe Calderón hat einen<br />

Infrastrukturplan vorgestellt, der bis 2012<br />

jährliche Ausgaben in Höhe von etwa 4 Prozent<br />

des BIP vorsieht. Die gegenwärtigen<br />

Infrastrukturprogramme sind sicher wichtige<br />

Schritte in die richtige Richtung, haben wohl<br />

aber nicht das Potenzial, die anstehenden<br />

Probleme in Bezug auf die Infrastruktur der<br />

Region zu lösen. Im Vergleich zu den Infrastrukturinvestitionen<br />

Chinas, die sich auf etwa <strong>10</strong><br />

Prozent des BIP belaufen, sind die Ausgaben<br />

Lateinamerikas eher bescheiden. Schätzungen<br />

der Weltbank zufolge müsste die Region<br />

über einen Zeitraum von 20 Jahren bis zu 6<br />

Prozent ihres BIP investieren, um bei der produktiven<br />

Infrastruktur das Niveau Südkoreas<br />

zu erreichen.<br />

Anreize müssen verbessert werden<br />

Da die finanziellen Möglichkeiten der Regierungen<br />

beschränkt sind, sind bessere Anreize<br />

zur Bildung öffentlich-privater Partnerschaften<br />

(ÖPP) besonders wichtig. Werden<br />

Projekte transparent gestaltet, Risiken gemeinsam<br />

getragen und Gewinne angemessen<br />

verteilt, ist das Geschäftsmodell der ÖPP<br />

herkömmlichen Konzessionen oft überlegen.<br />

Auch wenn in den letzten 20 Jahren verstärkt<br />

Privatinvestitionen in Infrastrukturprojekte<br />

getätigt wurden, konnten die Defizite, die entstanden,<br />

weil ein grosser Teil der öffentlichen<br />

Mittel in den 1990er-Jahren wegfiel, nie vollständig<br />

kompensiert werden. Um mehr Privatinvestoren<br />

anzulocken, die in Infrastrukturprojekte<br />

investieren, sind insbesondere stabile<br />

makroökonomische und politische<br />

Verhältnisse sowie ein förderlicher Regulierungs-<br />

und Rechtsrahmen wichtig. 2007 erstellte<br />

das Weltwirtschaftsforum einen Index,<br />

der die Attraktivität von Privatinvestitionen in<br />

Infrastrukturprojekte in Lateinamerika misst,<br />

in den viele makroökonomische und infrastrukturelle<br />

Faktoren einfliessen. Dazu gehören<br />

beispielsweise die Bereitwilligkeit von<br />

Regierungen, private Investitionen zuzulassen<br />

und zu fördern, die Erfolgsbilanz bezüglich<br />

privater Infrastrukturinvestitionen, rechtliche<br />

Rahmenbedingungen, politische Risiken, die<br />

1<br />

3<br />

1 Peru Manche Strassen sind mittlerweile in gefährlich schlechtem<br />

Zustand. 2 Peru Viele Häfen an der 2400 Kilometer langen Küste<br />

haben eine ineffiziente Infrastruktur. 3 Chile Die Atacamawüste ist<br />

ein grosser Touristenmagnet. Das ganze Land könnte sich bald<br />

auch zum attraktiven Ziel für Investoren entwickeln. 4 Brasilien<br />

Die Wirtschaft des grössten Landes auf dem lateinamerikanischen<br />

Kontinent steht unter Strom.<br />

2<br />

4<br />

Möglichkeit des Zugangs zu Informationen,<br />

das makroökonomische Umfeld, Finanzmärkte<br />

sowie Regierungen und Gesellschaften<br />

(siehe Abbildung 1).<br />

Chile bietet Privaten, die in Infrastrukturprojekte<br />

investieren wollen, die bei Weitem<br />

attraktivsten Bedingungen: makroökonomische<br />

Stabilität, ein gesundes Bankensystem,<br />

einen guten Zugang zu Informationen und<br />

Regierungsstatistiken sowie effiziente und<br />

gut ausgestaltete Vorschriften und Bestimmungen<br />

für ÖPP. Unglücklicherweise wurde<br />

das Land im Februar 20<strong>10</strong> von einem verheerenden<br />

Erdbeben heimgesucht, das nach<br />

Schätzungen der chilenischen Regierung Gesamtausgaben<br />

von 15 bis 30 Milliarden US-<br />

Dollar (zwischen 8 und 17 Prozent des BIP)<br />

nach sich ziehen wird. Die Swiss Re schätzt,<br />

dass total zwischen 4 und 7 Milliarden US-<br />

Dollar an Versicherungskosten anfallen werden.<br />

Diese Schätzungen fallen so hoch aus,<br />

weil es in Chile üblich ist, sowohl Wohnhäuser<br />

als auch Gewerbeimmobilien gegen Erdbebenschäden<br />

zu versichern. Aufgrund dieser<br />

hohen Versicherungsdichte und attraktiver<br />

makroökonomischer Bedingungen befindet<br />

Fotos: gettyimages, Gallo Images, National Geographic, The Image Bank, Photographer’s Choice<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Lateinamerika Wirtschaft 59<br />

sich Chile in einer besseren Ausgangslage<br />

als die meisten anderen Schwellenmärkte,<br />

um mit einer solchen Naturkatastrophe fertig<br />

zu werden. Ausser Chile bieten sich Brasilien,<br />

Kolumbien und Peru für Privatinvestoren an,<br />

die an Infrastrukturprojekten interessiert sind<br />

(siehe Abbildung 1). Insbesondere Kolumbien,<br />

das laut dem Bericht Doing Business 20<strong>10</strong><br />

der Weltbank seit 2004 zu den zehn Top Reformers<br />

zählt, gilt als attraktives Investitionsland;<br />

eine Zunahme privater Investitionen<br />

würde jedoch sicher all diesen Ländern helfen,<br />

ihre gegenwärtigen infrastrukturellen<br />

Engpässe zu überwinden.<br />

Region will strukturelle Probleme lösen<br />

Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass Lateinamerika<br />

den Vorsprung der asiatischen<br />

Volkswirtschaften in Bezug auf Wachstum<br />

und Infrastrukturqualität aufholen wird. Dennoch<br />

bleibt festzuhalten, dass die Länder Lateinamerikas<br />

heute besser positioniert und<br />

somit eher in der Lage sind, ihre strukturellen<br />

Probleme anzugehen. Zudem nimmt die Bereitwilligkeit<br />

zu, mehr Anreize für privat finanzierte<br />

Infrastrukturprojekte zu schaffen. Dabei<br />

darf nicht vergessen werden, dass bessere<br />

Infrastrukturen nicht nur ein stärkeres Wirtschaftswachstum<br />

und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit<br />

zur Folge haben, sondern<br />

auch dazu beitragen, die Einkommensschere<br />

zu schliessen und Armut zu bekämpfen, indem<br />

sie beispielsweise benachteiligte Bevölkerungsgruppen<br />

mit Märkten verbinden. Infrastrukturelle<br />

Verbesserungen könnten somit<br />

zu einem steigenden Inlandsverbrauch und<br />

dieser gemeinsam mit der unvermindert hohen<br />

Nachfrage nach Rohstoffen (Rohstoff-<br />

Superzyklus) zu einer positiveren Wachstumsentwicklung<br />

führen. Die Schätzungen<br />

des Weltwährungsfonds bestätigen diese<br />

Annahme: Zwischen 20<strong>10</strong> und 2014 wird<br />

eine Zunahme des jährlichen BIP der Region<br />

auf 3,8 Prozent erwartet. <<br />

2 Der Kondor schwingt sich auf, doch die Tiger liegen weiter vorn<br />

Das Wachstum der lateinamerikanischen Volkswirtschaften dürfte sich in den<br />

nächsten Jahren beschleunigen, das zeigen Wachstumserwartungen für die Region<br />

im Zeitraum 1990 bis 2014. Der Vorsprung der asiatischen Schwellenländer ist<br />

jedoch nicht aufzuholen. Quelle: Weltwährungsfonds, Credit Suisse<br />

%<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Industrieländer Schwellenländer Tigerstaaten Lateinamerika<br />

1990er-Jahre 2000er-Jahre 20<strong>10</strong>–2014<br />

3 Asiaten punkten bei der Infrastruktur<br />

China und Indien haben qualitativ höherwertige Infrastrukturen als Venezuela, Peru,<br />

Argentinien und Kolumbien. Dort ist die Transportinfrastruktur ein Schwachpunkt.<br />

Quelle: Global Competitiveness Report 2009–20<strong>10</strong> des Weltwirtschaftsforums<br />

Deutschland<br />

Hongkong<br />

Singapur<br />

USA<br />

Japan<br />

Taiwan<br />

Südkorea<br />

Chile<br />

China<br />

Mexiko<br />

Russland<br />

Brasilien<br />

Indien<br />

Kolumbien<br />

Argentinien<br />

Peru<br />

Venezuela<br />

2.5 3.5 4.5 5.5 6.5<br />

1 = ausserordentlich unterentwickelt; 7 = weitreichend und effizient gemäss internationalen Standards<br />

Lateinamerika asiatische Tigerstaaten BRIC-Partner Industrieländer<br />

Anzeige<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


60 Wirtschaft Asset Allocation<br />

Anlagestrategie:<br />

Vom Marktausblick zum<br />

Investitionsentscheid<br />

Das Vermögen gesamtheitlich zu betrachten und zu bewirtschaften, ist die erfolgreichste<br />

Anlagestrategie. Wie aber entsteht eine entsprechende Vermögens aufteilung, eine<br />

Asset Allocation? Wir gewähren einen Einblick in den Entscheidungs- und Investitionsprozess<br />

unserer Vermögensverwaltung.<br />

Text: Anja Hochberg, Head Investment Strategy, Stefan Keitel, Global Chief Investment Officer,<br />

Adrian Zürcher, Global Strategist<br />

In der letzten Ausgabe des <strong>bull</strong>etin konnten<br />

wir zeigen, wie das Verhältnis von Portfolioertrag<br />

und Portfoliorisiko durch eine Mischung<br />

verschie dener Anlagekategorien wie<br />

Aktien, Obligationen, Alternative Anlagen<br />

(wie Rohstoffe, Immobilien, Hedge-Fonds)<br />

und Liquidität optimiert werden kann. Der<br />

Anlageerfolg wird dabei insbesondere von<br />

zwei Faktoren bestimmt: der langfristigen<br />

Aufteilung des Vermögens und der kurzfristigen<br />

Abweichung davon, die zum Beispiel<br />

durch den aktuellen Stand im Konjunkturoder<br />

Zinszyklus getrieben wird.<br />

In einem ganzheitlichen Anlageprozess<br />

erstellt das globale Investmentkomitee der<br />

Credit Suisse unter Leitung des Chief Investment<br />

Officer (CIO) eine einheitliche Anlagestrate<br />

gie sowohl für die Kunden der Vermögensverwaltung<br />

als auch für die Beratungskunden.<br />

Benchmark ist langfristiger Anker<br />

Die langfristige Allocation ist dabei der Anker<br />

der Anlagestrategie und wird auch als Benchmark<br />

Asset Allocation bezeichnet. Sie gibt die<br />

Stossrichtung der Credit Suisse Anlagestrategie<br />

für die nächsten drei bis sieben Jahre<br />

vor und ist auch Referenz für den Verlauf der<br />

Wertentwicklung. Aufgrund eines sich verändernden<br />

Marktumfeldes und mit dem Ziel,<br />

die Transparenz in den Portfolios weiter zu<br />

er höhen, hat die Credit Suisse zum 1. April<br />

20<strong>10</strong> wichtige Anpassungen in dieser langfristigen<br />

Anlagestrategie beschlossen. Wesentliche<br />

Merkmale der neuen Strategie sind:<br />

1. Eine neutrale Liquiditätsquote von 5 Prozent.<br />

Dies trägt der Tatsache Rechnung,<br />

dass einerseits die Geldmarktzinsen sehr<br />

tief sind und auf längere Zeit auf historisch<br />

tiefen Niveaus pendeln werden. Anderseits<br />

ist eine gewisse Mindestre serve an liquiden<br />

Mitteln notwendig, um flexibel agieren<br />

zu können.<br />

2. In diesem Marktzyklus dürften sich reale<br />

Anlagen wie Aktien oder Alternative Anlagen<br />

besser entwickeln als nominale Anlagen<br />

wie festverzinsliche Wertpapiere.<br />

Wir haben daher den Aktienanteil in den<br />

relevanten Portfolios erhöht.<br />

3. Angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen<br />

Bedeutung von Schwellenländern<br />

und deren steigenden Kapitalmarkttiefe<br />

haben wir den Anteil von Schwellenländern<br />

im Vergleich zu den entwickelten<br />

Volkswirtschaften erhöht.<br />

4. Bei den festverzinslichen Anlagen werden<br />

wir in der Benchmark, also der langfristigen<br />

Anlagestrategie, keine Währungsrisiken<br />

eingehen. Wir werden uns aber auf<br />

taktischer Basis für spürbare Währungspositionen<br />

entscheiden, wenn sich diesbe<br />

züglich vielversprechende Chancen<br />

ergeben.<br />

5. Alternative Anlagen wurden bislang oft<br />

als homogene Anlagegruppe verstanden<br />

und in der Wahrnehmung meistens mit<br />

Hedge-Fonds verknüpft. Die Alternativen<br />

Anlagen umfassen allerdings eher heterogene<br />

Anlageklassen wie Hedge-Fonds,<br />

Rohstoffe, Immobilien oder Gold. Sie<br />

verbin det zwar die Eigenschaft, im Vergleich<br />

zu den traditionellen Anlageklassen<br />

eine unabhängige Wertentwicklung<br />

aufzuzeigen (geringe oder keine Korrelation).<br />

Im Marktzyklus sind diese Sub-<br />

Anlageklassen allerdings unterschiedlich<br />

attraktiv. Die Neu aufteilung des Anlageblocks<br />

Alternative Anlagen in unterschiedliche<br />

Sub-Anlageklassen berücksichtigt<br />

dabei ihre Heterogenität und erhöht die<br />

Transparenz.<br />

Schlüsselfaktor 1<br />

Eingehende Marktanalyse<br />

Das vom CIO geleitete Anlagekomitee der<br />

Credit Suisse setzt sich aus Vertretern der<br />

Vermögensverwaltung und aus erfahrenen<br />

Analysten zusammen und definiert die Rahmenbedingungen<br />

der aktuellen Anlagestrategie.<br />

Die enge Zusammenarbeit mit dem<br />

Research und die Stellvertretung des CIO im<br />

Anlagekomitee durch den Leiter Research<br />

stellt dabei sicher, dass die Investitionsentscheide<br />

des Komitees Eingang sowohl in den<br />

Beratungsprozess der Bankkunden als auch<br />

in die private Vermögensverwaltung finden.<br />

Darüber hinaus identifiziert das Anlagekomitee<br />

Marktchancen, die sich nicht nur in<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Asset Allocation Wirtschaft 61<br />

der längeren, sondern auch in der kürzeren<br />

Frist ergeben, der so genannt taktischen Asset<br />

Allocation (TAA). Innerhalb der TAA werden<br />

damit die kurzfristigen Abweichungen von<br />

der längerfristigen Anlagestrategie definiert.<br />

Dabei stützen wir uns auf unsere Markterwartungen<br />

für die nächsten ein bis sechs<br />

Monate. Ziel ist es dabei, in einem risikokontrollierten<br />

Rahmen die Vermögen innerhalb<br />

der verschiedenen Anlageklassen so<br />

umzuschichten, dass für unsere Kunden eine<br />

zusätzliche Renditequelle entsteht. Das Vertrauen<br />

in die formulierten Anlageeinschätzungen<br />

ist dabei entscheidend. So gehen wir<br />

lediglich Positionen ein, von denen wir überzeugt<br />

sind und die auf ihre Konsistenz geprüft<br />

wurden. Schwer beherrschbare Anlagestrategien<br />

verfolgen wir nicht weiter.<br />

Wenn wir die Anlagebeurteilungen formulieren,<br />

berücksichtigen wir multidimensionale<br />

Marktfaktoren und kombinieren die qualitativen<br />

Erkenntnisse führender Experten der<br />

Credit Suisse mit quantitativen Untersuchungen.<br />

Zu den Mitgliedern des Anlagekomitees<br />

zählen daher Verantwortliche jeder Anlageklasse,<br />

zum Beispiel Aktien und festverzinsliche<br />

Anlagen, sowie der zentralen Analyseverfahren<br />

wie Volkswirtschaft und technische<br />

Analyse. Um den lokalen Gegebenheiten in<br />

den einzelnen Anlageregionen Rechnung zu<br />

tragen, beziehen wir die Einschätzungen<br />

unserer Spezialisten vor Ort in den Entscheidungsprozess<br />

mit ein. Die Konsistenzprüfung<br />

und Synthese der im Anlagekomitee vorgetragenen<br />

Analysen bildet den Abschluss des<br />

analytischen Teils der Anlageentscheidung.<br />

Als Zweites werden ausschliesslich Anlagestrategien,<br />

von denen wir überzeugt sind, mit<br />

Hilfe des Portfolio-Allocation-Systems der<br />

Credit Suisse optimiert.<br />

Schlüsselfaktor 2<br />

Konsequente Risikokontrolle<br />

Dieses Allocation-System basiert auf dem<br />

Modell der optimalen Risikobudgetierung und<br />

ermöglicht es zum Beispiel, den Unsicherheitsfaktor<br />

aktiv zu steuern, der bei der Umsetzung<br />

von Marktmeinungen in anlagestrategische<br />

Entscheide eine wesentliche Rolle<br />

spielt. Mit dieser wissenschaftlich sehr gut<br />

abgestützten Methode transformieren wir<br />

die erarbeiteten Anlagestrategien, ohne das<br />

gewählte Risiko zu vernachlässigen, in eine<br />

kundenspezifische und praktisch umsetzbare<br />

Vermögensaufteilung.<br />

Vermögensverwaltung in der Credit Suisse<br />

Die Stärken unseres Vermögensverwaltungsansatzes<br />

basieren auf einer Kombination<br />

aus stringentem Anlageprozess, langjähriger<br />

Anlageerfahrung, umfangreichem Research<br />

und dem Einsatz innovativer Technologie. So<br />

können wir risikokontrollierte und kosteneffiziente<br />

Portfolios gestalten, die den individuellen<br />

Bedürfnissen unserer Kunden gerecht<br />

werden. <<br />

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Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


62 Wirtschaft Luftverschmutzung<br />

1 Düstere Aussichten<br />

Werden keine neuen Vorschriften erlassen, ersticken Umwelt und<br />

Wirtschaft an den Schadstoffemissionen. Quelle: OECD, Credit Suisse<br />

SO x -Emissionen weltweit<br />

Millionen Tonnen pro Jahr<br />

73.0<br />

32.4<br />

NO x -Emissionen weltweit<br />

Millionen Tonnen pro Jahr<br />

29.4<br />

67.1<br />

28.8<br />

65.1<br />

29.0<br />

64.1<br />

27.5<br />

62.4<br />

2000 20<strong>10</strong> 2<strong>02</strong>0 2030 2040<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Luftverschmutzung Wirtschaft 63<br />

Emissionskontrollsysteme:<br />

Der Schlüssel<br />

zur Eindämmung der<br />

Luftverschmutzung<br />

Nicht nur Umweltschützer wissen: Luftverschmutzung ist ein Problem, das dringend<br />

gelöst werden muss. Studien beweisen, dass es sich auch für die Wirtschaft lohnt,<br />

den Schadstoffausstoss zu senken. Dazu braucht es moderne Technologie, global<br />

strengere Gesetze und nicht zuletzt Emissionskontrollsysteme. Alle diese Massnahmen<br />

sollen dafür sorgen, dass der Weltwirtschaft nicht bald der Schnauf ausgeht.<br />

Text: Pierre-Yves Bolinger, Analyst Thematic Research<br />

Foto: gettyimages, The Image Bank<br />

Nach Schätzungen wissenschaftlicher Studien<br />

aus dem Jahr 2000 sind rund 1,4 Milliarden<br />

Menschen – das sind 22 Prozent<br />

der Weltbevölkerung – Konzentrationen an<br />

Rauch und Feststoffteilchen (FT) ausgesetzt,<br />

die die Höchstwerte in den Sicherheitsrichtlinien<br />

der Weltgesundheitsbehörde (WHO)<br />

überschreiten. Entwicklungsländer sind am<br />

stärksten davon betroffen; die Feinstaubkonzentrationen<br />

in vielen chinesischen Städten<br />

liegen über <strong>10</strong>0 μg/m 3 , als sicher eingeschätzt<br />

werden 20 μg/m 3 . Dieses Beispiel<br />

belegt eindrucksvoll, wie der durch menschliches<br />

Handeln verursachte Ausstoss von<br />

Schadstoffen die Luftqualität beeinträchtigt.<br />

Bei einem weiter steigenden Bevölkerungswachstum<br />

und einer wachsenden Industrie<br />

nimmt auch die Luftverschmutzung<br />

immer weiter zu (siehe Abbildung 1) – mit<br />

schwerwiegenden Auswirkungen auf die<br />

Gesund heit der Menschen und auf die Umwelt.<br />

Dieses Phänomen ist in städtischen<br />

Regionen mit einem hohen Verkehrsaufkommen<br />

und hoher industrieller Aktivität besonders<br />

ausgeprägt.<br />

Die Credit Suisse ist überzeugt, dass<br />

Luftverschmutzung in vielen Regionen weltweit<br />

ein grosses Problem darstellt, das besondere<br />

Massnahmen seitens der Regierungen<br />

erfordert. Für die Credit Suisse ist die<br />

Luftverschmutzung daher eines der globalen<br />

Themen ersten Ranges.<br />

Winzige Schmutzstoffe, grosses Risiko<br />

Eine Unterscheidung zwischen Luftschadstoffen<br />

wie Kohlendioxid (CO 2 ) und anderen<br />

Treibhausgasen (THG) ist von grundlegender<br />

Bedeutung. Luftschadstoffe und CO 2 entstehen<br />

überwiegend bei der Verbrennung<br />

fossiler Brennstoffe. Kohlendioxid, das am<br />

stärksten verbreitete THG, wirkt sich jedoch<br />

nicht unmittel bar auf die Gesundheit des<br />

Menschen aus. Demgegenüber sind SS<br />

und bodennahes Ozon die am weitesten<br />

verbreiteten Schadstoffe, die sich besonders<br />

gesundheitsschädigend auswirken. SS sind<br />

winzige Feststoffteilchen, die überwiegend<br />

bei der Verbrennung von Kohle, Holz und<br />

Dieselöl freigesetzt werden. Kleine (bis zu<br />

<strong>10</strong> μm grosse) FT bleiben in der Luft hängen<br />

und können sich in der Lunge ansammeln,<br />

wo sie schwere Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

sowie Krebs auslösen<br />

und damit das Risiko eines vorzeitigen Todes<br />

erhöhen können.<br />

Bodennahes Ozon wird zwar nicht direkt<br />

in die Luft abgegeben, sondern entsteht in<br />

einem fotochemischen Prozess mit Vorläufersubstanzen<br />

wie Stickoxid (NO x ), flüchtigen<br />

organischen Verbindungen (FOV) und Methan.<br />

Ozon beeinträchtigt die Lungenfunktion,<br />

verursacht Lungenentzündung und führt zu<br />

Atemwegserkrankungen und vorzeitigem Tod.<br />

Ein weiterer wichtiger Schadstoff ist das<br />

Schwefeloxid (SO x ), das in Verbindung mit<br />

NO x sauren Regen und Smog hervorruft. SO x<br />

entsteht überwiegend bei der Verbrennung<br />

von Kohle in Kraftwerken (rund 60 Prozent),<br />

NO x bei der Verbrennung von Brennstoffen<br />

und Benzin (rund 50 Prozent im Strassenverkehr<br />

und 20 Prozent in Kraftwerken).<br />

Mehr Dreck, höhere Gesundheitskosten<br />

Überall auf der Welt tragen Menschen zur<br />

Luftverschmutzung bei, ohne sich unmittelbar<br />

über die Folgen bewusst zu sein. Doch<br />

die Auswirkungen auf Volksgesundheit und<br />

Umwelt bürden der Gesellschaft enorme<br />

Kosten auf. So wirkt sich Luftverschmutzung<br />

etwa auf Ernteerträge, auf die Gesundheit<br />

der Wälder und sogar auf Gebäude nachteilig<br />

aus. Ausserdem löst sie Erkrankungen<br />

des Herz-Kreislauf-Systems und der Atemwege<br />

aus. Die durch Luftverschmutzung<br />

verursach ten Kosten im Gesundheitswesen<br />

belau fen sich jährlich auf schätzungsweise<br />

180 Milliarden US-Dollar in Europa, über ><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


64 Wirtschaft Luftverschmutzung<br />

<strong>10</strong>0 Milliarden US-Dollar in den USA und über<br />

70 Milliarden US-Dollar in China.<br />

Strengere Gesetze sind nötig<br />

Das Problem muss angegangen werden, indem<br />

tolerable Schadstoffkonzentrationen definiert<br />

und der Schadstoffausstoss mit strengen<br />

gesetzlichen Vorschriften eingedämmt<br />

werden. Die meisten OECD-Mitgliedstaaten<br />

haben in den vergangenen zehn Jah re n erfolgreich<br />

ihre Luftverschmutzung reduziert<br />

und sie vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt.<br />

Dies verdeutlicht den Nutzeffekt entsprechender<br />

Massnahmen. Dennoch müssen<br />

bestimmte Schadstoffe mit Hilfe noch<br />

strengerer Gesetzesvorschriften weiter verringert<br />

werden, wie es für die kommenden<br />

fünf Jahre geplant ist.<br />

Auch in den Entwicklungsländern werden<br />

nach und nach entsprechende Vorschriften<br />

eingeführt. China hat im Jahr 2000 erste<br />

Abgasnormen für Fahrzeuge eingeführt, die<br />

es in Europa bereits seit 1992 gibt. Um ihren<br />

Nutzen zu steigern, müssen diese Rechtsvorschriften<br />

noch enger gefasst werden, da<br />

sie bei einem starken Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum<br />

bald nicht mehr ihren<br />

ursprünglichen Zweck erfüllen. Wenn jetzt<br />

keine Massnahmen ergriffen werden, muss<br />

in China bis 2030 von einer Verdreifachung<br />

der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von FT<br />

ausgegangen werden.<br />

Gesunde Umwelt, gesunde Wirtschaft<br />

Wie viele wissenschaftliche Studien zeigen,<br />

werden die Kosten für eine Senkung des<br />

Schadstoffausstosses durch den Gesamtgewinn<br />

mehr als kompensiert. Die Vorteile<br />

machen sich hauptsächlich durch geringere<br />

Kosten für die medizinische Versorgung und<br />

weniger Produktionseinbussen bemerkbar,<br />

aber sie schlagen sich auch in Form von Kosteneinsparungen<br />

durch eine gesündere Umwelt<br />

nieder.<br />

Die Kosten-Nutzen-Analyse beziffert den<br />

Gewinn respektive Verlust bei unterschiedlichen<br />

Rechtsvorschriften durch eine Gegenüberstellung<br />

des Gesamtgewinns mit den<br />

Gesamtkosten. So ist beispielsweise im Fall<br />

des Clean Air Act (CAA), einem US-amerikanischen<br />

Gesetz zur Luftreinhaltung, der<br />

Gewinn weitaus höher als die Kosten (siehe<br />

Abbildung 2). Das Kosten-Nutzen-Verhältnis<br />

(Gewinn geteilt durch Kosten) fällt mit Werten,<br />

die je nach Szenario zwischen 3,7 und<br />

4,1 betragen, positiv aus. Besonders wirkungsvoll<br />

sind Rechtsvorschriften nämlich<br />

dann, wenn sie Massnahmen umfassen, die<br />

Synergieeffekte bewirken, indem sie gleichzeitig<br />

mehrere Schadstoffe bekämpfen.<br />

Erneuerbare Energien können zu einer<br />

verminderten Luftverschmutzung beitragen,<br />

da sie weniger THG erzeugen. Doch diese<br />

Technologien sind verhältnismässig kapitalintensiv<br />

und können in grossem Massstab<br />

nur über einen längeren Zeithorizont hinweg<br />

implementiert werden. Auf der anderen Seite<br />

ist auf dem Markt ein breites Angebot erschwinglicher<br />

Technologien zur Neutralisierung<br />

von Schadstoffen verfügbar. So besteht<br />

etwa die Möglichkeit, den Schwefelgehalt<br />

von Energieträgern zu senken. Und die<br />

Schadstoffemissionen bei der Kohleverbrennung<br />

können durch die «saubere Kohleverstromung»<br />

gesenkt werden.<br />

Ferner können Schadstoffe in der Zu- oder<br />

Abluft von Raumbelüftungssystemen mit<br />

Hilf e bestimmter Technologien neutralisiert<br />

werden. Hierbei variieren die Voraussetzungen<br />

und Erfordernisse je nach Anwendungsgebiet.<br />

So kommen etwa bei den gängigen<br />

Technologien für die Energiegewinnung und<br />

den gewerblichen Bereich Filteranlagen<br />

zum Einsatz, in denen fortschrittliche Membran-<br />

oder Elektrofilter die Partikel von<br />

den Gasen der Abluft trennen. Im Transportsektor<br />

werden hauptsächlich zwei Technologien<br />

angewendet, die effizienzsteigernd<br />

miteinander kombiniert werden können:<br />

Kataly satoren, in denen für einen hohen<br />

Wirkungs grad hauptsächlich Edelmetalle<br />

(Platin) als katalytische Mittel verwandt werden,<br />

dienen der Neutralisierung von NO x . Die<br />

üblicherweise aus porösem Keramikmaterial<br />

bestehenden Partikelfilter sondern die FT<br />

aus Dieselabgasen aus.<br />

Spezialisierte Unternehmen profitieren<br />

Die Wertschöpfungskette rund um diese<br />

Technologien wird von Rohstofflieferanten,<br />

spezialisierten Herstellern von Emissionskontrollsystemen<br />

und Endverbrauchern gestaltet.<br />

Da Unternehmen im mittleren Segment<br />

der Wertschöpfungskette stärker spezialisiert<br />

sind, haben sie aufgrund des<br />

Trends hin zur Bekämpfung und Minderung<br />

der Luftverschmutzung auch ein grösseres<br />

Wachstumspotenzial. Bei einem voraussichtlichen<br />

jährlichen Wachstum von über<br />

zehn Prozent ist davon auszugehen, dass<br />

der Marktumsatz, der sich 2009 auf geschätzte<br />

63 Milliarden Euro belief, bis zum<br />

Jahr 2013 auf knapp <strong>10</strong>0 Milliarden Euro anwachsen<br />

wird.<br />

Die Unternehmen können in zwei Sektoren<br />

unterteilt werden: vorwiegend in kleinem<br />

2 Luftreinhaltung ist ihr Geld wert<br />

Beim Clean Air Act (US-amerikanisches<br />

Geset z zur Luftreinigung) ist der Gewinn viel<br />

höher als die Kosten. Quelle: OECD, Credit Suisse<br />

Milliarden US-Dollar<br />

120<br />

<strong>10</strong>0<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Kosten<br />

Gewinn<br />

Nettogewinn<br />

1. Szenario 2. Szenario<br />

Umfang tätige Hersteller von Katalysatoren<br />

und Hersteller von Filteranlagen für gewerbliche<br />

Anwendungsbereiche.<br />

Investieren in Technologievorreiter lohnt<br />

Luftverschmutzung wird zu einem immer dringen<br />

deren Problem, da sie schwerwiegende<br />

Erkrankungen und eine steigende Anzahl<br />

vorzeitiger Todesfälle zur Folge hat. Mit insgesamt<br />

über 350 Milliarden US-Dollar sind<br />

die jährlich in den USA, in Europa und China<br />

durch Luftverschmutzung verursachten Kosten<br />

hoch. Bei der Bekämpfung von Schadstoffen<br />

haben sich zweckmässige Rechtsvorschriften<br />

als wirkungsvoll erwiesen und<br />

erlauben es den jeweiligen Staaten, das<br />

Emis sionsproblem vom Wirtschaftswachstum<br />

abzukoppeln. Darüber hinaus erbringen<br />

mehrere wissenschaftliche Publikationen<br />

den Beweis, dass derartige Vorschriften<br />

sich wirt schaftlich vorteilhaft auswirken. Zur<br />

Minderung des Schadstoffaufkommens<br />

werde n ausgeklügelte, schadstoffspezifische<br />

Technologien für diverse Anwendungsgebiete<br />

benötigt. Von den künftigen, verschärften<br />

Vorschriften begünstigt, sind Technologievorreiter<br />

eine vielversprechende Investitionschance.<br />

<<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


65<br />

Dossier Schweizer Fussball<br />

Die Pyramide<br />

des Erfolgs<br />

Inhalt<br />

01<br />

<strong>02</strong><br />

03<br />

04<br />

Der Trainer Exklusivinterview mit Ottmar Hitzfeld<br />

Der Profi Nationalspieler Stephan Lichtsteiner<br />

Das Talent U-17-Weltmeister Oliver Buff<br />

Der Schüler Schweizer Meister Gianluca Bianculli<br />

05 Der Verein Wie die Young Kickers Foundation hilft<br />

Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 4/09


66<br />

01<br />

Schweizer<br />

Fussball<br />

«Ich programmiere<br />

mich immer auf Erfolg»<br />

Ottmar Hitzfeld hat die Schweiz an die WM in Südafrika geführt. Der Erfolgstrainer über seinen<br />

ersten Lohn, die Bedeutung der Wissenschaft für den Fussball und die Angst vor dem Scheitern.<br />

<strong>bull</strong>etin: Herr Hitzfeld, Sie sind seit<br />

27 Jahren im Trainergeschäft. Hat man da<br />

überhaupt noch Lust, über Fussball zu<br />

reden?<br />

Ottmar Hitzfeld: Fussball ist nicht nur mein<br />

Beruf, sondern meine Leidenschaft. Er kennt<br />

keine endgültige Wahrheit, sondern bietet<br />

immer wieder neuen Diskussionsstoff.<br />

Was würden Sie Ottmar Hitzfeld als<br />

Erstes fragen?<br />

Ich würde wissen wollen, wieso er ein so<br />

grosses Risiko einging und Trainer wurde.<br />

Und wie lautet die Antwort ?<br />

Ich hatte das nie geplant. Doch als ich 1983<br />

nach meiner Fussballerkarriere Lehrer werden<br />

wollte, wurde eine Nachprüfung verlangt,<br />

da ich seit dem Staatsexamen nie als Lehrer<br />

tätig war. Das fand ich ungerecht, und so<br />

wurde ich Trainer des SC Zug. Ich gab mir<br />

fünf Jahre Zeit, um in diesem Beruf Erfolg<br />

zu haben. Das Risiko hat sich gelohnt – mehrheitlich.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Fussball bedeutete jahrzehntelang mein Leben<br />

und ich hatte kaum mehr als einen Tag<br />

pro Monat frei. Darunter litt das Familienleben,<br />

besonders meine Frau musste Opfer<br />

bringen. Wir gingen fast nie gemeinsam zu<br />

Einladungen und vielleicht einmal im Jahr ins<br />

Theater. Da ich dauernd in der Öffentlichkeit<br />

stand, habe ich mich in der Freizeit isoliert.<br />

Wie hat sich der Fussball in all den Jahren<br />

verändert ?<br />

Er hat sich in jeder Hinsicht entwickelt. Das<br />

Spiel ist heute schneller, die Spieler trainieren<br />

härter, Fussball ist gesellschaftsfähiger<br />

und kommerzieller geworden. Gleich geblieben<br />

ist eigentlich bloss eines: Die Spieler<br />

gehen dorthin, wo es am meisten Geld zu<br />

verdienen gibt.<br />

Erinnern Sie sich an Ihren ersten Lohn?<br />

Beim FC Basel bekam ich 1971 monatlich<br />

800 Franken. Es gab zwar lukrativere Angebote<br />

von kleineren Vereinen, aber mich<br />

reizte die sportliche Herausforderung. Ich<br />

hätte damals auch umsonst für Basel gespielt.<br />

Dank der Erhebung unzähliger Daten ist<br />

heute vom «gläsernen Spieler» die Rede.<br />

Welche neuen Erkenntnisse hat die Wissenschaft<br />

gebracht?<br />

Dank Blut- oder Schnelligkeitstests kann<br />

man sich ein umfassenderes Bild eines Spielers<br />

machen und dessen Defizite besser aufzeigen.<br />

Besonders hilfreich ist das bei lauffaulen<br />

Diven, die überzeugt sind, wahnsinnig<br />

viel geleistet zu haben.<br />

Dann dienen die Daten dazu, die Verantwortung<br />

abzuschieben?<br />

Nein. Sie sind eine Ergänzung. Eine Hilfe,<br />

um Meinungen zu untermauern. Mehr nicht.<br />

Computerprogramme schlüsseln heute die<br />

rund 2500 Aktionen auf, die es während<br />

eines Spiels gibt. Welche Informationen<br />

sind für Sie die wichtigsten?<br />

Für mich geht es etwa darum, die Zweikampfstatistik<br />

zu kennen. Diese lügt nie.<br />

Entscheidend ist aber die Interpretation der<br />

Daten. Die Kunst besteht darin, das Wesentliche<br />

herauszusuchen und zu fragen, was uns<br />

weiterbringt.<br />

Wird man als routinierter Trainer von den<br />

Daten wirklich überrascht ?<br />

Natürlich. Ein Beispiel: Gökhan Inler wurde<br />

nach dem WM-Qualifikationsspiel gegen<br />

Israel für seine vielen Fehl- und Querpässe<br />

kritisiert. Die Statistik hat aber gezeigt, dass<br />

er 55 Prozent der Pässe in die Spitze spielte,<br />

30 quer und 20 zurück. Der fleissige Gelson<br />

Fernandes hingegen spielte 50 Prozent rückwärts,<br />

also Sicherheitspässe, und bloss<br />

20 Prozent in die Spitze. Da ist man auch als<br />

Trainer erstaunt.<br />

Verdrängen die Statistiken die psychologische<br />

Komponente des Trainerberufs?<br />

Nein, sie ist nach wie vor das Wichtigste in<br />

meinem Job. Der Mensch steht im Mittelpunkt<br />

und ich versuche ihn zu stärken, indem<br />

ich viele Gespräche führe. Nach einer schlechten<br />

Leistung hacke ich nicht auf dem Spieler<br />

rum. Ich liefere ihm Lösungsansätze, wie er<br />

es das nächste Mal besser machen kann.<br />

Worauf achten Sie bei der Komposition<br />

einer Mannschaft ?<br />

<br />

Fotos: Cover, Muster Andreas Mustermann Meier | | Muster Foto rechts, Mustermann Alberto Venzago<br />

<strong>bull</strong>etin 4/09 Credit Suisse


Der Trainer<br />

«Es wird oft gesagt, der Hitzfeld sei ein kühler Kopfmensch. Das ist Quatsch.<br />

Ich verlasse mich viel auf meine innere Stimme, auf meinen Bauch.»<br />

Ottmar Hitzfeld


Geschafft: Die Qualifikation für Südafrika<br />

mit der Schweiz bedeutet für Ottmar<br />

Hitzfeld die erste WM-Teilnahme.<br />

Ottmar Hitzfeld (61) ist seit<br />

dem Sommer 2008 Trainer der<br />

Schweizer Nationalmannschaft.<br />

Er wurde nach der deutschen<br />

Fussballlegende Ottmar Walter<br />

benannt und wuchs als jüngstes<br />

von fünf Kindern in Lörrach<br />

auf. Als Spieler war er für den<br />

FC Basel (zwei Meistertitel)<br />

sowie für VfB Stuttgart,<br />

FC Lugano und FC Luzern tätig.<br />

Er war ein schneller und treffsicherer<br />

Stürmer. 1973 wurde<br />

er Torschützenkönig der<br />

Schweiz, und mit sechs Toren<br />

in einem Spiel hält er bis heute<br />

einen Bundesligarekord. Als<br />

Trainer wirkte er bei SC Zug,<br />

FC Aarau, den Grasshoppers,<br />

Borussia Dortmund und Bayern<br />

München. Er gewann insgesamt<br />

sechsmal den Pokal und<br />

holte neun Meistertitel. Als<br />

einer von nur zwei Trainern<br />

wurde er mit zwei verschiedenen<br />

Vereinen Champions-<br />

League-Sieger (Dortmund,<br />

Bayern) und gehört damit zu<br />

den erfolgreichsten Klubtrainern<br />

aller Zeiten.<br />

Neben der Taktik geht es dabei um die<br />

menschliche Komponente. Nicht die elf besten<br />

Einzelspieler sind das beste Team, es<br />

muss zusammenpassen. Es wird oft gesagt,<br />

der Hitzfeld sei ein kühler Kopfmensch, ein<br />

berechnender Mathematiker. Das ist Quatsch.<br />

Ich verlasse mich viel auf meine innere Stimme,<br />

auf meinen Bauch.<br />

Ist die Mannschaft ein Spiegelbild des<br />

Charakters ihres Trainers?<br />

Das glaub ich nicht. Besonders als Trainer<br />

der Nationalmannschaft kann ich ja nicht die<br />

Spieler meines Geschmacks zusammenkaufen,<br />

sondern muss mit jenen arbeiten, die mir<br />

zur Verfügung stehen. Ich versuche jedoch<br />

immer, meine Mentalität auf das Team zu<br />

übertragen.<br />

Kann man den Spielern eine Siegermentalität<br />

vermitteln?<br />

Ja, aber es ist ein langer Prozess. Ich selbst<br />

war früher gehemmt und traute mich nicht,<br />

in der Schule aufzustrecken aus Angst, etwas<br />

falsch zu machen. Aber mit den Jahren habe<br />

ich mir eine gewisse Robustheit angeeignet.<br />

Die Spieler müssen schon im Training jedes<br />

Mätschli gewinnen wollen, und sie dürfen<br />

keine Angst haben.<br />

Sie sind seit knapp zwei Jahren Schweizer<br />

Nationaltrainer. Fühlen Sie sich von den<br />

Spielern verstanden?<br />

Ich empfinde die Zeit nach wie vor als sehr<br />

kurz, da ich viel weniger Zeit mit dem Team<br />

verbringe als ein Vereinstrainer. Da sind mir<br />

schon ein wenig die Hände gebunden. Aber<br />

ich denke, dass wir nach der Heimniederlage<br />

gegen Luxemburg eine gute Mentalität bewiesen<br />

haben. Die WM-Qualifikation hat<br />

jedoch auch gezeigt, dass die Auswahl an<br />

gleichwertigen Spielern nicht sehr gross ist.<br />

Immerhin scheint es nicht an Talenten zu<br />

mangeln, stellt die Schweiz doch den U-17-<br />

Weltmeister. Warum haben Sie bisher keinen<br />

davon ins Nationalteam berufen?<br />

Diese Spieler haben Sensationelles geleistet<br />

und stehen unter Beobachtung. Aber mit<br />

einer Nomination würde ich keinem einen Gefallen<br />

tun. Das sind Jugendspieler, die sich<br />

erst mal im Profifussball durchsetzen müssen.<br />

Welcher Faktor entscheidet, ob es einer<br />

packt ?<br />

Die psychische Komponente. Wenn einer<br />

denkt, seine Karriere sei gesichert, nur weil<br />

er U-17-Weltmeister ist, dann hat er schon<br />

verloren.<br />

Wie bringt man eine Mannschaft pünktlich<br />

auf WM-Beginn in Bestform?<br />

Es braucht eine gute Vorbereitung, in der<br />

man das Team physisch, taktisch und psychisch<br />

gut einstellt. Danach hängt vieles<br />

von den ersten Spielen ab. Man braucht das<br />

nötige Schlachtenglück.<br />

In der Schweiz bekommt man den Eindruck,<br />

die Achtelfinalqualifikation sei reine Formsache.<br />

Unterschätzt man die WM-Gruppe?<br />

Seit wir im März von Uruguay vorgeführt wurden,<br />

hat sich diese Frage erübrigt. Honduras<br />

bewegt sich in derselben Stärkeklasse, Chile<br />

ist noch etwas besser. Wir brauchen eine<br />

Topleistung, um gegen beide zu bestehen.<br />

Und wie schlägt man den Europameister<br />

und WM-Favoriten Spanien?<br />

Jeder Spieler muss an seine Leistungsgrenze<br />

gehen, und wir brauchen einen Torhüter<br />

Benaglio, der das Spiel seines Lebens macht.<br />

Das Team muss total überzeugt sein, die<br />

Sensation schaffen zu können. Von zehn<br />

Spielen verlieren wir acht gegen diese Jahrhundertelf.<br />

Aber zwei Partien sind offen. Da<br />

ist alles möglich.<br />

Sie sind vom Erfolg verwöhnt. Haben Sie<br />

Angst vor dem Scheitern?<br />

Ich denke nie an das Scheitern, sondern programmiere<br />

mich immer auf Erfolg. Dabei bin<br />

ich aber kein Träumer. Meine Aufgabe ist es,<br />

die Mannschaft so gut wie möglich für die<br />

Gruppenspiele vorzubereiten. Danach sehen<br />

wir weiter.<br />

Haben Sie Mühe, vor wichtigen Spielen<br />

einzuschlafen?<br />

Als junger Trainer bin ich nachts wach gelegen<br />

und habe an der Aufstellung gezweifelt.<br />

Es bereitete mir Probleme, den Spielern weh<br />

zu tun, weil ich sie auf die Bank verbannte.<br />

Heute schlafe ich besser.<br />

Heute haben Sie keine Skrupel mehr?<br />

Es fällt mir genauso schwer. Für mich sind<br />

die Spieler nach wie vor Menschen und keine<br />

Nummern, wie für gewisse Berufskollegen.<br />

Aber ich habe gelernt, zu entscheiden.<br />

Gibt es im Fussball Gerechtigkeit?<br />

Wer verliert, ist immer selber schuld. 1999 im<br />

Champions-League-Final erlebte ich meine<br />

bitterste Niederlage. Wir waren die bessere<br />

Mannschaft, hatten zwei Lattenschüsse und<br />

führten bis zur 89. Minute mit 1: 0. Aber am<br />

Schluss hiess es 1: 2. In diesem Moment gibt<br />

es nichts Schlimmeres, als Mitleid geschenkt<br />

zu bekommen. Wir haben uns selber geschlagen.<br />

So einfach ist das. Die einzige Frage<br />

lautet: Steht man nach einem solchen Tiefschlag<br />

wieder auf oder nicht.<br />

Träumen Sie manchmal von diesem<br />

Drama?<br />

Meine Frau kann sich fast jeden Morgen an<br />

ihren Traum erinnern. Aber ich träume nie.<br />

Michael Krobath<br />

Fotos: Andreas Meier


69<br />

Der Weg nach Südafrika Mit der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 20<strong>10</strong> nimmt die<br />

Schweiz zum achten Mal an einer WM-Endrunde teil. Das Turnier findet vom 11. Juni<br />

bis 11. Juli 20<strong>10</strong> in Südafrika und damit erstmals auf afrikanischem Boden statt. In den<br />

zehn Qualifikationsspielen setzte Trainer Ottmar Hitzfeld insgesamt 26 Spieler ein –<br />

die meisten Tore erzielten Blaise Nkufo und Alex Frei mit je fünf Treffern. Mit sechs Siegen<br />

und drei Unentschieden wurde die Schweiz Gruppensieger vor Griechenland. Die<br />

einzige Niederlage erfolgte gegen Luxemburg, womit sie sich als erstes Team überhaupt<br />

nach einer Heimniederlage gegen den Fussballzwerg für eine Endrunde qualifizierte.<br />

Gutes Auftaktspiel, doch<br />

in letzter Sekunde erzielt<br />

Israel den Ausgleich.<br />

6.9.2008<br />

Israel–Schweiz 2:2<br />

Der grosse Schock: Der<br />

Fussballzwerg Luxemburg<br />

gewinnt in Zürich.<br />

<strong>10</strong>.9.2008<br />

Schweiz–Luxemburg 1:2<br />

Der mühsame Heimsieg<br />

gegen Lettland gibt wieder<br />

Hoffnung.<br />

11.<strong>10</strong>.20 0 8<br />

Schweiz–Lettland 2:1<br />

Überraschender Sieg in<br />

Griechenland, die Schweiz<br />

ist wieder im WM-Rennen.<br />

Nervöse Schweizer in<br />

Moldawien. Das 2:0 fällt<br />

erst in der 93. Minute.<br />

15.<strong>10</strong>.20 0 8<br />

Griechenland–Schweiz 1:2<br />

Im Rückspiel werden die<br />

Moldawier dominiert.<br />

Nkufo trifft bereits zum<br />

fünften Mal.<br />

28.3.2009<br />

Moldawien–Schweiz 0:2<br />

Big Points gegen Griechenland<br />

und vierter Sieg<br />

in Folge. Die Schweiz auf<br />

WM-Kurs.<br />

1.4.2009<br />

Schweiz–Moldawien 2:0<br />

Krimi in Lettland: Rettung<br />

in letzter Minute dank<br />

Derdiyoks Ausgleich.<br />

Gelungene Revanche<br />

gegen Luxemburg, Platz<br />

eins vor dem letzten Spiel.<br />

5.9.2009<br />

Schweiz–Griechenland 2:0<br />

Das torlose Unentschieden<br />

gegen Israel reicht:<br />

Südafrika, wir kommen!<br />

9.9.2009<br />

Lettland–Schweiz 2:2<br />

Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />

<strong>10</strong>.<strong>10</strong>.2009<br />

Luxemburg–Schweiz 0:3<br />

14.<strong>10</strong>.20 09<br />

Schweiz–Israel 0:0


<strong>02</strong><br />

Schweizer<br />

Fussball<br />

«Noch einmal gegen Brasilien spielen»<br />

Stephan Lichtsteiner hat seinen Jugendtraum verwirklicht. Er ist Profifussballer, derzeit<br />

bei Lazio Roma, und wird, wenn ihn keine Verletzung zurückwirft, an der Weltmeisterschaft eine<br />

Stütze der Nationalmannschaft sein. Dort debütierte er gegen Brasilien. Nun lockt die Traumbegegnung<br />

erneut.<br />

Valon Behrami, Gelson Fernandes, Gökhan<br />

Inler, Stephan Lichtsteiner, Ludovic Magnin,<br />

Patrick Müller und Philippe Senderos. Sieben<br />

Nationalspieler. Was sie verbindet? Eine zumeist<br />

defensive Position auf dem Spielfeld,<br />

vor allem aber: An der EURO 2008 in der<br />

Schweiz gehörten sie unter Jakob Kuhn in<br />

allen drei Partien gegen die Tschechische<br />

Republik, die Türkei und Portugal zur Startelf.<br />

Die 2 auf dem Rücken – und doch nicht<br />

Nicht alle sieben werden in Südafrika unter<br />

Ottmar Hitzfeld diesen Traum wiederholen<br />

können und sowohl am 16. Juni gegen Spanien<br />

als auch am 21. Juni gegen Chile und<br />

am 25. Juni gegen Honduras auf dem Spielfeld<br />

stehen, wenn die Schweizer Nationalhymne<br />

erklingt. Aber, keine Frage, Stephan<br />

Lichtsteiner ist es zuzutrauen. Er ist unter<br />

Ottmar Hitzfeld weiter gereift, hat als rechter<br />

Aussenverteidiger mit viel Offensivdrang acht<br />

der zehn Qualifikationsspiele bestritten und<br />

befindet sich derzeit in einer beneidenswerten<br />

Form.<br />

In der Nationalmannschaft und bei Lazio<br />

Roma trägt er die 2 auf dem Rücken, aber<br />

im übertragenen Sinn stimmt dies längst<br />

nicht mehr. Die Fans haben den Innerschweizer<br />

Kämpfer und Dauerläufer in ihr Herz<br />

geschlossen. In Rom nennen sie ihn zärtlich<br />

Forrest Gump, in Anspielung auf einen<br />

Oscar-preisgekrönten Film mit Tom Hanks.<br />

Telefoninterview: Die Handynummer von<br />

Stephan Lichtsteiner, die er von Zeit zu Zeit<br />

32<br />

Länderspiele hat Stephan Lichtsteiner<br />

im Idealfall absolviert, wenn die Schweiz im<br />

Achtelfinal auf Brasilien trifft …<br />

wechselt, habe ich von Denise Ferrari erhalten<br />

– Denise Ferrari, die seinerzeit den<br />

fussball begeisterten Lehrling in der Credit<br />

Suisse Geschäftsstelle am Schaffhauserplatz<br />

in Zürich betreute und die ihm nun, Jahre<br />

später, beim Römer Derby auf der Tribüne<br />

im Olympiastadion fest die Daumen drückte.<br />

Stephan Lichtsteiner hat sich in der Zwischenzeit<br />

zwar einen Platz in der glamourösen<br />

Welt des Fussballs erobert; aber letztlich<br />

ist er der Gleiche geblieben. Bescheiden<br />

und zuvorkommend, gerne Ice Tea trinkend,<br />

Lasagne essend. Und wenn er davon träumt,<br />

sich ein Haus nach seinen eigenen Vorstellungen<br />

zu bauen, ein Haus für eine Familie<br />

mit zwei Kindern, dann steht dieses Haus<br />

natürlich im <strong>Süden</strong> – im <strong>Süden</strong> von Zürich, an<br />

den Gestaden des Vierwaldstättersees.<br />

Kontinuierliche, nachhaltige Entwicklung<br />

In der Zentralschweiz, wo alles begonnen hat<br />

und wo sich der Kreis auch wieder schliessen<br />

wird. Beim FC Adligenswil, der 1985 von<br />

Stephans Vater mitbegründet wurde. Mag<br />

sein, dass der Vater dabei träumte, sein Sohn<br />

würde eines Tages für den FCA Tor um Tor<br />

schiessen, ihn erfolgreich in die 3. Liga führen;<br />

aber so richtig planbar war die Karriere<br />

von Stephan, geboren am 16. Januar 1984,<br />

damals noch nicht.<br />

Doch seine Liebe zum Fussball zeigte sich<br />

schon sehr bald und zog 1996 den Wechsel<br />

des Zwölfjährigen zum FC Luzern nach sich.<br />

Und spätestens am 12. Oktober 1999, <br />

Fotos: Foto: Alberto Muster Venzago Mustermann | Muster Mustermann<br />

<strong>bull</strong>etin 5/09 Credit Suisse


Der Profi<br />

«Dieser Ehrgeiz, immer spielen und immer gewinnen zu wollen, ist in mir drin. Ab und zu steht mir diese Eigenschaft auch im Weg.<br />

Doch ich habe an mir gearbeitet und habe mich inzwischen viel besser unter Kontrolle als früher.»<br />

Stephan Lichtsteiner


Die Credit Suisse und die Nationalmannschaft<br />

Sechs internationale<br />

Endrunden – eine sehr<br />

erfolgreiche Ära<br />

Die Credit Suisse engagiert<br />

sich seit vielen Jahren für den<br />

Schweizer Fussball und ist<br />

seit 1993 Hauptsponsor des<br />

Schweizerischen Fussballverbands<br />

(SFV) und der Nationalmannschaften.<br />

Die Zusammenarbeit<br />

mit dem SFV ist<br />

von grossen Erfolgen geprägt.<br />

Jüngster Höhepunkt dabei<br />

war die Qualifikation der<br />

Schweizer Nationalmannschaft<br />

für die Weltmeisterschaft in<br />

Südafrika. Es ist bereits die<br />

dritte Teilnahme seit Bestehen<br />

der Partnerschaft mit der<br />

Credit Suisse nach 1994 (USA)<br />

und 2006 (Deutschland).<br />

Ebenso oft er reichte die<br />

Schweiz in dieser Zeit eine<br />

Europa meisterschafts -<br />

end runde: 1996 in England,<br />

2004 in Portugal und 2008 zu<br />

Hause in der Schweiz. Und,<br />

keine Frage, 2012 möchte man<br />

in Polen und in der Ukraine<br />

ebenfalls dabei sein.<br />

als Stephan in Bry-sur-Marne gegen<br />

<br />

Frankreich das erste U-15-Länderspiel bestreiten<br />

durfte, wagte er seinen Traum, Fussballprofi<br />

zu werden, offen auszusprechen.<br />

Dies umso mehr, als schon im April 2000 zu<br />

Hause, in Meggen und Willisau, die ersten<br />

Länderspielsiege gegen Ungarn folgten.<br />

Der Vereinswechsel zu den Zürcher Grasshoppers,<br />

in eine der besten Juniorenabteilungen<br />

Europas, war folgerichtig, doch die<br />

Eltern willigten nur ein, weil die berufliche<br />

Ausbildung darunter nicht leiden musste. Die<br />

Credit Suisse ermöglichte ihrem kaufmännischen<br />

Lehrling den sechs- bis siebenmaligen<br />

Trainingsbesuch pro Woche – dies aber, ohne<br />

bei der geforderten Leistung Konzessionen<br />

zu machen. Stephan Lichtsteiner beklagte<br />

sich nicht, biss sich durch und betonte uns<br />

gegenüber schon im Februar 20<strong>02</strong>: «Es gibt<br />

auch ein Leben nach dem Spitzensport, und<br />

da will ich mir nichts verbauen. Wie schnell<br />

zerstört eine Verletzung alle Träume.»<br />

Aggressivität statt Unbeherrschtheit<br />

Der eiserne Wille ist zum Lichtsteinerschen<br />

Markenzeichen geworden, nicht zuletzt der<br />

Wille, mit unermüdlichem Einsatz sein Potential<br />

voll auszuschöpfen, seine eigenen Grenzen<br />

zu verschieben. Ausserhalb des Feldes<br />

ein Lamm, wurde er auf dem Platz zum Tiger,<br />

seinem Lieblingstier. Nicht selten wollte Stephan<br />

Lichtsteiner dabei des Guten zu viel;<br />

die Unbeherrschtheit drohte für ihn zum Problem<br />

zu werden. Doch wiederum besass er<br />

den Willen, seine Schwä chen gezielt zu bekämpfen,<br />

seine Impulsivität durch mentales<br />

Training in den Griff zu bekommen, ohne die<br />

wichtige sportliche Aggressivität zu verlieren.<br />

Und die Träume des U-19-Nationalspielers<br />

von 20<strong>02</strong>, der Roberto Carlos als sein<br />

Vorbild nannte? Eine erfolgreiche Euro 2008<br />

in der Schweiz spielen, Spitzenpartien mit<br />

den Grasshoppers im fünfeckigen Stadion<br />

Zürich bestreiten und die Karriere mit einem<br />

Engagement bei ManU krönen.<br />

Wie nahe ist Stephan Lichtsteiner diesen<br />

Sternen gekommen! Die Schweiz gewann<br />

mit Österreich die Kandidatur zur EURO<br />

2008. Und Stephan Lichtsteiner, der am<br />

15. November 2006 gegen Brasilien sein<br />

erstes «richtiges» Länderspiel bestritt, wurde<br />

ge rade rechtzeitig Stammspieler der Nationalmannschaft.<br />

Mit den Grasshoppers errang<br />

er 2003 den Schweizer Meistertitel, allerdings<br />

nicht im Stadion Zürich; wenigstens<br />

soll dieses nun in einer redimensionierten<br />

Form doch noch realisiert werden. Selbst<br />

ein Wechsel zu ManU erscheint nicht als<br />

utopisch. Stephan Lichtsteiner wurde in der<br />

Saison 2007/08 als Stammspieler des OSC<br />

Lille zum besten Verteidiger der Ligue 1 gewählt,<br />

und nun erhält er in Rom, wo er 2009<br />

viel zu Lazios Cupsieg beitrug, beste Kritiken.<br />

Zeit also, sich neue Ziele zu setzen. «Wenn<br />

man schon mit Lille Erfahrung in der Königsklasse<br />

sammeln durfte, wäre es natürlich das<br />

Grösste, den Champions-League-Pokal mal<br />

in die Höhe zu stemmen», meint Stephan<br />

Lichtsteiner. Und ergänzt verschmitzt: «Ob<br />

man das bei ManU oder bei einem anderen<br />

Topclub macht, ist dann fast schon zweitrangig.»<br />

Ein Vorbild für alle Jungen und Älteren, die ihre<br />

Träume auch tatsächlich verwirklichen möchten.<br />

Auch in Bezug auf die Nationalmannschaft<br />

hat er sternenklare Träume: «Ich möchte<br />

dazu beitragen, dass wir in Südafrika die<br />

Gruppenspiele überstehen. Angenommen,<br />

wir werden hinter Spanien Gruppenzweiter,<br />

dann wartet im Achtelfinal Brasilien auf uns.<br />

Werden wir gar Gruppensieger, dann treffen<br />

wir eben erst im Viertelfinal auf Brasilien …»<br />

Stephan Lichtsteiner weiss, dass man<br />

sich hohe Ziele setzen muss, um etwas<br />

zu erreichen. Aber er weiss auch, dass die<br />

Schweiz rein von der Papierform her betrachtet<br />

gegen Chile als Aussenseiter antreten<br />

wird. Unmöglich aber ist nichts – wofür hat<br />

man schliesslich einen Willen!<br />

Botschafter von SolidarMed<br />

Beim Stichwort «<strong>Süden</strong>» denkt Stephan<br />

Lichtsteiner aber auch an die Schattenseiten<br />

des Lebens. Als Botschafter des Hilfswerks<br />

SolidarMed besuchte er letzten Sommer<br />

Mosambik, «tschuttete» auf den Sandplätzen<br />

in Chiure und sprach den Ärmsten und<br />

Kranken Mut zu. Die Bodenhaftung wird<br />

Stephan Lichtsteiner nie verlieren.<br />

Andreas Schiendorfer<br />

<strong>bull</strong>etin 5/09 Credit Suisse


03<br />

Schweizer<br />

Fussball<br />

Der unterschätzte Weltmeister<br />

Der Mittelfeldspieler Oliver Buff trug wesentlich zum U-17-Weltmeistertitel der Schweiz<br />

in Nigeria bei. Doch im Rampenlicht standen andere. Porträt eines leisen Fussballers mit dem<br />

Potenzial für eine grosse Karriere.<br />

Fotos: Steffen Schmidt, Keystone | Andreas Meier | Keystone AFP STR<br />

Es war ein Moment für die Ewigkeit: In der<br />

64. Minute des U-17-WM-Finals kam die<br />

Schweiz zu einem Eckball. Oliver Buff zirkelte<br />

den Ball in den Strafraum, der kräftige<br />

Haris Seferovic wuchtete ihn mit einem lehrbuchmässigen<br />

Kopfstoss ins Netz. Die hochfavorisierten<br />

Nigerianer waren mit 1: 0 besiegt.<br />

Erstmals in der Geschichte gewann<br />

die kleine Schweiz mit ihren gerade einmal<br />

245 419 lizenzierten Fussballern einen Weltmeistertitel.<br />

Die Szene ist irgendwie typisch für Oliver<br />

Buff. Obwohl er wesentlich daran beteiligt<br />

war, standen danach andere im Rampenlicht.<br />

Aber auch er selbst macht kein grosses Aufhebens<br />

darum. «Ich habe einfach auf die entfernte<br />

Ecke des Fünfmeterraums gezielt»,<br />

erzählt er vier Monate später in einem Zürcher<br />

Café, «einstudiert war diese Cornervariante<br />

nicht .» Der Mittelfeldspieler aus dem<br />

zürcherischen Geroldswil ging in der medialen<br />

Nachbearbeitung ziemlich unter.<br />

Gute Noten der Experten<br />

Vermutlich ist er jedoch der meistunterschätzte<br />

Spieler des Weltmeisterteams. Zum<br />

viel zitierten «Wunder von Nigeria» trug er<br />

wesentlich bei. In sechs der sieben Partien<br />

stand er in der Startelf, im Viertelfinal gegen<br />

Italien erzielte er mit einem trockenen Schuss<br />

aus 18 Metern den wichtigen Führungstreffer.<br />

«Mit seiner hervorragenden Technik und<br />

Überdurchschnittliche Spielintelligenz: Oliver Buff<br />

im Spiel gegen Holland an der U-17-Europameisterschaft<br />

2009.<br />

überdurchschnittlichen Spielintelligenz war<br />

er für uns extrem wichtig», sagt Coach Dany<br />

Ryser. Und fragt man Peter Knäbel, den Ausbildungschef<br />

des Schweizerischen Fussballverbands,<br />

welchen drei U-17-Weltmeistern<br />

er am ehesten eine internationale Karriere<br />

zutraut, dann fällt auch der Name Oliver Buff.<br />

Wenn sich der U-21-Spieler des FC Zürich<br />

an diesem warmen Frühlingstag an die Weltmeisterschaft<br />

zurückerinnert, tut er dies leise,<br />

aber mit jener für seine Fussballergeneration<br />

so typischen Abgeklärtheit. Nach dem<br />

3. Platz an der Europameisterschaft hätte die<br />

Mannschaft gewusst, dass bei der WM viel<br />

drin sei, sagt er. Der schwierigste Moment<br />

sei der Elfmeter für Italien gewesen: «Wäre<br />

der reingegangen, dann wären wir rausgeflogen.»<br />

Seine Erklärung für den Erfolg ist<br />

ebenso kurz wie prägnant: «Keiner wurde<br />

arrogant, keiner egoistisch, jeder spielte für<br />

jeden.»<br />

Daheim in der Schweiz fand die sich anbahnende<br />

Sensation anfänglich kaum Beachtung.<br />

Erst mit den Direktübertragungen<br />

ab den Viertelfinals kam eine eigentliche Aufmerksamkeitswelle<br />

ins Rollen, die mit phänomenalen<br />

1,3 Millionen TV-Zuschauern im<br />

Finalspiel endete. Noch nie hatte hierzulande<br />

ein Juniorenevent auch nur annähernd so viel<br />

Beachtung gefunden. Die Spieler in Nigeria<br />

hätten ihre Popularität nur ansatzweise erahnt,<br />

erzählt Oliver Buff. Übers Internet las<br />

man die Artikel in der Presse, mit der Zeit<br />

seien immer mehr Spieler zu Presseterminen<br />

abkommandiert worden, und schliesslich<br />

musste im Hotel gar ein grösserer Medienraum<br />

gemietet werden, um den Journalistenandrang<br />

bewältigen zu können.<br />

Erst nach der Heimkehr sei ihm aber richtig<br />

bewusst geworden, was für eine Euphorie<br />

sie ausgelöst hatten. Es herrschte Ausnahmezustand:<br />

Ein Medientermin jagte den


Das Talent<br />

«Ich muss nicht mit 17 das grosse Geld verdienen. Abgerechnet wird mit 35.<br />

Dann werden wir ja sehen, wer am meisten auf dem Konto hat.»<br />

Oliver Buff


75<br />

nächsten; wildfremde Menschen gratulierten<br />

ihm im Tram; Spieleragenten lockten<br />

mit Vereinen aus Deutschland, England und<br />

Italien; die Heimatgemeinde Geroldswil<br />

schenkte ihm eine Praktikumsstelle auf dem<br />

Gemeindebüro. Ganz besonders stolz machte<br />

ihn die Gratulation von Ottmar Hitzfeld per<br />

SMS. Doch nach wenigen Wochen hatte ihn<br />

der Alltag wieder eingeholt. «Das war eine<br />

harte Landung», gibt er offenherzig zu.<br />

Als der junge Oliver Buff einst mit vier Jahren<br />

zu kicken begann, deutete nichts auf<br />

1,3<br />

Mio.<br />

Zuschauer verfolgten den WM-Sieg<br />

der Schweizer U-17 am TV.<br />

eine hoffnungsvolle Fussballkarriere hin. Er<br />

ist weder ein Secondo wie die meisten<br />

Schweizer Talente, noch ist er genetisch vorbelastet.<br />

Die Eltern – der Vater Liegenschaftenverwalter,<br />

die Mutter kaufmännische Angestellte<br />

– gehörten nie zu jenen überehrgeizigen<br />

Erziehern, die ihren Sprössling auf<br />

Erfolg trimmten. Trotzdem sprach sich schon<br />

bald seine Begabung herum, und mit 11 kam<br />

die Einladung der Grasshoppers für ein Probetraining.<br />

Er ging hin, bestand – und sagte<br />

ab: «Ich war FCZ-Fan, genau wie mein Vater.»<br />

Doch auf den Anruf aus dem Letzigrund<br />

wartete er vergeblich. Mit 13 klopfte er selber<br />

dort an, und nach mehreren Übungseinheiten<br />

durfte er schliesslich bleiben.<br />

Starkes Debüt bei den Profis<br />

Sports, die eine optimale Verbindung von<br />

KV-Lehre und Sport erlaubt.<br />

Sportlich steht Oliver Buff nun vor den<br />

entscheidenden Jahren, denn zwischen 17<br />

und 20 trennt sich die Spreu vom Weizen.<br />

Den meisten U-17-Weltmeistern dürfte es<br />

gehen wie jenen Schweizer Talenten, die<br />

20<strong>02</strong> U-17-Europameister wurden. Mit Philippe<br />

Senderos, Tranquillo Barnetta und Reto<br />

Ziegler haben nur gerade drei von ihnen<br />

den Sprung ins internationale Geschäft geschafft.<br />

Die Voraussetzungen für den Geroldswiler<br />

scheinen gut. «Er hat sich in den<br />

vergangenen zwei Jahren kontinuierlich weiterentwickelt»,<br />

sagt Dany Ryser. Der beidfüssige<br />

Buff mischt Kunst und Zweckmässigkeit<br />

in seiner zentralen Mittelfeldrolle gut<br />

dosiert, instinktiv mache er «fast immer das<br />

Richtige», wie der Nachwuchstrainer staunt.<br />

Zwar muss er sich mit nur 68 Kilo bei einer<br />

Grösse von 1,78 Meter athletisch noch verbessern.<br />

Aber wie sein Vorbild Andrés Iniesta<br />

vom FC Barcelona weiss er das Spiel<br />

hervorragend zu «lesen», und dank seiner<br />

Antizipationsfähigkeit gewinnt er die meisten<br />

Zweikämpfe.<br />

Zurzeit ist Oliver Buff auf Kurs. Am<br />

21. März gab er gegen Bellinzona ein hochgelobtes<br />

Profidebüt beim FC Zürich. «Es<br />

lief überraschend gut», kommentiert er<br />

dies gewohnt gelassen. Noch besser lief es<br />

zwei Wochen später beim 3:2-Sieg gegen<br />

die Grasshoppers, als er erstaunlich abgebrüht<br />

sein erstes Tor erzielte. Nächste Saison<br />

will er sich in der Super League etablieren,<br />

einen Wechsel ins Ausland, wie ihn andere<br />

U-17-Weltmeister wagen, findet er verfrüht.<br />

«Dort bin ich doch bloss der kleine Schweizer.»<br />

Ohne Zweifel: Ungeduld und Selbstüberschätzung,<br />

die beiden gefährlichsten<br />

Charakterzüge für jeden Jungstar, sind Oliver<br />

Buff fremd. Doch dahinter mangelnden Ehrgeiz<br />

zu vermuten, wäre weit gefehlt: «Ich<br />

muss nicht mit 17 das grosse Geld verdienen»,<br />

meint er trocken. «Abgerechnet wird<br />

mit 35. Dann werden wir ja sehen, wer am<br />

meisten auf dem Konto hat.» Michael Krobath<br />

Die Nachwuchsförderung der Credit Suisse<br />

Der U-17-Weltmeistertitel<br />

als Krönung<br />

Seit die Nachwuchsförderung<br />

des Schweizerischen Fussballverbands<br />

(SFV) Mitte der<br />

1990er-Jahre professionalisiert<br />

wurde, sorgen Schweizer<br />

Fussballtalente wiederholt für<br />

Furore. 20<strong>02</strong> erreichte die<br />

U-21 den EM-Halbfinal, im<br />

selben Jahr wurde die Schweiz<br />

U-17-Europameister. 2009<br />

folgte die Krönung mit dem<br />

U-17-Weltmeistertitel in Nigeria.<br />

Die Nachwuchsförderung liegt<br />

der Credit Suisse besonders<br />

am Herzen. Deshalb fliessen<br />

seit 1993 50 Prozent des<br />

Sponsoringbeitrags für den<br />

SFV in die Juniorenförderung.<br />

Die Credit Suisse unterstützt<br />

damit nicht nur die Nationalteams<br />

von heute, sondern<br />

leistet auch einen substanziellen<br />

Beitrag für die Nationalmannschaften<br />

von morgen.<br />

Und sorgt so dafür, dass die<br />

Schweiz auch in Zukunft<br />

Fussballfeste feiern kann.<br />

Das Wunder von Nigeria: Die Schweiz<br />

ist U-17-Weltmeister 2009.<br />

Fotos: Muster Alberto Mustermann Venzago | Muster Keystone | Muster Mustermann AP Segun Ogunfeyitimi<br />

Über den FCZ kam er an die Schule für<br />

Mannschaftssport (MSP), wo der Unterricht<br />

auf die Trainingseinheiten der Leistungssportler<br />

abgestimmt wird. «Er war eher introvertiert<br />

und für sein Alter sehr reflektiert»,<br />

erinnert sich Schulleiter René Scheidegger.<br />

«Leistungsmässig hatte er das Potenzial zum<br />

Gymnasiasten.» Doch Oliver Buff setzte auf<br />

den Fussball und wechselte nach Abschluss<br />

der Sekundarschule in die United School of


04<br />

Schweizer<br />

Fussball<br />

Gianluca oder Das Glück<br />

mit dem runden Leder<br />

Für den Viertklässler Gianluca Bianculli aus Herisau ist es ein ganz besonderer Moment,<br />

als er beim Credit Suisse Cup 2009 den Pokal in die Höhe stemmt. Es ist ein Glückstag,<br />

der auf eine sehr schwierige Zeit folgte.<br />

Wenn Gianluca auf ein Fussballtor zustürmt<br />

und den letzten, tödlichen Pass spielt, der<br />

zum Tor führt, sprudelt er über vor Freude.<br />

Dann entwickelt der schmalgliedrige Elfjährige<br />

mit Brille und kurzen, dunklen Haaren<br />

sein ganzes Temperament. Doch er ist keiner,<br />

der um jeden Preis das Tor und den lauten<br />

Jubel sucht. «Ich bin laufstark, hole die Bälle<br />

zurück und spiele dann präzise Pässe», sagt<br />

er. Und darauf ist er stolz.<br />

Dreimal Training pro Woche<br />

Eine Strategie entwickeln und aus dem defensiven<br />

Mittelfeld heraus das Angriffsspiel<br />

ankurbeln, das sind die fussballerischen<br />

Fähig kei ten, die den kleinen Italo-Appenzeller<br />

auch bei seinem bisher grössten Erfolg<br />

auszeichneten: Im vergangenen Jahr gewann<br />

er zusammen mit seinen Kollegen von<br />

der Schule Landhaus in Herisau den Credit<br />

Suisse Cup in der neu geschaffenen Kategorie<br />

der Viertklässler. Der Credit Suisse<br />

Cup ist die offizielle Schulfussballmeisterschaft<br />

des Schweizerischen Fussballverbands<br />

2:0<br />

siegte die Schule Landhaus im Final des<br />

Credit Suisse Cup gegen Taverne-Torricella.<br />

und gilt mit seinen 150 000 Beteiligten als<br />

grösster Jugendsportanlass der Schweiz<br />

(siehe Kasten auf der übernächsten Seite).<br />

Gianluca gehörte zu den tragenden Spielern<br />

seines Teams. Im Finalspiel erzielte er mit<br />

einem Schuss fast von der Mittellinie die<br />

Führung zum vorentscheidenden 1:0. Die<br />

Eigenschaften, die ihn als Spieler auszeichnen,<br />

prägen ihn auch neben dem Rasen: Verantwortung<br />

übernehmen, Fehler vermeiden,<br />

vielleicht ein Stück reifer sein als die Kameraden.<br />

Das hat viel mit dem Schicksal seiner<br />

Mutter zu tun, die im Oktober 2008 an Krebs<br />

starb. Davor lag eine Zeit des Hoffens und<br />

Bangens und schliesslich des Abschieds.<br />

Neben aller Trauer blieb Gianluca aus dieser<br />

Zeit die enge Familienbande in Erinnerung.<br />

Das gemeinsame Leid hat ihn und seinen<br />

Vater, die Schwester, die Grosseltern, Cousins,<br />

Onkel und Tanten, die ebenfalls in<br />

Herisau wohnen, einander nahegebracht.<br />

Die Liebe zum Fussball teilt Gianluca mit<br />

seinem Vater Claudio Bianculli. Dieser spielte<br />

einst beim FC Herisau, wo er noch heute <br />

Foto: Alberto Venzago<br />

<strong>bull</strong>etin 5/09 Credit Suisse


Der Schüler<br />

«Fussball ist pures Glück. Das grösste Glücksgefühl habe ich, wenn mir ein präziser Pass gelingt<br />

oder wenn ich ein Tor schiesse. Dann weiss ich: Es ist gelungen.»<br />

Gianluca Bianculli


Der Credit Suisse Cup<br />

Der grösste Jugendsportanlass<br />

der Schweiz<br />

Neben der Elite fördert die<br />

Credit Suisse auch den Breitenfussball<br />

und unterstützt gezielt<br />

Nachwuchsprojekte wie<br />

den Credit Suisse Cup. Jährlich<br />

machen 150 000 Buben und<br />

Mädchen an dieser Schülermeisterschaft<br />

mit, was diese<br />

zum grössten Jugendsportanlass<br />

des Landes macht.<br />

Kinder und Jugendliche aller<br />

Altersstufen spielen an den<br />

kantonalen Vorausscheidungen<br />

um den Einzug in das Finalturnier.<br />

Dort kämpfen die<br />

Finalisten unter den Augen der<br />

Schweizer Fussballprominenz<br />

um den Schweizer Meistertitel.<br />

Mit der Förderung des<br />

Breitenfussballs trägt die<br />

Credit Suisse dazu bei, dass<br />

die Schweizer Jugend am<br />

Ball bleibt, damit auch in Zukunft<br />

Schweizer Talente wie<br />

Barnetta & Co. auf den grossen<br />

Rasenfeldern dieser Welt<br />

anzutreffen sind.<br />

We are the champions: Gianluca (hinten rechts) und sein Team von der Schule<br />

Landhaus aus Herisau feiern den Sieg am Credit Suisse Cup 2009.<br />

als Funktionär amtet. Daneben trainiert<br />

er die D-Junioren-Auswahl des Kantons<br />

Appenzell Ausserrhoden, wo sein talentierter<br />

Sohn ebenfalls mitspielt. Claudio Bianculli<br />

war es auch, der die elfköpfige Mannschaft<br />

der Schule Landhaus nach der erfolgreichen<br />

Vorausscheidung übernahm und in Absprache<br />

mit dem Lehrer Lukas Pfiffner beim<br />

Finalturnier des Credit Suisse Cup in Basel<br />

betreute. Für dieses hatten sich die 16 Sieger<br />

der kantonalen Ausscheidungen qualifiziert.<br />

Die meisten Spiele waren hart umkämpft,<br />

der Halbfinal endete gar mit einem<br />

Penaltyschiessen. «Nur wenn der Gegner<br />

schwächer war, wechselte mich mein Vater<br />

aus», erzählt Gianluca, und im Brustton der<br />

Überzeugung fügt er an: «Der 2:0-Finalsieg<br />

gegen Taverne-Torricella war verdient.»<br />

Gianluca investiert viel Zeit in den Fussball.<br />

Drei Trainings pro Woche und am Wochenende<br />

Meisterschaftsspiele oder Turniere<br />

– dies ist der Weg, der den Jungen hin<br />

zum Profi führen soll. «Das wäre mein grösster<br />

Traum», gesteht er.<br />

Und bis es so weit ist, eifert er dem argentinischen<br />

Filigrantechniker Lionel Messi nach,<br />

der in seinem Lieblingsklub, dem FC Barcelona,<br />

spielt. Ein Poster dieser Mannschaft<br />

mit dem Pokal der Champions League ziert<br />

eine Wand in Gianlucas Zimmer. Auf dem<br />

Nachttisch steht ein Bild der Familie. Es erinnert<br />

ihn an die Zeit, als die Mutter noch<br />

bei ihnen war. Er denkt oft an sie. Nicht nur,<br />

wenn er das Bild sieht. Manchmal machen<br />

ihn die Gedanken an sie traurig, manchmal<br />

trösten sie ihn. Doch er fühlt sich wohl bei<br />

seinen Grosseltern, die ihn nun tagsüber<br />

betreuen. Gianluca geht gern zur Schule.<br />

Besonders Mathematik hat es ihm angetan.<br />

Deshalb könnte er sich vorstellen, dereinst<br />

auch im Bankensektor zu arbeiten, falls es<br />

mit der Karriere als Profifussballer nicht<br />

klappen sollte. Doch derzeit steht der Fussball<br />

wieder im Mittelpunkt, denn im Sommer<br />

wollen Gianluca und seine Freunde den Titel<br />

am Credit Suisse Cup verteidigen. Der Ballsport<br />

ist für ihn das pure Glück. «Das grösste<br />

Glücksgefühl habe ich, wenn mir ein präziser<br />

Pass gelingt oder wenn ich ein Tor<br />

schiesse», sagt er. «Dann weiss ich: Es ist<br />

ge lungen.» Martin Arnold<br />

Träumen vom FC Barcelona<br />

Fotos: Foto: Lukas Muster Pfiffner Mustermann | Muster Mustermann<br />

<strong>bull</strong>etin 5/09 Credit Suisse


05<br />

Schweizer<br />

Fussball<br />

Damit die Jugend am Ball bleibt<br />

Im Vorfeld der Fussballweltmeisterschaft 2006 ist die Young Kickers Foundation der Stiftung<br />

Symphasis gegründet worden. Vier Jahre danach kann eine positive Zwischenbilanz gezogen<br />

werden. 45 Projekte in der ganzen Schweiz sind bislang mitunterstützt worden.<br />

«Ein Ball, zwei Tore, zwei Teams – das braucht<br />

es für einen Strassenfussball-Match. Eigentlich<br />

ganz simpel. Die Effekte aber, die durch<br />

Strassenfussball erzielt werden können, sind<br />

zahlreich und vielfältig» – mit diesen Worten<br />

wirbt «Bunt kickt gut» für die transkulturelle<br />

Strassenliga in der Schweiz. 2005 führte<br />

infoklick.ch in Bern einen ersten Spieltag<br />

für Jugendliche im Alter zwischen <strong>10</strong> und<br />

21 Jahren durch. Mittlerweile finden diese<br />

Fussballturniere in sieben Regionen statt.<br />

Demnächst fasst der interkulturelle Strassenfussball<br />

auch im Tessin Fuss, denn die Vergabungskommission<br />

der Young Kickers Foundation<br />

unter der Leitung von Marco Blatter,<br />

Direktor Swiss Olympic 1991 bis 2006, hat<br />

an seiner letzten Sitzung einen grösseren<br />

Beitrag gutgeheissen, damit das Projekt<br />

auch in Bellinzona lanciert werden kann.<br />

Mit dem Projekt «Teamspirit» schult die<br />

Caritas in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen<br />

Fussballverband Spielerinnen und<br />

Spieler, aber auch Funktionäre in zwei 90-minütigen<br />

Fairnessmodulen, damit diese besser<br />

mit Spannungen und interkulturellen Konflikten<br />

umgehen beziehungsweise solche mit<br />

präventiven Massnahmen verhindern können.<br />

Alle sollen Fussball spielen können<br />

2005 zu tragen. Der FC Rances wiederum<br />

erstellte ein neues Juniorenspielfeld, die<br />

Fussballvereine in Rüti/GL, Ellikon/Marthalen<br />

und Langnau bauten ein neues Klubhaus.<br />

Eine verdiente Anerkennung<br />

Es sind keine Riesenbeträge, welche die<br />

Young Kickers Foundation den Gesuchstellern<br />

zukommen lässt, aber natürlich doch<br />

willkommene Zustüpfe und besonders eine<br />

Aufmunterung, weiterhin alles zu unternehmen,<br />

damit in der Schweiz möglichst viele<br />

Fussball spielen können. Dies ist alles andere<br />

denn eine Selbstverständlichkeit, denn<br />

die Erfolge der Nationalmannschaft haben<br />

im Breitenfussball zu einem Boom ungeahnten<br />

Ausmasses geführt. Seit 2001 nimmt die<br />

Zahl der lizenzierten Fussballer dauernd zu,<br />

demnächst wird die magische Grenze von<br />

einer Viertelmillion überschritten. Eigentlich<br />

wäre das längst der Fall, wenn die Vereine<br />

nicht über zu wenige Plätze und zu wenige<br />

Ausbildner verfügen würden. Die Folge<br />

davon sind lange Wartelisten bei den siebenbis<br />

neunjährigen F-Junioren. Davon betroffen<br />

sind nicht zuletzt die vielen fussballbegeisterten<br />

Mädchen – sie möchte die Young<br />

Kickers Foundation in Zukunft noch vermehrt<br />

unterstützen. Andreas Schiendorfer<br />

www.symphasis.ch > Projekte > Kultur&Sport<br />

Es könnten noch weitere Beispiele aufgeführt<br />

werden, die den Gedanken der Fairness<br />

und der Integration fördern, «SportAssist»<br />

des FC Concordia Basel etwa oder «Be ToleranT»<br />

des Sporting Club Schaffhausen.<br />

Gleichzeitig finden wir unter den bislang<br />

45 von der Young Kickers Foundation mitunterstützten<br />

Projekten aber auch etliche im<br />

infrastrukturellen Bereich. So half man dem<br />

FC Schattdorf, die Folgen der Überschwemmungen<br />

nach den Unwettern von August<br />

Seit 2007 hat die Young Kickers Foundation bereits 45 Projekte in der ganzen Schweiz unterstützt<br />

mit dem Ziel, den Breitenfussball in der Schweiz zu fördern und möglichst allen interessierten Jugendlichen<br />

eine sinnvolle sportliche Betätigung zu ermöglichen.


06<br />

Schweizer<br />

Fussball<br />

Die Credit Suisse und ihr Fussballengagement –<br />

eine erfolgreiche Partnerschaft seit 1993<br />

Die Nationalmannschaft<br />

Die Credit Suisse ist seit 1993 Hauptsponsor des Schweizerischen Fussballverbands<br />

(SFV) und der Nationalmannschaften. Die Zusammenarbeit mit dem SFV<br />

ist von grossen Erfolgen geprägt. Als jüngster Höhepunkt hat sich das Schweizer<br />

Nationalteam für die Weltmeisterschaft 20<strong>10</strong> in Südafrika qualifiziert. Es ist bereits<br />

die dritte WM-Teilnahme seit Bestehen der Partnerschaft mit der Credit<br />

Suisse. Ebenso oft erreichte die Schweiz in dieser Zeit eine EM-Endrunde.<br />

Die Nachwuchsförderung<br />

Die Nachwuchsförderung liegt der Credit Suisse besonders am Herzen. Deshalb<br />

fliessen seit 1993 die Hälfte des Sponsoringbeitrags an den SFV in die Juniorenförderung,<br />

wodurch diese professionalisiert werden konnte. Neben der Etablierung<br />

eines hochqualifizierten Trainerstabs entstanden vier Credit Suisse Football<br />

Academies, darunter eine für Frauen. Seither sorgen Schweizer Fussballtalente<br />

wiederholt für Furore. 20<strong>02</strong> wurde die Schweiz U-17-Europameister, 2009 folgte<br />

die Krönung mit dem U-17-Weltmeistertitel.<br />

Der Breitenfussball<br />

Neben der Elite fördert die Credit Suisse auch gezielt Jugendprojekte wie den<br />

Credit Suisse Cup. Jährlich nehmen 150 000 Buben und Mädchen am grössten<br />

Kindersportanlass der Schweiz teil. Zusätzlich unterstützt die Credit Suisse den<br />

Breitenfussball mit der Young Kickers Foundation im Rahmen der rechtlich selbstständigen<br />

Stiftung Symphasis. Davon profitiert haben bereits 45 Projekte, darunter<br />

solche, die den Integrations- und Fairnessgedanken fördern, sowie Amateurvereine,<br />

denen die Mittel für die Erneuerung ihrer Infrastruktur fehlen.<br />

Alles über die Schweizer Nationalmannschaft und die Nachwuchsförderung finden Sie unter<br />

www.credit-suisse.com/fussball.<br />

Wettbewerb<br />

Gewinnen Sie eines von <strong>10</strong> 000 offiziellen Nati-Trikots!<br />

«Ein Land, ein Team, eine Bank.»<br />

Die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft hat sich für<br />

die FIFA-Weltmeisterschaft 20<strong>10</strong> in Südafrika qualifiziert.<br />

Die Credit Suisse gratuliert und verlost <strong>10</strong> 000 offizielle<br />

Schweizer Nati-Trikots und zusätzliche attraktive Sonderpreise.<br />

Machen Sie mit und werden Sie ein Teil des Schweizer<br />

Nationalteams!<br />

Teilnahmebedingungen: Gehen Sie zwischen 17. Mai und 4. Juni 20<strong>10</strong> in eine Filiale der Credit Suisse und füllen<br />

Sie den Wettbewerbstalon aus. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt und erhalten einen Bon, den sie bei Ochsner<br />

Sport einlösen können.<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Credit Suisse AG<br />

Postfach 2<br />

CH-8070 Zürich<br />

Telefon: +41 44 333 11 11<br />

Projekt<br />

Michael Krobath (Leitung)<br />

Martin Arnold, Andreas Schiendorfer<br />

E-Mail<br />

redaktion.<strong>bull</strong>etin@credit-suisse.com<br />

Korrektorat<br />

Claudia Marolf, notabene<br />

Fotos: Andreas Meier | Sigi Tischler, Keystone | Oliver Nanzig | Lehtikuva, Tuomas Marttila, Keystone


Credit Suisse 81<br />

Invest<br />

Analysen und Prognosen<br />

Konjunktur Global<br />

Wirtschaftsdaten<br />

bestätigen Erholung<br />

Die Erholung wird zunehmend breiter<br />

abgestüt zt. Nachdem zu Beginn staatliche<br />

Stimulusprogramme global einen deutlichen<br />

Impuls gegeben haben, mehren<br />

sich jetzt die Anzeichen dafür, dass<br />

ins besondere die Nachfrage auch wieder<br />

mehr von privater Seite gestützt wird. th<br />

Welthandel zieht deutlich an<br />

Quelle: CPB, Credit Suisse<br />

Währungen<br />

Wir erwarten, dass sich<br />

der Franken gegenüber<br />

dem Euro weiter<br />

aufwerten wird.<br />

Importe vom Rest der Welt, indexiert (2000 = <strong>10</strong>0)<br />

Gleitender 3-Monats-Durchschnitt<br />

230<br />

2<strong>10</strong><br />

190<br />

170<br />

150<br />

130<br />

1<strong>10</strong><br />

90<br />

00 <strong>02</strong> 04 06 08 <strong>10</strong><br />

Asien (ohne Japan)<br />

Eurozone<br />

USA<br />

Konjunktur Schweiz<br />

Die Erholung setzt sich fort und gewinnt zunehmend an Breite. Gleichzeitig<br />

zeigt sich jedoch eine Divergenz bei der globalen Geldpolitik. Zentralbanken<br />

in Entwicklungsländern sehen sich mit zunehmenden Inflationsrisiken<br />

kon frontiert und straffen die Geldpolitik teilweise bereits, während dies in<br />

den Indus triel ändern frühestens gegen Ende des Jahres der Fall sein dürfte.<br />

Aktien gegenüber bleiben wir längerfristig positiv eingestellt.<br />

Aufgrund kurz fristiger Risiken empfehlen wir jedoch derzeit eine eher<br />

defensivere Aus richtung.<br />

Wir erwarten eine weitere Aufwertung der Währungen von Schwellenländern<br />

gegenüber dem USD. EUR/CHF nähert sich dagegen seinem fairen<br />

Wert, auch wenn wir weiterhin von einem stärkeren Franken ausgehen.<br />

PMI: Spiegel starker<br />

Industriedynamik<br />

Der PMI-Index schloss im April knapp<br />

unter seinem historischen Höchststand.<br />

Dabei darf aber nicht ausser Acht gelasse<br />

n werden, dass die Zunahme der<br />

industriel len Aktivität, die sich im Indexanstieg<br />

widerspiegelt, immer noch von<br />

tiefe n Niveaus ausgeht. cm<br />

PMI nahe Höchststand<br />

Quelle: Credit Suisse<br />

70<br />

60<br />

Fotos: Muster Mustermann | Muster Mustermann<br />

Rohstoffe dürften weiterhin von der wirtschaftlichen Erholung profitieren.<br />

Insbesondere die Nachfrage in den Industrieländern zieht jetzt wieder an,<br />

nachdem sie hinter derjenigen in Entwicklungsländern zurückgeblieben war.<br />

50<br />

40<br />

30<br />

95 98 01 04 07 <strong>10</strong><br />

Index<br />

Index (saisonbereinigt)<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


82 Credit Suisse<br />

Übersicht<br />

Ausblick Global<br />

Sowohl umfragebasierte Wirtschaftsindikatoren<br />

als auch «harte» Daten<br />

zeigen eine deutliche Verbesserung.<br />

Wichtig ist insbesondere, dass die<br />

globale Nachfrage nach deutlichen<br />

Impulsen durch staatliche Ausgaben<br />

zunehmend breiter abgestützt ist.<br />

Kurzfristige Unsicherheiten, zum<br />

Beispiel im Zusammenhang mit der<br />

Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen,<br />

können temporär zu erhöhter Risikoaversion<br />

unter den Marktteilnehmern<br />

führen. Wir sehen strategisch<br />

jedoch weiterhin Potenzial für Kursgewinne<br />

an den Aktienmärkten.<br />

Zinsen und Obligationen<br />

Risikoprämien<br />

Die Zinspolitik zeigt ebenso wie die konjunkturelle<br />

Entwicklung global eine gewisse<br />

Divergenz. Auf der einen Seite stehen stark<br />

wachsende Schwellenländer und Rohstoffexporteure.<br />

Diese Länder sehen sich bereits<br />

mit inflationären Entwicklungen bzw. diesbezüglichen<br />

Risiken konfrontiert und haben<br />

begonnen, die Zinsen zu erhöhen (z. B. Indien,<br />

Brasilien, Australien). Auf der anderen<br />

Seite stehen jene Länder, deren wirtschaftliche<br />

Erholung zwar klar erkennbar ist, aber<br />

schwächer ausfällt, und in denen ein sehr<br />

tiefer Inflationsdruck besteht (z. B. USA,<br />

Eurozone). Diese Länder werden unseres<br />

Erachtens voraus sichtlich noch bis Ende<br />

Jahr oder sogar bis 2011 warten, bevor die<br />

ersten Zinsschritte erfolgen können. th<br />

Brasilien erhöhte die Zinsen deutlich,<br />

trotz starker Währung<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

%<br />

16<br />

14<br />

12<br />

<strong>10</strong><br />

8<br />

CHF pro BRL<br />

Aufwertung +30%<br />

0.65<br />

gegenüber CHF<br />

0.60<br />

0.55<br />

0.50<br />

0.45<br />

07 08 09<br />

<strong>10</strong><br />

Leitzins Brasilien (SELIC-Satz)<br />

BRL/CHF-Wechselkurs (rechte Skala)<br />

Aktienmarkt<br />

Engagement bei Kursrückgängen<br />

weiter ausbauen<br />

Die globale Wirtschaftserholung und bessere<br />

Gewinne dürften Aktien längerfristig<br />

stützen. Die Bewertungen sind noch immer<br />

in neutralem Territorium. Auf strategischer<br />

Basis bleiben wir daher positiv für Aktien.<br />

Kurzfristig können sich jedoch Unsicherheiten<br />

bezüglich der Staatsverschuldung in<br />

entwickelten Ländern und der Normalisierung<br />

der Geldpolitik in China negativ auf die<br />

Aktienmärkte auswirken. Wir gehen daher<br />

davon aus, dass eine Sektorrotation zu defensiveren<br />

Sektoren mit hohen Dividendenrenditen<br />

stattfinden wird, und passen unsere<br />

zyk lische Sektorempfehlung entsprechend<br />

an: Metalle und Bergbau reduzieren<br />

wir auf eine neutrale Gewichtung, den Gesundheitssektor<br />

stufen wir von untergewichten<br />

auf eine neutrale Gewichtung herauf. rs<br />

Performance von Aktienindizes über die letzten<br />

zehn Jahre Quelle: Datastream, Credit Suisse/IDC<br />

Index<br />

160<br />

140<br />

120<br />

<strong>10</strong>0<br />

80<br />

60<br />

40<br />

01 04 07 <strong>10</strong><br />

MSCI UK (GBP)<br />

MSCI World Ic<br />

MSCI USA (USD)<br />

MSCI Japan (JPY)<br />

FTSE Europe ohne UK (EUR)<br />

Währungen<br />

Der Aufstieg der Emerging-<br />

Markets-Währungen<br />

Die Verschärfung der Schuldenkrise in den<br />

südlichen EWU-Ländern lastet schwer auf<br />

dem EUR. Der Ausblick für die Staatsverschuldung<br />

in den USA, Grossbritannien und<br />

Japan ist jedoch ebenfalls düster, wobei die<br />

USA und Grossbritannien auch noch Leistungsbilanzdefizite<br />

aufweisen. Ganz anders<br />

sieht die Lage in den Emerging Markets aus:<br />

Tiefe Staatsverschuldung, hohe Währungsreserven,<br />

Leistungsbilanzüberschüsse (in<br />

Asien) und ein attraktives Zinsniveau dürften<br />

zu Kapitalzuflüssen führen und die Währungen<br />

längerfristig gegenüber dem USD aufwerten.<br />

Investoren mit Referenzwährung<br />

CHF sollten jedoch auch die von uns erwartete<br />

Aufwertung des CHF zum USD in Erwägung<br />

ziehen. mh<br />

Asiatische Währungen sind nach unserem<br />

CS Fair Value Model unterbewertet<br />

Quelle: Datastream, IMF, Credit Suisse/IDC<br />

Abweichung in %<br />

20<br />

0<br />

–20<br />

–40<br />

–60<br />

–80<br />

Rohstoffe<br />

Aufwärtstrend bei<br />

Rohstoffen bleibt intakt<br />

Die Tatsache, dass die Rohstoffpreise trotz<br />

des starken USD ansteigen, bestätigt die<br />

Stärke des zugrunde liegenden Trends.<br />

Einige Faktoren deuten zudem darauf hin,<br />

dass der Aufwärtstrend weiterhin Bestand<br />

haben dürfte. Die konjunkturellen Frühindikatoren<br />

wie die Einkaufsmanagerindizes<br />

für das verarbeitende Gewerbe verbessern<br />

sich weiter, vor allem in den USA. Die Auftragseingänge,<br />

die wichtig für die zyklischen<br />

Rohstoffmärkte wie Öl und Basismetalle<br />

sind, nehmen weiter zu. In den Industriel ändern,<br />

deren Entwicklung hinter derj enigen<br />

der Schwellenmärkte zurückgeblieben ist,<br />

zeichnet sich ein erster merklicher Anstieg<br />

des Rohstoffverbrauchs ab, der dem Sektor<br />

in den kommenden Monaten positive Impulse<br />

verleihen dürfte. et<br />

Globale Industrieproduktion dürfte in den<br />

nächsten Monaten weiter wachsen<br />

Quelle: Bloomberg, Datastream, IMF, PMIPremium,<br />

Credit Suisse/IDC<br />

%YoY, PPP-gewichtet<br />

5<br />

0<br />

–5<br />

–<strong>10</strong><br />

–15<br />

CNY<br />

TWD<br />

KRW<br />

SGD<br />

THB<br />

JPY<br />

SEK<br />

GBP<br />

MXN<br />

CHF<br />

EUR<br />

CAD<br />

ZAR<br />

PLN<br />

HUF<br />

NOK<br />

AUD<br />

NZD<br />

CZK<br />

Überbewertung gegenüber USD (28.04.20<strong>10</strong>)<br />

Unterbewertung gegenüber USD (28.04.20<strong>10</strong>)<br />

98 00 <strong>02</strong> 04 06 08<br />

Globale Industrieproduktion<br />

Globaler Einkaufsmanagerindex: Auftragseingänge (r. S.)<br />

Index<br />

50<br />

35<br />

20<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Credit Suisse 83<br />

Übersicht<br />

Ausblick Schweiz<br />

Die Wirtschaftsdaten sind im ersten<br />

Quartal äusserst robust ausgefallen,<br />

und die Konjunkturindikatoren<br />

signalisieren eine Fortsetzung der<br />

Erholung. Einerseits widerspiegelt<br />

sich die Stabilisierung der Auslandsnachfrage<br />

nun zunehmend in der<br />

Schweizer Exportstatistik, vor allem<br />

aber erweist sich der inländische<br />

Konsum als solide. Die expansiven<br />

monetären Rahmenbedingungen<br />

wirken weiter unterstützend, doch<br />

erste Schritte zur Rückkehr zur<br />

geldpolitischen Nor malität sind im<br />

zweiten Halbjahr zu erwarten.<br />

Aktienmarkt<br />

Neutrale Positionierung<br />

in Schweizer Aktien<br />

Auf 12-Monats-Sicht sehen wir weiterhin<br />

Potenzial für Aktien, verringern aber aus<br />

taktischer Sicht das Risiko leicht. Mit einer<br />

allgemein defensiveren Aktienstrategie stufen<br />

wir unsere Positionierung im Schweizer<br />

Aktienmarkt von untergewichten auf neutral<br />

herauf. Innerhalb des Schweizer Marktes<br />

verlagern wir unser Engagement wei terhin<br />

auf defensivere Qualitätsaktien (z. B. mit<br />

hoher Dividendenrendite) wie Nestlé oder<br />

Zurich Financial Services. rs<br />

Die Bewertung des SMI befindet sich am<br />

unteren Ende des historischen Durchschnitts.<br />

Quelle: MSCI, Datastream, Credit Suisse/IDC<br />

KGV mit Gewinnen des laufenden Jahres<br />

30<br />

25<br />

Währungen<br />

Schweizer Franken nähert<br />

sich fairem Wert<br />

Wir erwarten eine moderate Aufwertung des<br />

Frankens zum EUR auf zwölf Monate, womit<br />

sich der EUR/CHF dem von uns geschätzten<br />

fairen Wert annähert. Die Unterbewertung<br />

des CHF, welche unser Modell seit 2007<br />

zeig te, ist somit abgebaut worden. Die enge<br />

Zinsdifferenz zwischen EUR und CHF, der<br />

Schweizer Leistungsbilanzüberschuss sowie<br />

die flexiblere Haltung der SNB gegenüber<br />

einer Aufwertung sprechen für einen leicht<br />

stärkeren Franken. mh<br />

Die Überbewertung des EUR zum CHF<br />

wurde in den vergangenen Jahren abgebaut.<br />

Quelle: Bloomberg, CS<br />

EUR /CHF<br />

2.40<br />

2.20<br />

Zinsen und Obligationen<br />

Geldpolitik bleibt vorerst<br />

weiter expansiv<br />

Vor dem Hintergrund der starken Konjunkturdaten<br />

hat die Schweizerische Nationalbank<br />

(SNB) sowohl die BIP-Wachstums prognosen<br />

als auch die mittelfristigen Inflationsprognosen<br />

nach oben korrigiert. Dennoch hält sie<br />

gegenwärtig an ihrer expansiven geldpolitischen<br />

Strategie fest. Um eine übermässige<br />

Frankenaufwertung zu verhindern, interveniert<br />

die SNB weiterhin am Währungsmarkt.<br />

Als Hauptargument für diese Währungspolitik<br />

nannte die SNB die kurzfristige Deflationsgefahr<br />

im Umfeld eines zu starken Frankens.<br />

Unserer Ansicht nach haben sich diese<br />

Ri siken aber weiter reduziert. Wir erwarten,<br />

dass die SNB im zweiten Halbjahr erste<br />

Schritte unternehmen wird, um die Geldpolitik<br />

graduell wieder zu normalisieren. fh<br />

20<br />

15<br />

<strong>10</strong><br />

5<br />

0<br />

00 <strong>02</strong> 04 06 08 <strong>10</strong><br />

KGV<br />

+/–1 Standardabweichung<br />

Durchschnitt<br />

+1 Standardabweichung<br />

Fair Value EUR/CHF<br />

–1 Standardabweichung<br />

28.04.20<strong>10</strong><br />

Top-Thema<br />

Robuste Schweizer Wirtschaft<br />

2.00<br />

1.80<br />

1.60<br />

1.40<br />

1.20<br />

82 86 90 94 98 <strong>02</strong> 06 <strong>10</strong><br />

Die Erwartungen beeinflussen die Realwirtschaft und die Börsen. Der Credit Suisse<br />

Surprise Index zeigt, dass die Realwirtschaft in den ersten Monaten dieses Jahres<br />

tendenziell positiv überrascht hat. Die Einschätzungen der Wirtschaftslage waren mehrheitlich<br />

zu negativ, wobei der Pessimisums nicht mehr derart ausgeprägt war wie vor<br />

einem Jahr. Die Schweizer Wirtschaft ist offensichtlich robuster, als ihr attestiert wird.<br />

Dennoch ist eine gewisse Vorsicht angebracht. Denn die Erwartungsbildung scheint<br />

einem gewissen Muster zu unterliegen. Auf zu pessimistische Phasen folgen tendenziell<br />

zu optimistische. cm<br />

Die Zielrate für den 3M-LIBOR bleibt vorläufig tief.<br />

Wir erwarten jedoch erste Erhöhungen im 2. Halbjahr.<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse/IDC<br />

CS Surprise Index signalisiert: Erwartungen wurden übertroffen. Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

%<br />

%<br />

4.0<br />

3.0<br />

2.0<br />

1.0<br />

0<br />

00 <strong>02</strong> 04 06 08 <strong>10</strong><br />

Zielband<br />

Zielsatz für den 3M-LIBOR<br />

Zielband<br />

15<br />

<strong>10</strong><br />

5<br />

0<br />

– 5<br />

–<strong>10</strong><br />

–15<br />

12.07 06.08 12.08 06.09 12.09<br />

CS Swiss Surprise Index +1 Standardabweichung –1 Standardabweichung<br />

zu pessimistisch<br />

zu optimistisch<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


84 Credit Suisse<br />

30. April 20<strong>10</strong><br />

Überblick Prognosen<br />

Aktien und Rohstoffe: Ausgewählte Indizes<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Auswahl Kurs YTD Ausblick 3M 12M-Ziele<br />

S&P 500 1’2<strong>02</strong>.26 7.82 % 1’173<br />

SMI 6’607.71 0.94 % 7’350<br />

FTSE-<strong>10</strong>0 5’553.29 2.59 % 5’677<br />

DJ Euro Stoxx 50 2’816.5 –5.01 % 2’897<br />

Nikkei 225 11’057.4 4.84 % 11’800<br />

Gold 1’182.18 35.1 % 1’250<br />

WTI Erdöl 86.19 93.3 % 97.5<br />

Dow Jones UBS Commodity Index 271.0948 15.4 % 305<br />

Devisen (Wechselkurse)<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Reales BIP-Wachstum in %<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

Wichtige Information<br />

Die Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden<br />

von Credit Suisse per angegebenem Datum erstellt und<br />

können sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht<br />

wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder<br />

ein Angebot noch eine Auf forderung seitens oder im Auftrag<br />

von Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren<br />

oder ähnlichen Finanzinstrumenten oder zur Teilnahme an<br />

einer spezifischen Handelsstrategie in irgendeiner<br />

Rechts ordnung. Der Bericht wurde ohne Berücksichtigung<br />

der Zielsetzungen, der finanziellen Situation oder der<br />

Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der Bericht<br />

enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder<br />

hinsichtlich Investitionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er<br />

stellt auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen<br />

Umstände eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen<br />

angemessene Inves tition oder Strategie oder eine andere an<br />

einen bestimmten Anleger gerichtete Empfehlung dar.<br />

Ver weise auf frühere Entwicklungen sind nicht unbedingt<br />

mass gebend für künftige Ergebnisse.<br />

Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen,<br />

die Credit Suisse als zuver lässig erachtet. Dennoch<br />

kann keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit<br />

der Informationen geleistet werden. Credit Suisse<br />

lehnt jede Haftung für Verluste aus der Verwendung dieses<br />

Berichts ab.<br />

30.04.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />

USD/CHF 1.08 0.90 – 0.94<br />

EUR/CHF 1.43 1.38 – 1.42<br />

JPY/CHF 1.15 1.06 – 1.12<br />

EUR/USD 1.33 1.51 – 1.55<br />

USD/JPY 94 83 – 87<br />

EUR/JPY 125 128 – 132<br />

EUR/GBP 0.87 0.93 – 0.97<br />

GBP/USD 1.53 1.59 – 1.63<br />

EUR/SEK 9.64 9.00 – 9.40<br />

EUR/NOK 7.85 7.80 – 8.20<br />

AUD/USD 0.92 0.91 – 0.95<br />

NZD/USD 0.73 0.69 – 0.73<br />

USD/CAD 1.<strong>02</strong> 0.98 – 1.<strong>02</strong><br />

2009 20<strong>10</strong> 2011<br />

CH –1.5 0.9 2.0<br />

EWU –4 1.5 2.1<br />

USA –2.4 3.5 2.8<br />

GB –4.9 1.4 2.7<br />

Japan –5 1.9 1.8<br />

Kurzfristzinsen 3M-LIBOR<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

30.04.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />

CHF 0.25 0.9 – 1.1<br />

EUR 0.66 1.8 – 2<br />

USD 0.35 1.2 – 1.4<br />

GBP 0.68 1.1 – 1.3<br />

JPY 0.24 0.2 – 0.4<br />

WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN<br />

DAVON DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN<br />

VERSANDT, DORTHIN MITGENOMMEN ODER AN US-<br />

PERSONEN ABGEGEBEN WERDEN. Örtliche Gesetze<br />

oder Vorschriften können die Verteilung von Research-<br />

Berichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken.<br />

Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank Credit Suisse<br />

verteilt, die der Zulassung und Regulierung der<br />

Eidge nössischen Finanzmarktaufsicht untersteht.<br />

Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung<br />

der Credit Suisse weder ganz noch aus zugsweise ver vielfältigt<br />

werden. Copyright © 20<strong>10</strong> Credit Suisse Group AG<br />

und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte<br />

vor behalten.<br />

Schweizer Wirtschaft<br />

(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)<br />

Quelle: Credit Suisse<br />

2009 20<strong>10</strong><br />

Bruttoinlandprodukt, real –1.5 0.9<br />

Privater Konsum 1.2 1<br />

Öffentlicher Konsum 2.5 1<br />

Bauinvestitionen 1.3 –1.5<br />

Ausrüstungsinvestitionen –7.5 –1.5<br />

Importe –5.9 3<br />

Exporte –<strong>10</strong> 5<br />

Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) –0.1 0<br />

Arbeitslosenquote 3.7 4.1<br />

Inflation in %<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

2009 20<strong>10</strong> 2011<br />

CH –0.5 0.8 1.0<br />

EWU 0.4 1.1 1.3<br />

USA –0.7 2.2 1.2<br />

GB 1.8 2.3 1.4<br />

Japan –1.4 –1.2 –0.4<br />

Rendite <strong>10</strong>-j. Staatsanleihen<br />

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse<br />

30.04.20<strong>10</strong> 3M 12M<br />

CHF 1.78 2.3 – 2.5<br />

EUR 3.<strong>02</strong> 3.7 – 3.9<br />

USD 3.65 4.1 – 4.3<br />

GBP 3.85 4.4 – 4.6<br />

JPY 1.29 1.4 – 1.6<br />

Impressum Invest<br />

Herausgeber Credit Suisse, Global Research,<br />

Uetlibergstrasse 231, Postfach 300, CH-8070 Zürich<br />

Redaktion Marcus Hettinger (mh), Thomas Herrmann (th),<br />

Fabian Heller (fh), Eliane Tanner (et), Marcel Thieliant (mt),<br />

Claude Maurer (cm), Roger Signer (rs)<br />

Weitere Research-Publikationen finden Sie im Internet<br />

oder auf Anfrage.<br />

E-Mail publications.research@credit-suisse.com<br />

Internet www.credit-suisse.com/research<br />

Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem Bulletin<br />

der Credit Suisse»<br />

<strong>bull</strong>etin 1/<strong>10</strong> 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Wissenswert Wirtschaft 85<br />

Wissenswert<br />

Begriffe und Bücher aus der Wirtschaft<br />

Inflation [Prozess anhaltender<br />

Preisniveausteigerung]: Stellen<br />

Sie sich vor, Sie müssten bis zu 80<br />

Prozent Ihres Lohns für Lebensmittel<br />

ausgeben. Oder Sie erhielten für<br />

ein Bündel Geldscheine nur einen<br />

Laib Brot. In vielen Entwicklungsländern<br />

ist dies momentan Realität,<br />

denn dort herrscht Inflation. Das<br />

bedeutet, dass die Geldmenge in<br />

einer Volkswirtschaft stärker steigt<br />

als die Warenproduktion. Um die<br />

Güternachfrage zu regulieren,<br />

werden die Preise erhöht. Mit dem<br />

gleichen Geld betrag können folglich<br />

weniger Pro dukte gekauft werden<br />

als vorher; die so genannte<br />

Kaufkraft des Geldes sinkt also.<br />

Insbesondere der <strong>Süden</strong> sieht sich<br />

mit Teuerung konfrontiert, denn<br />

Produktivität wird vor allem durch<br />

trockene und heisse Wetterbedingungen<br />

erschwert. Der Konsumbedarf<br />

kann nicht gedeckt werden,<br />

weshalb die Preise nach oben<br />

angepasst werden müssen.<br />

Mercosur [Südamerikanische<br />

Wirtschaftsunion]: «Unser Norden<br />

ist der <strong>Süden</strong>.» Laut diesem<br />

südamerikanischen Leitspruch ist<br />

der <strong>Süden</strong> dem Norden ebenbürtig.<br />

Daran glaubt auch der südamerikanische<br />

Handelsblock Mercosur.<br />

Die Gründerstaaten Brasilien,<br />

Argentinien, Paraguay und Uruguay<br />

bemühen sich, gegenüber nördlichen<br />

Wirtschaftsbündnissen wie<br />

der EU und der NAFTA wettbewerbsfähiger<br />

zu werden. Sie modernisieren<br />

gemeinsam ihre Volkswirtschaft,<br />

um sich im internationalen<br />

Güterhandel zu behaupten. Dadurch<br />

werden gleichzeitig die Lebensbedingungen<br />

ihrer Bevölkerung – inzwischen<br />

zählt diese mehr als<br />

260 Millionen – verbessert und die<br />

soziale Gleichheit begünstigt. Wie<br />

andere Wirtschaftsbündnisse sieht<br />

sich jedoch auch die Mercosur mit<br />

internen Schwierigkeiten konfrontiert:<br />

Durch die politischen Meinungsverschiedenheiten<br />

und durch<br />

die Unterschiede zwischen den<br />

Mitgliedsländern wird die Umsetzung<br />

der gemeinsam gesetzten<br />

Ziele stark gehemmt. So hat sich<br />

der Staatenbund bisher nicht wie<br />

vorgesehen zu einem umfassenden<br />

Wirtschaftsbündnis, sondern eher<br />

zu einer unvollständigen Zollunion<br />

entwickelt. Im Jahr 2006 beschlos-<br />

sen die beteiligten Regierungen,<br />

Venezuela als fünftes Mitglied<br />

aufzunehmen. Der offizielle Beitritt<br />

wird jedoch von Paraguay verzögert,<br />

da die Opposition der Meinung ist,<br />

dass die Regierung in Caracas die<br />

Voraussetzungen nicht erfülle.<br />

Index der menschlichen<br />

Entwicklung [Aus dem Englischen:<br />

Human Development Index]: «Jielsj<br />

sldpg.» Sie verstehen nichts? So<br />

ergeht es knapp der Hälfte der<br />

Bevölkerung Südasiens, wenn sie<br />

ein Buch aufschlägt. Und in Afrika<br />

erreichen viele Menschen erst gar<br />

nicht das Alter der Lesefähigkeit.<br />

Soziale Faktoren wie der Bildungsgrad<br />

und die Lebenserwartung<br />

tragen stark zum menschlichen<br />

Wohlergehen bei. Aufgrund dieser<br />

Überzeugung entwarf der Ökonom<br />

Mahbub ul Haq im Rahmen des<br />

Entwicklungsprogramms der<br />

Vereinten Nationen den Human<br />

Development Index (HDI). Mit der<br />

statistischen Kenngrösse wird der<br />

Entwicklungsstand von Ländern<br />

charakterisiert, wobei zusätzlich zum<br />

nationalen Wirtschaftswachstum<br />

auch die genannten sozialen<br />

Aspekte bewertet werden. Südliche<br />

Staaten weisen generell den<br />

niedrigsten HDI auf. Dies zeigt die<br />

aktuelle Rangliste des Human<br />

Development Reports: Mit Ausnahme<br />

von Osttimor und Afghanistan<br />

bilden ausschliesslich Länder Afrikas<br />

das Schlusslicht. fdl<br />

Anzeige<br />

Afrika kommt. Der schwarze Kontinent:<br />

Jahrhundertchance für Investoren und Unternehmer<br />

Vijay Mahajan<br />

Börsenmedien AG, 2009<br />

343 Seiten, ISBN -13: 978-3938350911<br />

«Afrika kommt» – daran lässt Vijay Mahajan keinen Zweifel. Wann<br />

genau das der Fall sein wird, lässt der renommierte Sozialunternehmer<br />

offen. Aber es scheint ihm ohnehin eher um einen grundsätzlichen<br />

Gesinnungswandel zu gehen als um kleinliche Investoreninteressen.<br />

Seine spannenden Einblicke in den angeblich<br />

verlorenen Kontinent ergeben ein Plädoyer für eine neue, differenziertere<br />

Sicht. Die hat der 900-Millionen-Verbraucher-Markt Afrika<br />

bestimmt verdient. Konkrete Anlagetipps, wie sie der Unter titel<br />

nahelegt, sollte man von Mahajans Buch allerdings nicht erwarten.<br />

Von den allermeisten der genannten Unternehmen hat man noch<br />

nie etwas gehört – und wird das womöglich auch nie wieder, zu<br />

klein und zu willkürlich herausgepickt sind sie. Der Autor, fasziniert<br />

von Fallbeispielen und persönlichen Erfahrungen, läuft immer<br />

wieder Gefahr, sich in belanglosen Fundamentaldaten zu verheddern.<br />

Als engagierter Aufruf, sich mit Afrika näher zu beschäftigen,<br />

hat das Buch aber trotzdem seine Bedeutung, meint getAbstract –<br />

und empfiehlt es allen privaten und institutionellen Investoren sowie<br />

Entscheidungsträgern in globalen Unternehmen. © getAbstract<br />

The First Crash: Lessons from the South Sea Bubble<br />

Richard Dale<br />

Princeton University Press, 2004<br />

192 Seiten<br />

ISBN -13 : 978 - 0691119717<br />

Dies ist ein faszinierendes Buch über eine faszinierende Zeit –<br />

das frühe 18. Jahrhundert. Es geht um Gier, Korruption, Romantik,<br />

Duelle, Könige, Regenten und ausgebuffte Schurken, wie sie<br />

von scharfsinnigen, zeitgenössischen Chronisten wie etwa Daniel<br />

Defoe beschrieben wurden. Vor allem aber geht es um die in<br />

London geplatzte Südseeblase von 1720. In akribischer, stichhaltiger,<br />

finanzanalytischer Feinarbeit zieht Richard Dale, emeritierter<br />

Professor für internationales Bankwesen und Experte für<br />

regulative Finanzpolitik, bemerkenswerte Parallelen zwischen<br />

dieser ersten Spekulationsblase der Geschichte und der Dotcom-<br />

Blase der 1990er-Jahre. Auch würdigt Dale den Anwalt und<br />

Ökonomen Archibald Hutcheson, der sich seinerzeit – allein auf<br />

weiter Flur – nicht von der Welle des Finanzwahnsinns mitreissen<br />

liess, sondern den Zusammenbruch der South Sea Company sogar<br />

ernüchternd klar berechnete und voraussagte. Jeder, der mit<br />

Finanzmärkten zu tun hat, sollte sich dieses Buch zu Gemüte führen;<br />

besonders in Haussemärkten, in denen man sich vor steigenden<br />

Kursen kaum retten kann. © getAbstract<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


86 Leader Roger Federer<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Roger Federer Leader 87<br />

«Wir leben<br />

recht normal»<br />

Im Exklusivinterview erklärt Roger Federer, wie er sich auf dem Tennisplatz mental<br />

auf einen entscheidenden Punkt vorbereitet, seinen Alltag zu Hause sowie auf der Tour<br />

organisiert und die schwierige Zeit 2008 erlebt hat, als er nur noch die Nummer 2 war.<br />

Die ungekürzte Fassung des rund eineinhalbstündigen Gesprächs finden Sie unter<br />

www.credit-suisse.com/rogerfederer.<br />

Interview: Daniel Huber<br />

Foto: Julian Finney, Staff, Getty Images<br />

Im Februar erhält das <strong>bull</strong>etin die Gelegenheit, Roger Federer<br />

beim Besuch eines Schulprojekts in Äthiopien zu begleiten, das<br />

von seiner Foundation unterstützt wird. Die Reportage dazu ist auf<br />

Seite 42 zu lesen. Folgendes Gespräch findet einen Tag danach in<br />

der Lobby des Wohnhochhauses in Dubai Marina statt, wo Roger,<br />

wie er sich bei der Begrüssung tags zuvor vorgestellt hat, einen<br />

zweiten Wohnsitz hat. Der erfolgreichste Tennisspieler aller Zeiten<br />

erscheint zum Termin am frühen Abend entspannt und frisch<br />

geduscht im Trainingsanzug mit zwei Flaschen Mineralwasser.<br />

<strong>bull</strong>etin: Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, du hättest<br />

hier in Dubai wie Michael Schumacher eine Villa auf einer der<br />

aufgeschütteten Palmeninseln.<br />

Roger Federer: Vom Unterhalt her sind Wohnungen viel praktischer,<br />

gerade wenn man wie wir nur sehr wenig zu Hause ist.<br />

Wir wohnen auch in der Schweiz in einer Wohnung.<br />

Und wo trainierst du hier inmitten all dieser Hochhäuser?<br />

Gleich um die Ecke in einem Hotel mit Tennisplatz und Fitnesszentrum.<br />

Da sind die Trainingsbedingungen ideal.<br />

Wie frei kannst du dich hier in Dubai bewegen?<br />

Wir leben hier eigentlich recht normal, gehen am Strand spazieren,<br />

in die Shopping Malls einkaufen und in die Restaurants essen.<br />

Klar, werden wir erkannt, und die Leute bitten ab und zu um ein<br />

Autogramm. Aber ich kann alles machen, was ich will.<br />

Mit vielleicht zehn Tennisstunden bin ich nie über das Stadium<br />

eines Anfängers hinausgekommen. Immerhin weiss ich, dass ich<br />

vermutlich keinen Ball von dir retournieren könnte.<br />

Tennis ist ein schwieriger Sport, gerade auch von der Koordination<br />

her. Jedenfalls ist es kein Sport, bei dem ein zweitägiger Kurs<br />

reicht, um schon ein bisschen spielen zu können. Und je später<br />

man anfängt, umso weniger gut kann man noch werden.<br />

Und wann ist der ideale Zeitpunkt, um mit Tennis anzufangen?<br />

Spätestens im Alter von zehn Jahren, besser vorher. Dann<br />

kann man sich gewisse koordinative Grundfähigkeiten und das<br />

Bewegen mit dem Ball noch sehr einfach verinnerlichen.<br />

Wo holst du die mentale Stärke, um in den entscheidenden<br />

Momenten eines Tennismatches die Punkte zu machen?<br />

Du musst es im Kopf möglichst einfach halten. Du sagst dir, ich<br />

gebe bei jedem Punkt <strong>10</strong>0 Prozent und probierst im Moment, gut<br />

zu spielen. In einem sehr wichtigen Augenblick versuchst du<br />

dann bewusst, mit deinen Stärken in die Schwäche des Gegners zu<br />

gehen. Das lässt sich natürlich nicht immer so einfach umsetzen,<br />

zumal der Gegner das Gleiche versucht. Aber du musst für dich<br />

selber ein klares Ziel vor Augen haben und dich möglichst nicht<br />

vom Gegner führen lassen. Natürlich muss man im Tennis das<br />

Spiel immer wieder anpassen. Schliesslich ist es ein Reaktionssport.<br />

Es gibt nur einen Schlag, den du voll und ganz kontrollieren<br />

kannst, und das ist der Aufschlag. Bei allen anderen musst du<br />

reagie ren, aber möglichst mit einem Plan dahinter.<br />

Einmal abgesehen von der Geschwindigkeit scheint Tennis<br />

auf der mentalen Ebene viel mit Schach gemeinsam zu haben.<br />

Da plant der Spieler aber viele Züge im Voraus. Wie ist das beim<br />

Tennis?<br />

Im Tennis kannst du vielleicht eineinhalb Schläge im Voraus planen.<br />

Ich serviere den Ball auf einen bestimmten Punkt, wo ich weiss,<br />

dass der Ball in der Regel auf eine bestimmte Art zurückkommt,<br />

und dann habe ich verschiedene Optionen. Wenn du zu weit voraus<br />

planst, dann wirst du überrascht, was schlecht ist.<br />

Wie stark beobachtest du den Gegner während des Matches<br />

auf dem Platz ?<br />

Praktisch nicht. Ab und zu sagen mir die Leute nach dem Spiel:<br />

Hast du gesehen, was der andere wieder gemacht hat ? Das<br />

nehme ich überhaupt nicht wahr. Nach jedem Punkt drehe ich<br />

mich sofort weg. Mich interessiert gar nicht, was der Gegner<br />

macht, wie er sich fühlen könnte. Ich konzentriere mich lieber auf<br />

mich. Klar, wenn ich im Spiel sehe, dass er verletzt ist, dann<br />

checke ich das ein-, zweimal ab. Aber so etwas sollte dein Spiel<br />

nicht verän dern. Denn wenn es dann doch nichts ist, dann wirst<br />

du wieder überrascht.<br />

><br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


88 Leader Roger Federer<br />

Der ehemalige Tennisprofi und Trainer Brad Gilbert beschreibt<br />

«Die Trennung von Privatleben<br />

und Öffentlichkeit ist gar nicht<br />

so schwierig, solange du nicht in<br />

Hollywood oder London lebst.»<br />

in seinem Buch «Winning Ugly» einen eigentlichen Psychokrieg<br />

auf dem Tennisplatz. Empfindest du das auch so?<br />

Ich muss immer ein bisschen schmunzeln, wenn ich sehe, was die<br />

Leute in gewisse Aussagen von mir hineininterpretieren. So hat<br />

John McEnroe nach meinem Sieg in Australien in einem Zeitungsinterview<br />

gemeint, dass ich all meine Erfahrung des Psychokriegs<br />

ausgenutzt hätte, indem ich vor dem Final sagte, der Druck auf<br />

Murray sei viel grösser als auf mich, weil ich ja schon alles gewonnen<br />

hätte. Und dann hätte ich auch noch den angeschlagenen<br />

Fuss Murrays voll ausgenutzt. Das ist natürlich völliger Blödsinn,<br />

zumal auch der vermeintlich angeschlagene Fuss dann gar kein<br />

Problem war. Ich sehe das nicht als Psychokrieg. Ich sage einfach<br />

meine Meinung. Dass Murray mit null Grand-Slam-Siegen in<br />

einem Final mehr als ich den Sieg braucht und entsprechend unter<br />

einem grösseren Druck steht, ist einfach so.<br />

Dann gibt es während des Matches auch keine kleinen<br />

Bemerkungen beim Vorbeigehen?<br />

Vor meiner Zeit soll es tatsächlich ab und zu solche Bemerkungen<br />

wie «Ah, wirst du langsam nervös?» oder so gegeben haben. Aber<br />

in den über 800 Matches, die ich schon gespielt habe, kam das<br />

noch nie vor. Klar, gibt es so kleine Gesten, dass, wenn ich einen<br />

Punkt verliere, sich der Gegner überschwänglich freut, um<br />

mich zu ärgern, oder die Intensität wechselt, indem er sich mehr<br />

Zeit beim Aufschlag herausnimmt. Oder der Gegner nörgelt<br />

ständig oder schaut bei einem Punktgewinn ungläubig zu mir herüber,<br />

wie um zu sagen, ich hätte immer so viel Glück. Aber das<br />

gehört einfach dazu. Darüber hinaus wären heute auf dem Center<br />

Court irgendwelche unsauberen Bemerkungen oder sonstige<br />

Mätzchen angesichts der totalen Überwachung durch die Kameras<br />

gar nicht mehr möglich.<br />

Ist es für dich mental ein Vor- oder ein Nachteil, als Nummer 1<br />

auf den Platz zu kommen?<br />

Ich habe schon immer gesagt, dass ich als Nummer 1 besser<br />

Tennis spiele als vorher. Ich bin gerne im Lead und habe die Sache<br />

unter Kontrolle. Auch behagt mir die Erwartungshaltung, dass ich<br />

es bin, der gewinnen sollte. Ich fand es schwieriger, die Nummer 1<br />

zu werden, als sie jetzt zu verteidigen. Irgendwann kamst du<br />

zum Punkt, wo du die Nummer 4 schlagen musstest, dann die 3,<br />

die 2 und schliesslich die 1 – und das gleich mehrmals und dann<br />

noch das nächste Turnier gewinnen. Das war enorm stressig.<br />

Als Nummer 1 ist das viel ausgeglichener. Ich weiss, dass ich,<br />

wenn ich gut spiele, alle schlagen kann.<br />

Irgendwie hat man den Eindruck, dass dich das Verlieren<br />

der Nummer 1 und das Zurückerobern danach sogar noch stärker<br />

gemacht hat.<br />

Diese Zeit hat sicher auch ihr Gutes gehabt. Eigentlich ist es klar,<br />

dass man nach sieben Jahren Dominanz auch einmal verlieren<br />

muss. Ich habe ja vorher ebenfalls nicht einfach jedes Turnier<br />

gewonnen. Ausserdem war mir schon immer wichtig – egal wie es<br />

gerade lief – mich ständig weiterzuentwickeln. Ich bin immer auf<br />

der Suche nach neuen Mitteln und Wegen, um vorwärtszukommen<br />

und mein Leben abwechslungsreich und spannend zu gestalten.<br />

So habe ich einmal Dubai als Trainingsort ausprobiert und plötzlich<br />

hatte ich hier diese neue Basis. Im Übrigen war auch 2008, als<br />

es weniger gut lief und ich nur noch die Nummer 2 war, trotz allem<br />

keine schlechte Saison. Ich stand in allen grossen Turnieren<br />

mindestens im Halbfinal. Mein Problem war, dass ich die Top-5-<br />

Spieler nicht mehr so einfach schlagen konnte wie früher. Ab und<br />

zu gelang es mir zwar immer noch, doch habe ich sie nicht mehr<br />

so dominiert wie vorher. Während dieser Zeit gab es für mich aber<br />

immer gute Gründe, warum ich nicht ganz in Topform war. Ich hatte<br />

zum einen dieses Pfeiffer’sche Drüsenfieber und zum anderen<br />

Rückenprobleme, die meinen Trainingsaufbau durcheinander brachten.<br />

Im Nachhinein wäre es vielleicht besser gewesen, weniger<br />

Turniere zu spielen. Aber vermutlich würde ich es wieder so machen.<br />

Viele Sportjournalisten hatten dich damals bereits abgeschrieben.<br />

Wie stark verfolgst du die Berichterstattung und die<br />

Kommentare über dich in den Medien?<br />

Klar, bekomme ich ab und zu etwas mit. Das grössere Problem<br />

waren für mich die Pressekonferenzen. Die Journalisten fragten<br />

mich ständig: Was ist los mit dir ? Wäre ein neuer Coach nicht<br />

besser ? Was ist mit deiner Vorhand? Dieses ständige Beantworten<br />

von negativen Fragen hat mir schon etwas zugesetzt und<br />

vielleicht auch gewisse Selbstzweifel in mir geweckt. Anderseits<br />

ist es schon komisch, dass man sich als Nummer 2 der Welt ständig<br />

erklären muss.<br />

Du schaffst es, deine Familie zwar immer dabeizuhaben, aber<br />

trotzdem deine Privatsphäre zu wahren. Wie machst du das?<br />

Meine Familie ist mir sehr wichtig. Ich brauche einen Ort der Ruhe,<br />

wo ich mich zurückziehen kann. Diese Trennung von Privatleben<br />

«Ich fand es schwieriger,<br />

die Nummer 1 zu werden, als<br />

sie jetzt zu verteidigen.»<br />

und Öffentlichkeit ist gar nicht so schwierig, solange du nicht in<br />

Hollywood oder London lebst. Insofern schotte ich mich auch nicht<br />

so stark ab, wie viele meinen.<br />

Wirst du es nicht langsam müde, immer aus dem Koffer<br />

zu leben?<br />

Im Gegenteil: Ich reise immer noch sehr gerne. Sicher, das<br />

ständige Ein- und Auspacken ist manchmal etwas lästig, und ich<br />

würde manchmal gerne noch zwei, drei Tage länger an einem<br />

Ort bleiben. Aber das gehört irgendwie dazu. Bestimmt, werde ich<br />

es nach meiner Tenniskarriere etwas ruhiger nehmen. Aber ich<br />

werde sicher noch viel reisen.<br />

Wie geregelt ist dein Reisen? Steigst du zum Beispiel<br />

immer in den gleichen Hotels ab?<br />

Anfänglich wollte ich immer wieder in neue Hotels. Das hat sich<br />

schnell gelegt. Heute gehe ich immer in die gleichen. Da weiss ich,<br />

was mich erwartet, da kenne ich die Leute und das Umfeld. Für<br />

mich wird es immer wichtiger, mich auch fern von zu Hause an<br />

einem Ort zu Hause zu fühlen.<br />

><br />

Fotos: André Springer<br />

<strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong> Credit Suisse


Roger Federer Leader 89<br />

Bilder und Fakten einer grossen Karriere<br />

Geboren<br />

8. August 1981 in Basel<br />

Grösse<br />

186 cm<br />

Gewicht<br />

85 kg<br />

Spielhand<br />

Rechts (einhändige Rückhand)<br />

Gewinnt als 16-jähriger 1998 in<br />

Wimbledon das Junioren-Turnier.<br />

Gstaad 1998: sein erstes Spiel<br />

auf der ATP-Tour.<br />

In seiner zweiten Profisaison<br />

2000 in Wimbledon.<br />

Erstes ATP-Turnier<br />

Juli 1998 in Gstaad<br />

Erste Profisaison<br />

1999<br />

Platzierung Weltrangliste<br />

Nummer 1 (2. Februar 2004 bis<br />

17. August 2008 und seit 6. Juli 2009)<br />

Grand-Slam-Titel<br />

16<br />

Australien Open<br />

2004, 2006, 2007, 20<strong>10</strong><br />

French Open<br />

2009<br />

Wimbledon<br />

2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2009<br />

US Open<br />

2004, 2005, 2006, 2007, 2008<br />

Turniersiege Einzel<br />

62<br />

Turniersiege Doppel<br />

7<br />

Olympische Medaille<br />

Gold (Peking 2008, Doppel)<br />

Key Biscayne 2001: Mirka auf<br />

dem Feld, Roger auf der Tribüne.<br />

Key Biscayne 2001<br />

Zusammen mit Andre Agassi bei der Gala des Masters in Schanghai<br />

20<strong>02</strong>, wo er im Halbfinal gegen Lleyton Hewitt ausschied.<br />

French Open 2004<br />

Auszeichnungen<br />

Als erster Sportler überhaupt<br />

bei den Laureus World Sport<br />

Awards viermal zum Weltsportler<br />

des Jahres gewählt (2003, 2004,<br />

2006, 2007).<br />

Persönliches<br />

Vater Robert ist Schweizer und<br />

Mutter Lynette Südafrikanerin;<br />

lernt 2000 an den Olympischen<br />

Spielen in Sydney die Profi-Tennisspielerin<br />

Mirka Vavrinec kennen,<br />

die er am 11. April 2009 heiratet;<br />

am 23. Juli 2009 Geburt der<br />

Zwillingstöchter Charlene Riva<br />

und Myla Rose.<br />

Credit Suisse <strong>bull</strong>etin 2/<strong>10</strong>


90 Leader Roger Federer<br />

Wie sieht für dich ein normaler Trainingstag zu Hause aus?<br />

Ich versuche zuerst genug Schlaf zu bekommen, damit ich<br />

körperlich und mental optimal regenerieren kann. Dann stehe ich<br />

auf, dusche, frühstücke.<br />

Hast du ein spezielles Ernährungsprogramm?<br />

Eigentlich nicht. Ich habe mich einmal bei einem Ernährungsberater<br />

erkundigt, was er mir empfehlen würde. Darauf meinte<br />

dieser: «Du bist ohne meine Hilfe die Nummer 13 der Welt<br />

geworden, dann kannst du es auch ohne meine Hilfe zur<br />

Nummer 1 bringen. Doch wenn du mal einen Tipp von mir willst,<br />

dann ruf mich an.» Bis jetzt habe ich ihn noch nicht angerufen.<br />

Wir waren beim Frühstück.<br />

Danach gehe ich stretchen, mache fünf bis zehn Minuten ein<br />

paar Aufwärmübungen und gehe zum Konditionstraining, zirka<br />

eine Stunde lang. Und dann trainiere ich so zwei Stunden lang auf<br />

dem Tennisplatz. Anschliessend gehts zum Mittagessen. Von drei<br />

bis fünf Uhr folgt entweder nochmals eine Konditions- oder eine<br />

Tennis-Session. Dann komme ich zurück, dusche und erhalte<br />

eine Massage. Das ist von sechs bis acht und danach gibts Nachtessen.<br />

Trinkst du zu einem guten Essen auch mal ein Glas Wein?<br />

Das kann es schon mal geben. Wie gesagt, ich bin bei der Ernährung<br />

nicht sehr strikt.<br />

Mittlerweile wirst du bei den Diskussionen um den grössten<br />

Sportler aller Zeiten in einem Atemzug mit Mohammed Ali und<br />

Michael Jordan gehandelt. Wie ist das für dich?<br />

Das ist natürlich schon speziell. Das war es auch schon, als ich<br />

mehr Erfolg hatte als meine Tennisidole Stefan Edberg und Boris<br />

Becker. Für mich ist es immer wieder unglaublich, wenn mir bewusst<br />

wird, wie weit ich es im Tennis schon gebracht habe, und<br />

dass ich mittlerweile über meine Sportart hinaus tatsächlich mit<br />

diesen Grössen verglichen werde. Es freut mich auch, dass ich so<br />

meinen Teil dazu beitragen kann, dass Tennis noch populärer wird.<br />

«Irgendwie hatte ich den Leader<br />

schon immer ein bisschen in mir.»<br />

Du bist weltweit die Nummer 1 des Tennis und auch<br />

Sprecher der Spielervereinigung. Was zeichnet einen guten<br />

Leader aus?<br />

Irgendwie hatte ich den Leader schon immer ein bisschen in mir,<br />

sei es beim Fussball oder auch in der Schule. Ich habe häufig<br />

die Aufmerksamkeit auf mich gezogen, und es war mir auch nie<br />

unangenehm, im Mittelpunkt zu stehen. Ich war zwar anfangs<br />

eher ein schüchternes Kind, aber das hat sich dann übers Tennis<br />

bald geändert. Ein guter Leader darf sich nicht zu schade sein,<br />

vorne an der Front zu stehen, wenn es hart auf hart kommt. Die<br />

Art und Weise, wie er die Krise bewältigt, zeichnet den Leader<br />

aus. Er braucht sicher eine grosse Portion Selbstvertrauen und<br />

muss mit breiten Schultern auftreten. Ich nehme ja nicht nur im<br />

Tennissport und bei meiner Foundation eine Leader-Rolle ein,<br />

sondern auch bei meinem Team. Und da merke ich immer wieder,<br />

wie wichtig es ist, einerseits eine klare Richtung vorzugeben<br />

und andererseits auch immer wieder zuzuhören und offen für Kritik<br />

zu sein.<br />

Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben?<br />

Bei uns herrscht eine sehr entspannte Stimmung. Es wird häufig<br />

sehr offen diskutiert. Transparenz ist für mich sehr wichtig. Und<br />

gleichzeitig wird auch das Wissen um die gegenseitigen Stärken<br />

immer grösser, und wir vertrauen einander fast blind.<br />

So gesehen war sicher auch die Zeit, als es nicht optimal<br />

lief, rückblickend für dich spannend. Wie krisenerprobt ist dein<br />

Team?<br />

Wenn auf der Welle des Erfolgs alles nur noch rosa erscheint,<br />

dann ist während der Krise plötzlich alles nur noch schwierig.<br />

Während der schwierigen Zeit 2008 kam ich an einen Punkt, an<br />

dem ich für mich nochmals alles sehr genau analysierte und zum<br />

Schluss kam, dass meine Arbeit eigentlich gut war und ich das<br />

Richtige gemacht hatte. Entsprechend hielt ich auch an meinem<br />

Team fest. Aber dieses ständige Hinterfragen der eigenen Arbeit<br />

ist wichtig und entsprechend habe ich das auch schon vor der<br />

Krise gemacht.<br />

Dann hattest du in dieser Zeit keinen Wechsel im Team?<br />

Ich habe einzig den Masseur durch einen Physiotherapeuten<br />

ersetzt. Aber das hätte ich sowieso gemacht, weil ich Rückenprobleme<br />

bekommen hatte und diese gezielter angehen wollte.<br />

Bereits zum zweiten Mal unterbricht ein aufdringlicher Mitbewohner<br />

des Hochhauses, den Roger eigentlich gar nicht kennt,<br />

das Gespräch und stellt einen weiteren Freund vor, der mit Roger<br />

ein Bild will. Als er endlich gegangen ist und wir wieder sitzen:<br />

Bleibst du eigentlich immer so höflich?<br />

Das gehört für mich dazu. Und irgendwie ist er ja auch ein Nachbar,<br />

den man vielleicht wieder mal in der Lobby trifft.<br />

Im Fussball wird als Erstes der Trainer ausgewechselt, wenn<br />

der Erfolg ausbleibt.<br />

Der Coach ist in allen Sportarten eine sehr umstrittene Figur.<br />

Niemand weiss genau, wie stark er tatsächlich für Erfolg oder<br />

Misserfolg verantwortlich ist. Am Schluss ist es immer der Athlet,<br />

der die Leistung bringen muss. Anders als beim Tennis kann<br />

der Coach im Fussball aber auch während des Spiels relativ direkt<br />

Einfluss nehmen. Er kann in der Pause die Taktik neu definieren,<br />

Spieler austauschen. Er kann zudem mehr oder weniger gut die<br />

verschiedenen Egos zu einem Team zusammenfügen. Und wenn<br />

ein Coach ausgetauscht wird, dann sind wieder alle Karten neu<br />

gemischt. Alle kriegen wieder eine neue Chance, auch die Spieler<br />

auf der Bank. Gleichzeitig sind die Stammspieler wieder etwas<br />

verunsichert. Das kann sicher einen neuen, positiven Impuls<br />

gebe n. Im Tennis mag das auch etwas der Fall sein, weil man dem<br />

neuen Coach sein Können beweisen will. Aber der Effekt ist sicher<br />

nie so gross.<br />

Und trotzdem ist er auch im Tennis wichtig.<br />

Bei einem Einzelsport wie Tennis ist der Kontakt sehr viel direkter.<br />

Die Beziehung ist viel unmittelbarer. Du lebst praktisch mit dem<br />

Coach zusammen und isst dreimal am Tag mit ihm. Ein Tenniscoach<br />

kennt seinen Spieler vermutlich nach einer Woche besser als ein<br />

Fussballtrainer sein Team nach zehn Jahren. Insofern ist es kaum<br />

vergleichbar. Ich hatte, kurz nachdem ich 2003 die Nummer 1<br />

wurde, während zweier Jahre keinen Coach. Damals hatte ich im<br />

Übrigen auch kein Management. Das war eine echte Lebensschule.<br />

Ich musste alles selber machen bis hin zu den Verhandlungen<br />

mit den Sponsoren. Das war eine extrem lehrreiche Zeit<br />

für mich. Damals habe ich gelernt, Entscheidungen zu treffen. <<br />

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