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stahl + eisen 08/2021 (Leseprobe)

TITELTHEMA STAHL VOR DER WAHL // WEITERE THEMEN: u.a. Direktreduktion rund um den Globus, Wie IoT-Plattformen die grüne Transformation im Stahlmarkt erleichtern, Klimaschutz in China: Nicht um jeden Preis, aus Wissenschaft + Technik: Verzinkung und neue Stähle, Style + Story: 190 Jahre Schwarzenberggebläse

TITELTHEMA STAHL VOR DER WAHL // WEITERE THEMEN: u.a. Direktreduktion rund um den Globus, Wie IoT-Plattformen die grüne Transformation im Stahlmarkt erleichtern, Klimaschutz in China: Nicht um jeden Preis, aus Wissenschaft + Technik: Verzinkung und neue Stähle, Style + Story: 190 Jahre Schwarzenberggebläse

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Nr. 8 | August <strong>2021</strong><br />

Magazin für die Herstellung und Verarbeitung von Eisen + Stahl<br />

Rohstoffe<br />

Den Preisschub beherrschen<br />

Verzinkung und neue Stähle<br />

Eine neue Generation steht in den Startlöchern<br />

Stahl vor der Wahl<br />

Ziele und Vorhaben der Politik und Erwartungen der Branche


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die präzise optische Temperaturmessung!<br />

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Liebe Leserinnen & Leser,<br />

eigentlich ist das, was „die in Berlin“ (oder Brüssel) machen, ziemlich<br />

weit weg von einer Schicht im Stahlwerk. Meistens jedenfalls. Bei den<br />

großen Kursentscheidungen wirken Politiker aller Couleur, allen voran<br />

natürlich die Regierenden, jedoch immens auf den Alltag der Branche<br />

ein – und auf deren Zukunftsperspektiven.<br />

Aktuelle Nachrichten<br />

finden Sie<br />

fortlaufend auf<br />

<strong>stahl</strong><strong>eisen</strong>.de. Sie<br />

sind Social-Mediaaffin?<br />

Folgen Sie<br />

auf Twitter doch<br />

@<strong>stahl</strong><strong>eisen</strong>_de.<br />

Während die Volksrepublik China ihren Energiehunger durch den massiven<br />

Ausbau der CO 2 -neutralen Kernenergie sowie den Bau von 190 Kohlekraftwerken stillt,<br />

wie unsere China-Korrespondent Fabian Grummes in seiner wieder sehr lesenswerten Kolumne<br />

auf Seite 36 schreibt, streben fünf von sechs Bundestagsparteien ausweislich ihrer Wahlprogramme<br />

nach Klimaneutralität. Lediglich die FDP hält am ursprünglichen Fahrplan 2050 fest, während<br />

die Bündnisgrünen in 20 Jahren soweit sein wollen (also 2041) und die Partei Die Linke schon<br />

2035. In der Titelstrecke „Stahl vor der Wahl“ haben wir speziell die klimapolitischen Ziele<br />

übersichtlich zusammengefasst. Für die Branche ist dieser Überbietungswettbewerb ziemlich weit<br />

weg von den verlässlichen Rahmenbedingungen, die sie braucht, um die politisch forcierte<br />

Kraftanstrengung der Dekarbonisierung umzusetzen. „Auf dieser Basis kann die Stahlindustrie<br />

nicht verlässlich planen“, schreibt denn auch Dr. Karl-Ulrich Köhler von der SHS - Stahl-Holding-<br />

Saar in seinem exklusiven Meinungsbeitrag (Seite 19). Ähnliche Haltungen finden Sie auch in der<br />

Kurzumfrage auf den Seiten 22 und 23.<br />

Eine explizite Wahlempfehlung werden Sie aus der Redaktion nicht erhalten (und auch keine<br />

implizite), aber der Feststellung von Dr. Stefan Wolf, Vorsitzender des Vorstands von ElringKlinger<br />

und Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, in seinem Standpunkt können wir so<br />

zustimmen: „Wir stehen vor einer echten Richtungswahl in Deutschland“. Auch gehen wir mit,<br />

was Johannes Nonn von der Wuppermann AG der kommenden Regierung vorab ins Stammbuch<br />

schreibt: Man erwarte von ihr, „die Rahmenbedingungen für den Übergang zu einer<br />

nachhaltigeren Wirtschaft in Deutschland und Europa klar und langfristig verlässlich zu setzen.“<br />

Das soll als Stellungnahme aus der Redaktion aber reichen. Wir wünschen Ihnen eine anregende<br />

Lektüre dieser Ausgabe und schon jetzt, dass Sie Ende September eine gute Wahl treffen!<br />

Torsten Paßmann, Chefredakteur<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2021</strong> 3


STAHL<br />

EISEN<br />

Inhalt 8 | <strong>2021</strong><br />

Cover:<br />

Die beleuchtete Glaskuppel auf<br />

dem Dach des Reichstags<br />

Quelle: Matej Kastelic/www.shutterstock.com<br />

NEWS<br />

TERMINE<br />

6 Wirtschaft + Industrie<br />

u.a. mit voestalpine, thyssenkrupp und<br />

SHS – Stahl-Holding-Saar<br />

10 Klima + Umwelt<br />

u.a. mit LSV Lech-Stahl Veredelung, Salzgitter<br />

und SSAB<br />

12 Additive Fertigung<br />

u.a. mit ODeCon, Desktop Metal und MX3D<br />

14<br />

Stahl<br />

vor der Wahl<br />

Was Parteien vor allem hinsichtlich der Klimapolitik<br />

vorhaben – und was sich die Branche wünscht<br />

TITELTHEMA: STAHL VOR DER WAHL<br />

16 Eine Partei will Klimaneutralität bereits 2035<br />

In der Klimapolitik herrscht vielfach grundsätzliche<br />

Einigkeit – mit Unterschieden in den Details<br />

19 Ein Ziel ist noch keine Lösung<br />

Standpunkt von Dr. Karl-Ulrich Köhler, Vorsitzender<br />

der Geschäftsführung, SHS – Stahl-Holding-Saar<br />

20 Austausch bedingt gesucht<br />

Vor der Wahl lassen sich nicht alle Parteien in den Unternehmen<br />

sehen<br />

24 „Wir stehen vor einer echten Richtungswahl<br />

in Deutschland“<br />

Standpunkt von Dr. Stefan Wolf, Vorsitzender des<br />

Vorstands von ElringKlinger und Präsident des Arbeitgeberverbands<br />

Gesamtmetall<br />

24 DRI rund um den Globus<br />

Midrex ist Entwickler eines Verfahrens, das in Direktreduktionsanlagen<br />

weltweit zum Einsatz kommt<br />

52<br />

Stichprobeninventur<br />

führt zu spürbarer<br />

Entlastung<br />

Mit Remira hat Salzgitter Flach<strong>stahl</strong> den Inventuraufwand<br />

deutlich minimiert<br />

22 „Rahmenbedingungen klar und langfristig<br />

verlässlich setzen“<br />

Kurzumfrage zu den Erwartungen der Branche an die<br />

kommende Bundesregierung 28 Jetzt ist guter Stahl teuer<br />

Materialengpässe sind auch für Drehteilehersteller eine<br />

belastende Herausforderung<br />

POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

30 Wie IoT-Plattformen die grüne<br />

Transformation im Stahlmarkt erleichtern<br />

Mit Hilfe der Digitalisierung agieren Unternehmen<br />

ökologisch und wirtschaftlich<br />

4 August <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


32 Neue Technologien erhöhen die Effizienz<br />

im Stahlhandel<br />

Die Digitalisierung bietet Stahlhandelsunternehmen<br />

ein enormes Potenzial, ihr Geschäftsmodell fit für die<br />

Zukunft zu machen<br />

36 Nicht um jeden Preis<br />

China-Kolumne von Fabian Grummes<br />

WISSENSCHAFT<br />

TECHNIK<br />

43 Verzinkung und neue Stähle<br />

Eine neue Generation weicher Stähle zum Kaltumformen<br />

mit einer Schmelztauchveredelung steht in den<br />

Startlöchern<br />

50 Reststandmenge von Schmiedewerkzeugen<br />

punktgenau prognostizieren<br />

Vorausschauende Überwachung soll die Wirtschaftlichkeit<br />

weiter optimieren<br />

52 Stichprobeninventur führt zu spürbarer<br />

Entlastung<br />

Mit Remira hat Salzgitter Flach<strong>stahl</strong> den<br />

Inventuraufwand deutlich minimiert<br />

62<br />

190 Jahre Schwarzenberggebläse<br />

Ein Technikdenkmal auf der „Alten Elisabeth“<br />

in Freiberg<br />

54 Erzeugnisse und Verfahren für den<br />

Umgang mit Stahl<br />

u.a. mit Tenova, EWM und Karl Roll<br />

RECHT<br />

FINANZEN<br />

56 Einkaufsrisiken besser beherrschen<br />

Wie Unternehmen mit dem Preisschub bei Rohstoffen<br />

umgehen können<br />

BERUF<br />

KARRIERE<br />

58 Auch Führungsverhalten lässt sich<br />

optimieren<br />

Es gibt zwei Archetypen von Führungskräften – einer<br />

von beiden will besser werden<br />

STYLE<br />

STORY<br />

62 190 Jahre Schwarzenberggebläse<br />

Ein Technikdenkmal auf der „Alten Elisabeth“ in<br />

Freiberg<br />

Verzinkung und neue Stähle<br />

45 Eine neue Generation weicher Stähle zum Kaltumformen mit<br />

einer Schmelztauchveredelung steht in den Startlöchern<br />

IMMER<br />

EWIG<br />

3 Editorial<br />

9 Termine<br />

38 Länder + Anlagen<br />

60 VDEh-Personalia<br />

64 People<br />

66 Vorschau + Impressum<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2021</strong> 5


NEWS + TRENDS<br />

Wirtschaft<br />

Industrie<br />

Voestalpine mit guten Finanzkennzahlen<br />

im ersten Quartal<br />

Der österreichische Konzern voestalpine<br />

konnte im ersten Quartal seines seit<br />

April laufenden Geschäftsjahres <strong>2021</strong>/22<br />

den Umsatz um 45,6 % von 2,4 Mrd. Euro<br />

auf 3,5 Mrd. Euro und das EBITDA um<br />

242 % auf 540 Mio. EUR. Das Ergebnis<br />

nach Steuern legte auf 259 Mio. Euro zu<br />

– im Vergleichszeitraum des Vorjahres<br />

waren es mit -70 Mio. Euro noch rote<br />

Zahlen. Mit Ausnahme der Luftfahrtindustrie,<br />

die sich vergleichsweise verhalten<br />

entwickelte, verzeichneten alle<br />

Markt- und Produktsegmente eine positive<br />

Entwicklung. Die europäische Automobilindustrie<br />

war weiterhin mit den<br />

seit Jahreswechsel bestehenden Lieferproblemen<br />

aus der Halbleiterindustrie konfrontiert,<br />

wodurch es in Folge bei einigen<br />

Automobilherstellern zu kurzfristigen<br />

Produktionsstopps kam. Dies führte jedoch<br />

zu keinem nennenswerten Rückgang<br />

der Nachfrage nach hochqualitativen<br />

Stahlprodukten der voestalpine.<br />

„Die voestalpine konnte den Konjunkturaufschwung<br />

nach der pandemiebedingten<br />

Rezession im Vorjahr voll nutzen.<br />

Fast alle unsere Markt- und Produktsegmente<br />

haben sich im ersten Geschäftsquartal<br />

sehr gut entwickelt und die einzelnen<br />

Divisionen zeigten eine ausgezeichnete<br />

Performance“, so Herbert<br />

Eibensteiner, Vorstandsvorsitzender der<br />

voestalpine AG.<br />

KlöCo erwartet stärkstes operatives Jahresergebnis<br />

seit dem Börsengang<br />

Die Klöckner & Co SE (KlöCo) hat nach vorläufigen Zahlen mit<br />

einem operativen Ergebnis (EBITDA) vor wesentlichen Sondereffekten<br />

von 401 Mio. Euro im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres <strong>2021</strong><br />

ein Rekordergebnis erwirtschaftet. Aufgrund der sich auch zu<br />

Beginn des dritten Quartals weiter fortsetzenden positiven Dynamik<br />

der Stahlpreise in Europa und den USA in Verbindung mit<br />

einem äußerst strikten Net Working Capital Management und<br />

unterstützt durch die substantiellen Effekte aus dem Projekt Surtsey,<br />

rechnet die Gesellschaft damit, dass das EBITDA vor wesentlichen<br />

Sondereffekten im dritten Quartal mit 200-230 Mio. Euro<br />

erheblich stärker ausfallen wird als vom Markt bisher erwartet.<br />

Ferner erwartet das Unternehmen im Gesamtjahr <strong>2021</strong> ein EBIT-<br />

DA vor wesentlichen Sondereffekten von 650-700 Mio. Euro zu<br />

erreichen und damit das dann beste operative Jahresergebnis seit<br />

dem Börsengang im Jahr 2006 zu erzielen. Auch diese Prognose<br />

liegt über der bisherigen Markterwartung.<br />

ZVO-Oberflächentage <strong>2021</strong> finden als Hybrid Edition<br />

in Berlin statt<br />

Die Präsenzelemente der ZVO-Oberflächentage <strong>2021</strong><br />

finden wie bereits 2017 und 2019 im bewährten Rahmen<br />

des Estrel Berlin statt.<br />

Den coronabedingten Unwägbarkeiten<br />

begegnet der Zentralverband<br />

Oberflächentechnik e.V. (ZVO) bei<br />

den ZVO-Oberflächentagen <strong>2021</strong><br />

mit einer Kombination aus Onlineund<br />

Präsenzveranstaltungselementen.<br />

Thematisch stehen die Schwerpunkte<br />

Klimaneutralität, Digitalisierung<br />

in der Galvanotechnik,<br />

Innovationstreiber Chemie- und<br />

Umweltregulierung sowie Edelmetalloberflächen<br />

im Mittelpunkt.<br />

Dazu kommen regelmäßig wiederkehrende<br />

Vortragsrubriken wie<br />

Zukunftstechnologien, Verschleißschutz,<br />

Funktionsschichten oder<br />

Energie- und Materialeffizienz. Abgerundet<br />

wird das Kongressprogramm<br />

durch ein FuE-Forum, an<br />

der Industrieausstellung werden 41<br />

Unternehmen teilnehmen Die Präsenzelemente<br />

am 23./24. September<br />

<strong>2021</strong> finden im Estrel Berlin statt,<br />

die Anzahl der bis 16. September<br />

verfügbaren Präsenz-Tickets ist<br />

begrenzt.<br />

Bilder: voestalpine AG, Primetals Technologies<br />

6 August <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


thyssenkrupp trennt sich von drei Geschäftsbereichen<br />

Im Zuge des Unternehmensumbaus hat sich der Ruhrgebietskonzern<br />

thyssenkrupp Mitte August von der Konzerngesellschaft<br />

thyssenkrupp Carbon Components getrennt. Käufer ist<br />

die Action Composites GmbH aus Österreich. Mit dem Verkauf<br />

erziele man einen „weiteren Erfolg bei der Fokussierung des<br />

Portfolios“, hieß es seitens thyssenkrupp. Kurz vorher wurde<br />

das Infrastructure-Geschäft an die FMC Beteiligungs KG veräußert,<br />

eine unternehmergeführte, unabhängige deutsche Beteiligungsgesellschaft,<br />

die langfristig in Unternehmen investiert.<br />

Action Composites ist auf die Entwicklung, Konstruktion und<br />

Produktion von Bauteilen aus Carbon-Verbundwerkstoffen spezialisiert.<br />

Ende Juli wurde mitgeteilt, dass die Geschäftseinheit<br />

Mining Technologies von dem dänischen Unternehmen<br />

FLSmidth übernommen wird, einem Unternehmen von Technologien<br />

für die Mining- und Zementindustrie. Über den Verkaufspreis<br />

wurde in allen Fällen Stillschweigen vereinbart. Die thyssenkrupp-Tochter<br />

Carbon Components wurde 2012 in Zusammenarbeit<br />

mit der TU Dresden gegründet und u.a. auf<br />

geflochtene ultraleichte Hochleistungsfelgen für Sportwagen,<br />

Motorräder und Mountainbikes spezialisiert, thyssenkrupp Infrastructure<br />

ist ein Anbieter im Tief-, Hafen- und Spezialtiefbau<br />

sowie im Ingenieurbau.<br />

BGH Freital erteilt Endabnahme für AOD-Konverter<br />

Von Primetals gelieferter neuer AOD (Argon Oxygen<br />

Decaburization)-Konverter beim Stahlproduzenten<br />

BGH Edel<strong>stahl</strong>werke Freital.<br />

Der deutsche Stahlproduzent BGH Edel<strong>stahl</strong>werke in Freital hat Primetals<br />

Technologies die Endabnahmebescheinigung für einen neuen 50-Tonnen-<br />

AOD-Konverter (Argon Oxygen Decaburization) erteilt. Dieser ergänzt und<br />

entlastet die bestehende VOD-Anlage (Vacuum Oxygen Decarburization).<br />

Für das Projekt lieferte Primetals Technologies neben dem Konverter auch<br />

das Legierungs- und Zuschlagstoffesystem, die Einhausung und die Primärgaskühlung,<br />

Hilfs- und Nebeneinrichtungen sowie die Elektrik und die Automatisierung.<br />

Das komplette Engineering, Überwachungsleistungen für<br />

Montage und Inbetriebnahme sowie die Kundenschulung vor Ort waren<br />

ebenfalls Bestandteile des Leistungsumfangs. Damit soll die Produktion<br />

flexibler werden sowie der spezifische Verbrauch von Rohmaterialien, feuerfesten<br />

Werkstoffen, elektrischer Energie und Betriebsmitteln sinken.<br />

Gleichzeitig werde aufgrund der verkürzten Behandlungszeiten die Produktivität<br />

erhöht und die Qualität der Endprodukte weiter verbessert,<br />

heißt es. Der Einbau des AOD-Konverters in ein bestehendes Werk erforderte<br />

aufgrund der geringen Hallenhöhe eine kundenspezifische Sonderlösung<br />

und erfolgte erfolgte während des laufenden Betriebes.<br />

Boxbay besteht den Praxistest<br />

Bilder: SMS group, Sven Hobbiesiefken<br />

Nach 63 000 Containerbewegungen seit der Inbetriebnahme<br />

Anfang des Jahres in der originalgroßen Proof-of-Concept-Anlage<br />

wissen die Joint-Venture-Partner SMS group und DP World:<br />

Das Hochregallager-System Boxbay im Hafen von Dubai, das 792<br />

Container gleichzeitig aufnehmen kann, ist noch effizienter, als<br />

sie zuvor angenommen hatten. Während der Testphase wurden<br />

einige Änderungen an der ursprünglichen Konstruktion vorgenommen.<br />

Damit konnten die Leistung gesteigert und die Investitionskosten<br />

für zukünftige Anlagen deutlich reduziert werden.<br />

Das hohe Leistungsniveau des Boxbay-Systems – wasserseitig<br />

19,3 Bewegungen pro Stunde und landseitig 31,8 Bewegungen<br />

pro Stunde – reduziert außerdem das in einem Terminal benötigte<br />

Equipment. Mit 29 Prozent niedrigeren Energiekosten und<br />

deutlich reduziertem Wartungsaufwand liegen die Betriebskosten<br />

ebenfalls unter den Erwartungen. Der Praxistest beweise,<br />

dass das System die Arbeitsweise in Häfen und Terminals revolutionieren<br />

könne, urteilte entsprechend positiv auch Sultan<br />

Ahmed bin Sulayem, Group Chairman und CEO von DP World.<br />

„Die gemeinsam mit unserem Joint-Venture-Partner SMS group<br />

entwickelte Technologie führt zu einer enormen Erweiterung<br />

Der Proof of Concept (POC) des Hochregallagersystems Boxbay ist<br />

erfolgreich in Betrieb und hat seine Leistungsfähigkeit im realen<br />

Betrieb bewiesen<br />

der Kapazität, verbessert die Effizienz und fördert die Nachhaltigkeit<br />

im Containerumschlag“, ergänzte er.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2021</strong> 7


TITELTHEMA: STAHL VOR DER WAHL<br />

Einführung<br />

Stahl vor<br />

<br />

der Wahl<br />

Klimapolitik ist derzeit das Megathema –<br />

die Branche wünscht sich und braucht<br />

Zuverlässigkeit<br />

14 August <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Gerade vor großen Wahlen entdecken Politiker aller Couleur<br />

ihr offenes Ohr für Interessens- und potentielle Wählergruppen.<br />

Beredtes Zeugnis legen die zahlreichen Stahlwerksbesuche<br />

von Spitzenpolitikern ab, die man dort sonst selten sieht.<br />

Die Frage ist, was aus diesen Gespräche Eingang in Politik, Gesetze<br />

und Verordnungen findet und was Lippenbekenntnisse<br />

bleiben. Im Rahmen des Titelthemas dokumentieren wir auch,<br />

was sich die Branche wünscht und was die Parteien vorhaben.<br />

Bild: Matej Kastelic/www.shutterstock.com<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2021</strong> 15


TITELTHEMA: STAHL VOR DER WAHL<br />

Klimapolitik<br />

Eine Partei will Klimaneutralität<br />

bereits 2035<br />

Hinsichtlich der Klimapolitik herrscht vielfach grundsätzliche Einigkeit – mit<br />

Unterschieden in den Details<br />

AUTOR: Torsten Paßmann<br />

torsten.passmann@<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de<br />

DARUM GEHT’S: Nur ein Teil der Bundestagsparteien erwähnt<br />

die Stahlindustrie in den Wahlprogrammen, mit übergeordneten<br />

Themen wie der Klimapolitik wollen sie aber trotzdem<br />

deutlich Einfluss auf die Branche nehmen. Dieser Beitrag fasst<br />

einige zentrale Punkte der Programme zusammen, die Reihenfolge<br />

orientiert sich an den Stimmen der Wahl 2017.<br />

Das kürzeste Wahlprogramm liefert die „Alte Tante“ SPD,<br />

deren Herz bekanntlich im Ruhrgebiet schlagen soll. Auf<br />

66 Seiten im PDF kommt das Programm und die Stahlindustrie<br />

wird darin einmal auf einer Seite erwähnt. Ob die Passage<br />

(siehe das rot unterlegte Zitat) nun eine Floskel oder ein Hoffnungsschimmer<br />

ist, liegt im Auge des Betrachters. Ähnlich knapp<br />

sieht es beim großen Koalitionspartner CDU/CSU aus, dessen<br />

Wahlprogramm als PDF mit 140 Seiten mehr als den doppelten<br />

Umfang hat, die Stahlbranche aber ebenfalls nur einmal erwähnt.<br />

Die beiden eher allgemein gehaltenen Sätze (siehe das schwarze<br />

unterlegte Zitat) sind inhaltlich recht nah am Juniorpartner und<br />

heben auch auf den Einfluss von Wasserstoff als Werkzeug zur<br />

Dekarbonisierung ab.<br />

„Viel“ Stahlbezug – oder keiner<br />

Bei der im Kern bereits seit 1946 bestehenden Partei Die Linke<br />

kommt der Stahl dreimal auf zwei Seiten vor. Auf Seite 61 (von<br />

insgesamt 168) wird beispielsweise ein „Investitionsprogramm für<br />

einen zukunftssicheren Umbau hin zu einer klimaneutralen Stahlund<br />

Grundstoffindustrie“ gefordert, wobei das in gewisser Hinsicht<br />

mit einer Teilverstaatlichung gekoppelt ist (siehe Zitat auf<br />

S. 18). Die Bündnisgrünen stellen ihren Wahlkampf unter das<br />

Motto „alles drin“, was sie mit 272 Seiten Wahlprogramm untermauern.<br />

Das Schlagwort „Stahl“ findet sich hier auf drei Seiten,<br />

wobei die Partei die Branche an einer Stelle aufgrund ihres CO 2 -<br />

Ausstoßes in die Verantwortung nimmt, sich andererseits positiv<br />

auf sie bezieht – für die guten Arbeitsplätze und als „Eckpfeiler<br />

des Wohlstands“. Die beiden größten Oppositionsparteien AfD<br />

und FDP unterscheiden sich u.a. im Umfang diametral (210 zu 68<br />

Seiten), sind sich aber in einem Punkt einig: Anders als die vorgenannten<br />

vier Parteien gehen sie nicht explizit auf die Branche<br />

ein.<br />

„Wasserstoff-Land Nr. 1“ mit der CDU/CSU<br />

Die Unionsparteien wollen die Bundesrepublik zum „Wasserstoff-<br />

Land Nr. 1“ machen und streben die Klimaneutralität bis 2045 an<br />

– so wie es im „Klimapaket“ verabschiedet wurde. Dabei setzen<br />

die Christdemokraten auf einen europaweiten Emissionshandel<br />

sowie eine CO 2 -Bepreisung. Zudem streben sie einen erneuerbaren<br />

Energiemix aus Sonne, Wasserstoff und Wind an. Der vereinbarte<br />

Kohlekompromiss, demzufolge alle Kohlekraftwerke bis 2038<br />

stillgelegt sein sollen, gilt weiterhin. Deutschland soll ohne Tem-<br />

Wasserstoff ermöglicht eine<br />

Dekarbonisierung auch da, wo<br />

Erneuerbare Energie nicht direkt<br />

eingesetzt werden kann. Bedeutende<br />

industrielle Prozesse, etwa in der<br />

Stahl- und Zementindustrie,<br />

lassen sich nur mit Wasserstoff<br />

klimaneutral gestalten.“<br />

(CDU)<br />

polimit und mit dem Verbrennermotor Automobilstandort Nummer<br />

Eins bleiben. Zu den weiteren Vorhaben zählt u.a., die Kreislaufwirtschaft<br />

zu fördern.<br />

Verbrenner sollen laut der SPD bleiben<br />

Der kleinere Koalitionspartner fordert äquivalent zum großen die<br />

Klimaneutralität bis zum Jahr 2045. Um das zu erreichen, sollen<br />

ab 2040 an nur noch erneuerbare Energien zum Einsatz kommen.<br />

Wir werden Schlüsselindustrien auf<br />

ihrem Weg zur Klimaneutralität<br />

unterstützen und konkrete<br />

Transformationsziele entwickeln<br />

und fördern. Wir werden Deutschland<br />

bis 2030 zum Leitmarkt für<br />

Wasserstofftechnologien machen<br />

– für die klimaneutrale Erzeugung<br />

von Stahl, für CO 2 -arme PKWs,<br />

LKWs und den Schiffs- und<br />

Flugverkehr.“ (SPD)<br />

16 August <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Um das zu erreichen, wollen die Sozialdemokraten verbindliche<br />

Ausbauziele festlegen, den Kohle- und Atomausstieg gesetzlich<br />

verankern, die Energieeffizienz steigern und Wasserstoff fördern.<br />

Im Gegenzug wünschen sie sich auch Abbau von „klima- und<br />

umweltschädlichen Subventionen“. Die EEG-Umlage in der bestehenden<br />

Form will die SPD bis 2025 abschaffen und aus dem<br />

Bundeshaushalt finanzieren, wozu auch die Einnahmen aus der<br />

CO 2 -Bepreisung dienen sollen. In der Autofahrernation Deutschland<br />

will die SPD „die Elektrifizierung des Verkehrs massiv voranbringen“<br />

und ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen<br />

einführen, vom Verbot von Verbrennungsmotoren ist keine Rede.<br />

Die Wirtschaft soll zur Kreislaufwirtschaft umgebaut und das<br />

ganze Land bis 2030 zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien<br />

gemacht werden.<br />

AfD: bei Klimapolitik quasi allein gegen alle<br />

Die jüngste Bundestags- und größte Oppositionspartei gibt sich<br />

auch in den klimapolitischen Zielen oppositionell: Die Alternative<br />

für Deutschland will als einzige Partei aus dem Pariser Klimaabkommen<br />

aussteigen und strebt auch keine Klimaneutralität an.<br />

Auch müsse Deutschland „aus allen staatlichen und privaten<br />

„Klimaschutz“-Organisationen austreten und ihnen jede Unterstützung<br />

entziehen“, heißt es. Folgerichtig sollen CO 2 nicht besteuert,<br />

erneuerbare Energien nicht präferiert und Wasserstoff<br />

nicht gefördert werden. Diesem Gedankengang folgt, dass die<br />

Partei explizit Braun- und Steinkohle sowie Atom- und Gasenergie<br />

befürwortet. Wie auch andere Parteien will die AfD zwar das<br />

Schienennetz ausbauen, setzt aber auf eine Förderung des motorisierten<br />

Individualverkehrs. Fahrverbote und Tempolimits? Fehlanzeige.<br />

Die Partei will sich für die Schaffung von „Kompetenzzentren<br />

zur Erforschung von Abfallbeseitigungs-und Rohstoffrückgewinnungstechniken“<br />

einsetzen, wobei das Land aus ihrer<br />

Sicht bei der umweltgerechten Beseitigung von Abfällen und<br />

Wiedergewinnung von Rohstoffen bereits gut aufgestellt ist.<br />

FDP will ursprüngliches Zeitfenster zur<br />

Klimaneutralität<br />

Die Freien Demokraten streben die bundesdeutsche Klimaneutralität<br />

für den ursprünglich anvisierten Zeitpunkt an – also 2050.<br />

Ihrem Ruf als marktorientierte Partei entsprechend denkt die FDP<br />

weniger an Gebote, Verbote und enge Zielvorgaben, sondern primär<br />

an den CO 2 -Emissionshandel und einen einheitlichen CO 2 -<br />

Preis. Sinkt die Zahl verfügbarer Zertifikate auf dem Markt, sorgt<br />

das für einen steigenden Preis, was wiederum für eine intrinsische<br />

Motivation sorgt, als Unternehmen in CO 2 -neutrale Technologien<br />

zu investieren. Zusätzlich kann sich die FDP die Förderung von<br />

Projekten vorstellen, die Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre<br />

binden und entfernen. Hinsichtlich der Energiewende halten sich<br />

die Liberalen bedeckter als andere Parteien und geben zu Protokoll,<br />

dass sie die Stromsteuer senken und die EEG-Umlage abschaffen<br />

wollen. Ebenso ist es innerhalb des liberalen Markenkerns,<br />

dass sie bei Kfz keiner Antriebstechnologie den Vorzug<br />

geben wollen, sondern stattdessen bestehende Maßnahmen zur<br />

CO 2 -Reduktion im Verkehr beenden möchten. Neben Subventionen<br />

umfasst das Dieselverbote, Tempolimits und Kaufprämien für<br />

Elektrofahrzeuge.<br />

Die Linke: schnelle Dekarbonisierung und<br />

Verstaatlichungswünsche<br />

Klimapolitische Ziele der Parteien<br />

Zwei Parteien wollen Klimaneutralität in maximal 20 Jahren<br />

CDU/CSU SPD AfD FDP Die Linke<br />

Bündnis90/<br />

Die Grünen<br />

Energiewende<br />

Kohleausstieg bis 2030 bis 2030<br />

Atomausstieg –<br />

Ausbau erneuerbarer Energien 100%<br />

bis 2040<br />

Förderung von Wasserstoff<br />

CO 2 -Bepreisung<br />

Emissionshandel<br />

Kreislaufwirtschaft –<br />

100%<br />

bis 2035<br />

100%<br />

bis 2035<br />

Klimaneutralität bis 2045 bis 2045 bis 2050 bis 2035 bis 2041<br />

Die Reihenfolge der Parteien spiegelt die Rangfolge nach Stimmen bei der Bundestagswahl 2017.<br />

Sowohl die deutsche Industrie als auch die hiesige Infrastruktur<br />

sollen bis 2035 klimaneutral sein, wenn es nach der Partei Die<br />

Linke geht. In logischer Konsequenz positioniert sich die Partei<br />

gegen Energiegewinnung durch fossiles Erdgas und Atomkraft,<br />

der „Kohleausstieg“ soll bis 2030 abgeschlossen sein. Für das selbe<br />

Jahr wird ein weiterer Ausstieg angepeilt – der aus dem fossilen<br />

Verbrennungsmotor. Gleichzeitig plant die Partei flächendeckende<br />

Tempolimits, und zwar 30 km/h innerorts, 80 km/h auf Landstraßen<br />

und 120 km/h auf Autobahnen. Flüge zu Zielen unterhalb<br />

einer Distanz von 500 km und einer Erreichbarkeit per Zug inner<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de<br />

August <strong>2021</strong> 17


POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

Entwicklung<br />

DRI rund um den Globus<br />

Midrex ist Entwickler eines Verfahrens, das in Direktreduktionsanlagen weltweit zum<br />

Einsatz kommt<br />

DARUM GEHT‘S: Das Midrex-Verfahren<br />

zählt zu den wirksamsten industriellen<br />

Methoden, um mittels Direkreduktion<br />

hochwertigen Eisenschwamm (DRI) für<br />

die Stahlproduktion herzustellen. Wo<br />

auf der Welt die Technologie derzeit besonders<br />

erfolgreich zum Einsatz kommt,<br />

zeigt eine Bilderstrecke auf den folgenden<br />

Seiten.<br />

AUTOR: Niklas Reiprich,<br />

niklas.reiprich@<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de<br />

Geht es um die Dekarbonisierung der<br />

Stahlindustrie hin zur klimaneutralen<br />

Produktion, weist die Direktreduktion<br />

(DRI) zweifelsohne enormes Potenzial<br />

auf. Gänzliches Neuland ist sie indes<br />

nicht: Die Technologie punktet bereits seit<br />

vielen Jahren mit ihrer Fähigkeit, <strong>eisen</strong>reiche<br />

Erze unter anderem in flexibles<br />

Chargiermaterial für Elektrolichtbogenöfen–<br />

den sogenannten Eisenschwamm –<br />

umzuwandeln. Ein konkretes Verfahren ist<br />

seit den 1960er Jahren unter dem Namen<br />

„Midrex“ bekannt. Der Prozess des gleichnamigen<br />

Unternehmens besteht daraus,<br />

Eisenerz via Schachtofen im Gegenstromprinzip<br />

mit einem wasserstoffreichen Gas<br />

zu reduzieren. Weltweit produzieren über<br />

50 Anlagen auf diesem Wege große Mengen<br />

an direktreduziertem Eisen für die<br />

Stahlproduktion, darunter heißbrikettiertes<br />

Eisen (HBI), heißes direkt reduziertes<br />

Eisen (HDRI) und kaltes direkt reduziertes<br />

Eisen (CDRI). Midrex zufolge waren dies bis<br />

Ende 2020 insgesamt rund 1,2 Milliarden<br />

Tonnen. Ferner heißt es vonseiten des<br />

Unternehmens, dabei hätten mindestens<br />

12 Anlagen neue Rekorde aufgestellt. Es<br />

lohnt sich also, einzelne Schlaglichter auf<br />

die einige der wichtigsten Produktionsstandorte<br />

zu werfen.<br />

ArcelorMittal, Hamburg, Deutschland<br />

In seinem 49. vollen Betriebsjahr<br />

übertraf das älteste in Betrieb befindliche<br />

Midrex-Modul 2020 seine<br />

jährliche Nennkapazität bei weitem.<br />

Auch wenn die Anlage nicht mit voller<br />

Kapazität betrieben wurde, lag ihr<br />

durchschnittlicher jährlicher Stromverbrauch<br />

bei 84 kWh pro Tonne<br />

– und war damit laut Midrex der niedrigste<br />

aller operierenden Anlagen.<br />

Nennkapazität: 0,4 Mt/Jahr<br />

Schachtöfen: 1<br />

Produkt: CDRI<br />

Inbetriebnahme: 1971<br />

DRIC, Dammam, Saudi-Arabien<br />

Beide Module von DRIC in Dammam,<br />

Saudi-Arabien, arbeiteten 2020 über<br />

der Nennkapazität und lagen innerhalb<br />

von 5 Prozent des jährlichen<br />

Produktionsrekords (aufgestellt 2019)<br />

von 1,09 Millionen Tonnen DRI. Modul<br />

1 stellte im Oktober 2020 einen<br />

neuen monatlichen Produktionsrekord<br />

auf. Beide Module brachen auch<br />

Rekorde bei der durchschnittlichen<br />

Stundenproduktivität und übertrafen<br />

zusammen die 10-Millionen-Tonnen-Marke<br />

seit der ersten Inbetriebnahme<br />

im Jahr 2007.<br />

Nennkapazität: 1,0 Mt/Jahr<br />

Schachtöfen: 2<br />

Produkt: CDRI<br />

Inbetriebnahme: 2007<br />

Bilder (6): Midrex, Vit-Mav/Shutterstock.com<br />

24 August <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


EZDK, El Dikheila, Ägypten<br />

Alle drei Midrex-DRI-Anlagen beim ägyptischen Stahlhersteller EZDK arbeiteten<br />

im Jahr 2020 über der Nennkapazität. Im Jahr des 20-jährigen Betriebsjubiläums<br />

lag das Modul 3 des Unternehmens nur 10 Prozent unter seinem Produktionsrekord.<br />

Modul 2 war 8 350 Stunden in Betrieb und überschritt gegen Ende<br />

des vergangenen Jahres die 20-Millionen-Tonnen-Marke an produziertem DRI.<br />

Nennkapazität: 2,32 Mt/Jahr<br />

Schachtöfen: 3<br />

Produkt: CDRI<br />

Inbetriebnahme: 1986, 1997, 2000<br />

JSW Dolvi Works, Raigad, Indien<br />

In ihrem nunmehr 26. Betriebsjahr hat die<br />

Midrex-DRI-Anlage von JSW Dolvi ihre<br />

jährliche Nennkapazität überschritten.<br />

2014 installierte JSW ein System zur Senkung<br />

des Erdgasverbrauchs durch die Zuführung<br />

von Koksofengas zum Schachtofen.<br />

Die Lösung war das ganze Jahr über<br />

im Betrieb und deckte 11 Prozent des<br />

Energiebedarfs des Werks. Im Jahr 2020<br />

überschritt die Anlage zudem den Meilenstein<br />

von 30 Millionen Tonnen und war seit<br />

seiner Inbetriebnahme durchschnittlich<br />

8 025 Stunden pro Jahr in Betrieb.<br />

Nennkapazität: 1,0 Mt/Jahr<br />

Schachtöfen: 1<br />

Produkt: CDRI<br />

Inbetriebnahme: 1994<br />

Jindal Shadeed,<br />

Sohar, Oman<br />

Im Jahr 2020 lag die DRI-Anlage bei<br />

Jindal Shadeed in Sohar, Oman 15 Prozent<br />

über der Nennkapazität und nur 1<br />

Prozent unter dem Produktionsrekord<br />

von 2019. Die Anlage war im Jahr 2020<br />

8 389 Stunden in Betrieb und stellte<br />

im März einen neuen monatlichen<br />

Produktionsrekord auf. Das Modul ist<br />

hauptsächlich für die Produktion von<br />

HDRI ausgelegt, mit HBI als sekundärem<br />

Produktstrom. Ein Großteil (etwa<br />

93 Prozent) der Jahresproduktion von<br />

über 1,7 Millionen Tonnen wurde als<br />

HDRI im angrenzenden Stahlwerk von<br />

Jindal Shadeed verbraucht. Das Unternehmen<br />

hat seit seiner Inbetriebnahme<br />

vor 10 Jahren bei einer durchschnittlichen<br />

Betriebszeit von 8 222 Stunden<br />

pro Jahr mehr als 15 Millionen Tonnen<br />

DRI produziert.<br />

Nennkapazität: 1,5 Mt/Jahr<br />

Schachtöfen: 1<br />

Produkt: HDRI/HBI<br />

Inbetriebnahme: 2011<br />

Lebedinsky GOK, Gubkin, Russland<br />

Die Midrex-HBI-Module 2 und 3 von LGOK in Gubkin, Russland haben 2020 neue jährliche<br />

und monatliche Produktionsrekorde aufgestellt, wobei sie rund 8 100 Stunden in<br />

Betrieb waren. Das HBI-3 hat die Marke von 2 Millionen Tonnen pro Jahr überschritten,<br />

wobei es sich laut Midrex um die bisher höchste Jahresproduktion eines HBI-Moduls<br />

und eines 7,0-Meter-Midrex-Schachtofens handelt. Auch brach jenes Modul damit<br />

seinen jährlichen Produktionsrekord im vierten Jahr in Folge. Mit einer Gesamtproduktion<br />

von fast 27 Millionen Tonnen haben beide Module im Jahr 2020 die 25-Millionen-<br />

Tonnen-Marke überschritten. LGOK HBI-1 wird mit dem HYL-Verfahren betrieben, das<br />

gemeinsam von den italienischen Anlagenbauern Tenova und Danieli entwickelt wurde.<br />

Nennkapazität: 3,2 Mt/Jahr<br />

Schachtöfen: 2<br />

Produkt: HBI<br />

Inbetriebnahme: 2004, 2017<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2021</strong> 25


POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

Roh<strong>stahl</strong>herstellung<br />

Roh<strong>stahl</strong>erzeugung nach Regionen<br />

Juli <strong>2021</strong><br />

Millionen Tonnen<br />

Top Ten der <strong>stahl</strong>produzierenden Länder<br />

Juli <strong>2021</strong><br />

Millionen Tonnen<br />

% Veränderung<br />

Juli 21/20<br />

Asien und Ozeanien 116.4 10.9<br />

EU (27) 13.0 20.1<br />

Nordamerika 10.2 18.7<br />

GUS 9.2 9.0<br />

Europa außer EU 4.1 15.5<br />

Südamerika 3.8 26.3<br />

Mittlerer Osten 3.6 10.0<br />

Afrika 1.3 29.2<br />

Total 64 countries 161.7 12.4<br />

% Veränderung<br />

Juli 21/20<br />

China 86.8 8.0<br />

Indien 9.8 28.7<br />

Japan 8.0 16.2<br />

USA 7.5 18.5<br />

Russland 6.7 e 9.2<br />

Südkorea 6.1 8.7<br />

Deutschland 3.0 18.9<br />

Türkei 3.2 17.7<br />

Brasilien 3.0 22.0<br />

Iran 2.6 e 9.9<br />

Die 64 in der Tabelle zusammengefassten<br />

Länder machten 2019 etwa 99 Prozent der<br />

gesamten weltweiten Roh<strong>stahl</strong>produktion<br />

aus. Regionen und Länder, die unter die<br />

Tabelle fallen:<br />

• Afrika: Ägypten, Libyen, Südafrika<br />

• Asien und Ozeanien: Australien, China,<br />

Indien, Japan, Neuseeland, Pakistan,<br />

Südkorea, Taiwan (China), Vietnam<br />

• GUS: Weißrussland, Kasachstan, Moldawien,<br />

Russland, Ukraine, Usbekistan<br />

• Europäische Union (27)<br />

• Europa, Sonstiges: Bosnien-Herzegowina,<br />

Mazedonien, Norwegen, Serbien, Türkei,<br />

Vereinigtes Königreich<br />

• Naher Osten: Iran, Katar, Saudi-Arabien,<br />

Vereinigte Arabische Emirate<br />

• Nordamerika: Kanada, Kuba, El Salvador,<br />

Guatemala, Mexiko, USA<br />

• Südamerika: Argentinien, Brasilien, Chile,<br />

Kolumbien, Ecuador, Paraguay, Peru,<br />

Uruguay, Venezuela<br />

e - geschätzt. Die Rangliste der Top-10-Erzeugerländer basiert auf dem Gesamtwert seit Jahresbeginn.<br />

Damaszener Stahl<br />

Manfred Sachse, der „große, alte Meister“<br />

und Kenner des Damastschmiedens liefert<br />

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WISSENSCHAFT<br />

TECHNIK<br />

Automotive<br />

VERZINKUNG UND<br />

NEUE STÄHLE (1/2)<br />

Die Stahlsortenvielfalt bestimmt den Wettbewerb beim Leichtbau im Automobilsektor.<br />

Eine neue Generation von weichen Stählen zum Kaltumformen mit einer Schmelztauchveredelung<br />

steht in den Startlöchern.<br />

+<br />

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TEIL 1<br />

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Bild: Vladimir Mulder/www.shutterstock.com<br />

Die Bandverzinkung weist gegenüber der Stückverzinkung<br />

eine Reihe von technischen und ökonomischen Vorteilen auf.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2021</strong> 43


WISSENSCHAFT<br />

TECHNIK<br />

Automotive<br />

AUTOREN: Thomas Schulz, Thorsten<br />

Müller, MET/Con.<br />

thorsten.mueller@sms-group.com<br />

DARUM GEHT’S: Die Bandverzinkung<br />

hat ihre Wurzeln in Polen und<br />

blickt mittlerweile auf eine 90-jährige<br />

Historie zurück. Seit der Grundgüte<br />

aus den beginnenden 1960er<br />

Jahren gab es eine stetige Entwicklung,<br />

die seit der aktuellen Supertiefziehgüte<br />

(DX57D) aus dem Jahre<br />

2004 aber eingeschlafen scheint, wie<br />

die Autoren zeigen. Technische,<br />

aber auch umweltpolitische Aspekte<br />

können aber zu einer Wiederbelebung<br />

führen.<br />

Im Jahr 1931 wurde durch den polnischen<br />

Ingenieur und Erfinder Tadeusz<br />

Sendzimir die erste Anlage<br />

zur Bandverzinkung in Polen gebaut.<br />

Dieser und einer zweiten Anlage in<br />

Polen folgten zeitgleich Anlagen in<br />

Frankreich, Großbritannien und den<br />

USA. 1952 wurde durch Ostrilion in<br />

Buenos Aires (Argentinien) die erste<br />

kontinuierliche Bandverzinkungsanlage<br />

errichtet. Im Verlaufe der 1950er<br />

Jahre folgten sechs weitere kontinuierliche<br />

Bandverzinkungsanlagen. Später<br />

wurden diese auch als Schmelztauchveredlungsanlagen<br />

bezeichnet, die auf<br />

dem Sendzimirverfahren basieren.<br />

Ausgangspunkt für diese technische<br />

Entwicklung war der zunehmende Bedarf<br />

an Stählen mit einem Korrosionsschutz<br />

im Bereich der Bauindustrie<br />

und bei den Profilierern. In Deutschland<br />

wurde erstmalig 1959 eine kontinuierliche<br />

Breitband-Schmelztauchverzinkung<br />

bei der damaligen August-Thyssen-Hütte<br />

AG in Duisburg in Betrieb<br />

genommen.<br />

Vorteile durch<br />

Bandverzinkung<br />

Durch den Übergang von der Stückverzinkung<br />

zur Bandverzinkung ergaben<br />

sich eine Vielzahl von technischen und<br />

ökonomischen Vorteilen. Die Qualität<br />

des oberflächenveredelten Feinblechs<br />

konnte entscheidend verbessert werden.<br />

Dieser vor Korrosion geschützte Stahl<br />

eignete sich jetzt auch für schwierige<br />

Umformvorgänge, wie Streckziehen<br />

und Tiefziehen. Der automobile Einsatz<br />

entwickelte sich zunehmend, da die<br />

„vollverzinkte“ Karosserie im Fokus der<br />

Automobilindustrie stand. Der Motor<br />

dabei war der Autohersteller Porsche.<br />

Anlagenspezifische Übersicht über<br />

die Anzahl von in Betrieb genommenen<br />

Anlagen<br />

Zwischen 2000 und 2009 wurde bislang einmal die Anzahl von 300<br />

hochgefahrenen Anlagen überschritten<br />

Abb. 1: Die Übersicht differenziert nach kontinuierlichen Schmelztauchveredelungsanlagen<br />

(CGL), kontinuierlichen Durchlaufglühanlagen (CAL), kontinuierlichen<br />

elektrolytischen Verzinkungsanlagen (ECL) sowie diskontinuierlichen Haubenglühanlagen<br />

(BAF). [1]<br />

Abb. 1 zeigt auf Grundlage der ehemaligen<br />

VDEh Plantfacts die Anzahl der in<br />

Betrieb genommenen Anlagen, Die Dominanz<br />

der Schmelztauchveredlungsanlagen<br />

ist sehr deutlich zu erkennen.<br />

Abb. 2 zeigt, basierend auf die ehemaligen<br />

VDEh Plantfacts [1] , eine anlagenspezifische<br />

Übersicht über die Jahreskapazitäten<br />

von in Betrieb genommenen<br />

Anlagen nach den Jahrzehnten<br />

betrachtet.<br />

Neue Motivation durch<br />

Umweltbewusstsein?<br />

Zwischen der Grundgüte aus den beginnenden<br />

1960er Jahren und der aktuellen<br />

Supertiefziehgüte (DX57D) aus dem<br />

Jahre 2004 gab es eine stetige Entwicklung,<br />

die in den letzten 17 Jahren jedoch<br />

zum Erliegen kam. Der DC07 (nicht<br />

schmelztauchveredelte Supertiefziehgüte)<br />

betrat erst im Februar 2007 die normative<br />

Bühne. Die Gründe für eine mangelnde<br />

Motivation zur Weiterentwicklung<br />

dieser Stahlfamilie liegen zum<br />

einen im Erreichen der technischen<br />

Möglichkeiten bei der Stahlherstellung<br />

entlang der gesamten Prozesskette, zum<br />

anderen an der geringen Bereitschaft<br />

der Stahlanwender, die mit einer Weiterentwicklung<br />

verbundenen höheren<br />

Kosten (Gütepreisaufschlag) zahlen zu<br />

wollen.<br />

Der notwendige Wandel im Umweltbewusstsein<br />

und der damit verbundenen<br />

Gewichtsreduzierung der Fahrzeuge,<br />

zur deutlichen Reduzierung des<br />

CO 2 -Ausstoßes, könnte mit den modernen<br />

Schmelztauchveredelungsanlagen<br />

der Motivator für einen Neustart in<br />

Richtung einer Ultratiefziehgüte<br />

(DX58D) und Extremtiefziehgüte<br />

(DX59D) sein. Die zur Beschreibung der<br />

Stahlgruppe verwendeten mechanischen<br />

Basiskennwerte, wie Streck-/<br />

Dehngrenze, Zugfestigkeit, Bruchdehnung,<br />

Verfestigungsexponent und senkrechte<br />

Anisotropie, werden unter anderem<br />

durch die Wärmebehandlung in der<br />

Schmelztauchveredelungsanlage variiert.<br />

Der dafür maßgeblich beeinflussende<br />

Glühzyklus ist eine Temperatur-Zeit-<br />

Funktion.<br />

In Abb. 3 sind drei Generationen von<br />

kontinuierlichen Durchlaufglühanlagen<br />

mit und ohne Schmelztauchveredelung<br />

und deren Glühzyklen schematisch dargestellt.<br />

Es verdeutlicht, dass das Feinblech<br />

in den modernen Anlagen ein<br />

Vielfaches mehr Zeit zum Verweilen<br />

Quellen: MET/Con<br />

44 August <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Anlagenspezifische Übersicht über<br />

die Jahreskapazitäten<br />

Nur zwei Verfahren konnten eine Kapazität von 30 Mio. t überschreiten<br />

Abb. 2: Seit den 1960er-Jahren lag CGL nur einmal auf dem zweiten Platz. [1]<br />

• Güte I (Grundgüte)<br />

„Feuerverzinktes Feinblech das für die<br />

Herstellung von einfachen Profilformen,<br />

z.B. Trapezblech, Wellblech,<br />

Stahldachpfannen geeignet ist. Dieses<br />

Material ist auch für einfache handwerkliche<br />

Verformungen zu verwenden.<br />

Maschinelle Falzungen z.B. Pittsburgh-Falze,<br />

lassen sich im Allgemeinen<br />

einwandfrei bis zu einer Nenndicke<br />

von maximal 0,9 mm und den<br />

Zinkauflagengruppen 001 bis 350 herstellen.<br />

Falzmaschinen stellen jedoch<br />

hohe Anforderungen an die Verformbarkeit<br />

des feuerverzinkten Feinbleches.<br />

Wenn die Verformungsgeschwindigkeit<br />

und die Einstellung und Form<br />

der Rollensätze den Materialeigenschaften<br />

angepaßt sind, entstehen keine<br />

Schwierigkeiten bei der Verarbeitung.“<br />

• Güte II (Maschinenfalzgüte)<br />

„Feuerverzinktes Feinblech dieser Güte<br />

ist besonders geeignet für maschinelle<br />

Falzungen und normale Profilierungen.<br />

hat, welches sich dominierend auf die<br />

erreichbaren mechanischen Kennwerte<br />

auswirkt.<br />

Normative<br />

Ausgehend von der ASTM 525 „Specification<br />

for General Requirements for<br />

Steel Sheet, Zinc-Coated (Galvanized) by<br />

the Hot-Dip Process” [2] traten fünf Stahlsorten<br />

namentlich auf den deutschen<br />

Markt, ohne dass es eine nationale, normative<br />

Grundlage gab.<br />

Durchlaufglühanlagen und<br />

deren Glühzyklen<br />

Drei Generationen im Vergleich<br />

Güte I<br />

Güte II<br />

Güte III<br />

Güte IV<br />

Güte V<br />

Grundgüte<br />

Maschinenfalzgüte<br />

Ziehgüte<br />

Tiefziehgüte<br />

Tiefziehgüte<br />

alterungsbeständig)<br />

In einer Anwenderinformation des<br />

Deutschen Verzinkerei Verbandes<br />

(DVV) wurden die fünf Güten hinsichtlich<br />

Ihres vorgesehenen Verwendungszweckes<br />

und ihrer besonderen Verarbeitungsmerkmale<br />

beschrieben, um<br />

dem Verarbeiter bzw. dem Verbraucher<br />

von feuerverzinktem Feinblech in Tafeln<br />

und Rollen, über den damaligen<br />

Stand der Liefermöglichkeiten zu informieren.<br />

[3] Diese Unterlage wurde dann<br />

Grundlage der Bestellung („Bestellung<br />

nach DVV“), siehe Tabelle 1.<br />

Abb. 3: Schematische Glühkurve einer kontinuierlichen Durchlaufglühanlage mit<br />

(CGL) und ohne (CAL) Schmelztauchveredlung (Temperatur-Zeit-Verlauf)<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2021</strong> 45


STYLE<br />

STORY<br />

Technikgeschichte<br />

Mit dem Bau des Schwarzenberggebläses<br />

erreichte der Freiberger<br />

Maschinendirektor Christian<br />

Friedrich Brendel die damaligen<br />

Grenzen der Leistungsfähigkeit<br />

der Gießereitechnik.<br />

190 Jahre<br />

Schwarzenberggebläse<br />

ein Technikdenkmal auf der „Alten Elisabeth" in Freiberg<br />

AUTOR: Prof. Dr.-Ing. habil. Gerd<br />

Grabow<br />

DARUM GEHT’S: Das Deutsche Museum<br />

in München ist zwar das eigentliche<br />

„Technikgedächtnis“ Deutschlands, aber<br />

er erinnert sich nicht an alles. Eine Lücke<br />

ist das 1831 gebaute Schwarzenberggebläse,<br />

das aufgrund von Raummangel<br />

nicht nach Bayern umziehen durfte. Seit<br />

1936 steht eines der historisch bedeutendsten<br />

Werke deutscher Maschinenbaukunst<br />

am Schacht Elisabeth in Freiberg.<br />

Unser Gastautor Prof. Dr.-Ing. habil.<br />

Gerd Grabow stellt das<br />

Technikdenkmal vor.<br />

Eines der geschichtlich bedeutendsten<br />

Werke deutscher Maschinenbaukunst<br />

ist das in den Jahren 1830 und<br />

1831 gebaute Hochofengebläse mit Wasserradantrieb<br />

der Staatlichen Sächsischen<br />

Halsbrücker Hüttenwerke. Das Gebläse<br />

wurde vom Freiberger Maschinendirektor<br />

Christian Friedrich Brendel konstruiert.<br />

Der Bau erfolgte auf der dem Bergkommissionsrat<br />

Lattermann gehörenden vogtländischen<br />

Eisenhütte „Morgenröthe". Im Juli<br />

1831 wurde das Gebläse in der Antonshütte<br />

bei Schwarzenberg in Betrieb genommen.<br />

Es war dort von 1831 bis 1860 und<br />

von 1862 bis 1925 in der Halsbrücker Hütte<br />

bei Freiberg im Einsatz. Das Gebläse<br />

steht heute als historisches Kulturdenkmal<br />

auf der „Alten Elisabeth" in Freiberg.<br />

Aufbau des Gebläses<br />

Das Hochofengebläse ist eine doppeltwirkende<br />

Kolbenmaschine mit drei vertikal<br />

angeordneten Zylindern. Es liefert einen<br />

Luftvolumenstrom von 45,5 m3/min auf<br />

einen Druck von 50 mmHg bei einer Antriebsdrehzahl<br />

von 10,5 U/min.<br />

Die Antriebsleistung beträgt P= 10,3 kW<br />

und wird von einem oberschlächtigen Wasserrad<br />

über eine Kupplung auf die Kurbelwelle<br />

übertragen. Das Drehmoment wirkt<br />

von der Kurbelwelle auf die Schubstangen,<br />

und über Rollenkreuzköpfe werden die<br />

Kräfte auf die Kolben weitergeleitet. Der<br />

Kolbendurchmesser beträgt 850 mm, der<br />

Kolbenhub 1 416 mm. Die Maschine hat<br />

eine Gesamtmasse von 33 t.<br />

Auffällig sind die aus der Architektur der<br />

damaligen Zeit übernommenen neugotischen<br />

Bauformen. Der äußere Aufbau des<br />

Gebläses, das einschließlich seines Fundamentes<br />

eine Höhe von 7,5 m besitzt, wirkt<br />

imposant. Das Maschinengestell mit seinen<br />

zwölf über 4,5 m hohen gusseisernen kapitellgeschmückten<br />

Säulen und seinen sechs<br />

Zwischenbogenwänden mit neogotischen<br />

Ornamenten ist besonders wuchtig.<br />

Eigenartig in ihrer Gegensätzlichkeit<br />

wirken die Verzierungen. Sie waren eine<br />

Besonderheit für den sich im 19. Jahrhundert<br />

entwickelnden Maschinenbau. Damit<br />

wurde zum Ausdruck gebracht, wie es die<br />

Kunstmeister verstanden haben, mit dem<br />

spröden Werkstoff Guss<strong>eisen</strong> umzugehen<br />

und das Maschinengestell zu einem starren,<br />

kastenförmigen Gebilde zu formen,<br />

das hohe Belastungen aufnehmen konnte.<br />

Mit dem Bau des Gebläses wurde zur damaligen<br />

Zeit die Grenze der Leistungsfähigkeit<br />

der Gießereitechnik erreicht. Gussstücke<br />

von dieser Feinheit in der Formgestaltung<br />

waren bis dahin noch nicht<br />

hergestellt worden.<br />

Brendel war bei dem Entwurf neue<br />

Wege gegangen, sodass es galt, beim Bau<br />

In Freiberg erinnert eine Gedenktafel<br />

an Christian Friedrich Brendels Haus an<br />

die Lebensdaten des Konstrukteurs des<br />

Schwarzenberg-Gebläses<br />

Foto groß: Ingo Berg, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons; Foto klein: Unukorno, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons<br />

62 August <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Foto oben: NN, Public domain, via Wikimedia Commons; Foto unten: Malenki, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons<br />

Bergkommissionsrat Heinrich Ludwig Lattermann<br />

war Inhaber der vogtländischen<br />

Eisenhütte „Morgenröthe“, wo Guss und<br />

Bau des Gebläses erfolgten.<br />

viele unvorhergesehene Schwierigkeiten<br />

zu überwinden. Dass auch die einfachsten<br />

Konstruktionen ihren Zweck erfüllten, beweist<br />

der Umstand, dass das Gebläse annähernd<br />

100 Jahre fast ununterbrochen in<br />

Betrieb war und den Hütten bei der Bereitstellung<br />

von Luft für die Schmelzöfen wertvolle<br />

Dienste geleistet hat.<br />

Baugeschichte des Gebläses<br />

In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts<br />

war der Plan entstanden, neben den<br />

bei Freiberg gelegenen Hüttenwerken Muldenhütten<br />

und Halsbrücke noch ein Werk<br />

im oberen Erzgebirge aufzubauen, um die<br />

in dieser Gegend gefundenen Erze verhütten<br />

zu können, ohne sie erst weit transportieren<br />

zu müssen. Aus diesem Grunde<br />

wurde in den Jahren 1828 bis 1831 im<br />

Schwarzwassertal zwischen Schwarzenberg<br />

und Johanngeorgenstadt die „Königliche<br />

Antonshütte" erbaut.<br />

Der Freiberger Maschinendirektor Brendel,<br />

der es ausgezeichnet verstand, die<br />

technischen Fortschritte für die ihm unterstellten<br />

Werke auszunützen, schlug im<br />

Jahre 1829 dem Oberhüttenamt vor, in das<br />

neu errichtete Werk sofort ein gusseisernes<br />

Zylindergebläse zu installieren. Brendel<br />

stützte sich bei seinem Vorschlag auf die<br />

guten Erfahrungen, die an einem gleichartigen<br />

Gebläse in Muldenhütten und auch<br />

an anderen Stellen z.B. an einem in Gröditz<br />

aufgestellten Zylindergebläse, hatten gesammelt<br />

werden können. Wenn man heute<br />

nach 190 Jahren resümiert, so muss man<br />

den Weitblick des Ingenieurs Brendel bewundern,<br />

der die viel höheren Kosten und<br />

das damit verbundene Risiko für eine moderne<br />

Einrichtung nicht scheute.<br />

Am 9. März 1831 erfolgte die Übernahme<br />

des Gebläses in Morgenröthe. In einem<br />

Bericht an das Oberhüttenamt sprach sich<br />

Brendel sehr lobend über die gute Arbeit<br />

bei der Herstellung der Maschine aus. Die<br />

Montage der einzelnen Maschinenteile und<br />

die Aufstellung der gesamten Maschine<br />

nahm viel Zeit in Anspruch. Am 19. Juni<br />

1831 war es soweit. Man ließ das Gebläse<br />

zum ersten Mal mit Wasserkraft mehrere<br />

Stunden mit 5 Umdrehungen pro Minute<br />

versuchsweise laufen. Bei wenig Aufschlagwasser<br />

zeigte sich ein gleichförmiger, ruhiger<br />

Lauf der Maschine. Daraufhin entschloss<br />

man sich in Halsbrücke, am 4. Juli<br />

1831, mit dem Betrieb der Königlichen<br />

Antonshütte offiziell zu beginnen.<br />

Betriebsgeschichte des Gebläses<br />

Über den Betrieb des Gebläses auf der Antonshütte<br />

finden sich in den Akten nur<br />

wenige Vermerke, da die Maschine ohne<br />

nennenswerte Beanstandungen lief. Mit<br />

dem Betrieb der Königlichen Antonshütte<br />

hatte man allgemein nach ihrer Errichtung<br />

Schwierigkeiten. Der Bergbau im Obererzgebirge<br />

wurde immer weniger lohnend,<br />

und eine Grube nach der anderen wurde<br />

stillgelegt. Infolgedessen erhielt die Antonshütte<br />

bei weitem nicht mehr so viel<br />

Erz wie anfänglich. Das führte dazu, dass<br />

1844 zeitweise eine Stillsetzung des Betriebes<br />

erfolgte. Im Jahre 1848 entschloss<br />

sich das Oberhüttenamt, die Antonshütte<br />

wieder in Betrieb zu nehmen. Damit war<br />

auch die aufgezwungene Ruhepause für<br />

das Gebläse zu Ende.<br />

1862 erfuhr man, dass in den Hüttenwerken<br />

Halsbrücke durch Veränderungen<br />

im Produktionsprozess eine Erhöhung der<br />

Gebläseleistung für den Betrieb der<br />

Schmelzöfen erforderlich wurde. Demzufolge<br />

war es naheliegend, das Antonshütter<br />

Gebläse zu übernehmen, da sich diese Maschine<br />

langjährig bewährt hatte und die<br />

Kosten für die Neuanschaffung eines Gebläses<br />

wesentlich höher liegen würden.<br />

Am 19. März 1862 reichte der Kunstmeister<br />

Schwamkrug einen Kostenanschlag für<br />

die Überführung des Gebläses von Antonshütte<br />

nach Halsbrücke an das Oberhüttenamt<br />

ein. Nach nunmehr 30 Jahren erfolgte<br />

die Umsetzung des alten Gebläses nach<br />

Halsbrücke.<br />

Neben dem Antonshütter Gebläse arbeitete<br />

gleichzeitig das in den Jahren 1836<br />

und 1837 erbaute Balanciergebläse und gab<br />

zu keinen ernsten Klagen Anlass.<br />

Eines Tages genügten die beiden Veteranen<br />

doch nicht mehr den zunehmenden<br />

Anforderungen, die von Seiten der Hochöfen<br />

an sie gestellt wurden. Es waren nunmehr<br />

schon 50 Jahre nach der Aufstellung<br />

des Gebläses in Halsbrücke und sogar 80<br />

Jahre nach seiner Erbauung vergangen, als<br />

am 10. März 1911 von der Halsbrücker<br />

Schmelzhütte ein Bericht über die Gebläseleistung<br />

der Hütte an das Oberhüttenamt<br />

abgegeben wurde, in dem zum Ausdruck<br />

kam, dass wegen der erhöhten Anforderungen<br />

und infolge von Veränderungen im<br />

Hüttenprozess zusätzlich ein Reserveturbogebläse<br />

eingebaut werden sollte. Trotz<br />

des Einsatzes des Kreiselgebläses vergingen<br />

noch 14 Jahre, ehe das Schwarzenberg-Gebläse<br />

im Oktober 1925 stillgesetzt werden<br />

konnte.<br />

Fazit<br />

Es ist das besondere Verdienst von Professor<br />

Fritzsche, dass er das Gebläse nach dem<br />

Stillsetzen in Halsbrücke, später im Jahre<br />

1936, auf der Halde der Grube „Alte Elisabeth",<br />

eines der meistbesuchten Anschauungsobjekte<br />

aus der Geschichte der Produktivkräfte<br />

im Hüttenwesen, aufstellte.<br />

Trotz des vielen, uns heute überflüssig<br />

erscheinenden Zierrates erkennt man, wie<br />

meisterhaft es die Erbauer, der Oberkunstmeister<br />

Brendel und der Eisenwerkbesitzer<br />

Lattermann, verstanden haben, Zweck und<br />

Formschönheit zu vereinen, ohne dass das<br />

Gesamtbild des Schwarzenberggebläses<br />

gestört wird.<br />

Die Schachtanlage „Alte Elisabeth“ in der Nähe der Freiberger Altstadt ist seit 1936 die<br />

Heimat des Schwarzenberggebläses.<br />

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