Filmakademie Baden-Württemberg Campus Magazin 21/22
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SPOTLIGHT: 30 JAHRE FABW<br />
Bei dieser Frage habe ich zuerst einmal gelacht über den<br />
Begriff „reizvoll“. Ich hatte an der Kunstakademie in<br />
Stuttgart studiert, war aber 1962 nach Wuppertal berufen<br />
worden, an die damalige Werkkunstschule. Im Jahr<br />
1976 bekam ich einen Anruf des Rektors der Kunstakademie<br />
Stuttgart. Er fragte mich, ob es möglich wäre, dass<br />
ich nach Stuttgart an die Kunstakademie käme, als Leiter<br />
einer Grafikdesign- und Mediengestaltungsklasse.<br />
Seltsamerweise habe ich eigentlich immer 12 Jahre in<br />
meinen beruflichen Stationen verbracht. Ich war 12 Jahre<br />
in Wuppertal, die Hälfte an der Werkkunstschule und<br />
die andere Hälfte an der Universität Wuppertal. Dann<br />
war ich ungefähr 12 Jahre an der Kunstakademie Stuttgart<br />
und dann nochmal 12 Jahre an der <strong>Filmakademie</strong>.<br />
Das ist sicherlich Zufall, aber es hat auch etwas mit meiner<br />
Art zu tun, die Dinge zu begreifen und mich selber<br />
einzurichten. Ich kann nur sagen, wenn man länger als<br />
12 Jahre an denselben Platz geht, am gleichen Standort<br />
mit der gleichen Aufgabe und mit den gleichen Menschen<br />
arbeitet, ist der Beruf nicht mehr so spannend wie<br />
in den ersten Jahren, wenn man Neues planen und entwickeln<br />
kann. Außerdem war ich immer daran interessiert,<br />
etwas Eigenes und Ambitioniertes zu machen.<br />
An der Kunstakademie habe ich die Arbeitsgruppe Film<br />
gegründet, die ich „Animation im Süden“ nannte und<br />
die relativ schnell sehr erfolgreich war. Man war damals<br />
nicht gerade erfolgsverwöhnt im Kunstbereich <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>.<br />
Plötzlich spielte eine Gruppe von<br />
Animationsfilmern auf den internationalen Festivals<br />
in England, Frankreich, USA, Tschechien, Japan in der<br />
ersten Reihe mit. Das Institut für Auslandsbeziehungen<br />
machte Ausstellungen über „Animation im Süden“<br />
in den internationalen Filmländern und es gab Aussagen,<br />
die auch in der Presse standen: „Ein neuer Stern am<br />
Animationsfilm-Himmel ist erschienen“, sagte 1984 der<br />
Präsident der ASIFA International, des großen Animationsfilmer-Verbandes,<br />
anlässlich einer Ausstellung in<br />
Antwerpen. 1982 erfolgte die Gründung des Internationalen<br />
Trickfilmfestivals Stuttgart mit Filmen aus allen<br />
wichtigen Animationsfilm-Ländern wie England, Tschechien,<br />
Polen, USA, Frankreich, Russland, Estland, Österreich,<br />
Jugoslawien. Und die Öffentlichkeit, auch in Stuttgart,<br />
feierte das Festival enthusiastisch. Der Spielort war<br />
damals die Alte Reithalle, eine abgewrackte Halle der<br />
Firma Bosch.<br />
Das war noch alles an der Kunstakademie mit der Arbeitsgruppe<br />
Film passiert. Der Erfolg dieser Arbeitsgruppe<br />
war eigentlich die Geburtsstunde der <strong>Filmakademie</strong>.<br />
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Ohne diese Arbeitsgruppe Film hätte niemals jemand<br />
aus der staatlichen Administration mitgemacht. Aber<br />
der Plan, an der Kunstakademie ein Institut für Animationsfilm<br />
zu installieren, scheiterte an den Bedenken der<br />
Kunstakademie. Ich hatte also nicht immer Erfolg. Dort<br />
sah man finanzielle, räumliche und personelle Probleme.<br />
Das Film-Thema sei zu groß und zu unverträglich<br />
für die Kunstakademie. Ja, sogar das Wort „ungemütlich“<br />
ist gefallen.<br />
Jetzt war allerdings das Wissenschaftsministerium nicht<br />
mehr zu bremsen. Sie hatten gesehen, dass der Animationsfilm<br />
der Kunstakademie und natürlich auch das<br />
Trickfilmfestival, nachdem es vier Jahre bestand, mit<br />
40.000 Zuschauern Erfolge waren. Im Ministerium gab<br />
es eine kleine Gruppe von interessierten Mitarbeitern,<br />
die sich auch bei dem Festival, das 1988 in der Reithalle<br />
stattfand, mehrere Programme angesehen haben. Und<br />
der damalige Ministerialdirektor Dr. Ehrhardt, der Verwaltungsleiter<br />
des Wissenschaftsministeriums, war hellauf<br />
begeistert. Er hat gesagt: „Wenn die Kunstakademie<br />
nicht auf eine Filmausbildung scharf ist, dann machen<br />
wir was anderes.“ Aber er hatte es so verstanden, dass es<br />
dann eine Art Film-Animations-Akademie geben sollte.<br />
Für mich wäre das jedoch wieder eine Amputation gewesen.<br />
Natürlich gab es schon in München, Berlin und in<br />
Köln <strong>Filmakademie</strong>n. Aber ich habe ja gesagt: Ich mache<br />
nicht das Gleiche, ich mache eine <strong>Filmakademie</strong> eigener<br />
Art. Das war auch so schon mit dem Ministerpräsidenten<br />
Spaeth abgesprochen. Das war der entscheidende Satz,<br />
der die Zustimmung zu meiner Konzeption einleitete.<br />
Wie kamen Sie auf die Idee, dass die Ausbildung an der<br />
<strong>Filmakademie</strong> die arbeitsteiligen Prozesse einer Filmproduktion<br />
widerspiegeln sollte? Die bereits bestehenden<br />
Filmhochschulen funktionierten ja nach dem Auteur-Prinzip<br />
und stellten die Regie in den Mittelpunkt.<br />
Meine persönliche Sozialisation im Spielfilm erfolgte<br />
über Regisseure und Filme wie zum Beispiel Werner<br />
Herzogs FITZCARRALDO, Michelangelo Antonionis LA<br />
NOTTE oder Ingmar Bergmans DAS SCHWEIGEN und<br />
ABEND DER GAUKLER. Das sind große, typisch arbeitsteilige,<br />
internationale Kinoproduktionen. Ich war<br />
ein leidenschaftlicher Kinogänger und für mich waren<br />
die Leistungsträger in diesen Filmen immer auch die<br />
Drehbuchautoren, die Kameraleute, die Komponisten,<br />
die Schnittmeister und die Produzenten. Auch bei meinen<br />
Besuchen in den Prager Trickfilmstudios konnte ich<br />
erfahren, wie für einen zehnminütigen Animationsfilm